OST - Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

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OST - Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft
OST                                         Informationen

EUROPA
In Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsmagazin OstContact | 11/12 - 2018

Special Ukraine/Belarus: Fünf Jahre nach dem Euro-Maidan

Russland                     Westbalkan                      Seidenstraße
Delegation                   Zeitsprung ins                  Die Strategie
im Kreml                     Jahr 2030                       der EU
OST - Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft
Armenien | Belarus | Deutschland | Kasachstan | Polen | Russland | Ukraine | Usbekistan

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OST - Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft
Editorial/ Inhalt

Liebe Leserinnen und Leser,                                                               Special
                                                                                          Ukraine/Belarus

Im Dezember 2013 begann mit Protesten auf dem Platz der Unabhängigkeit in Kiew            Ukraine: Spannendes Land trotz         9
                                                                                          schwieriger Situation
eine Volksbewegung, die die Weichen für die heutige Westorientierung der Ukraine
gestellt hat. Fünf Jahre nach den schicksalhaften Ereignissen, die als „Euro-Maidan“ in   Analyse: Reformprozess im Überblick   10
die europäische Geschichte eingegangen sind, veranstalten der Deutsche Industrie- und
Handelskammertag, der Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft            Reformen: Vorschläge zur Verbesserung 11
(OAOEV) und die Deutsch-Ukrainische Industrie- und Handelskammer am 29. Novem-            des ukrainischen Investitionsklimas
ber das III. Deutsch-Ukrainische Wirtschaftsforum in Berlin. In Anwesenheit von Bun-
                                                                                          Ostukraine: Delegation vor Ort        12
deskanzlerin Angela Merkel, des ukrainischen Premierministers Volodymyr Hrojsman
und vieler Minister geht es darum, eine Bilanz des wirtschaftlichen Reformprozesses in    Analyse: Belarus im Fokus             13
der Ukraine zu ziehen und besonders dynamische Wirtschaftsbranchen zu betrachten.
                                                                                          Belarustage: „Meilenstein“ zur         14
                                                                                          Wiederbelebung der Wirtschaftskontakte
Die Ukraine ist zusammen mit dem Nachbarland Belarus auch Schwerpunkt dieser Aus-
gabe der Osteuropa-Informationen: Martin Stüttem, neuer Sprecher des Arbeitskreises       Klimawandel: Gemeinsame Aufgabe 15
Ukraine im OAOEV, schaut auf die aktuelle Lage des Landes und berichtet von den
positiven Erfahrungen seines Unternehmens Leoni, das nach einer zweiten Werkseröff-
nung in der Westukraine gerade dabei ist, die Zahl seiner ukrainischen Mitarbeiter auf

                                                                                                                                      Foto: Andreas Metz
über 11.000 zu steigern (Seite 9). Mit welchen konkreten Maßnahmen die Wirtschaft in
der Ukraine noch erfolgreicher sein könnte, beschreibt Robert Kirchner von der Deut-
schen Beratergruppe Ukraine in seiner Analyse auf Seite 11. Und wie stark auch das
benachbarte Belarus als Wirtschaftsstandort von deutschen Unternehmen immer noch
unterschätzt wird, können Sie im Beitrag des Vorstandsvorsitzenden des Deutsch-Bela-
russischen Wirtschaftsclubs Hovsep Voskanyan auf Seite 13 nachlesen.
                                                                                          Editorial/Inhalt                       3
Ein Interview mit dem OAOEV-Vorsitzenden Wolfgang Büchele zur Rolle der Eurasi-
schen Wirtschaftsunion (Seite 8) sowie Berichte über die wichtigsten Aktivitäten des      Mitglieder-News                        4
Ost-Ausschuss – Osteuropavereins in den vergangenen Wochen runden diese Ausgabe
                                                                                          Länder-News                            5
ab. Dazu zählten die große Westbalkan-Konferenz in Belgrad (Seite 18-19) und span-
nende Besuche von OAOEV-Delegationen bei Präsident Wladimir Putin im Kreml (Sei-          Russland: Jahrestreffen mit Putin      6
te 6), in der Ost-Ukraine (Seite 12) und im Kosovo (Seite 20).
                                                                                          Russland: Altmaier kämpft für          7
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre!                                                die deutsch-russischen Beziehungen

                                                                                          Interview: Wolfgang Büchele zur 8
Ihre Redaktion                                                                            Eurasischen Wirtschaftsunion

                                                                                          Konferenz: Georgien als Tor nach Asien 16

                                                                                          Konferenz: Brückenbauen               17
                                                                                          in Hamburg

                                                                                          Westbalkan: Zeitsprung ins Jahr 2030 18

                                                                                          Kosovo: Militärgelände in Prizren wird 20
                                                                                          Deutsch-Kosovarischer Innovationspark

                                                                                          Zentralasien: Healthcare Symposium 21

                                                                                          Kasachstan: „Effizienzbrücke          22
                                                                                          zwischen Asien und Europa“

                                                                                          OAOEV in Kürze                        23

                                                                                          Vorstellung neuer Mitglieder          24

                                                                                          Termine/Kooperationen                 25

                                                                                          Publikationen                         26

                                                                                          Titelfoto: Lemberg, Westukraine
                                                                                          Quelle: iStock © tunart
                                                                                                                                 3
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News

MITGLIEDERNEWS

BASF

Der deutsche Chemiekonzern BASF und
LetterOne haben eine Vereinbarung über die
verbindliche Fusion ihrer jeweiligen Öl-
und Gasgeschäfte unterzeichnet. Demnach
werden Wintershall und DEA Deutsche Erd-
öl AG zu dem gemeinsamen Unternehmen
Wintershall DEA. Wintershall hatte seine
Produktion in den letzten elf Jahren um 50
Prozent gesteigert. Ende Oktober eröffnete
BASF zudem eine neue Fabrik in der südrus-
sischen Stadt Krasnodar. An diesem neuen
Standort sollen in Zukunft mehr als 20 Be-
ton-Additive für den südrussischen Markt
hergestellt werfen.
                                                REMONDIS

Daimler AG                                      Die Republik Belarus will mit deutschem Know-how den Umweltschutz im Land vor-
                                                anbringen und stärker auf eine Wiederverwertung von Abfällen setzen. Dazu wurde
Die bereits seit Juni 2018 im Bau befindli-     jetzt zwischen der Stadt Soligorsk und dem Lüner Unternehmen REMONDIS eine
che Motorenfabrik in der polnischen Stadt       Vereinbarung zum Aufbau eines ganzheitlichen Entsorgungssystems unterzeichnet.
Jawor wird durch eine neue Investition der      Vorgesehen ist die Gründung eines belarussisch-deutschen Joint Ventures, das die
Daimler AG um rund 60 Prozent der aktuell       komplette Entsorgung für die Bergbaustadt Soligorsk und deren Kreisbezirke über-
zur Verfügung stehenden Fläche erweitert.       nehmen soll, insgesamt betrifft dies 120.000 Einwohner. Neben Logistikoptimierung
Eine Gesamtfläche von 15.000 Quadratme-         und Infrastrukturverbesserungen bei Containern und Fahrzeugen geht es insbesonde-
tern ist geplant. Der Ausbau wird von der       re um die Modernisierung der gegenwärtigen Sortieranlage sowie die Eröffnung
Daimler Real Estate in Zusammenarbeit mit       einer neuen Behandlungsanlage für Sperrmüll, Grün- und Bauabfälle. Unterzeichnet
der Mercedes-Benz Polska durchgeführt. Im       wurde der Vertrag von Hendrik Vonnegut, Geschäftsführer der REMONDIS Internati-
Januar 2019 sollen die Bauarbeiten abge-        onal GmbH (im Bild links), und dem Soligorsker Bürgermeister Oleg Poskrobko.
schlossen sein.

