Palliative ch - ALS SLA SLA - Zeitschrift der Schweiz. Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung Revue de la Société Suisse ...

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Palliative ch - ALS SLA SLA - Zeitschrift der Schweiz. Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung Revue de la Société Suisse ...
palliative ch
Zeitschrift der Schweiz. Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung   Nr. 2-2018
Revue de la Société Suisse de Médecine et de Soins Palliatifs
Rivista della Società Svizzera di Medicina e Cure Palliative

ALS · SLA · SLA
Palliative ch - ALS SLA SLA - Zeitschrift der Schweiz. Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung Revue de la Société Suisse ...
Wir unterstützen Betroffene.

Der Verein ALS Schweiz ist eine schweizweit agierende gemeinnützige Organisation für Menschen mit Amyotropher
Lateralsklerose (ALS). Diese Erkrankung des zentralen und peripheren Nervensystems lähmt den Körper kontinuier-
lich und führt zumeist innert drei bis fünf Jahren zum Tod. Wir unterstützen seit über 10 Jahren Betroffene und ihre
Angehörigen mit spezifischen Dienstleistungen und Angeboten. Ziele des Vereins sind es einerseits, die Lebens-
qualität von Betroffenen zu verbessern, andererseits, die Krankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) in der
Öffentlichkeit und in Fachkreisen bekannter zu machen.

Im Rahmen der strategischen Weiterentwicklung, infolge des Ablaufes der Amtszeit eines Vorstandsmitgliedes
und dem Wunsch nach Vergrösserung des Vorstandes suchen wir per sofort zwei bis drei interessierte Personen
zur Mitarbeit als

Vorstandsmitglied im Ehrenamt (m/w).
Ihre Aufgaben:
   • Mitwirkung an der strategischen Führung
   • Mitgestaltung bei der strategischen Weiterentwicklung und des Leistungsspektrums
   • Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen und deren Angehörigen
   • Punktuelle Interessenvertretung bei relevanten Anspruchsgruppen
   • Teilnahme an den Vorstandssitzungen, der Mitgliederversammlung und an Schlüsselveranstaltungen

Ihr Profil:
   Persönliche Voraussetzungen:
   • Erfahrung in Mitwirkung auf der strategischen Ebene
   • Unternehmerisches Denken und Entscheidungsstärke, gute analytische und konzeptionelle Fähigkeiten
   • Teamplayer, Konsensfähigkeit, ausgeprägte Sozialkompetenz, Kommunikationsstärke
   • Französischkenntnisse (mindestens passiv, aktiv wünschenswert)
   • Bereitschaft, die eigenen Ressourcen und Erfahrungen in den Verein einzubringen
   • Identifikation mit den Zielsetzungen des Vereins ALS Schweiz
   • Evtl. direkt von ALS betroffene oder betroffene angehörige Person

  Fach- und Spezialkenntnisse:
  • Führungserfahrung
  • Gute Kenntnisse in einem oder mehreren Bereichen wie Finanzen, Recht, Organisation, Gesundheits- und
    Sozialwesen, Marketing, Fundraising, Informatik o.ä. oder in der Leitung einer Non-Profit-Organisation

Wir bieten:
  • die Gelegenheit, sich verantwortungsvoll und gestaltend auf der Ebene der strategischen Führung und
     der anspruchsvollen Weiterentwicklung einer national wirkenden Betroffenenorganisation einzubringen
  • die Möglichkeit, sich aktiv in die Willensbildung und Entscheidungsfindung einbringen zu können
  • die Möglichkeit, die weitere Professionalisierung des Vereins aktiv zu unterstützen
  • eine Aufgabe, bei der Sie sich sinnstiftend in der Thematik von ALS engagieren können
  • die Abgeltung von Spesen und einen Leistungsausweis für den Einsatz

Weitere Informationen über den Verein finden Sie unter www.als-schweiz.ch

Bei Interesse senden Sie Ihre Bewerbungsunterlagen bitte bis zum 31. August 2018 an:
Corinne Zosso (Geschäftsführerin a.i.), Verein ALS Schweiz, Geschäftsstelle, Margarethenstrasse 58, 4053 Basel
oder per E-Mail an corinne.zosso@als-schweiz.ch.

Bei Fragen steht Ihnen Walter Brunner (Vizepräsident) gerne unter walter.brunner@als-schweiz.ch zur Verfügung.
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I N H A LT S V E R Z E I C H N I S · TA B L E D E S M AT I È R E S · I N D I C E

 5 Editorial · Éditorial · Editoriale                          Bildung und Forschung · Formation et Recherche ·
                                                               Formazione e Ricerca

ALS · SLA · SLA                                                43 Eleonore Arrer und André Fringer
                                                                  Hospize als Ausdruck einer
 6 Nathalie Braun, Christoph Neuwirth und Markus Weber            «Compassionate ­Community»
   Amyotrophe Lateralsklerose – eine Krankheit mit             45 Résumé français
   besonderen Herausforderungen                                45 Riassunto italiano
13 Résumé français
13 Riassunto italiano                                          46 Christian Ruch
                                                                  Die «Todesart der Philosophen» – ein spannendes
14 Christina Buchser                                              Seminar über das Sterbefasten
   Palliative Care in der speziellen Pflegesituation einer     49 Résumé français
   ALS-Patientin                                               51 Riassunto italiano
19 Les soins palliatifs dans la situation spéciale de soins
   d'une patiente SLA
24 Cure palliative nel caso specifico di una paziente di SLA   Netzwerk · Réseau

28 Walter Brunner                                              53 Susanna Vanek
   ALS-Betroffene und Angehörige unterstützen                     Luise Thut: die unermüdliche Pionierin
30 Soutenir les personnes atteintes de SLA                        der ­palliativen Pflege
32 Sostenere le persone colpite da SLA
   e i loro famigliari                                         56 Susanne Brauer
                                                                  Autonomie in der Medizin: Ein Zusammen-
34 Christian Ruch                                                 spiel von Selbstbestimmung und professioneller
   Herr G. beschliesst zu sterben                                 ­Verantwortung
35 Monsieur G. décide de mourir                                60 L'autonomie en médecine: l'interaction entre auto­
36 Il Signor G. decide di morire                                   détermination et responsabilité professionnelle

Praxis und Pflege · Pratique et soins · Pratica e cura         Partner · Partenaires · Partner

37 Brenno Galli                                                64 Nuove pubblicazioni in italiano
   La gestione del dolore cronico nelle case per anziani       65 Neue Broschüren in Italienisch
   del Canton Ticino                                           65 Nouvelles brochures en italien
41 Deutsche Zusammenfassung
42 Résumé français                                             66 Neue Broschüre: «Weichteilsarkome»

                                                                                                                       3
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Nachrichten palliative ch · Nouvelles palliative ch ·    75 Kalender · Calendrier
    Notizie palliative ch

    67 Eleonore Arrer ist neues Mitglied der Redaktions-­    79 Impressum
       kommission von «palliative ch»
    68 Eleonore Arrer est une nouvelle membre du comité de
       rédaction de «palliative ch»
    69 Eleonore Arrer è un nuovo membro del comitato di
       redazione di «palliative ch»

    Sektionen und Regionen · Sections et régions ·
    Sezioni e regioni
                                                             Coverfoto: Der an ALS erkrankte und kürzlich verstorbe-
    70 Zürich                                                ne Physiker Stephen Hawking anlässlich einer Vorlesung
    72 Bern                                                  zum 50. Geburtstag der US-Weltraumbehörde NASA. (Bild
    73 Ostschweiz                                            NASA / Paul E. Alers)

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           Weiterbildung im
                                                                                                    Abteilungsleiter Pflegezentren
                                                                                                     Witikon und Riesenbach und
                                                                                                                    FHS-Absolvent

           Gesundheitswesen
           MAS in Palliative Care
           Studienstart: Herbst 2018

           www.fhsg.ch/palliativecare
           oder weiterbildung@fhsg.ch

                                                                                                                                        eiz
                                                                                                                               stschw
                                                                                                                      hule O
                                                                                                        ch   hochsc
                                                                                                 FHO Fa

4   palliative ch · 2-2018
Palliative ch - ALS SLA SLA - Zeitschrift der Schweiz. Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung Revue de la Société Suisse ...
Editorial                                  Éditorial                                       Editoriale
Liebe Leserinnen und Leser,                Chères lectrices et chers lecteurs,             Care lettrici e cari lettori,

