Nr. 106 Sommer 2019 Auf der Kärwa Auf ins Museum Auf zur Uni - Stadt Nürnberg

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Nr. 106 Sommer 2019 Auf der Kärwa Auf ins Museum Auf zur Uni - Stadt Nürnberg
Nr. 106   Sommer 2019

                        Auf der Kärwa

                        Auf ins Museum

                        Auf zur Uni
Nr. 106 Sommer 2019 Auf der Kärwa Auf ins Museum Auf zur Uni - Stadt Nürnberg
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                NÜRNBERG
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Nr. 106 Sommer 2019 Auf der Kärwa Auf ins Museum Auf zur Uni - Stadt Nürnberg
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Editorial
Zuckerwatte, Popcorn und – natürlich die Schiffschaukel. Der ungewöhnliche Blick durch den Klassiker der
Kirchweih-Kultur in den Nürnberger Himmel weckt Kindheitserinnerungen. Unterschiedliche Traditionen machen
die Stadtteil-Kärwas zum echten Erlebnis, wie ein fotografischer Streifzug ab Seite 64 zeigt.
Foto: Christine Dierenbach

Die Geschichte unserer Stadt weist viele Besonder-                gründet die innovative Technische Universität Nürn-
heiten auf. Zur Dürerzeit vor rund 500 Jahren galt                berg. 1,2 Milliarden Euro sollen dafür ausgegeben
Nürnberg gleichsam als das Zentrum Europas. Die                   werden. Wie dynamisch sich der Hochschulstandort
in Wissenschaft, Kunst, Handwerk und Handel er-                   Nürnberg entwickelt und was die verschiedenen
folgreichen Menschen verdienten sich ihre Meriten                 Institutionen zu bieten haben, lesen Sie in einem
und ihr reales Vermögen vor allem durch ihre eige-                Schwerpunktbeitrag in diesem Heft.
nen Talente, ihr Wisssen und ihren Fleiß. Das war
bis zum Ende der Reichsstadt 1806 so, das blieb so,               Menschen bewegen die Welt, so auch in Nürnberg.
als sich im 19. Jahrhundert Nürnberg anschickte,                  Vom boomenden Tourismus leben rund 35 000
innerhalb weniger Jahrzehnte zu der Industriestadt                Personen. „Nürnberg Heute“ stellt einige von
Bayerns aufzusteigen.                                             ihnen vor. Dass man im Ehrenamt für jung und alt
                                                                  da sein und der Einsatz für andere sehr bereichernd
Dass der wirtschaftliche Erfolg und das Voran-                    sein kann, zeigt eine andere Geschichte. Wie sich
kommen der Stadt nicht von Ungefähr kommen,                       Museen mit speziellen Führungsangeboten immer
sondern viel mit Bildung, mit Forschung und Lehre                 mehr auf die Bedürfnisse ganz unterschiedlicher
zu tun haben, wussten natürlich auch vergangene                   Besuchergruppen einstellen, beschreibt eine
Generationen. So entstanden in Nürnberg eine                      Reportage. Und wussten Sie, dass Musik Klier in
Reihe von Schulen und Lehranstalten, die bis heute                der Südstadt zu den zehn größten Musikhäusern
nachwirken. Heute gibt es eine lebendige und                      Deutschlands zählt? Nachzulesen im Firmenporträt.
viefältige Universitäts- und Hochschullandschaft,                 Dies und noch viel mehr finden Sie wieder in der
die in gewisser Weise einzigartig ist: Die meisten                Sommerausgabe von „Nürnberg Heute“.
Institutionen gehen auf eine städtische Gründung
zurück. Diese „Tradition“ hat nun der Freistaat                   Ihre „Nürnberg Heute“-Redaktion wünscht
Bayern auf spektakuläre Weise beendet. Das Land                   Ihnen eine anregende Lektüre
Nr. 106 Sommer 2019 Auf der Kärwa Auf ins Museum Auf zur Uni - Stadt Nürnberg
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      Inhalt

      6 		Panorama
    			Schulsport mit fairen Bällen / Kamel-
        nachwuchs freut Tiergarten / Aus-
        gezeichnete Restaurants / Dürer im TV

      8 		Profil
    			Professor Karlheinz Ruckriegel erforscht
        das Glück                                   16   Die Hochschullandschaft wächst –
                                                         die Studentenzahlen steigen

    25 		Menschen
    			Iris Berben neu in Menschenrechtspreis-
         Jury / Bundespräsident eröffnet Woche
         der Brüderlichkeit / Daniel Hess wird
         Museumschef

    41 		Report
    			500 Jahre Sebaldusgrab / Z-Bau-Saal
        saniert / Projektpartnerschaft mit Togo /
        Basketballer steigen auf / Finanzierung
        für Zeppelintribüne

    55     	 Blickpunkt
    			Straßennamen werden weiblich /
        Augustinerhof feiert Richtfest /
        Neuer Geburtenrekord / Für Europa –
        gegen Rassismus

    71 		Bücher & Mehr
    			Faktenreiche Fußball-Chronik / Auf den
        historischen Spuren des Dutzendteichs /
        Die Stadt von oben gesehen / Erfindun-
        gen made in Nürnberg

    78 		Impressum
Nr. 106 Sommer 2019 Auf der Kärwa Auf ins Museum Auf zur Uni - Stadt Nürnberg
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                                       10 Herzlich willkommen!
                                       		Rund 35 000 Menschen leben in Nürnberg vom Tourismus

                                       16 	Auf dem Weg in die Zukunft
                                            des Wissens
                                       		Milliardenschwerer Ausbau der Hochschullandschaft

                                       28    Mehr als nur ein Zeitvertreib
                                       		    Ehrenamt hat viele Gesichter und kennt kein Alter

                                       34    Lust aufs Museum wecken
                                       		    Kulturvermittlung auf neuen Wegen

                                       48 Naturschutz aus Überzeugung
                                       		Der Landschaftspflegeverband schafft Biotope und sichert
                                          Artenvielfalt

Hoch auf dem Wagen –
Kirchweih-Stimmung in Bildern     64   60 Hier stimmt der Klang
                                       		Musik Klier ist eines der zehn größten Musikhäuser
                                          Deutschlands

              Und ewig lockt
                                       64    Die Kärwa ruft
              die Kunst – viel-
                                       		    Fotografischer Streifzug zeigt unterschiedliche Traditionen
              fältige Angebote
              machen Kultur
              erlebbar

                         34            		Das Online-Angebot rund um „Nürnberg Heute“:
                                             www.nh.nuernberg.de
Nr. 106 Sommer 2019 Auf der Kärwa Auf ins Museum Auf zur Uni - Stadt Nürnberg
6           Panorama

Dürer als Superstar
Am berühmtesten Nürnberger
kommt auch das ZDF nicht vorbei
und präsentiert ihn am Pfingst-
sonntag seinem Publikum: Albrecht
Dürer ist eine 45-minütige Folge der
Reihe „Terra X“ gewidmet, deren
Dreharbeiten im Herbst 2018 unter
anderem im Freilandmuseum Bad
Windsheim stattfanden. Der im Film
von Jakob Tögel (2. v. li.) verkörper-
te Dürer wird darin als Superstar
porträtiert, dessen Bedeutung der
Leonardo da Vincis nicht nachsteht.
                                                  Foto: Stefan Blank

                               Der richtige Kick
                               Bald treiben Mädchen und Jungen aller öffentlichen Nürnberger
                               Schulen nur noch Sport mit fairen Bällen mit der Aufschrift
                               „Nürnberger Schulen spielen fair“. Die Einrichtungen beziehen
                               seit April 2019 alle Fuß-, Hand-, Volley- und Futsal-Bälle
                               von der Nürnberger Firma Bad Boyz Ballfabrik e.K., die
                               Fairtrade-zertifiziert ist. Das Siegel verleiht TransFair – Verein

                                                                                                                                                             nb ach
                               zur Förderung des Fairen Handels in der Einen Welt. Auch die

                                                                                                                                                            Diere
                               produzierenden Firmen in Pakistan tragen das Fairtrade-Siegel.