Hamburger Hafen                                 Siemens
                                                                                             Neue Mitglieder im OAOEV
Der Hamburger Hafen startet eine Koopera-       Der Münchner Konzern hat mit den Ver-
tion mit der Litauischen Eisenbahn und          kehrsbetrieben der tschechischen Haupt-      Auf der Präsidiumssitzung am 14.
dem Transportunternehmen Metrans. Die           stadt (DPP) einen Vertrag über die Mo-       November 2018 in Hamburg
langfristige Strategie der Vereinbarung sieht   dernisierung der ältesten Linie der          wurden folgende sechs Mitglieds-
bis 2030 eine Steigerung der Umschlagsmen-      Prager Metro mit einer 15-jährigen           unternehmen neu in den OAOEV
ge um 30 Prozent von 53 auf 70 Millionen        Laufzeit unterzeichnet. Das Volumen des      aufgenommen:
Tonnen transportierte Fracht pro Jahr vor.      Projektes beläuft sich auf 290 Millionen
                                                Euro. Insgesamt sollen unter anderem 53      • Carl Kühne KG (GmbH & Co.)
                                                U-Bahn-Garnituren und 530 Fahrgestell-       • FSUU Russian Post
Lidl                                            rahmen modernisiert werden.
                                                                                             • Globus Holding GmbH
                                                                                               & Co. KG
Der deutsche Discounter Lidl hat Mitte Ok-
tober in einem Vorort von Riga mit dem Bau                                                   • Franken Plastik GmbH
eines 47.000 Quadratmeter großen Logis-         Falls Sie Ihre Meldungen auch gerne in       • OSRAM Opto Semiconductors
                                                                                                                                    Foto: REMONDIS

tikzentrums begonnen. Das insgesamt 57,5        den OEI veröffentlichen möchten, sen-          GmbH
Millionen Euro teure Projekt soll voraus-       den Sie uns eine Mail an:                    • Pfeifer & Langen GmbH
sichtlich 2020 abgeschlossen sein.              C.Himmighoffen@bdi.eu                          & Co. KG

4 osteuropa informationen 11/12-2018
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News

LÄNDERNEWS

Kirgisistan                                     Polen                                             bereits bestehenden drei SWZ eine weitere
                                                                                                  hinzukommen. Die Regierung erhofft sich
Damit die Waren leichter in die Märkte der      Die polnische Regierung hat die Erhöhung          dadurch mehr ausländische Investoren.
Unionsstaaten der Eurasischen Wirtschafts-      des Mindestlohns für Vollzeitbeschäftigung
union (EAWU) gelangen können, planen            beschlossen. Das Gesetz soll ab 2019 gelten
Kirgisistan und Russland mehrere Logis-         und sieht eine Erhöhung von 7,1 Prozent im        Turkmenistan
tikzentren in Kirgisistan zu errichten. In      Vergleich zum Vorjahr vor. Somit soll der
den Zentren sollen die Produkte gesammelt,      Stundenlohn 14,70 Zloty pro Stunde betragen.      Bei einem Arbeitsbesuch haben sich die
erfasst und nach den Standards der EAWU                                                           turkmenische Delegation und die EU
ausgewählt werden.                              Ab dem 1. Januar 2019 wird in Polen die           darauf verständigt die Zusammenarbeit
                                                neue Reichensteuer in Kraft treten. Das Ge-       im Energiesektor auszuweiten: Geplant ist
                                                setz sieht eine höhere Besteuerung von Best-      jetzt gemeinsam mit der EU eine 300 Kilo-
                                                verdienern vor. Die Reichensteuer beträgt         meter lange Gasleitung unter dem Kaspi-
                                                dabei vier Prozent auf alle Einkünfte über        schen Meer von Turkmenistan nach Aser-
                                                eine Million Zloty pro Jahr nach allen Abzü-      baidschan. Das Vorhaben sei optimal für die
                                                gen für Sozialabgaben. Gleichzeitig wurde         Lieferung turkmenischer Kohlenwasser-
                                                ein Fonds zur Unterstützung von Menschen          stoffe nach Europa.
                                                mit Behinderung geschaffen, der teils durch
                                                die neue Reichensteuer finanziert wird.

                                                                                                  In den ersten acht Monaten 2018 legte
Die Flaggen der fünf Mitgliedsländer der EAWU   Russland                                          der Handelsumsatz mit den 29 OAOEV-
im Hauptquartier der Eurasischen Wirtschafts-                                                     Ländern insgesamt um 7,3 Prozent auf
kommission in Moskau.                           Nachdem im Juli 2018 das seit 2016 beste-         300 Milliarden Euro zu. Die Exporte er-
                                                hende Moratorium zur Gründung neuer               reichten ein Plus von 6,3 Prozent, wäh-
                                                Sonderwirtschaftszonen (SWZ) aufgeho-             rend die Importe – angetrieben auch
                                                ben wurde, möchte Russland weitere Förd-          durch steigende Rohstoffpreise – um 8,4
Litauen                                         ergebiete etablieren. In Moskau soll zu den       Prozent zulegen konnten.

Das Transportministerium in Vilnius hat
eine neue Autobahngebühr eingeführt.
Demnach soll die Maut für Lkw und Bus-
se nur noch elektronisch entrichtet werden.
Auf der elektronischen Vignette werden
Daten gespeichert wie das Kaufdatum, die
Gültigkeitsdauer, die Fahrzeugkategorie
und das Kfz-Kennzeichen.

Ungarn

Am internationalen Flughafen Ferenc Liszt
soll das neue Frachtzentrum Cargo City
entstehen. Das Investitionsvolumen beträgt
32,6 Millionen Euro und ist Teil des Flug-
hafen-Entwicklungsprogramms BUD mit
einem Volumen von 160 Millionen Euro.
                                                                                                                                                    Fotos: Andreas Metz

Bis September 2019 entstehen in der ersten
Bauphase eine 20.000 Quadratmeter gro-
ße Lagerhalle mit Büroflächen sowie eine
32.000 Quadratmeter große Stellfläche für           Bauboom in Moskau-City. Mit neuen Sonderwirtschaftszonen will Russland weitere Investoren
zwei Boeing 747-Frachter.                           anlocken.

                                                                                                                                                5
OST - Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft
OAOEV intern > Russland

Jahrestreffen mit Putin im Kreml
Am 1. November traf eine Delegation des Ost-Ausschuss – Osteuropavereins den russischen
Präsidenten Wladimir Putin, um über deutsch-russische Wirtschaftsprojekte zu sprechen. Nach
Sotchi im vergangenen Jahr fand das Treffen diesmal im Moskauer Kreml statt.

                                                                                                   zung. Die deutschen Unternehmensvertreter
                                                                                                   betonten ihre Bereitschaft, die Entwicklung
                                                                                                   eines konkurrenzfähigen und innovativen
                                                                                                   russischen Mittelstands tatkräftig zu unter-
                                                                                                   stützen.

                                                                                                   Angesprochen wurde ebenfalls die Lokalisie-
                                                                                                   rungspolitik der russischen Regierung. Hier
                                                                                                   regten die deutschen Firmen einen pragmati-
                                                                                                   scheren und marktorientierten Ansatz an, de-
                                                                                                   ren Details mit dem Industrie- und dem Ge-
                                                                                                   sundheitsministerium      weiter   diskutiert
                                                                                                   werden sollen. Besondere Aufmerksamkeit
                                                                                                   galt der Lokalisierung von Medizinprodukten
 Das traditionelle Jahrestreffen des OAOEV mit Präsident Putin fand diesmal
 im Moskauer Kreml statt.                                                                          und der Neugestaltung des Sonderinvestiti-
                                                                                                   onsvertrags in diesem Bereich.

Die Unternehmerdelegation, die vom Vor-            lich zu. Russland, das sich zuletzt im Doing    Wolfgang Büchele sprach in seinem Beitrag
sitzenden des OAOEV Wolfgang Büchele               Business Report der Weltbank deutlich ver-      auch die Sorgen in den bilateralen Wirt-
geleitet wurde, bestand aus rund 20 hoch-          bessert hat, will weitere Reformen durchfüh-    schaftsbeziehungen an. Trotz des wieder stei-
rangigen Vertretern deutscher Investoren in        ren. Dies betreffe die Reduzierung administ-    genden Handels zwischen Deutschland und
Russland. Vertreten waren die Bereiche Au-         rativer Barrieren, die Verbesserung der         Russland werde der Ausblick durch mögliche
tomobilindustrie, Chemie, Elektrotechnik,          Infrastruktur sowie die staatliche Unterstüt-   neue US-Sanktionen enorm belastet. Da-
Medizin, Industriedienstleistungen sowie           zung für Investitionen. Ziel sei es, die Ar-    durch gerieten auch wichtige Großprojekte
Engineering, Baustoffe, Energie, Gesund-           beitsproduktivität in Russland um 20 Prozent    wie Nord Stream 2 unter Druck, die für die
heitswirtschaft, Handel und Landwirtschaft.        bis 2024 zu steigern. Hier sei die deutsche     deutsche Wirtschaft nicht zuletzt auch vor
Auf russischer Seite nahmen neben Putin            Wirtschaft der präferierte Partner. Die deut-   dem Hintergrund des Ausstiegs aus der
die Minister für wirtschaftliche Entwick-          schen Unternehmen unterstrichen, dass sie       Atomkraft und der Reduzierung der Braun-
lung, Industrie und Handel, Energie und            im Rahmen einer „Effizienzpartnerschaft“        kohleverstromung hohe Priorität haben. Bü-
Transport teil. Weiterhin waren der Leiter         bei der Steigerung der Arbeitsproduktivität     chele unterstich die Notwendigkeit eines wei-
der Antimonopolbehörde sowie die Vor-              zur Verfügung stünden.                          teren Erdgastransits auch durch die Ukraine
standsvorsitzenden von Rosneft, Gazprom                                                            und warb um einen größeren russischen Bei-
und des Russian Direct Investment Funds            Effizienzinitiative zur Steigerung              trag zur Lösung der bestehenden internatio-
anwesend.                                          der Arbeitsproduktivität                        nalen Krisen: „Der deutschen und russischen
                                                                                                   Wirtschaft würde es deutlich besser gehen,
In dem zweistündigen Gespräch ging Präsi-          Büchele sprach sich in seiner Begrüßungsre-     wenn sich die politischen Beziehungen signi-
dent Putin sehr aufmerksam und interessiert        de für eine verstärkte Zusammenarbeit zwi-      fikant verbessern würden und wir insgesamt
                                                                                                                                                   Foto: Russische Präsidialadministration