«die Amylotrophe Lateralsklerose (ALS)     «la sclérose latérale amyotrophique             «la sclerosi laterale amiotrofica (SLA) è
ist eine rasch voranschreitende, de-       (SLA) est une maladie dégénérative              una malattia degenerativa del sistema
generative Erkrankung des zentralen        du système nerveux central et péri-             nervoso centrale e periferico a rapida
und peripheren Nervensystems». Hin-        phérique progressant rapidement».               evoluzione». Dietro a questa defini-
ter dieser medizinischen Definition        Derrière cette définition médicale, il y        zione medica si cela una malattia che
steckt eine Krankheit, die mit gros-       a une maladie liée à une grande souf-           porta con sé una grande sofferenza
sem persönlichem Leid verbunden            france personnelle, tant pour les per-          personale, sia per i diretti interessa-
ist, sowohl für die Betroffenen selbst     sonnes concernées que pour leurs en-            ti che per i loro famigliari. I pazienti
wie auch für deren Umfeld. ALS-Pati-       tourages. Les patientes et les patients         colpiti da SLA sono gradualmente
entinnen und -Patienten können kör-        SLA peuvent de moins en moins exécu-            sempre meno in grado di svolgere fun-
perliche Funktionen immer weniger          ter les fonctions physiques – de lents          zioni fisiche – un addio a rate. Queste
ausführen – ein Abschied auf Raten.        adieux. L'isolement se conjugue sou-            perdite spesso comportano anche un
Mit diesen Verlusten geht häufig auch      vent avec ces pertes. Sandra Schadek,           graduale isolamento. Sandra Schadek,
Isolation einher. Sandra Schadek, eine     une jeune femme atteinte par la SLA,            una giovane donna colpita da SLA, nel
junge von ALS betroffene Frau be-          décrit de façon impressionnante ce que          proprio libro descrive in modo toccan-
schreibt in ihrem Buch «Ich bin eine In-   cela signifie dans son livre «Ich bin eine      te cosa questo significa: «Sono un'iso-
sel: Gefangen im eigenen Körper» ein-      Insel: Gefangen im eigenen Körper (Je           la: prigioniera nel mio stesso corpo».
drücklich, was das bedeutet. Für das       suis une île: captive dans mon propre           Per il team di cura questo isolamento
professionelle Betreuungsteam ist ne-      corps / en version allemande unique-            rappresenta una grande difficoltà da
ben der medizinischen, pflegerischen       ment)». Pour l'équipe professionnelle           affrontare, oltre a quelle rappresen-
Betreuung diese Isolation eine grosse      de soins, cet isolement constitue un            tate dall’assistenza medica e di cura. I
Herausforderung. Das Bestreben, den        défi majeur s'ajoutant aux soins mé-            tentativi di creare per le persone colpi-
Betroffenen immer wieder kleine            dicaux et infirmiers. Le souci de conti-        te dalla malattia dei piccoli ponti verso
Brücken in den Alltag zu bauen und         nuer sans cesse à construire de petits          la quotidianità e di realizzare una buo-
Lebensqualität, Freude und Genuss          ponts pour les personnes concernées             na qualità di vita, gioia e piacere vanno
zu ermöglichen, stösst an Grenzen          afin de les relier avec la vie quotidienne,     a scontrarsi con le restrizioni dettate
durch den zunehmend eingeschränk-          de sorte de leur permettre une qualité          da un corpo vieppiù limitato. Si incap-
ten Körper. Es besteht die Gefahr, dass    de vie, de la joie et du plaisir, atteint ses   pa nel pericolo di creare al contrario
stattdessen Frust, Verzweiflung und        limites à cause du corps de plus en plus        maggiore frustrazione, disperazione
das Gefühl des Versagens zunehmen.         restreint dans ses possibilités. En lieu        e la sensazione di aver fallito. Quanto
Wie schwierig diese Gratwanderung          et place, il existe le danger que la frus-      sia difficile e labile questo equilibrio
ist, kommt in unserem zweiten Artikel      tration, le désespoir et le sentiment           emerge in modo chiaro nel nostro se-
sehr deutlich zum Ausdruck.                d'échec s'accroissent. Notre second             condo articolo.
                                           article exprime très clairement à quel
                     Herzlich grüsst Sie   point cet équilibre est délicat.                Cordiali saluti,

                                           Un salut cordial vous est adressé par                             Verena Gantenbein,
                                                                                                membro del comitato di redazione
                                                             Verena Gantenbein,
                                                   membre du comité de rédaction

                   Verena Gantenbein,
   Mitglied der Redaktionskommission

                                                                                                                                       5
Palliative ch - ALS SLA SLA - Zeitschrift der Schweiz. Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung Revue de la Société Suisse ...
ALS

