PEGIDA UND DER VERFASSUNGS-SCHUTZ - ANALYSEN PARTEIEN UND DEMOKRATIE
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Analysen Parteien und Demokratie Pegida und der Verfassungs- schutz Felix Korsch
Inhalt Asylkritik, mit und ohne Hakenkreuz 2 1 Einleitung 6 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen im Diskurs um Pegida 8 3 Die Pegida-Bewegung im Spiegel der Verfassungsschutzberichte 14 4 Berichterstattung und Beobachtung als Verfassungsschutzpolitik 26 5 Pegida als ständiger Prüffall 31 6 Reziproke Anpassung 34 7 Pegida und die Grenzen des Verfassungsschutzes 38
2 «Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.» J. W. v. Goethe Asylkritik, mit und ohne Hakenkreuz Anstelle eines Vorworts In den vergangenen Monaten ist in der Sachsen oder Ostdeutschland beschrän- Bundesrepublik – mit deutlichen regio- ken. nalen Schwerpunkten – eine ungeahnte, An der fortgesetzten Entwicklung hat buchstäblich un-heimliche Eskalations- die extreme Rechte einen unleugbaren dynamik zu beobachten. Der staatliche Anteil, aus der heraus sich offenbar ei- Versuch, sie einzudämmen, bewertet ne neue Fraktion formiert, die durch ei- das Geschehen augenscheinlich kaum nen vigilantistischen Aktionismus1 ge- als ein innenpolitisches Risiko. Er teilt da- eint ist: Das ist beispielsweise der Fall bei für, wo zeitweise Grenzen erschlossen einer sogenannten Bürgerwehr in Frei- werden, mit dem Rassismus deutscher tal, bei Teilen der «Reichsbürger»-Bewe- Nation die Signatur des Illiberalen.Diese gung im Umfeld der «Initiative Heimat- scheint seit gut einem Jahr immer stär- schutz» in Meißen sowie bei überörtlich ker auf und begegnet uns – das ist be- mobilisierungsfähigen, hooligan-artigen merkenswert – in Gestalt einer sozialen Gruppierungen, die mehrfach bei Legi- Bewegung von rechts. Im Oktober 2014 da (Leipzig gegen die Islamisierung des begann die Serie von Pegida-Demonstra- Abendlandes)2 in Leipzig ihre Aufwar- tionen in Dresden. Außerhalb der säch- tung machten. Wissenschaftlich gestütz- sischen Landeshauptstadt tritt Pegida te Einordnungen sind angesichts der dy- (Patriotische Europäer gegen die Isla- namischen Gemengelage noch äußerst misierung des Abendlandes), von we- rar.3 Der Verfasser hat bislang versucht, nigen Ausnahmen abgesehen, inzwi- den Aufschwung der Pegida-Bewegung schen nicht mehr in Erscheinung. Recht synchron ist es allerdings zu anhalten- 1 Damit wird ein gewaltaffines Gruppenhandeln zur Durch- setzung oder Verteidigung bestehender oder erwünschter den Protestmobilisierungen in Mittel- Normen, insbesondere Privilegien, bezeichnet; vgl. Johnston, und selbst Kleinstädten gekommen, die Les: What is Vigilantism?, in: British Journal of Crimonology 2/1996, S. 220–236. 2 Die meisten Pegida-Ableger haben ih- sich – teils unverkennbar – formal, inhalt- re Eigenbezeichnungen entsprechend an das Dresdner Vor- lich und selbst personell auf das Dresd- bild angelehnt und um einen Ortshinweis ergänzt. 3 Jüngst erschienen: Kiess, Johannes: 50 Shades of Brown: Pegida und ner Vorbild beziehen, aber insbesondere der Wunsch nach Autorität, in: Möllers, Martin/van Ooyen, gegen Asylsuchende und deren Unter- Christian (Hrsg.): Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2014/2015, Frankfurt a.M. 2015, S. 207–222; Salzborn, Samuel: Demokra- bringung gerichtet sind. Dafür stehen in tieferne Rebellionen. Pegida und die Renaissance völkischer Verschwörungsphantasien, in: Frindte, Wolfgang u. a. (Hrsg.): (vorerst) letzter Konsequenz die als Po Rechtsextremismus und «Nationalsozialistischer Untergrund». gromversuch zu wertenden Ausschrei- Interdisziplinäre Debatten, Befunde und Bilanzen, Wiesbaden 2015, S. 359–366; Jennerjahn, Miro: Sachsen als Entstehungs- tungen von Heidenau. Dafür stehen ort der völkisch-rassistischen Bewegung PEGIDA, in: Braun, auch die vollendeten Anschläge in vielen Stephan u. a. (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten. Hin- tergründe – Analysen – Antworten, 2., akt. u. erw. Aufl., Wies- anderen Orten, die sich mitnichten auf baden 2015, S. 533–558.
in ihrer Hochphase und die elektoralen allerdings beim Worte nehmen, müsste 3 Auswirkungen nachzuzeichnen.4 Dem- man auch die NPD als «National-Demo- nächst erscheinen zwei weitere kleine kraten» für demokratisch erklären. Das Studien in einem bei der Forschungsstel- Abgeben oder Bestreiten solcher Be- le Rechtsextremismus und Neonazismus kenntnisse als entscheidendes Kriteri- (FORENA) der Fachhochschule Düssel- um für irgendetwas herzunehmen hieße dorf edierten Sammelband, die sich mit dann, die Verfassungsschutzbehörden Interaktionsverhältnissen Pegidas zur von jedem Auftrag, also auch von der ei- Alternative für Deutschland (AfD), poli- genen Verantwortung freizustellen. tischen Kräfteverhältnissen in der orga- Die tiefere Bedeutung des Maaßen’schen nisatorischen Kernsphäre sowie thema- Satzes wird unten von seiner diskursiven tischen Elementen der Protestagenda Vorgeschichte her zu erhellen sein, die, auseinandersetzen.5 wie sich zeigen wird, tatsächlich Einfluss Der hier vorgelegte Beitrag soll den auf die Entwicklung Pegidas hatte. Dass Blick weiten und auf einen Akteur auf- sich im Hinblick darauf kein «Beobach- merksam machen, der so selbstver- tungsauftrag» ergab, stand in dieser Zeit ständlich im medialen Diskurs ein- und überhaupt nicht fest. Wer das kritisiert, aufgeht, dass er als kollektive drama- muss damit rechnen, unter «Pro-Sozia tis personae zumeist gar nicht in Be- lismus-Verdacht» gestellt zu werden. 9 tracht gezogen wird. Gemeint sind die Bemerkenswert erscheint dem Verfas- Verfassungsschutzämter der Länder ser aber die jüngst publizierte Ansicht und des Bundes, die sich wiederholt, des Sozialwissenschaftlers und ehema- vor allem aber wiederholt widersprüch- ligen Mitarbeiters des nordrhein-west- lich zur Pegida-Bewegung und zu de- fälischen Landesamtes für Verfassungs- ren Umfeld eingelassen haben. Aus- schutz (LfV), Thomas Grumke, über die gewertet wurde dafür Material, das bis Verfassungsschutzämter: «Bisher ist je- Ende Juni 2015 angefallen ist, das also doch keine neue Qualität im professio- mit den Ereignissen in Heidenau und nellen Handeln bzw. der Auswertung des andernorts noch nicht rechnen konnte und auch nicht mit dem entscheiden- 4 Vgl. Korsch, Felix: Pegida – das erste halbe Jahr. Eine kriti- den Satz, mit dem sich der Präsident des sche Zwischenbilanz, in: Burschel, Friedrich (Hrsg.): Aufstand der «Wutbürger». AfD, christlicher Fundamentalismus, Pegida Bundesamtes für Verfassungsschutz und ihre gefährlichen Netzwerke. hrsg. von der Rosa-Luxem- (BfV), Hans-Georg Maaßen, schließ- burg-Stiftung, Reihe Papers, Berlin 2015, S. 58–66.; Korsch, Fe- lix: Pegida und die Kommunalpolitik, in: ebd., S. 66–69. 5 Vgl. lich aus der Affäre zog: «Pegida hat Häusler, Alexander (Hrsg.): Die Alternative für Deutschland. Programmatik, Entwicklung und politische Verortung, Wies- sich deutlich von Rechtsextremisten baden (im Erscheinen). 6 Zit. nach: Kauschke, Detlef David: distanziert, insofern hatten wir auch «Noch besteht Gefahr». Verfassungsschutz-Präsident Hans- Georg Maaßen über antisemitische Bedrohungen, NPD-Ver- keinen Beobachtungsauftrag.»6 Der Satz bot und Vertrauen in seine Behörde, 30.7.2015, unter: www. ist eine Irreführung, denn niemand, der juedische-allgemeine.de/article/view/id/22950. 7 Vgl. Botsch, Gideon: Was ist «Rechtsextremismus»? Definitionen, Problem- sich um politischen Einfluss bemüht, dimensionen und Erscheinungsformen, in: Botsch, Gideon/ Kopke, Christoph (Hrsg.): Die NPD und ihr Milieu. Studien und bekennt sich freiwillig zum «Extremis- Berichte, Münster/Ulm 2009, S. 24. 8 Vgl. Backes, Uwe: Ex- mus»,7 sondern wird dies bestreiten, um tremismus: Konzeptionen, Definitionsprobleme und Kritik, in: Backes, Uwe u. a. (Hrsg.): Jahrbuch Extremismus & Demokra- nicht in eine «Außenseiterposition im tie 2010, Bd. 22, Baden-Baden 2010, S. 13–31. 9 So z. B. Neu, Kommunikationsprozess» zu geraten. 8 Viola: Lehrbuch Extremismus – Wichtig oder nichtig?, in: Ba- ckes, Uwe u. a. (Hrsg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie Wollte man solche Selbstdarstellungen 2013, Bd. 25, Baden-Baden 2013, S. 297–299.