auf die Themen der deutschen Unterneh-             schen der EU und Russland aus, vor allem        einen neuen Entspannungsprozess hätten.“
mensvertreter ein. Die anwesenden Minister         bei gemeinsamen Standards, Zertifizierun-       Dies wäre gut für Russland, für Europa und
waren sehr gut vorbereitet und reagierten          gen und bei Zoll- und Visaerleichterungen.      die Weltwirtschaft insgesamt, so Büchele.
unmittelbar auf die Anliegen der deutschen         Er verwies auf die großen Kooperations-
Firmen. In seiner Einführung sprach der rus-       möglichkeiten bei den Themen Digitalisie-
sische Präsident ein Lob für die deutsche          rung, Gesundheitswirtschaft, Landwirtschaft,    Michael Harms
Wirtschaft als zweitgrößtem Handelspartner         Energieförderung und Energieeffizienz sowie     Vorsitzender der Geschäftsführung des OAOEV
und einer der größten Investoren in Russland       Groß- und Einzelhandel. Dann stellten die
aus. Der bilaterale Handel sowie die gegen-        beteiligten Unternehmen Präsident Putin ihre    Dr. Christiane Schuchart
seitigen Investitionen nehmen wieder deut-         Projektvorhaben vor und baten um Unterstüt-     Regionaldirektorin Russland im OAOEV

6 osteuropa informationen 11/12-2018
OST - Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft
OAOEV intern > Russland

Altmaier kämpft für die
deutsch-russischen Beziehungen
Am 17. Treffen des deutsch-russischen Petersburger Dialogs in Moskau nahm erstmals seit
Beginn der Ukraine-Krise mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier ein hochrangiges Mitglied der
Bundesregierung teil. Der OAOEV war traditionell in der Arbeitsgruppe Wirtschaft aktiv.

                                                                                                     Ausbildung und Umschulung der Fachkräfte
                                                                                                     aufgrund des hohen internationalen Moderni-
                                                                                                     sierungstempos der Wirtschaft. Ralf Holzwart,
                                                                                                     Vorsitzender der Geschäftsführung der Regio-
                                                                                                     naldirektion Bayern der Bundesagentur für
                                                                                                     Arbeit, nannte vor allem zwei Stellschrauben
                                                                                                     zur Lösung des Problems: Die Erschließung
                                                                                                     neuer Bevölkerungsgruppen für den ersten Ar-
                                                                                                     beitsmarkt und die Erhöhung der qualifizier-
                                                                                                     ten Wertschöpfung pro Arbeitskraft.

                                                                                                     Als weiterer Experte von deutscher Seite
                                                                                                     nahm Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsfüh-
                                                                                                     rer der BDA, zu aktuellen Entwicklungen auf
  Peter Altmaier eröffnete von deutscher Seite den Petersburger Dialog in Moskau                     dem deutschen Arbeitsmarkt Stellung. Er be-
                                                                                                     tonte, dass die Digitalisierung der Wirtschaft
                                                                                                     andere Führungsprinzipien und eine neue, fle-
Zu Beginn seiner Keynote im Moskauer Hotel         zentrieren, wie wir Wachstum erzeugen, das        xiblere Arbeitsorganisation erfordere. Die
Ukraina zog Altmaier demonstrativ sein Sakko       den Wohlstand in beiden Volkswirtschaften er-     neue Generation hätte andere Erwartungen,
aus und gab damit gleichzeitig ein Signal an       höht?“ Sein Fernziel bleibe ein gemeinsamer       deshalb müssten Arbeitgeber bereit sein, ande-
die rund 250 Teilnehmer des Treffens, unkon-       Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwos-        re, attraktivere Arbeitsmodelle anzubieten.
ventionell über bestehende Grenzen und Be-         tok, betonte der Wirtschaftsminister.             Die Beraterin des Ministers für wirtschaftliche
grenzungen im deutsch-russischen Verhältnis                                                          Entwicklung Yulia Urozhaeva rechnete vor,
hinauszudenken. „Wir müssen um unsere Be-          Zum Thema Nord Stream 2 kommentierte Alt-         dass die Arbeitsproduktivität in Deutschland
ziehungen kämpfen“, so der Wirtschaftsminis-       maier, dass dieses Projekt „nicht im Gegensatz    doppelt so hoch sei wie in Russland. Sie will
ter. Mit dem Sonderbeauftragten des russi-         zu einer Diversifizierung der Gasversorgung in    deshalb mit dem OAOEV eine „Effizienzpart-
schen Präsidenten für internationale kulturelle    Europa“ stehe. In Zukunft werde es in Europa      nerschaft“ starten.
Zusammenarbeit Michail Schwydkoi, fand             einen enormen Bedarf an Gas geben, dies zei-
Altmaier den passenden Counterpart: Schwyd-        ge auch gerade die deutsche Debatte um den        Im zweiten Teil der Sitzung ging es um das
koi zog den Schlips aus und lobte die Rede des     Braunkohle-Ausstieg. Daher sei es möglich,        Thema der Qualifizierung und Weiterbildung.
deutschen Ministers in den höchsten Tönen.         legitime ukrainische Wünsche nach einer Auf-      Reinhard Göhner, ehemaliger Hauptgeschäfts-
Die deutsch-russischen Beziehungen seien ein       rechterhaltung des Gastransits und das Projekt    führer der BDA, rief die Bundesregierung auf,
Schatz. „Den sollten wir nicht verlieren.“         Nord Stream 2 miteinander zu verbinden.           die Weiterbildungsstrategie mit neuen Ange-
                                                                                                     boten, die vom öffentlichen Bereich kommen,
„Europäischer                                      Arbeitsgruppe Wirtschaft                          zu ergänzen. Alexander Leybowitsch von der
Wohlstandsraum“                                                                                      Nationalen Agentur für Qualifikationsent-
                                                   Auf der Agenda der durch den OAOEV vorbe-         wicklung griff die aus Deutschland bekannte
Wie auch Ronald Pofalla, der deutsche Vorsit-      reiteten Arbeitsgruppe Wirtschaft, einer von      Formel „Fördern und Fordern“ auf. Man kön-
zende des Petersburger Dialogs, vor ihm, be-       zehn Arbeitsgruppen innerhalb des Petersbur-      ne die Probleme nicht nur durch Angebote lö-
nannte Altmaier deutlich die seit der Ukrai-       ger Dialogs, stand in diesem Jahr die Entwick-    sen, die Arbeitnehmer müssten sie entspre-
ne-Krise bestehenden, schweren politischen         lung des Arbeitsmarktes. Nach einem interna-      chend auch wahrnehmen.
Konflikte beider Länder, öffnete danach aber       tionalen Rating befindet sich Russland nur auf
                                                                                                                                                       Foto: Andreas Metz

den Blick in eine bessere Zukunft. Der Minis-      Platz 89 bei der Verfügbarkeit von qualifizier-   Andreas Metz
ter skizzierte die Vision eines „europäischen      ten Arbeitskräften. Der Leiter des Föderalen      Leiter Presse und Kommunikation im OAOEV
Wohlstandsraums“ und appellierte an die russi-     Dienstes für Arbeit und Beschäftigung Wse-
sche Politik, gemeinsam an diesem Ziel zu ar-      wolod Wukolow unterstrich in seinem Beitrag       Raliya Ostendorf
beiten. „Wie wäre es, wenn wir uns darauf kon-     vor rund 50 Teilnehmern den hohen Bedarf an       Sekretariat Regionaldirektion Russland

                                                                                                                                                  7
OST - Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft
OAOEV intern > Interview

„Schritt für Schritt gemeinsam mehr
Wachstum in Europa schaffen“
Im Interview mit dem Magazin „East Contact“ nimmt der OAOEV-Vorsitzende Wolfgang Büchele
Stellung zur Zusammenarbeit der EU mit der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU). Das Inter-
view erscheint mit freundlicher Genehmigung des OWC-Verlags in gekürzter Form.

