"Heimbeatmung" von Sauerstoffpatienten - Sauerstoffliga

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"Heimbeatmung" von Sauerstoffpatienten - Sauerstoffliga
AU SGA B E 37
                                                             Nummer 2/2016
                                                             Schutzgebühr: € 4,50

           NEU: Deutsche Sauerstoff- und BeatmungsLiga LOT e.V.

    „Heimbeatmung“
                von Sauerstoffpatienten

Seite 4:                  Seite 6:              Seite 32:
Wann kommt die            Neue S­ trategien     Gesundheit als
Heimbeatmung              bei der Behand-       Markt – woran die
zum Einsatz?              lung von COPD         Medizin krankt
"Heimbeatmung" von Sauerstoffpatienten - Sauerstoffliga
O2 - R E P O R T 2 / 2 0 1 6

Inhalt                                         Grußwort des Vorsitzenden
Kolloquium in Bad Reichenhall                                   Liebe LOT Mitglieder, liebe Patienten,
„Heimbeatmung“ – Seminar für                                    liebe Angehörige, sehr geehrte Interessierte,
Betroffene und Ärzte                     4
                                                               für die Jahreszeit des Schmökerns kommt der neue O2-­Report
LOT Patientenkongress in Altötting                             goldrichtig! Wir haben für Sie, neben unseren unterhalt­
Neue medikamentöse Strategien            6    samen Rubriken, in gewohnter Weise interessante Informationen aus dem letz-
Nicht medikamentöse Therapien                  ten Jahr ­zusammengestellt. Hier bildete unser traditioneller „Round Table“
des Lungenemphysems                      14   parallel zum Kolloquium in Bad Reichenhall ein Highlight, ebenso wie unser
Der Patientenkongress im Bilde …         19   Patientenkongress, der erstmals in Altötting stattfand.

Klinikportrait                                 In der gastfreundlichen Atmosphäre des dortigen Klinikums ließen es sich
                                               ­weder der Landrat noch die Klinikleitung nehmen, uns auf das Herzlichste
Pneumologie – Beatmungs- und
                                                willkommen zu heißen und die Verbundenheit der Stadt zu uns auszudrücken.
­Schlafmedizin am Klinikum Vest          20
                                                Das wissenschaftliche Programm bot viele interessante Themen, über die wir
Akute Exazerbation                              in diesem Heft berichten werden und die Mitgliederversammlung verabschie-
Auslöser akuter Exazerbationen           22    dete wichtige Beschlüsse zur Zukunft unserer bundesweiten Selbsthilfegruppe.
Recht                                          So dürfte es aufmerksamen Beobachtern nicht entgangen sein, dass wir uns in
Der Pflegebedürftigkeitsbegriff wird           der LOT für Anforderungen der Zukunft gerüstet haben. So wollen wir für die
neu definiert.                           24   schweren Krankheitsverläufe, mit erforderlicher, außerklinischer Beatmung
                                               und für Konsequenzen, die sich daraus für unsere
LOT intern
                                               Selbsthilfegruppe ergeben, Unterstützung bieten.
Warum braucht der Patient mit
chronischer Atemnot eine konkretisierte        Das Thema „außerklinische Beatmung“ ist viel-
Patientenverfügung?                    26     schichtig. Hierfür ist in unserem Vorstand ein
10 Gründe Mitglied der Deutschen               zusätzlicher Beirat für Heimbeatmung geschaf-
­Sauerstoff- und BeatmungsLiga LOT e.V.        fen worden, der in der nächsten Mitgliederver-
 zu werden                               28   samlung noch offiziell nachgewählt werden
                                               muss. Erfreulicherweise konnten wir mit Dr. Jens
Nachruf                                  28
                                               Geiseler hierfür einen sehr erfahrenen Fachmann
„Auszeit“ für Angehörige von                   gewinnen, mit dessen Hilfe nun bereits ein Bera-
­Sauerstoffpatienten                     29   terstab geschaffen ist, der Ihnen bei der Lösung
Kolumne: „Ich bitte um mehr Luft …“      30   Ihrer Probleme rund um die Beatmung telefo-       Prof. Dr. med.
Aus Trauer wird Hoffnung                 30   nisch zur Verfügung steht (siehe Portrait in die- Rainer Willy Hauck

Gesundheitspolitik
                                               sem Heft). Wir sind überzeugt, dass dies eine
                                               äußerst wichtige Weichenstellung für die Zukunft unserer LOT darstellt
Gesundheit als Markt                     32   und haben deshalb unseren Namen auch um die die Beatmung erweitert, in:
Außerklinische Beatmung                        „Deutsche Sauerstoff- und BeatmungsLiga LOT e.V.“.
Wann ist eine außerklinische                   Nachdem sich auch durch eine überlegte Haushaltsführung die Wirtschafts­
Beatmung notwendig                       36   lage der LOT wieder stabilisiert hat, blieben unangenehme Herbststürme aus
Sauerstoffpatienten berichten                  und wir können uns entspannt auf unsere neuen Aufgaben konzentrieren.
Lungensportgruppe in Spanien             39   Ich wünsche ihnen allen einen erfreulichen Jahresausklang,
Ein Gespräch – zum Nachdenken                  möglichst gesund und frei von viralen und bakteriellen Ein-
belauscht                                40   dringlingen, und alles Gute für 2017!
Aktuell                                        Mit ganz herzlichen Grüßen
Schweregrade der COPD                    42
Chronische Bronchitis                    43   Ihr
Leserbrief                               44
Rubriken
                                               Prof. Dr. med. Rainer Willy Hauck
LOT-Gruppen berichten                    45
                                               Vorsitzender der Deutschen Sauerstoff- und BeatmungsLiga LOT e.V.
Rätsel                                   52
                                               und Chefarzt im Klinikum Altötting
Flyer zum Sammeln                        55
LOT-Gruppen Kontakte                     57
                                               Um auch über die elektronischen Medien mit Ihnen in Kontakt zu kommen, bitten
Beitrittserklärung                       58   wir Sie, uns Ihre E-Mail-Adresse bekanntzugeben. Dafür reicht es, eine E-Mail mit
Impressum, Inserentenverzeichnis         59   Ihrem Namen und Ihrer Anschrift an die Adresse info@sauerstoffliga.de zu schicken!

2                                                                                                                     O2-Report
"Heimbeatmung" von Sauerstoffpatienten - Sauerstoffliga
"Heimbeatmung" von Sauerstoffpatienten - Sauerstoffliga
KOLLOQU I UM I N BAD REICH EN HALL

„Heimbeatmung“ –
Seminar für Betroffene und Ärzte
Workshop der Deutschen Sauerstoff- und BeatmungsLiga LOT e.V.
anlässlich des Bad Reichenhaller Kolloquiums im Juni 2016.

