Nicht auf der Strecke bleiben! - Mobil trotz Langzeit-Sauerstoff-Therapie - Sauerstoffliga

 
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Nicht auf der Strecke bleiben! - Mobil trotz Langzeit-Sauerstoff-Therapie - Sauerstoffliga
AU SGA B E 32
                                                       Nummer 1/2014
                                                       Schutzgebühr: € 4,50

Nicht auf der Strecke bleiben!
Mobil trotz Langzeit-Sauerstoff-Therapie

Seite 6:              Seite 30:            Seite 34:
Patientenkongress:    Unabhängig           Erfolgreiche
Die Macht des         ­Reisen mit Mobil-   Petition der
­Patientenwillens      konzentrator        SauerstoffLiga
Nicht auf der Strecke bleiben! - Mobil trotz Langzeit-Sauerstoff-Therapie - Sauerstoffliga
I N H A LT

                                                                                            LOT Intern

                                                                                            Der neugewählte Vorstand            40
                                                                 25 Jahre                   Abschied von einer Ära              42
                                                                 Langzeit-                  Anruf-Aktion!                       43
                                                                 Sauerstoff-                IBAN/BIC – kein ­Hexenwerk          43

                                                                 Therapie                   Neues von der Website               44
                                                                                            Nachruf	                            45

                                                                                            LOT-Gruppen berichten

                                                                                            LOT-Gruppe Cuxhaven                 46
                                                                                            LOT-Gruppe Rosenheim | Ebersberg    47
                                                                                            LOT-Gruppe Lüneburg                 48
                                                                                            LOT-Gruppe Ansbach                  48
     Aktuelles                                   Reisen & Mobilität
                                                                                            LOT-Gruppe Uelzen                   49
    Grusswort des Vorsitzenden              3   Was macht ein Isländer in der
                                                 SauerstoffLiga?	                     26   LOT-Gruppe Kassel	                  50
    Vorträge beim 17. Patientenkongress
    der Deutschen SauerstoffLiga LOT e.V.        Red Dot Award für den neuen
                                                 Invacare Colibri                     28
    am 21. September 2013 in Bad                                                            Rubriken
    Reichenhall                             6   Fliegen mit Mobilkonzentrator        30
                                                                                            Zum Sammeln: Info-Flyer der
    Die Macht des Patientenwillens                                                          Deutschen ­SauerstoffLiga LOT e.V.	51
    von Dr. Ortrud Karg                     6

    „Die Würde des Menschen ist
    unantastbar.“
    von Dr. Birgit Krause-Michel           12

    Sinn und Unsinn von Leitlinien am
    Beispiel der Leitlinie zur Langzeit-­
    Sauerstoff-Therapie (LTOT)
    von Dr. Sebastian Gallenberger         15
                                                                                            LOT-Gruppen-Adressen                53
    Von der Badewanne zum
                                                                                            Beitrittserklärung                  54
    High-Tech-Training
    von Dr. Konrad Schultz                 18                                              LOT-Kontakt                         55
                                                 Recht
    Endoskopische Lungenvolumen-                                                            Impressum                           55
    reduktion                                    Erfolgreiche Petition der Deutschen
    von Dr. Andreas Fertl                  23   SauerstoffLiga LOT e.V.              34   Inserentenverzeichnis               55

„Potsdamer Luft“
 Besuchen Sie uns auf unserem
 nächsten Patientenkongress                      Kongresshotel Potsdam am Templiner See · Am Luftschiffhafen 1 · 14471 Potsdam

 am 27.09.2014 in Potsdam                        Nähere Einzelheiten und das Programm entnehmen Sie bitte unserer
                                                 Website www.sauerstoffliga.de oder erfragen dies in der
 Atemwegsinfekte:                                Geschäftsstelle unter 08651/762148.
 wie gefährlich, was tun?                        Oder schreiben Sie uns eine Mail: kongress@sauerstoffliga.de

    2                                                                                                                     O2-Report
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Weil Lebensqualität zählt.
Linde. Der Partner für Sie.

Linde: Living healthcare

Linde Healthcare bietet qualitativ hochwertige und zugleich kostengünstige Therapiekonzepte an. Unser Ziel ist, einen
wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten in der häuslichen Umgebung, im Alltag und sogar
auf Reisen zu leisten. Durch geschultes Fachpersonal garantieren wir einen marktführenden Service und umfassende
Hilfestellung bei allen Fragen zur Therapiedurchführung.

Linde Gas Therapeutics GmbH
Linde Healthcare, Landshuter Straße 19, 85716 Unterschleißheim
Telefon 089.37000-0, Fax 089.37000-37100, www.linde-healthcare.de
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GRUSSWORT DES VORSITZENDEN

                                    Liebe LOT-Mitglieder, liebe Angehörige, verehrte Leser,

                                    ich freue mich sehr, Ihnen den neuen O2-Report präsentieren zu dürfen, der nun
                                    erstmals von unserer neuen Redaktion zusammengestellt worden ist – in vorderster
                                    Linie von Herrn Michael Golinske!

                                    Jetzt erst habe ich erkannt, welche erhebliche Mühen, Telefonate, Diskussionen und
Prof. Dr. med. Rainer Willy Hauck   eigene Schreibarbeiten erforderlich sind, bis man ein solch schönes Heft in Händen
                                    hält. Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal Frau Ursula Krütt-Bockemühl
                                    herzlich für das außerordentliche Engagement danken, das sie in den vergangenen
                                    Jahren aufgebracht und die nahezu gesamte redaktionelle Arbeit für diese Zeit-
                                    schrift geleistet hat.

                                    In der Absicht, ähnliches bewirken zu können, haben der neue Vorstand und deren
                                    aktive Beisitzer nun alles gegeben, um die hoch liegende Messlatte zu erreichen. Wir
                                    hoffen, dass wir dies annähernd geschafft haben und wollen uns auch sehr bei den
                                    geschätzten Gastautoren bedanken, die uns für diese Ausgabe sehr interessante Bei-
                                    träge zur Verfügung gestellt haben. So finden Sie neben Zusammenfassungen der
                                    Vorträge des letztjährigen Patientenkongresses in Bad Reichenhall auch bereits die
                                    Ausblicke auf den diesjährigen Patientenkongress, der Ende September in Potsdam
                                    stattfinden wird. Mit dem Motto „Potsdamer Luft“ hoffen wir, dass wir Ihre
                                    ­Vorfreude und Ihr Interesse wecken können, um an diesem wunderschönen Platz in
                                     großer Zahl zusammenzukommen. Sie werden eine ausgewogene Mischung aus
                                     wissenschaftlichen Informationen von hochangesehenen Lungenspezialisten genie-
                                     ßen können, ebenso wie ein erlebnisreiches und gleichsam erholsames Rahmen­
                                     programm. Helfen Sie also mit, möglichst viele Mitglieder, Gäste und Interessierte
                                     am Templiner See in Potsdam zu versammeln und kommen Sie natürlich am besten
                                     auch selbst!

                                    Abschließend möchte ich Sie noch um etwas bitten: Da wir im erweiterten Vorstand
                                    noch ein „junges“ Team sind, brauchen wir Ihre Unterstützung im Sinne von Lob,
                                    Kritik und sehr gerne auch in Form von Ideen und Anregungen! Schreiben Sie,
                                    ­mailen Sie oder rufen Sie uns an – Ihre Meinung und Ihre Ideen sind es, die uns
                                     weiterbringen und uns motivieren!

                                    In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude beim Lesen des neuen O2-Reports
                                    und verbleibe mit den besten Grüßen

Um zukünftig auch über die
elektronischen Medien mit Ihnen     Ihr
in Kontakt zu kommen, bitte
wir Sie, uns Ihre E-Mail-Adresse
bekanntzugeben. Dafür reicht es,
eine E-Mail mit Ihrem Namen
und Ihrer Anschrift an die
Adresse info@sauerstoffliga.de      Prof. Dr. med. Rainer Willy Hauck
zu schicken!                        Vorsitzender der deutschen SauerstoffLiga LOT e.V., Bad Reichenhall

4                                                                                                                 O2-Report
Nicht auf der Strecke bleiben! - Mobil trotz Langzeit-Sauerstoff-Therapie - Sauerstoffliga
Ihre Nase hat Flügel.
Ihre Lunge hat Flügel.
Und Ihr Leben auch.