    Amyotrophe Laterasklerose – eine Krankheit
    mit besonderen Herausforderungen
    Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine unheilbare          und Zigarettenrauch (10). Auch sportliche Aktivität wurde
    degenerative Erkrankung überwiegend des motorischen               als Risikofaktor vorgeschlagen. Die Relevanz dieser Einflüsse
    Nervensystems der Erwachsenen. Bis zu 50 % der Erkrank-           in der Pathogenese von ALS bleibt jedoch unklar (11).
    ten entwickeln zudem im Verlauf der Erkrankung kognitive
    Einschränkungen und Verhaltensauffälligkeiten (1, 2). Die
    Krankheit wurde erstmals 1869 vom französischen Patho-            ALS-Formen, Symptome und Verlauf
    logen und Neurologen Jean-Martin Charcot beschrieben
                                                                      Schwermetalle (z.B. Quecksilber, Blei, Eisen), niederfrequente elektromagnet
    (3) und wird deshalb auch Maladie de Charcot / Charcot-­          Bei der ALS kommt es zur Degeneration der motorischen
                                                                       Felder, Pestizide und Zigarettenrauch (10). Auch sportliche Aktivität wurde als
    Erkrankung genannt. In den USA ist die Krankheit auch             Neuronen in der Hirnrinde (oberes oder 1. motorisches
                                                                       kofaktor vorgeschlagen. Die Relevanz dieser Einflüsse in der Pathogenese vo
    unter dem Namen des im Alter von 37 Jahren an der                 Neuron) sowie im Hirnstamm und Rückenmark (unteres
                                                                       bleibt jedoch unklar (11).
    Krankheit verstorbenen Baseball-Spielers Lou Gherig (Lou-         oder 2. motorisches Neuron) (Abb. 1). An ALS Erkrankte
    Gherig Disease) bekannt (4).                                      können sich zu Beginn der Erkrankung mit überwiegend
                                                                       ALS-Formen,einer
                                                                      Symptomen        Symptome     und Verlauf
                                                                                              Schädigung    des oberen motorischen
                                                                       Bei der ALS
                                                                      Neurons        kommt es zur
                                                                                  präsentieren.     Degeneration
                                                                                                 Dazu               der motorischen
                                                                                                         gehören Spastik              Neuronen in der H
                                                                                                                            oder Schwä-
    Häufigkeit, Vorkommen und Ursache der ALS                          (oberes
                                                                      che.  Erstoder  1. motorisches
                                                                                  im Verlauf          Neuron)Erkrankung
                                                                                               der weiteren    sowie im Hirnstamm     und Rückenmark
                                                                                                                             manifestie-
                                                                       odersich
                                                                      ren    2. motorisches   Neuron)
                                                                                  Zeichen einer        (Abb. 1). An
                                                                                                   Schädigung     desALS   Erkrankte
                                                                                                                        unteren      können sich zu Be
                                                                                                                                 motori-
    Die ALS gehört mit einer Inzidenz von 2:100 000 Einwoh-           schen    Neurons
                                                                       Erkrankung         wie Faszikulationen,
                                                                                     mit überwiegend   SymptomenMuskelkrämpfe
                                                                                                                    einer Schädigung  und
                                                                                                                                        des oberen mot
    nern zu den sogenannten seltenen Erkrankungen (orphan             Muskelschwund.       OderDazu
                                                                       Neurons präsentieren.      die gehören
                                                                                                        Erkrankung    manifestiert
                                                                                                                 Spastik              sich Erst im Ver
                                                                                                                           oder Schwäche.
    disease) (5). Die Anzahl von ALS-Betroffenen in der Schweiz       zuerst
                                                                       weiteren mit Zeichen des
                                                                                  Erkrankung       unteren Motoneurons
                                                                                               manifestieren sich Zeichen einerohne  Hin-
                                                                                                                                  Schädigung   des unte
    wird auf etwa 500 – 700 Personen geschätzt. Diese Inzidenz        weise    für Neurons
                                                                       torischen   eine Schädigung     des oberenMuskelkrämpfe
                                                                                            wie Faszikulationen,     Motoneuronsund  (12).Muskelschwun
    gilt weltweit. Die Krankheit beginnt in ca. 80 % der Fälle        Durch    diese vielfältige
                                                                       die Erkrankung            Präsentation
                                                                                         manifestiert sich zuerststellt die Diagnose
                                                                                                                   mit Zeichen         der Motoneuro
                                                                                                                                des unteren
    zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr. Selten betrifft die          ALS zu Beginn eine Herausforderung dar. Es gibt keinen
                                                                       Hinweise für eine Schädigung des oberen Motoneurons (12). Durch diese v
    ALS jüngere Erwachsene. Männer erkranken etwas öfter als          Test für die Diagnose einer ALS. Die Diagnose wird durch
                                                                       Präsentation stellt die Diagnose der ALS zu Beginn eine Herausforderung
    Frauen (3:2).                                                     Ausschluss anderer möglicher Ursachen und aufgrund der
                                                                       gibt keinen Test für die Diagnose einer ALS. Die Diagnose wird durch Aus
                                                                      Krankheitsprogression gestellt.
                                                                      anderer möglicher Ursachen und aufgrund der Krankheitsprogression gestellt
    Die Ursache der ALS bleibt auch nach fast 150 Jahren ihrer
    Erstbeschreibung durch Charcot noch immer unklar. Ca.
    5 – 10 % der ALS sind familiär (6). Die restlichen 90 % der ALS
    treten sporadisch auf (keine positive Familienanamnese).
                                                                        1. Motorisches
    Man geht davon aus, dass in Patienten mit ALS eine gene-            Neuron
                                                                                                                      3. Muskel (Myos)
    tische Prädisposition besteht, die durch die Interaktion mit
    Umwelteinflüssen zum Krankheitsausbruch führt (7).
                                                                        2. Motorisches
                                                                        Neuron
    Familiär gehäuftes Auftreten von ALS führten zur Identi-
    fizierung von Genveränderungen, die gelegentlich auch
    bei den sporadischen Fällen auftreten. Zu den am häu-
    figsten auftretenden Veränderungen gehören C9orf72,
    TARDBP-43 (TAR DNA Binding Protein 43), SOD1 (Super-              Abb. 1. Motorisches System
                                                                      Abb. 1: Motorisches System
    oxid Dismutase) und FUS (RNA Binding Protein FUS) (8).
    Die am häufigsten auftretende Mutation C9orf72 kommt               Abhängig vom
                                                                      Abhängig     vomBeginn
                                                                                         Beginnderder
                                                                                                   Erkrankung  werden
                                                                                                       Erkrankung      drei Formen
                                                                                                                    werden          unterschieden: di
                                                                                                                              drei For-
    in ca. 30 % der familiären ALS-Fälle und in 5 % der spora­        men unterschieden: die bulbäre, die spinale und die res-bulbären Verla
                                                                       re, die spinale  und die respiratorische Verlaufsform.  Bei der
    dischen ALS-Fälle vor, aber auch in 25 % der familiären            sind die im Verlaufsform.
                                                                      piratorische   Hirnstamm liegenden
                                                                                                      Bei der Motoneuronen    zuerst betroffen, wodu
                                                                                                              bulbären Verlaufsform
    frontotemporalen Demenz (FTD).                                    sind  die im
                                                                       Sprech-, Kau-Hirnstamm      liegenden Motoneuronen
                                                                                       und Schluckmuskulatur                    zuerstwird (Abb. 2).
                                                                                                               atroph und geschwächt
                                                                      betroffen, wodurch die Sprech-, Kau- und Schluckmusku-
    Die Beobachtung von Gebieten (Insel Guam, West Pazi-              latur atroph und geschwächt wird (Abb. 2). Sprechprob-
    fik oder Halbinsel Kii, Japan) und Gruppen mit gehäuftem          leme und Schluckstörungen charakterisieren den Beginn
    Auftreten von ALS liessen Umwelteinflüsse als einer der           dieser ALS-Form, die bei ca. 25 % der ALS Patienten vor-
    Faktoren für die Ursache der ALS vermuten. Dazu gehören           kommt. Oft besteht auch eine emotionale Labilität, die
    ­Cyanotoxine (9), Schwermetalle (z. B. Quecksilber, Blei, Ei-     sich durch ungewolltes / unkontrolliertes Lachen oder
     sen), niederfrequente elektromagnetische Felder, Pestizide       Weinen äussert.

6   palliative ch · 2-2018
Palliative ch - ALS SLA SLA - Zeitschrift der Schweiz. Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung Revue de la Société Suisse ...
probleme
tät,        und
     die sich   Schluckstörungen
              durch              charakterisieren Lachen
                    ungewolltes/unkontrolliertes  den Beginn
                                                         oderdieser
                                                              WeinenALS-Form,
                                                                      äussert.die
bei ca. 25 % der ALS Patienten vorkommt. Oft besteht auch eine emotionale Labili-
tät, die sich durch ungewolltes/unkontrolliertes Lachen oder Weinen äussert.

                                                                   Das Fortschreiten der Erkrankung verläuft unterschiedlich
                                                                   schnell und individuell, wie der Krankheitsverlauf des kürz-
                                                                   lich verstorbenen US-Physikers Stephen Hawking eindrück-
                                                                   lich illustriert. Er ist im Alter von 21 an ALS erkrankt und
                                                                   hat damit noch mehr als 50 Jahre gelebt. In der Regel ist die
                                                                   durchschnittliche Lebenserwartung mit 3 – 5 Jahren nach
                                                                   Symptombeginn jedoch deutlich verkürzt. Die Ausbreitung
                                                                   der Erkrankung ist unvorhersehbar.