4 Rechtsextremismus zu erkennen. […] buchstäblich anfeuert, als «Rechtsextre- Nach wie vor gibt es […] weder auf der mist» bezeichnet werden kann. Genau- Arbeits- geschweige denn auf der Lei- er gesagt existiert dieser Unterschied tungsebene den systematischen Erwerb wenn, dann ausschließlich für die Verfas- von Fachkompetenz hinsichtlich des sungsschutzämter und deren Theoretike- Phänomens Rechtsextremismus.»10 Die rInnen: Das LfV Sachsen veröffentlichte Verdrängung der Pegida-Bewegung, ihr Ende Juli 2015 einen Beitrag, dem zufol- ähnlicher Strömungen und der bemer- ge die «überwiegende Mehrzahl asylkriti- kenswerten Verschiebungen in der re- scher Veranstaltungen im Freistaat Sach- zenten extremen Rechten aus dem amt- sen» von «nichtextremistischen Gruppen lichen Gesichtskreis spricht für diesen initiiert und getragen» werde. Allenfalls Befund. Maaßens Satz ist das Paradebei- habe man es mit «einzelnen Rechtsext- spiel genau dieses Befundes. remisten» zu tun. Dieser so bezeichneten Die Verfassungsschutzämter sprechen «Einzelfälle» wegen sollten die «asylkriti- ihre eigene Sprache, es ist die Seman- schen Initiativen des Freistaates Sachsen tik der Extremismustheorie. Sie fragt da- […] sensibel und mit deutlicher Abgren- nach, und nur danach, ob und inwieweit zung auf das Engagement von Rechtsex- sich politische Strömungen gegen die tremisten reagieren».12 Dann, so möchte Bundesrepublik Deutschland als demo- man mit Maaßen ergänzen, könne Ent- kratischen Verfassungsstaat und dessen warnung gegeben werden: Solange ei- freiheitlich-demokratische Grundord- ne Distanzierung vorliegt, rangiert «Asyl- nung (FdGO) richten. Wenn das der Fall kritik» als legitime Position innerhalb des ist, und nur dann, wird von «Extremis- Verfassungsbogens. mus» gesprochen. Dann, und nur dann, Es geschieht nicht oft, dass Verfassungs- ergibt sich ein «Beobachtungsauftrag», schutzämter ihr normiertes Vokabular der auch unter Anwendung geheim- erweitern, und es verwundert, dass der dienstlicher Methoden erfüllt wird. Ob Zweck dieser Erweiterung offensichtlich so vorgegangen werden sollte, braucht darin besteht, ein bestimmtes Protest- hier nicht diskutiert zu werden. Soweit spektrum vom Ruch des «Rechtsextre- nämlich Grumkes Befund zutrifft, kön- mismus» freizuhalten. Das ist keineswegs nen noch so viele Informationen auf be- Aufgabe der Ämter, aber doch ein Vorge- liebigem Meldeweg einlaufen – das Re- hen, das in Bezug auf Pegida schon er- sultat bleibt systematisch irrig. In Teilen der Wissenschaft, aber auch der Zivilge- 10 Grumke, Thomas: Prozesse und Strukturen der Verfas- sungsschutzämter nach dem NSU, in: Frindte (Hrsg.): Rechts- sellschaft und der Politik geht man davon extremismus und «Nationalsozialistischer Untergrund», S. aus, dass der Irrtum weniger individuel- 273f. 11 Vgl. u. a. Forum für Kritische Rechtsextremismusfor- schung (Hrsg.): Ordnung. Macht. Extremismus. Effekte und lem Unvermögen geschuldet ist, son- Alternativen des Extremismus-Modells, Wiesbaden 2011; dern einem zur Doktrin erhobenen Extre- Ackermann, Jan: Metamorphosen des Extremismusbegriffes. Diskursanalytische Untersuchungen zur Dynamik einer funk- mismusverständnis.11 tionalen Unzulänglichkeit, Wiesbaden 2015. 12 Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen: Rechtsextremisten versuchen Es macht auch beim hier verhandelten weiterhin Einfluss auf Anti-Asylveranstaltungen im Freistaat Thema sachlich keinen Unterschied, ob Sachsen zu nehmen, 29.7.2015, unter: http://verfassungs- schutz.sachsen.de/1621.htm. Lesenswert hierzu die Glosse dem hegemonialen Verständnis zufolge des Türkei-Korrespondenten der Tageszeitung Die Welt: Yücel, derjenige, der eine Unterkunft für Asyl- Deniz: Und wer schützt den Verfassungsschutz?, 5.8.2015, un- ter: www.welt.de/kultur/article144815456/Und-wer-schuetzt- suchende anzündet oder andere dabei den-Verfassungsschutz.html.
probt ist. Die Irritation ist komplett, wenn griff erneut in den Diskurs ein. So berich- 5 man sich anschaut, wann und von wem tete kürzlich die bayerische Polizei, an ei- der Begriff «Asylkritik» gebraucht wurde. ner Brücke im Landkreis Aschaffenburg Im aktuellen Kontext tauchte er zum ers- seien «asylkritische Banner» angebracht ten Mal Ende November 2014 auf, als sich worden. Keine Pointe: Auf ihnen prangten ein ehemaliger sächsischer NPD-Kom- Hakenkreuze.15 munalpolitiker selbst zum «Moderator Wenn anschließend versucht wird, die des asylkritischen Protests» erklärte. Es Schritte nachzuvollziehen, die bei derlei ist höchst zufällig derselbe NPD-Mann, Absurditäten enden, wird es nicht aus- den das LfV Sachsen als «Einzelfall» ei- bleiben, der Semantik der angewandten nes Rechtsextremisten unter lauter Un- Extremismustheorie zu folgen und inso- bescholtenen ausmacht. 13 Ende 2014 weit die Sprache der Verfassungsschutz- war «Asylkritik» zunächst in den Medi- ämter zu sprechen. Die «deutliche Ab- en als Chiffre für die Ziele der Teilneh- grenzung» des Verfassers gegen Stücke merInnen an den Pegida-Veranstaltungen dieser Werkschau darf vorausgesetzt übernommen worden. Während etliche werden. Medien und Presseagenturen von dem Etikett wieder Abschied nahmen,14 floss Felix Korsch es wenig später als quasi-amtlicher Be- September 2015 13 Protest gegen Asylheim, SäZ-Online, 30.11.2014, un- ter: www.sz-online.de/nachrichten/protest-gegen-asyl- heim-2984106.html. 14 Vgl. Stefanowitsch, Anatol: Kurze Ge- schichte eines Unwortes: Asylkritiker, 1.8.2015, unter: www. sprachlog.de/2015/08/01/kurze-geschichte-eines-unworts- asylkritiker/. 15 Vgl. Polizeipräsidium Unterfranken: Asylkri- tische Banner mit Hakenkreuzen an Staatsstraße, 15.9.2015, unter: www.polizei.bayern.de/unterfranken/news/presse/ak- tuell/index.html/227770.