                                                    de die Wirtschaft dieser Länder von Vereinfa-    europäischen Digitalwirtschaft, genauso wie
                                                    chungen im grenzüberschreitenden Handel          übrigens Belarus, Armenien oder die Ukraine.
                                                    profitieren würde. Gemeinsame Gespräche
                                                    über technische Standards, Zertifizierungen
                                                    und Normen kommen kaum voran. China              Zwischen West- und Osteuropa wird im-
                                                    schafft gleichzeitig mit seiner unglaublichen    mer wieder über einen gemeinsamen Wirt-
                                                    wirtschaftlichen Dynamik Fakten. Im vergan-      schaftsraum von Lissabon bis Wladiwos-
                                                    genen Jahr haben die fünf Mitgliedsländer        tok gesprochen. Halten Sie das für
                                                    der EAWU erstmals mehr mit China gehan-          realistisch? Und: Während wir noch über
                                                    delt, als mit der EU.                            Lissabon-Wladiwostok diskutieren, schafft
                                                                                                     China da nicht längst Fakten?

                                                    Ohne eine Zusammenarbeit mit Russ-               Ein gemeinsamer Wirtschaftsraum im Sinne
                                                    land wird jede weitere Annäherung zwi-           eines großen Binnenmarktes ist aktuell sicher
                                                    schen den beiden Räumen schwer. Wo               unrealistisch. Dennoch ist es gut, an dieser
Wolfgang Büchele                                    gibt es und wo kann es trotz politischer         Vision, die ja auch von der Bundesregierung
Vorsitzender des Ost-Ausschuss – Osteuropavereins   Eiszeit wirtschaftlichen Austausch und           im Koalitionsvertrag genannt wird, festzuhal-
der Deutschen Wirtschaft                            Kooperation geben?                               ten, damit wir unseren Kompass danach aus-
                                                                                                     richten können. Jede Reise besteht aus vielen
                                                    Sieht man sich die wichtigsten gesellschaftli-   kleinen Schritten. Hier finde ich den Vor-
                                                    chen und wirtschaftlichen Trends an, so fällt    schlag von Wirtschaftsminister Peter Altmai-
Herr Büchele, die Eurasische Wirtschafts-           auf, dass wir mehr Gemeinsamkeiten mit           er, als Nahziel gemeinsam an einem „europä-
union ist daran interessiert, mit der EU zu         Russland als Differenzen haben. Bei vielen       ischen Wohlstandsraum“ zu arbeiten, sehr
kooperieren. Warum sollte auch die EU ein           Themen kommen wir nur gemeinsam voran,           bestechend. Darauf müssten sich doch alle
Interesse daran haben, zu kooperieren?              angefangen vom Iran-Atom-Abkommen, der           einigen können, Deutsche und Russen genau-
Worin liegen aus Sicht deutscher Unter-             Bekämpfung des Terrors, bis hin zum Klima-       so, wie Polen, Litauer, Ukrainer oder Bela-
nehmen die wirtschaftlichen Vorzüge?                wandel, der Sicherung der europäischen Roh-      russen. Wenn wir uns wieder darauf konzent-
                                                    stoffversorgung, der Digitalisierung der Wirt-   rieren, Schritt für Schritt gemeinsam mehr
Die fünf EAWU-Länder koordinieren ihre              schaft, der Erschließung der Arktis und des      Wachstum in Europa zu schaffen, anstatt uns
Handelspolitik über die gemeinsame Kom-             Weltraums oder der Erhaltung multilateraler      Knüppel zwischen die Beine zu werfen, ist
mission in Moskau. Für tausende Unterneh-           Institutionen wie der UNO oder der WTO.          schon viel erreicht. Dann kann man sehen,
men aus der EU ist diese Eurasische Wirt-           Leider wird die Beziehung zwischen Russ-         wohin diese Dynamik trägt.
schaftskommission in Moskau längst ein              land und der EU von vielen Akteuren als Null-
wichtiger Ansprechpartner, wenn es um den           summenspiel begriffen: Was wir gewinnen,         Die Fragen stellte Patrick Bessler
Handel, um Zollfragen, Investitionen oder           verliert die andere Seite und umgekehrt. Diese   Chefredakteur von East Contact
Rechtsfragen geht. Wer in der EAWU produ-           Logik aus der Zeit des Kalten Krieges müssen
ziert, hat Zugang zu einem Markt von fast           wir durchbrechen: Als Europäer können wir
200 Millionen Menschen. Außerdem arbeitet           nur gemeinsam gewinnen, oder wir müssen
die EAWU daran, über eigene Freihandelsab-          gemeinsam zusehen, wie China und die USA         Das Magazin „EastContact“ mit Inter-
kommen auch die Exportmöglichkeiten zu              uns ihre Standards diktieren. Dass beispiels-    views und Analysen zur Arbeit der Eura-
verbessern. Hier wünschen sich europäische          weise beim Weltkongress zum Thema Künst-         sischen Wirtschaftsunion erscheint seit
Unternehmen insgesamt eine stärkere Flanki-         liche Intelligenz im September in Shanghai       2017 in Kooperation mit dem Verlag
erung ihrer Interessen durch Brüssel. Doch          keine europäischen Sprecher geladen waren        OWC. Die Erstausgabe von 2017 und
                                                                                                                                                     Foto: Exyte AG

einige osteuropäische Staaten bleiben wegen         und US-amerikanische und chinesische Kon-        weitere Informationen zum Inhalt und Er-
der politischen Differenzen mit Russland            zerne alle Panels dominierten, sollte uns        werb der diesjährigen Ausgabe finden
bezüglich einer Zusammenarbeit mit der              alarmieren. Russland wäre mit seiner starken     Sie unter: https://owc.de/publika-
EAWU-Kommission skeptisch, obwohl gera-             Internet-Szene ein wichtiger Baustein einer      tionen/eastcontact/

8 osteuropa informationen 11/12-2018
OST - Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft
Special > Ukraine/Belarus

Ukraine – spannendes Land
trotz schwieriger Situation

Mit welchem Satz muss ein Editorial über die Ukraine beginnen? Mit dem Satz: „Der Prozess
der wirtschaftlichen Erholung geht voran.“ Aber ganz so einfach liegen die Dinge nicht.
Denn die Erholung vollzieht sich vor dem Hintergrund des Kampfes um Reformen im Land
sowie des nunmehr schon fast vier Jahre anhaltenden kriegerischen Konflikts mit von Russland
unterstützten separatistischen Bewegungen im Osten der Ukraine. Hinzu kommt ein scharfer
Handelskonflikt mit Russland. Und: 2019 stehen in der Ukraine Präsidentschafts- und Parla-
mentswahlen an.

Der Kampf gegen Korruption und für Bürokratieabbau ist zäh und nicht immer konsequent,
der Widerstand dagegen stark. Deshalb ist die rasche Weiterführung der Reformen zur Ver-
besserung des Wirtschafts- und Investitionsumfeldes in der Ukraine von großer Wichtigkeit,
auch und gerade im Wahljahr 2019.

Die ukrainischen Wirtschaftsbeziehungen zu Russland sind unverändert von gegenseitigen
Sanktionen und Blockaden geprägt. Deutsche Unternehmen, die in beiden Ländern aktiv sind,
sind häufig von diesem Handelskrieg betroffen. Mittlerweile ist der ukrainische Außenhandel        Martin Stüttem
deutlich weniger mit Russland verbunden, über 40 Prozent ihres Außenhandels wickelt die            Mitglied des Vorstands der LEONI AG,
Ukraine mit der EU ab. Die positiven Effekte des Assoziierungs- und Freihandelsabkommens           Sprecher des Arbeitskreises Ukraine im OAOEV
mit der EU werden hier deutlich. Auch die bilateralen Handelsbeziehungen Deutschlands mit
der Ukraine konnten davon profitieren, der Aufschwung setzt sich fort: Von Januar bis August
2018 legte der bilaterale Handel um rund acht Prozent gegenüber im Vorjahresvergleich zu.
Die Importe aus der Ukraine wuchsen dabei um über 20 Prozent.