                                                                    Bei einer relevanten Anzahl von Betroffenen fallen auch
                                                                    Störungen der Kognition und des Verhaltens auf. Je nach
Abb. 2. Zungenatrophie                                              Autor werden bei bis zu 50 % der Betroffenen Veränderun-
                                                                    gen des Verhaltens, der Motivation oder kognitiver Funkti-
Abb.2.2.
Abb.       Zungenatrophie
        Zungenatrophie                                              onen beschrieben. 5 % aller ALS-Patienten entwickeln eine
Sind zuerst die im Rückenmark liegenden Vorderhornzellen                                      erkrankt, entwickeln sich
                                                                    FTD (14). Zur Abklärung von neuropsychologischen Sympto-
Sindzuerst
Sind    zuerst
Muskelatrophie    dieRückenmark
             die im    imund
                           Rückenmark
                               Schwäche        liegenden
                                                  an Armen
                                  liegenden Vorderhornzellen   Vorderhornzellen
                                                                   und/oder         auferkrankt,
                                                                                Beinen.
                                                                    men steht ein            Hier
                                                                                        Deutsch  undentwickeln
                                                                                                     spricht    man sich
                                                                                                       Schweizerdeutsch von    der
                                                                                                                           validier-
erkrankt, entwickeln sich Muskelatrophie und Schwäche an ter Edinburgh Cognitive and Behavioral ALS Screen (ECAS)
Muskelatrophie
spinalen      Form.     und
                         Sie Schwäche
                               betrifft      an Armen
                                          ungefähr        70% und/oder
                                                                   der     Beinen. Hier spricht
                                                                         Erkrankungen.          Atrophe manParesen
                                                                                                               von der
Armen und / oder    Beinen. Hier spricht man   von der spinalen     zur Verfügung   (15) .Die Feststellung von kognitivenfallen
                                                                                                                             Beein-
spinalen
Form.  Sie   Form.
           betrifft    Sie
                    ungefähr betrifft
                             70  %  der ungefähr
                                        Erkrankungen. 70%     der
                                                         Atrophe    Erkrankungen.        Atrophe     Paresen
                                                                    trächtigungen und Verhaltensauffälligkeiten
in der Grosszahl der Fälle zu Beginn distal auf, im Bereich der Handmuskulatur                                   fallen
                                                                                                                    ist wichtig für
Paresen fallen in der Grosszahl der Fälle zu Beginn distal auf, Erkrankte und deren Betreuer, da die Beeinträchtigung von
in der Grosszahl der Fälle zu Beginn distal auf, im Bereich der Handmuskulatur
(„Split-hand“-Phänomen,                 Abb. 3) oder der exekutiven
im Bereich der Handmuskulatur («Split-hand»-Phänomen,                Fussmuskulatur,
                                                                                Funktionen mit typischerweise          als eine
                                                                                                  einem schnelleren Verlauf    und
(„Split-hand“-Phänomen,
Abb.  3) oder der Fussmuskulatur,Abb.        3) oderalsder
                                      typischerweise         eineFussmuskulatur,
                                                                    Verhaltensänderungentypischerweise
                                                                                             mit einer höherenals  eine der Be-
                                                                                                                Belastung
Fussheberparese.             Die distal beginnenden Atrophien und Paresen breiten sich meist
Fussheberparese. Die distal beginnenden Atrophien und treuer vergesellschaftet ist (16).
Fussheberparese. Die distal beginnenden Atrophien und Paresen breiten sich meist
Paresen breiten sich
kontinuierlich           meist proximal
                      nach     kontinuierlichaus.nach Typische
                                                        proximal      Beschwerden zu Krankheitsbeginn sind
kontinuierlich
aus.                 nach proximal
     Typische Beschwerden                  aus. Typische
                              zu Krankheitsbeginn      sind auchBeschwerden zu Krankheitsbeginn sind
auch     Muskelkrämpfe
Muskelkrämpfe                    in vor
                  in der Bein- und   derallem
                                           Bein-     und
                                                 in der     vor allem
                                                         Waden-            in der Wadenmuskulatur. Sehr selten
                                                                    Betreuung
auch Muskelkrämpfe in der Bein- und vor allem in der Wadenmuskulatur. Sehr selten
muskulatur. Sehr selten äussern sich die ersten Symptome
äussern       sich die Lähmungen.
                           ersten Symptome               in Form      von spastischen           Lähmungen.          Dies     führt
äussern
in Form vonsich     die ersten Symptome
             spastischen                             in einer
                                         Dies führt zu   Form zu- von   spastischen
                                                                    Angesichts           Lähmungen.
                                                                                des kontinuierlichen        Dies führt
                                                                                                       Fortschreitens   der Erkran-
zu   einer zunehmenden
nehmenden
zu einer     zunehmenden
              Steifigkeit.           Steifigkeit.
                                  Steifigkeit.
                                                                    kung ist eine regelmässige Betreuung (ca. alle drei Monate)
                                                                    in einem auf ALS spezialisierten und multiprofessionellen
                                                                    Zentrum (mit Neurologen, Pneumologen, Physiotherapeu-
                                                                    ten, Ergotherapeuten, und speziell ausgebildet Pflegenden)
                                                                    ratsam. Dabei werden, u. a. mittels klinischer Untersuchung,
                                                                    ALS-FRS-R Skala, Gewichtsmessung und Überprüfung der
                                                                    Lungenfunktion, Probleme frühzeitig identifiziert und an-
                                                                    gegangen. Die multidisziplinäre Betreuung verbessert die
                                                                    Lebensqualität, verringert die Anzahl der Spitalaufenthal-
                                                                    te, verkürzt die Zeit der Hospitalisation und verlängert die
                                                                    Überlebensdauer (17, 18). Dies ist sicherlich auf eine Opti-
                                                                    mierung der medikamentösen und nicht-medikamentösen
                                                                    Therapien und bessere Adhärenz zurückzuführen.

                                                                   Therapie und Hilfsmittel

                                                                   Da die Ursache der ALS noch nicht bekannt ist, gibt es bis-
                                                                   lang auch keine ursächliche Behandlung, die die Krankheit
Abb. 3. «Split-hand»-Phänomen                                      zum Stillstand bringen oder heilen kann. Prinzipiell gibt es
                                                                   zwei Therapieansätze: einerseits die krankheitsverzögern-
Bei der respiratorischen Form ist als erstes die Atemmus-          den Therapien und andererseits symptomatische Therapien.
kulatur betroffen und Betroffene klagen über vermehrte
Atemprobleme beim Treppensteigen, Wandern, Bergstei-               Das einzig in der Schweiz zugelassene ALS-spezifische
gen oder anderen sportlichen Betätigungen. Diese Form ist          Präparat Riluzol (Rilutek) bewirkt eine Verzögerung des
eher selten. Bei höchstens 5 – 10 % der Betroffenen beginnt        Krankheitsverlaufes (19). Fälschlicherweise wird davon
die ALS auf diese Art (13).                                        ausgegangen, dass die Lebensverlängerung nur drei Mo-

                                                                                                                                       7
Palliative ch - ALS SLA SLA - Zeitschrift der Schweiz. Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung Revue de la Société Suisse ...
nate beträgt. Die Wirksamkeit beim einzelnen Patienten             se-Patienten zugelassen. Sie sind aber auch bei der Spastik bei
    ist jedoch nicht bestimmbar. Auch darf man nicht ausser            ALS wirksam und werden off-label gebraucht (21).
    Acht lassen, dass die Zulassungsstudien für Rilutek Pati-
    enten eingeschlossen haben, die zu einem grossen Teil              Schmerzen
    in einem weit fortgeschrittenen Stadium waren und so               15 – 85 % der Patienten mit ALS berichten über Schmerzen,
    – da Rilutek dann nicht mehr wirksam ist – das statisti-           die häufiger nozizeptiv als neuropathisch sind (22). Gaba-
    sche Ergebnis verschlechtert haben. Datenbanken aus                pentin, Pregabalin und trizyklische Antidepressive werden
    verschiedenen Ländern zeigen, dass der «Rilutek-Effekt»            bei neuropathischen Schmerzen, und nicht steroidale Anti-
    viele Monate betragen kann. Verlängert werden die frü-             rheumatika (NSAR), Opiate und Cannabis bei nozizeptiven
    hen Krankheitsstadien, nicht das Endstadium. Dieses Me-            Schmerzen angewendet.
    dikament hat mehrere Wirkmechanismen («dirty drug»),
    u. a. vermindert es eine zellschädigende Wirkung des Ner-          Muskelkrämpfe
    venbotenstoffes Glutamat. Riluzol wird gut vertragen. Die          Muskelkrämpfe stellen die Ursache von Schmerzen bei ca.
    häufigsten Nebenwirkungen sind ein Anstieg der Leber-              25 % der Betroffenen, hauptsächlich mit spinaler Form,
    enzyme und eine Asthenie (Mangel an Energie).                      dar (23). Sie werden mit Chininsulfat, Levetiracetam oder
                                                                       Mexiletin behandelt. Bei Anwendung von Chininsulfat ist
    Seit Mai 2017 ist zudem das Präparat Edaravone (Radicava®)         auf kardiale Arrhythmien, Bradykardie und verlängertem
    in den USA zugelassen (20), das bereits seit 2015 als Radicut®     QT-Intervall zu achten. Eine weitere wirkungsvolle Option
    in Japan zur Behandlung der ALS zugelassen ist. Das Medi-          ist Cannabis-Öl (24).
    kament verzögert ebenfalls die Krankheitsprogression (in
    Kombination mit Riluzol) einer selektionierten Patienten-          Sialorrhoe
    gruppe (frühe Krankheitsphase, schneller Krankheitsverlauf).       Sialorrhoe (Hypersalivation), einhergehend mit «drooling»
    Überlebensdaten wurden aufgrund der kurzen Studienzeit             und Ansammlung des Speichels in der Mundhöhle, ist eines
    von sechs Monaten keine erhoben. Edaravone ist ein Radikal-        der unangenehmsten Symptome, das oft mit der bulbären
    fänger, der in der Behandlung bei Hirninfarkt in Asien bereits     Form oder in einem fortgeschrittenen ALS-Stadium auftritt.
    seit längerem eingesetzt und intravenös gegeben wird. Die          Die Sialorrhoe kann mit Anticholinergika wie Atropin, Scopola-
    Patienten mit ALS erhalten das Medikament jeden Tag für            min, und Amitriptylin behandelt werden. Eine häufige Neben-
    zwei Wochen, gefolgt von einem zweiwöchigen Unterbruch,            wirkung ist Müdigkeit. Eine andere Möglichkeit besteht in der
    mit Wiederaufnahme der Therapie für zehn Tage pro Monat.           Anwendung der Kombinationstherapie Dextromethorphan
                                                                       und Chinidinlösung 0.9 %, was dem in den USA nicht aber in
    Mit jedem Patienten soll die Möglichkeit einer Therapie mit        der Schweiz oder Europa zugelassene Nuedexta entspricht
    ­Rilutek und Edaravone diskutiert werden. Im Falle von Edara-      (25). Bei ungenügendem Ansprechen können Botulinumto-
     vone sollten die Vor- und Nachteile auf einer individuellen Ba-   xininjektionen in die Speicheldrüse angewendet werden (26).
     sis evaluiert werden. Nebst den anfallenden Kosten (das Medi-
     kament ist in der Schweiz nicht zugelassen und ein Gesuch für     Depressionen
     die Kostengutsprache erfolgt nach KVV Art. 71) sollten Zeit-      Depressionen wurden bei bis zu 50 % der Patienten be-
     aufwand (mindestens eine Stunde pro Tag an zehn Tagen pro         richtet. Mögliche Therapieoptionen sind ein selektiver
     Monat), Applikationsart (intravenös) und Nutzen in Abhängig-      Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (z. B. Escitalopram)
     keit des Krankheitsstadiums diskutiert werden.                    oder trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin).