                                                                                                                                                          tin e
                                                                                                                                                      hris
                                                                                                                                                    :C
                                                                                                                                                     to
                                                                                                                                                  Fo

               Foto: Christine Dierenbach

                                                                                                         Ran an den Baum
                                                                                                           Taschentuchbaum (im Bild), Trompetenbaum,
                                                                                                          Tulpenbaum: Die Vielzahl teils exotischer
                                                                                                        Gewächse im Stadtpark ist selbst für Fachleute
                                                                                                       nicht immer leicht zu unterscheiden. Licht ins
                                                                                                      dunkle Grün bringt ein neuer Baumlehrpfad. Kur-
                                                                                                     ze Steckbriefe auf schmucken Tafeln ermöglichen
                                                                                                     die Identifizierung von 25 Baumarten und geben
                                                                                                    Hinweise auf ihre Herkunft.
                                                  Foto: Christine Dierenbach
Nr. 106 Sommer 2019 Auf der Kärwa Auf ins Museum Auf zur Uni - Stadt Nürnberg
Panorama        7

Ein Prosit zum 100. Geburtstag
Eine freundlich blickende Bedienung, die Burg und
                                                                                               Auf leisen Sohlen
natürlich: Festbier! Diese Elemente schmücken den
Krug zum Jubiläum 100 Jahre Frühlingsfest. Mit                                                 Ein Hoch auf Nala: Nach 48 Jahren ist im städtischen
einer verlängerten Laufzeit und einem Festprogramm                                             Tiergarten erstmals wieder ein Kamel geboren. Ende April
feierte der Schaustellerverband im April und Mai                                               brachte die zwölfjährige Stute Akiba das Fohlen zur Welt,
2019 den runden Ge-                                                                            das sich prächtig entwickelt. Ausgewachsen wird Nala erst in
burtstag. Aus insgesamt                                                                        vier Jahren sein. Das Duo gehört zu den Trampeltieren – ein
64 Arbeiten von 36                                                                                         etwas irreführender Name, denn getrampelt wird
Künstlerinnen und                                                                                              bei Kamelen nicht. Sie laufen auf feinfühligen
Künstlern hatte eine                                                                                                                Schwielensohlen und
Jury aus Volksfest-                                                                                                                      treten sehr sanft auf.
Veranstaltern,
Tucher-Brauerei und
Medien das Motiv von                               Foto: Christine Dierenbach

Gestalter Joseph Zeh-
ner aus Eggolsheim
ausgewählt.

                                                                                                     Foto: Helmut Mägdefrau/Tiergarten Nürnberg

                                                                                Frische Farben
                                                                                Wie neu leuchtet nach monatelanger Sanierung eines der wertvolls-
                                                                                ten Glasfenster von St. Lorenz: das 1479 bis 1481 angefertigte und
                                                                                nach seinen Stiftern benannte „Rieter-Fenster“ auf der nördlichen
                                                                                Seite des Hallenchors. Es stellt Szenen aus dem Alten Testament um
                                                                                das Leben von Moses dar. In den rund 130 000 Euro teuren und von
                                                                                der Deutschen Stiftung Denkmalschutz geförderten Restaurierungs-
 Foto: Thomas Bachmann
                                                                                arbeiten enthalten ist eine neue Schutzverglasung.

          Sterne-Regen für Restaurants
          Feinschmecker haben in Nürnberg nun die Qual der Wahl: Insge-
          samt drei weitere Restaurants hat der Guide Michelin mit einem
          Stern bedacht – das „Koch und Kellner“ in Gostenhof, „Der
          Schwarze Adler“ in Kraftshof und das „Waidwerk“ in Großreuth.
          Damit hat sich die Zahl der Sterne-Tempel in der Stadt erhöht.
          Mit dem Zwei-Sterne-Haus „Essigbrätlein“ und den Ein-Sterne-
          Restaurants „Entenstuben“ und „ZweiSinn Meiers | Fine Dining“
          gibt es für Gourmets nun sechs Adressen.
                                                                                                 Illustration: Stadtgrafik Nürnberg
Nr. 106 Sommer 2019 Auf der Kärwa Auf ins Museum Auf zur Uni - Stadt Nürnberg
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    „Glück lässt sich trainieren“
    Zufriedenheit ist kein Zufall. Davon ist Karlheinz Ruckriegel überzeugt. Der Volkswirt beschäftigt sich
    an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm wissenschaftlich mit dem subjektiven Wohl-
    befinden. Er weiß: Verzicht kann auch ein Gewinn sein.

    Nürnberg Heute: Herr Professor Ruckriegel, Nürnberg ist Ihre       Dennoch wirken nicht wenige Menschen kreuzunglücklich,
    Traumstadt – wie kam das?                                          obwohl es ihnen scheinbar an nichts fehlt.
    Karlheinz Ruckriegel: Das habe ich meiner Patentante zu ver-       Ob jemand eher pessimistisch oder optimistisch ist, hängt auch
    danken, die ich als Kind oft in Nürnberg besucht habe. Die hat     mit dem Limbischen System des Gehirns zusammen. Ist das
    mich früh mit hinauf genommen auf die Burg – das hat mich          Belohnungssystem aktiver, sind Betroffene eher bereit, sich
    begeistert. Bis heute ist das mein Lieblingsort.                   Herausforderungen zu stellen. Das Angstzentrum dagegen
                                                                       fördert Vermeidungsverhalten. Aber das lässt sich beeinflussen
    Was stimmt Sie im Alltag glücklich?                                und trainieren, zum Beispiel über das Führen eines Dankbar-
    Das kann, wie wohl bei jedem Menschen, ganz vieles sein: eine      keitstagebuchs. Das hilft, sich die positiven Seiten bewusst zu
    nette Begegnung, ein erfreulicher Anruf, schönes Wetter, sicher    machen. Generell gilt nämlich, dass wir dazu neigen, Negatives
    auch etwas Gutes zu essen, das Erreichen eines Ziels, eine         viel intensiver als Positives wahrzunehmen. Und das ist eine
    angenehme Überraschung.                                            verzerrte Wahrnehmung der Realität.

    Aber es geht ja sicher um mehr als einzelne Glücksmomente,         Dass Wissenschaftler dem Glück auf den Grund gehen,
    nämlich eher um eine Einstellung. Sehen Sie sich selbst als        vermutet man in Fächern wie Philosophie oder Psychologie.
    Glücksvogel?                                                       In der Volkswirtschaft wirkt das eher überraschend.
    So würde ich das nicht bezeichnen – da schwingt mir noch           Das ökonomische Denken dreht sich im Kern um den Nutzen.
    zu viel mit von der Vorstellung von zufälligem Glück wie beim      Zugleich ist klar, dass sich Leben nicht im Materiellen erschöpft.
    Lotto. Es gibt aber eine ganze Reihe von handfesten, sogar         Vielmehr strebt jeder nach subjektivem Wohlbefinden. Wenn
    objektiven Faktoren, ohne die wir schwer glücklich sein können.    wir unser Leben als gut und erfüllend wahrnehmen, sind wir
                                                                       glücklich. Nutzen ist das Wort der Ökonomen für subjektives
                                                                       Wohlbefinden.
    Karlheinz Ruckriegel ist seit 1995 Professor für Volks-
    wirtschaftslehre an der Fakultät Betriebswirtschafts-              Lässt sich subjektives Wohlbefinden konkreter fassen?
    lehre der Technischen Hochschule Georg Simon Ohm.                  Aber ja doch! Wohlbefinden hat eine emotionale Seite, es stellt
    Als Experte zu Fragen rund ums Glück ist er weit über              sich ein, wenn die erfreulichen Gefühle die negativen im Tages-
    Franken hinaus gefragt. Geboren und aufgewachsen                   durchschnitt überwiegen, und das – so eine Faustregel – um
    im Landkreis Bayreuth, studierte er nach Lehre, Be-                den Faktor drei. Rationaler geht es beim kognitiven Wohlbe-
    rufstätigkeit als Industriekaufmann und Abitur. Auf die            finden zu. Da misst unser Verstand das Erreichte an unseren
    Promotion folgten einige Jahre bei der Bundesbank in               Wünschen und Zielen – die freilich sinnhaft und realistisch
    München.                                                           sein sollten. Zufriedenheit stellt sich ein, wenn wir hier auf
                                                                       einem guten Weg sind. Am Ende beeinflussen sich emotionales
                                                                       und kognitives Wohlbefinden gegenseitig. Dauerhaftes Glück
    Nämlich?                                                           erfordert, dass wir schon den Weg genießen, der uns zu einem
    Ganz oben rangieren sicher gelingende, liebevolle soziale          als lohnenswert eingestuften Ziel führt.
    Beziehungen in Familie und Partnerschaft, im Freundes- und
    Kollegenkreis, in der Nachbarschaft, im Verein und so weiter.      Lässt sich Glück überhaupt erforschen?
    Zweiter maßgeblicher Punkt sind Tätigkeiten, die uns aus- und      Natürlich! Denn unterm Strich geht es um Ressourcen und die
    erfüllen und als befriedigend erlebt werden, auf der Arbeit oder   Frage, wie sich die angestrebten Ziele bestmöglich erreichen
    im Ehrenamt. Schließlich brauchen wir ein Mindestmaß an per-       lassen. Das führt unmittelbar zur Frage nach der Zeit. Das ist
    sönlicher Freiheit, also das Gefühl, Einfluss zu haben und unser   eine knappe Ressource – je sinnvoller wir sie verwenden, desto
    Leben in wesentlichen Teilen selbst gestalten zu können.           größer unser Glücksempfinden. Das kennt jeder, vor allem aus
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Ist dem Glück auf der Spur: Karlheinz Ruckriegel, Professor für Volkswirtschaftslehre. Foto: Christine Dierenbach