Unser Unternehmen LEONI ist seit vielen Jahren in der Ukraine tätig. Der seit dem Jahr 2000
etablierte Standort in Stryi steht im Unternehmensverbund für hohe Qualität, Mitarbeiterlo-
yalität und Wettbewerbsfähigkeit. Es ist weltweit das größte LEONI-Werk in einem Gebäude
und beschäftigt rund 6.500 Mitarbeiter. Aufgrund der guten Erfahrung hat LEONI 2017 ein
zweites Werk in Kolomyia eröffnet, das mittelfristig bis zu 5.000 Mitarbeiter beschäftigen
soll. Auch hier versprechen wir uns, von der guten Infrastruktur und der Verfügbarkeit am
Arbeitsmarkt zu profitieren und gleichzeitig einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung
des Landes zu leisten. Allerdings stellt die stetige Emigration von Arbeitskräften in westlicher
gelegene Länder ein nicht zu unterschätzendes Hemmnis für weiteres Wachstum dar.

Deutsch-Ukrainisches Wirtschaftsforum in Berlin

Für den 29. November ist das 3. Deutsch-Ukrainische Wirtschaftsforum in Berlin geplant, zu
dem Premierminister Hroisman und Bundeskanzlerin Merkel erwartet werden. Das Forum soll
aus erster Hand über den Stand der Wirtschaftsreformen in der Ukraine unterrichten, den
Blick für die positiven Entwicklungen schärfen und neue Kooperationsfelder aufzeigen. Wir
freuen uns, Sie beim Forum in Berlin zu sehen!
                                                                                                                                                  Foto: LEONI AG

                                                                                                                                              9
OST - Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft
Special > Ukraine/Belarus

Reformprozess im Überblick
Seit 2014 wurde in der Ukraine ein umfangreicher Reformprozess in Gang gesetzt. Dieser wird
insbesondere durch die Umsetzung des Assoziierungsabkommens mit der EU angetrieben. Die
deutsche Wirtschaft hat ihrerseits ihre Aktivitäten in der Ukraine verstärkt.

Beispiele für gelungene Reformen in der Uk-       waffnete Konflikt im Osten des Landes, wobei      tausch fortgeführt. Mit Gründung der
raine sind die Einführung eines elektroni-        dieser auf kleine Landesteile beschränkt ist.     Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Han-
schen Systems für öffentliche Ausschreibun-       Das Minsker Protokoll wird von allen betei-       delskammer im Oktober 2016 in Kiew wur-
gen („ProZorro“), das die Transparenz in          ligten Parteien kaum umgesetzt. Der Konflikt      den zudem die Investitionsbedingungen wei-
diesem Bereich enorm gesteigert hat. Radikal      bindet weiterhin erhebliche Ressourcen des        ter verbessert. Insgesamt gibt es rund 1200
reformiert wurde auch der Energiesektor des       ukrainischen Staates, die an anderer Stelle       Firmen mit deutscher Kapitalbeteiligung in
Landes. Beim Monopolisten Naftogas wurde          fehlen. Vor einer großen Herausforderung ste-     der Ukraine.
ein „unbundling“ eingeleitet, die früher stark    hen auch die Industriekonglomerate der Ostu-
subventionierten Preise für die Endverbrau-       kraine, die Alternativen zum russischen Markt     Die deutschen Handelsbeziehungen mit der
cher wurden marktgerecht gestaltet. Bedürfti-     aufbauen müssen.                                  Ukraine erholen sich. Im Jahr 2017 stieg der
ge erhalten individuelle Zuzahlungen und                                                            bilaterale Warenaustausch um 22 Prozent auf
Überschüsse sollen in einen Energieeffizienz-     Insgesamt hat die Ukraine damit noch große        6,6 Milliarden Euro. Dieser positive Trend
fonds fließen. Profitieren könnte davon auch      Herausforderungen zu meistern. Da die             hat sich in den ersten acht Monaten 2018 fort-
die „Initiative Energieeffizienz Ukraine“, an     Wahlkämpfe der anstehenden Präsident-             gesetzt (+ 8 Prozent). Auffällig ist, dass vor
der sich neben der dena und weiteren Part-        schafts- (März 2019) und Parlamentswahlen         allem die Importe aus der Ukraine inzwi-
nern auch der Ost-Ausschuss - Osteuropaver-       (Herbst 2019) bereits begonnen haben, droht       schen deutlich zulegen können. Neben dem
ein beteiligt und die Energieeffizienz-Maß-       eine Verzögerung der Reformen. Deutsche           seit Jahren stark wachsenden und erfolgrei-
nahmen für den überalterten Wohnbestand           Firmen sprechen dennoch mehrheitlich von          chen IT-Sektor, ist vor allem der ukrainische
der Ukraine erarbeitet.                           einer positiven Entwicklung.                      Agrarsektor von großer Bedeutung für die
                                                                                                    wirtschaftliche Gesundung. Die AG Agrar-
Auch der ukrainische Bankensektor wurde           Deutsches Engagement                              wirtschaft beim OAOEV leistet eine intensive
reformiert: Ein Drittel aller Banken wurden                                                         Arbeit zur Unterstützung deutscher Expor-
geschlossen. Diese Entwicklung hat zur wirt-      Deutschland gilt innerhalb der EU als wich-       teure und Unternehmen in der Ukraine. Sie
schaftlicher Stabilität auch in anderen Berei-    tigster Unterstützer und Finanzier des Re-        ist eng in die Weiterentwicklung weiterer Pro-
chen im Land geführt. Im Zuge der Dezentra-       formprozesses in der Ukraine. Im Oktober          jekte des Bundesministeriums für Ernährung
lisierung erhielten ukrainische Regionen mehr     2015 begann mit der ersten Deutsch-Ukraini-       und Landwirtschaft (BMEL) in der Ukraine
Kompetenzen und finanzielle Unabhängig-           schen Wirtschaftskonferenz in Berlin unter        eingebunden.
keit. Es ist sehr zu begrüßen, dass mit dem       Beteiligung des OAOEV eine Intensivierung
ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten        des Wirtschaftsaustauschs. Mit der dritten
Georg Milbradt ein Sondergesandter der            Wirtschaftskonferenz dieser Art wird im No-       Stefan Kägebein,
G7-Staaten den Reformprozess begleitet. Der       vember 2018 der unternehmensbasierte Aus-         Regionaldirektor für Osteuropa im OAOEV
Verwaltungsaufwand im Steuerrecht wird
kontinuierlich verringert, auch durch den Ein-
                                                  Deutsch-Ukrainischer Handel
satz digitaler Instrumente. Faktisch gelöst hat
sich auch die Problematik der Mehrwertsteu-           Ausfuhr          Einfuhr
errückerstattung und des Dividendentransfers
ins Ausland. Viele ukrainische Unternehmen        6
                                                           5,4
orientieren sich erfolgreich auf die EU um.
Einhellig stellen aber alle Reformer in der Uk-   5
                                                                                                                                      4,3
raine fest, dass die Justiz- und Gerichtsreform
                                                  4                          3,6                                    3,6
weiterhin die größte Baustelle bleibt. Auch die
                                                                                                  3,1
Modernisierung des Beamtenapparates ist           3
noch nicht abgeschlossen und bedarf weiterer                                                                                                2,2
Anstrengungen. Zentral bleibt auch der            2              1,6               1,6                  1,7               1,8

Kampf gegen Korruption und für Bürokratie-
                                                  1
abbau. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor für
die wirtschaftliche Entwicklung bleibt der be-
                                                  Mrd.
                                                  Euro     2013              2014                 2015              2016              2017

10 osteuropa informationen 11/12-2018
Special > Ukraine/Belarus

Reformvorschläge zur Verbesserung
des ukrainischen Investitionsklimas
Nach der Überwindung der Wirtschaftskrise von 2014/15 ist die Ukraine wieder auf Wachs-
tumskurs. Um ihren Bürgern eine echte Perspektive zu geben, sind allerdings höhere Wachstums-
raten nötig; hierfür sind mehr Investitionen eine Voraussetzung.