Vorsitz: Prof. R. W. Hauck, Bad Reichenhall   stillstand hört auch das Herz auf zu schla-    direkt in die Luftröhre geleitet wird oder
und M. Golinske, Dornum OT Nesse              gen, und es kommt zu einem Kreislaufstill-     mit Hilfe einer dicht schließenden Beat-
                                              stand. Dasselbe passiert andersherum:          mungsmaske vom Patienten über Mund
Moderation: Michael Golinske, Dornum
                                              Steht der Kreislauf still, setzt nach kurzer   und/oder Nase eingeatmet wird, sprechen
Autor: Franz-Josef Kölzer, Beisitzer          Zeit auch die Atmung aus. Schnelle Hilfe       Ärzte von der invasiven oder nicht-invasi-
­Gesundheitspolitik, Deutsche Sauerstoff-     ist gefragt. Die künstliche Beatmung kann      ven Beatmung.
 und BeatmungsLiga LOT e.V.                   bei einer unzureichenden oder ganz ausge-          Invasiv bedeutet im Medizinerdeutsch
                                              fallenen eigenen Atmung das Leben retten.      so viel wie „eingreifend“ oder „eindrin-
                                                  Die Begrüßung und den ersten Über-         gend“. Gemeint ist damit der Trachealtu-
Programm:                                     blick über das Thema des Workshops gibt        bus, der über den Mund in die Luftröhre
                                              Prof. Dr. R.W. Hauck, der auch der Vorsit-     des Patienten eingeführt wird. Diese soge-
■   Begrüßung und Einführung in die
                                              zende der Deutschen SauerstoffLiga LOT         nannte Tracheotomie schafft eine künstli-
    Thematik: Prof. R. W. Hauck,
                                              e.V. ist. Die meisten Menschen haben bei       che Öffnung unterhalb des Kehlkopfes,
    Bad Reichenhall
                                              dem Wort Beatmung vermutlich eine In-          über die sich der Beatmungsschlauch
■   „Wer wird beatmet?“                       tensivstation mit todkranken Patienten,        ­direkt in die Luftröhre einführen lässt.
    „Womit wird heute beatmet?“               beunruhigend piependen Maschinen und               Gegenüber der konventionellen, inva-
    Dr. med. Jens Geiseler, Gauting           ein Gewirr von Schläuchen vor Augen.            siven Beatmung (Intubation) über einen
                                              Aber das ist nicht das ganze Spektrum.          fest integrierten Beatmungsschlauch (Tu-
■   „Wie fühlt man sich beatmet?“
                                                                                              bus) bietet die in den 80er Jahren entwi-
    F.­J. Kölzer, Hungenroth
                                              Wann kommt die Beatmung                         ckelte und stetig weiter entwickelte, nicht-
■   „Wer bezahlt die Beatmungen?“             zum Einsatz?                                    invasive Beatmung über eine abnehmbare
    RAin E. Baumann, Mannheim                 Viele Situationen können eine künstliche        Nasen- oder Mund-Nasen-Maske einige
                                              Beatmung erfordern. Erkrankungen der            entscheidende Vorteile. Die nicht-invasive
Im Rahmen des alljährlich im Juni Bad         Lunge zählen dazu, vor allem die chro-          Beatmung erhöht besonders die Überle-
Reichenhaller Kolloquiums, gab es auch        nisch obstruktive Bronchitis, abgekürzt         benschancen der Patienten deutlich. So
in diesem Jahr wieder einen Workshop          COPD. Es gibt aber auch neuromuskuläre          kann die Erfolgsrate für die Behandlung
der Deutschen SauerstoffLiga LOT e.V..        Erkrankungen, bei denen die Atemmus-            z. B. von Patienten mit akutem Atemver-
Das große Gebiet „Heimbeatmung“, oder         kulatur ihre Funktion einbüßt. Gehirn-          sagen mit Hilfe der nicht-invasiven Be­
fachlich ausgedrückt: „außerklinische Be-     schäden führen manchmal zu Störungen            atmung im Vergleich zur Intubation
atmung“, wurde von den eingeladenen           der Atemregulation. Auch bei ausgepräg-         gesteigert, und so die Sterblichkeit der
                                                                                              ­
Referenten einmal aus ärztlicher- und         tem Übergewicht oder Verformungen des           Patienten gesenkt werden.
dann aus Patientensicht, sowie aus juristi-   Brustkorbes können manche Betroffene
scher Betrachtung im Zusammenhang mit         nicht ausreichend atmen.                       Wer wird womit beatmet?
den Vorschriften zur Hilfsmittelversor-          Etwa jeder achte Patient auf den Inten-     In seinem Vortrag „Wer wird und womit
gung vorgestellt.                             sivstationen sowie über 10.000 COPD-           beatmet“ prognostiziert Dr. Geiseler, der
   Normalerweise atmet der Mensch, oh-        Patienten jährlich sterben hierzulande un-     als ausgewiesener Spezialist für Beat-
ne dass er sich Gedanken darüber macht.       nötigerweise, weil sie nicht, oder nicht       mungstherapie gilt, dass in Zukunft im-
Setzt die Atmung jedoch aus, werden die       optimal, beatmet werden.                       mer mehr Menschen beatmet werden
Organe nicht mehr mit Sauerstoff ver-                                                        müssen. Zum einen, weil die chronischen
sorgt. Schon nach wenigen Minuten folgt       Welche Arten der Beatmung                      Lungenerkrankungen auf dem Vormarsch
der Tod, denn der Sauerstoff ist der          gibt es?                                       sind, zum anderen weil die Patienten auf-
„Treibstoff“ für die Organe. Der Sauer-       Auf der Intensivstation und im OP führen       grund des medizinischen Fortschrittes
stoff wird im Körper verbraucht. Dabei        Geräte die Beatmung durch. Moderne Be-         und der Altersstruktur unserer Bevölke-
entsteht Kohlendioxid (CO2), welches          atmungsgeräte sind komplexe Maschi-            rung immer älter werden und damit auch
über die Lunge abgeatmet wird. Die Lun-       nen, deren Beatmungsform sich an die           mehr Begleiterkrankungen aufweisen.
ge ist damit zugleich der „Auspuff des        Bedürfnisse des Patienten anpassen lässt.      Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit
Körpers“. Kurze Zeit nach einem Atem-         Je nachdem, ob die Luft über Schläuche         von Komplikationen, die eine intensiv-

4                                                                                                                              O2-Report
"Heimbeatmung" von Sauerstoffpatienten - Sauerstoffliga
KOLLOQU I UM I N BAD REICH EN HALL

                                             ration erlauben würde. Die Belastungs-        macht zu Beginn Ihres Vortrages deutlich,
                                             tests im Krankenhaus brachten es dann an      dass die Sauerstoffpatienten ja grundsätz-
                                             den Tag: Beim standardisierten Sechs-Mi-      lich schon gut im Thema sind und das
                                             nuten-Gehtest kam es neben einem sin-         Procedere der Bewilligung von Hilfsmit-
                                             kenden Sauerstoffgehalt zu einer Kohlen-      teln den meisten der Zuhörer ja schon aus
                                             stoffdioxiderhöhung im Blut, einer soge-      der Langzeitsauerstoff-Therapie bekannt
                                             nannte Hyperkapnie. Gut zu wissen: Je         ist: Menschen, die eine außerklinische
                                             höher der Kohlendioxid-Wert im Blut,          Beatmung (Heimbeatmung) benötigen,
                                                                                           ­
                                             desto geringer ist der natürliche Ateman-     brauchen oftmals auch weitere Hilfsmit-
                                             trieb.                                        tel.
                                                 Seit zehn Jahren sei er zwar schon mit        § 33 Abs. 1 s. 1 SGB V. gibt Versicher-
medizinische Behandlung mit Beatmung         der Sauerstofftherapie unterwegs, so Herr     ten in der gesetzlichen Krankenversiche-
erforderlich machen. Allerdings, so Geise-   Kölzer, und sie habe bis jetzt seine Atem-    rung einen grundsätzlichen Anspruch auf
ler, sterben hierzulande immer noch zu       hilfsmuskulatur unterstützt, weil sie nicht   Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Ein-
viele Menschen unnötigerweise, weil sie      mehr so viel Atemarbeit verrichten muss-      zelfall erforderlich sind, um den Erfolg
nicht optimal beatmet werden                 te, um mehr Sauerstoff zu „tanken“.           der Krankenbehandlung zu sichern, einer
    Auch wird die NIV immer häufiger in          Die Langzeitsauerstoff-Therapie reich-    drohenden Behinderung vorzubeugen
der Notfallmedizin bei Patienten ange-       te nun alleine nicht mehr aus. Es kam zur     oder eine Behinderung auszugleichen.
wendet, die mit akuten Exazerbationen        Sauerstofftherapie noch die nichtinvasive
ins Krankenhaus eingeliefert werden.         Beatmung (NIV = auch außerklinische Be-       Was ist ein Hilfsmittel?
Nach der gesundheitlichen Stabilisierung     atmung oder Heimbeatmung) dazu. Bei           Nach der Rechtsprechung des Bundesso-
ist eine weitere außerklinische Beatmung     der NIV werden die Patienten mittels ei-      zialgerichts sind Hilfsmittel solche Gegen-
oft nicht notwendig.                         ner druckdichten Atemmaske bei der At-        stände, die von dem Leistungsempfänger
                                             mung (in der Regel nachts) mechanisch         getragen oder mitgeführt oder bei einem
Wie fühlt man sich beatmet?                  unterstützt und die Atemmmuskulatur           Wohnungswechsel mitgenommen werden
Optimal beatmet fühlt sich Franz-Josef       regeneriert sich.                             können und unter Berücksichtigung der
Kölzer. In seinem Vortrag, „Wie fühlt            Für viele Patienten bedeutet der Ein-     Umstände des Einzelfalls zur Krankenbe-
man sich beatmet“ berichtet er über seine    stieg in diese Therapie etwas ganz ein-       handlung oder zum Behinderungs-aus-
fortgeschrittene    chronisch-obstruktive    schneidendes. Viele haben Angst, dass sie     gleich erforderlich sind. Sie stehen damit
Lungenerkrankung, die, neben vielen Co-      unter der Maske „keine Luft mehr be-          grundsätzlich in der Leistungspflicht der
Morbitäten (Neben- oder Folgeerkran-         kommen“. Hier gilt es von ärztlicher Seite    Gesetzlichen Krankenversicherung.
kungen), auch zu einer Veränderungen an      mit viel Ruhe den Patienten an die Thera-        Fazit von Frau Baumann ist ihre Fest-
der so genannten Atempumpe führte. Als       pie heranzuführen, von Patientenseite         stellung, dass es bei Hilfsmitteln zur
Atempumpe werden die Muskeln und das         sollte versucht werden, sich als Einstieg     außerklinischen Beatmung (Heimbeat-
                                                                                           ­
Brustkorb-Skelett bezeichnet. Der wich-      immer wieder für mehrere Minuten mit          mung), anders als bei der Langzeitsauer-
tigste „Atemmuskel“ ist das Zwerchfell.      der Maske auf das Beatmungsgerät einzu-       stoff-Therapie, wenig Probleme bei der
Wenn das Zwerchfell über Monate und          stellen und dem Gerät immer mehr die          Bewilligung der Therapie gibt.
Jahre eine Lunge mit Veränderungen           Atmung zu überlassen. Ist dann die erste
(z. B. Lungenemphysem, COPD etc.) be-        Nacht mit Beatmung geschafft wird man         Diskussion
wegen muss, kommt es im Verlauf der          feststellen, mit wieviel Reserven man in      Herr Prof. Dr. Hauck bedankte sich bei
fortschreitenden Erkrankung zu Ermü-         den Tag startet.                              den Referenten für ihre kompetenten Vor-
dung der Atemmuskulatur. Das hat auch            Seit der Erweiterung seiner Therapie      träge und Michael Golinske, stellvertre-
Franz-Josef Kölzer so erlebt. Sein Zwerch-   auf die nichtinvasive, außerklinische Beat-   tender Vorsitzender, ermunterte die Zuhö-
fell konnte mit der von ihm geforderten      mung so berichtet Herr Kölzer, habe er an     rer, Ihrerseits Fragen an die Referenten zu
körperlichen Leistung nicht mehr mithal-     Lebensqualität gewonnen, weil er nach         stellen und konnte eine angeregte Diskus-
ten und er litt schon bei geringen Belas-    der nächtlichen Beatmung von über acht        sion mit vielen neu gewonnenen Erkennt-
tungen an Luftnot.                           Stunden mit einer komplett ausgeruhten        nissen für die Zuhörer leiten.           •
    So beschrieb er in seinem Vortrag,       und über den Tag leistungsfähigen Atem-
„Wie fühlt man sich beatmet“ seine ge-       pumpe aktiv sein kann.
sundheitliche Situation vor zwei Jahren.                                                                                    Autoren:
Die Gehstrecke verringerte sich erheblich,   Hilfsmittelansprüche für                                          „Wer wird beatmet?“
weil die Atempumpe der Belastung nicht       ­Beatmungspatienten                                     „Womit wird heute beatmet?“
mehr Stand halten konnte. Immer wieder       Frau RA`ín Baumann, in der Deutschen                    Dr. med. Jens Geiseler, Gauting
hatte er das Gefühl, so Herr Kölzer, dass    Sauerstoff- und BeatmungsLiga für Ihre
                                                                                                     „Wie fühlt man sich beatmet?“
seine Atmung „ausgebremst“ wird. Wenn        kompetenten Vorträge und Fachartikel im
                                                                                                            F.­J. Kölzer, Hungenroth
nämlich die Atemmuskulatur permanent         O2-Report bekannt, gibt einen kurzen
in Anspruch genommen wird, entstehen         ­Abriss zum Thema „Geräte für die außer-               „Wer bezahlt die Beatmungen?“
keine Entlastungsphasen, die eine Regene-     klinische Beatmung als Hilfsmittel“. Sie                RAin E. Baumann, Mannheim

