Personalwirtschaft Das Magazin für den Job HR

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Personalwirtschaft Das Magazin für den Job HR
www.personalwirtschaft.de

                                                   Personalwirtschaft                                                            02 2020

                                                   Das Magazin für den Job HR

                                                        Reflexion statt Reflex
                                                       COACHING ALS BEGLEITINSTRUMENT DES WANDELS
18 Euro G 21212 ISSN 0341-4698 Art.-Nr. 07698002

                                                          +++ Case Study: ISS macht Mitarbeiter fit +++ Analyse: Zeitgemäßes Reisemanagement +++
                                                          +++ Marktübersicht: Payroll +++ Interview: Kurzarbeit, eine knifflige Sache +++
Personalwirtschaft Das Magazin für den Job HR
Europas führende Expos, Events &
                Conferences für die Welt der Arbeit

//WHAT                                   Leadership, Culture & Mindset
                                         Digitale Transformation
                                         Agiles Arbeiten

MATTERS                                  Co-working Spaces
                                         Digital Mindset
                                         Innovationsmanagement

TO YOU?                                  Design Thinking
                                         Changemanagement

                                           JETZT TICKETS
                                           SICHERN!
                                           WWW.ZUKUNFT-PERSONAL.COM/TICKETS

//FUTURE OF WORK
        RETHINK. CREATE. TRANSFORM.

ZP NORD               ZP SÜD             ZP EUROPE                DIGITAL MIND CHANGE
HAMBURG               STUTTGART          KÖLN                     MÜNCHEN
21.–22. APRIL 2020    12.–13. MAI 2020   15.–17. SEPTEMBER 2020   tba. 2020
Personalwirtschaft Das Magazin für den Job HR
EDITORIAL

Diskrete Geburtshelfer
                                       Vom Reflex zur Reflexion         So ist Coaching in der Essenz eine zurückhaltende Disziplin. Doch
                                       sind es auf dem Papier nur       die Branche ist es nicht. Nach wie vor ist der Wettstreit im Markt
                                       drei Buchstaben – und doch       laut und diffus, immer wieder tauchen halbseidene Schießbuden-
                                       liegt im täglichen Miteinan-     figuren auf, deren Gebaren die seriösen Anbieter und Verbände
                                       der ein kleines Universum        in Verruf bringt. Digitale Angebote bringen inzwischen deutlich
                                       dazwischen. Reagieren wir        Bewegung in den Markt, die klassische Face-to-Face-Situation wird
                                       unwillkürlich auf einen Reiz,    zunehmend abgewandelt. Das bringt neue Spielwiesen und einen
                                       so als stießen wir uns den       breiteren Einsatz für Coaching jenseits der Führungsebenen mit
Musikantenknochen? Oder sind wir in der Lage, für einen Moment          sich. Aber es weicht auch das ohnehin schon schwammige Ver-
aus der Situation zurückzutreten, ohne uns triggern zu lassen? In       ständnis des Coaching-Begriffs weiter auf.
einer Zeit, die auf Tempo, Klicks und Quote setzt, wird reflektiertes
Verhalten zu einem raren Gut. Und damit immer wertvoller.               Wir hoffen, ihn für HR und Personalentwicklung zu präzisieren
                                                                        und Orientierung zu geben. Dieses Ziel verfolgen wir ab Seite 26 –
Dass das Wörterbuch unter dem Begriff „Reflektieren“ das Wider-         so reflektiert es uns möglich ist.
spiegeln ebenso wie das Nachdenken vermerkt, haben wir als Steil-
vorlage für den Schwerpunkt dieser Ausgabe genommen, denn im
Coaching geht es ja um beides: Ein guter Coach ist in der Lage, den
Klienten zugleich wirksam und diskret bei der Wägung komplexer
Angelegenheiten zu unterstützen und der Lösung eine gewisse             Cliff Lehnen
Geburtshilfe angedeihen zu lassen.                                      Chefredakteur

                                                                                 HRWORKS
                                                                            HEBT SICHERHEIT UND
                                                                               MUNDWINKEL
                                                                            AUF EIN NEUES LEVEL.
                                                                                   Seit über 20 Jahren steht HRworks für den
                                                                                    höchstmöglichen Schutz von personen-
                                                                                bezogenen Daten. Verschlüsselt und in der Cloud.
                                                                                   Als Software-Spezialist sorgen wir für alle
                                                                                    wichtigen IT-Sicherheitsvorkehrungen –
                                                                                 damit Sie auch in Zukunft Ihr Lächeln bewahren.

                                                                                  Ein Tool           Kundenorientierter          Höchster
                                                                                  für alle              Support und           Datenschutz und
                                                                                HR-Aufgaben         regelmäßige Updates       DSGVO-konform

                                                                                                                                  www.hrworks.de
Personalwirtschaft Das Magazin für den Job HR
INHALT

                           PERSONALWIRTSCHAFT 02_2020

                3          EDITORIAL           Coaching: Eine wirksame, aber diskrete Disziplin
                6          STILKRITIK          Wie man die agile Transformation nicht vorantreiben sollte
                7          ZAHLEN, BITTE!      Agil ist das Ziel; doch wie kommen wir hin?
                8          EINBLICK            Führungskräfte müssen motivieren statt kritisieren
               10          KURZE FRAGE         Sind Pferde die besseren Coaches?

                           HR & ICH
               12          ZOOM                Wie HR mit Minderheitsgewerkschaften umgehen sollte
               14          CASE STUDY          ISS bietet individualisierte Gesundheits-App für Mitarbeiter
               18          PRAXISTRANSFER      PR-Arbeit stärkt HR und Arbeitgebermarke
               20          MARKTÜBERBLICK      Reisemanagement verabschiedet den Laufzettel
               24          LEBENSLAUF          Helene Blichmann von Allison im CV-Check

                           TITEL: COACHING
               26          ANALYSE             Was gute Coaches ausmacht – und wie man sie findet
               32          INTERVIEW           Elke Berninger-Schäfer über den Online-Coaching-Markt
               34          FOKUS               Was interne Coaches besser können als externe

                           RECHT & POLITIK
               36          INTERVIEW           Johannes Schipp über Arbeitszeitverkürzung im Konjunkturtief
               39          SKURRILER FALL      Brötchen und Kaffee sind noch lange kein Frühstück

                           TECHNIK & TOOLS
               40          ÜBERSICHT           Die Vor- und Nachteile verschiedener Payroll-Lösungen
               42          SERIE               Telearbeit, zweiter Teil – von 2005 bis heute
               45          UPDATE              Software und IT-Infos für den Job HR

                           FORSCHUNG & LEHRE
               46          ANALYSE             Wie Mitarbeitermeinungen im Change ankommen
               48          STANDPUNKT          Neue Learning-Konzepte sind mehr als nur Buzzwords

                           EVENT & SZENE
               50          SESSELWECHSEL       HR-Personalien und die Geschichten dahinter
               51          NACHGEFRAGT         Carolyn Schlak managt Spartenverkauf bei Scout24
               52          BÜCHER              Boris Kaehler über den Beruf Führungskraft

               54          STELLENMARKT        Aktuelle Jobs für Personalmanager
               56          RÜCKBLICK           Was vom Hefte übrig blieb
               57          VORSCHAU            Was Sie in der März-Ausgabe erwartet
               57          IMPRESSUM
               58          BLICK VON AUSSEN    Jan Recker über das Potenzial unkonventioneller Kollegen

4   Personalwirtschaft 02_2020
Personalwirtschaft Das Magazin für den Job HR
Foto: TSC                  Foto: VDR

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Foto: maasgestaltet
Personalwirtschaft Das Magazin für den Job HR
STILKRITIK