                                                                                                              Neonatologie
                                                                                                              Beatmung

Träume brauchen manchmal Flügel, auch bei Handicaps.                                                          Anästhesie
                                                                                                              HOMECARE
Moderne Sauerstofftherapie und Heimbeatmung                                                                   Schlafdiagnostik
                                                                                                              Pneumologie
schaffen Mobilität.                                                                                           Service
                                                                                                              Patientenbetreuung

Heinen + Löwenstein, Arzbacher Straße 80, D-56130 Bad Ems, Telefon: 0 26 03/96 00-0, Fax: 0 26 03/96 00-50, Internet: hul.de
Nicht auf der Strecke bleiben! - Mobil trotz Langzeit-Sauerstoff-Therapie - Sauerstoffliga
1 7 . PAT I E N T E N KO N G R E S S

25 Jahre Langzeit-Sauerstoff-Therapie:

Die Macht des Patientenwillens
Festvortrag zum 17. Patientenkongress der
Deutschen SauerstoffLiga LOT e.V. am 21. September 2013
von Dr. Ortrud Karg – München

                                                                                            brauchen wir jedoch nur einen geringen
                                                                                            Anteil, auch die ausgeatmete Luft enthält
                                                                                            immer noch ca. 16 % Sauerstoff. Unser
                                                                                            Atemvolumen beträgt daher mindestens
                                                                                            ca. 8.000 bis 10.000 l Luft am Tag.

                                                                                            Entdeckung des Sauerstoffs
                                                                                            Voraussetzung für die Entstehung und Auf-
                                                                                            rechterhaltung von Feuer ist neben dem
                                                                                            Brennstoff ein Oxidationsmittel, z. B. Sau-
                                                                                            erstoff. In der Antike und im Mittelalter
                                                                                            wurde das Feuer als Gabe des Himmels an-
                                                                                            gesehen. Ca. im 17. Jahrhundert wurde an-
                                                                                            genommen, dass aus dem Brennstoff
                                                                                            „Phlogiston“ entweichen würde. 1771
                                                                                            bzw. 1774 haben Carl Wilhelm Scheele und
                                                                                            Joseph Priestley unabhängig voneinander
                                                                                            beim Erforschen von Verbrennungsvorgän-
                                                                                            gen den Sauerstoff entdeckt. Der Apothe-
                                                                                            ker Scheele gewann beim Erhitzen von
25 Jahre Langzeitsauerstofftherapie (Long Term Oxygen Therapy: LTOT) – stimmt das?
                                                                                            Braunstein (Mangandioxyd) ein farbloses
Nein, die Langzeitsauerstofftherapie gibt es deutlich länger – seit 1965.
                                                                                            Gas „Feuerluft“, das die Verbrennung för-
25 Jahre Deutsche Sauerstoffliga LOT e.V. – stimmt das? Nein, die Liga gibt es noch         derte (Abhandlung von der Luft und dem
nicht so lang – seit 1997. Das Thema muss eigentlich heißen:                                Feuer 1777). Joseph Priestley konnte beim
                                                                                            Erhitzen von Quecksilberoxid Sauerstoff-
25 Jahre Flüssigsauerstoff in der Patientenversorgung in Deutschland. Das ist der
                                                                                            gas herstellen. 1779 fand Antoine Lavoi-
Anlass für diesen sogenannten Festvortrag.
                                                                                            sier, dass bei der Verbrennung nicht „Phlo-
                                                                                            giston“ entweicht, sondern Sauerstoff ge-
Sauerstoff                                    zum Aufbau von energiereichen organi-         bunden wird. Von ihm wurde auch der Be-
Sauerstoff ist das auf der Erde am häufigs-   schen Verbindungen (z. B. C6H12O6) Koh-       griff Oxygenium vorgeschlagen. Ca. 100
ten vorkommende Element, das es überall       lendioxid (CO2) und Wasser (H2O). Dabei       Jahre später (1883) gelang es Karol Ols-
gibt: nicht nur gasförmig in der Luft, son-   entsteht neben den energiereichen Verbin-     zewski und Zygmunt Florenti Wróblewski
dern auch physikalisch gelöst im Wasser       dungen Sauerstoff (O2): 6CO2 + 6 H2O +        erstmals Flüssigsauerstoff (Liquid Oxygen:
und gebunden im Gestein. Vor ca. 2,3          Licht → C6H12O6 + 6 O2                        LOX) herzustellen (www.wikipedia.de).
Milliarden Jahren haben Cyanobakterien            Umgekehrt benötigen unsere menschli-      1902 entwickelte dann Dr. Carl von Linde
und Algen in den Ozeanen damit begon-         chen Zellen Sauerstoff zur Energiegewin-      die Herstellung von Flüssigsauerstoff durch
nen, Sauerstoff zu produzieren, dieser ist    nung, in den Zellorganellen (Mitochond-       fraktionierte Destillation flüssiger Luft:
in die Luft entwichen. Vor ca. 1,5 Milliar-   rien, sog. Energiekraftwerke) findet eine     Luft wird getrocknet und gefiltert und an-
den Jahren traten dann die ersten aeroben     Oxidation statt. Nährstoffe und Sauer-        schließend auf 200 atm komprimiert. Da-
Organismen auf, die Sauerstoff ver-           stoff werden zur Energiegewinnung benö-       bei steigt die Temperatur deutlich an. Da-
brauchten. Nahezu alle Lebewesen benö-        tigt, als Abfallprodukte entstehen Kohlen-    nach wird die Luft auf Raumtemperatur
tigen zum Leben Sauerstoff. Aber Pflan-       dioxid und Wasser): Nährstoffe + O2 →         abgekühlt und das Gas auf 5 atm expan-
zen geben während der „Photosynthese“         Energie + CO2 + H2O.                          diert. Bei diesem Expansionsvorgang kühlt
mehr Sauerstoff ab als sie verbrauchen.           Menschen benötigen unter Ruhebedin-       das Gas so weit ab, dass flüssige Luft ent-
Ein lichtabsorbierender Farbstoff wie         gungen pro Minute ca. 300 bis 400 ml          steht. Die flüssige Luft durchläuft anschlie-
z. B. Chlorophyll wandelt Lichtenergie in     Sauerstoff, das bedeutet ca. 400 l täglich.   ßend eine Destilla­tionssäule zur Gassepara-
chemische Energie um und verbraucht           Von dem eingeatmeten Sauerstoff ver-          tion. Um andere Gase zu entfernen wird die

6                                                                                                                             O2-Report
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Tel. 089/9699760 - Fax 089/96997622
www.medicair.eu - info@medicair.eu
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1 7 . PAT I E N T E N KO N G R E S S