6 1 Einleitung Wer sind die «Patriotischen Europäer taphorischen Ausdruck findet: dass «der gegen die Islamisierung des Abendlan- Verfassungsschutz» so etwas wie «das des» und wie bedenklich sind sie? Seit Fernlicht» der demokratischen Gesell- der Entstehung der Pegida-Bewegung schaft sei, mit dem Gefahren frühzeitig befinden sich unter den ExpertInnen, die ausgeleuchtet werden könnten. Doch in der Medienberichterstattung zur Ein- gerade vor dem Hintergrund der Pegi- ordnung des neuen Phänomens beitra- da-Bewegung, die ihrerseits Ausdruck gen sollen oder wollen, auch Mitarbeite- eines derzeit äußerst bedeutsamen ge- rInnen von Verfassungsschutzbehörden. sellschaftlichen Konfliktfeldes ist, steht An deren Einschätzungen ist nichts Be- das infrage, wie sich aus Äußerungen der sonderes, sie sind so vorläufig wie alle Verfassungsschutzämter selbst ergibt. anderen, sie können sich demnach als Nur diese Äußerungen können unter- zutreffend oder unzutreffend erweisen. sucht werden. Die eigentliche nachrich- Von Anbeginn fraglich war aber das amt- tendienstliche Tätigkeit, die von anderen liche Expertentum, denn zumindest die Erwägungen geleitet sein und die zu an- Stellungnahmen des Landesamtes für deren Resultaten gelangen könnte, bleibt Verfassungsschutz (LfV) Sachsen ha- dem Diskurs bis auf Weiteres entzogen. ben Anfang 2015 – auf dem Höhepunkt Dem gegenüber ist ein bleibender Ein- der Pegida-Bewegung – politischen Ein- fluss dieser Tätigkeit – genauer: der fluss auf den herrschenden Diskurs und bloßen Ahnung, dass sie stattfinden die Handlungsoptionen der Landesre- könnte – auf das Bewusstsein von Kriti- gierung genommen. Hierum wird es zu- kerInnen wie auch AnhängerInnen der nächst gehen. Pegida-Bewegung zu berücksichtigen. In der Zwischenzeit1 sind einige Verfas- Der kanadische Kriminologe Jean-Paul sungsschutzberichte für das vergangene Brodeur nannte dies «the threatening Jahr vorgelegt worden, von denen eine potential of secrecy»2 und bezeichnete Konsolidierung und Systematisierung damit eine zentrale, wenn auch zumeist der Informationslage zu erwarten gewe- vorbewusst bleibende Funktion des so- sen wäre. Stattdessen gehen Analysen, genannten high policing, wie sie die Ver- Bewertungen und Prognosen von Bun- fassungsschutzämter im Gegensatz zu desland zu Bundesland erheblich ausei- regulärer Polizeiarbeit (low policing) leis- nander, sodass sich ein Flickenteppich ten. Sie schreiben sich sogleich ein in ergibt, der grobe Webfehler aufweist. Erzählungen über Pegida, sei es in ap- Hierum soll es in zweiter Linie gehen. pellativer oder deskriptiver, in abweh- Die Absicht der vorliegenden Analyse ist render oder diffamierender Absicht. So nicht, den Ämtern eine andere Sichtwei- geht etwa der Investigativ-Journalist se nahezulegen; das steht dem Verfasser nicht an. Er kennt indes den selbstlegi- 1 Es wurden nachfolgend Quellen berücksichtigt, die bis En- timierenden Anspruch jener Behörden, de Juni 2015 vorlagen. Der Fokus liegt insoweit auf der Hoch- phase der Bewegung, die nach etwa einem halben Jahr zu der in den zumeist ministerlichen Vor- Ende war, nachdem mit einem Auftritt von Geert Wilders zum worten der Verfassungsschutzberichte vorerst letzten Mal eine fünfstellige Teilnehmerzahl erreicht worden war. 2 Brodeur, Jean-Paul: The Policing Web, Oxford in immer neuen Variationen seinen me- 2010, S. 230.
David Schraven von einer Radikalisie- Es geht in diesen Beispielen um eine 7 rung im Umfeld Pegidas aus und äußert möglichst drastische Abgrenzung, die aus diesem Grund die Hoffnung, dass sich beliebig verlängern oder weiterspie- der Verfassungsschutz «verdammt gut» geln lässt. Nachdem etwa im Juni 2015 arbeite und «tief in die ganze PEGIDA- im nahe Dresden gelegenen Freital eine Bewegung eingestiegen» sei. 3 Dafür rechte Protestserie, an der Bachmann spricht realiter wenig, wenn auch die zeitweise mitwirkte und die teils unter Besorgnis nachvollziehbar bleibt. Weit- dem Namen «Frigida» firmierte, in An- aus häufiger anzutreffen ist eine speku- griffen auf eine Unterkunft für Asylsu- lative Steigerung wie die folgende, der chende und auf AntirassistInnen münde- die Nachvollziehbarkeit bereits abgeht: te,7 distanzierte Bachmann sich von den «Lutz Bachmann mag das Gesicht der Vorfällen: Die hätten «VS-Schlapphüte PEGIDA sein, ihr Kopf ist er nicht. […] von der NPD» und andere eingeschleuste Welche Behörde würde besser zu den is- Provokateure angezettelt.8 Um die einge- lamfeindlichen, die Gesellschaft spalten- schränkte Glaubwürdigkeit einer solchen den Ergüssen von PEGIDA passen als der Abgrenzung muss es hier nicht gehen.9 sächsische Verfassungsschutz?»4 Über Es sollte dagegen die spezifische diskur- den kritischen Gehalt solcher Vermutun- sive Existenz des Verfassungsschutzes gen soll man sich keine Illusionen ma- auffallen, ob in kritischer oder apologe- chen, sie werden sehr ähnlich auch von tischer Absicht, ob in aller Öffentlichkeit ganz rechts formuliert: «Lutz Bachmann oder in internen, bald schon sektiereri- einte darauf seine Freunde und früheren schen Fehden. Dem liegt eine erfundene, Weggefährten, und sie gründeten […] um nicht zu sagen paranoide Vorstellung die PEGIDA. Ob das eine Spontaneität der Tätigkeit von Verfassungsschutzbe- war oder ob Dienste, Verfassungsschutz hörden zugrunde. Das aber überstrahlt u. a. dabei als Pate zur Seite standen, sei vollständig deren tatsächlichen, mindes- dahingestellt. […] Das oppositionelle La- tens rezeptiven Zugriff auf das Themen- ger zu bündeln und danach zu zerlegen, feld und die (Wechsel-)Wirkungen, die wäre ein mögliches Ziel gewesen.»5 An- sich daraus ergeben. haltspunkte dafür gibt es nicht. Trotz- dem ging eine im Namen der «Hooligans 3 Schraven, David: «Ich befürchte, dass wir bald schwe- gegen Salafisten» (HoGeSa) verbreite- re Anschläge erleben werden», Interview, 6.5.2015, unter: te Erklärung noch viel weiter: «Uns sind www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/politik-ge- sellschaft/oldschool-society-interview-david-schraven-100. Informationen aus der Motorrad-Szene html. 4 Ewen-Ungar, Gert: Wer steckt hinter PEGIDA? Lutz Bachmann mit Sicherheit nicht, 21.12.2014, unter: http://lo- zugespielt worden, wonach [eine Pegida- gon-echon.com/2014/12/21/wer-steckt-hinter-pegida-lutz- Führungsperson] als Spitzel agiert hat. bachmann-mit-sicherheit-nicht/. 5 Medger, Gerd: Die Ur- sprünge von Pegida, in: Die Aula 2/2015, S. 8. 6 Pegida die […] Auch haben wir uns gewundert, wie Wahrheit, 20.1.2015, inzwischen gelöscht; Kopie abrufbar un- gut organisiert diese Bewegung vorgeht. ter: https://web.archive.org/web/20150120185352/http://ho- gesa.info/?page_id=158. 7 Meisner, Matthias/Radau, Lars: […] Wo kommt das Geld dafür her und «Vergleiche mit Hoyerswerda sind angebracht», 23.6.2015, unter: www.tagesspiegel.de/politik/anti-asyl-proteste-in-frei- warum hat es die PEGIDA so leicht?»6 Be- tal-vergleiche-mit-hoyerswerda-sind-angebracht/11955918. lege wurden nicht präsentiert, und selbst html. 8 Bachmann, Lutz: Facebook-Profil, 24.6.2015, Kopie abrufbar unter: https://archive.is/DPvmV. 9 Kurz vorher war wenn es sie gäbe, würden sie die hinter- ein Gruppenfoto aufgetaucht, das Pegida-Sicherheitschef Sieg- fragten Erfolgsbedingungen kaum erklä- fried Daebritz an der Seite des NPD-Parteivorsitzenden Frank Franz und des ehemaligen NPD-Landtagsabgeordneten Arne ren. Schimmer zeigt.