dem Scheitern: Wenn wir „sinnlos“ herumhängen oder auf                        Was folgt daraus?
etwas warten müssen und die Zeit „vergeuden“, können kaum                     Erstens, dass die – wie ein Kollege formuliert hat – vorwie-
positive Gefühle aufkommen.                                                   gende Ausrichtung der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik
                                                                              auf materielle Aspekte verfehlt ist. Das hat, zweitens, enor-
Nochmal: Wo kann da Forschung ansetzen?                                       me Bedeutung, wenn wir einen nachhaltigeren Lebensstil
Untersucht wird vor allem, welche Faktoren unser subjektives                  entwickeln und den Raubbau an der Umwelt beenden wollen.
Wohlbefinden beeinflussen und wie sehr es auf das Materielle                  Eine Relativierung des Materiellen führt zu einer Schonung und
ankommt. Ich folge da den Spuren von prominenten Ökonomen                     Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Auf interna-
wie Angus Deaton von der Universität Princeton. Der wurde                     tionaler Ebene spiegelt sich das im „World Happiness Report“
für seine Arbeiten zur Glücksforschung 2015 sogar mit dem                     der Vereinten Nationen und vor allem dem „Better life Index“
Nobelpreis geehrt. Nach weniger Materiellem zu streben, ist in                der Industrieländerorganisation OECD: Zu den elf Indikatoren,
dieser Perspektive kein Verzicht, sondern ein Gewinn!                         die berücksichtigt werden, gehören unter anderem Bildung,
                                                                              gute Arbeit und die Umweltsituation.
Glücksforschung hat auch politische Relevanz. Was würden
Sie Politikern gern ins Stammbuch schreiben?                                  Sind die Franken im Allgemeinen und Nürnberger im Beson-
Eins liegt auf der Hand: Wo Menschen hungern, obdachlos                       deren überdurchschnittlich glücklich oder neigen sie dazu,
oder eingesperrt sind, kann von Wohlbefinden nicht die Rede                   immer das Haar in der Suppe zu finden? Und warum?
sein, das kann nur zynisch wirken. Aber ab einem bestimmten                   Ich denke, das lässt sich nicht verallgemeinern. Umfragen zur
Niveau der Befriedigung von Grundbedürfnissen steigert mehr                   Zufriedenheit sehen uns Franken aber in Deutschland mit in der
Geld und Einkommen nicht ohne weiteres das subjektive Wohl-                   Spitzengruppe und klar vor (Alt-)Bayern. Das ist doch schon
befinden. Sonst müssten Millionäre durch die Bank unschlagbar                 mal was.
glücklich sein.                                                                                      Interview: Wolfgang Heilig-Achneck
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Hausdame Lilia Gerstner (li.)
und Zimmermädchen
Karolina Borowiak machen
ein Zimmer im Novina Hotel
bezugsfertig.
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Text Thomas Meiler    Fotos Daniel Karmann

Herzlich willkommen!
Eine Suppe mit fünf Löffeln? Kein Problem, der Tourist ist König. Viele fleißige
Helfer geben alles, damit der wachsende Gästestrom sein einmaliges Nürnberg-
Erlebnis bekommt. Sogar gefaltetes Klopapier gehört zum formvollendeten
Empfang.

Der touristische Hotspot Nürnbergs? „Das ehe-           interessant. Sie wollten an die reiche Tradition der
malige Reichsparteitagsgelände der Nationalsozi-        alten Kaiserstadt anknüpfen, ihre Macht demons-
alisten“, sagt Andreas Krätzer ohne Zögern. Der         trieren und mit pseudoreligiösen Inszenierungen
39-jährige Rundgangsleiter des Vereins Geschichte       Adolf Hitler erhöhen“, erklärt er seinen rund 35
Für Alle führt seit fünf Jahren Gruppen, Schulklassen   interessierten Gästen aus dem Aus-, vor allem aber
und Tagesgäste durch Nürnbergs Altstadt oder eben       aus dem Inland bei einem Rundgang über das ehe-
über das riesige Areal, das einst Schauplatz giganto-   malige Reichsparteitagsgelände.
manischer Inszenierungen der Nazis war.
                                                        „Im Juli sind oft 40 Schulklassen pro Tag gleichzei-
„Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für      tig auf dem Areal unterwegs“, sagt Andreas Krät-
Nürnberg und sichert standortgebundene Arbeits-         zer. Dann haben er und die mehr als 250 weiteren
plätze. 2018 sorgte der Tourismus für einen Brut-       Gästeführer von Geschichte Für Alle gut zu tun. Der
toumsatz von 2,1 Milliarden Euro in Nürnbergs           Verein bietet allein in Nürnberg Touren zu mehr als
Hotellerie, Gastronomie, Einzelhandel und Dienst-       100 verschiedenen Themen an: Altstadt und andere
leistungsgewerbe. Etwa 35 000 Menschen leben in         Stadtteile, kulinarische Rundgänge, Theaterrund-
Nürnberg vom Tourismus“, erläutert Wirtschaftsre-       gänge oder Führungen durch die Felsengänge. 2018
ferent Michael Fraas.                                   gab es allein über das ehemalige Reichsparteitagsge-
                                                        lände 1 600 öffentliche Rundgänge und Gruppen-
Andreas Krätzer ist einer dieser Menschen, der ne-      führungen – alle anderen Angebote zusammenge-
benberuflich vom Tourismusboom profitiert. „Nürn-       nommen liegen mit 1 500 Touren darunter.
berg war schon immer eine außergewöhnliche
Großstadt, stand im 19. Jahrhundert im Ruf, das         Rundgänge über das Reichsparteitagsgelände hat
Schatzkästlein des ehemaligen Römischen Reiches         auch Nürnberg Tours im Portfolio. Dahinter steckt Der
Deutscher Nation zu sein. Frisch gekrönte Könige        Stadtführer e. V. – Verein der Gästeführer Nürnbergs,
hielten ihren ersten Reichstag auf der Kaiserburg       in dem sich rund 130 selbstständige Stadtführerin-
ab. Das machte Nürnberg für die Nationalsozialisten     nen und Stadtführer zusammengeschlossen haben.
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                         Sie haben 125 unterschiedliche Touren auf dem Plan.        Lilia Gerstner, die Hausdame des Hotels Novina am
                         Am besten geht die Altstadtführung, die täglich um         Wöhrder See, ist für die Sauberkeit von 147 Hotel-
                         13.30 Uhr auf dem Hauptmarkt beginnt. „An man-             zimmern zuständig. Um 8 Uhr morgens bestücken
                         chen Tagen ziehen gleichzeitig 100 Menschen in vier        13 Zimmermädchen ihre Wagen im „Office“ mit fri-
                         Gruppen los, um die Innenstadt kennenzulernen“,            scher Wäsche, Handtüchern und Putzutensilien und
                         freut sich Vereinsvorsitzende Mimi Hertlein. Beson-        verteilen sich paarweise über die Stockwerke. Lilia
                         ders stolz ist sie darauf, dass Touristen aus aller Welt   Gerstner ist im ganzen Haus unterwegs und kontrol-
                         die Geschichte der Stadt in 24 verschiedenen Spra-         liert stichprobenartig, ob alles ordentlich ist.
                         chen erläutert bekommen können. Für den Touris-
                         tenboom hat die 58-Jährige eine einfache Erklärung:        Sind die Böden makellos sauber? Die Betten frisch
                         „Nürnbergs tolle Kulisse zieht Menschen magisch an,        bezogen? Sind die Ecken am ersten Blatt der Klo-
                         und zwar quer durch alle Altersschichten.“                 papierrolle gefaltet? „Das bedeutet, dass Bad und
                                                                                    Toilette sauber sind. Außerdem ist das ein wichti-
                         Kein Zweifel, Nürnberg ist in. 2018 verbuchten die         ger Service für die Kunden, die sonst den Anfang
                         mehr als 150 Hotelbetriebe in der Stadt 3,6 Mil-           der Rolle suchen müssten“, erklärt die aus Russ-
                         lionen Übernachtungen – ein Plus von 8,5 Prozent           land stammende studierte Bauingenieurin, die seit
                         im Vergleich zum Vorjahr und eine Steigerung um            14 Jahren im Hotelgewerbe arbeitet. Zum Schluss
                         85 Prozent gegenüber dem Jahr 2000. Im gleichen            legt sie eine kleine Packung Gummibärchen auf je-
                         Zeitraum legte die Zahl der Hotelbetten um 57 Pro-         des Bett – „als süßes Willkommen für die Gäste“.
      Rundgangsleiter
                         zent auf mehr als 18 000 zu. Alle Hände voll zu tun        Ein letzter prüfender Blick, dann fällt die Tür ins
Andreas Krätzer bringt   also für Hoteliers und Empfangskräfte, Köche und           Schloss. „Der nächste, der es betritt, ist der Gast.
  den Gästen das ehe-    Zimmermädchen.                                             Da muss alles passen.“
 malige NS-Reichspar-
 teitagsgelände näher.
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                                                                                                                  Margit Eggemann gibt
                                                                                                                  in der Tourist Informa-
                                                                                                                  tion am Königstor Tipps
                                                                                                                  für einen erfolgreichen
                                                                                                                  Nürnberg-Besuch.