    Aufgrund der limitierten ALS-spezifischen Behandlungs-             Pathologisches Lachen und Weinen
    möglichkeiten kommt der optimalen Symptomkontrolle                 Sie können sehr einschränkend sein und kommen bei bis
    eine grosse Bedeutung zu. Im Vordergrund steht der Erhalt          50 % der Patienten vor (27). Sie werden ebenfalls mit einem
    der Lebensqualität und der Selbstständigkeit des Patienten         selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer oder trizyk-
    und somit indirekt auch der Angehörigen. Für viele der läs-        lischen Antidepressiva behandelt. Eine alternative effektive
    tigen Symptome (z. B. Speichelfluss) sind wirksame Medika-         Behandlung stellt Dextromethorphan und niedrig dosiertes
    mente vorhanden (Tab. 1):                                          Chinidin (Nuedexta) dar. Darunter kann die Symptomatik
                                                                       bis zu 50 % reduziert werden (28).
    Spastik
    Spastik manifestiert sich bei den meisten ALS-Patienten, aber      Ein wesentlicher Teil der Behandlung von ALS-Betroffenen
    nur ein kleiner Teil braucht eine Therapie. Die am häufigsten      bilden therapeutische Interventionen der Physiotherapie,
    angewendeten Therapien sind die Myorelaxantien Tizanidine          der Ergotherapie, Logopädie und Ernährungsberatung. Bei
    und Baclofen. Bei ausgeprägter Spastik kann das Myorelaxans        allen therapeutischen Interventionen ist es wichtig, einen
    kontinuierlich via Baclofen-Pumpe gegeben werde. Cannabi-          Therapeuten mit Kenntnis und Erfahrung mit dieser Krank-
    noide sind für die Behandlung der Spastik bei Multiple-Sklero-     heit zu wählen.

8   palliative ch · 2-2018
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Spastik                                 Physiotherapie
                                         Baclofen (evtl. Baclofen-Pumpe), Tizanidin
                                         Cannabis-Öl
 Schmerzen                               Nichtsteroidale Antirheumatika und Opiate nach WHO-Stufenschema,
                                         Cannabis-Öl
 Muskelkrämpfe                           Chininsulfat (200 – 400 mg / Tag), Mexiletin, Levetiracetam, Cannabis-Öl
 Sialorrhoe (Speichelfluss)              Scopolaminpflaster, Amitriptylin, Pirenzepin, Atropintropfen, Kombinations-
                                         therapie mit Chinidinlösung 0.9 % und Dextromethorphan (Nuedexta®)
                                         Botulinumtoxininjektionen
 Zäher Schleim                           Physiotherapie
                                         Hustenassistent (cough assist)
                                         Vermehrte Flüssigkeitszufuhr
                                         Acetylcystein (300 – 600 mg / Tag), Guaifenesin
 Angst, Atemnot                          Benzodiazepin (z. B. Temesta), Morphin Tropfen 2 %
 Depressionen                            Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (z. B. Escitalopram)
                                         Trizyklika (z. B. Amitriptylin)
 Pathologisches Lachen und Weinen        Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (z. B. Escitalopram), Kombinations­
                                         therapie mit Chinidinlösung 0.9 % und Dextromethorphan (Nuedexta®)

Tab. 1. Möglichkeiten der symptomatischen Therapie bei ALS (unvollständig)

Ziele der physiotherapeutischen Behandlung sind der Er-       wichtes und wahrscheinlich eine bessere Lebensqualität
halt der Motorik, der Beweglichkeit und der Atemfunk-         und längeres Überleben (31).
tion, u. a. auch mit angepassten Hilfsmitteln. Ziele der
ergotherapeutischen Behandlung sind die Evaluation            Eine Dysarthrie bis zu einer Anarthrie tritt bei mehr als 80 %
von Hilfsmitteln zur Erleichterung oder Ermöglichung          der ALS-Patienten im Verlauf der Erkrankung auf. Logopädie
von alltäglichen Aktivitäten sowie der Unterstützung bei      kann das Fortschreiten der Sprechstörung verzögern. Bei zu-
Anpassungen der Wohnung bei fortschreitendem Krank-           nehmenden Sprechschwierigkeiten ist der Einsatz von alter-
heitsverlauf. Ziele der logopädischen Behandlung sind         nativen Kommunikationstechniken einzusetzen (32).
Erhalt der Sprech- und Schluckmuskulatur, Erleichterung
des Schluckens und Erhöhung der Schlucksicherheit sowie       Mit zunehmender Schwächung der Atemmuskulatur kann
Erhalt der Kommunikationsfähigkeit, allenfalls auch mit       eine nicht invasive Beatmung (NIV) zum Erhalt der Lebens-
Hilfsmitteln. Besonders bei der bulbären Verlaufsform,        qualität und Verlängerung des Überlebens beitragen (33).
bei der als erstes auch Kau- und Schluckschwierigkeiten       Symptome oder Zeichen einer zunehmenden Schwächung
auftreten können, ist es wichtig, eine ausreichende und       der Atemmuskulatur sind Dyspnoe, Orthopnoe, morgend-
ausgewogene Ernährung sicherstellen zu können. Dies           liche Kopfschmerzen oder erhöhte Tagesmüdigkeit, eine
kann mit Anpassung der Ernährung (z. B. Nahrungsmit-          Vitalkapazität < 80 % des normalen, altersadaptierten Wer-
telauswahl und -konsistenz, proteinreichen und hochka-        tes, pCO2 > 45 mmHg, oder sPO2 < 90 % für mehr als 5 %
lorischen Ernährungszusätze und -drinks) und Übungen          der Schlafenszeit. Die Auswahl und Anpassung von entspre-
(Schlucktechniken, Kopfhaltung) geschehen. Eine ausrei-       chenden Atemhilfsgeräten und der notwendigen Atem-
chende Ernährung mit Unterstützung der Ernährungs-            masken werden von Pneumologen übernommen. Dazu
beratung ist wichtig, da die ALS mit einem erhöhten           gehört auch die Versorgung und Einschulung von Patienten
Katabolismus einhergeht und ein Gewichtsverlust und           und pflegender Angehörigen in den «cough assist», sollte
Mangelernährung mit einem schnelleren Krankheitsver-          ein verminderter Hustenstoss die Sekretmobilisation in den
lauf vergesellschaftet ist (29). Bei ausgeprägter Schluck-    Bronchien oder Rachenraum erschweren. Daneben kann
störung besteht die Möglichkeit, eine perkutane endosko-      der «cough assist» auch zur regelmässigen Lungendehnung
pische Gastrostomie-Sonde (PEG) einzulegen. Es gibt keine     verwendet werden sowie zur Vorbeugung von Atelektasen.
etablierten Kriterien des Zeitpunkts einer solchen Einlage,
aber ein Gewichtsverlust von mehr als 5 % und / oder ver-
mehrte Schluckprobleme sind Indikationen dazu (30). Die       Lebensende und palliative Versorgung
rechtzeitige Einlage einer perkutanen endoskopischen
Gastrostomie (PEG) gewährt eine ausreichende Flüssig-         Das Lebensende kann herausfordernd sein und ist cha-
keits- und Nahrungszufuhr, Stabilisierung des Körperge-       rakterisiert durch eingeschränkte Mobilität, zunehmende