2. Halbjahr 2016                                                                                                                   5
"Heimbeatmung" von Sauerstoffpatienten - Sauerstoffliga
L O T PAT I E N T E N K O N G R E S S I N A LT Ö T T I N G

Neue medikamentöse Strategien
Vortrag von Prof. Dr. med. F. Meyer –
Leiter des Lungenzentrums München (LZM Bogenhausen-Harlaching)

Es geht heute in meinem Beitrag um neue Medikamente und neue Strategien bei                bessere Lungenfunktion, z. B. beim FEV1
der Behandlung der COPD. Wichtig sind nicht nur die Medikamente an sich, die zur           (Einsekundenwert beim Auspusten) im
Therapie der COPD angewendet werden können, sondern auch die passende Stra-                Vergleich zu den Kindern aus Haushalten,
tegie. Dazu muss man, wenn man strategisch richtig plant und dazu noch Erfolg              die weiterhin mit offenem Feuer kochten.
haben möchte, das nötige Hintergrundwissen haben. Diese Grundlage der besten               Es lässt sich feststellen, dass man im All-
Therapie stützt sich weltweit auf immer neue wissenschaftliche Erkenntnisse und            tag schon sehr viel tun kann, bevor es
ist gerade für Sie als Patienten und Angehörige interessant.                               überhaupt zur Krankheit kommt.
                                                                                              Wenn man aber die Krankheit hat, und
                                                                                           dafür sind hierzulande andere Risikofak-
                                                                                           toren verantwortlich, vor allem das Ziga-
                                                                                           rettenrauchen, aber auch das Rauchen der
                                                                                           Shisha (Wasserpfeife). Der weit verbreite-
                                                                                           ten Ansicht vieler Shisha-Raucher, das In-
                                                                                           halieren des kalten Rauches sei nicht
                                                                                           schädlich, muss ganz klar widersprochen
                                                                                           werden. Im Ergebnis sind die Folgen für
                                                                                           die Lunge identisch: Im Endstadium der
                                                                                           Erkrankung bleibt eine vollkommen zer-
                                                                                           störte Lunge!

                                                                                           Die einzelnen Phasen des Verlaufs der
                                                                                           COPD lassen sich gut beobachten:
                                                                                           ■   Durch Inhalation von Noxen (giftige
                                                                                               Bestandteile) kommt es zu einer Kons-
                                                                                               triktion, d. h., die Bronchien verengen
                                                                                               sich. In der Folge kommt es zu einer
                                                                                               „Airflowlimitation“, also einer redu-
                                                                                               zierten Kapazität beim Ausatmen.
                                                                                           ■   Der Verengung der Atemwege liegt
Das Bild zeigt das Innere einer Hütte ohne   Wissenschaftler in Guatemala Kinder im            eine Inflammation, eine Entzündung
Fenster, in der eine Mutter über dem offe-   Alter zwischen 5 und 8 Jahren aus 877             derselben zugrunde.
nen Feuer den Kochtopf schwenkt. Diese       Familien untersuchten, die genau den          ■   Diese Entzündung lässt sich durch die
Zustände gibt es auf der ganzen Welt sehr    eben beschriebenen Feuerstellen ausge-            Art und die Anzahl der Entzündungs-
oft. Alle die Menschen, die unter diesen     setzt waren. In dieser Studie wurden 437          zellen näher bestimmen.
Bedingungen leben haben ein hohes Risi-      Familien ein Steinofen mit einem Schorn-      ■   Echte strukturelle Veränderungen der
ko eine COPD zu entwickeln, auch ohne        stein in die Hütte gebaut. Das bedeutete,         Lunge, z. B. Lungenemphysem mit
jemals Zigaretten geraucht zu haben.         dass beim Kochen kein Rauch mehr in der           Umbau des Lungengerüstes und der
   Kommen wir zurück auf die fenster­        Hütte verblieb, dem die Kinder ausgesetzt         Alveolen (Lungenbläschen).
lose Hütte, in der die Bewohner den ent-     waren. Nach 5 Jahren hat man festge-          ■   Die Veränderung der mucoziliären
stehenden Rauch einatmen. Dieser Rauch       stellt, dass die Exposition (unbeabsichtig-       Funktion, so dass die Flimmerhär-
enthält Kohlenmonoxid, Stickstoffmono-       ter Kontakt mit den Verbrennungsabga-             chen, die üblicherweise den Schleim
xid und organische Toxine (Giftstoffe).      sen) um 50 % reduziert werden konnte.             aus den Tiefen der Bronchien nach
Wenn Menschen dem Rauch mit diesen           Im Zuge dessen kam es bei den Kindern             oben in die Luftröhre transportieren
Giftstoffen ausgesetzt sind entwickeln       zu weniger Pneumonien (Lungenentzün-              damit er dort leichter abgehustet wer-
sich Schäden in der Lunge, die einer         dungen). Dieser Effekt ist vergleichbar           den kann, diese Aufgabe nicht mehr
COPD, einer chronisch obstruktiven, also     mit der einer Pneumokokken-Schutzimp-             wahrnehmen können.
die Atemwege verengenden, Lungener-          fung.
krankung sehr ähneln.                           Fünf Jahre später hatte die überwie-       Wenn man nun alle aufgezählten Verän-
   Neueste, erst vor wenigen Wochen ver-     gende Zahl der Kinder, bei deren Familien     derungen bei der COPD zusammen
öffentlichte Untersuchungen, für die die     die Öfen eingebaut wurden, eine deutlich      nimmt, dann erklärt sich, warum es den

6                                                                                                                           O2-Report
"Heimbeatmung" von Sauerstoffpatienten - Sauerstoffliga
"Heimbeatmung" von Sauerstoffpatienten - Sauerstoffliga
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betroffenen Menschen so schlecht geht.        Entzündung und Atemwegsobstruktion
    Mit Fachworten erklären die Medizi-
ner die Auswirkungen der chronischen
Entzündung bei einer COPD. Der „Spill
Over der Inflammation“ steht für „über-
laufen“. Dieser Begriff, und was er bedeu-
tet, wird im weiteren Verlauf dieses Arti-
kels näher erklärt.