Laut Statistik sind drei Viertel aller Übernachtungs-      Nürnbergerinnen und Nürnberger als Freiwillige und
gäste Geschäftsreisende, Messe- und Kongressbesu-          als Botschafter der Stadt im Einsatz, das war un-
cher. Lediglich ein Viertel sind Touristen. Zwei Drittel   beschreiblich. Wenn man selbst irgendwohin reist,
der Gäste kamen aus Deutschland, ein Drittel aus           schätzt man es ja auch, willkommen zu sein. Die-
dem Ausland. Erfolgreichster touristischer Monat           ses Gefühl zu vermitteln, das ist es, was meinen Job
ist der Juli, gefolgt vom Dezember. In diesen Mona-        ausmacht.“
ten haben die Menschen, die vom Tourismus leben,
noch mehr zu tun.                                          Nicht hinter den Kulissen, sondern mitten drin im
                                                           Touristentrubel betreibt Marko Wagner sein Ge-
Zum Beispiel Margit Eggemann. Die 58-Jährige               schäft. Seinen Töpferladen im Rathaus am Haupt-
ist seit 23 Jahren Mitarbeiterin der Congress- und         markt gibt es bereits seit 1953; das Unternehmen
Tourismus-Zentrale in der Tourist Information am           selbst geht auf seinen Urgroßvater und das Jahr
Hauptmarkt oder im Kopfbau des Künstlerhauses in           1865 zurück. Menschen aus aller Welt gehen ein
der Königstraße, gleich gegenüber dem Hauptbahn-           und aus und decken sich mit Souvenirs ein. „Wir
hof. „Das Schönste ist für mich, mit unterschiedli-        führen dauerhaft mehr als 20 000 Artikel im Sorti-
chen Menschen zu arbeiten. Sich immer wieder aufs          ment und sind einer der größten Souvenirläden in
Neue auf Fremde einstellen zu müssen, ist sehr bele-       Deutschland“, sagt Marko Wagner. Der 48-Jährige
bend. Das hält jung. Ich gehe jeden Tag mit Freude         kennt sich in der Branche aus: Als Großhandels-
in die Arbeit. Nürnberg ist meine Heimatstadt, und         betreiber beliefert er Touristenshops in ganz Süd-
ich und das ganze Team können den Gästen richtig           deutschland. „Es gibt nicht viele Läden mit so einer
viel mitgeben“, betont sie.                                großen Bandbreite wie unseren.“

„Wenn jemand kommt, der einen halben Tag in                Weihnachtsartikel wie Nussknacker, Räuchermänn-
Nürnberg verbringt, dann versuche ich, ein Gespür          chen, Rauschgoldengel oder Baumschmuck haben
für sein Interesse zu bekommen und gebe eine kon-          das ganze Jahr über Saison, rücken aber, je nach
krete Empfehlung ab“, schildert sie. Jeden Tag gibt        Jahreszeit, weiter nach vorn oder hinten im La-
sie zwischen 100 und 150 Ratsuchenden Tipps,               den. Hummelfiguren, Puppenstuben-Zubehör, ita-
damit der Aufenthalt in Nürnberg gelingt. Ihr ganz         lienische oder erzgebirgische Spieluhren, Wappen,
persönliches Highlight war die Fußball-WM 2006,            Steiff-Tiere, Stifte, Schlüsselanhänger, Dioramen,
berichtet Margit Eggemann. „Da waren so viele              Stickereien, Schneekugeln, Golfbälle mit Stadtwap-
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                                Angelika Schloßbauer
                                und „Bratwursthäusle“-
                                Chef Werner Behringer
                                kennen die Vorlieben
                                der Gäste: Bratwürste
                                oder Knöchle.

            Mehr als nur ein
     Arbeitsplatz: Touristen-
     pfarrerin Petra Seegets
      in der Sebalduskirche.
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pen, Kuckucksuhren. „Kuckucksuhren sind für viele        kischen Schweiz urlauben und einen Tagesausflug
Gäste aus Übersee ein typisches deutsches Souvenir.      nach Nürnberg machen. „Sie alle eint, in die Kirche
Wir haben hier viel internationale Kundschaft, und       zu kommen und Ruhe zu haben, sitzen zu können,
nicht jeder von ihnen fährt in den Schwarzwald. Die      abzuschalten, nichts bestellen zu müssen, nichts be-
Flusskreuzfahrttouristen decken sich hier mit Anden-     zahlen zu müssen, Gedanken nachzuhängen, Ein-
ken an ihre Deutschlandreise ein“, erörtert Wagner.      drücke zu verarbeiten, und von so etwas Schönem
Das meistverkaufte Produkt? „Kühlschrankmagnete          umgeben zu sein“, weiß die 55-Jährige.
mit Stadtsilhouette.“
                                                         Die Gäste seien durchaus sehr unterschiedlich. Polen
Direkt an der Laufachse zwischen Hauptmarkt und          legten oft Blumen am Grab des Heiligen Sebald ab,
Burg liegt, im Schatten der mächtigen Sebalduskir-       Italiener suchen schon mal frustriert das Weihwas-
che, das „Bratwursthäusle“ – ein bei Einheimischen       serkesselchen, das in protestantischen Kirchen fehle.
wie Touristen gleichermaßen beliebtes Restaurant.        „Hier kann man Kulturstudien betreiben. Auch bei
70 Prozent der Kunden seien Stammgäste, sagt             Gästen, die weltlich geprägt sind, oder Atheisten,
Restaurantleiterin Angelika Schloßbauer. Die             wie etwa aus Russland, die sich in einer Kirche aber
62-Jährige ist seit 35 Jahren im Betrieb tätig und       eben doch so verhalten, wie in ihrem Kulturkreis
hat schon viel Prominenz bewirtschaftet. „Früher         die Religion gelebt wird. „Jede Führung ist wie eine
kamen überwiegend Amerikaner, Italiener und Spa-         Reise in ein anderes Land“, freut sich die Touristen-
nier, seit dem Fall des Eisernen Vorhangs sind auch      pfarrerin.
Russen oder Litauer zu Gast. Und Asiaten, darunter
viele Koreaner.“                                         Helga Scheller bedient Reisende aus aller Herren
                                                         Länder in der Adventszeit an ihrem Zwetschgen-
Die Sprachbarriere werde heute via Smartphone            männle-Stand am Schönen Brunnen auf dem Christ-
überwunden. Die Gäste würden einfach Bilder              kindlesmarkt. Die 52-Jährige produziert die kleinen,
davon zeigen, was sie essen wollen: Bratwürs-            120 Gramm schweren Skulpturen aus Zwetschgen,
te oder Knöchle mit Sauerkraut. „Asiaten bestel-         Feigen und Nüssen wie bereits ihr Vater, ihre Oma
len einmal alles: eine Suppe mit fünf Löffeln, eine      und die Uroma zuvor auch. Mit Sohn Julian, 22,
Portion Bratwürste mit Kraut, einmal Eisbein, und        steht die inzwischen fünfte Generation in den Start-
jeder probiert von allem“, hat die Restaurantleite-      löchern, um das Geschäft fortzuführen.
rin beobachtet. Egal zu welcher Jahreszeit: Die 15
Bedienungen müssen ordentlich flitzen, denn „der         Produziert wird das ganze Jahr über. Im Frühjahr
Service musste im Lauf der Jahre schneller werden,       geht es los: Zuerst werden die Bodenbrettchen aus
weil die Menschen weniger Zeit haben zum Essen“.         armdicken Birkenästen gesägt. Danach bekommen
Eines habe sich in 35 Jahren aber nicht verändert:       die Walnüsse in fünf Schritten ein freundliches Ge-
Bratwürste mit Kraut und Knöchle gehen nach wie          sicht aufgemalt. Pro Männla sind rund 20 Arbeits-
vor am besten.                                           gänge nötig, der Preis ist mit sechs Euro moderat.
                                                         Mutter und Sohn teilen sich die Arbeit. Auf das Brett
Die Besucherinnen und Besucher der altehrwürdi-          kommt ein Drahtskelett, auf das Glieder und Körper
gen Kirche St. Sebald sind weniger auf das leibliche     aus Zwetschgen und Feigen aufgesteckt werden.
Wohl aus als auf ihr Seelenheil, weiß Touristenpfar-     Zum Schluss folgt das Ankleiden: Hut oder Kopf-
rerin Petra Seegets. Seit sieben Jahren zeigt sie Gäs-   tuch, Weste oder Dirndl, Fußballdress oder Schorn-
ten die Kostbarkeiten des Gotteshauses und schult        steinfeger, Wanderstock oder Hammer, Axt, Fußball,
die derzeit rund 50 ehrenamtlichen Kirchenführerin-      Schirm oder Fahne.
nen und Kirchenführer. Die Kirchen St. Sebald und
St. Lorenz sowie St. Jakob in Rothenburg ob der          „Wir machen unser Geschäft mit den Touristen“,
Tauber seien die drei meistbesuchten evangelischen       sagt Helga Scheller. Weil die Produktion und der Ver-
Kirchen in Bayern. Jährlich kommen mehrere hun-          kauf von Zwetschgenmännla allein nicht ausreicht,
derttausend Gäste, weshalb die Landeskirche bereits      um den Lebensunterhalt zu bestreiten, betreut und
in den 1980er Jahren die Notwendigkeit gesehen           vermietet sie zusätzlich als Franchisenehmerin der
hat, auch für die Menschen da zu sein, die kommen,       Zimmervermittlungsagentur Bed & Breakfast rund
ohne der jeweiligen Gemeinde anzugehören.                300 Objekte in Nürnberg, Fürth und Erlangen. Vor-
                                                         mittags makelt sie drei Stunden lang Zimmer via Te-
Viele Ausländer kämen nur einmal im Leben nach           lefon und Computer, am Nachmittag produziert sie
Nürnberg, ebenso auch Deutsche, die mit ihren            ihre Männle. Denn der nächste Christkindlesmarkt
Familien im fränkischen Seenland oder in der Frän-       kommt bestimmt.
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Auch im digitalen Zeitalter sind
analoge Medien nicht von gestern:
Lesesaal und Bibliothek der WiSo
werden gern genutzt.
17