flüssige Luft erwärmt, die Gase haben un-                                                   sationsmechanismen gäbe. Der akute Sau-
terschiedliche Siedepunkte. Dieser Destilla-                                                erstoffmangel wird durch verstärkte At-
tionsprozess wird wiederholt, letztendlich                                                  mung (Hyperventilation) ausgeglichen:
wird reiner flüssiger Sauerstoff gewonnen                                                   Durch vermehrtes Atmen wird mehr CO2
(s. Abb. 1).                                                                                abgeatmet, der Kohlendioxidpartialdruck
                                                                                            in den Lungenbläschen sinkt, im Gegen-
Sauerstoff in der Atemluft                                                                  zug steigt der Sauerstoffpartialdruck an.
Der Gesamtluftdruck setzt sich aus den                                                      Für diese Hyperventilation benötigt man
Drücken der einzelnen Luftgase (Partial-                                                    jedoch sehr viel Atemmuskelkraft, das ist
drücke) zusammen, er beträgt auf Mee-                                                       extrem anstrengend. Blutgasmessungen
reshöhe unter Idealbedingungen 760                                                          von vier Bergsteigern auf dem Mt. Everest
mmHg. Die Sauerstoffkonzentration be-                                                       (Expedition Caudwell Xtreme Everest
trägt 21 %, das entspricht einem Sauer-                                                     2007) in 8440 m Höhe haben einen Koh-
stoffpartialdruck (pO2) von über 150                                                        lendioxidpartialdruck im Mittel von 13,3
mmHg in der Einatemluft. In der Höhe                                                        mmHg, einen Sauerstoffpartialdruck im
nimmt der Luftdruck ab, die Luft wird                                                       Mittel von 24,6 mmHg ergeben. Sauer-
„dünner“. Damit nimmt auch der Sauer-                                                       stoffmangel in der Einatemluft ist ein An-
stoffpartialdruck ab, die Konzentration                                                     reiz zur Neubildung roter Blutkörper-
bleibt jedoch 21 %. In unseren Lungen-         Abb. 1: Gewinnung von Flüssigsauerstoff      chen, dieser Effekt wird z. B. beim Hö-
bläschen (Alveolen) ist dieser Sauerstoff-     (Quelle: www.wikipedia.org)                  hentraining von Sportlern ausgenutzt,
partialdruck jedoch um ca. 40 mmHg                                                          Bergsteiger müssen u.a. deshalb sich erst
niedriger (ca. 115 mmHg), da in der Aba-          Der Aufenthalt in großer Höhe ist die     in mittlerer Höhe akklimatisieren, um
temluft ein relativ hoher Kohlendioxid-        gängigste Ursache für einen erniedrigten     dann auf den Gipfel zu gelangen. So be-
partialdruck (pCO2) vorhanden ist. Da          Sauerstoffpartialdruck im arteriellen Blut   trug der Hämoglobinwert bei diesen vier
die Summe aller Gaspartialdrücke immer         (Hypoxämie). So beträgt z. B. der Luft-      Bergsteigern im Mittel 19,3 g/100 ml Blut
gleich bleibt muss bei Anstieg des Kohlen-     druck auf dem Predigtstuhl in Bad Rei-       (Normwert 14 bis 15 g/dl). Der arterielle
dioxidpartialdruckes der Sauerstoffpar­­       chenhall (Höhe 1613 m) ca. 645 mmHg,         Sauerstoffgehalt lag bei 14,58 mg Sauer-
tialdruck abfallen und umgekehrt. Der          der Sauerstoffpartialdruck in der Eina-      stoff/100 ml Blut, d. h. noch im unteren
Sauerstoff diffundiert aus den Lungen-         temluft ca. 125 mmHg und in den Arteri-      Normbereich. Nur auf Grund solcher
bläschen in die sie umfließenden Blutka-       en ca 65 mmHg. Das ist für die meisten       Kompensationsmechanismen kann man
pillaren. Bei Störungen dieser Diffusion       Menschen völlig unproblematisch, außer       ohne zusätzliche Sauerstoffzufuhr in die-
gelangt weniger Sauerstoff in das Blut.        der Sauerstoffpartialdruck ist durch         ser extremen Höhe kurzfristig überleben.
Normalerweise beträgt der Sauerstoffpar-       Krankheit bereits erniedrigt und wird        Die meisten Menschen gelangen jedoch
tialdruck im arteriellen Blut (paO2) bei       durch Aufenthalt in der Höhe verstärkt.      nur – wenn überhaupt – mit zusätzlicher
jungen gesunden Menschen 90 bis 100               Auf dem höchsten Punkt der Erde,          Sauerstoffzufuhr auf diese Höhe.
mmHg. Sauerstoff ist im Blut nur zum ge-       dem Mount Everst (Höhe 8848 m) be-
ringen Teil als Gas in der Blutflüssigkeit     trägt der Luftdruck nur noch 247 mmHg,       Sauerstoffbevorratung
physikalisch gelöst, ein wesentlich größe-     der Sauerstoffpartialdruck in der Eina-      Die Bevorratung mit Sauerstoff erfolgt
rer Anteil wird chemisch an den roten          temluft nur noch ca. 42 mmHg. Bei einem      z. B. im Gebirge mittels in Druckgasfla-
Blutfarbstoff (Hämoglobin) gebunden.           Kohlendioxidpartialdruck von 40 mmHg         schen abgefülltem gasförmigen Sauer-
Dieser rote Blutfarbstoff befindet sich in     würde sich praktisch kein Sauerstoff mehr    stoff: eine 10 l Stahlflasche enthält bei ei-
den roten Blutkörperchen (Erythrozyten),       in den Lungenbläschen befinden bzw. in       nem Druck von 200 bar 2000 l Sauerstoff
die somit als Transportvehikel für Sauer-      das Blut gelangen wenn es nicht Kompen-      (entsprechend 1 l-Flasche 200 l). Bei der
stoff dienen. Je mehr rote Blutkörperchen                                                   Versorgung mit Flüssigsauerstoff (Siede-
bzw. roter Blutfarbstoff sich im Blut befin-                                                punkt bei –183°C) ergibt dagegen 1 l
den, desto mehr Sauerstoff kann gebun-                                                      Flüssigsauerstoff 850 l gasförmigen Sau-
den werden. Die Gesamtmenge bezeich-                                                        erstoff. Daher wird v.a. bei mobilen Men-
nen wir als „arteriellen Sauerstoffgehalt“.                                                 schen die Versorgung mit Flüssigsauer-
Dieser Wert ist für Therapieentscheidun-                                                    stoff bevorzugt. Bei Benutzung von sog.
gen wichtiger als der arterielle Sauerstoff-                                                Demandventilen die nur während der
partialdruck. Um den Sauerstoff nunmehr                                                     Einatmung Sauerstoff abgeben, kann ein
zu den Zellorganellen, unseren Energie-                                                     weiterer Reichweiteneffekt erzielt wer-
kraftwerken, zu bringen, muss das Blut                                                      den.
fließen. Dazu benötigen wir das Herz, das
Blut in den Kreislauf pumpt, die Gefäße                                                     Langzeitsauerstofftherapie
sind die Transportröhren. Die Sauerstoff-                                                   Der Begründer der Langzeitsauerstoffthe-
menge die bei den Zellen ankommt, nen-                                                      rapie war Prof. Thomas L. Petty (1932 bis
nen wir das „Sauerstoffangebot“.               Abb. 2: Prof. Tom L. Petty                   2009), Pneumologe in Denver (s. Abb.2).

8                                                                                                                             O2-Report
Nicht auf der Strecke bleiben! - Mobil trotz Langzeit-Sauerstoff-Therapie - Sauerstoffliga
1 7 . PAT I E N T E N KO N G R E S S

                                                gen breathing on arterial blood gases in
                                                patients with chronic airway obstruction
                                                living at 5.200 feet. Am Rev Respir Dis
                                                1967; 96: 28-34. The role of long-term
                                                continuous oxygen administration in pa-
                                                tients with chronic airway obstruction
                                                with hypoxemia. Ann Intern Med 1967;
                                                66: 639-650). Die erste Kostenübernahme
Abb. 3: Stapel Krankenakten vor und nach        für die Sauerstoffversorgung eines Patien-
Sauerstofftherapie                              ten durch die Krankenkasse gelang Petty
                                                durch Vorlage der Stapel Krankenhausak-
Er hat 1965 den ersten tragbaren von der        ten vor und nach Einführung der Sauer-
Fa. Linde entwickelten Flüssigsauerstoff-       stofftherapie: Der Unterschied in der Sta-
kanister („oxygen walker“) an sechs Pati-       pelhöhe hat wohl überzeugt (s. Abb.3).
enten getestet. Er hat beobachtet, dass die         Unterstützt wurde Prof. Petty von Lou-
Patienten mit Sauerstoffzufuhr weniger          ise Nett, einer Atmungstherapeutin (in
stark ans Haus gebunden waren als vor-          USA „respiratory therapist“), die bereits
her, da sie weniger Atemnot hatten. Da-         1965 mit Ärzte- und Personalschulungen
mit war das Dogma gebrochen, dass für           begann und über viele Jahre zahlreiche
Patienten mit chronischem Sauerstoff-           Fortbildungen weltweit durchgeführt hat.
mangel eine Sauerstoffgabe kontraindi-          Sie hat der Methode zum erfolgreichen
ziert, da gefährlich, sei (The effect of oxy-   Durchbruch verholfen (s. Abb. 4). Wie        Abb. 4: Louise Nett

                                                         Mehr Unabhängigkeit – mehr Lebensqualität

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                                                                                             macht Sie unabhängig von der Versorgung
                                                                                             durch Dritte – daheim und unterwegs.
                                                                                             •Sicher und einfach befüllbar,
                                                                                              gesteuert durch einen Sauerstoffsensor.
                                                                                             •Leicht zu bedienen, leicht zu tragen.

                                                                                                                Das Leben. Mehr leben.

                                                                                             Während des                   Tragetasche für
                                                                                             Füllvorgangs wird             Sauerstoffzylinder.
                                                                                             die Sauerstoffreinheit
                                                                                             kontrolliert.