8 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen im Diskurs um Pegida Gehen wir zunächst von dem aus, Auch sonst schien es so, als wäre das was das sächsische LfV selbst mitteilt. LfV mit seiner Warnung auf der Höhe Am Anfang war es folgende Passage: der Zeit. Denn allein in den drei voran- «Rechtsextremisten […] bedienen sich gegangenen Wochen war es in Chem- in ihrer Argumentation eines fremden- nitz, Zwickau, Plauen und Zwönitz zu feindlichen Weltbildes, das sich gegen Attacken gegen Flüchtlingsunterkünf- Asylbewerber, gleich welcher Herkunft, te, teils auch gegen deren BewohnerIn- richtet. Der pauschale Vorwurf des mas- nen gekommen.12 In Wilkau-Haßlau war senhaften Asylmissbrauchs und die da- zudem unter ungeklärten Umständen mit verbundene Verunglimpfung und Kri- ein Döner-Imbiss ausgebrannt, mehrere minalisierung der betroffenen Menschen Menschen hatten aus einem anliegen- lassen den extremistischen Kern ihrer den Wohnhaus gerettet werden müs- Agitation offen zutage treten.» Mit die- sen.13 Das LfV hätte also Anlässe gehabt, ser konventionellen Klarstellung warnte über Montagabende in Dresden oder das sächsische Landesamt für Verfas- andere sächsische Nächte zu berichten. sungsschutz öffentlich vor «rechtsextre- Doch mit jenen «rechtsextremistischen mistischen Anti-Asylkampagnen».10 Ent- Anti-Asyl-Kampagnen» meinte das Amt, scheidend war dabei der Zeitpunkt der pars pro toto, «insbesondere die NPD»14 Wortmeldung, der 10. November 2014. und sonst nicht viel mehr. Wer dieses be- An diesem Tag gingen in Dresden zum hördliche Deutungsangebot beim Wort vierten Mal die «Patriotischen Europäer nahm, konnte ihm implizit eine erste Ein- gegen die Islamisierung des Abendlan- schätzung über Pegida entnehmen: Falls des» auf die Straße. Daran beteiligten es sich um eine Anti-Asyl-Kampagne sich schon 1.700 Personen, in den Fol- handelt, ist sie jedenfalls nicht «rechtsex- gewochen sollte sich ihre Zahl schließ- trem». Ihr fehle, so kann man es verste- lich mehr als verzehnfachen. Der MDR hen, so etwas wie die NPD. hatte auf die damals unerwartete Ent- An diesem Befund änderte sich in der wicklung bereits zeitig in einem Fernseh- Folgezeit nichts Wesentliches. Ende No- beitrag hingewiesen, Pegida damit über- vember 2014, als Pegida schon bundes- regional bekannt und zugleich zu einem weit in den Medien war, äußerte sich Problem der öffentlichen Sicherheit ge- erstmals der sächsische Innenminister macht. Denn unter anderem wurde auf Markus Ulbig (CDU) ausführlich zum Verbindungen zum Netzwerk der «Hoo- Thema: Zwar sehe er die aktuelle Ent- ligans gegen Salafisten» hingewiesen, wicklung «mit Sorge», denke aber nicht, die sich wenige Tage zuvor unter Mitwir- 10 LfV Sachsen: Rechtsextremistische Anti-Asylkampagnen. kung zahlreicher Neonazis in Köln eine 10.11.2014, unter: http://verfassungsschutz.sachsen.de/1473. htm. 11 Vgl. Fragwürdige Demonstrationen – Wer steckt hin- Straßenschlacht mit der Polizei geliefert ter den Protesten?, MDR Exakt, 5.11.2014, unter: www.mdr. hatten, und wie sich ein Pegida-Mitorga- de/exakt/hooligans116.html. 12 Vgl. Deutscher Bundestag, Kleine Anfrage, Drs. 18/3964, S. 4f. 13 Vgl. Brand in Döner-Im- nisator gegenüber solcher Klientel über biss bleibt rätselhaft, Freie Presse, 25.3.2015, unter: www.freie presse.de/LOKALES/ZWICKAU/ZWICKAU/Brand-im-Doener- Muslime äußerte («bärtige Ziegenwäm- Imbiss-bleibt-raetselhaft-artikel9150761.php. 14 LfV Sachsen: ser»).11 Rechtsextremistische Anti-Asylkampagnen.