Text Siegfried Zelnhefer Fotos Daniel Karmann

Auf dem Weg in die
Zukunft des Wissens
In den nächsten Jahren kommt es mit der Gründung der Technischen Universität
Nürnberg zu einem milliardenschweren Ausbau der Hochschullandschaft. Die Zahl
der Studierenden wird um 6 000 auf 34 000 steigen. Dabei sind Forschung und
Wissenschaft in Nürnberg seit Jahrhunderten zuhause.

An Superlativen bestand nach dieser Entscheidung         wird in Nürnberg bleiben, aber einen neuen Stand-
kein Mangel. Von „historischen Beschlüssen“ und          ort im Norden der Stadt erhalten. Die Technische
einem „wuchtigen Signal“ des bayerischen Kabinetts       Fakultät der FAU, derzeit auf mehrere Standorte
sprach Ministerpräsident Markus Söder am 3. Juli         verteilt, wird an einem Standort im Erlanger Süden
2018, als er die Eckpunkte für den Wissenschafts-        zusammengeführt. Auch die Technische Hochschule
und Hochschulstandort Nürnberg und Erlangen be-          (TH) Nürnberg Georg Simon Ohm, die zweitgröß-
kannt gab. Besonders herausragend: Für 1,2 Milliar-      te Hochschule für angewandte Wissenschaften in
den Euro wird an der Brunecker Straße (ehemaliger        Bayern mit 13 000 Studierenden, wird weiterentwi-
Südbahnhof) die Technische Universität Nürnberg          ckelt. 300 Millionen Euro steckt der Freistaat in die
(TUN) als zehnte bayerische Landesuniversität neu        TH Nürnberg.
geschaffen. Im Herbst 2018 erwarb das Land von der
Aurelis Real Estate Service GmbH 37,5 Hektar Grund.      Eine hochrangige, 16-köpfige Strukturkommission
Seither wird an der Zukunftsuni verstärkt gearbeitet.    unter der Leitung von Wolfgang Herrmann, dem
                                                         Präsidenten der Technischen Universität München,
Für die Industrie- und Handelskammer Nürnberg            hat ein ausführliches Konzept zur Gründung der TUN
ist die TUN „von epochaler Bedeutung für die Me-         erarbeitet. Es sieht eine moderne Campusuniversität
tropolregion Nürnberg“. Oberbürgermeister Ulrich         vor. Forschung und Lehre, Wohnen, Leben und Ar-
Maly ist sicher, dass die neue Technische Uni auch für   beiten werden eng verknüpft sein. Die Ausrichtung
bestehende Hochschuleinrichtungen, etwa die Wirt-        ist international. Mit Auswahlverfahren sollen auch
schafts- und Sozialwissenschaften der Uni Erlangen-      die besten Köpfe gesucht werden. Die Lehre erfolgt
Nürnberg, „unglaubliche Synergien“ bedeuten kann.        weitgehend in englischer Sprache. Es wird neben
                                                         digitalen Formen („inverted classrooms“) auch Prä-
Die Gründung der Nürnberger Uni ist Teil eines drei      senzmöglichkeiten geben. Es geht um eine völlig
Milliarden Euro schweren Bildungsinvestitionspro-        neue Uni ohne Rückgriff auf tradierte (und verkruste-
jekts des Freistaats im Großraum Nürnberg. Die           te) Strukturen. Pate standen amerikanische Vorbilder.
Geisteswissenschaften der Friedrich-Alexander-Uni-
versität Erlangen-Nürnberg (FAU) bekommen im Er-         Wo sich nach der Räumung des ehemaligen Süd-
langer „Himbeerpalast“, dem ehemaligen Siemens-          bahnhofs an der Brunecker Straße heute noch ein
Hauptverwaltungsgebäude, ein neues Zuhause. Das          weites Brachgelände erstreckt, soll in wenigen Jahren
in Nürnberg am Campus Regensburger Straße an-            die neue Technische Universität mit Modellcharak-
gesiedelte Zentrum für Lehrerinnen- und Lehrerbil-       ter entstehen. Die Online-Ausgabe der „Süddeut-
dung (früher: Erziehungswissenschaftliche Fakultät)      sche Zeitung“ schrieb schon einmal von „Nürnbergs
18