                                                                                                                      Invacare GmbH
                                                                                                                      kontakt@invacare.com
                                                                                                                      www. invacare.de

1. Halbjahr 2014                                                                                                                      9
Nicht auf der Strecke bleiben! - Mobil trotz Langzeit-Sauerstoff-Therapie - Sauerstoffliga
1 7 . PAT I E N T E N KO N G R E S S

auf dem Bild ersichtlich, war dies auch die                                                    vor allem die Frauen- und Jugendbewe-
Geburtsstunde der pulmonalen Rehabili-                                                         gung, später Abstinenzvereine im Vorder-
tation: Mobilisation eines beatmeten und                                                       grund. In der Medizin herrschte dagegen
mit Sauerstoff versorgten Patienten. Prof.                                                     bis ca. 1960 das ärztliche Patriarchat mit
Petty war dann auch Studienleiter der ers-                                                     Bevormundung des Patienten, Informatio-
ten randomisierten Studie über die Lang-                                                       nen über Diagnose oder Prognose gab es
zeitsauerstofftherapie:     Kontinuierliche                                                    nur spärlich. Dies änderte sich ab ca. 1970,
versus nächtliche Sauerstofftherapie über                                                      Patienten wurden jetzt immerhin infor-
19,3 Monate bei 203 Patienten mit chro-                                                        miert. Weitere 10 Jahre später verlangten
nisch obstruktiver Atemwegserkrankung,                                                         Patienten auch ein Mitspracherecht, sie
der sogenannten NOTT-Studie (Noctur-                                                           wurden „mündig“ und „autonom“. Wir
nal Oxygen Therapy Trial Group: Conti-                                                         Ärzte haben zwischenzeitlich dazu gelernt
nuous or nocturnal oxygen therapy in hy-                                                       und wünschen uns heute den kompetenten
poxemic chronic obstructive lung disease.                                                      Patienten, der sein Schicksal selbst mit in
A clinical trial. Ann Int Med 1980;93:391-                                                     die Hand nimmt und Mitverantwortung in
398). Nahezu gleichzeitig wurde in Eng-                                                        der Therapie seiner Erkrankung trägt. Die
land die sogenannte MRC Studie (Medical        Abb. 5: Ergebnisse NOTT und MRC, darge-         Einbeziehung der Persönlichkeit eines Pati-
Research Council Working Party: Long-          stellt in Stoller J et al. Chest 2010;138:179   enten mit seinem Umfeld, d. h. auch seiner
term domiciliary oxygen therapy in chro-                                                       Familie, in Therapieentscheidungen kann
nic hypoxic cor pulmonale complicating         ben sollen. Mit Ergebnissen ist in 2014 bis     das Ergebnis von Therapien verbessern.
chronic bronchitis and emphysema. Lan-         2015 zu rechnen.                                Dies ist individualisierte Medizin im ech-
cet 1981;1:681-686) durchgeführt, in der          Im Rahmen der Entwicklung der soge-          ten ärztlichen Sinn.
über 3 Jahre hinweg Sauerstoffgabe über        nannten evidenzbasierten Medizin wurde              1981 wurde die erste Dachorganisation
15 Stunden täglich versus kein Sauerstoff      2001 von der Deutschen Gesellschaft für         deutscher Selbsthilfegruppen gegründet.
bei 87 Patienten mit COPD verglichen           Pneumologie unter Federführung von              Seit 2004 sind Patientenvertreter Mitglied
wurde. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass      Prof. Magnussen erstmals eine Leitlinie         im „Gemeinsamen Bundesausschuss“,
die Überlebensprognose mit Sauerstoff          zur Langzeitsauerstofftherapie publiziert       dem Gremium das die wichtigsten Ent-
besser ist als ohne und dass kontinuierli-     (Pneumologie 2001;55:454-469) mit Up-           scheidungen im deutschen Gesundheitswe-
che Sauerstoffgabe besser ist als nur nächt-   date im Jahre 2008 (Pneumologie 2008;           sen fällt. Bisher haben Patientenvertreter
liche Sauerstoffgabe (s. Abb. 5).              62: 745-756). Das nächste Update wird           hier nur beratende Funktion, es ist jedoch
    Auf diesen beiden Studien beruht das       erst nach Veröffentlichung der neuen gro-       nur eine Frage der Zeit, bis sie auch miten-
Konzept der Langzeitsauerstofftherapie.        ßen Studien erscheinen.                         tscheiden können. Unter anderem hat auch
Diese Studien sind mittlerweile über 30                                                        der Druck zahlreicher Selbsthilfegruppen
Jahre alt, die Zahl der eingeschlossenen       Langzeitsauerstofftherapie in                   zu dem Patientenrechtegesetz geführt, das
Studienteilnehmer war für heutige Anfor-       Deutschland                                     in 2013 verabschiedet wurde.
derungen extrem niedrig. In der englischen     Seit ca. 1960 wurde in Einzelfällen Sauer-          Patienten, vor allem aus Reichenhall,
Studie hatten alle Patienten einen erhöh-      stoff in Druckgasflaschen verordnet. Dabei      haben sich zusammengetan und ihre Er-
ten pCO2, würden eigentlich alle nach          handelte es sich eher um Patienten mit          fahrungen ausgetauscht. Dies war die
heute gültigen Kriterien beatmet werden.       Herzinsuffizienz als um COPD-Patienten.         Keimzelle zur Gründung des damals als
Außerdem hat sich die Therapie der             Ca. 1970 wurde die Sauerstoffgewinnung          „Deutsche Selbsthilfegruppe für Langzeit-
COPD erheblich verändert. Daher muss           mittels Sauerstoffkonzentrator als Routine-     Sauerstoff-Therapie (LOT) e.V.“ bezeich-
man die Frage stellen, ob die Ergebnisse       technik eingeführt. Damit war die Versor-       neten Vereins, der unter anderem jährlich
heute so noch gültig sind. Aus ethischen       gung deutlich erleichtert. Ab ca. 1980 hat      eigene Tagungen durchführt. Die Verdiens-
Gründen darf man aber Patienten mit glei-      sich – nach Veröffentlichung der o.g. Stu­      te der Sauerstoffliga sind zahlreich, z. B.
chem Ausmaß von Hypoxämie wie in die-          dien – die Langzeitsauerstofftherapie als       Optimierung ambulanter Sauerstoffver-
sen beiden Studien keinen Sauerstoff vor-      Standardtherapie bei Patienten mit COPD         sorgung, Verbesserung Mobilität und Ak-
enthalten, d. h. die Studien kann man in       und schwerer arterieller Hypoxämie etab-        tivität der Patienten, Akzeptanz in der Ge-
dieser Form nicht wiederholen. Weitere         liert. 1987 hat die Reichenhaller Klinik        sellschaft, Hilfe bei Patientenrekrutierung
dringliche Fragen sind: Wie sieht es bei Pa-   (Prof. Nolte, Fr. Dr. Krause-Michel) dann       in Studien, Mitarbeit bei der Leit­
tienten mit schwerer COPD aber nur             erstmals in Deutschland eine Versorgung         linienerstellung, Druck auf Krankenkassen
leichter Hypoxämie aus, wie bei Patien-        mittels Flüssigsauerstofftank organisiert.      und Politiker und vieles andere mehr.
ten, die lediglich unter Belastung oder                                                            Die Langzeitsauerstofftherapie LTOT
während des Schlafs einen Sauerstoffman-       Selbsthilfegruppen der Deutschen                hat zu einer verbesserten Überlebensprog-
gel im arteriellen Blut haben? Bisher gibt     SauerstoffLiga LOT e.V.                         nose geführt, d. h. dem Leben konnten mehr
es für diese Indikationen keine eindeutigen    Selbsthilfegruppen haben in Deutschland         Jahre gegeben werden. Die Sauerstoffliga
Studienergebnisse. Daher werden zur Zeit       eine lange Tradition, Vorläufer der Patien-     LOT hat dafür gesorgt, dass diesen gewon-
international große Studien durchgeführt,      tenselbsthilfe war die Emanzipationsbewe-       nenen Jahren auch mehr Leben gegeben,
die auf diese Fragestellungen Antwort ge-      gung im 19. Jahrhundert. Damals stand           d. h. die Lebensqualität verbessert wird. •

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1 7 . PAT I E N T E N KO N G R E S S

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
 Vortrag von Dr. Birgit Krause-Michel, Vorsitzende der SauerstoffLiga von
 2005 bis 2013, auf dem 17. Patientenkongress in Bad Reichenhall