                     Brechstange und Holzhammer
     2018 verordnete die ING-Diba ihrer Belegschaft eine Rosskur in Sachen Agilität. Vorhang auf
          für ein Lehrstück, wie man die agile Transformation eben nicht vorantreiben sollte.
                                                            VoN SVEN FRoST

    u Es rumort bei der ING-Diba. Seit der Vorstandsvorsit-          nehmenswelt organisiert sein.“ Klingt erst einmal gut,
    zende Nick Jue 2018 verkündet hat, das Geldhaus innerhalb        zumal das Konzept denjenigen in den Mittelpunkt stellt,
    von anderthalb Jahren zur ersten agilen Bank Deutschlands        um den sich beim agilen Wandel eigentlich alles dreht:
    umbauen zu wollen, wächst innerhalb der Beleg-                             den Kunden. Andere Banken, unter anderem
    schaft der Unmut über den laufenden Trans-                                      die Commerzbank, wollen nachziehen und
    formationsprozess. Die Stimmung ist                                                ihre internen Prozesse ebenfalls auf Agi-
    mies. 2016 belegte man im prestige-                                                  lität trimmen. Allein, ganz so einfach
    trächtigen „Great place to work“-Ran-                                                  scheint der Wandel dann doch nicht
    king noch den fünften Platz. Beein-                                                     zu sein. So zitiert das Portal finanz-
    druckende 85 Prozent hätten die                                                         szene.de einen ING-Insider: „Das
    ING-Diba als Arbeitgeber weiteremp-                                                     Leitmotiv der Agilität als solches ist
    fohlen, ähnlich viele waren damals                                                      ja gut. Allerdings war es zu ambitio-
    stolz, für das Unternehmen tätig zu                                                    niert, den Umbau in nur anderthalb
    sein. Vorbei. Inzwischen sind es „nur“                                               Jahren durchprügeln zu wollen.“ Fast
    noch knapp 60 Prozent der Belegschaft,                                             scheint es, als wüsste die Unternehmens-
    die sich entsprechend äußern. Bei der Online-                                  leitung selbst nicht so genau, was sie mit der
    Bewertungsplattform Kununu häufen sich die                                von ihr angezettelten agilen Revolution überhaupt
    Negativkommentare der Mitarbeiter (exemplarisch: „Durch          erreichen will.
    die Transformation wurden viele Kollegen auf der Strecke
    liegen gelassen und sehr verunsichert.“) Wie konnte das          Der Fall der ING ist ein Lehrstück für alle Unternehmen,
    passieren?                                                       wie man den agilen Wandel eben nicht vollziehen sollte.
                                                                     Brachialität ist kein adäquates Mittel, um die Belegschaft
    Die Antwort ist simpel: Viel zu schnell trieb CEO Jue den        mitzunehmen. Eher vergrault man sie damit, wie auch das
    Wandel voran. Er verordnete den Bankern eine regelrechte         niederländische Geldhaus feststellen musste: Nicht wenige
    Agilitäts-Rosskur, ließ Wände einreißen und Großraum-            Mitarbeiter gaben entnervt auf und kündigten. So etwas
    büros schaffen, warf alte Hierarchien über den Haufen,           kostet Geld – laut ING gibt es nämlich eine „sehr mitar-
    installierte „Squads“, „Tribes“, „Expertise Teams“ und           beiterorientierte Regelung für alle diejenigen, die im Zuge
    „Customer Loyalty Teams“. Innerhalb von 18 Monaten               der Transformation die Bank verlassen wollen“. Was weit
    sollte die ING mit sämtlichen Mitarbeitern, Abteilungen          schwerer wiegt als großzügige Abfindungsregeln, ist der
    und Prozessen auf Agilität getrimmt werden. So etwas             Verlust von fachlicher Expertise.
    geht nur mit Holzhammer und Brechstange. Und das kam
    bei der Belegschaft gar nicht gut an.                            Es gibt mehrere Säulen, auf denen der agile Wandel ruht.
                                                                     Erstens Eigenverantwortung der Mitarbeiter, zweitens
    Warum überhaupt das Ganze? Dazu die ING-Diba: „Die               Einbeziehung des Kunden und last but not least ein ein-
    fortschreitende Digitalisierung hat das Leben der Men-           heitliches Organisationsdesign und einheitliche Arbeits-
    schen nachhaltig verändert. So sind Dienstleistungen und         weisen. Ein von oben verordneter Wandel, der noch dazu
    Produkte 24 Stunden am Tag verfügbar. Märkte und                 in solch rasendem Tempo vorangetrieben wird, ist kon-
    Geschäftsmodelle verändern sich so schnell wie nie zuvor,        traproduktiv. Er erzeugt Unsicherheit und sogar Angst
    Innovationszyklen werden immer kürzer. Unternehmen               bei den Mitarbeitern. Agilität in dieser radikalen Form
    und ihre Kunden begegnen sich in dieser durch Plattfor-          wird es schwer haben. Wer den Wandel will, muss auch
    men und Austausch geprägten Ökonomie als Partner auf             bereit sein, Zeit und Geld zu investieren, muss die Mitar-
    Augenhöhe. So bunt, vielfältig und dynamisch die gesell-         beiter mitnehmen auf dem bisweilen schwierigen Weg
    schaftliche Realität ist, muss daher auch die interne Unter-     hin zum agilen Unternehmen.                             p

6   Personalwirtschaft 02_2020
Personalwirtschaft Das Magazin für den Job HR
ZAHLEN, BITTE

Agilität auf dem Vormarsch
Immer mehr Unternehmen verordnen sich beweglichere Strukturen.
An manchen Stellen hakt es allerdings noch. Das zeigt eine Stichprobe.

Glauben Sie, dass Ihr Unternehmen bereits agile                                      Inwieweit hat in Ihrem Unternehmen bereits
Voraussetzungen mitbringt?                                                           eine agile Transformation stattgefunden?

          Nein                                                                                       Wir stellen unsere Organisation, Prozesse und Tools so um, dass

                     12 %                                                            63 %            Teams zunehmend unternehmerische Mitverantwortung für den
                                                                                                     Produkterfolg erhalten.

                                                             Ja
                                                                                                     Wir planen die Umstellung unserer organisation und Prozesse
                                                23 %                                 58 %            auf die Zusammenarbeit mehrerer (verteilter) Teams und
                                                                                                     gegebenenfalls auch externer Dienstleister als agile Teams.

                                                                                                     Wir haben Organisationsformen und zugehörige Prozesse, die
                                                                                     50 %            Innovationen entstehen lassen, und in denen sich Produkte nach
                                                                                                     agilen Prinzipien mehrwertorientiert umsetzen lassen können.

              65 %                                                                                   Wir haben unsere organisation und Prozesse auf die Zusammenarbeit
                                                                                     42 %            mehrerer (verteilter) Teams und gegebenenfalls auch externer
                                                                                                     Dienstleister als agile Teams umgestellt.
   Teilweise

In welchen Bereichen hat Ihr Unternehmen seine Prozesse bereits auf agile Methoden umgestellt?

                                             25 %                                                         21 %
                                          Digital Services                                               (digitales)
                                                                                                     Marketing/Vertrieb
              67 %                                                         25 %
                                                                                                                                                                       Quelle: Lünendonk, 2019, n=26

                                                                                                                                           8%
          IT-Anwendungs-                                                    R&D/                                                   Autonomes Fahren
            entwicklung                                              Produktentwicklung

Für die 2018 erstellte Studie „Scalable Agility“ des Marktforschungsinstitutes Lünendonk wurden 26 Großunternehmen und Konzerne befragt.
Sechs davon erzielten im Jahr 2017 mehr als 50 Milliarden Euro Umsatz, weitere sieben zwischen zehn und 50 Milliarden Euro.

                                                                                                                                  Personalwirtschaft 02_2020            7
Personalwirtschaft Das Magazin für den Job HR
TITEL NAME DES BEITRAGS
EINBLICK

8    Personalwirtschaft 02_2020
Personalwirtschaft Das Magazin für den Job HR
Kaffee für alle!
Die Ansprüche an Führungskräfte haben sich verändert. Statt Autorität und Kontrolle
stehen für sie heute Kommunikation und Förderung der Mitarbeiter im Vordergrund.
Druck und Missgunst waren allerdings noch nie hilfreich.