     Super-Uni“. Das Profil in Forschung und Lehre liegt     demie der Bildenden Künste. Damit ist sie die älteste
     im Zukunftsfeld „Technikwissenschaften“. Technik-,      Kunstakademie im deutschsprachigen Raum. Nach
     Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften werden in     dem Ende der reichsstädtischen Zeit 1806 ging sie
     den sechs Departements „Mechatronic Engineering“,       in den Besitz des Königreichs Bayern über. Längst ist
     „Quantum Engineering“, „Biological Engeneering“,        sie eine staatliche Hochschule (Kurzporträt Seite 19).
     „Computer Science and Engineering“, „Humanities
     and Social Sciences“ und „Natural Sciences and Ma-      Der Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaf-
     thematics“ interdisziplinär miteinander verbunden.      ten (WiSo) der FAU mit Sitz in der Findelgasse und an
                                                             der Langen Gasse geht auf die 1919 gegründete städ-
     Geplant ist die Eröffnung für 2025. Der Vollausbau      tische Handelshochschule zurück (Seite 22). Die Mu-
     mit 200 bis 240 Professorinnen und Professoren,         sikhochschule Nürnberg (Seite 23) und die TH Nürn-
     1 800 bis 2 200 Hochschul-Mitarbeiterinnen und          berg (Seite 21) haben ebenfalls kommunale Vorläufer.
     -Mitarbeitern und bis zu 6 000 Studentinnen und
     Studenten wird einige Jahre in Anspruch nehmen.         Die Wissenschafts-, Universitäts- und Hochschulland-
     Der Betreuungsschlüssel – ein Professor pro 25 Stu-     schaft in Nürnberg ist überaus vielfältig. Als weitere
     dierende – ist bundesweit einmalig. Es wird damit       öffentliche Einrichtung ist die Evangelische Hoch-
     gerechnet, dass sich bis Ende 2019 der Wissen-          schule mit rund 1 500 Studis eine feste Größe in
     schaftsrat – er berät Bund und Länder in Fragen der     der Stadt (Seite 20). Daneben erleben auch private
     inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Hoch-    Hochschulen einen kleinen Boom. Derzeit kann man
     schulen, der Wissenschaft und der Forschung – mit       an zwölf verschiedenen derartigen Einrichtungen stu-
     dem Herrmann-Konzept beschäftigt. Der Freistaat         dieren. Indirekt ist die Kommune in einem Fall sogar
     Bayern will 2019/20 mit einem eigenen Gründungs-        wieder beteiligt: beim Medizinstudiengang, den das
     gesetz eine weitere Grundlage schaffen.                 städtische Klinikum Nürnberg in Verbindung mit der
                                                             Paracelsus Medizinische Privatuniversität vor wenigen
     Der Bau der TUN verleiht der Entwicklung eines          Jahren für 250 Studierende geschaffen hat.
     neuen Stadtteils auf dem ehemaligen Bahngelände
     eine besondere Note und Dynamik. Denn die Stadt         Hochschulen und Universitäten befruchten Stadt-
     entwickelt auf dem 90 Hektar großen Areal auch          entwicklung und Wirtschaft enorm. Aus der WiSo
     Grünflächen und ein großes Wohnquartier. Vielfäl-       kamen etwa wichtige Impulse für die Gründung der
     tige Planungsarbeiten für die Infrastruktur sind in     Datev oder der GfK. So manches Start-up-Unterneh-
     Arbeit. Erst im Frühjahr 2019 hat der Stadtrat einen    men hat seinen Ursprung beim Forschen und Tüfteln
     Grundsatzbeschluss gefasst, wonach die neue Wis-        junger Menschen. Oberbürgermeister Maly freut
     senschafts-, Arbeits- und Wohnstadt mit einer ober-     sich darauf, dass mit der TUN bald eine der innova-
     irdischen Verlängerung der Straßenbahn von der          tivsten Universitäten entstehen und die Zahl der Stu-
     Tristanstraße bis zur Bauernfeindstraße erschlossen     dierenden deutlich zunehmen wird. „Studentisches
     werden soll. Auch die U-Bahn wird eine zusätzliche      Leben ist international und transkulturell. Junges Le-
     Haltestelle erhalten, um das Quartier zu erschließen.   ben bereichert immer eine Stadt. Studenten können
                                                             ihr Wissen und ihre erworbenen Kenntnisse in der
     Mit der TUN gründet das Land Bayern in Nürnberg         Stadt einbringen“, sagt Maly.
     erstmals eine staatliche Hochschule, ohne dass es
     zuvor eine kommunale Vorläufereinrichtung gege-         Dabei zeichnet sich längst ein Wandel im Selbstver-
     ben hätte. Früher haben sich die Nürnberger ihre        ständnis vieler Hochschulen ab. Die Zeiten, da sich
     Hochschulen meist selbst geschaffen. Das begann         der akademische Lehrkörper am liebsten in seine
     bereits 1575 mit der Gründung einer Akademie in         Elfenbeintürme zurückzogen hat, sind vorbei. Eine
     Altdorf durch die Reichsstadt Nürnberg – maßgeb-        Öffnung in die Stadtgesellschaft ist zu beobachten –
     lich gefördert durch wohlhabende Patrizier. Bis zur     bei der Langen Nacht der Wissenschaften, in Science
     Auflösung im Jahr 1809 durch König Maximilian I.        Camps, in Angeboten wie Kinder- oder Senioren-
     war Nürnberg mit der „Altdorfina“ lange Zeit ne-        Unis. Die WiSo bietet gerade in diesem Jahr zahlrei-
     ben Straßburg die einzige Stadt, die eine derartige     che Bürger-Vorlesungen an. Stadt und Hochschulen
     Bildungsstätte unterhielt.                              rücken wieder enger zusammen. Neben Lehre und
                                                             Forschung gewinnt eine dritte Mission an Bedeutung:
     Der Ratsherr Joachim Nützel von Sündersbühl, der        Was kann die Wissenschaft für die Stadtgesellschaft
     Kupferstecher Jacob von Sandrart, der Mathemati-        leisten? OB Maly meint: „Der Ansatz muss lauten:
     ker Georg Christoph Eimmert und der Architekt Elias     Wir sind eine Hochschule in der Stadt. Wir forschen
     von Goedeler gründeten 1662 die Nürnberger Aka-         nicht als Selbstzweck, sondern für die Menschen.“
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Hannah Schwab und
    Michael Grebner
  aus der Klasse für
   Freie Malerei von
 Prof. Susanne Kühn
   bei einer gemein-
    samen Arbeit an
  der Akademie der
  Bildenden Künste.

 Freiräume in der Idylle
 Die mehr als 350 Jahre alte Akademie der Bilden-         zu entwickeln. Experiment und offener Diskurs ge-
 den Künste Nürnberg ist von Anfang an bis heute          hören zu dem produktiven Rahmen, in dem sich die
 ihren wesentlichen Zielen treu geblieben: Die freien     Studierenden – egal ob „frei“, „angewandt“ oder
 und die angewandten Künste bilden die zentralen          „kunstpädagogisch – entwickeln können.
 Lehrbereiche. Es gibt aktuell Klassen für Freie Kunst,
 Bildende Kunst, Bildhauerei, Malerei, Fotografie,        Dabei liegen die „Schutzräume“ in einem idyllischen
 Kunsterziehung, Gold- und Silberschmieden sowie          Waldgebiet nahe dem Tiergarten. Seit Mitte der
 Grafik-Design / Visuelle Kommunikation.                  1950er Jahre hat die Akademie dort ihren Sitz. Ge-
                                                          lehrt und gelernt wird in einem denkmalgeschütz-
 Zum Selbstverständnis der Institution gehört der Di-     ten Ensemble transparenter Pavillons des Architek-
 alog zwischen den freien und angewandten Diszip-         ten Sep Ruf, die bis 1956 fertiggestellt wurden. Als
 linen: „Wir verstehen uns als einen Schutzraum des       2013 ein Erweiterungsbau des Berliner Büros Ha-
 (Un)Möglichen, als ein Ort des freien künstlerischen     scher Jehle Architektur eröffnet wurde, konnte die
 Experimentierens, als Stätte der prozessualen Aus-       Außenstelle Lauf, in der fast drei Jahrzehnte lang die
 bildung individueller künstlerischer Haltung“, heißt     angehenden Kunsterzieherinnen und -erzieher ihre
 es in einer Selbstdarstellung.                           Ausbildung erfuhren, aufgegeben werden. Seither
                                                          sind alle rund 340 Studierenden der verschiedenen
 Das Ur-Modell der „Akademie“ hat vor knapp 2 500         Richtungen an einem Standort zusammen.
 Jahren der griechische Philosoph Platon in Athen
 mit seiner Philosophenschule geschaffen: Es war ein      Bei Jahres-, Debütanten-, Absolventen- oder Klas-
 abgelegener, unweit des namensgebenden Hains             senausstellungen in der Ausstellungshalle, in den
 „Akademeia“ angesiedelter Ort des freien Denkens.        Pavillons oder auch im Freigelände präsentieren die
 Die Akademie fühlt sich dieser Grundidee besonders       Studierenden regelmäßig ihre Arbeiten – zum Teil
 verpflichtet, indem sie Freiräume gewährt und die        erstmals – einer breiten Öffentlichkeit. Aber auch in
 Studierenden befähigen will, eine eigenständige          der Akademie Galerie Auf AEG kann Ausstellungs-
 Persönlichkeit und eine eigene künstlerische Haltung     praxis gesammelt werden.
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                                                                                                  Kleine Lerngrup-
                                                                                                  pen ermöglichen
                                                                                                  an der EVHN ein
                                                                                                  enges Miteinander
                                                                                                  zwischen Lehrenden
                                                                                                  und Studierenden
                                                                                                  wie in dieser Runde
                                                                                                  mit dem Psychothe-
                                                                                                  rapeuten Prof. Dr.
                                                                                                  Heinz-Peter Olm.