COPD-Einstufung nach GOLD
Der wohl gängigste Weg zur Einstufung
des Schweregrades einer COPD ist die
Einteilung nach GOLD = Global Organi-
sation Lung Disease (Globale Initiative
für Lungenerkrankungen) Das ist eine
weltweite Initiative bei der sich vor allem
                                                 Hogg JC. The Lancet, Vol 364, 709-721.
Ärzte regelmäßig treffen und sich über
neue wissenschaftliche Erkenntnisse aus-
tauschen, und was sie daraus ableiten
können und welche Medikamente und                Normalerweise ist ein Bronchus in den        man dann als Patient mit diesem Krank-
Behandlungsstrategien sich aus diesen Er-     Atemwegen dünnwandig und seine Innen-           heitsbild bei der Lungenfunktionsprüfung
kenntnissen ergeben und was davon den         wand mit kleinen Zellen ausgekleidet.           in der Glaskabine sitzt, stellt man fest, wie
Patienten mit einer COPD sinnvoll ange-       Der Bronchus ist dabei genug geweitet,          schwer es ist, so viel Luft wie möglich in
boten werden kann.                            um die Luft beim Ein- und Ausatmen wi-          der ersten Sekunde auszuatmen (Mess­
   Im weiteren Verlauf dieses Beitrages       derstandsfrei passieren zu lassen.              parameter: FEV1).
wird der Begriff der Entzündungen noch           Das ist bei der COPD ganz anders. Bei           Bei Gesunden geht man davon aus,
viel häufiger zu lesen sein, als das bisher   ihr ist die Wand des Bronchus viel dicker.      dass sie etwa 70 % der zuvor eingeatme-
der Fall war. Permanente Entzündungen         Das ist in erster Linie die Folge der ständi-   ten Luft in der ersten Sekunde ausatmen
sind das Zeichen einer COPD. Genau die-       gen Entzündung der Atemwege. Dadurch            können. Bei COPD-Patienten ist das we-
se Entzündungen erfordern den Einsatz         wird der Weg, den die Luft beim Ein- und,       sentlich weniger. Je weniger Luft ein
von Medikamenten, mit denen den Ent-          aber vor allem beim Ausatmen nimmt,             Mensch in der ersten Sekunde ausatmen
zündungen entgegen gewirkt werden soll,       viel zu eng. Das Atmen fällt so immer           kann, je enger sind die Bronchien, je
und wo wir in Kombination mit den neu-        schwerer.                                       schlechter geht es ihm. Bei einer gemesse-
en Therapiestrategien bessere Möglich-           Atemwegsobstruktion nennt man ge-            nen Ausatmung von unter 30 % sprechen
keiten haben.                                 nau diesen Zustand der Atemwege. Wenn           wir von einer sehr schwergradigen obst-
                                                                                              ruktiven Lungenerkrankung.
                                                                                                 Die Einteilung der Schweregrade der
COPD-Klassifikation GOLD 2016                                                                 COPD (I–IV) erfolgt auch über diesen
                                                                                              FEV1. Je schlechter dieser Wert ist, desto
                                                                                              höher die Einstufung nach GOLD.

                                                                                              Die Symptome und das Befinden
                                                                                              des Patienten
                                                                                              Heutzutage geht das medizinische Ver-
                                                                                              ständnis der COPD noch weiter und ist in
                                                                                              die Schweregradeinteilung nach GOLD
                                                                                              2016 eingearbeitet und geht jetzt noch
                                                                                              ­einen Schritt weiter:
                                                                                                  Denn nun kommt der Patient mit sei-
                                                                                               nem Befinden ins Spiel. Es zählen also
                                                                                               nicht mehr nur die Messwerte der Lun-
                                                                                               genfunktion, sondern die Symptome und
                                                                                               das Befinden des Patienten. Er soll sich
                                                                                               dem Arzt mitteilen und sagen, wie es ihm
                                                                                               im Alltag geht. Basis für ein solches Ge-
                                                                                               spräch ist ein zuvor vom Patienten auszu-
                                                                                               füllender Fragebogen. Das kann zum Ei-
                                                                                               nen der CAT-Fragebogen sein (CAT steht

8                                                                                                                               O2-Report
"Heimbeatmung" von Sauerstoffpatienten - Sauerstoffliga
L O T PAT I E N T E N K O N G R E S S I N A LT Ö T T I N G

für: COPD Assessment Test) oder aber         ■   mMRC Grad III: Dyspnoe bei Geh-        „Überlaufen“ ins Spiel. Hier läuft eine
dem mMRC (modified medical researce              strecke um 100 m                       Entzündung der Atemwege über in den
council ).                                   ■   mMRC-Grad IV: Dyspnoe beim An-/        Rest des Körpers. In der Medizin nennt
                                                 Ausziehen                              man das eine „systemische Inflammati-
Modified British Medical Research                                                       on“, eine Entzündung, die über Entzün-
Council (mMRC)                               Das SPILL-OVER bei der COPD                dungsmediatoren wie Interleukin und
Das ist eine Einteilung der Dyspnoe          Nun gibt es Menschen, die z. B. Sympto-    TNF-Alpha über das Blut im ganzen Kör-
(Atemnot) von COPD-Patienten. Je höher       me eines mMRC-Grades II haben, sich        per verteilt werden. Durch die Verteilung
der Grad ist, desto stärker ist die Atem-    also nur eingeschränkt belasten können,    der Entzündungsbotenstoffe kommt es im
not.                                         im Rahmen einer Lungenfunktionsprü-        gesamten Organismus zu Veränderungen.
■ mMRC-Grad 0: Dyspnoe bei schwe-            fung beim FEV1 (Einsekundenwert) aber      Es kann zu Depressionen, zu Ängsten,
   ren Anstrengungen                         fast normale Werte (bis 80 %) erreichen.   zum Abbau/Umbau von Muskulatur
■ mMRC Grad I: Dyspnoe bei schnel-              Dann spielt die Lunge nicht die ent-    kommen. Es kommt so auch zu mehr Di-
   lem Gehen oder bei leichten Anstiegen     scheidende Rolle, sondern es liegt eine    abetes, zum Lungenkrebs. Blutarmut
■ mMRC-Grad II: Langsameres Ge-              Veränderung im Rest des Körpers vor.       kann auftreten, Osteoporose kann auftre-
   hen als Gleichaltrige aufgrund von        Hier kommt das sog. Spill over der Ent-    ten und es kann zu Herzerkrankungen
   ­Dyspnoe                                  zündung-Botenstoffe aus der Lunge, das     (z. B. Herzinfarkt) kommen. Das alles als
                                                                                        Folge der Entzündungen in der Lunge.
                                                                                            Früher war vielen Rauchern klar, dass
                                                                                        sie durch das Rauchen herzkrank werden,
                                                                                        aber erst heute wissen wir, warum das so
                                                                                        ist: Zunächst kommt es durch das Rau-
                                                                                        chen zu ständigen Entzündungen in der
                                                                                        Lunge. Durch das „Überlaufen“ der Ent-
                                                                                        zündung in den ganzen Körper kommt es
                                                                                        zu Veränderungen am Herzen, vor allem
                                                                                        an den Herzkranzgefäßen. Die Herz-
                                                                                        kranzgefäße verengen sich, was zu Herz-
                                                                                        infarkten führt und auch zu einer
                                                                                        Pumpschwäche des Herzens.
                                                                                            Besonders heftig ist eine Entzündung
                                                                                        in der Phase einer akuten Exazerbation
                                                                                        (deutliche Verschlechterung des Krank-
                                                                                        heitsbildes bei chronisch verlaufenden Er-
                                                                                        krankungen). In einer solchen Phase sind
                                                                                        die Botenstoffe der Entzündung in beson-
                                                                                        ders hoher Anzahl im Körper vorhanden.
                                                                                            Eine solche Exazerbation wird ausge-
                                                                                        löst durch einen Infekt. Dieser kann durch
                                                                                        Viren oder Bakterien ausgelöst werden.
                                                                                        Der Körper setzt sich dann mit den Bakte-
                                                                                        rien auseinander, schickt körpereigene
                                                                                        Entzündungszellen zum Entzündungs-
                                                                                        herd. Dabei entsteht durch die Entzün-
                                                                                        dung eine Verengung der Bronchien. In
                                                                                        der Folge kommt es zur Luftnot. Dem
                                                                                        Patienten geht es schlecht und es muss
                                                                                        ­
                                                                                        schnell gehandelt werden. Häufig ist eine
                                                                                        solche Infektion eine Notfallsituation und
                                                                                        macht einen Klinikaufenthalt erforder-
                                                                                        lich.