u In der umfangreichen Karriere des Schauspielers Alec Baldwin                             (also zwischen „eher wichtig“ und „zum Teil wichtig“), damit
gibt es einen Auftritt, der bis heute besonders in Erinnerung geblie-                      bilden sie allerdings das eindeutige Schlusslicht.
ben ist. In „Glengarry Glen Ross“ (1992) spielt er den angesehenen
Immobilienmakler Blake, der seine weniger erfolgreichen Kollegen                           Natürlich variieren die Ergebnisse von Branche zu Branche. In
motivieren soll. Das macht er mit einer obszönen Tirade, stellt                            handfesten Sektoren wie dem Baugewerbe oder dem Handwerk ist
ihren Erfolgswillen und ihre Männlichkeit drastisch infrage und                            Arbeitskontrolle nach wie vor verhältnismäßig relevant. Führungs-
spricht ihnen letztlich gar das Recht ab, auf Kosten des Unterneh-                         kräfte dort müssen besonders entscheidungsfreudig und bereit sein,
mens Kaffee im Büro zu trinken. „Coffee’s for closers only“, wirft                         Verantwortung sinnvoll zu delegieren. Auch die Größe des Unter-
er ihnen an den Kopf: Kaffee gibt’s nur für diejenigen, die liefern.                       nehmens spielt eine Rolle. Je weiter die Führungsspanne, desto sel-
                                                                                           tener müssen Führungskräfte auftretende Probleme selbst lösen.
Nun war ein solches Verhalten schon beim Erscheinen des Films                              Stattdessen geht es bei großen Unternehmen laut Befragung vor
bedenklich. Und heutzutage müsste eine Führungskraft, die so                               allem um Mitarbeiterentwicklung.
mit ihren Mitarbeitern umgeht, wohl abdanken. Dabei ist das
von Blake so krud verfolgte Ziel – die Mitarbeitermotivation –                             Das BIMOP empfiehlt Personalabteilungen, ihre Anforderungs-
immer noch die wichtigste Aufgabe, die Unternehmen bei Füh-                                profile an Führungskräfte zu schärfen und konkrete Erwartungen
rungskräften sehen, wie eine aktuelle Umfrage des Befragungs-                              auch in die Stellenausschreibung zu packen. „Grenzt man die tat-
instituts BIMOP zeigt. Doch auch die anderen Antworten auf                                 sächlichen Anforderungen der zu besetzenden Stelle nicht klar
die Frage, was wichtige Führungsaufgaben seien (siehe auch                                 genug ein, kann man den Eindruck erwecken, man suche die
Interview Seite 52), zeigen, dass Blake mit seinem Ansatz kon-                             berühmt-berüchtigte ‚eierlegende Wollmilchsau‘“. Das könne auf
sequenter Erniedrigung heute scheitern würde. Denn für die                                 manche Interessenten abschreckend wirken, sagt Lothar Campe,
Unternehmen kommt auf Platz zwei direkt „loben und aner-                                   der die Umfrage betreut hat.
kennen“. Auch Aufgaben wie „informieren und kommunizieren“
und „Mitarbeiter entwickeln“ landen sehr weit oben. „Kritisieren“                          Stattdessen bewerben sich vielleicht die, denen es ums Führen an
und „kontrollieren“ – Blakes besondere Stärken – sind hingegen                             sich geht. Und so bekommt man im schlimmsten Fall statt eines
vergleichsweise wenig gefragt. Zwar sortieren die Unternehmen                              Menschenförderers den Choleriker, der Mitarbeitern nicht mal die
sie immer noch irgendwo zwischen 2 und 3 auf der Skala ein                                 Tasse Kaffee gönnt, wenn sie ihm zu wenig leisten. (nig)       p

Die wichtigsten Aufgaben von Führungskräften:                                               Die am wenigsten wichtigen Aufgaben von Führungskräften:
             Motivieren                                                                                 Kritisieren
                                                1,23                                                                                                                    2,42
             Loben und anerkennen                                                                       Kontrollieren
                                                  1,31                                                                                                              2,28
             Entscheiden                                                                                Unterweisen/erklären
                                                  1,31                                                                                                       1,98
             Informieren und kommunizieren                                                              Kontakte knüpfen
                                                    1,39                                                                                                  1,88
             Mitarbeiter entwickeln                                                                     Beurteilen
                                                       1,49                                                                                              1,82
                                                                                                                                                                           Quelle: BIMoP, 2019

n = 202; branchenübergreifende Befragung von Unternehmen unterschiedlicher Betriebsgröße zum Führungsverhalten
Item: Bewertung der Wichtigkeit ausgewählter Führungsaufgaben auf einer Skala von 1 (sehr wichtig) bis 5 (gar nicht wichtig).
Von insgesamt 16 Antwortoptionen sind hier die zehn mit den stärksten positiven und negativen Ausprägungen (Zustimmung versus Ablehnung) dargestellt.

                                                                                                                                           Personalwirtschaft 02_2020         9
Personalwirtschaft Das Magazin für den Job HR
KURZE FRAGE

         Sind Pferde die
      besseren Coaches?

                                            u Der Erfolg von pferdegestütztem Coaching ist offensichtlich. Viele Coachees,
                                            die zu uns kommen – vor allem Geschäftsführer und leitende Angestellte –
                                            haben Hemmungen, sich einer anderen Person vorbehaltlos zu öffnen.
                                            Gegenüber einem Pferd gelingt es ihnen leichter, Emotionen zuzulassen.

                                            Denn das Tier ist nicht nachtragend. Es überlegt auch nicht lange „Wie sage
                                            ich es dem Klienten?“. Es reagiert unmittelbar. Beispiel: Führungskräfte sollen
                                            ein Pferd durch Gestik, Mimik oder Körperhaltung bewegen. Wo im Alltag oft
                                            Hierarchien oder der Ärger des Chefs als Druckmittel auf Mitarbeiter wirken,
                                            reagiert das Pferd nur auf die Person und ihre Aura – und zeigt ihr sofort, ob sie
                                            zu ihm durchdringt. Durch ihre sensible Wahrnehmung erkennen Pferde dabei
                                            auch unbewusste Verhaltensweisen. Ein guter Coach wird die ebenso bemerken,
                                            aber das Pferd reagiert schneller und direkter auf nonverbale Aktionen. Bei der
                                            Frage „Wie wirke ich auf andere?“ – für Führungskräfte elementar – geben
                                            Coaching-Pferde so klare Rückmeldung: Wer
                                            Mitarbeiter verschreckt oder im Unklaren lässt,
                                            dem spiegeln sie genau das wider. Der Transfer
                                            in den Alltag gelingt aber erst durch die Reflexion
                                            mit dem eigentlichen Coach, ihn ersetzt das Pferd
                                            nicht.                                            p

                                            Der Antwortgeber: Joachim Lang ist Geschäftsführer der 2001 gegründeten
                                            Unternehmensberatung und Personalvermittlung Consinion GmbH in Ulm,
                                            die auch das Coaching von Führungskräften mit oder ohne Pferd anbietet.
                                                                                                                                 Foto: Consinion

                                            Lang, einst Gründer eines großen Ingenieur-Unternehmens, gehört auch
                                            dem Aufsichtsrat mehrerer Firmen an.

Der Hintergrund

Das Pferd als „hundertprozentig authentischer Co-Coach“: Lässt sich diese Ankündigung, die das
Beratungsunternehmen Consinion GmbH macht, einhalten?
Sicher: Das Pferd ist dem Menschen seit jeher ein stützender Gefährte. Dass es nicht nur dann Antworten
gibt, wenn man ihm was flüstert, ist etwa aus dem (psycho)therapeutischen Reiten mit Kindern
bekannt. Aber Führungskräfte-Coaching ist doch noch mal ein anderes Setting, mit oft genug verkopften,
kontrollierten Coachees. Ebendrum, sagen Consinion und andere Anbieter, das Pferd lässt sich nicht
vom Kopf allein kontrollieren. Deshalb könne es den menschlichen Coach zwar nicht ersetzen, aber es
habe ihm etwas mitunter Entscheidendes voraus.

10       Personalwirtschaft 02_2020
#HRmacht

            Ihr HR-Projekt gehört
            auf die große Bühne?

         Dann halten Sie sich bereit, wenn es bald wieder heißt: HR-Macher gesucht!
    Bewerben Sie sich mit Ihrem Projekt um den Deutschen Personalwirtschaftspreis 2020.
                       Sie möchten den Bewerbungsstart nicht verpassen?
     Dann nutzen Sie unseren #HRmacht-Reminder und schreiben Sie einfach eine Mail an
                   anmeldung-personalwirtschaft@wolterskluwer.com!
                  deutscher-personalwirtschaftspreis.de