     Christliches Menschenbild als Grundlage
     Am 1. Mai 1995 hat die Evangelisch-Lutherische          An der EVHN lernt man für Berufe der Zukunft. Be-
     Kirche in Bayern die Evangelische Fachhochschule        reits heute können bundesweit 30 000 Stellen für
     Nürnberg mit den Fachbereichen Pflegemanage-            Pflegepersonal nicht besetzt werden. Mittelfristig
     ment, Religionspädagogik und Kirchliche Bildungs-       wird der Bedarf auf über 50 000 zusätzliche Arbeits-
     arbeit und Sozialwesen gegründet. Vorläuferein-         kräfte geschätzt. Mit der Aufwertung des Pflege-
     richtungen wie etwa die Evangelische Frauenschule       berufs durch Akademisierung und entsprechende
     gehen bis ins Jahr 1927 zurück. 2010 erfolgte eine      Qualifikation will auch die EVHN dem Trend entge-
     Umbenennung zur Evangelischen Hochschule                genwirken. Ähnliche Mangelberufe gibt es in der
     Nürnberg (EVHN). Die staatlich anerkannte Hoch-         Sozialen Arbeit und Kindheitspädagogik.
     schule bietet Studiengänge in den Bereichen Sozial-
     wissenschaften, Sozial- und Gesundheitswirtschaft,      Die EVHN bietet zehn Bachelor- und vier Masterstu-
     Gesundheit und Pflege sowie Pädagogik und Theo-         diengänge an. Rund 50 Professorinnen, Professo-
     logie an.                                               ren und Lehrende und weitere 40 Mitarbeiterinnen
                                                             und Mitarbeiter kümmern sich um rund 1 500 Stu-
     Die EVHN orientiert sich an einem Bildungsbegriff,      dierende. Noch geschieht dies in zwei Gebäuden
     für den das christliche Menschenbild zentrale Grund-    an der Bärenschanz- / Ecke Roonstraße und Am
     lage ist. Studierende aller Konfessionen und Weltan-    Plärrer 15.
     schauungen sind willkommen. Neben der wissen-
     schaftlichen Fundierung von Lehre und Forschung         Doch die EVHN wird in den kommenden Jahren in
     werden zusätzliche Themen spiritueller, persönlich-     das ehemalige Telekom-Gebäude an der Bayreuther
     keitsbildender und allgemeinbildender Art angebo-       Straße 1/Rathenauplatz umziehen. Die Evangeli-
     ten. Die Hochschule verspricht: „Studierende werden     sche Kirche hat den Komplex erworben. Neben der
     ergänzend zur beruflichen und wissenschaftlichen        EVHN werden dort unter anderem auch der CVJM
     Qualifikation zu einer kritischen Reflexion der eige-   Bayern und Fachschulen sowie Fachakademien der
     nen Person in Beruf und Gesellschaft und zur Über-      Rummelsberger Diakonie als Mieter unter einem
     nahme von Verantwortung angeregt.“                      Dach vereint.
21

                           Beim Laborpraktikum zur Thermischen
                      Verfahrenstechnik wird unter anderem das
                  Betriebsverhalten einer Anlage untersucht. Die
                  Ohm-Studierenden Sofia Dibrova und Maximi-
                        lian Sommer entnehmen hier eine Probe.

Regional verankert,
weltweit vernetzt
Die Technische Hochschule Georg Simon Ohm führt
die Ausbildungsrichtungen Technik, Wirtschaft, So-
zialwesen und Gestaltung. Die Sparte Technik geht
auf eine der ältesten technischen Lehranstalten
Europas zurück: Am Anfang stand die 1823 vom
Nürnberger Bürgermeister und Schöpfer der ersten
Deutschen Eisenbahn, Johannes Scharrer, gegrün-
dete Städtische Polytechnische Schule. Bei ihrer
Verstaatlichung im Jahr 1833 trat der Physiker Ge-
org Simon Ohm in den Lehrkörper ein. Von 1839
bis 1849 leitete er die Einrichtung. Ihm zu Ehren
bekam die Einrichtung bei der Jahrhundertjahrfeier
1933 den Namen Ohm-Polytechnikum Nürnberg.
Die Ausbildungsrichtungen Wirtschaft und Sozial-
wesen haben auch verschiedene Vorläufer-Schulen.
Schließlich schuf der Freistaat am 1. August 1971
die Hochschule, die ab 1983 Georg-Simon-Ohm-
Fachhochschule Nürnberg hieß und seit 22. März
2013 offiziell Technische Hochschule Nürnberg Ge-
org Simon Ohm heißt, kurz: Technische Hochschule               Fakultäten wird in Kompetenzzentren, Instituten
Nürnberg oder TH Nürnberg.                                     und interdisziplinären Zusammenschlüssen wie dem
                                                               EnergieCampus oder dem Nuremberg Campus of
Mit ihren 13 000 Studierenden ist die TH Nürnberg              Technology erfolgreich geforscht.
bundesweit eine der größten Hochschulen ihrer Art
und in Nürnberg die zahlenmäßig stärkste. 40 Pro-              Die TH Nürnberg ist regional verankert und inter-
zent der Studierenden haben keinen familiären aka-             national vernetzt. Zur Strategie gehören auch allein
demischen Hintergrund. Mit der Entwicklung neuer               160 Hochschulpartnerschaften in aller Welt. Die
Bildungsbiografien fördert die TH Nürnberg eine                Hochschule bietet über 50 Bachelor- und Masterstu-
positive Entwicklung des Industriestandorts. Als               diengänge an. In diesem Jahr laufen 32 Promotions-
eine der forschungsaktivsten und drittmittelstärks-            verfahren. Rund 2 000 Mitarbeiterinnen und Mitar-
ten aller bayerischen Hochschulen versteht sich die            beiter, davon 320 Professorinnen, Professoren und
TH Nürnberg auch als ein wichtiger Innovationsmo-              hauptamtliche Lehrkräfte, bringen die TH voran.
tor für die Metropolregion Nürnberg. Nicht zuletzt             Die verschiedenen Standorte im Zentrum nahe am
zahlreiche Kontakte zur Wirtschaft sorgen für einen            Wöhrder See platzen aus allen Nähten. Ein neues In-
fruchtbaren Wissens- und Technologietransfer. Im               formationszentrum mit Bibliothek und Rechenzent-
Internationalen Wettbewerb „U-Multirank“ hat die               rum ist bereits in Bau. Geplant ist zudem der Tech-
TH Nürnberg in den vergangenen Jahren Bestplat-                nologiecampus West mit großflächigen „big labs“
zierungen eingefahren: In der angewandten For-                 – großen Laboren mit veränderbarem Nutzungskon-
schung und der Kooperation mit der Industrie lan-              zept –, ein Neubau für ein Zentrum für Metall- und
dete sie im Jahr 2018 deutschlandweit auf Platz 1,             Polymerforschung sowie für ein Zentrum für Medien,
weltweit auf Platz 2. Auch außerhalb der zwölf                 Kommunikation und IT.
22

                                                           Lernen in einem Hörsaal an der WiSo: Tobias
                                                           Eismann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
                                                           und Doktorand am Lehrstuhl für Betriebs-
                                                           wirtschaftslehre, insbesondere Industrielles
                                                           Management, beim Vortrag.

                                                               als sechste Fakultät angegliedert. Erst seitdem trägt
                                                               die FAU die Ortsbezeichnung „Erlangen-Nürnberg“.
                                                               Die Studentenzahlen explodierten schier. Zeitweise
                                                               war die WiSo die größte Fakultät der FAU. Auf ei-
                                                               nem ehemaligen Brauerei-Areal an der Langen Gasse
                                                               entstand ein großer Neubau, dem eine große Erwei-
                                                               terung folgen sollte. Immer wieder wurde das Lehr-
                                                               angebot ausgedehnt, Anfang der 1990er Jahre etwa
                                                               mit dem Diplom-Studiengang Wirtschaftsinformatik.
                                                               Mit der Einführung der Bachelor- und Masterstudien-
                                                               gänge kamen etwa „International Business Studies“
                                                               oder „Sozialökonomik“ hinzu. 2007 wurde aus der
                                                               WiSo der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften in
                                                               der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakul-
                                                               tät der FAU. Und aus Anlass des Jubiläumsjahrs 2019
                                                               wurde der Fachbereich im Dezember des Jahres 2018
                                                               in Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
                                                               umbenannt. Die Marke WiSo hat Bestand.