«dass alle, die da mitlaufen, Nazis oder rationen. Und auch Mitglieder der AfD 9 Rechte sind. Aber wir müssen genau hin- beteiligen sich. Sie versuchen, aus dem sehen, ob nicht unter den Organisatoren Schicksal der Flüchtlinge politisches Ka- Rattenfänger sind.»15 Während in dieser pital zu schlagen. Das ist niederträch- Hinsicht also noch nichts klar sei, hatte tig.»19 Ulbig in den Anti-Pegida-Protesten be- Ist Pegida also doch so etwas wie ei- reits eine konkrete Gefahr erkannt: «Ich ne «rechtsextremistische Anti-Asyl- halte es für gefährlich, wenn hier die übli- Kampagne»? Dieser Darstellung wur- chen Antifa-Reflexe kommen. Ich denke, de unverzüglich in einem anderen man kann bei dieser Konstellation nicht Presseorgan widersprochen, das eine pauschal gegen Demonstranten sein, die privilegierte Informationsquelle aufbot: ihre Meinung sagen.» Und in einer ande- «Rechtsextremisten beteiligen sich nach ren Hinsicht war gar schon Anlass zum Erkenntnissen des Landesamtes für Ver- Eingreifen gegeben: Im selben Interview fassungsschutz Sachsen bislang als Ein- kündigte Ulbig an, man werde eine «spe- zelpersonen an den Veranstaltungen der zialisierte Gruppe bei der Polizei einset- ‹Pegida›. Seit Ende November rufen NPD, zen, die sich mit den straffälligen Asyl- JN und auch einzelne neonationalsozia bewerbern intensiv beschäftigen wird».16 listische Gruppierungen offen zur Teil- Die Worte des Innenministers konnten nahme an den Veranstaltungen auf.» Sol- verstanden werden als eine Drohung an che Gruppierungen verbänden damit die die Adresse derjenigen, gegen die sich Hoffnung, «von der Mobilisierungskraft der Pegida-Protest richtete, als Delegiti- der ‹Pegida› zu profitieren.» Also nur ein mierungsversuch der Anti-Pegida-Pro- Versuch der Instrumentalisierung, von teste («gefährlich») und gegenüber Pe- gida selbst als eine Entwarnung («nicht 15 Thema Asyl: Innenminister plant Sondereinheiten, Mo- alle rechts»).17 Den ausdrücklichen Vor- po24, 24.11.2014, unter: https://mopo24.de/nachrichten/ innenminister-ulbig-sondereinheiten-fuer-straffaellige-asyl- behalt, «ob nicht unter den Organisato- bewerber-2517. 16 Erwähnenswert ist auch die wörtliche ren Rattenfänger sind», nahm Ulbig spä- Begründung: «Wenn deutsche Rocker Angst und Schrecken verbreiten, gehen wir knallhart dagegen vor. Und wenn Asyl- ter nach Angaben eines Pegida-Redners bewerber schwere Straftaten begehen, muss künftig ebenso konsequent durchgegriffen werden» (ebd.). Der Vergleich hat wieder zurück.18 eine doppelte Kriminalisierung zur Konsequenz, wonach Asyl- Die auffällige Ambivalenz in der Bewer- suchende nicht nur in einem Maße «kriminell» seien, das ein «intensiveres» Vorgehen als im Falle üblicher Strafverfolgung tung bekräftigte das LfV Sachsen Mitte nötig mache, sondern dass sich diese Kriminalität immer schon Dezember 2014 unter bemerkenswerten auf das Feld der Organisierten Kriminalität erstrecke. 17 Nicht wenige öffentliche Fürsprachen zugunsten Pegidas bedienten Begleitumständen. Ausgangspunkt war sich genau dieses Hinweises, man habe es bei den Demons- trierenden nicht ausschließlich mit AnhängerInnen der extre- ein ausführliches Presseinterview mit men Rechten zu tun. Allerdings ist die logische Gegenposition, dem sächsischen Ministerpräsidenten die Ulbig mutmaßlich für den sogenannten Antifa-Reflex hält, im hegemonialen Diskurs durch niemanden vertreten worden. Stanislaw Tillich (CDU). Er äußerte da- Antifaschistische Initiativen haben den Pegida-Versammlungen bei die Ansicht, zwar müsse man mit den und auch deren Teilnehmenden allenfalls rassistische Inhalte oder Motivationen unterstellt, was, wenn es zuträfe, noch im- Demonstrierenden ins Gespräch kom- mer nicht dasselbe wäre wie die pauschalisierende Betitelung sämtlicher TeilnehmerInnen als Nazis. 18 Vgl. Reinhold, Fabi- men, warnte dann aber: «Die NPD hat an: Anti-Islam-Demos: Pegida wächst weiter, 10.3.2015, un- sich diese Demonstrationen von Anfang ter: www.spiegel.de/politik/deutschland/pegida-mehr-teilneh- mer-und-ein-termin-in-berlin-a-1022668.html. 19 Zit. nach: an zu eigen gemacht. Nachdem sie nicht Gaugele, Jochen: Rolle der AfD bei Pegida-Protesten «nieder- mehr im Parlament auf sich aufmerksam trächtig», 10.12.2014, unter: www.welt.de/politik/deutschland/ article135200597/Rolle-der-AfD-bei-Pegida-Protesten-nieder- machen kann, nutzt sie diese Demonst- traechtig.html.
10 außen betrieben und durch Einzelne ge- gestimmt haben. Das ist überraschend, tragen. Pegida sei daher kein «Beobach- weil die Stellungnahme ausgesprochen tungsobjekt» des LfV Sachsen.20 «scharf» ist. Übertroffen wurde sie noch Es bleibt später zu diskutieren, warum vor Ort durch den nordrhein-westfäli- das so war. Beachtung verdienen hier zu- schen Innenminister Ralf Jäger (SPD), nächst einige Besonderheiten im setting. der im Zusammenhang mit der Pegida- Erstens: Dies war die allererste öffentli- Bewegung von «Neonazis in Nadelstrei- che Stellungnahme des LfV Sachsen zu fen» sprach und eine Beobachtung durch Pegida, abgegeben erst acht Wochen Verfassungsschutzbehörden ankündig- nach Beginn, kurz nachdem die damals te, «wenn sich Pegida verfestigt».23 Diese jüngste Demonstration in Dresden auf vielzitierte Ansicht Jägers, der zu der Zeit bereits 10.000 Teilnehmende angewach- immerhin IMK-Vorsitzender war, dürfte sen war. Zweitens: Die Veröffentlichung der Auffassung des sächsischen Innen- war platziert, um kraft Autorität des LfV ministeriums denkbar fern gestanden den sächsischen Ministerpräsidenten haben. In der Tat widersprach Ulbig un- regelrecht zurechtzuweisen und zwar, verzüglich, warnte erneut vor einer «re- drittens: in der Onlineausgabe der rech- flexhaften Stigmatisierung» und sagte ten Wochenzeitung Junge Freiheit. Sie weiter: «Natürlich [!] sind bei Pegida auch verwendete sich nicht das erste Mal für Rechtsextremisten dabei, aber wir kön- die im vorliegenden Falle durch Tillich ge- nen nicht 10.000 Menschen mit einem scholtene AfD21 und begleitete auch die Satz zu Nazis erklären.»24 Das LfV Sach- Pegida-Demonstrationen ausführlich. sen bekräftigte ihn darin nicht nur, son- Währenddessen weilte, viertens, Ulbig in dern es nahm dem IMK-Beschluss sofort Köln, wo bei der Innenministerkonferenz die Spitze und widerlegte Jäger sozusa- (IMK) über Pegida diskutiert und folgen- gen praktisch, denn das Amt hatte sich der Beschluss gefasst wurde: ja eben erst für unzuständig erklärt. Mit «Die IMK verurteilt die islamfeindliche anderen Worten: Was die IMK für eine Ausrichtung der Organisatoren von ‹PE- islamfeindliche Ausrichtung, eine Ins- GIDA› und Ähnlichen. Sie betrachtet die trumentalisierung durch das rechtsex- Instrumentalisierung von Ängsten aus treme Spektrum und das Schüren von der Mitte der Gesellschaft durch Mitglie- Vorbehalten halte, sei jedenfalls eines der des rechtspopulistischen und rechts- nicht: extremistisch, und dadurch eben extremen Spektrums mit Sorge. Das auch nicht verfassungsschutzrelevant. Schüren von Vorbehalten wegen einer angeblichen Islamisierung Deutschlands 20 Tillich attackiert «Pegida», 10.12.2014, unter: www.jun- und die Herstellung einer Verbindung zur gefreiheit.de/politik/deutschland/2014/tillich-attackiert-pegi- da-und-afd/. 21 Zum Einfluss der AfD auf die Pegida-Bewe- Aufnahme von Flüchtlingen hält die IMK gung vgl. meinen Beitrag in: Häusler (Hrsg.): Die Alternative für unverantwortlich.»22 für Deutschland (im Erscheinen). 22 Beschluss «‹PEGIDA› und Ähnliche demaskieren – Sorgen der Bevölkerung ernst Der Diskussionsverlauf und das Ab- nehmen», in: Freigegebene Beschlüsse der 200. Sitzung der IMK (11./12.12.2014), Köln 2014, S. 9. 23 Zit. nach: Innenmi- stimmungsverhalten einzelner Länder nister von NRW: «Pegida» sind «Nazis in Nadelstreifen», dpa, während der IMK werden zwar nicht 11.12.2014, unter: www.augsburger-allgemeine.de/politik/ Innenminister-von-NRW-Pegida-sind-Nazis-in-Nadelstreifen- veröffentlicht, jedoch kann sich Sach- id32308667.html. 24 Zit. nach: Innenminister streiten über sen höchstens enthalten und muss der Pegida, Spiegel Online, 11.12.2014, unter: www.spiegel.de/ politik/deutschland/pegida-innenminister-streiten-ueber-anti- Veröffentlichung des Beschlusses zu- islam-bewegung-a-1007987.html.