                                                                  Veranstalter:
HR & ICH ZOOM

     Kleine Gewerkschaften,
     große Verwirrung
     Ein Unternehmen, ein Tarif: Dem Ideal von
     Arbeitgeberverbänden und DGB haben sich Klinikärzte,
     Lokführer, Piloten und zuletzt Flugbegleiter widersetzt.
     Wie soll man mit ihnen verhandeln?
     VoN WINFRIED GERTZ

     u Es war am 14. November vergangenen Jahres: Kurz              Das TEG wird vom Deutschen Gewerkschaftsbund und
     nachdem ein 48-stündiger Streik des Kabinenpersonals           den Arbeitgeberverbänden begrüßt, da es einer „Balkani-
     zum Ausfall von rund 1300 Lufthansa-Flügen geführt             sierung“ der Tariflandschaft vorbeuge. Vor Jahresfrist aber
     hatte, trat Bettina Volkens, seinerzeit amtierende Arbeits-    musste es vom Bundesverfassungsgericht auf Initiative
     direktorin, vor die Presse, um die mit der Flugbeglei-         mehrerer Vertretungen, allen voran der Gewerkschaft der
     ter-Gewerkschaft Ufo erarbeitete Schlichtungsverein-           Lokführer (GDL), geprüft werden. Sie sahen ihr grund-
     barung zu verkünden. Durch Aufnahme des Dialogs,               gesetzlich verbrieftes Recht der Koalitionsfreiheit bedroht.
     bekräftigte die Managerin, wolle sie weiteren Schaden
     abwenden und verloren gegangenes Vertrauen wieder-             Zuvor hatten die Karlsruher Richter das TEG zwar bestätigt,
     herstellen. Und dann sagte sie diesen folgenschweren           Unternehmen jedoch vorgeschrieben, die Interessen von
     Satz: „Mit der Vereinbarung zur Schlichtung erkennen           Minderheitsgewerkschaften bei Tarifverhandlungen zu
     wir Ufo als Gewerkschaft an und werden das Statusfest-         berücksichtigen. Nur so seien innerbetriebliche Machtkämpfe
     stellungsverfahren zurücknehmen.“                              im Gewerkschaftslager auszuschließen. Der Gesetzgeber
                                                                    hatte die Karlsruher Vorgabe in ein von den Minderheits-
     Volkens’ Verhandlungsstrategie sollte künftig also vom         gewerkschaften dann massiv kritisiertes Gesetz umgesetzt.
     Geist des Miteinanders und Respekts geprägt sein und die
     von persönlichen Anfeindungen geprägten Machtkämpfe            Denn nach dem neuen Paragraf 4a TVG müssen diese
     mit Ufo überwinden. Doch die Chefetage widersetzte sich        nachweisen, dass die Interessen ihrer Mitglieder eben nicht
     dem Aufruf der Personalvorständin, die Wogen zu glätten:       ernsthaft und wirksam berücksichtigt sind. Damit werde
     Zuerst wurde Volkens aus der Verhandlungskommission            die Darlegungs- und Beweislast umgekehrt, argumentiert
     abgezogen, wenig später ihr Vertrag vorzeitig aufgelöst.       die GDL, die das Tarifeinheitsgesetz (ebenso wie der Deut-
                                                                    sche Beamtenbund) unwirksam erklären lassen will. Die-
     Damit hat sich der Wind gedreht: Der Lufthansa-Vorstand        selbe Kritik äußert der Marburger Bund, die Gewerkschaft
     sucht die Eskalation. Statt auf die Forderungen nach Zula-     der angestellten und beamteten Mediziner.
     gen und verbesserten Arbeitsbedingungen konzentriert
     er sich darauf, die Tariffähigkeit von Ufo in Zweifel zu       Mit ihrem hohen Organisationsgrad agieren beide Gewerk-
     ziehen – nicht allein weil seitens der Spartengewerkschaft     schaften aus einer „Position der Stärke“ heraus, die auch
     Nicoley Baublies die Verhandlungen führt, ein fristlos         Ufo für sich reklamiert: Drei von vier Flugbegleitern sind
     gekündigter Mitarbeiter der Fluglinie. Wichtiger war und       Mitglied, eine höhere Quote als bei Verdi. Während die
     ist das Ansinnen, eine Grundsatzfrage zu klären und das        Lufthansa unter Bezug auf das TEG allein mit Verdi Tarif-
     Tarifeinheitsgesetz (TEG) für sich zu nutzen. Jenes Gesetz,    verhandlungen führen will, hat Ufo wiederholt – so auch
     durch das 2015 ein neuer Paragraf 4a ins Tarifvertragsgesetz   zum Jahreswechsel – mit Nutzung des Streikrechts reagiert.
     (TVG) eingefügt wurde, schreibt Arbeitgebern vor, im           Einstweilige Verfügungen, mit denen der Konzern Arbeits-
     Fall miteinander kollidierender Tarifverträge den derje-       kämpfe verhindern will, werden regelmäßig von Arbeits-
     nigen Gewerkschaft anzuwenden, die mehr Mitglieder im          gerichten abgewiesen. Wer unter solchen Bedingungen
     Unternehmen hat. Aus Sicht der Lufthansa ist das Verdi,        erfolgreich verhandeln will, muss mit allen Wassern gewa-
     nicht Ufo.                                                     schen sein.                                              p

12   Personalwirtschaft 02_2020
Worum geht es?                                                                 Was sollte HR tun?
            Der Umgang mit Minderheitsgewerkschaften                            Mit Fingerspitzengefühl den Rechtsrahmen
            Die Lufthansa ist nicht die erste Organisation, die                 ausschöpfen
vor der Frage steht: Lohnt sich Eskalation, also die Ausgrenzung       Können Unternehmen zugleich ihre Interessen wahren und zu
von Minderheitsgewerkschaften, als Verhandlungsstrategie in            einvernehmlichen Lösungen beitragen? Ja, meint Julia Sontheimer,
Tarifkonflikten? In der Vergangenheit ist dies mehrfach gescheitert.   Anwältin für Arbeitsrecht in der Kölner Kanzlei Wilde Beuger
Weder konnte sich die Deutsche Bahn gegen die GDL durchsetzen.         Solmecke. Sie verweist zunächst auf das TEG: Weil es die ernsthafte
Noch gelang es kommunalen Arbeitgebern, den Marburger Bund             und wirksame Berücksichtigung der Interessen von Minderheits-
in Schach zu halten. Streiken solch einflussreiche Spartengewerk-      gewerkschaften vorsehe, müssten diese die Chance haben, Tarif-
schaften, legen sie nicht nur den Betrieb oder wie im Fall von         verhandlungen aktiv zu beeinflussen. Sie lediglich in die Über-
GDL das ganze Land lahm; sie verursachen Kosten in beträchtlicher      legungen einzubeziehen, „reicht hierfür nicht aus“. Sontheimer
Höhe, schwächen die Kundenbindung und gefährden den Ruf                empfiehlt, die verschiedenen Arbeitnehmerseiten vor Verhand-
der Unternehmen.                                                       lungen durch Beteiligungsverfahren einzubinden, etwa durch
                                                                       repräsentative Vertretung in Gremien.
Auf der anderen Seite müssen Spartengewerkschaften sich die
Position der Stärke erst erarbeiten, wie das Beispiel der Neue         Und wenn Gewerkschaften wie beim Beispiel Lufthansa versus
Assekuranz Gewerkschaft (NAG) zeigt. Ihr sprach das Bundes-            Ufo streiken: Wie sollten Unternehmen darauf reagieren? Nun
verfassungsgericht jüngst die Tariffähigkeit mit dem Argument          wird es knifflig. „Das Bundesverfassungsgericht hat festgehalten,
ab, sie sei nicht mächtig genug, Tarifforderungen im Versiche-         dass Arbeitskämpfe zur Durchsetzung kollidierender Tarifverträge
rungsgewerbe durchzusetzen. Der Spielraum solcher Gewerk-              zulässig sind“, sagt Sontheimer. Deshalb rät die Juristin Arbeit-
schaften in Verhandlungen mit Unternehmen ist folglich sehr            gebern, in besagten Fällen den geforderten Tarifvertrag abzu-
begrenzt.                                                              schließen, was die Friedenspflicht auslöse, ihn dann jedoch unter
                                                                       Verweis auf das TEG und die Regelungen zur Tarifkollision (siehe
                                                                       oben) nicht anzuwenden. Im Klartext sollten Arbeitgeber, so
            Woran hakt es?                                             Sontheimer, „zum Beispiel das hohe Tarifentgelt des Minder-
            Das TEG verschärft den Machtpoker                          heitstarifvertrags nicht auszahlen“.
            Sprechen Arbeitsdirektoren in Tarifverhandlungen
allein mit der größten Gewerkschaft, riskieren sie Streiks und         Unlauter, aber zielführend: Ist solch eine Taktik mit Blick auf
den langen Weg über die Schlichtung. Hinzu kommt: Sparten-             eine gedeihliche Sozialpartnerschaft oder ein positives Arbeit-
vertretungen wie GDL oder Marburger Bund sind einflussreich            geberimage praxistauglich? Laut Marburger Bund zumindest
genug, den Tarifpartner mit einer Grundsatzerklärung zu kon-           kam noch kein Tarifvertrag zustande, weil Kanzleien Unternehmen
frontieren, ohne die keine Verhandlungen möglich sind. Eine            dazu geraten hätten, streikende Gewerkschaften durch Unterschrift
solche Erklärung schließt eine Verdrängung konkurrierender             unter den Tarifvertrag zu besänftigen, um dann deren Forderungen
Tarifverträge wie im TEG vorgesehen ausdrücklich aus.                  nicht einzulösen.