                                                                                        Medikamentöse Therapie der
                                                                                        akuten Exazerbation
                                                                                        Erstes Ziel ist die Erweiterung der Bron-
                                                                                        chien, um die Luftnot zu lindern. Dafür
                                                                                        stehen Betamimetika bereit, die den für
CAT-Fragebogen                                                                          die Verkrampfung der Bronchien verant-

2. Halbjahr 2016                                                                                                               9
"Heimbeatmung" von Sauerstoffpatienten - Sauerstoffliga
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wortlichen Rezeptor stimulieren. Bestens
                                              COPD-Manifestationen
geeignet ist dazu die Inhalation des Medi-
kamentes mit einem Vernebler. Der Vor-
teil besteht in der unkomplizierten und
leichten Applikation im Vergleich zu Pul-
verinhalatoren oder Sprays.
    Eine weitere Medikamentengruppe
sind die Anti-Cholinergika und die Sym-
pathomimetika. Diese beiden Substanz-
klassen führen in den Bronchien zu einer
Relaxation der glatten Muskulatur und
damit zu einer Erweiterung der Atem­
wege.
    Außerdem wird dem Patienten Corti-
son verabreicht, welches die Entzündung,
die sich unter Umständen auf den ganzen
Körper ausgedehnt hat, einzudämmen.
Des Weiteren kann ein Antibiotikum zum
Einsatz kommen, dass gegen die Bakteri-
en wirkt, die ursächlich die Entzündung
ausgelöst haben.
    Mit diesem Portfolio an Medikation
wird der Patient in der Notambulanz oder
vom Arzt auf Station in einer Klinik bei
einer akuten Exazerbation versorgt.           macht es Sinn, wirksame Medikamente so        ■   Gruppe C: hohes Risiko (schlechtes
                                              kurz wie möglich einzunehmen.                     FEV1 und/oder viele Exazerbationen),
Der richtige Einsatz von Cortison –              So haben wir als Ärzte gelernt, dass           geringe Symptome
Neue Strategien                               fünf Tage Kortisongabe in vielen Fällen       ■   Gruppe D: hohes Risiko (schlechtes
Wieviel Kortison braucht man, und wie         ausreichen.                                       FEV1 und/oder viele Exazerbationen),
lange soll sein Einsatz dauern, um die Ent-                                                     ausgeprägte Symptome
zündung in den Atemwegen und die Aus-         Medikamentöse Erhaltungstherapien
breitung einer Entzündung die sich im         und Strategien                                Welche Strategien der medi­
ganzen Körper ausgebreitet hat, zu be-        Zur Einschätzung über den Umfang der          kamentösen Therapie ergeben sich
handeln?                                      weiteren Medikation zur Stabilisierung        nun daraus?
   Hier hat die Medizin in den letzten        der COPD braucht der behandelnde Arzt         Basistherapie bei Patienten mit sympto-
Jahren dazugelernt. Bei Studien zum The-      einige wichtige Informationen über den        matischer COPD sind unbedingt die inha-
ma hat man untersucht, ob bereits 5 Tage      Patienten und vom Patienten selbst.           lierbaren, bronchienerweiternden Medi-
orale Kortisongabe ausreichen, um die             Folgende Parameter fließen in die Be-     kamente. Diese so genannten Bronchodi-
Entzündung einzudämmen. Die Studie            urteilung der COPD nach GOLD 2016             latatoren verringern die Muskelspannung
trägt sinniger weise den Namen „Redu-         ein:                                          der Bronchien und führen so zu einer
ce“, was nichts anderes heißt als „reduzie-   1.	Wie stark ausgeprägt ist die Obstrukti-   Erweiterung der Atemwege und einer
                                                                                            ­
ren“. Früher hat man konventionell oft-           on (Verengung bzw. Verlegung der          Abnahme der Lungenüberblähung. Die
                                                                                            ­
mals 14 Tage lang Kortison gegeben. Die-          Atemwege) ? Feststellbar durch Mes-       wichtigsten Bronchodilatatoren sind die
se beiden Methoden, 5 Tage Gabe von               sung des FEV1 im Rahmen einer Lun-        Beta-2-Sympathomimetika (kurz auch
Kortison vs. 14 Tage Gabe Kortison hat            genfunktion                               ­Betamimetika genannt) und die Anticho-
diese Studie verglichen. Das Ergebnis ver-    2.	Wie oft hatte der Patient in den ver-      linergika. Ihre bronchienerweiternde Wir-
blüffte:                                          gangenen 12 Monaten eine Exazer­           kung ist oftmals vergleichbar.
   Gemessen am FEV1, dem bei der Aus-             bation mit oder ohne Klinikaufent-            Mittlerweile steht eine ganze Reihe
atmung im Rahmen einer Lungenfunkti-              halt?                                      von lang-wirksamen Bronchodilatatoren
onsmessung waren die Ergebnisse in bei-       3.	Welche Symptome (insbesondere Be-          zur Verfügung, die über 12 oder auch
den Gruppen etwa Gleich. Auch eine ver-           lastungseinschränkung) hat der Pati-       über 24 Stunden wirken. Die Verabrei-
gleichende Messung beider Gruppen 180             ent?                                       chung der lang-wirksamen Bronchodila-
und 300 Tagen nach Abschluss der Be-          ■ Gruppe A: geringes Risiko (gutes             tatoren erfolgt mit Pulverinhalatoren oder
handlung konnte keine wesentlichen Un-            FEV1, wenig Exazerbationen), geringe       Verneblern. Hier berät Sie Ihr behandeln-
terschiede ausweisen.                             Symptome                                   der Lungenfacharzt.
   Weniger ist mehr, vor allem vor dem        ■ Gruppe B: geringes Risiko (gutes                Ein Teil der schwerkranken COPD-
Hintergrund, dass wirksame Medikamen-             FEV1, wenig Exazerbationen), ausge-        Patienten, die viel Husten und Auswurf
te auch Nebenwirkungen haben. Daher               prägte Symptome                            mit gehäuft akuten Verschlechterungs-

10                                                                                                                          O2-Report
„Atmen war etwas Selbstverständliches.
Darüber habe ich mir nie Gedanken
gemacht. Heute ist das anders. Solange
ich atme, weiß ich, dass ich lebe.“
Bertold Z., 53 Jahre,
erhielt im Herbst 2012 die Diagnose IPF

Hilfestellungen und individuelle Betreuung – das bietet die neue Patienten-
Informationskampagne „Lungenfibrose – Atmen um zu leben“, die sich
besonders an Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose (IPF) richtet.

Informieren Sie sich auf www.leben-mit-lungenfibrose.de und
profitieren Sie vom kostenlosen IPF Care Therapiebegleitprogramm.