                                                       Investitionsabsichten belasten. Aus diesem    3. Gleiche Wettbewerbsbedingungen
                                                       Grund hat die Deutsche Beratergruppe in       Hier geht es darum ein „level playing
                                                       Zusammenarbeit mit der Deutsch-Ukraini-       field“ zu schaffen. Entsprechende Vor-
                                                       schen Industrie- und Handelskammer eine       schläge betreffen den Bankensektor, wo
                                                       Studie mit Reformvorschlägen deutscher, in    der Staatsanteil durch die Krise deutlich
                                                       der Ukraine tätiger, Unternehmen erstellt.    angestiegen ist, aber auch den Bereich
                                                                                                     Landwirtschaft. Ebenso wichtig ist ein ent-
                                                       Maßnahmenkatalog für schnelle                 schlossenes Vorgehen gegen Unterneh-
                                                       Erfolge                                       men, die die Scheinselbständigkeit zu ih-
                                                                                                     rem Vorteil ausnutzen, um regelkonforme
                                                       Insgesamt sind im Bericht 28 Reformvor-       Unternehmen zu stärken.
                                                       schläge erarbeitet worden. Zur Priorisie-
                                                       rung wurde eine Top-10-Liste an Vorschlä-     Die Studie ist eine wichtige Ergänzung zur
                                                       gen erstellt, die relativ schnelle Erfolge    Agenda anderer internationaler Institutio-
                                                       versprechen. Die Vorschläge lassen sich       nen. Während letztere häufig auf wichtige
Robert Kirchner                                        drei Bereichen zuordnen.                      strategische Fragestellungen fokussiert
Vize-Leiter des Projekts Regierungsberatung und                                                      sind, liefert unsere Studie eine ebenso wich-
Koordinator der Projektarbeiten bei Berlin Economics   1. Maßnahmen mit direkten Auswirkun-          tige Mikro-Perspektive. Hierbei stehen vor
in der Ukraine
                                                       gen auf Geschäftsklima und Investitionen      allem deutsche Unternehmen im Vorder-
                                                       Hier stehen zwei Maßnahmen im Vorder-         grund, die in der Ukraine tätig sind. Gleich-
Nach der schweren wirtschaftlichen Krise               grund: Zum einen ist der Zugang zur Elek-     zeitig würden jedoch auch alle anderen Fir-
von 2014/15 ist die Ukraine seit 2016 wie-             trizitätsversorgung weiterhin sehr proble-    men von den vorgeschlagenen Reformen
der im Wachstumsmodus. Das reale Brutto-               matisch und insbesondere für produzieren-     profitieren. Entscheidend ist jedoch die
inlandsprodukt (BIP) hat allerdings sein               de Unternehmen ein gravierendes Hemm-         Umsetzung unserer Vorschläge. Eine Unter-
Vorkrisenniveau von 2013 bei weitem noch               nis. Eine Beschleunigung des Anschlusses      stützung bei der konkreten Erarbeitung von
nicht wieder erreicht - bei dem aktuellen              an das Energienetz könnte zu einem signifi-   verbesserten Rahmenbedingungen kann an
Wachstumstempo würde dies erst 2022 wie-               kanten Anstieg von Investitionen im realen    dieser Stelle zugesichert werden.
der der Fall sein. Daraus ergibt sich die              Sektor führen. Zum anderen, stellt sich ein
dringende Notwendigkeit, die mittelfristige            möglicher Engpass von Transportlizenzen       Download der Studie unter
Wachstumsrate zu erhöhen. Gelingt dies                 für Polen als ein gravierendes Hemmnis für    www.beratergruppe-ukraine.de
nicht, wird sich der bereits seit geraumer             Exporteure in die EU heraus. Hier ist mehr
Zeit intensivierende Prozess der Migration             Transparenz geboten und gegebenenfalls
von ukrainischen Arbeitskräften weiter be-             eine Erhöhung auf dem Verhandlungsweg
schleunigen.                                           angeraten.

Ein Schlüsselfaktor für mehr Wachstum                  2. Abbau von Verwaltungshemmnissen
liegt in der Stimulierung von Investitionen.           und Bürokratie
Die aktuelle Investitionsquote in Höhe von             In diesen Bereich fallen verschiedene Maß-
20,7 Prozent des BIP (2017) ist immer noch             nahmen, wie die Verwendung von EU-Rech-
weit entfernt von früheren Werten. So be-              nungspreisen beim Import und die Abschaf-
trug die Investitionsquote 2006, also vor der          fung bestimmter Transportdokumente.
                                                                                                                                                     Foto: Berlin Economics

globalen Finanzkrise, 24,5 Prozent des BIP.            Ebenso zählen hierzu die Abschaffung von
                                                       gewissen Strafzahlungen im Steuerbereich,
Trotz sichtbarer Erfolge bei der Verbesse-             die Limitierung von Kontosperrungen bei
rung des regulatorischen Umfelds für Un-               strafrechtlichen Ermittlungen, sowie eine
ternehmen berichten diese weiter über Ein-             verbesserte Durchsetzung von Gerichtsbe-
schränkungen und Hemmnisse, die deren                  schlüssen gegen den Staat.

                                                                                                                                               11
Special > Ukraine/Belarus

Die Wiederentdeckung der Ostukraine
Vom 25. bis 27.Oktober 2018 führten das Deutsch-Ukrainische Forum und der OAOEV eine
Unternehmerreise in die ostukrainischen Industriezentren Dnipro, Kryvyi Rih und Zaporizhia
durch. Vor allem mittelständische Unternehmen nutzten die Chance, die Region kennenzulernen.

                                                                                                 Alle Delegationsmitglieder waren beein-
                                                                                                 druckt von den Dimensionen sowohl der
                                                                                                 bereits erfolgten Modernisierungen als
                                                                                                 auch der noch zu bewältigenden Aufgaben
                                                                                                 und konnten dabei Geschäftschancen iden-
                                                                                                 tifizieren.

                                                                                                 Bereits am Vormittag hatte der Bürgermeis-
                                                                                                 ter von Kryvyi Rih, Yuri Vilkul, die deut-
                                                                                                 sche Delegation in der Stadtverwaltung zu
                                                                                                 einem Arbeitstreffen mit örtlichen Unter-
                                                                                                 nehmensvertretern empfangen. Diese Gele-
   Besuch der Delegation beim Bürgermeister von Kryvyi Rih.                                      genheit nutzte die Stadt, die sich 127 Kilo-
                                                                                                 meter entlang der Tagebaue erstreckt, um
                                                                                                 sich als interessanter Wirtschaftsstandort zu
Die Ostukraine, industrielles Herz des Lan-       derzeit Dienstsitz Dnipro), ein Deutsch-Uk-    präsentieren.
des, ist eine Region, die durch Erzberg-          rainisches Wirtschaftsforum stattfand. Der
bau, Metallurgie, Schwerindustrie und Ma-         Vize-Gouverneur der Oblast Dnipro Oleh         Letzte Station der Reise war Zaporizhia, die
schinenbau geprägt ist und deshalb von je-        Kuzhman beschrieb den Teilnehmern das          berühmte Heimat der Zaporozher Kosaken
her ein wichtiger Partner für die deutsche        Wirtschafts- und Wissenschaftspotential        und die gemeinsame nationale Identifikati-
Wirtschaft war. In den letzten Jahren hat         des Bezirks und stellte lokale Branchen vor.   onsstätte aller Ukrainer. Auch hier stand
die einst wirtschaftsstarke Region jedoch         Dazu gehören zum Beispiel Radiotechnik,        eine eindrucksvolle Betriebsbesichtigung
unter den veralteten Industrien und vor al-       Energetik, Maschinenbau, Raumfahrttech-        im 1932 bis1937 erbauten Wasserkraftwerk
lem unter den separatistischen Bewegungen         nik, Engineering, der Landwirtschaftsbe-       Dnipro an, das mit deutscher Beteiligung
und kriegerischen Auseinandersetzungen            reich sowie der Umweltschutz. Die Region       modernisiert wird. Es folgte eine Kurzvisite
mit Russland im benachbarten Donbass              verfügt über gut ausgebildete Fachkräfte,      im Stahlwerk Zaporozhstal und danach ein
gelitten. Aus diesen Gründen waren tradi-         die in den 20 Universitäten, 61 Colleges und   Arbeitstreffen in der Stadtverwaltung von
tionelle Geschäftsbeziehungen eingeschla-         über 50 Berufsschulen sowie in drei Tech-      Zaporizhia. Hier hob man die Unterstüt-
fen. Da jedoch die Ostukraine immer noch          nologie-Zentren ausgebildet werden. In der     zung der Stadt durch das Stahlwerk Zaporo-
rund 20 Prozent zum ukrainischen Brutto-          Oblast befindet sich mit Pavlograd auch der    zhstal im Rahmen eines „Sozialpakts“ für
inlandsprodukt beiträgt und ein enormer           größte Industriepark der Ukraine. Die deut-    soziale Belange hervor. Dies trägt dazu bei,
Modernisierungsbedarf bei den regionalen          schen Teilnehmer präsentierten ihrerseits      die dringend benötigten Fachkräfte an die
Industriekapazitäten besteht, diente diese        ihre Produkte und Geschäftsangebote. In        Region zu binden. Der Tag klang mit einem
seit langem erste Reise deutscher Unter-          bilateralen Gesprächen wurden danach alte      Besuch des Freilichtmuseums der Zaporoz-
nehmensvertreter, die insbesondere den            Geschäftsverbindungen wieder aufgenom-         her Kosaken aus.
deutschen produzierenden Mittelstand re-          men und neue hergestellt.
präsentierten, dazu, sich über aktuelle Ge-                                                      Die Reise war für alle Teilnehmer sehr auf-
schäftsmöglichkeiten zu informieren.              Besuch im Stahlwerk                            schlussreich und geschäftlich interessant
                                                                                                 und trug dazu bei, die Ostukraine wieder in
Geleitet wurde die Delegation durch Rainer        Der zweite Tag führte die Delegation nach      das Blickfeld der deutschen Wirtschaft zu-
Lindner, Vorsitzender des Deutsch-Ukraini-        Kryvyi Rih (Krivoj Rog), wo sich bedeuten-     rückzubringen.
schen Forums (DUF), und Ute Kochlows-             de Erzlagerstätten befinden. Die Weiterver-
ki-Kadjaia, Geschäftsführerin des OAOEV.          arbeitung erfolgt zum Beispiel im größten
Erste Station war Dnipro (früher Dneprope-        Stahlwerk der Region, Krivorozhstal, das
trovsk), wo nach einem Briefing der Dele-         zur Arcelor Mittal-Gruppe gehört und eben-
                                                                                                                                                 Foto: DUF