Ufo ist ein anderes Beispiel. Ein Schulterschluss mit Verdi ist        Insofern bleibt es wohl dabei: Im Machtpoker kommt es auf juris-
vorerst kaum möglich, im Gegenteil: Verdi facht den Machtkampf         tisches Geschick und Fingerspitzengefühl an. HR und Unter-
immer wieder mit kritischen Statements über den Konkurrenten           nehmensspitze sollten ihre Strategie gut abwägen – und die kom-
an, der keine so starke Position wie der Marburger Bund innehat.       plizierte, sich womöglich bald schon wieder ändernde Gesetzeslage
Und die Zermürbungstaktik der Lufthansa, die mit allen erdenk-         im Auge behalten.                                              p
lichen juristischen Mitteln gegen die kleine Gewerkschaft agiert,
droht die nicht zuletzt von internen Machtkämpfen geschüttelte
Ufo zu zerrütten.
                                                                                                                 „Das Bundesverfassungs-
So offenbart dieser Fall, wie kompliziert sich die Suche nach                                                     gericht hat festgehalten,
Tarifeinheit gestalten kann. Hinzu kommt ein genereller Anse-                                                        dass Arbeitskämpfe
hensverlust des TEG. Der Verband der Arbeitsrichter hält das                                                          zur Durchsetzung
Gesetz für nicht anwendbar. Tatsächlich weisen Arbeitsgerichte                                                  kollidierender Tarifverträge
nicht nur im Fall von Lufthansa die Arbeitsgeber regelmäßig ab                                                          zulässig sind.“
                                                                       Foto: Tim Hufnagl

und bestärken so die Gewerkschaften.
                                                                                                                 Julia Sontheimer, Kanzlei Wilde Beuger Solmecke

                                                                                                                  Personalwirtschaft 02_2020          13
HR & ICH BGM

Arbeit 4.0 braucht Gesundheit 4.0
Unternehmen benötigen Mitarbeiter, die digital, flexibel und vernetzt sind – und leistungsbereit.
Daher unterstützt der Gebäudedienstleister ISS seine Beschäftigten in einem gesundheitsorientierten
Lebensstil. Doch wie erreicht man jene, die ihre Fitness bislang wenig im Blick hatten?

                    u Manchmal können kleine Dinge Großes bewirken:             Maßnahmen stärken das Herzkreislaufsystem, erhöhen
                    Der Anbieter für Facility Services ISS Deutschland          die Konzentrationsfähigkeit und senken den Blutdruck.
                    motiviert seine Mitarbeiter dazu, Treppen zu steigen.       Was sportaffinen Mitarbeitern als banal und Couch
                    Bodenkleber navigieren sie am Düsseldorfer Hauptsitz        Potatoes als aufdringlich erscheinen mag, ist bei ISS
                    des Unternehmens am Aufzug vorbei hin zu den Trep-          Strategie. Unter dem Begriff „New Ways of Working“
                    pen. Die Botschaft: Wer 400 Stufen pro Tag steigt, hat      gestaltet das weltweit agierende Unternehmen den
                    so viel geleistet wie ein Jogger nach 15 Minuten. Auch      Arbeitsplatz der Zukunft – für Kunden und im eigenen
                    werden Wege zu Druckern und Papierkörben vorge-             Haus. Das in diesem Zuge entwickelte Programm
                    schlagen. So gehen manche Mitarbeiter einige tausend        „AKTIVoffice“ beinhaltet dabei so simple Tricks wie
                    Schritte täglich, ohne sich dessen bewusst zu sein. Beide   das Treppensteigen, um einen gesünderen Lebensstil

14   Personalwirtschaft 02_2020
auch am Arbeitsplatz mit extrem niedriger Einstiegs-
                                                          ISS Facility Services Holding GmbH                                               CASE STUDY
barriere zu fördern. So soll das Wohlergehen der
Beschäftigten insgesamt gesteigert werden.                ISS will Nutzern von Gebäuden und Liegenschaften auf der ganzen Welt helfen, effizienter zu arbeiten:
Denn natürlich sind die Mitarbeiterzufriedenheit,         durch die intelligente Verknüpfung von Daten, Insight Reporting und Dienstleistung. Die Servicepalette
-gesundheit und -motivation wichtige Bausteine für        des Unternehmens umfasst Gebäudetechnik, Bauen im Bestand, Reinigung, Catering, Sicherheit,
die Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsfähigkeit des       Bürodienstleistungen sowie Integrated Property und Facility Management. Im Jahr 2018 belief sich
                                                          der weltweite Umsatz der ISS-Gruppe auf 9,87 Milliarden Euro bei über 480 000 Mitarbeitern. 1901 in
Unternehmens. Neben „AKTIVoffice“ hat ISS 2017 ein        Kopenhagen gegründet, ist das Unternehmen seit 1960 in Deutschland tätig. Heute beschäftigt ISS
umfassendes Bewegungs- und Ernährungsangebot ein-         hierzulande über 10 000 Mitarbeiter, 2018 machte man einen Jahresumsatz von 424 Millionen Euro.
geführt. Dazu gehört auch ein unternehmenseigenes
Fitnessstudio am Düsseldorfer Standort.

Der Ansatz: Gesünder durch Technik                        unabhängigen Nutzung moderner digitaler Technolo-
                                                          gien samt hochwertigen Inhalten.
Arbeit 4.0 funktioniert nur, wenn man sie durch
Gesundheit 4.0 stärkt. Es gilt, die Möglichkeiten zu      Der Ablauf: Mit Impulsen und Ausdauer
nutzen, die sich im Zuge der Digitalisierung bieten:
individuelle Angebote, maßgeschneidert, orts- und         Die Einführung des Fitness- und Ernährungsprogramms
zeitunabhängig nutzbar. Für solch ein Angebot braucht     läuft in drei Phasen ab:
es in aller Regel Partner.
So auch bei ISS. Die Wahl fiel auf Aeroscan: Das Digi-    l  Phase 1: Impulse setzen –
tal-Health-Start-up aus Berlin zeigt Mitarbeitern mit        Aufmerksamkeit schaffen
Bewegungs- und Ernährungsempfehlungen, wie sie            In einer Kommunikationskampagne werden die Be-
sich gesund und fit halten können. Wobei der erste        schäftigten in mehreren Schritten über das Aeroscan-
Schritt ein ganz naheliegender ist: Bei einem initialen   Angebot informiert. Die Inhalte werden gemeinsam
Check-up-Termin werden Sauerstoff- und Kohlendi-          von ISS und dem Dienstleister definiert. Die Kampagne
oxidgehalt im Atem der teilnehmenden Mitarbeiter          läuft an jedem Standort über vier bis acht Wochen vor
gemessen. Anschließend kommt ein Aeroscan-eigenes,        dem Start des Programms.
mehrfach patentiertes Gerät zum Einsatz. Es wurde
ursprünglich für Astronauten der Weltraumstation ISS      l Phase 2: Atemdiagnose und Check-up –
(die Namensgleichheit ist Zufall) entwickelt, um Rück-      Bewusstsein schärfen
schlüsse für effektives Training und passende Ernährung   Mit dem persönlichen Check-up wird das Bewusstsein
im All zu ziehen.                                         der Mitarbeiter geschärft: Welche Zusammenhänge
Bei Aeroscan-Kunden unterstützt diese Technologie         bestehen zwischen Bewegung, Ernährung und Stress
die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF): Nach         und wie können sie ihre Fitness und Gesundheit positiv
dem rund zehnminütigen Check-up besprechen zer-           beeinflussen? Die Ergebnisse sind bei den meisten Mit-
tifizierte Trainer die persönliche Zielsetzung mit        arbeitern eine große Motivation, an sich zu arbeiten.
jedem einzelnen Mitarbeiter und beraten ihn bei der
Auswahl für ein Fitnessprogramm. Zur Verfügung            l  Phase 3: In die Praxis –
stehen mehr als 50 Bewegungsprogramme, beispiels-            dranbleiben und Erfolge feiern
weise eine Lauf- oder eine Abnehmvariante mit ent-        Check-up-Ergebnisse, individuelle Lebenssituation,
sprechenden Ernährungstipps, die per App abgerufen        persönliche Ziele und die Präferenz für Ernährung
werden können.                                            und/oder Bewegung fließen ein in ein individualisiertes
Andere Varianten setzen eine besonders niedrige           Programm, das nach drei Monaten angepasst oder
Einstiegsbarriere. So kommen Nutzer in Bewegung,          komplett gewechselt werden kann. An den ISS-Stand-
ohne sich überwinden zu müssen. Neben knapp 4000          orten läuft die Begleitung der Mitarbeiter durch Aero-
Rezepten beinhalten die verschiedenen Programme           scan über mindestens zwölf Monate.
qualitativ hochwertige Trainingsvideos – beispiels-
weise mit Biathlon-Olympiasiegerin Andrea Henkel.         Das Ziel: Mitarbeiterwohlbefinden
Außerdem gibt es ein Online-Lexikon zu den wich-
tigsten Fragen rund um Bewegung, Ernährung und            Nicht nur Umfang und Qualität, sondern auch die
Stress.                                                   Kosten liegen bei einem solch individualisierten Ansatz
Damit bietet Aeroscan mehr als eine App. Nämlich          über denen von digitalen Marktplätzen oder Plattfor-
einen hybriden Ansatz aus Check-up, der Möglichkeit,      men. Mindestens 15 Euro pro Monat und aktiven Mit-
Rückfragen stellen zu können, sowie der orts- und zeit-   arbeiter sollten für ein vergleichbares Programm bud-