Roche Pharma AG
Respiratory Diseases
79639 Grenzach-Wyhlen, Deutschland

© 2016
L O T PAT I E N T E N K O N G R E S S I N A LT Ö T T I N G

ereignissen haben, können zudem von               Was ist bei der Anwendung von inha-     Kortison, eingesetzt bei einer akuten Exa-
dem Einsatz von Roflumilast, einem se-        lativen Medikamenten zu beachten?           zerbation reduziert die Entzündung aber
lektiven Phosphodiesterase-4-(PDE-4)-In-          Wie das Inhalieren am besten geht er-   nur bei Patienten, die nachweislich im
hibitor, profitieren.                         klären kurze Videos der Deutschen Atem-     Blut eine hohe Anzahl von Eosinophilen
    Einen weiteren medikamentösen Be-         wegsliga, die man sich auf der Webseite     haben. Eosinophile gehören zur Familie
handlungsansatz in der Therapie der           www.atemwegsliga.de oder auf You­Tube®      der Leukozyten, der Abwehrzellen, wie
chronisch-obstruktiven      Lungenerkran-     ansehen kann. Die richtige Anwendung        auch die Neutrophilen, die die Bakterien
kung stellten bisher die Kortikosteroide      jedes einzelnen Applikationsgerätes ist     „abräumen“ und letztlich die Lympho­
dar, da der Wirkansatz die Reduzierung        dort anschaulich erklärt.                   zyten.
der Entzündung in den Bronchien ist. Da           In Kliniken und Arztpraxen werden
es sich bei den inhalierbaren Kortisonprä-    den Patienten die Anwendungstechniken       Nun noch einmal zu den Strategien:
paraten um ein stark wirkendes Medika-        durch geschultes Personal erklärt. Oder     Erst im Juni dieses Jahres wurde eine neue
ment mit Nebenwirkungen handelt, sollte       mit etwas Glück hat man noch einen          Studie, die FLAME-Studie veröffentlicht.
vor dem Einsatz eine Nutzen-Risiko-­          freundlichen Apotheker, der einem bei       Dafür hat man über 52 Wochen eine
Abwägung erfolgen.                            Einstellung weiterhilft.                    Gruppe von COPD-Patienten beobachtet,
                                                  Nach der Inhalation von Kortison soll   wie häufig es bei ihnen zu einer Exazerba-
Inhalative Therapie 2016:                     der Mund gründlich ausgespült werden,       tion kam. In Gruppe 1 haben die Patien-
Nach der Festlegung, der Wirkstoffgrup-       so dass sich durch die Anwendung von        ten bronchienerweiternde Medikamente
pe/gruppen erfolgt die Auswahl des Inha-      Kortisonsprays kein Soor (Pilzbelag) auf    und zusätzlich Kortison inhaliert. In
lators. Nachdem es eine große Anzahl der      der Mundschleimhaut und auf den             Gruppe 2 inhalierten die gleiche Anzahl
verschiedensten Inhalationsapplikationen      Stimmbändern (Folge: Heiserkeit) bilden     Patienten ausschließlich mit bronchiener-
mit den unterschiedlichsten Wirkstoffen       kann.                                       weiternde Medikamente. Das Ergebnis
und Wirkstoffkombinationen gibt. Da               Gerade Kortison, auch das zur Inhala-   verblüffte. Die Patientengruppe, die ne-
gibt es zum einen die Pulverinhalatoren in    tion hat Nebenwirkungen, genau wie all      ben den bronchenerweiterternden Mittel
den verschiedensten Varianten und Dosie-      die anderen wirksamen Medikamente           auch Kortison inhalierten bekamen im
raerosole mit und ohne Druckgas. Eine         auch. Nach der derzeitigen Datenlage        Studienzeitraum eher mehr Exazerbatio-
einheitliche, von den verschiedenen Her-      können bei manchen Menschen durch die       nen. Daraus lässt sich schließen, dass die
stellern verwendete charakteristisch Farbe    Anwendung von Kortisonsprays vermehrt       alleinige Anwendung bronchienerwei-
der Inhalationsgeräte-Minis im Hinblick       Pneumonien entstehen, also Lungenent-       ternder inhalativer Medikamente nicht
auf den Wirkeinsatz gibt es nicht mehr.       zündungen.                                  nur die Bronchien erweitern, sondern dass
Das macht die Sache für Arzt, aber auch           Kortison in hohen Dosen als Tablete     sie zusätzlich noch einen gewissen Schutz
für den Patienten noch komplizierter.         eingenommen führt zur Osteoporose, die      vor Exazerbationen bieten.
   Grundsätzlich aber gilt für alle Appli-    Knochendichte nimmt ab, der Knochen             Also ein weiterer Hinweis auf zusätzli-
kationsformen dass es für eine erfolgrei-     werden brüchig. Das kann aber auch          che Wirkung von Medikamenten, die oh-
che Inhalation wichtig ist, die richtige      durch Kortison begünstigt werden, dass      nehin schon lange für Atemwegspatienten
Auswahl des Inhalationsgerätes (Device)       inhaliert wird.                             eingesetzt werden. Diese Erkenntnis er-
zu treffen, damit der Patient mit seinen          Ebenso sind Veränderungen am Auge       fordert jetzt vom Arzt den kritischen Blick
Möglichkeiten den Wirkstoff dorthin           und die Entstehung eines Diabetes durch     dafür, welcher Patient neben der intensi-
bringen kann, wo er wirken soll: tief in      inhaliertes Kortison möglich.               ven Bronchosilatation wirklich zusätzlich
die Bronchien!                                    Beim Einsatz von inhalativem Kortison   noch inhalatives Kortison braucht.       •
   Wichtig ist auch, dass gerade soge-        muss eine patientenorientierte Abwägung
nannte Notfall-Sprays immer genügend          des Nutzen-Risikos erfolgen. Inhalatives       Abschrift nach Tonaufzeichnung beim
Wirkstoff für den Notfall enthalten. Eini-                                                    Patientenkongress 2016 in Altötting
ge Geräte zeigen die noch verfügbaren                                                            durch Franz-Josef Kölzer, Beisitzer
Dosen an. Anders die Dosieraerosole. Hie                                                       für ­Gesundheitspolitik im Vorstand
lässt sich die verfügbare Menge nur schät-          Autor:                                                              der LOT e.V.
zen. Taucht der Aerosolbehälter (Druck-             Prof. Dr. F. Joachim Meyer
kartusche) in einer mit Wasser gefüllten            Leiter Lungenzentrum München
Schale unter, so ist noch Wirkstoff vor-            (LZM Bogenhausen-Harlaching)
handen. Schwimmt er oben, sollte er ge-             Klinikum Bogenhausen:
gen einen gefüllten ausgetauscht werden             Tel. 089/9270-2280; Fax -3563
   Für den Patienten bedeutet das: er soll-         Klinikum Harlaching:
te den Arzt, der das inhalative Medika-             Tel. 089/6210-2400; Fax -3272
ment verordnet, bitten, möglichst immer             Sanatoriumsplatz 2,
die gleiche Applikationsform (soweit                81545 München
möglich) auf dem Rezept zu vermerken,
besser noch das gleiche Präparat zu ver-
ordnen.

12                                                                                                                        O2-Report
Kreiskliniken Altötting-Burghausen - Ihr Gesundheitsversorger in der Region Inn-Salzach
· Schwerpunktversorgung Versorgungsstufe 2 am Standort Altötting · Akademisches Lehrkrankenhaus der LMU München
· Zertifiziertes Darmzentrum INN-SALZACH · Zertifiziertes Gynäkologisches Krebszentrum INN-SALZACH
· Zertifiziertes Kompetenzzentrum für Koloproktologie · Regionales Traumazentrum im Traumanetzwerk München-Süd
· Zertifizierte Chest Pain Unit · Hybrid-OP am Standort Burghausen · Zertifizierte Schlaganfalleinheit

   Lungen-Experten vor Ort
   Klinik für Pneumologie und Beatmungsmedizin
   Leitung: Chefarzt Prof. Dr. Rainer Willy Hauck

                                                                                                                                                                                               Gestaltung: art-connect / Fotos: Oliver Keller

                                                                    In der neu geschaffenen Klinik für Pneumologie und Beatmungsmedizin am Klinikum in Altöt-
                                                                    ting finden sich die modernsten Geräte für Diagnostik und Therapie von Lungenkrankheiten.
                                                                    Die moderne Bettenstation, incl. Intensiv und IMC, ist für alle Belange lungenkranker Patienten
                                                                    bestens ausgestattet, u.a. mit High-flow Sauerstoffgeräten, NIV, Wandverneblern an jedem Bett,
                                                                    Vibrationswesten sowie einer eigenen Physiotherapeutin. Besondere Erfahrungen bestehen in
                                                                    der Therapie von Patienten mit Langzeit-Sauerstofftherapie (LOT).

                                                                    Ein erfahrenes Team aus Krankenschwestern/-pflegern und Ärzten sorgt für überdurchschnitt-
                                                                    liche medizinische Qualität und die intensive Zusammenarbeit mit Onkologen,
                                                                    Thoraxchirurgen, Radiologen, Strahlentherapeuten und Kardiologen sichert
                                                                    die fachübergreifende qualifizierte Behandlung.

                                                                                                                                               ucht.
                                                                                                                                            r a
                                                                                                                                 be n uns b
                                                                                                                               Le
                                                                                                                nn i m mer das
                                                                                                             Wa
                                                                                                                                                            www.diekreiskliniken.de
                                                                                                     Kreisklinik Altötting · Vinzenz-von-Paul-Straße 10 · 84503 Altötting · +49 (0) 86 71 / 509-0
                                                                                                    Kreisklinik Burghausen · Krankenhausstraße 1 · 84489 Burghausen · +49 (0) 86 77 / 880-0
L O T PAT I E N T E N K O N G R E S S I N A LT Ö T T I N G

Nicht medikamentöse Therapien
des Lungenemphysems
Vortrag von Prof. Rainer Willy Hauck