 Nach Art. 1 des Grundgesetzes ist die Würde des Menschen unantastbar. Jeder Mensch             war ein Quantensprung in der Behand-
 hat das Recht und die Freiheit zu leben. Eine schwere körperliche Behinderung kann             lung von Patienten mit chronischer Atem-
 seine Freiheit, zu leben, eingrenzen, aber sie kann ihm nicht genommen werden. Der             not. Sie konnten wieder zuhause leben,
 Staat sichert ihm sein Recht zu leben weiterhin zu. Er selbst wird versuchen, mit aller        allerdings mit der Einschränkung, dass ihr
 Macht und vor allen Dingen Erfindergeist diese Freiheit wieder zurückzugewinnen.               Aktionsradius etwa der Länge der Sauer-
                                                                                                stoffbrille entsprach. Der Konzentrator
                                                                                                konnte natürlich von Zimmer zu Zimmer
 Wenn ein Patient aufgrund eines schwe-                                                         geschoben werden und dann wieder an
 ren Unfalles, z. B. seine Beine verloren                                                       die Steckdose angeschlossen werden. Die
 hat, dann versucht sowohl die Medizin,                                                         Patienten hatten allerdings nicht die Mög-
 die Medizintechnik als auch der Patient                                                        lichkeit ihre Wohnung zu verlassen.
 mit dieser Behinderung klarzukommen, in
 dem man versucht, Prothesen oder Ersatz-                                                       Der Siegeszug von Flüssigsauerstoff
 hilfen zu organisieren oder zu konstruie-                                                      Ein erneuter Quantensprung in der Lang-
 ren. Ein lebendes und sehr gutes Beispiel                                                      zeit-Sauerstoff-Behandlung war der Ein-
 ist der Olympiasieger der Paralympics                                                          satz von Flüssigsauerstoff. Dieses Medi-
 ­Oscar Pistorius, der aufgrund eines Ge-                                                       um war schon Mitte der 60er Jahre in
  burtsfehlers beide Beine nicht benutzen                                                       Amerika bekannt. Erst 1988, d. h. über
  konnte und mit entsprechenden Titanpro-                                                       10 Jahre nach dem Sauerstoffkonzentra-
  thesen zu maximalen läuferischen Leis-                                                        tor, konnte ebenfalls wieder in Bad Rei-
  tungen in der Lage war.                                                                       chenhall der erste Patient mit einem Flüs-
      Bei Patienten, die als körperliche Behin-                                                 sigsauerstoffgerät versorgt werden. Dieses
  derung unter Atemnot aufgrund einer                                                           System bestand aus einem großen statio-
  schweren Lungenerkrankung leiden, ist                                                         nären Tank mit 41 Liter Flüssigsauerstoff,
  der Ersatz etwas schwieriger. Bei einigen       Dr. Birgit Krause-Michel bei ihrem Vortrag    entsprechend über 30.000 gasförmigem
  Lungenerkrankungen ist unter Umständen          auf dem 17. Patientenkongress.                Sauerstoff. Der Patient konnte von dem
  eine Lungentransplantation, d. h. ein Er-                                                     stationären Tank ein kleines tragbares Ge-
  satz dieses Organes lebensnotwendig. Bei        In der Raumluft beträgt es nur 21 %. Die-     rät abfüllen, mit dem er eine Mobilität
  Patienten, die aufgrund einer schweren          sen Sauerstoff muss man in speziellen Be-     von etwa 8 Stunden erreichte, entspre-
  COPD und eines langsam progredienten            hälter einfangen, damit der Patient bei       chend seiner benötigten Literzahl/Minute.
  Leidens immer weniger Lungengewebe zur          Bedarf jederzeit zusätzlich Sauerstoff ein-   Der erste Patient, der in Bad Reichenhall
  Verfügung haben, um genügend Sauerstoff         atmen kann. Bereits 1917 gelang es zum        und auch bundesweit mit Flüssigsauer-
  aufzunehmen, gibt es nur die Möglichkeit,       ersten Mal, Sauerstoff für den medizini-      stoff versorgt wurde, kannte sich im Um-
  den fehlenden Sauerstoff von außen zuzu-        schen Gebrauch so zu komprimieren, dass       gang mit Sauerstoff aus, nachdem er
  führen, d. h. diese Patienten brauchen als      man ihn inhalieren konnte. Bis etwa 1977      selbst eine Schweißfirma besaß. Damit
  Medikament oder Prothese ihren Sauer-           gab es Sauerstoff nur in riesengroßen Gas-    war der Siegeszug des Flüssigsauerstoffes
  stoff. Wenn sie ihre Sauerstoffbrille abneh-    druckflaschen, die allein den stationären     nicht mehr aufzuhalten. Bereits von 1988
  men, haben sie nicht mehr genügend Sau-         Patienten vorbehalten waren. In einer         bis 1991 wurden über 700 Patienten, da-
  erstoff, um aktiv zu bleiben. Das entspricht    Notfall-Situation z. B. bei Operationen       von alleine fast über 200 Patienten in Bad
  in etwa dem Moment, in dem Oscar Pisto-         oder akuter Atemnot bei einer Lungenent-      Reichenhall, mit dem Flüssigsauerstoff
  rius seine Prothesen abnimmt. Er ist dann       zündung, bekamen diese Patienten den          versorgt, obwohl es noch keine entspre-
  auch nicht mehr in der Lage, überhaupt          lebensnotwendigen Sauerstoff über Gas-        chenden Empfehlungen der Pneumologen
  noch einen Schritt zu gehen.                    druckflaschen. Die Therapie war zeitlich      gab.
                                                  und örtlich begrenzt.                            Die Macht des Patientenwillens, d. h.
 Der erste Sauerstoffkonzentrator                    Erst 1977 kam der erste Sauerstoff-        die Macht, diese einmal zurückgewonne-
 Bei sauerstoffpflichtigen Patienten ist es       konzentrator zum Einsatz. Er wurde un-        ne Freiheit weiter zu genießen oder sogar
 notwendig das Medikament Sauerstoff in           ter Mitwirkung von Herrn Prof. Nolte,         auszuweiten, war der Motor für weitere
 einer entsprechenden Verpackung zu               der von 1975 bis 2002 Chefarzt der Inne-      Entwicklungen. Die kleinen mobilen
 ­rezeptieren, denn Sauerstoff ist ein flüch­     ren Medizin im Städtischen Krankenhau-        Tanks wurden immer kleiner, dadurch
  tiges Element, das wir täglich einatmen.        ses Bad Reichenall war, entwickelt. Es        hatten sie weniger Inhalt. Die logische

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1 7 . PAT I E N T E N KO N G R E S S

    Konsequenz war die Entwicklung von                                  ausgeschaltet waren. Statt 2 Liter/Minute       wurde eine bundesweit anerkannte Selbst-
    Sparventilen, die nur bei der Einatmung                             benötigte er nur noch 0,5 Liter/Minute,         hilfegruppe für Langzeit-Sauerstoff-The-
    den Sauerstoff abgaben, bei der Ausat-                              seine Mobilität mit einem kleinen Tank          rapie mit mehr als 2500 Mitglieder.
    mung sich verschlossen. Damit ermög-                                war auf das 4-fache angestiegen. Herr
    lichten auch handliche kleine Tanks wie-                            Dirmeier hielt tapfer von 1989 bis 1994         Das erste Atem-Center
    der einen ungeahnten Aktionsradius.                                 durch, bis er endlich vor den immer häufi-      Im Jahr 2000 wurde in Bad Reichenhall
    „Sauerstoff ist Leben“ oder „grenzenlose                            ger auftretenden Abstoßungssituationen          das erste Atem-Center unter der Schirm-
    Freiheit“ war das neue Lebensgefühl der                             kapitulierte. Diese „Niederlage“ inspirier-     herrschaft von Karl-Heinz Böhm eröffnet
    Patienten. Störend war allerdings immer                             te seinen Erfindergeist. Er entwickelte die     mit der Vision, dass hier Patienten alle
    noch die Erkenntnis, dass er von dieser                             Sauerstoffbrille „Dirmeier-Kickinger“, ei-      Geräte, die zur Zeit auf dem Markt sind,
    Flüssigsauerstofftherapie abhängig ist                              ne optische Brille, in der fast unsichtbar      testen können.
    und durch die Sauerstoffbrille sich dazu in                         der Sauerstoffschlauch integriert wurde.            Im Jahr 2001 erschienen endlich die
    der Öffentlichkeit bekennen muss. Das                               Damit war zunächst die Langzeit-Sauer-          lang erwarteten Leitlinien für Langzeit-
    Problem löste unser erster Patient, Herrn                           stoff-Therapie mit einem kleinen tragba-        Sauerstoff-Therapie, in denen festgelegt
    Dirmeier. Er entschloss sich zu einem he-                           ren Gerät und der optischen Brille etab-        wurde, bei welchen Krankheiten eine
    roischen Eingriff, der bisher nur einmal in                         liert und auch wirklich akzeptiert.             Langzeit-Sauerstoff-Therapie notwendig
    den USA durchgeführt worden war. Er                                     Erst 1997, d. h. nach fast 10-jähriger      ist und welche Voraussetzungen für die
    liess sich einen intratrachealen Katheter                           Erfahrung mit Flüssigsauerstoff, wurde          Verordnung von Sauerstoff bestehen. Be-
    implantieren, der unter der Haut des                                die erste Selbsthilfegruppe, ebenfalls wie-     reits in den ersten Leitlinien wurde schon
    Brustkorbes untertunnelt in die Trachea                             der in Bad Reichenhall, gegründet, um           auf Alternativen hingewiesen, wie kleine-
    eingeführt wurde. Durch dieses Verfahren                            auch für Patienten außerhalb von Bayern         re Konzentratoren, die transportabel sind.
    konnte erheblich Sauerstoff eingespart                              auf diese neue Therapieform aufmerksam          Demand-Systeme waren noch nicht be-
    werden, nachdem die oberen Luftwege                                 zu machen. Aus 25 Gründungsmitglieder           kannt.