                                                                                                                     Personalwirtschaft 02_2020         15
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                                                                                                            beitern an Standorten in Berlin und Brandenburg gestar-
         Wo hat es im Projekt gehakt?                                                STOLPERSTEINE
                                                                                                            tet. Im September 2018 folgte der Roll-out in der Unter-
     •   Die Belegschaft muss die Angebote des Betrieblichen Gesundheitsmanagements kennen. Dadurch,        nehmenszentrale in Düsseldorf, wo inzwischen 350
         dass viele ISS-Mitarbeiter dezentral im Einsatz sind, etwa bei Kunden vor ort, bedurfte es einer   von rund 500 Mitarbeitern das freiwillige Angebot ken-
         Kampagne, die über verschiedene Kanäle über das Angebot informiert. Deshalb haben die Kommu-
                                                                                                            nengelernt haben und 270 Mitarbeiter das Programm
         nikationsteams von ISS und Aeroscan hier eng zusammengearbeitet.
                                                                                                            nutzen, Tendenz steigend. Bei Neueinstellungen ist die
     •   Die Herausforderung besteht darin, auch die wenig sportaffinen Beschäftigten zu motivieren.
         Es ist wichtig, deutlich zu machen, dass es sich um ein individuelles Angebot handelt, das die     Einführung in AKTIVoffice mit dem Aeroscan-Pro-
         Voraussetzungen jedes Einzelnen berücksichtigt und ihn in seiner Entwicklung begleitet.            gramm bereits fester Bestandteil des Onboarding-Pro-
     •   Wenn es Vorbehalte seitens der Personalabteilung oder des Betriebsrats gegen digitalisierte        zesses. 2020 werden weitere der knapp 30 ISS-Nieder-
         Prozesse gibt, geht es häufig um den Datenschutz. Aeroscan erfüllt alle Vorgaben der               lassungen in Deutschland folgen.
         Datenschutz-Grundverordnung (DSGVo) und betont, dass keinerlei persönlichen Daten oder
                                                                                                            Der Einsatz lohnt sich. Die Aeroscan-Teilnahmequote
         Informationen über das Trainingsverhalten weitergegeben werden.
                                                                                                            unter den bis dato informierten ISS-Mitarbeitern liegt
                                                                                                            im Durchschnitt bei 70 Prozent, wobei knapp zwei
                                                                                                            Drittel der Teilnehmer gemäß initialem Check-Up
         Was hat das Projekt gebracht?                                              UNTERM STRICH           einen unterdurchschnittlichen Fitnesszustand und
                                                                                                            deutlich reduzierte Fettverbrennungswerte aufweisen.
    •    Dank der Betrieblichen Gesundheitsförderung wird ISS von seinen Mitarbeitenden als                 Rein digitale Vermittlungsplattformen oder bezu-
         Unternehmen wahrgenommen, das sich für ihr Wohlergehen, ihre Leistungsfähigkeit und                schusste Firmenfitness erreichen oft nur Quoten unter
         ihre Gesundheit engagiert.
                                                                                                            15 Prozent. Nach der Erfahrung von ISS fehlen hier
    •    Rund 70 Prozent der bis dato angesprochenen ISS-Mitarbeiter in Deutschland nehmen das
         Aeroscan-Angebot wahr, darunter sehr viele mit zunächst unterdurchschnittlichem Fitness-           die nachhaltigen Effekte, weil die Beschäftigten sich
         zustand – deutlich mehr als bei weniger umfassenden Fitnessprogrammen.                             oft selbst überlassen und angesichts einer ungeheuren
    •    Bewerber lernen einen Arbeitgeber kennen, bei dem New Work, Work-Life-Balance sowie                Vielfalt der Angebote orientierungslos bleiben. Wichtig
         Gesundheit und Wohlbefinden wichtige Bestandteile des Arbeitsplatzes sind.                         ist aber, dass die Beschäftigten ihre Grundeinstellung
    •    Durch den individuellen Zuschnitt können die Mitarbeiter das jeweilige Bewegungs- und              ändern.
         Ernährungsprogramm leicht in Arbeitsalltag und Privatleben integrieren – was die Nachhaltig-
         keit der Maßnahme stärkt.
    •    Das Ergebnis ist eine gesteigerte Motivation, höhere Zufriedenheit und stärkere Identifikation
                                                                                                            Das Ergebnis: Fitness und Gesundheit
         der Belegschaft mit dem Arbeitgeber sowie abnehmende Fehlzeiten und Fluktuation.
                                                                                                            Das Angebot erreicht also nicht nur die ohnehin Fit-
                                                                                                            nessaffinen, sondern auch jene, die lange inaktiv waren.
                                                                                                            Für die meisten teilnehmenden ISS-Mitarbeiter lassen
                                   getiert werden. Der Gesetzgeber ermöglicht unkom-                        sich die Erfolge zudem ganz konkret feststellen, nämlich
                                   pliziert BGM-Investitionen von bis zu 500 Euro pro                       auf der Waage. Ein persönlicher Gewinn, denn die von
                                   Mitarbeiter und Jahr. Auch Krankenkassen unterstützen                    ihnen im Vorfeld am häufigsten genannte Zielsetzung
AUToREN                            das Angebot.                                                             ist mit 55 Prozent die Gewichtsreduktion, gefolgt von
                                   Überdies lassen sich diese Kosten als Investititon                       Steigerung der Fitness mit 32 Prozent.
                                   betrachten. ISS Deutschland zielt mit seinen BGM-                        Im Schnitt haben alle Aeroscan-Nutzer bei ISS ihr Kör-
                                   Maßnahmen auf die Steigerung des Mitarbeiterwohl-                        pergewicht um gut drei Prozent reduziert; in Einzelfällen
                                   befindens und der Motivation ab. Wird dieses Ziel                        sogar um bis zu 19 Kilogramm. Ihre Fettverbrennung,
                                   erreicht, entsteht automatisch ein Return on Invest:                     also die Fähigkeit, überhaupt Fette bei Bewegung zu
Frank Merry, Director People &     Fehlzeiten und Fluktuation sinken und die Bindung                        nutzen, ist über alle Mitarbeiter hinweg um 120 Prozent
Culture operations,                sowie die Leistungsbereitschaft werden gestärkt. Mit-                    gestiegen. Seit Beginn des Programms wurden am
ISS Facility Services Holding
GmbH, Düsseldorf,                  arbeiterbefragungen bei ISS bestätigen dies. Zudem                       Standort Düsseldorf circa 670 kg Körpergewicht redu-
frank.merry@de.issworld.com        steigert ein zeitgemäßes BGM-Paket die Arbeitgebe-                       ziert. Das entspricht dem Fettgehalt von rund 2700
                                   rattraktivität bei der Ansprache potenzieller Mitarbeiter                Paketen Butter.
                                   und beim Rekrutieren allgemein.                                          Der gesundheitliche Nutzen daraus ist so hoch, dass
                                                                                                            auch ISS-Kundenunternehmen hellhörig geworden
                                   Der Weg: Einsatz, der sich lohnt                                         sind und sich für das Gesundheitsprogramm interes-
                                                                                                            sieren. Nun arbeitet der Gebäudedienstleister daran,
                                   Das Angebot kommt gut an bei den mehr als 10 000                         ein entsprechendes Angebot für die Automobilwirtschaft
Martin Kusch, Gründer              Beschäftigten, die in Deutschland für ISS arbeiten –                     sowie die Pharma-, IT- und Telekommunikationsbran-
und Geschäftsführer,
Aeroscan GmbH, Berlin,             und es soll weiter ausgebaut werden. In einem Pilot-                     che zu schnüren. Am Ende kommt eben keiner ohne
martin@aeroscan.com                projekt hatte Aeroscan 2017 mit rund 100 ISS-Mitar-                      Gesundheit und Fitness aus.                            p

         16        Personalwirtschaft 02_2020
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HR & ICH PRAXISTRANSFER

Pressepräsenz schlägt Phrasendrescherei
Die Möglichkeiten der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit als Teil der Arbeitgeberkommunikation
bleiben in vielen Unternehmen bislang unausgeschöpft. Eine neue Studie zeigt, wie es Arbeitgebern
gelingen kann, sich mithilfe guter Employer PR erfolgreich zu positionieren.