gation durch den deutschen Generalkonsul          so besichtigt wurde wie das Unternehmen        Ute Kochlowski-Kadjaia,
Wolfgang Mössinger (eigentlich Donezk/            Metinvest und der Erztagebau Yuzhny Gok.       Geschäftsführerin des OAOEV

12 osteuropa informationen 11/12-2018
Special > Ukraine/Belarus

Belarus im Fokus
Belarus hat in den letzten Jahren entscheidende Weichen für die eigene Wirtschaft und für
Investoren gestellt. Das Land entwickelt sich immer stärker zur logistischen Drehscheibe zwischen
Ost und West, setzt auf innovative Technologien und Digitalisierung.

                                                   Zielbild: Logistik, IT und                        Deutsche Unternehmen mit
                                                   Hochtechnologie                                   wachsendem Interesse

                                                   Ausbau und Transformation der aktuell im-         Es sind derzeit ca. 450 deutsche Unternehmen
                                                   mer noch größtenteils von staatlichen Kon-        in Belarus registriert. Viele der Firmen, wie
                                                   zernen dominierten Wirtschaft werden              zum Beispiel Carl Zeiss, BASF, Siemens, oder
                                                   durch eine Reihe von Drivern angetrieben,         Henkel sind bereits Anfang der 90er Jahre
                                                   die die Regierung auch identifiziert hat und      nach Belarus gekommen und blicken auf ein
                                                   aktiv fördert. Zunächst ist hier die zentrale     Vierteljahrhundert erfolgreicher Tätigkeit zu-
                                                   Lage zu nennen, die das Land zur logisti-         rück. Ebenso lange ist auch der Deutsch-Bela-
                                                   schen Drehscheibe zwischen Ost und West,          russische Wirtschaftsclub im Land aktiv. Als
                                                   sowie zwischen der EAWU und der EU                älteste und größte westliche Unternehmens-
                                                   macht. Nähe, ausgebaute Infrastruktur, eine       vereinigung im Lande vertritt der Verein die
                                                   Tradition der industriellen Produktion und        Interessen seiner Mitglieder – derzeit über 50
                                                   eine gut ausgebildete Arbeiterschaft ma-          Unternehmen – über verschiedene Formate
Hovsep Voskanyan                                   chen das Land interessant als Investitions-       und Gremien gegenüber Öffentlichkeit, staatli-
Leiter der Repräsentanz der Commerzbank AG         standort; insbesondere für Firmen aus der         chen Stellen und Wirtschaftsverbänden, för-
in Minsk und Vorstandsvorsitzender des Deutsch-    EU, die eine Lokalisierung in der EAWU            dert die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwi-
Belarussischen Wirtschaftsclubs e. V.
                                                   planen. Mindestens ebenso wichtig ist Bel-        schen den beiden Ländern und dient mit
                                                   arus’ Schlüsselrolle im Rahmen der chinesi-       verschiedenen Veranstaltungsformaten als
                                                   schen Belt and Road Initiative (BRI). Mit         Netzwerk- und Kommunikationsplattform. Im
Belarus erfreut die Analysten derzeit mit be-      dem Great Stone Park, einem 112 Quadrat-          September 2018 war der DBWC Ausrichter
eindruckenden Zahlen. Das Wirtschafts-             kilometer großen Industriepark in unmittel-       der 7. überregionalen Konferenz der Deut-
wachstum wird 2018 voraussichtlich drei            barer Nachbarschaft zur Hauptstadt, Flug-         schen Wirtschaftsclubs aus Mittel- und Osteu-
Prozent betragen und sich damit weiter be-         hafen und Eisenbahnnetz, entwickelt sich          ropa. Erstmals fand die Veranstaltung in Minsk
schleunigen. Der Außenhandel wächst das            ein regionales Logistik- und Produkti-            statt und unterstrich die wachsende Bedeutung
zweite Jahr in Folge um mehr als 20 Prozent.       onszentrum für Hochtechnologieprodukte.           des Standorts.
Die Inflation liegt seit 2017 mit ca. sechs Pro-
zent auf einem historischen Tiefstwert. Die        Eine Success Story, die bereits länger            Deutsche Firmen haben sich in der Vergan-
Landeswährung Rubel ist seit gut drei Jahren       läuft, ist die IT-Industrie: Der Sektor ist in-   genheit mit großen Investitionen in Belarus
weitgehend stabil, der Leitzins hat sich in der    zwischen für fünf Prozent des BIP verant-         zurückgehalten, doch im Zuge der wirtschaft-
gleichen Zeitspanne auf ein Drittel gesunken.      wortlich und hat weltweit operierende             lichen Entwicklung der letzten Jahre, sowie –
Die Kapitalmärkte honorierten diese positive       Konzerne wie den an der US-Börse gelis-           und dies ist mindestens ebenso wichtig – der
Entwicklung mit deutlicher Überzeichnung           teten Riesen EPAM oder Wargaming her-             politischen Annäherung, wächst auch in der
der jüngsten Staatsanleihe über zwei Milliar-      vorgebracht. Andere Projekte, wie der             Bundesrepublik das Interesse. Erste Ergebnis-
den US-Dollar. Moody’s, Fitch, S&P und             Messanger Viber oder die Lifestyle-App            se sind bereits zu sehen. Mit der Übernahme
OECD haben alle Belarus innerhalb der letz-        MSQD, wurden z.  T. für dreistellige Milli-       der Firma Alutech 2018 zeichnet der ostwest-
ten zwölf Monate in der eigenen Länderrisi-        onenbeträge von Rakuten und Facebook              fälische Torehersteller Hörmann für eines
komatrix hochgestuft. Grundlage für diese          übernommen. Der Erfolg der Branche                der größten westlichen Einzelinvestments in
Entwicklung ist die nachhaltige Geld- und          speist sich in erster Linie aus dem Pool          Belarus verantwortlich. Nahezu parallel hat
Wirtschaftspolitik der letzten Jahre, die als      hervorragend ausgebildeter Spezialisten           Polipol – ein international führender Weich-
oberstes Ziel krisenfestes Wirtschaftswachs-       und nachrückender Nachwuchskräfte.                möbelhersteller – die Eröffnung eines Pro-
                                                                                                                                                      Foto: Commerzbank

tum verfolgt. Flankiert wird sie durch eine        Wenn Qualität vor Kosten gilt, hat Belarus        duktionswerks bekanntgegeben. Noch ist Bel-
ganze Reihe von Reformen, die Bürokratie           als IT-Outsourcing-Standort inzwischen            arus als Investitionsstandort ein Geheimtipp
abgebaut und bessere Bedingungen für Un-           einen sehr guten Ruf.                             in Deutschland, doch das dürfte es nicht mehr
ternehmen geschaffen haben.                                                                          lange bleiben.

                                                                                                                                               13
Special > Ukraine/Belarus

Meilenstein zur Wiederbelebung
der Wirtschaftskontakte
Erstmals fanden in Nordrhein-Westfalen Belarustage statt, die die Wirtschaftschancen für deutsche
Unternehmen in dem osteuropäischen Land in den Mittelpunkt stellten. Die Initiative ging vom
Unternehmen Remondis aus, das seit Jahren in Belarus aktiv ist.