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    1. Halbjahr 2014                                                                                                                                           13
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   Im Jahr 2004 stellte der 1. Vorsitzende     Verordnung den Leitlinien der Langzeit-       wortlich, dass diese Geräte bei ihm getes-
Herrn Dirmeier, der Motor und Promotor         Sauerstoff-Therapie.                          tet werden, damit er nicht unterversorgt
der LOT, sein Amt zur Verfügung                    Die Leitlinien müssen nach 7 Jahren       ist. Gleichzeitig hat er auch die Verant-
   Nach einem Interimsjahr von 2004 bis        dringend erneuert werden, um die neuen        wortung, seine Blutgas-Werte kontrollie-
2005 durch Herrn Bachowski wurde die           Versorgungsmöglichkeiten zu berücksich-       ren zu lassen, um seine Therapie zusam-
Sauerstoffliga 2005 von Frau Dr. Krause-       tigen. Die Indikation bleibt nach wie vor     men mit dem Arzt entsprechend seines
Michel und Frau Ursula Krütt-Bockemühl­,       unbestritten. Die Einleitung einer Lang-      klinischen Zustandes anzupassen. Und er
als Stellvertreterin, übernommen. Es war       zeit-Sauerstoff-Therapie erfolgt nur, wenn    hat die Verpflichtung , seine Angehörigen
eine aufregende Zeit, mit dem Ziel durch       die Blutgaswerte in Ruhe und unter Belas-     über seinen Zustand und seine Wünsche
neue Konzepte und Strukturen eine De-          tung oder in der Nacht unter 55 mm HG         zu informieren. Vorsorge für sich und die
zentralisierung der Lot zu erreichen. Bun-     liegen. Nach wie vor ist es die Aufgabe       Angehörigen ist für beide Seiten entlas-
desweit wurden eigenständige Stütz-            des Arztes den Sauerstoff und das für die-    tend, dazu gehört eine konkretisierende
punkte eröffnet, die sich in entsprechende     sen Patienten geeignete Sauerstoffgerät zu    Patientenverfügung und eine Person des
Regionen organisierten.                        verordnen. Je exakter die Begründung ist,     Vertrauens, die als Bevollmächtigte seinen
   2009 war die Deutsche Sauerstoffliga        umso weniger Ablehnungen werden               Willen auch durchsetzt
entscheidend daran beteiligt, dass Lun-        durch die Krankenkassen und den Medi-             Auch Krankenkassen tragen eine hohe
gensportgruppen auch für Patienten ge-         zinischen Dienst erfolgen. Nach wie vor       Verantwortung, sowohl dem Patienten als
öffnet wurden, die ein Sauerstoffgerät be-     muss sich der Arzt auf sehr spärliche me-     auch der Allgemeinheit gegenüber. Sie
nutzen. 2009 wurde die Selbsthilfegruppe       dizinische Studien hinsichtlich des Nut-      müssen sich natürlich auf die ärztliche
für Langzeit-Sauerstoff-Therapie in Deut-      zens einer Langzeit-Sauerstoff-Therapie       Verordnung verlassen können. Wenn die
sche Sauerstoffliga umbenannt. Gleichzei-      berufen. Nach wie vor sind die kleinen        ärztliche Verordnung aber klar und präg-
tig wurde auch die Geschäftsstelle der         Wunsch-Mini-Konzentratoren noch nicht         nant ist, dann sollten sie die Therapieho-
LOT in Bad Reichenhall eröffnet, eine          eindeutig in der Lage, eine effiziente Ver-   heit des Arztes anerkennen. Sie sollten als
dringend notwendige Einrichtung, um            sorgung Rund-um-die Uhr zu gewährleis-        „Gesundheitskasse vor Ort“ ein verlässli-
bundesweit die immer größer werdende           ten. Und nachdem die neue Technik fast        cher Partner für den Patienten sein, aber
Selbsthilfegruppe zu führen.                   immer davon abhängt, ob der Patient mit       nicht im Sinne einer Kontrollfunktion
                                               dem Sparventil zurechtkommt, muss die         sondern im Dialog mit den Patienten. Die
Erneuerung der Leitlinien                      Demand-Fähigkeit für jedes Gerät bei          Entscheidungen sollten transparenter
Wenn es einen Rückblick gibt, dann gibt        dem Patienten getestet werden. Dies ist in    sein, d. h. die Möglichkeit mit dem ableh-
es auch immer einen Ausblick, wobei es         den alten Leitlinien noch nicht berück-       nenden Arzt vom MDK zu diskutieren
sehr schwierig ist, wohin die Gesundheits-     sichtigt. Die Rolle des Arztes wird immer     wäre optimal.
reform uns führen wird. Wir wissen nicht,      umfangreicher und schwieriger. Er muss
welche Hilfsmittel den bedürftigen Pati-       sich in der neusten Medizintechnik aus-       Fazit
enten noch zur Verfügung gestellt werden.      kennen und trotzdem ein ehrlicher Beglei-     Natürlich gibt es noch viele Wünsche und
Ich denke, es ist wichtig in diesen Zeiten,    ter des Patienten bleiben. Er ist verant-     Forderungen, aber an erster Stelle stehen
dass sowohl Ärzte, Patienten als auch          wortlich für die Therapie aber auch für       immer die Dinge, die man selbst beeinflus-
Krankenkassen verantwortlich mit den           eine Therapiezieländerung. Wenn es dem        sen kann und die man selbst steuern
noch zur Verfügung stehenden Ressour-          Patienten trotz Langzeit-Sauerstoff-The-      könnte. Eine Selbsthilfegruppe ist bei der
cen umgehen. Wichtig ist die Achtsamkeit       rapie auf Grund der fortschreitenden          Komplexität unerlässlich. Hier können
aller dieser Parteien auf die nicht zu leug-   chronischen Erkrankung immer schlech-         die Wünsche, Erfahrungen, die Enttäu-
nenden Probleme, um eine gute, nachhal-        ter geht, sollte er den Mut haben, offen      schungen aber auch die bewegenden und
tig verbesserte Versorgung zu ermögli-         und empathisch mit dem Patienten die          lebensbejahenden Glücksmomente wei-
chen. Die Aufgabe des Arztes ist nach wie      Prognose zu besprechen. Was will der Pa-      tergegeben und ausgetauscht werden. Das
vor die Verordnung von Sauerstoff, d. h.       tient? Möchte er wieder ins Krankenhaus?      gemeinsame Schicksal aber auch der ge-
seine Therapiehoheit muss uneinge-             Würde er einen Luftröhrenschnitt oder         meinsame Wille, dieses zu meistern, bin-
schränkt bleiben. Seine Maßnahmen soll-        einer Beatmung zustimmen?                     det. Die Macht des Patientenwillens ist
ten sich immer nach den Prinzipien der             Aber auch der Patient ist gefordert.      auch nach 25 Jahren Langzeit- Sauerstoff-
Medizinethik richten: tue ich einem Pati-      Sein Augenmerk sollte darauf gerichtet        therapie und 17 Jahren Selbsthilfegruppe
enten mit einer Behandlung wirklich et-        sein, dass er immer gut informiert ist, so-   ungebrochen. Nur gemeinsam ist man
was Gutes oder kann ich ihm sogar eher         wohl von seinem Arzt als auch von sei-        stark, nur gemeinsam kann man sein
schaden- und vor allen Dingen, gehe ich        nem Leistungsbringer und den Kranken-         Recht auf Freiheit verwirklichen- auch bei
auch wirklich reflektiert mit den Ressour-     kassen. Es liegt in seiner Eigenverantwort-   einer schweren Erkrankung.              •
cen im Gesundheitswesen um. Im Vorder-         lichkeit, sich zu informieren, was möglich
grund steht der Dialog des Arztes mit dem      und was machbar ist. Auch die Medizin-           Autorin: Dr. med. Birgit Krause-Michel
Patienten: Welches Gerät ist für diesen        technik will verdienen, viele Mini-Geräte,                Ärztin für Innere Medizin und
Patienten sinnvoll – und nicht was ist auf     die auf den Markt kommen und grenzen-                Pneumologie, Psychotherapie und
Grund der sich rasant entwickelnden Me-        lose Freiheit versprechen, können für ihn           Palliativmedizin, Ethikberaterin im
dizintechnik machbar? Und entspricht die       nicht geeignet sein Er ist dafür verant-                              Gesundheitswesen

14                                                                                                                           O2-Report
1 7 . PAT I E N T E N KO N G R E S S

Sinn und Unsinn von Leitlinien
am Beispiel der Leitlinie zur Langzeit-­
Sauerstoff-Therapie (LTOT)
Vortrag von Dr. Sebastian Gallenberger
Auf Anregung des „Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesundheits-
wesen“ wird in Deutschland seit 1995 die Entwicklung von Leitlinien von der Arbeits-
gemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) koordiniert.
Diese nach einheitlichen Kriterien von den Fachgesellschaften erarbeiteten Leitlinien
werden im Volltext auf den Internetseiten der AWMF (1) publiziert. Die zeit­liche Gültig-
keit wird festgelegt und eine regelmäßige Aktualisierung soll sichergestellt werden.