                                                               „Weltweit vernetzt – lokal verbunden“ lautet die
                                                               Mission. „Forschung und Lehre auf internationalem
                                                               Spitzenniveau, Praxisorientierung, eine hervorra-
                                                               gende Vernetzung mit der Unternehmenswelt und
                                                               ein konsequentes Qualitätsmanagement sind die
                                                               Erfolgsfaktoren des Fachbereichs Wirtschafts- und
                                                               Sozialwissenschaften“, sagt Fachbereichsleiterin Ve-
                                                               ronika Grimm. Sie versteht ihre Einrichtung als „of-
     Praxisnah und                                             fene Uni, die in stetigem Austausch mit Stadtgesell-
                                                               schaft und Wirtschaft ist“. Dabei ist sie froh über die
     mitten in der Stadt                                       einzigartige Lage in der Altstadt, die sie noch mehr
                                                               zu einem „Co-creation Hub im digitalen Zeitalter“
                                                               ausbauen möchte: „Man braucht attraktive und in-
     Am 20. Oktober 1919 nahm ein Mann, der später             spirierende Orte, um die Akteure der digitalen Welt
     Wirtschaftsminister und Bundeskanzler der Bundes-         regelmäßig face-to-face zusammenzubringen.“
     republik Deutschland werden sollte, als einer von         Dass das nicht allein in den vorhandenen Gebäuden
     174 Studenten und sechs Studentinnen in der Han-          möglich sein wird, sei „nicht zu übersehen“. Eine
     delshochschule Nürnberg an der Findelgasse 7 sein         interne „Arbeitsgemeinschaft Vision 2030“ arbeitet
     Studium auf: Der Fürther Ludwig Erhard (1897-1977)        bereits am Konzept für eine WiSo der Zukunft.
     ist bis heute eng mit der Geschichte der Hochschule
     verbunden. In diesem Jahr des 100. Geburtstags wird       Schon längst gilt die WiSo als eine der renommier-
     gerne daran erinnert. Die Lehranstalt hatte im Winter-    testen Einrichtungen ihrer Art mit über 6 000 Stu-
     semester 1919/1920 soeben ihren Betrieb eröffnet.         dierenden, über 40 Lehrstühlen, weltweiten Kon-
                                                               takten und einem der vielfältigsten Fächerangebote
     Im Laufe eines Jahrhunderts hat die Einrichtung vielfa-   im deutschsprachigen Raum. In einer Selbstdarstel-
     che Veränderungen erfahren und hat sich selbst ver-       lung heißt es: „Gegründet als praxisnahe Hoch-
     ändert – und immer neue Namen bekommen. 1961              schule ist der Fachbereich bis heute universitäre
     wurde sie als Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche    Denkfabrik und gefragter Standortpartner in der
     Fakultät (WiSo) der Friedrich-Alexander-Universität       Metropolregion Nürnberg.“
23

    Beim Tag der offenen
Tür der Musikhochschule
am 12. April 2019 gaben
  Studierende des Studi-
   enbereichs Alte Musik
    kammermusikalische
    Kostproben auch mit
seltenen Zupfinstrumen-
       ten wie der Laute.

      Musikhochschule am Wöhrder See
      Der 9. Februar 2018 markiert ein beispielloses Ereig-   Rund 150 Lehrende aus vielen Nationen kümmern
      nis in Stadt- und Landesgeschichte. An diesem Tag       sich um 400 Studierende in den grundlegenden
      wurde die Übereignung des Gebäudes der Hoch-            Studienbereichen der künstlerischen und künstle-
      schule für Musik Nürnberg notariell besiegelt: Die      risch-pädagogischen Ausbildung.
      Stadt schenkte dem Freistaat Bayern die frisch sa-
      nierte Musikhochschule. 40 Millionen Euro hat die       Neben allen Orchesterinstrumenten gehören Ge-
      Kommune dafür ausgegeben, bevor das Land die            sang, Klavier, Orgel, Gitarre, Akkordeon, klassi-
      einstige städtische Einrichtung komplett übernahm.      sches Saxophon und Elementare Musikpädagogik
                                                              zu den angebotenen Studiengängen; daneben gibt
      Die Wurzeln dieser Institution gehen bis ins Jahr       es eine vitale, bestens in den Clubs der Stadt be-
      1821 zurück. Immer wieder neue Strukturen und           heimatete Jazzabteilung sowie eine Abteilung für
      Namen kennzeichnen die Entwicklung bis heute.           Alte Musik, die in europaweiter Vernetzung immer
      Als „Meistersinger-Konservatorium“, von vielen          wieder außergewöhnliche Events nach Nürnberg
      kurz „Kons“ genannt, erwarb sie sich schon zwi-         bringt. Über 50 Bachelor- und mehr als 20 Master-
      schen 1972 und 1999 viel Renommee, ehe sie nach         studiengänge stehen zur Auswahl.
      einer vorübergehenden (und ungewöhnlichen) Fu-
      sion mit dem Konservatorium der Stadt Augsburg          Dabei sind die angehenden Musikerinnen und Musi-
      schließlich zur eigenständigen und vollwertigen         ker nicht nur räumlich in der Stadt. Mit zahlreichen
      Musikhochschule umgestaltet wurde. Die Stadt            öffentlichen Konzerten von der Kammermusik bis
      verpflichtete sich, das ehemalige Haupthaus des         zum satten Big-Band-Jazz finden die Künstlerin-
      Sebastianspitals am Nordufer des Wöhrder Sees           nen und Künstler in ihrem eigenen Haus, im Heilig-
      zum dauerhaften Standort auszubauen. In dem             Geist-Saal oder an anderen Spielstätten ihr (vielleicht
      neobarocken Ursprungsbau wurde auf sensible             erstes) Publikum. Und die Bürgerinnen und Bürger
      Weise auch ein neuer Orchestersaal integriert. Seit     kommen in den Genuss so mancher neuer Hörer-
      2018 läuft der Betrieb in der nun dritten staatli-      fahrung oder machen auch die eine oder andere
      chen Musikhochschule Bayerns.                           Entdeckung.
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                                                       und erfrischende Getränke genieße

                Marktplatz Marienberg
                In der Natur-Erlebnis-Gärtnerei
                Öffnungszeiten
                Dienstag – Freitag 10 – 18 Uhr
                Samstag 9 – 16 Uhr
                Braillestraße 27                                                        www.noris-inklusion.de
                90425 Nürnberg                                                           Tel. (09 11) 4 75 76 25 40
Menschen   25

                                Wechsel bei Musikfest ION
                                Das Musikfest ION geht mit dem neuen Künstlerischen Leiter Moritz Pusch-
                                ke vom 28. Juni bis 13. Juli 2019 in seine 68. Auflage. Der Musiker und
                                Kulturunternehmer, der sich unter anderem als Organisator verschiedener
                                Festivals wie der Bremer Bach-Wochen oder von CHOR@BERLIN einen
                                Namen machte, folgt Folkert Uhde, der die Internationale Orgelwo-
                                che Nürnberg seit 2013 geleitet hatte. Zum Auftakt veranstalten der
                                Einzelhandel, das City Management und die ION am 28. Juni wieder die
                                „IONacht Nürnberg“ mit Konzerten, Freiluftkino und Late-Night-Shopping.

                                                                                                            Foto: Christine Dierenbach

                                                                      Berben neues Jury-Mitglied
                                                                      Die Schauspielerin Iris Berben ist neues Mitglied der Jury des
                                                                      Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises. Berben, 1950 in
                                                                      Detmold geboren, ist eines der bekanntesten Gesichter des deutschen
                                                                      Films und Fernsehens. Die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete
                                                                      Schauspielerin engagiert sich auch gegen das Vergessen, Rechtsex-
                                                                      tremismus und Antisemitismus und setzt sich für Toleranz und Vielfalt
                                                                      ein. Unter anderem ist sie Schirmherrin der Initiative „Gesicht Zeigen!
        Foto: picture alliance / dpa/ Horst Galuschka
                                                                      Für ein weltoffenes Deutschland e.V.“.

Große Helden
Zum 50. Jahrestag der letzten
Deutschen Fußballmeisterschaft
des 1. FC Nürnberg von 1968
hatten sich im vergangenen
Jahr die Spielerlegenden
Horst Leupold, Fritz Popp,
Franz Brungs und Karl-
Heinz Ferschl (stehend,
v.l.n.r.) in das Goldene
Buch der Stadt eingetra-
gen. Nun haben die beiden
Meisterspieler Georg Volkert
(sitzend) und Heinz Müller
(2.v.r.), die im vergangenen
Jahr verhindert waren, im Bei-
sein von OB Ulrich Maly (re.)
ihre Unterschrift nachgeholt.
                                               Foto: Roland Fengler
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