Wir werden darauf zurückkommen, dass lich von rechtsextremistischen Bezügen 11 in anderen Bundesländern wohl andere unter den OrganisatorInnen ausgegan- Auffassungen vorherrschen. gen wäre, wenn eine Radikalisierung hät- In Sachsen blieb es einstweilen bei der te konstatiert werden müssen oder ein Zurückhaltung, die noch mehrfach un- wachsender Einfluss etwa der NPD oder terstrichen wurde, nicht ohne behördli- anderer, nicht mehr nur «einzelner» Neo- che Aufmerksamkeit für mögliche künf- nazis. Wären amtlicherseits beliebige An- tige Entwicklungen zuzusichern: Eine haltspunkte für einen Extremismusbezug Beobachtung von Pegida erfolge derzeit und dadurch eine Verfassungsschutzre- zwar nicht, «weil es sich um keinen Zu- levanz vorgebracht worden, hätte ein sol- sammenschluss von Personen handelt, ches Treffen nicht stattfinden können. In der unseren Staat umstürzen will», al- gewisser Weise trugen die entwarnen- lerdings würden einzelne rechtsextre- den presseöffentlichen Statements des me Organisatoren beobachtet.25 Es habe LfV dazu bei, das Treffen allererst zu er- Hinweise gegeben auf «Verbindungen möglichen. Es ist freilich nicht klar, seit zwischen den Veranstaltern der Dresd- wann es angestrebt wurde und welche ner Anti-Islam-Märsche und der Fußball- Inhalte es hatte, weil das Innenministe- Hooliganszene», doch dieser Verdacht rium hierzu bislang keine exakten An- habe sich nicht bestätigt.26 Die explizite gaben gemacht hat.29 Erwägenswert ist Annahme schließlich, Organisatoren sei- zumindest ein Interesse Ulbigs an der en rechtsextrem geprägt, wurde Anfang Ermöglichung des unter erheblicher 2015 ebenso medienwirksam zurückge- Medienaufmerksamkeit erwarteten Ge- rufen, wie sie durch das LfV selbst zuvor sprächs, insoweit er nicht nur einen «Dia- verbreitet worden war.27 Am 19. Janu- log» in seiner Funktion als Innenminister ar 2015 äußerte sich dann LfV-Präsident gefordert, sondern unlängst seine Kandi- Gordian Meyer-Plath in einem ausführ- datur zur Dresdener Oberbürgermeister- lichen Interview und gab, wenig überra- wahl bekannt gegeben hatte.30 schend, noch einmal Entwarnung: Pegi- da radikalisiere sich nicht, die NPD bleibe 25 Malzahn, Claus u. a.: SPD und Grüne fordern neue Ein- wanderungspolitik, 14.12.2014, unter: www.welt.de/po- «Zaungast», zu vermelden sei lediglich litik/deutschland/article135336908/SPD-und-Gruene-for- die Teilnahme «einzelner Neonazis».28 Für dern-neue-Einwanderungspolitik.html. 26 Vgl. Dieckmann, Christoph u. a.: Neues aus der Tabuzone, in: Die ZEIT Nr. 52, lobenswert hielt es Meyer-Plath dagegen, 17.12.2014, S. 3f. 27 Vgl. Schlottmann, Karin: Verfassungs- dass Pegida-AnhängerInnen zunehmend schutz schaut nach rechts und links, 9.1.2015, unter: www. sz-online.de/sachsen/verfassungsschutz-schaut-nach-rechts- «Dialogangebote» nutzen würden. und-links-3010826.html. 28 Zit. nach: Jansen, Frank: «Sach- sen im Fokus der Dschihadisten», 19.1.2015, unter: www. Gut eine Woche nachdem dieses Inter- tagesspiegel.de/politik/verfassungsschutz-praesident-im-in- view erschienen war, folgte ein «Dia- terview-sachsen-im-fokus-der-dschihadisten/11250948.ht- ml. 29 Vgl. CDU Sachsen: Innenminister Markus Ulbig im log» dergestalt, dass sich Innenminister Gespräch mit Pegida-Führung, 26.1.2015, unter: www.cdu- Ulbig unter Ausschluss der Öffentlich- sachsen.de/inhalte/2/aktuelles/72676/innenminister-markus- ulbig-im-gespraech-mit-pegida-fuehrung-staatsregierung- keit mit Mitgliedern des sogenannten setzt-dialogforum-fort/index.html. Vgl. hierzu die auch etlichen Kleinen Anfragen im Sächsischen Landtag, Drs. 6/737, 857, Pegida-Orgateams traf. Es versteht sich, 879, 1127, 1144, 1311. Einen Tag nach dem seinem Inhalt nach dass ein solches Treffen nicht opportun nicht weiter bekannten Treffen mit Ulbig setzte die «Spaltung» Pegidas ein. 30 Dass dann, gewollt oder nicht, eine Ansprache gewesen und nach aller Wahrschein- der Demonstrierenden als Wahlkandidat nicht stattfand, lag an lichkeit auch nicht zustande gekommen späteren Ereignissen wie der Spaltung Pegidas und schließlich der Zuspitzung, dass das «Orgateam» mit Tatjana Festerling ei- wäre, wenn Ulbigs eigenes Amt öffent- ne eigene Kandidatin aufstellte.
12 In jedem Fall äußerten sich der Innen- ne und rechtsextremistische Hooligans» minister und das LfV, dessen vorgesetz- zusammenarbeiten und versuchen, Le- ter Dienstherr er ist, in einer Zeit ausge- gida als Plattform zu erschließen38 Es ge- sprochen politisch über Pegida, in der be gleichwohl «keine Anhaltspunkte für Pegida ein kommunal-, landes- und bun- einen dominierenden rechtsextremisti- despolitisches Politikum zugleich war.31 schen Einfluss».39 Man beachte, wie sich Das Politikum vervielfältigte sich noch, der Maßstab des Behördenleiters binnen als Anfang 2015 neben Pegida in Dres- weniger Tage in einer entscheidenden den mobilisierungsstarke Ableger und Nuance verschoben hatte. Zunächst war ähnliche Protestformate bundesweit in von einer «maßgeblichen» Beeinflussung Erscheinung traten, das stärkste davon durch Rechtsextremisten die Rede. Dann mit Legida in Leipzig. Die dortigen Or- davon, dass der Einfluss nicht «dominie- ganisatorInnen hatten Ende 2014 ein ei- rend» sei, so jedenfalls die Ansicht am genes Positionspapier veröffentlicht und 21. Januar 2015. Am selben Tag fand in darin dezidiert extrem rechte Forderun- Dresden ein erstes «Dialogforum» statt, gen aufgestellt, namentlich die «Abkehr zu dem die Staatsregierung Pegida-An- von der Multikultur», eine «Stärkung bzw. hängerInnen eingeladen hatte.40 Es ver- Wiedererlangung unserer nationalen 31 Das mag erklären, warum sich das LfV noch mehrfach ein- Kultur» und schließlich die «Beendigung ließ, nachdem es die eigene Nichtzuständigkeit festgestellt hat- te, und der LfV-Präsident ein «Dialogangebot» lobte, für wel- des Kriegsschuldkultes und der Genera- ches das Amt nicht zuständig ist. Es ist aber von Bedeutung, tionenhaftung».32 Tatsächlich, so erklärte dass das LfV hier in der Rolle eines politischen Akteurs spricht: Das ist etwas anderes als die sachverständige Expertenrolle, Meyer-Plath daraufhin, bestünden «An- die dem Nachrichtendienst in der Medienöffentlichkeit zuge- schrieben wird. 32 Legida 2014: Positionspapier, Erstfassung haltspunkte, dass die sogenannten Le- vom 31.12.2014, inzwischen depubliziert, Kopie im Archiv des gida-Demos von rechtsextremen Kräften Autors. 