Qualitätssicherung in der Medizin war         ist für die ständig wachsende Zahl von
ursprünglich eine politisch-gesellschaft­     neuen Daten eine rasche Einordnung und
liche Forderung, wobei Leitlinien als Inst-   Bewertung = Evidenz zu finden. Danach
rument der Qualitätssicherung betrachtet      haben randomisierte kontrollierte Studien
wurden. In diesem Zusammenhang wur-           die höchste Evidenz, während Experten-
de die folgende Definition entwickelt:        meinungen und allgemeinen klinischen            Dr. Sebastian Gallenberger bei seinem Vor-
    „Leitlinien der medizinischen Versor-     Erfahrungen die niedrigste Aussagekraft         trag auf dem 17. Patientenkongress.
gung (Clinical Practice Guidelines) sind      zugesprochen wird. Aus den Evidenzgra-
systematisch entwickelte Aussagen, die        den (4 Stufen) wird schließlich der Grad        Kenntnis nehmen, dass wir über keine
den gegenwärtigen Erkenntnisstand wie-        der Empfehlung (meist 3 Stufen) abgelei-        anderen besseren Instrumente verfügen.
dergeben, um Ärzte, Angehörige von Ge-        tet. Der AWMF hat auf dieser Basis für              Die Leitlinien zur Langzeit-Sauerstoff-
sundheitsberufen und Patienten bei der        ihre Leitlinien eine eigene Stufenklassifi-     Therapie (LTOT) zeigen exemplarisch
Entscheidung für eine angemessene Ver-        kation geschaffen, in der S3-Leitlinien die     viele Probleme in der Erstellung von Leit-
sorgung in spezifischen Krankheits- Situa-    höchste Wertigkeit haben (3). Tabelle 1         linien aber genauso ihre enormen Stärken.
tionen zu unterstützen.“ (2)                  zeigt die Stufenklassifikation von Leit­        Die erste Leitlinie wurde am 7.8.2001 von
    Frau Prof. Dr. med. Ina B. Kopp, Leite-   linien der AWMF (3)                             der Deutschen Gesellschaft für Pneumolo-
rin des AWMF-Institut für Medizinisches           Die evidenzbasierte Medizin als Basis       gie (DGP) angenommen und von der
Wissensmanagement in Marburg, hat die         von Leitlinien blieb nicht ohne Kritik und      AWMF als S3-Leitlinie eingestuft (6). Eine
Ziele und Aufgabenstellungen von Leit­        wurde teilweise als Eingriff in die ärzt­       Aktualisierung war schon in 3 Jahren
linien auch konkreter formuliert (2):         liche Therapiefreiheit gesehen (4). Die         ­geplant. Sie dauerte aber bis 2008 und
■ Verbesserung der Qualität ärztlicher        Frage, ob „best evidence“ in randomisier-        wurde unter den verschärften Kriterien der
    und nicht-ärztlicher Leistungen,          ten kontrollierten Studien wirklich die          AWMF nur noch als S2-Leitlinie eingestuft
■ Verbesserung der klinischen For-            beste Evidenz ist, ist durchaus begründet,       (7). Obwohl eine Aktualisierung alle
    schung,                                   wenn man bedenkt, wie schwierig und              4 Jahre geplant war, gibt es bis heute keine
■ Verhaltensänderung von medizini-            aufwändig hochwertige Studien durchzu-           Neuauflage, da viele wesentliche Fragen
    schem Personal und Patienten durch        führen sind. Trotz der immer wieder zu           weiter offen sind und die zur Beantwor-
    Empfehlungen, nicht Richtlinien,          Tage kommenden Interessenskonflikte              tung notwendigen Studienergebnisse noch
■ stringentere Versorgung bei Erhalt der      und ­Publikationsbias (5) muss man zur           fehlen. Die Deutsche Gesellschaft für
    ärztlichen Entscheidungsfreiheit inner-
    halb von Korridoren,                       Tabelle 1
■ Kostenersparnis durch Vermeidung                                    Für den Anwender-        Systematische Re-      Strukturierte Kon-
    unnötiger diagnostischer und thera-                               kreis repräsentative   cherche, Auswahl, Be-   sensfindung mittels
                                                                       Entwicklergruppe      wertung der Literatur     formaler Technik
    peutischer Verfahren,
                                               S1 Experten­
■ Verbesserung der Wissensvermittlung                                        Nein                    Nein                     Ja
                                               empfehlung
    für alle im Gesundheitssystem Tätigen
                                               S2k Konsensbasierte
    und für Patienten.                                                        Ja                     Nein                     Ja
                                               Leitlinien
                                               S2e Evidenzbasierte
                                                                             Nein                     Ja                    Nein
Basis der Leitlinienerstellung ist die evi-    Leitlinien
denzbasierte Medizin, die für jede medizi-     S3 Evidenz- und
nische Empfehlung klare wissenschaft­          konsens-basierte               Ja                      Ja                      Ja
                                               Leitlinien
liche Kriterien fordert. Ihr Ziel war und

1. Halbjahr 2014                                                                                                                      15
1 7 . PAT I E N T E N KO N G R E S S