                         u Bekämen die allseits umschwärmten Bewerber für                         1 Employer PR als Stiefkind der Unternehmens-
                         jeden Claim und jede Phrase, die auf sie einprasselt,                         kommunikation
                         auch nur einen Euro – der Fachkräftemangel wäre end-                     Fakt: Journalisten kritisieren die Presse- und Öffent-
                         gültig verheerend, denn kein Kandidat müsste mehr                        lichkeitsarbeit deutscher Arbeitgeber deutlich. Zwei
                         arbeiten. Das dahinter stehende Kommunikationsmo-                        Drittel von ihnen beurteilen die PR zu Arbeitgeberthe-
                         dell vom Bewerber, der auf den nächsten Slogan oder                      men schlechter als die zu den Produkten der Unter-
                         das nächste austauschbare Versprechen vom Fordern                        nehmen. Unter anderem monieren sie austauschbare
                         und Fördern anspringt, hat mit der Wirklichkeit schon                    Pressemitteilungen und Mängel im aktiven Umgang
                         lange nichts mehr zu tun. In dieser Wirklichkeit sind                    mit der Presse. „Sie jammern, dass sie keine Leute
                         werbliche Botschaften an ihre Grenzen gelangt.                           finden, und wir Journalisten bekommen viel zu selten
                         In der Realität des Jahres 2020 ist gelingende Arbeit-                   mit, wenn es interessante Personalprojekte im Unter-
                         geberkommunikation das Resultat strategischer Kom-                       nehmen gibt“, berichtet ein Teilnehmer.
                         munikationsarbeit, die sämtliche Kommunikations-                         Transfer: Unternehmen bedienen mit ihren Public-
                         disziplinen abdeckt. Und diese Kommunikation kommt                       Relations-Maßnahmen dreierlei Märkte: den Produkt-
                         nicht mehr länger ohne klassische Presse- und Öffent-                    markt, den Investorenmarkt sowie last but not least
                         lichkeitsarbeit aus. Arbeitgebern, die es auf die Agenda                 den Talentmarkt. Die Kommunikation hat also einerseits
                         von Journalisten und deren Redaktionspläne schaffen,                     die Produkte und Dienstleistungen des jeweiligen Unter-
                         gelingt es auch, ihre Themen zu den Bewerbern und                        nehmens zum Inhalt, zweitens sein Potenzial als Inves-
                         Mitarbeitern zu tragen. Entscheidend ist, dass sie dabei                 titionsobjekt sowie drittens die Arbeitgeberperspektive.
                         sowohl die Perspektive der Journalisten als auch die                     Unsere Studie zeigt: Die letztere Perspektive wird hand-
                         der Bewerber im Blick haben und ihre Alleinstellungs-                    werklich und inhaltlich sträflich vernachlässigt. Arbeit-
                         merkmale in Form von Fakten und guten Storys ver-                        geber lassen also die Chance liegen, sich in wichtigen
                         packen. So werden relevante Inhalte geschaffen, die                      Medien facettenreich und transparent als Arbeitgeber
                         auch von Suchmaschinen gefunden werden. Wir spre-                        darzustellen. Dieses Vorgehen sollten Unternehmen
                         chen hier also von einem nicht zu unterschätzenden                       dringend überdenken.
                         Performance-Charakter, den gute Employer PR ebenso
                         mitbringt wie gutes und schlüssiges Storytelling.                        2 Kaum Trendsetter in den HR-Abteilungen
                         Doch wie es ist es derzeit um die Employer PR auf dem                    Fakt: Personalabteilungen selbst setzen aus Sicht der
                         deutschen Arbeitsmarkt bestellt? Diese Frage beant-                      Journalisten nur selten HR-Trends. Auf die Frage, wer
                         wortet die aktuelle Employer-Telling-Studie „Employer                    denn aus der Branche solche setze, antwortet mehr als
                         PR – Deutsche Arbeitgeber und ihre Öffentlichkeits-                      die Hälfte der Journalisten, dass diese meist aus der
                         arbeit“. Diese verbindet eine Journalistenbefragung                      wissenschaftlichen Richtung, also von Professoren und
                         mit einer Bewerberumfrage und stellt die Ergebnisse                      Forschern, kommen. Den HR-Abteilungen schreibt
                         in Bezug zueinander.                                                     dies nur jeder fünfte Teilnehmer zu.
                                                                                                  Transfer: Im Wettbewerb um Raum in den Köpfen der
                                                                                                  Journalisten sehen HR-Verantwortliche leider alt aus.
Die Studie                                                                                        Selbst HR-Persönlichkeiten aus den großen Unterneh-
Für die Studie von Employer Telling (ein Angebot der Böcker Theisen Consult GmbH & Co. KG)        men gelingt es kaum, regelmäßig in den wichtigen
befragte das Marktforschungsinstitut Respondi 1052 Kandidaten zu ihrem Informationsverhalten      Wirtschafts- und Publikumsmedien präsent zu sein,
bezüglich Arbeitsweltthemen. Alle Studienteilnehmer befanden sich in den letzten beiden Jahren    Meinung zu beziehen und damit ihr Unternehmen
in einem Bewerbungsprozess. Der Befragungszeitraum lag im Juli 2019. Parallel dazu gab es eine
                                                                                                  eben auch mit seinen Arbeitgeberwerten in den Fokus
qualitative Befragung unter 30 Journalisten, die für die Wirtschafts- oder Publikumspresse über
die Arbeitswelt in Unternehmen berichten. Zu diesen Journalisten zählten Vertreter renomierter    zu stellen. Unternehmen, die das gegen den beschrie-
Medien wie Spiegel Online, Süddeutsche Zeitung oder Die Welt.                                     benen Trend schaffen, punkten mit Persönlichkeit und