33 Schlottmann: Verfassungsschutz. 34 Hach, Oli- ver/Eumann, Jens: Pegidas rechter Arm in Leipzig, 10.1.2015, maßgeblich beeinflusst werden»,33 und unter: www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/SACHSEN/Pegi- zwar «sowohl in der Führung als auch in das-rechter-Arm-in-Leipzig-artikel9082652.php. 35 ARD Mit- tagsmagazin: Widerstand in Leipzig: Demonstrationen gegen den Forderungen»,34 die sich «sehr viel Legida, 12.1.2015,unter: www.daserste.de/information/politik- weltgeschehen/mittagsmagazin/sendung/leipzig-legida-pegi- näher an der rechtsextremistischen Ge- da-rechtsextremismus-demonstration-100.html. 36 Döring, dankenwelt als bei Pegida» bewegen Kriminaldirektor und vormals Referatsleiter Rechtsextremis- mus im LfV Sachsen, war bis kurz vor diesem Statement zur würden. Von einer teilweisen inhaltlichen Landeszentrale für politische Bildung abgeordnet, die wieder- «Deckungsgleichheit mit Rechtsextre- um wesentlicher Träger des «Dialog»-Konzepts war. Zeitweise war Döring als Stellvertreter Meyer-Plaths im Gespräch, aktu- misten»35 sprach der Behördenvertreter ell ist er Pressesprecher des LfV. Vgl. auch Cremet, Jean: Das große Verständnis, in: Der rechte Rand, Nr. 153, März/April Martin Döring.36 Er fügte sogleich an, es 2015, S. 6. 37 Verfassungsschutz beobachtet Pegida & Co. bestehe dennoch keine Veranlassung zu nicht direkt, 10.1.2015, unter: www.mdr.de/nachrichten/pegi- da-legida-verfassungsschutz100_zc-e9a9d57e_zs-6c4417e7. einer nachrichtendienstlichen Beobach- html. 38 Müller, Uwe: Die dubiosen Gestalten hinter der Le- tung.37 gida-Bewegung, 21.1.2015, unter: http://investigativ.welt. de/2015/01/21/die-dubiosen-gestalten-hinter-der-legida-be- Das änderte sich auch nicht nach einer wegung/. 39 Als Hauptorganisator von Legida gilt Silvio Rös- ler. Die Tageszeitung Die Welt zitierte in dem genannten Artikel ersten Legida-Demonstration am 12. Ja- aus Dokumenten zu jener Korruptionsaffäre, die unter der Be- nuar 2015, die laut Meyer-Plath gezeigt zeichnung «Sachsensumpf» bekannt geworden ist, und in de- nen gegen Rösler der Verdacht der Schleusung und des Men- habe, dass der Ableger «entschlossener schenhandels erhoben wurde. So die Darstellung zutrifft, hat und viel radikaler» ausgerichtet sei, als sich das LfV Sachsen in der Vergangenheit mutmaßlich mit Rösler befasst. Umstände und Inhalte der vormaligen Beob- es in Dresden der Fall sei. In Leipzig wür- achtungstätigkeit des Amtes auf dem Gebiet der Organisierten Kriminalität waren denn auch Bestandteil der «Sachsensumpf»- den «parteigebundene Rechtsextremis- Affäre und Anlass zweier parlamentarischer Untersuchungs- ten, Angehörige der Kameradschaftssze- ausschüsse im Sächsischen Landtag.
steht sich auch hier von selbst, dass ein Entsprechend wenig überzeugend ist die 13 solches Treffen desavouiert worden wä- Annahme des LfV Sachsen, die Hinwen- re, falls das LfV auch nur Indizien für ei- dung des Neonazispektrums zur Pegida/ nen Extremismusbezug der Pegida-Be- Legida-Bewegung sei die Sache ledig- wegung festgestellt hätte. Dabei rückte lich «einzelner» Neonazis. Die Legida- diese Annahme noch am selben Abend Organisatoren äußerten in einer Nachbe- so nahe wie noch nie: Legida demons- trachtung zur erwähnten Demonstration trierte zum zweiten Mal, und die Ver- denn auch unverhohlen, man habe «das sammlung geriet zu einem der gewalt- System an seinem wundesten Punkt ge- tätigsten Ereignisse im Pegida-Kontext troffen, an der Wurzel allen Übels, näm- überhaupt. In einer Lageeinschätzung der lich unserer Demokratie».43 Bei künftigen Polizeidirektion Leipzig hieß es nachher, Legida-Demonstrationen erschienen ei- es «befanden sich am 21. Januar 2015 nige JournalistInnen vorsorglich in Be- unter den Versammlungsteilnehmern gleitung von Angehörigen einer priva- mindestens 1000 gewaltbereite Perso ten Sicherheitsfirma. Man weiß nicht, ob nen. Darunter auch Personen mit starkem das LfV seine Ansichten änderte, denn Bezug zur rechtsextremistischen Szene es äußerte sich nun für längere Zeit gar und Hooligans. Zwei Reporter sollen laut nicht mehr. Erst Anfang April 2015 wurde Medienberichten während des Aufzuges erneut berichtet, dass das LfV infolge der physisch angegriffen worden sein.»41 Ver- Spaltung und der anschließenden Kon- suche der Veranstalter, solches Vorgehen solidierung Pegidas eine «Radikalisie- zu unterbinden, waren nicht zu beobach- rung» bemerke. Trotzdem finde nach wie ten, vielmehr befanden sich unter den vor keine Beobachtung statt.44 Personen, die JournalistInnen bedräng- ten, offensichtlich auch Legida-Ordner. Die Fachjournalistin Andrea Röpke be- schrieb die Vorfälle so: «‹Schiebt sie weg! Schiebt sie weg!› Mit diesem Kommando ging die überwie- gend vermummte Spitze der ‹Legida› gleich zu Beginn des ‹Spazierganges› durch Leipzig auf die völlig überrasch- ten Fotografen los. Die Medien schienen neben einigen Politikern das Feindbild Nummer eins dieses Aufmarsches. […] Bereits auf der Kundgebung auf dem Au- 40 Vgl. 1. Dialogforum, 21.1.2015, unter: www.sachsen.de/ gustusplatz war die Stimmung so aufge- dialogforum_miteinander_in_sachsen_21.01.2015.jsp. 41 Zit. heizt, dass der Organisator […] an seine nach: Stadt Leipzig: Vollzug des sächsischen Versammlungs- gesetzes. Auflagenbescheid für die angezeigte Versamm- Anhänger appellieren musste, die Medi- lung am 9.2.2015, S. 5. Kopie im Archiv des Autors. 42 Röp- ke, Andrea: Aufgeheizte Gidas, 26.1.2015, unter: www.bnr. en zu schonen. Seine Mahnung, es herr- de/print/14159. 43 Leipzig 21.1.2015 – Eine Nachbetrach- sche ‹absolutes Vermummungsverbot›, tung, 24.1.2015, unter: https://legida.eu/news/26-leipzig- 21-01-2015-eine-nachbetrachtung.html. 44 Wilders rügt wurde mit Gelächter gezollt. Ansonsten Bachmann wegen Hitler-Selfie, 6.4.2015, unter: https://mo- gab es von der Bühne eher wenig Aufrufe po24.de/nachrichten/pegida-sucht-rechten-schulterschluss- in-deutschland-und-europa-5980, inzwischen depubliziert; Ko- zur Mäßigung – im Gegenteil.»42 pie im Archiv des Autors.