                                                                                                                               9
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respiratorische Insuffizienz, Schwierigkeiten der Kommu-        tionale Labilität. Die Erkennung und die effektive Behandlung
     nikation, und, in einigen Fällen, durch kognitive Einschrän-    dieser Faktoren sind zentral für den Erhalt der Lebensqualität.
     kungen. In den meisten Fällen führt die zunehmende
     respiratorische Insuffizienz aufgrund eines Hyperkapnie-
     induzierten Komas (CO2-Narkose) friedlich zum Tod (34).         Finanzielle und versicherungsrechtliche Probleme
     Atemnot kann durch Morphin gemindert werden (Tab. 1).
                                                                     Nebst der emotionalen Belastung stehen nach der Diagno-
     Eine frühzeitige Diskussion und das Verfassen einer Patien-     se einer ALS und im Verlauf der Erkrankung finanzielle und
     tenverfügung, in welcher der Patient seine Wünsche und          versicherungsrechtliche Fragen im Raum. Für erwerbstätige
     Vorstellungen bezüglich lebensverlängernden und palliati-       ALS-Patienten ist die Invalidenversicherung (IV), für pensio-
     ven Massnahmen festhält, garantiert dem Patienten genug         nierte ALS-Patienten die Alters- und Hinterbliebenenversi-
     Zeit zum Überlegen zu einem Zeitpunkt, wo die Kommu-            cherung (AHV) zuständig. In einer ersten Phase kommt die
     nikation und die kognitiven Fähigkeiten noch vorhanden          freiwillige Krankentaggeldversicherung (KTG) zum Tragen,
     sind. Zudem können diese Diskussionen auch des Patienten        welche die Lohnfortzahlung der Angestellten bei Krankheit
     Ängste vor dem Lebensende und dem Tod nehmen. Dank              sichert. In der Regel läuft diese Versicherung 720 Tage zu
     der Palliativmedizin können viele der im Endstadium auf-        80 % des versicherten Lohnes. Nach Ablauf dieser Zeit tritt
     tretenden Symptome effektiv behandelt werden. Auch hier         die IV (1. Säule) und die berufliche Vorsorge (BVG, 2. Säu-
     ist der multidisziplinäre Zugang (ALS-Zentrum / Palliativme­    le) in Kraft. Ohne Krankentaggeldversicherung besteht
     dizin / ambulante Dienste / Hausärztin / Hausarzt) zentral,     eine Lohnfortzahlung nach Obligationenrecht (OR). Die IV
     um ein friedliches Sterben zu ermöglichen und Patienten so-     kommt für Hilfsmittel, die IV-Rente, Hilflosenentschädi-
     wie Angehörigen die notwendige Unterstützung zu geben.          gung und Assistenzbeiträge auf.

                                                                     Versicherte der IV haben im Rahmen einer vom Bundesrat
     Lebensqualität                                                  aufgestellten Liste Anspruch auf Hilfsmittel, die sie benö-
                                                                     tigen, um weiter erwerbstätig oder in ihrem bisherigen
     Das Ziel von Ärzten und anderen in die Pflege Involvierten      Aufgabenbereich (z. B. als Hausfrau oder Hausmann) tätig
     ist die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten. Dies ist    bleiben zu können. Die IV kommt aber auch auf für Hilfsmit-
     eine Herausforderung, da sich aufgrund der fortschreiten-       tel, die für die Schulung, Ausbildung und funktionelle Ange-
     den Erkrankungen für den Patienten und das Umfeld immer         wöhnung benötigt werden. Anderseits haben Versicherte
     wieder neue Situationen ergeben, die es zu meistern gilt.       der IV auch Anspruch auf Hilfsmittel, die sie brauchen, um
                                                                     ihren privaten Alltag möglichst selbständig und unabhängig
     Die Mehrheit der ALS-Patienten berichtet über eine hohe         zu bewältigen. Dazu gehören Hilfsmittel für die Fortbewe-
     Lebensqualität und stabile psychische Verfassung, die un-       gung, für die Herstellung von Kontakten mit der Umwelt
     abhängig vom Krankheitszustand und Zeitpunkt der Dia-           und für die Selbstsorge. Zur Beantragung von Hilfsmitteln
     gnose sind (35, 36). Psychosoziale Faktoren wie Persönlich-     muss zuerst eine IV-Anmeldung (Früherfassung) erfolgen.
     keitsmerkmale, spirituelle Überzeugung und Verschiebung         Der Entscheid einer IV-Rente liegt spätestens nach zwei
     von Werten und Prioritäten beeinflussen die Lebensqualität      Jahren (Ablauf der KTG) vor. Ein Anspruch auf eine IV-Rente
     massgeblich. So treten beispielsweise körperliche Aktivitä-     besteht, wenn der Betroffene während eines Jahres ohne
     ten in den Hintergrund und soziale Interaktionen oder Spiri-    wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu
     tualität in den Vordergrund. Die Lebensqualität verschlech-     40 % arbeitsunfähig gewesen ist und wenn nach Ablauf des
     tert sich, wenn Betroffene das Gefühl haben, nur noch eine      Jahres eine Erwerbsunfähigkeit von 40 % oder mehr besteht.
     Belastung für andere zu sein. Oft ist genau dieses Gefühl das
     zentrale Argument für den Wunsch nach einer vorzeitigen         Die Hilflosenentschädigung soll Menschen mit einer Behin-
     Lebensbeendigung. Daneben liegt es häufig aber auch an ei-      derung eine unabhängige Lebensführung ermöglichen. Sie
     nem Gefühl der (sozialen) Isolation und der fehlenden Sinn-     unterstützt versicherte Personen, die wegen einer gesund-
     findung. Hier sind die Unterstützung durch die Familie und      heitlichen Beeinträchtigung für alltägliche Lebensverrich-
     das soziale Netzwerk insgesamt sehr bedeutend.                  tungen bzw. um soziale Kontakte zu pflegen, die (kosten-
                                                                     pflichtige) Hilfe Dritter benötigen oder auf lebenspraktische
     Viele Faktoren können die Lebensqualität des Betroffenen je-    Begleitung angewiesen sind. Die Höhe der Leistung hängt
     doch negativ beeinflussen. Insbesondere die psychische Ver-     vom Grad der Hilflosigkeit und davon ab, ob die versicherte
     fassung (Depressionen, Hoffnungslosigkeit) hat einen mass-      Person in einer Pflegeinstitution oder zu Hause wohnt. Die
     geblichen Einfluss auf die Lebensqualität (37). Depressive      Hilflosenentschädigung ist vom Einkommen und Vermögen
     Episoden können sich in jedem Stadium der ALS-Erkrankung        unabhängig. Der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung
     entwickeln. Andere negative Faktoren sind Kommunikations-       entsteht frühestens nach Ablauf der einjährigen Wartezeit
     schwierigkeiten, Müdigkeit, Schmerzen, Dysphagie und emo-       nach Anmeldung.

10   palliative ch · 2-2018
Der Assistenzbeitrag ermöglicht es Bezügerinnen und Be-                            9. Bradley, W. G., et al. Is exposure to cyanobacteria an environmental risk
                                                                                   factor for amyotrophic lateral sclerosis and other neurodegenerative disea-
zügern einer Hilflosenentschädigung, die auf regelmässige
                                                                                   ses? Amyotroph. Lateral Scler. Frontotemporal Degener. 2013; 14, 325 – 333.
Hilfe angewiesen sind, aber dennoch zu Hause leben möch-
ten, eine Person einzustellen, welche die erforderlichen                           10. Bozzoni, V., et al. Amyotrophic lateral sclerosis and environmental
Hilfeleistungen erbringt. Mit dem Assistenzbeitrag sollen                          factors. Functional Neurology 2016; 31, 7 – 19.

in erster Linie die Selbstbestimmung und Eigenverantwor-                           11. Renton, A. E., Chio, A., und Traynor, B.J. State of play in amyotrophic
tung gefördert werden, damit die betroffenen Personen zu                           lateral sclerosis genetics. Nat Neurosci 2014; 17, 17 – 23.
Hause leben können. Die volljährige versicherte Person hat
                                                                                   12. Al-Chalabi, A., et al. Amyotrophic lateral sclerosis: moving towards a new
Anspruch auf einen Assistenzbeitrag, wenn sie eine Hilf-
                                                                                   classification system. Lancet Neurol 2016; 15, 1182 – 1194.
losenentschädigung der IV bezieht und zu Hause lebt. Mit
dem Assistenzbeitrag werden ausschliesslich Hilfeleistun-                          13. Kiernan, M. C., et al. Amyotrophic lateral sclerosis. Lancet 2010; 377,
                                                                                   942 – 955.
gen finanziert, die von einer mittels Arbeitsvertrag ange-
stellten natürlichen Person (Assistenzperson) erbracht wer-                        14. Phukan, J., et al. The syndrome of cognitive impairment in amyotrophic
den. Die versicherte Person fungiert dabei als Arbeitgeberin                       lateral sclerosis: a population-based study. J Neurol Neurosurg Psychiatry
oder Arbeitgeber und die Assistenzperson als Arbeitneh-                            2012; 83, 102 – 108.