Lungenverkleinernde Maßnahmen                 dern, die sich nach der Dehnung auch         Abb. 2: Chirurgische
Aus der eigenen Erfahrung heraus wissen       wieder selbständig zusammenziehen            Lungenvolumenreduktion
viele, von einem Lungenemphysem be-           (Abb. 1). Werden die Federn allerdings
                                              ­
troffene Patienten, dass es sich bei dieser   überdehnt können die Rückstellkräfte
Erkrankung um eine Überblähung der            nicht mehr richtig wirken und die Federn
Lunge handelt. Die Überblähung wirkt          bleiben im Ruhezustand überdehnt. Ver-
sich schlecht auf die Lungenfunktion aus      gleichbar führt beim Lungenemphysem
und führt zu erheblicher Luftnot, oftmals     der Verlust an elastischen ­ Fasern dazu,
nur unter Belastung aber auch teilweise       dass sich die Lunge nach der Einatmung
bereits in Ruhe.                              nicht mehr ausreichend entlüftet und sie
   Bildhaft darf man sich die Lunge wie       somit überbläht wird. So arbeitet die Lun-
einen Blasebalg vorstellen, bei dessen        ge als Atempumpe und funktioniert ähn-
Öffnung ein Sog entsteht, welcher der
­                                             lich wie eine Spiralfeder: Bei der Einat-
Einatmung entspricht und bei dessen           mung dehnt sich die Lunge, bei der Ausat-
Schließbewegung die Luft wieder heraus-       mung, zieht sie sich zusammen. So geht
gedrückt wird, entsprechend der Ausat-        das immer wieder: Einatmung = Deh-
mung. Im Unterschied zum Blasebalg            nung, Ausatmung = Verkleinerung der
wird bei einer gesunden Lunge die             Lunge.
Schließbewegung nicht durch Muskel-               Mit der Lungenvolumenreduktion soll
kraft bewirkt sondern durch elastische        vor allem die Atemmechanik und der           Wie sieht nun diese Funktion bei
Lungenfasern. D.h. diese bei der Ein­         Wirkungsgrad der Atempumpe verbessert        ­einem Lungenemphysem aus?
atmung gedehnten Fasern ziehen sich           werden. So zeigen sich bei der endoskopi-    Beim Lungenemphysem verbleiben die
bei der Ausatmung wieder zusammen und         schen Lungenvolumenreduktion positive        elastischen Fasern in der Lunge nach der
drücken so die Luft wieder aus der            Effekte auf die Lungenfunktion, die kör-     Ausatmung überdehnt. Das bedeutet für
Lunge hinaus. Diese elastischen Lungen-       perliche Belastbarkeit und die Lebensqua-    den an einen derart erkrankten Men-
fasern vergleicht man gerne mit Spiralfe-     lität.                                       schen, dass er die Luft nicht ausreichend
                                                                                           ausatmen kann, d. h. die Lunge bleibt
                                                                                           nach der Ausatmung mit zu viel Restluft
Abb. 1: Wo liegt das Problem beim Emphysem?                                                gefüllt zurück. Dieses zurückbleibende
                                                                                           Volumen wird Residualvolumen (bei der
                                                                                           Lungenfunktion auch als „RV“ ausge-
                                                                                           drückt) genannt. Entsprechend bleibt für
                                                                                           die Einatmung nur noch wenig Platz für
                                                                                           einen weiteren Atemhub. Dieser reicht
                                                                                           aber für Belastungen oder, in schweren
                                                                                           Fällen, bereits für die Ruheatmung nicht
                                                                                           aus und so entsteht Luftnot.

                                                                                           Was kann man dagegen tun?
                                                                                           Bereits in den 1960er-Jahren haben Chi­
                                                                                           rurgen damit begonnen, überblähtes Lun-
                                                                                           gengewebe in den Oberlappen der Lunge
                                                                                           zu beseitigen. Dies verschafft dem gesun-
                                                                                           den Lungengewebe Platz, damit es sich
                                                                                           bei der Einatmung wieder ausreichend
                                                                                           ausdehnen kann (Abb. 2). Damit gelingt
                                                                                           es, das Zwerchfell von einer flachen zu
                                                                                           ­einer kuppelförmigen Form zu verhelfen,
                                                                                            was eine Verbesserung der Pumpfunktion
                                                                                            bewirkt. Trotz dieser sichtbaren Verbesse-

14                                                                                                                         O2-Report
L O T PAT I E N T E N K O N G R E S S I N A LT Ö T T I N G

rung durch die chirurgische Lungenvolu-      2.	Wasserdampfbehandlung (Thermoab-         Einbringung von Wasserdampf in das
menreduktionen war der Benefit für viele         lation) mittels Bronchoskop              überblähte Lungenparenchym eine in-
Patienten nicht wirklich von Dauer. Auch     3.	Einbringung von Polymerschaum            flammatorische Reaktion (Entzündung)
die 90-Tage-Sterblichkeitsrate nach die-         durch das Bronchoskop                    ausgelöst. Die lokale Entzündungsreak­
sem schweren chirurgischen Eingriff war      4.	Einbringung von Coils (Nitinolspira-     tion führt nach circa 8–12 Wochen zur
recht hoch, so dass in der Folge immer           len)                                     Fibrose und Narbenbildung und somit
weniger Thoraxchirurgen und Pneumolo-                                                     zur erwünschten Lungenvolumenreduk­
gen diese Form der Lungenvolumenre-          Die bronchoskopische Dampf­                  tion. Nachteile dieser Methode ist zum
duktion empfohlen haben.                     behandlung (Thermoablation)                  einen die zum Teil erheblichen Entzün-
    So stellte man im Laufe der Zeit in      Bei der bronchoskopischen Dampfbe-           dungsreaktionen nach der Behandlung
Fachkreisen die Frage, ob sich eine Lun-     handlung (Thermoablation) wird durch         und dass diese Behandlung nicht reversi-
genvolumenreduktion nicht
auch bronchoskopisch durch-
führen ließe, was einen viel
kleineren Eingriff mit einem
deutlich geringeren Risiko be-
deuten würde. Dabei wollte
man das Vorgehen so wählen,
dass man nichts mehr von der
Lunge wegschneidet, sondern
die überblähten Bereiche der
Lunge einfach „stilllegt“, bzw.
verschließt.
    In ersten Versuchen wur-
den an Tiermodellen broncho-
skopisch in den Oberlappen
der Lunge sog. „Stopfen“ ein-
gebaut. Das hatte zur Folge,
dass diese Bereiche der Luft-
zirkulation nicht mehr zu-
gänglich waren. Sie wurden
dadurch atelektatisch, also
                                                                                                                      OLWlW
luftleer, ähnlich einem Luft-
                                                                                                   LF K  Q H WH4 X D
                                                                                                 H                         
ballon, bei dem die Luft her-                                                         $XVJH] HQSUHLV²GLH 
                                                                                                  LW ]                       HQ
                                                                                      ]X P   6 S                QW U D U
                                                                                                                       W R
ausgelassen wurde. Es ent-
                                                                                            H U V W R I INRQ]H         G  * 
                                                                                       6DX                     X  Q
stand ein freier Raum, in den
                                                                                           R J H Q  Š2QH*
                                                                                        ,Q
hinein sich die verbleibenden
Lungenabschnitte ausdehnen
konnten.

                                         (LQHIULVFKH%ULVHIUXQVHU
    In der Folge wurden welt-
weit Forschungen betrieben,
wie sich die gewonnene Er-

                                         3URGXNWSRUWIROLR
kenntnis der Therapie auf den
Menschen übertragen lässt. Es
haben sich vier Verfahren her-
auskristallisiert, die sich im
Ergebnis effektiv, aber ohne             1HX'HU6DXHUVWRIINRQ]HQWUDWRU,QRJHQŠ2QH*
chirurgischen Eingriff, reali-
sieren lassen und mit denen
die Lungenvolumenreduktion               (OHPHQWDULVWGHU:HEVKRSYRQ/LQGH+HDOWKFDUHIU,KUHQ+RPHFDUH
erreicht werden soll. Im We-             %HGDUI+LHUILQGHQ6LHHLQHJUR‰H$XVZDKOKRFKZHUWLJHUXQGUH]HSW
sentlichen unterscheidet man             IUHLHU3URGXNWHDXVGHQ%HUHLFKHQ6DXHUVWRII6FKODI+DXVKDOWXQG
blockierende, reversible Ver-            :RKQHQVRZLHSUDNWLVFKHV=XEHK|U
fahren mittels Ventilen von
nicht blockierenden, irreversi-
blen Verfahren:
                                         /LQGH/LYLQJKHDOWKFDUH
1.	Einbringung von Ventilen
    mittels Bronchoskop
                                         /LQGH*DV7KHUDSHXWLFV*PE+
                                         /LQGH+HDOWKFDUH0LWWHQKHLPHU6WUD‰H2EHUVFKOHL‰KHLP
                                         7HOHIRQ)D[ZZZOLQGHKHDOWKFDUHGH
2. Halbjahr 2016
L O T PAT I E N T E N K O N G R E S S I N A LT Ö T T I N G

bel ist, d.h. man kann die Veränderungen     Abb. 3: Versorgung mit Ventilen
nicht mehr rückgängig machen. Zum an-
deren sind schwerere Pneumonien und
auch Hämoptysen (Lungenblutung) be-
schrieben.

Der bronchoskopische Schaum­
verschluss
Bei dieser Art der Lungenvolumenreduk-
tion (auch: PLVR) wird ein Schaum (Poly-
mer) über das Bronchoskop in das am
meisten geschädigte Lungenareal einge-
spritzt.
   Der Schaum haftet an der inneren
Oberfläche der Lunge und führt zu einer
lokalen Entzündung, die den Effekt einer
Schrumpfung dieses Gewebeareals be-
wirkt. Das Verfahren hat sich nicht durch-
gesetzt und steht aktuell nicht mehr zur
Verfügung.