18       Personalwirtschaft 02_2020
nutzen Aufmerksamkeit, die andere Arbeitgeber gar          5 Informationsbedürfnis auf Kandidatenseite ist
nicht erst auf dem Schirm haben. Als positives Anschau-        noch nicht ausgeschöpft
ungsbeispiel, wie es gehen kann, mag an dieser Stelle      Fakt: Die intensive Nutzung klassischer Medien im
Janina Kugel von Siemens gelten, die Medienpräsenz         Karrierekontext geht einher mit dem Wunsch nach
mit Positionierungsgeschick vereinbarte, das aber mitt-    noch mehr Berichterstattung zu Karrierethemen. Und
lerweile nicht mehr tut – ein Verlust für Siemens auch     dieser Wunsch geht über alle Altersklassen hinweg. 57
in dieser Hinsicht.                                        Prozent aller Teilnehmer würden sich explizit wünschen,
                                                           dass klassische Medien mehr über Arbeitsweltthemen
3 Print ist tot? Von wegen!                                berichten. Das erhoffen sich beispielsweise 49 Prozent
Fakt: 59 Prozent der Bewerber in Deutschland nutzen        der 18- bis 29-Jährigen und 66 Prozent der 40- bis 49-
regelmäßig regionale Tageszeitungen, um sich über          Jährigen.
Karriere- und Arbeitsweltthemen zu informieren. Damit      Transfer: Wir stellen fest, dass das bereits sehr große
ist die Tageszeitung der meist genutzte Medienkanal        Informationsbedürfnis für Karrierethemen noch nicht
in diesem Kontext. Auch überregionale Tageszeitungen       am Limit ist – ganz im Gegenteil. Unternehmen, die dies
werden demnach stark für Karrierezwecke genutzt und        bedienen und neue Themen schaffen, diese kontinuierlich
erreichen einen Anteil von 44 Prozent. Hörfunk (26         bedienen und so eine dauerhafte Medienpräsenz als
Prozent) und TV (30 Prozent) werden vergleichsweise        Arbeitgeber sicherstellen, bedienen den Wunsch von
wenig konsumiert, um sich rund um die Job- und             Kandidaten, in deren Fokus sie fortan stehen.
Arbeitgebersuche schlauzumachen.
Transfer: Das Informationsverhalten zu Karrierethemen      6 Unbekannte Arbeitgebersiegel geben keine Ori-
ist deutlich von der Nutzung der konventionellen klas-         entierung
sischen Medien bestimmt. Während beispielsweise bei        Fakt: Arbeitgebersiegel sind oft ein Mittel, Bewerbern
sozialen Medien die allgemeine private Nutzung im          die eigene Attraktivität als Arbeitgeber zu vermitteln.
Vordergrund steht, zeigt sich bei klassischen Medien,      So werden sie zu einem Instrument der Öffentlichkeits-
dass ein Großteil der Leser Karrierethemen liest – ein     arbeit in diesem Kontext. Das Problem: Der Mehrheit
deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl für PR-Abteilun-         deutscher Bewerber sind Arbeitgebersiegel weitgehend
gen, die ihre Arbeitgeberthemen also viel zielführender    unbekannt. 82 Prozent der Kandidaten können auf
dort platzieren könnten als etwa auf vermeintlich hippen   Nachfrage kein Arbeitgebersiegel nennen, das ihnen
Blogs oder Instagram-Seiten.                               bekannt wäre. Selbst bei Ansicht einer Liste mit zehn
                                                           Siegeln, die derzeit von Arbeitgebern unter Stellenan-
4 Counting likes is not what counts                        zeigen oder auf Karrierewebseiten vielfach eingesetzt
Fakt: Social-Media-Kanäle werden im Schnitt nur von        werden, antworteten immer noch 39 Prozent der Kan-
24 Prozent genutzt, um sich über Arbeitgeber zu infor-     didaten, keines davon zu kennen, das bekannteste Siegel
mieren. Bestes soziales Netzwerk in diesem Kontext ist     erreicht gerade einmal 28 Prozent.
Facebook, das von immerhin 38 Prozent der Teilnehmer       Transfer: Arbeitgebersiegel geben Bewerbern keine            AUToREN
genutzt wird, um sich über Arbeitsweltthemen zu infor-     Orientierung bei der Suche nach einem neuen Arbeit-
mieren. Andere Netzwerke wie Instagram (15 Prozent),       geber. Arbeitgeber versuchen im War for Talents
Snapchat (6 Prozent) oder Twitter (14 Prozent) spielen     umschwärmte Kandidaten mit Siegeln zu beeindrucken,
dagegen eine untergeordnete Rolle.                         die diese gar nicht kennen. Orientierung für Bewerber
Transfer: Gemäß unserer Studie wird ein großer Unter-      sieht anders aus.
schied zwischen privater Nutzung und der im Karriere-                                                                   Sascha Theisen, Böcker Theisen
kontext auf Kandidatenseite sichtbar. Ein Beispiel:        Fazit: PR-Themen, Kanäle und Methoden verdienen              Consult GmbH & Co. KG
                                                                                                                        (Employer Telling), Köln,
Während 85 Prozent unserer Studienteilnehmer Whats-        eine größere Priorisierung in der Arbeitgeberkommu-          st@employer-telling.de
app nutzen, tun dies nur 19 Prozent für Arbeitswelt-       nikation als dies derzeit der Fall ist. Dazu gehört ein
themen. Das ist übrigens auch in der jungen Altersklasse   aktives Themenmanagement, ein ernst gemeintes Joint
nicht anders. Instagram beispielsweise nutzen gerade       Venture zwischen PR- und Personalabteilung sowie
einmal 16 Prozent der 18- bis 29-Jährigen, um sich         eine passgenaue Auswahl der richtigen Zielmedien, zu
über berufliche Themen zu informieren. Wir schließen       denen regionale Tageszeitungen übrigens eher gehören
daraus: Personalabteilungen, die ihre knappe Zeit damit    als Social-Media-Zeiterscheinungen. Unternehmen,
verbringen, Kandidaten auf Snapchat, Twitter oder          die das erkennen, indem sie in die Employer PR ein-          Dr. Manfred Böcker, Böcker Theisen
                                                                                                                        Consult GmbH & Co. KG
Insta anzusprechen, kommunizieren schlicht auf dem         steigen, haben den ersten Schritt zur Differenzierung        (Employer Telling), Köln,
falschen Kanal.                                            getan.                                               p       mb@employer-telling.de

                                                                                                         Personalwirtschaft 02_2020          19
HR & ICH UNTERNEHMENSORGANISATION

 Zeit zum Aufbruch
 Das Reisemanagement vieler Unternehmen sei veraltet, behaupten Softwareanbieter.
 Tatsächlich stellt sich die Frage, wie sich steigende Nachfrage und steigende Ansprüche
 der Mitarbeiter ohne integrierte Lösung befriedigen lassen. Eine Bestandsaufnahme.
 VoN LARS-THoRBEN NIGGEHoFF UND JAN SCHULTE

                          u Ob Flugzeug, Bahn, Mietwagen oder Hotelunterkunft:        dem Topstandard hinterher, veraltete Reisesysteme
                          Wer als Altran-Mitarbeiter in Deutschland eine Reise        würden den Ansprüchen der Mitarbeiter nicht gerecht.
                          plant, landet eher früher als später in den Händen von      „Gerade bei mittelständischen Unternehmen kommt
                          Daniel Hambsch und seiner fünf Kollegen. „Bei uns           es noch immer vor, dass man einen Laufzettel ausfüllen
                          bucht bis auf wenige Ausnahmen niemand etwas selber“,       muss, um einen Reiseantrag zu stellen“, sagt Götz Rein-
                          sagt der Travel Manager. In der Deutschland-Zentrale        hardt, Geschäftsführer für Mittel- und Osteuropa bei
                          der französischen Technologieberatung haben sie ent-        SAP Concur. „Und selbst digitalisierte Systeme haben
                          schieden, die Dienstflüge und -fahrten der insgesamt        oft noch Brüche. Dann müssen Sie das Dokument, das
                          rund 3000 Mitarbeiter vollelektronisch aus einer Hand       Sie eingescannt haben, noch extra kuvertieren.“
                          zu organisieren.                                            Um beim schon einmal zitierten Stichwort Kostener-
                          Das hat zwei große Vorteile: Zum einen kann Altran          stattung zu bleiben: Laut einer von SAP Concur in Auf-
                          so sicherstellen, dass die interne Reiserichtlinie Anwen-   trag gegebenen Umfrage haben gerade einmal 70 Prozent
                          dung findet. Zum anderen können sich die Kollegen           aller deutschen Geschäftsreisenden 2018 ihre Kosten
                          auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren. Lediglich     vollständig zurückerhalten; ohnehin sagten 42 Prozent
                          bei der Abrechnung müssen die Mitarbeiter auch mal          der 7850 Befragten, die mindestens dreimal im Jahr
                          selbst ran. Zum Beispiel, wenn sie einen Kunden auf         unterwegs sind, die Nachbereitung sei das Stressigste
                          Kosten der Firma bewirtet haben. Die meisten anderen        am Reisen.
                          Aufwendungen würden ihnen automatisch über die
Daniel Hambsch            pauschalen Verpflegungsmehraufwendungen rücker-             Warum ein neues System?
                          stattet, sagt Hambsch.
                          Die Abwicklung über ein voll automatisiertes Pro-           Das Reisemanagement stehe bei den Entscheidern in
                          gramm: Im Prinzip sollte ein Geschäftsreisemanagement       Business und HR eher unten in der Prioritätenliste, sagt
                          wie bei Altran aus Sicht von Softwareanbietern die          Reinhardt. Warum in teure Software investieren, wenn
                          Regel in modernen Organisationen sein – ob es auch          es auch so geht? Nicht nur für Reinhardt ist das zu kurz
                          voll zentralisiert sein muss, ist noch mal eine andere      gedacht. Denn der Bedarf von Managern und auch Mit-
                          Frage. Jedenfalls, behaupten die Dienstleister in Worten    arbeitern, unterwegs zu sein, steigt: Von 2004 bis 2018
Götz Reinhardt            und Studien, hinkten viele Unternehmen hierzulande          hat sich die Zahl der Geschäftsreisen in Deutschland

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