merin oder Arbeitnehmer. Die Vertragsparteien regeln die
                                                                                   15. Lulé, D., et al. The Edinburgh Cognitive and Behavioural Amyotrophic
arbeitsrechtlichen Aspekte (Lohnfortzahlung bei Krankheit,                         Lateral Sclerosis Screen: a cross-sectional comparison of established
Ferienabwesenheit oder längerem Spitalaufenthalt der ver-                          screening tools in a German-Swiss population. Amyotroph Lateral Scler
                                                                                   Frontotemporal Degener. 2015; 16, 16 – 23.
sicherten Person, Kündigungsfrist) untereinander.
                                                                                   16. Urke, T., et al. Caregiver burden in amyotrophic lateral sclerosis: a cross-
Die pensionierten ALS-Patienten sind versicherungstechnisch                        sectional investigation of predictors. J. Neurol. 2015; 262, 1526 – 1532.
weniger gut gestellt. Hilfsmittel werden weniger häufig über-
                                                                                   17. Rooney, J., et al. A multidisciplinary clinic approach improves survival in
nommen und Kosten nur zu 75 % rückvergütet. Schliesslich                           ALS: a comparative study of ALS in Ireland and Northern Ireland. J. Neurol.
können bei einer Rente (AHV, IV), welche die minimalen Le-                         Neurosurg. Psychiatry. 2015; 86, 496 – 501.
benskosten nicht deckt, Ergänzungsleistungen beantragt wer-
                                                                                   18. Van den Berg, J P., et al. Multidisciplinary ALS care improves quality of life
den. Diese Leistungen werden durch die Kantone ausgerich-
                                                                                   in patients with ALS. Neurology. 2005; 65, 1264 – 1267.
tet. Mögliche Ansprechpartner betreffend finanziellen und
versicherungstechnischen Fragen sind der Verein ALS Schweiz,                       19. Lacomblez, L., et al. Dose-ranging study of riluzole in amyotrophic late-
                                                                                   ral sclerosis. Amyotrophic Lateral Sclerosis  Riluzole Study Group II. Lancet
Pro Infirmis, und das Sozialamt der Gemeinden und Kantone.
                                                                                   1996; 347, 1425 – 1431.

      Nathalie Braun, Christoph Neuwirth und Markus Weber                          20. Writing Group, Edaravone (MCl-186) ALS 19 Study Group. Safety and
                                                                                   efficacy of edaravone in well-defined patients with amyotrophic lateral
                                                                                   sclerosis: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet Neu-
                                                                                   rol. 2017; 16, 505 – 512.
Referenzen
                                                                                   21. Amtmann, D., et al. Survey of cannabis use in patient with amyotrophic
1. Phukan, J., et al. The syndrome of cognitive impairment in amyotrophic          lateral sclerosis. Am. J. Hosp. Palliat. Care. 2004; 21, 95 – 104.
lateral sclerosis: a population-based study. J. Neurol. Neurosurg. Psychiatry
2012; 83, 102 – 108.                                                               22. Chio, A., et al. Pain in amyotrophic lateral sclerosis. Lancet Neurol. 2017;
                                                                                   16,144 – 157.
2. Elamin, M., et al. Cognitive changes predict functional decline in ALS: a
population-based longitudinal study. Neurology 2013; 80, 1590 – 1597.              23. Stephens, H., et al. National study of muscle cramps in ALS in the USA.
                                                                                   Amyotroph. Lateral Scler. Frontotemporal Degener. 2017; 18, 32 – 36.
3. Salomone, G., und Arnone, R. Charcot and his drawings: images from
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                                                                                                                              leiter Muskelzentrum / ALS Clinic,
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     phic lateral sclerosis. J Neurol Scie 2001; 191, 103 – 109.

                                         Dr. med. Dr. sc. nat. Nathalie                                                       Prof. Dr. med. Markus Weber
                                         Braun (MD, PhD)
                                                                                                                              Zentrumsleiter Muskelzentrum /
                                         Fachärztin für Neurologie,                                                           ALS Clinic, Kantonsspital St. Gallen
                                         Oberärztin am Muskelzentrum /
                                         ALS Clinic, Kantonsspital St. Gallen                                                 markus.weber@kssg.ch

                                         nathalie.braun@kssg.ch

12   palliative ch · 2-2018
SLA

La sclérose latérale amyotrophique – une maladie
avec des défis particuliers (Résumé)
La sclérose latérale amyotrophique (SLA) est la forme la plus     Étant donné que les médicaments spécifiques à la SLA
courante des maladies du motoneurone chez les adultes,            peuvent certes retarder la maladie, mais pas la stopper ou la
avec une incidence de 2:100 000, mais une maladie rare (or-       guérir, le traitement symptomatique et les moyens d'aide sont
phan disease). En raison de la perte continue des capacités       d'une importance capitale. Ils servent à maintenir la qualité de
et de l'incurabilité, la maladie représente un grand défi à       la vie et l'autonomie. En raison de la progression continue de la
la personne atteinte et à son entourage. La liaison avec un       maladie, la personne concernée et ses proches sont constam-
centre SLA spécialisé qui offre des soins interdisciplinaires     ment aux prises avec de nouvelles situations qui ont des impli-
(entre autres physiothérapie, pneumologie, conseil nutri-         cations psychiques, sociales et également financières.
tionnel) est essentielle pour une qualité de vie élevée et une
durée de vie plus longue.                                                Nathalie Braun, Christoph Neuwirth et Markus Weber

SLA

La sclerosi laterale amiotrofica – una grande
­difficoltà (Riassunto)
La sclerosi laterale amiotrofica (SLA) è la forma più frequen-    I farmaci specifici per la SLA sono in grado di rallentare la
te della malattia del motoneurone negli adulti, anche se, con     malattia, ma non di fermarla del tutto o di guarirla. Per que-
un'incidenza di 2:100 000, rimane una malattia rara (orphan       sto una terapia ed aiuti sintomatici svolgono un ruolo cen-
disease). A causa della graduale perdita delle capacità e della   trale, contribuendo a mantenere il livello di qualità di vita
sua incurabilità, questa malattia rappresenta per le persone      e di autosufficienza. Con il progredire della malattia sia la
colpite e i loro famigliari un grande problema da affrontare.     persona colpita che i suoi famigliari vengono continuamen-
Per permettere una buona qualità di vita e poter vivere più       te confrontati con nuove situazioni, avendo implicazioni
a lungo è essenziale collegarsi ad un centro specializzato        psichiche, sociali e anche finanziarie.
per SLA in grado di offrire un'assistenza interdisciplinare (ad
esempio fisioterapia, pneumologia e consulenza alimentare).               Nathalie Braun, Christoph Neuwirth e Markus Weber

                                                                                                                                      13
ALS

     Palliative Care in der speziellen Pflegesituation
     ­einer ALS-Patientin
     Der folgende Artikel beleuchtet in drei Teilen die besonderen Herausforderungen, die mit der Amyotrophen Late-
     ralskrelose (ALS) für die Patientinnen und Patienten, das Pflegteam und die Angehörigen verbunden sind. Es geht
     um Frau B., die nicht mehr zu Hause betreut werden kann. Sie kommt auf die Palliativstation im Kantonsspital
     Graubünden in Chur, wo sich ihr Zustand so weit stabilisiert, dass sie in ein Pflegeheim verlegt werden kann. Die
     Suche nach der passenden Institution beginnt. Es wird ein Platz gefunden, die Patientin wird verlegt. Wie gehen
     die Beteiligten mit dieser Situation um? Was braucht es seitens der Medizin, der Pflege und Angehörigen, um das
     möglich zu machen?