Die endoskopische Ventil­                    schließenden Stelle vorgeschoben. Die so    durch eine Reihe von Untersuchungen
implantation                                 eingesetzten Ventile verhindern den Luft-   festzustellen. So muss mittels CT-Untersu-
Bei diesem Verfahren werden Einwegven-       einstrom in die verschlossenen Bereiche     chungen der Typ des Emphysems ermittelt
tile in den am stärksten von der Über­       während der Einatmung, ermöglichen je-      werden. In der Regel werden nur Patien-
blähung betroffenen Lungenlappen im-         doch das Entweichen der Luft während        ten mit oberlappenbetonten, heterogenen
plantiert. Meistens wird hierfür der Ober-   der Ausatmung (Abb. 3). Dadurch entlüf-     Emphysemen ausgewählt. Daneben gibt
lappen der Lunge ausgewählt. Das Ein-        tet sich im positiven Fall der behandelte   es eine Reihe von weiteren Kriterien. Ein
bringen der Ventile erfolgt mittels eines    Lungenlappen. Der maximale Effekt ist       solches ist die Prüfung der Vollständigkeit
Kathetersystems über ein flexibles Bron-     bei vollständiger Entlüftung des Lungen-    der Lappenspalten (Fissuren). Sind diese
choskop. Über den Katheter werden die        lappens erreicht. Die Eignung eines Pati-   unterbrochen eignen sich die Patienten für
klein gefalteten Ventile an die zu ver-      enten für eine LVR mittels Ventilen ist     dieses Verfahren sehr wahrscheinlich

Abb. 4: Coil-Entfaltung

16                                                                                                                       O2-Report
Abb. 5: Coil-Implantation

                                       nicht, da dann Luftver-
                                       bindungen zwischen den
                                       Lungenlappenbestehen
                                      können, welche die Wir-
                                     kung der Ventile beeinträch-
                                  tigen bzw. zunichte machen
                              können. Es wurde deshalb ein
                       Messsystem entwickelt, mit dem vor dem
Einsatz der Ventile geprüft werden muss, ob sich der ausgewähl-
te Lungenabschnitt für die Ventilbehandlung eignet.
     Die Implantation von Ventilen ist das einzige reversible
­(rückgängig zu machende) Verfahren. Es ist eine effektive The­
 rapie bei Patienten mit einem fortgeschrittenen, heterogenen
 Lungenemphysem und geringer bzw. fehlender Kollateralven­
 tilation.

LVR mittels Coils (engl. = aufgewickeltes Metallband
oder Metalldraht; Spirale)
Die Implantation von Coils (LVRC, „lung volume reduction
coil“) ist ein nichtblockierendes, irreversibles Verfahren. Coils
sind spiralförmig geformte Drähte aus Nitinol, einer inerten,
korrosionsbeständigen Legierung, bestehend aus Nickel und
Titan. Die Coil-Implantation erfolgt mittels eines speziellen
­
­Kathetersystems, über welches die Coils in einem gestreckten
 Zustand unter radiologischer Kontrolle in einzelne Segmente des
 Lungenoberlappens eingeführt werden. Beim Zurückziehen des
 Katheters wird der Coil freigesetzt, der dann seine ursprüngliche
 spiralförmige Gestalt annimmt (Abb. 4).
    Bis zu zehn Coils werden in einen emphysematisch veränder-
 ten Lungenlappen eingebracht, die durch irreguläre Verdrehung
 der anatomischen Struktur (Torquierung) der Bronchien zur
 Lungenvolumenreduktion führen (Abb. 5).
    Unerheblich ist beim Einsatz von Coils, anders als beim Ein-
 satz von Ventilen, ob eine Kollateralventilation vorliegt. Die
 Wirkung beruht beim Einsatz von Coils auf der Stärkung der
 Dehnungs- und Zugkräfte bei Ein- und Ausatmung.
L O T PAT I E N T E N K O N G R E S S I N A LT Ö T T I N G

      Das Einsetzen der Coils erfolgt vor-    Abb. 6: Coil-Einsatzbereiche
zugsweise in die Oberlappen. Beide Ober-
lappen werden in einem Abstand von 6-8                 Coils sind geeignet
Wochen versorgt. Pro Lungenoberlappen
                                                       • z ur Behandlung von Ober- & Unterlappen
werden im Mittel 10 Coils eingesetzt. Vo-
raussetzungen für eine erfolgreiche Coil-              • f ür beiden Emphysemtypen (gleichmäßige / ungleichmäßige)
Implantation sind nur gering ausgeprägte               •b  ei Umgehungsbelüftung
bullöse Emphysemblasen (Hohlräume)                     •b  ei nicht intakten Lappenspalten
sowie ein hohes Residualvolumen. Bei
Patienten mit einem Lungenhochdruck
­
(>50 mmHg) sowie mit ausgeprägrten
Bronchiektasen oder blutverdünnender          Abb. 7: Ausschlusskriterien für Coils
Therapie verbietet sich der Einsatz von
Coils (Abb. 6, Abb. 7).
      Im Juni dieses Jahres wurde die soge-            Coils sind nicht geeignet
nannte RENEW-Studie zur Behandlung                     • bei großen Lungenhohlräumen
des fortgeschrittenen Lungenemphysems                  •b  ei Notwendigkeit dauerhafter Blutverdünnung
mit Coils veröffentlicht in die 315 Patien-
                                                       •b  ei bedeutsamen Erweiterungen der Bronchien
ten mit einem Lungenemphysem einge-
schlossen wurden.                                      •b  ei schwerem Lungenhochdruck (PAP > 50 mmHg)
      Die Patienten der Behandlungsgruppe              •b  ei aktueller Infektion
wurden neben ihrer üblichen COPD The-                  •b  ei fortgesetztem Nikotingebrauch
rapie zusätzlich mit Coils behandelt, die
                                                       • wenn keine Reha innerhalb der letzten 24 Monate
Kontrollgruppe erhielt nur die übliche
medikamentöse Therapie. Alle hatten sich               •b  ei TLC < 225 %
in den letzten 6 Monaten einer Reha
unterzogen. Es wurden für die Studie
­
klassische Zielpunkte gesetzt, die sich
nicht nur darauf beschränkt, ob der           von der Behandlung profitierten, als die    pischer Lungenvolumenreduktion eine
­Patient damit weiter laufen kann, sondern    Patienten mit einem eher gleichmäßig ver-   Verbesserung ihrer Lebensqualität zu
 ob er durch die Behandlung auch an           teilten, homogenen Emphysem.                erzielen. Dabei ist es wichtig, für den
                                                                                          ­
 ­Lebensqualität gewinnt.                         Komplikationen i.S. von Infektionen     ­Patienten das geeignete Verfahren auszu-
      Primärer Endpunkt der Studie war die    (+14,3 %), Exazerbationen (+10,7 %),         wählen. Vorbereitend müssen dem Patien-
  Verbesserung in der 6-Minuten-Gehstre-      Hämoptysen (+3,9 %) und Pneumotho-           ten die zu erwartenden Verbesserungen
  cke (6MWD) nach 12 Monaten. Dieser          rax (+9,1 %) waren gehäuft bei Patienten     dargestellt werden. Nicht selten sind die
  Endpunkt wurde signifikant mit einem        der Behandlungsgruppe zu behandeln. Ei-      Hoffnungen an diese Verfahren zu hoch
  Zuwachs von 14,6 m erreicht. Sekundäre      ne vermehrte Anzahl von Todesfällen, als     gesteckt. Trotzdem können in vielen Fäl-
  Endpunkte waren Lungenfunktionsver-         schwerste Komplikation, trat nicht auf.      len diese neuen Verfahren die bisherigen
  besserungen und Änderungen in der Le-                                                    Behandlungsoptionen wirkungsvoll er-
  bensqualität (St. George's Respiratory      Fazit:                                       gänzen.                                •
  Questionnaire (SGRQ). Der SGRQ ver-         Mit den beschriebenen Methoden ist es
  ringerte sich im Vergleich zur Kontroll-    bei geeigneten Patienten möglich, nach               Abschrift nach Tonaufzeichnung
  gruppe um 8,9 Punkte, was eine sehr         Ausschöpfung aller medikamentösen und                  beim Patientenkongress 2016
  deutliche Verbesserung ausdrückt. Eben-     rehabilitativen Maßnahmen sowie Le-             in Altötting durch Franz-Josef Kölzer,
  falls signifikant hatten sich die Lungen-   bensstiloptimierung, mittels bronchosko-              Beisitzer für Gesundheitspolitik
  funktionswerte FEV1 (+7 %) und Verrin-                                                                    im Vorstand der LOT e.V.
  gerung des Residualvolumens (–0,3 L)
  gebessert. Inwiefern diese Änderungen ei-
                                                           Autor:
  ne große Relevanz haben ist umstritten.
                                                           Prof. Rainer Willy Hauck
  Auffällig war, dass besonders die Patien-
                                                           Klinik für Pneumologie
  ten von der Behandlung profitierten, bei
                                                           und Beatmungsmedizin,
  denen das Lungenemphysem besonders
                                                           Klinikum Altötting,
  ausgeprägt war und deren Residualvo­
  ­
                                                           Vinzenz-von-Paul-Str. 10
  lumen deutlich über 200 % vom Normal-
                                                           84503 Altötting
  wert abwichen.
      Auch hat man festgestellt, dass die
  Patienten mit einem ungleichmäßig ver-
  ­
  teilten, heterogenen Emphysem deutlicher

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