Nordrhein-Westfalen empfiehlt sich als          Leichtverpackungen in Bochum und der Re-            raum um fast 13 Prozent angewachsen. Die
Türöffner für die deutsch-belarussischen        mondis-Anlage für Glasrecycling in Essen.           deutschen Exporte kletterten auf 735 Milli-
Wirtschaftskontakte: Mehr als 60 Vertreter                                                          onen Euro (+12 Prozent), während die Ein-
aus Wirtschaft und Politik folgten der Einla-   Egbert Tölle, Board Member Remondis SE              fuhren aus Belarus auf 290 Millionen Euro
dung zu den „1. Belarustagen Nord-              & Co. KG, eröffnete die Veranstaltung und           (+15 Prozent) zulegen konnten.
rhein-Westfalen“, die Anfang Oktober in         verwies dabei auf die erfolgreichen Aktivi-
Dortmund und Lünen stattfanden. Neben           täten von Remondis für den Klima- und               Diese positive Entwicklung kann nach Ein-
Umweltthemen standen dabei vor allem            Umweltschutz in Belarus. Der belarussi-             schätzung der Teilnehmer der 1. Belarusta-
Fragen der Rechtssicherheit von Investitio-     sche Botschafter Denis Sidorenko lobte die          ge Nordrhein-Westfalen zu denen auch die
nen und der Finanzierung im Mittelpunkt.        Bedeutung der Veranstaltung für Investitio-         Vizeminister für Wirtschaft und Bau- und
                                                nen deutscher Unternehmen in seinem Hei-            Kommunalwirtschaft, Dmitrj Matusewitsch
„Seit der Aufhebung der Wirtschaftssankti-      matland. „Die Belarustage in NRW sind ein           und Alexander Piwowarskj, gehörten, noch
onen vor drei Jahren erlebt Belarus als Wirt-   Meilenstein für die Intensivierung der bila-        deutlich ausgebaut werden.
schaftsstandort ein Comeback. Immer mehr        teralen deutsch-belarussischen Wirtschafts-
deutsche Unternehmen erkennen das Poten-        beziehungen, die Auslotung neuer Koopera-
zial und investieren“, sagte Michael Harms,     tionsmöglichkeiten und den Ausbau der
Vorsitzender der Geschäftsführung des           Zusammenarbeit mit deutschen Bundeslän-
OAOEV in seinem Grußwort. Der Ost-Aus-          dern“, sagte er. Heinz-Herbert Dustmann,
schuss – Osteuropaverein hatte die „Bela-       Präsident der Industrie- und Handelskam-
rustage“ zusammen mit dem Deutsch-Bela-         mer (IHK) zu Dortmund, bezeichnete Bela-
russischen Unternehmerrat, der Botschaft        rus als einen „Partner für die Zukunft“.
Belarus‘ in Deutschland, der Industrie- und
Handelskammer zu Dortmund sowie dem             Bilateraler Handel im Aufwind
Unternehmen Remondis organisiert.
                                                In den ersten sechs Monaten 2018 war der            Felix Zimmermann
Teil der „neuen Seidenstraße“                   bilaterale Handel zwischen Deutschland              Co-Vorsitzender des Deutsch-Belarussischen
                                                und Belarus gegenüber dem Vorjahreszeit-            Unternehmerrats
Auf großes Interesse stieß die Rolle der Re-
publik Belarus bei der Entwicklung der
„Neuen Seidenstraße“, die stärker die
Wachstumsmärkte in Asien mit Europa ver-
binden soll. Die Teilnehmer forderten hier
von der Politik insbesondere eine schnellere
Grenzabfertigung in Polen für Eisenbahn-
züge. Zudem präsentierte sich die Freie
Wirtschaftszone Brest als Transitstandort
mit angeschlossener Produktionszone, die
sowohl über europäisches Normalgleis als
auch über russisches Breitspurgleis verfügt.

Weitere Höhepunkte der zweitägigen Veran-
staltung waren neben hochkarätigen Exper-
ten-Runden und direkten Wirtschaftsgesprä-
                                                                                                                                                  Foto: REMONDIS

chen in der IHK Dortmund ein Besuch des
Lippewerks, Europas größtes Zentrum für
                                                   Mehr als 60 Vertreter aus Politik und Wirtschaft kamen zu den „1. Belarustagen
industrielles Recycling, sowie die Besichti-
                                                   Nordrhein-Westfalen“.
gung der Remondis-Sortieranlage für

14 osteuropa informationen 11/12-2018
Special > Ukraine/Belarus

Gemeinsame Herausforderung
Klimawandel
Gemeinsame Lösungsansätze für eine moderne Energieinfrastruktur, die Digitalisierung des
Strombetriebs, Energiespeicher und Sektorenkopplung sowie Finanzierungs- und Förderangebote
standen Anfang Oktober im Mittelpunkt des VI. Deutsch-Belarussischen Energieforums in Minsk.

   Panelteilnehmer des VI. Deutsch-Belarussischen Energieforums in Minsk. Links OAOEV-Projektleiterin Petya Hristova

Die hochkarätige Fachkonferenz wurde von           chen erneuerbare Energien und Energieeffizi-        und mit Experten aus Deutschland zu inten-
der Deutschen Energie-Agentur (dena) in            enz. Letztere haben besondere Priorität.            sivieren und neue Projekte im Bereich städ-
Kooperation mit dem Ministerium für Ener-                                                              tischer Energieinfrastruktur zu initiieren.
gie der Republik Belarus, dem Ost-Aus-             Andrej Piliptschuk, stellvertretender Leiter
schuss – Osteuropaverein der Deutschen             der Abteilung für Luftreinheit, Klimawan-           Nach zwei Seminaren in Astana und Berlin
Wirtschaft (OAOEV) sowie der Repräsent-            del und Analysen im belarussischen Um-              tauschten sich die Experten und Entschei-
anz der Deutschen Wirtschaft in Belarus            weltministerium, stellte in seinem Vortrag          dungsträger auf kommunaler und regionaler
organisiert. Die Entscheidungsträger und           die Fortschritte in der Umsetzung des Pari-         Ebene über folgende Themenbereiche aus:
Experten auf den Panels sowie die rund 200         ser Klimaschutzabkommens vor. Dabei                 den Bau neuer energieeffizienter Wohnge-
Teilnehmer befassten sich intensiv mit Her-        spielen die Akteure auf kommunaler Ebene,           bäude in der Praxis, die energieeffiziente
ausforderungen, die Deutschland und Bela-          wie zum Beispiel der Konvent der Bürger-            Modernisierung der Bestandsgebäude sowie
rus durch den Einsatz nachhaltiger, zu-            meister für Klima und Energie, eine ent-            die Anforderung der Qualitätskontrolle. Un-
kunftsorientierter Technologien gemeinsam          scheidende Rolle. Bürgermeister aus 39              geachtet der unterschiedlichen Ausgangsla-
meistern können.                                   belarussischen Städten haben den Konvent            ge und aktuellen Rahmenbedingungen fand
                                                   unterzeichnet, elf davon haben einen Fahr-          eine intensive Diskussion über praktische
Nachhaltige bilaterale Partner-                    plan für nachhaltige Energie und Klima-             Erfahrungen und Lösungsansätze zwischen
schaft und neue Impulse                            schutz verabschiedet.                               den Teilnehmern der Arbeitskreissitzung
                                                                                                       statt. Das Thema Elektromobilität stand da-
Die Teilnehmer wurden von der Geschäftsfüh-        Intensiver Dialog über energie-                     bei ganz oben auf der Agenda.
rerin der Deutschen Energie-Agentur (dena)         effiziente Gebäude
Kristina Haverkamp, dem deutschen Bot-                                                                 Angeregt wurden die Diskussionen von den
schafter in Minsk Peter Dettmar, sowie den         Parallel zum Deutsch-Belarussischen Ener-           Teilnehmern, die die Möglichkeit hatten, mit
stellvertretenden belarussischen Ministern für     gieforum veranstaltete die dena den Work-           Elektrobussen den Konferenzstandort zu er-
Energie, Architektur und Bau, Wohnungs- und        shop „Energieeffiziente Gebäude“ für Ex-            reichen. Die Einwohner und Gäste von Minsk
Kommunalwirtschaft begrüßt. In den verschie-       perten aus Belarus, Kasachstan, Russland            können aktuell die Dienste von 20 Elektro-
denen Panels tauschten sich die Teilnehmer         und der Ukraine im Rahmen der länder-               bussen nutzen.
über Querschnittsthemen aus, angefangen mit        übergreifenden Dialogplattform „Urbane
                                                                                                       Petya Hristova
                                                                                                                                                          Foto: dena

Urban Energy Transition über Digitalisierung       Energie-Infrastruktur“. Das Hauptziel der
im Strombetrieb, Energiespeicher und Sekto-        Plattform ist es, den Austausch zwischen            Leiterin des Arbeitskreises Energieeffizienz und
renkopplung bis hin zu Projekten in den Berei-     den Experten dieser Länder untereinander            kommunale Infrastruktur im OAOEV

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