     Teil 1: Vom Zuhause auf die Palliativstation – ein Gespräch    ein sehr zentrales Thema ist. Daher haben wir von Anfang
     mit Cristian Camartin, leitender Arzt der Palliativstation     an die Logopädin und Ernährungsberaterin beigezogen.
     im Kantonsspital Graubünden

     Mit 14 Betten gehört die Palliativstation des Kantonsspi-      Die Logopädin?
     tals Graubünden zu den grössten der Schweiz. Seit der Er-      Die Logopädin unterstützte die Patientin nicht nur bezüg-
     öffnung der Palliativstation werden durchschnittlich ein       lich Essen einnehmen, sondern auch in der Sprache und
     bis zwei ALS-Patienten pro Jahr betreut und entsprechend       Kommunikation. Der Einsatz der Logopädie zeigte sich hier
     gross ist die Erfahrung. Die Geschwindigkeit des Krank-        als sehr wertvoll, da die Nahrungsaufnahme für Frau B. das
     heitsverlaufes einer ALS ist bei jedem Patienten anders,       zentrale Thema war. Frau B. wollte selber essen und Son-
     sie kann unerwartet schnell oder auch äusserst langsam         dennahrung lehnte sie von Anfang ab.
     sein. Wann welches Symptom eintritt, lässt sich kaum zu-
     verlässig voraussagen. Einzig gemeinsam ist der lineare
     Verlauf – das heisst, es findet eine konstante Verschlech-
     terung statt.

     Wie kam es dazu, dass Frau B. von ihrem Zuhause auf die
     Palliativstation verlegt wurde?
     Cristian Camartin: Frau B. wurde von ihrem Ehemann und
     ihrer Tochter daheim betreut. Die Abmachung und der
     Wunsch der Familie waren, sie bis zu ihrem Tod zu Hause
     zu begleiten. Mit der Zeit nahm der Betreuungsaufwand
     so sehr zu, dass sich der Mann und die Tochter eingeste-
     hen mussten, dass sie es nicht mehr schaffen. Es ist anzu-
     merken, dass ALS-Patienten auf unterschiedlichen Ebenen
     enorm betreuungsintensiv sein können. Frau B. war auf
     medizinischer Ebene gut eingestellt, aber ihre Ernährung
     brauchte äusserst viel Zeit.

     Wie verlief die Aufnahme von Frau B.?
     Frau B. wollte nicht ins Spital. Das ist natürlich verständ-
     lich, aber auch eine erschwerende Ausgangslage. Die Zu-
     weisung kam in Absprache mit dem Hausarzt und den
     Angehörigen, es war also ein Direkteintritt auf die Pallia-
     tivstation. Wenn immer möglich streben wir einen solchen
     an, um so die Notfallstation zu entlasten. Es folgte das
     Aufnahmegespräch im Team – Ärzte und Pflege –, wo wir
     in der Situationsanalyse festgestellt haben, dass die Nah-
     rungsaufnahme und verbale Kommunikation von Frau B.            Cristian Camartin

14   palliative ch · 2-2018
Wie wurde die Patientin begleitet?                              Gab es keine Bedenken?
Bei ALS-Patienten kommen zahlreiche Disziplinen zum             Natürlich sind bei solchen Transfers immer Bedenken da.
Einsatz: Ergotherapie, Physiotherapie und bei Frau B. auch      Ist aber die Bereitschaft seitens eines Pflegeheims da, sich
Musiktherapie. So gesehen nehmen ALS-Patienten grossen          mit uns auf eine intensive Vorbesprechung einzulassen, so
Raum ein, um diese Therapien zu ermöglichen. Frau B. war        können allfällige Bedenken bereinigt werden. In diesem Fall
kognitiv sehr präsent und sagte stets klar ihre Meinung.        lagen keine wirklich schwierigen Symptome seitens der Pa-
Mit zunehmendem Sprachverlust nutzte sie für ihre Kom-          tientin vor – Atemnot war kein Thema –, so dass wir hier
munikation eine Sprachtafel.                                    sehr entspannt handeln konnten.

«Die Nahrungsaufnahme war das zentrale Thema» – was             Was haben Sie dem Cadonau-Team mitgegeben?
ist damit gemeint?                                              Es fand eine sehr intensive Übergabe von unserem Pflege-
Frau B. war für unser Team eine anspruchsvolle Patientin.       team an das Cadonau statt. Die Stationsleiterin des Cado-
Sie hatte eine sehr klare Vorstellung, wie ihr Essen und des-   nau kam vor dem Übertritt der Patientin sogar bei uns auf
sen Konsistenz zu sein hatte. Aus medizinischer, pflegeri-      der Station vorbei, um die Patientin und das Pflegeteam
scher und auch aus schmerztherapeutischer Sicht konnten         kennenzulernen und sich auszutauschen. Wir sind uns
wir sie gut stabilisieren. Auch ihre Angehörigen waren sehr     bewusst und haben entsprechende Erfahrung, dass ins-
präsent. Doch die Nahrungszubereitung und in zunehmen-          besondere Schnittstellen genau besprochen und geplant
dem Masse auch die Nahrungseingabe beanspruchten im             werden müssen. Zudem verweisen wir auf den Palliativen
Verlauf ihres Aufenthaltes immer mehr Zeit, so dass wir         Brückendienst und auf die Möglichkeit, bei Fragen oder
eine Lösung für alle Beteiligten finden mussten.                Unsicherheiten 24 Stunden am Tag mit uns Kontakt auf-
                                                                zunehmen. Und nicht zuletzt benennen wir auch, dass ein
                                                                Patient, wenn es wirklich nicht geht, auch jederzeit wieder
Wie sind Sie diese Herausforderung angegangen?                  zurück auf die Palliativstation verlegt werden kann.
Wir haben ein Rundtischgespräch einberufen. Nebst der
Thematik der Nahrungsaufnahme benannte Frau B. un-
missverständlich, dass sie unbedingt nach Hause und kei-        Ein geglückter Transfer von der Palliativstation
nen Tag länger als nötig bei uns auf der Station bleiben        ins ­Pflegeheim?
wollte. Natürlich gibt es die Patientenautonomie – aber es      Ja, das kann man durchaus so sagen. Auch wenn es für die
gibt im gleichen Masse auch die Autonomie der Angehöri-         Patientin selber sicher eine als sehr schwierig erlebte Situa-
gen. So war es für uns klar, dass eine Rückkehr nach Hause      tion war, so haben aus unserer Sicht alle Beteiligten ihr Best-
für Frau B. nicht möglich war, da allen voran ihr Ehemann       mögliches gegeben, um der Patientin ein gutes Umfeld für
am Ende seiner Kräfte war. Diese Sicht zu berücksichtigen       die letzte Phase ihres Lebens zu bieten: Die Angehörigen, die
gehört auch zur Palliative Care.                                Teams des Cadonau und der Palliativstation.

Bei einem solchen Rundtischgespräch entscheidet die Pa-
tientin mit, wer daran teilnimmt. Bei diesem Gespräch war       Teil 2: Von der Palliativstation ins Pflegeheim – die Sicht
schliesslich nebst den Pflegefachpersonen, den Ärzten,          von Astrid Allemann und Bernadette Stieger, Seniorenzen-
dem Ehemann und der Tochter auch unsere Sozialdienstlei-        trum Cadonau
terin dabei. Das Resultat war eindeutig: Wir hatten auf der
Palliativstation soweit alles erreicht, dass eine Anschluss-    Das Cadonau ist sowohl ein Seniorenzentrum als auch
lösung für die Patientin ins Auge gefasst werden musste.        ein Pflegeheim. Es ist das erste Mal, dass hier eine ALS-
Gemeint ist, wenngleich wir eine Palliativstation sind, so      Patientin stationär aufgenommen wird. «Wir haben je-
sind wir doch eine Akutabteilung und keine Langzeitein-         doch bereits Erfahrung mit ALS-Patienten, die wir als
richtung. Bei der Patientin Frau B. stand klar die Pflege       Feriengäste betreut haben», erklärt Astrid Allemann,
im Vordergrund und entsprechend suchten wir eine An-            Pflegedienstleiterin im Cadonau. «Uns war daher sehr be-
schlussmöglichkeit.                                             wusst, wie schwierig es ist, für eine ALS-Patientin einen
                                                                Platz zu bieten – die Betreuung ist ja nahezu eins zu eins.»
                                                                Für sie war daher zuerst die Frage zu klären, ob die be-
ALS-Patienten zu betreuen und zu pflegen ist anspruchs-         nötigte Pflegeintensität durch das Cadonau-Pflegeteam
voll. War es schwer, für die Patientin eine geeignete           überhaupt erbracht werden kann. Das zentrale Thema
Institution zu finden?                                          der Nahrungszubereitung und der Nahrungseingabe für
Wir haben bereits mehrfach und immer gut mit dem Seni-          die Patientin galt es ebenfalls klar zu erläutern. Mit diesen
orenzentrum Cadonau in Chur zusammengearbeitet. Mit             Fragen gelangte Astrid Allemann an Bernadette Stieger,
unserer Anfrage sind wir auf offene Ohren gestossen.            Stationsleiterin im Cadonau.

                                                                                                                                  15
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