14 3 Die Pegida-Bewegung im Spiegel der Verfassungsschutzberichte Andere Landesämter für Verfassungs- – In Schleswig-Holstein wird auf die ver- schutz hatten sich in der Zwischenzeit fassungsfeindliche Motivation und anders geäußert, freilich bezogen auf «offenkundige» Beeinflussung eines die jeweiligen Pegida-Ableger, weniger dortigen Ablegers (Shegida) hingewie- auf die Ereignisse in Sachsen. Eine der sen48 sowie auch auf das grundsätz- frühesten Einschätzungen, noch aus liche Problem, im Falle Pegidas nur dem November 2014, stammt von Ma- schwer zwischen Rechtspopulismus ren Brandenburger, Präsidentin des LfV und (verfassungsschutzrelevantem) Niedersachsen. Noch in Bezug auf die Rechtsextremismus unterscheiden zu damaligen Mobilisierungserfolge der können.49 HoGeSa äußerte sie die Sorge, «dass – In Bayern wird auf mögliche «Akti- aus diesem Bewegungscharakter etwas vitäten von bekannten Extremisten wird, was übergeht in einen Kampagnen- innerhalb der Initiativen»,50 in Bran- teil gegen Asyl, gegen Zuwanderung, denburg51 und Mecklenburg-Vorpom- gegen Einwanderung». Als Beispiel für mern52 jeweils auf eine «rechtsextre- entsprechende «Facetten» einer solchen mistische Beeinflussung» von außen Bewegung nannte sie auch Pegida.45 An- hingewiesen. fang 2015 warnte Bernd Palenda, Präsi- – In Sachsen-Anhalt wird dergleichen dent des LfV Berlin, vor dem Berliner Bär- hinsichtlich des Ablegers Magida aber gida, einem Bündnis, das sich auf «vor ausgeschlossen. 53 Auch in Baden- allen Dingen durchaus auch rechtsextre- Württemberg lautet der Befund, dass mistisch gesinnte Personen» stütze, die es sich dort nicht um eine «extremis- versuchten, «ein Thema zu okkupieren tische Bestrebung» handle.54 Hier wä- und Unzufriedenheit von Bürgern zu nut- re nach offiziöser Lesart auch der Fall zen».46 Entweder ist etwas Vergleichba- Sachsen einzuordnen. res in Sachsen, trotz beispielsweise der Aus Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland einschlägigen Legida-Episoden, wirklich sowie den Stadtstaaten Bremen und nicht der Fall oder aber die Maßstäbe der Hamburg sind bisher keine vergleichba- behördlichen Bewertung weichen deut- ren Einschätzungen bekannt geworden. lich voneinander ab. Das zeigt sich, wenn Die auch so gegebene Vielfalt der Län- Einschätzungen der jeweiligen Landesre- 45 Vgl. Hooligans gegen Salafisten: Wer sind die Drahtzieher gierungen bzw. ihrer Innenressorts mitei- hinter den Demos?, 25.11.2014, unter: www.swr.de/report/ nander verglichen werden: hooligans-gegen-salafisten-wer-sind-die-drahtzieher-hinter- den-demos/-/id=233454/did=14366704/nid=233454/1e75rys/ – In Mecklenburg-Vorpommern (MVgi- index.html. 46 Verfassungsschutz will «Bärgida» nicht pau- da), Niedersachsen (Bragida), Nord- schal überwachen, 6.1.2015, unter: www.rbb-online.de/politik/ beitrag/2015/01/verfassungsschuetzer-palenda-zu-baergida. rhein-Westfalen (Kögida, Dügida) html. 47 Deutscher Bundestag, Kleine Anfrage, Drs. 18/4846. 48 Schleswig-Holsteinischer Landtag, Kleine Anfrage, Drs. und Thüringen (Sügida, Thügida) gel- 18/2612. 49 Vgl. Schleswig-Holsteinischer Landtag, Kleine ten verschiedene pegida-artige De- Anfrage, Drs. 18/2568. 50 Vgl. Bayerischer Landtag, Schrift- liche Anfrage, Drs. 17/4977. 51 Vgl. Landtag Brandenburg, monstrationsserien als «überwiegend Kleine Anfrage, Drs. 6/673. 52 Vgl. Landtag Mecklenburg-Vor- rechtsextremistisch beeinflusst bzw. pommern, Kleine Anfrage, Drs. 6/3702. 53 Vgl. Landtag von Sachsen-Anhalt, Kleine Anfrage, Drs. 6/4044. 54 Vgl. Landtag gesteuert».47 von Baden-Württemberg, Kleine Anfrage, Drs. 15/6314.
derpositionen kann allerdings nicht ei- re Landesämter äußern sich mitunter an- 15 ne deutliche Tendenz verdecken: Zum ders, aber widersprechen einander auch. als «überwiegend rechtsextremistisch Das Vorkommen solcher Uneinigkeiten beeinflusst bzw. gesteuert» eingestuf- ist so ungewöhnlich nicht,59 doch die Re- ten Versammlungsgeschehen in Meck- gel ist eine gegenseitige Erörterung und lenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Abstimmung. Im VS-Verbund besteht ei- Nordrhein-Westfalen und Thüringen ge- ne Zusammenarbeitspflicht,60 die auf ge- hörten im ersten Quartal 2015 nach Zäh- genseitige Unterrichtung der beteiligten lung der Bundesregierung insgesamt 43 Ämter und in Sachfragen auf Einverneh- Einzelveranstaltungen mit zusammen men zielt. Das gilt auch für die Auswahl rund 13.100 Teilnehmenden.55 Das sind von Beobachtungsobjekten und die da- etwas mehr als ein Viertel sämtlicher pe- hingehende Bewertung von Verdachts- gida-artiger Veranstaltungen außerhalb fällen.61 Divergente Darstellungen in den Sachsens in diesem Zeitraum, denen VSB geben einen Hinweis darauf, dass sich wiederum etwas mehr als ein Drit- ein solches Einvernehmen zum vorlie- tel aller Teilnehmenden anschloss.56 Inso- genden Thema bisher nicht zu erzielen weit war eine überwiegende rechtsextre- war. mistische Beeinflussung oder Steuerung der Veranstaltungen bei einem an sich si- gnifikanten Teil der Bewegung gegeben, der darüber hinaus vergleichsweise mo- bilisierungsstark war. Gemessen am ma- ximal erreichten Zulauf waren mit Sügida der (nach München/Bagida) zweitstärks- te, mit Kögida der viertstärkste und mit MVgida der sechststärkste Pegida-Able- ger außerhalb Sachsens betroffen. Folgt man der Einschätzung der Bundesregie- rung, die sich ihrerseits auf Erkenntnisse der Ämter für Verfassungsschutz (ÄfV) stützte,57 muss man anerkennen, dass 55 Vgl. Deutscher Bundestag, Kleine Anfrage, Drs. 18/4846. 56 Nach Erhebung des Verfassers. 57 Vgl. Budler, Kai: die rechtsextremistische Prägung be- Rechtsextreme Präsenz auf der Straße, 15.5.2015, unter: reits zu intensiv ist, um nur mehr als eine www.bnr.de/print/14353. 58 Vgl. Abgeordnete diskutieren Rolle des Verfassungsschutzes. 30.4.2015, unter: www.mdr. Randerscheinung der Pegida-Bewegung de/sachsen/landtag-extremismus-verfassungsschutz100_ zc-f1f179a7_zs-9f2fcd56.html; Müller, Anna: Verfassungs- zu gelten. schutzbericht in Sachsen vorgestellt, 23.4.2015, unter: www. In fast allen bisher erschienenen Verfas- endstation-rechts.de/news/kategorie/politik/artikel/verfas- sungsschutzbericht-in-sachsen-vorgestellt-jn-profitiert-von- sungsschutzberichten (VSB) für das Jahr distanzierung-von-npd.html; Sundermeyer, Olaf: Rechts lie- 2014, in denen eine Systematisierung der gen lassen, 14.5.2015, unter: www.juedische-allgemeine.de/ article/view/id/22274. 59 Vgl. kritisch den «klassischen» Ver- Erkenntnisse hätte erwartet werden kön- gleich bei Seifert, Jürgen: Hoheitliche Verrufserklärungen?, in: Vorgänge, Nr. 55, 1/1982, S. 46–60 sowie affirmativ z. B. nen, bleibt diese Tatsache überraschen- die Würdigung bei Jaschke, Hans-Gerd: Extremismus in Da- derweise nicht nur unreflektiert, sondern ten und Trends, in: Backes, Uwe/Jesse, Eckhard (Hrsg.): Jahr- buch Extremismus & Demokratie 1996, Baden-Baden 1996, mehrere Landesämter erwähnen Pegida S. 329f. 60 Vgl. § 1, Abs. 2 Bundesverfassungsschutzgesetz überhaupt nicht, was im Falle Sachsens (BVerfSchG). 61 Richtlinie für die Zusammenarbeit des Bun- desamtes für Verfassungsschutz und der Landesbehörden für mit Erstaunen registriert wurde.58 Ande- Verfassungsschutz – Koordinierungsrichtlinie (KR), §§ 2 bis 5.
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