Pneumologie (DGP) hat 2013 die Notwen-          Tabelle 2
digkeit zur Überarbeitung der Leitlinie be-     Erkrankung                                                 Grad der Evidenz
stätigt und gleichzeitig empfohlen, die der-                                                  Körperliche Belast-         Mortalität
zeit noch laufenden Studien abzuwarten,                                                            barkeit
d.h. ein realistischer Zeitpunkt ist frühes-    COPD                                                   A                     A
tens 2015. Ein angekündigtes Positionspa-       Lungengerüsterkrankungen                               A                     C
pier der DGP steht noch aus. Eine Gruppe        Thoraxwanderkrankung ohne Hyperkapnie                  A                     C
deutscher Experten hat in diesem Jahr den       Post-TBC u –Poliosyndrom ohne Hyperkapnie              A                     C
aktuellen Stand unter dem Titel „Die Lang-      Weitere Erkrankungen (z. B. pulmonale                  C                     C
zeit-Sauerstoff-Therapie (LTOT) – Was           ­Hypertonie Zystische Fibrose u.a.)
sollten Arzt, Versorger und Krankenkasse
wissen?“ kritisch zusammengefasst (8).          eine Verbesserung von Lebensqualität und      4.	Bedeutung von mobilen Sauerstoffsys-
    Die 2008 publizierten deutschen Leit­       Leistungsfähigkeit sowie eine Reduktion           temen bei normoxämischen Patienten,
linien entsprechen abgesehen von nur klei-      von Morbidität und Mortalität. Tabelle 3          die bei körperlicher Belastung eine
nen Unterschieden den anderen internati-        fasst die Indikation zur Langzeit-Sauer-          ­klinisch bedeutsame Hypoxämie ent-
onalen Empfehlungen (9,10). Die Proble-         stoff-Therapie nach den deutschen Leitli-          wickeln,
matik aller derzeitigen Leitlinien zur          nien von 2008 zusammen (8).                   5.	Bedeutung einer Langzeit-Sauerstoff-
Langzeit-Sauerstoff-Therapie liegt darin,           Der Abfall des Sauerstoffpartialdrucks         Therapie bei normoxämischen Patien-
dass sie ganz wesentlich auf 5 älteren ran-     unter Alltagsbelastungen ist dabei eine            ten mit COPD und nur nächtlicher
domisierten Studien aus den 80-iger und         umstrittene Indikation, da bisher nicht ge-        Hypoxämie.
90-iger Jahren des letzten Jahrhunderts         sichert ist, ob die Vermeidung derartig
beruhen (11,12). Seither haben sich die         belastungsinduzierter Hypoxämien bei
                                                ­                                             Hinzu kommen noch die technischen und
medikamentösen Behandlungsmöglichkei-           PaO2-Ruhewerten ≥ 55mmHg die Lebens-          organisatorischen Probleme in der Anpas-
ten bei vielen Lungenerkrankungen, für          qualität verbessert. Eindeutige Untersu-      sung der Sauerstofftherapie an Belastungs-
die eine Langzeit-Sauerstoff-Therapie           chungsergebnisse zur Beeinflussung der        situationen, die Frage Flüssig-Sauerstoff-
empfohlen wird, insbesondere bei der            Prognose liegen bisher noch nicht vor.        systeme versus Kombination von Konzen-
COPD, erheblich gewandelt. Es bestehen              Das alleinige Vorliegen einer belas-      trator mit mobiler Einheit, über die immer
deshalb berechtigte Zweifel, ob die dama-       tungsinduzierten Hypoxämie ohne offen-        wieder Auseinandersetzungen mit den
ligen Studienergebnisse und ihre Schluss-       sichtliche klinische Symptomatik einer        Kostenträgern geführt werden müssen.
folgerungen unter den heutigen Bedingun-        zunehmenden Dyspnoe rechtfertigt des-         Neben der grundsätzlichen Frage, welches
gen noch unverändert Bestand haben.             halb bei PaO2-Werten ≥ 55 mmHg in Ru-         Gerät für welchen Patienten, ist speziell
    Tabelle 2 zeigt aus der deutschen Leitli-   he keine Langzeit-Sauerstoff-Therapie.        die Indikation für die unterschiedlichen
nie (8) den Einfluss der Langzeit-Sauerstoff-       Das nächste Update der Leitlinien muss    Spar- und Demandsysteme nicht geregelt.
Therapie auf körperliche Belastbarkeit und      sich mit den in der letzten Fassung ge-       Solange muss für jeden Patienten vor einer
Sterblichkeit bei den wichtigsten Erkran-       nannten bisher offenen Fragen auseinan-       Verordnung individuell das jeweilige Sys-
kungen mit Hypoxämie nach der bisherigen        dersetzen und hoffentlich darauf Antwor-      tem ausgetestet werden. Die Untersuchung
Datenlage (A = gesichert, C = fraglich).        ten finden:                                   des Patienten und des Gerätes unter häus-
    Nach formalen Kriterien sind die letz-      1.	Bedeutung der nicht-invasiven Beat-       lichen Bedingungen durch speziell ge-
ten Leitlinien aus dem Jahr 2008 abgelau-           mung versus nicht-invasiver Beatmung      schultes, nicht-ärztliches Personal („At-
fen und formal nicht mehr gültig. Sie blei-         und Langzeit-Sauerstoff-Therapie bei      mungstherapeuten“) zur Verbesserung der
ben aber mangels sinnvoller Alternativen            hyperkapnischer Hypoxämie bei Pati-       Compliance ist ebenso strittig wie die Ein-
trotz ihrer eingeschränkten Evidenz auch            enten mit COPD unterschiedlichen          führung einer Dokumentation z. B. in
heute noch die Basis unserer medizini-              Schweregrades,                            Form eines Registers.
schen Therapie. Dies gilt für die ärztliche     2.	Bedeutung der Langzeit-Sauerstoff-            Mehr Aufschluss für ein Leitlinien-Up-
Verschreibung und die Verpflichtung der             Therapie in Ruhe versus Ruhe und Be-      date wird von der heuer fertigwerdenden
Krankenkassen zur Kostenübernahme.                  lastung bei Ruhe-PaO2 ≥ 55 mmHg           amerikanischen Studie LOTT (The Long-
Abgesehen von begründeten Einzelfällen              (7,3 kPa),                                term Oxygen Treatment), die 2008 gestar-
ist ein davon abweichendes Verhalten spe-       3. Bedeutung der Langzeit-Sauerstoff-The-    tet wurde, erwartet (14). 1134 Patienten
kulativ und weder wissenschaftlich noch             rapie bei der Cheyne-Stokes-Atmung,       sollten in diese multizentrische, randomi-
ökonomisch zu rechtfertigen. Die aktuelle
deutsche Leitlinie von 2013 zur Behand-         Tabelle 3
lung der Lungenfibrose hat entsprechend         Indikation                PaO2 in Ruhe ≤ 55 mmHg
die Indikation zur Langzeit-Sauerstoff-                                   PaO2 in Ruhe 50 – 60 mmHg bei Cor pulmonale oder Polyglobulie
Therapie bei klinisch signifikanter Ruhe-                                 PaO2 unter Belastung ≤ 55 mmHg oder Hypoxämie im Schlaf
hypoxämie als starke Empfehlung bei sehr        Verschreibungskriterien   Stabile Krankheit, optimale Therapie
geringer Evidenz bezeichnet (13). An der        Kontraindikation          keine
Zielsetzung der Langzeit-Sauerstoff-The-        Ziel                      PaO2 ≥ 60 mmHg oder Anstieg um 10mmHg
rapie hat sich nichts geändert. Ziel bleibt                               PaO2 ≥ 60 mmHg oder Belastbarkeit verbessert

16                                                                                                                              O2-Report
1 7 . PAT I E N T E N KO N G R E S S

   sierte klinische Studie eingeschlossen wer-   ■   Leitlinien sollen keine Instrumente zur   3.	Kopp I, Bundesgesundheitsbl
   den. Geplant ist eine individuell angepass-       zentralen Steuerung und Rationalisie-          - Gesundheitsforsch
   te Sauerstofftherapie (z. B. kontinuierlich       rung der Medizin mit der Konsequenz            - Gesundheitsschutz 2011;
   über 24 Std.) für Patienten mit mäßiger           der zunehmenden Verrechtlichung sein.          54: 260-65
   Ruhehypoxämie für eine Sauerstoffgabe         ■   Leitlinien sollen im medizinischen All-   4.	Kienle GS, Dtsch Arztebl 2008;
   im Schlaf sowie bei Belastung für Patien-         tag praktikabel sein.                          105(25): A 1381-4
   ten mit Belastungs-induzierter O2-Ent­        ■   Sie müssen entsprechend den wissen-       5.	Editorial, Dtsch Aerztebl 2013;
   sättigung versus keine Sauerstoffgabe. Pri-       schaftlichen Erkenntnissen und den             110(35-36): 573-4
   märes Studienziel ist ein Score, der sich         praktischen Erfahrungen regelmäßig        6.	Magnussen et al., Pneumologie 2001;
   aus Gesamtmortalität, Hospitalisierungs-          fortgeschrieben werden.                        55: 454–464
   rate, krankheitspezifischer Lebensqualität    ■   Auch wenn die formale Gültigkeit          7.	Magnussen H et al., Pneumologie
   (St.George Respiratory Questionnaire)             der deutschen Leitlinien von 2008              2008; 62: 748–756
   und individueller Lebensqualität (Quality         zur Langzeit-Sauerstoff-Therapie          8.	Koehler U et al., Pneumologie 2014;
   of Well-Being Scale) zusammensetzt.               abgelaufen ist, sind Behandler und             68: 193-198
      Mit großer Spannung erwarten sowohl            Kostenträger aufgefordert sich bis zu     9.	Qaseem A et al., Ann intern Med
   Patienten als auch Kostenträger die diver-        einer Neufassung weiter an ihnen zu            2011; 155: 179-191
   sen Untersuchungen zu portablen Sauer-            orientieren.                              10.	http://www.goldcopd.org
   stoffkonzentratoren (15).                     ■   Eine Überarbeitung der deutschen          11.	Nocturnal Oxygen Therapy Trial
                                                     Leitlinien zur Langzeit-Sauerstoff-The-        Group, Ann Intern Med 1980; 93:
   Zusammenfassung                                   rapie ist überfällig und notwendig. Es         391–398
   ■   Leitlinien sind sinnvoll als systema-         gibt aber gute Argumente für eine Ver-    12.	Medical Research Council Working
       tisch entwickelte Entscheidungshilfen         schiebung der neuen Version auf 2015.          Party, Lancet 1981; 1: 681–686
       für Leistungserbringer und Patienten                                                    13.	Behr J et al., Pneumologie 2013;
       zu einer angemessenen Vorgehensweise      Literatur                                          67:81-111
       bei speziellen Gesundheitsproblemen.      1.	http://www.awmf.org                       14.	Stoller JK et al. Chest 2010; 138(1):
   ■   Sie stellen ein wesentliches Instrument   2.	Kopp I, Bundesgesundheitsbl - Ge-              179-187
       zur Förderung von Qualität und Trans-         sundheitsforsch - Gesundheitsschutz       15.	http://www.clinicaltrials.gov
       parenz medizinischer Versorgung dar.          2002; 45:223-233.                                                                   •

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