Pfarrblatt - Weniger ist mehr - Dompfarre St. Stephan
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PB Ostern 2019.qxp 29.03.19 08:32 Seite 1 74. JAHRGANG · NR. 1 · OSTERN 2019 Pfarrblatt Weniger ist mehr Schwerpunkt Weniger Haben und mehr Sein: den Blick für das Wesentliche schärfen Dompfarre Geburtstagsjubiläen · Einkehrnachmittag · Mitarbeiterausflug · Blitzlichter Spirituelles Hl. Erzbischof Oscar Arnulfo Romero · Fastensuppenessen · Mein Lieblingsgebet Literatur Factfulness · Der Jungbrunnen-Effekt
PB Ostern 2019.qxp 29.03.19 08:32 Seite 2 Inhalt Editorial ■ Editorial 2 ■ Wort des Dompfarrers ■ Eines fehlt dir noch … ■ Sammeln, Sorgen und Vorsorgen 6 3 4 Wie viel brauchen wir? verbundene Einstellung. Papst Franzis- ■ Weniger ist mehr? Weniger kus ermutigt in seiner Enzyklika „Lauda- ist mehr. Mehr und weniger! 7 to si’“ zu einem ökologischen, propheti- ■ Die Kostbarkeit des Wortes 8 schen und kontemplativen Lebensstil, ■ »Mehr als alles hüte dein Herz« 9 der getragen ist von der Überzeugung, ■ Je weniger Du hast, dass „weniger mehr ist“. Unserem Papst desto mehr gibst Du 10 ist es wichtig, den Blick in einer Welt, die ■ Gott besitzt alle unsere Gedanken 11 stets nach Wachstum der Quantität ■ Weniger Pfarren und mehr Gemeinden 12 strebt, auf die Qualität und die Intensi- ■ »Weniger ist mehr« tät zu richten – in allen Lebensberei- in der Architektur 13 chen. ■ Weniger ist mehr – Was bedeutet dies für die Erziehung? 14 Innere Inventur ■ Laudato si’: Botschaft Das Loslassen materieller Dinge steht in von Franziskus 15 Ein Koffer für den Rest des Lebens engem Zusammenhang mit einer inne- ■ carla: Altes reparieren Als ich während meiner Studienzeit ins ren Inventur und bewirkt mehr Freiraum statt Neues kaufen 16 Ausland ging, packte ich Sachen für ein für die Seele. Heuer hat mich die Kunst- ■ Der 48er-Tandler 17 halbes Jahr in einen Koffer, eine Tasche installation im Dom besonders ange- ■ R.U.S.Z: Das Reparatur- und einen Rucksack. Als ich vor zwei Jah- sprochen und in vielfacher Weise zum und Service-Zentrum 18 ren meine hochbetagte Oma in ein Pfle- Nachdenken gebracht: Mein Himmel ist ■ Kennen Sie das Grätzlrad? 19 geheim bringen musste – da es sonst auch nicht immer voller Geigen. Im Ge- ■ Weniger Veranstaltungen – keine andere Möglichkeit gab, sie gut zu genteil. Es gibt Tage, da habe ich das Ge- ein Mehr an Lebensqualität?! 20 versorgen – genügte nur ein Koffer als fühl, dass ich von Terminen, Veranstal- ■ »Weniger ist mehr« bedeutet für mich … 22 Gepäck. Ein einziger Koffer – für den Rest tungen, Aufgaben, Anrufen, zu beant- ■ Sky of Stones 25 ihres Lebens. wortenden Mails, Verpflichtungen und ■ Mitarbeiterausflug 26 Leider war die ihr noch bemessene Le- Sorgen fast erschlagen werde. Wie kleine ■ Mit Gott ins neue Jahr 27 benszeit nur mehr kurz, der Inhalt dieses und große Steine türmt sich dann alles Gepäckstücks wäre auch für einen längeren vor mir auf oder droht als Felsbrocken ■ 65 Jahre Wolfgang Zehetner 28 Zeitraum ausreichend gewesen. Seither be- auf mich herabzufallen. Mir wird alles zu ■ 70 Jahre Hans Walzl 28 gleitet mich nicht nur meine Oma in mei- viel. Von den Schachteln im Keller ganz ■ 80 Jahre Elisabeth Watzek 28 nen Gedanken, sondern auch dieser Koffer: abgesehen … ■ Erfüllende Tage 29 Vor allem, wenn ich an die vielen Dinge Dann ist eine Pause dringend not- ■ Blitzlichter aus St. Stephan 30 denke, die sie im Laufe der Zeit gesammelt, wendig. Ruhe. Stille. Den Blick schärfen. ■ (Fast) nicht zu erkennen? 32 in ihrer Wohnung angehäuft und der Nach- Was von alldem ist wirklich wichtig? ■ Impuls_St.Stephan 32 welt nun zum Räumen hinterlassen hat. Ich Was davon sind nur alte Gewohnheiten, ■ Die Riesenorgel kehrt zurück 33 denke an den Koffer, wenn ich die vielen Wünsche oder Erwartungen an mich ■ Chronik 34 Schachteln mit Spielsachen und oft ver- selbst? Was muss ich loslassen? ■ Aus dem Archiv 34 meintlich praktischen oder wichtigen Din- Die Feier des Osterfests hilft mir da- ■ Steffl 35 gen in unserem Keller oder sonst wo in un- bei. Es erinnert mich an meine eigene ■ Buch: Factfulness 36 serem Haushalt betrachte. Ich denke an ihn, Vergänglichkeit, an die Angst vor dem ■ Buch: Jungbrunnen-Effekt 36 wenn ich Bilder von Menschen in den Me- Loslassen, an Verlassenheit, an Sterben ■ Feste: Fastensuppenessen 38 dien sehe, die aufgrund einer Naturkata- und Tod. Tod, der jedoch zum Leben ■ Mein Lieblingsgebet 39 strophe oder Krieg in ihrem Land nicht ein- führt. Ostern ist ein Fest des Lebens und ■ Heilige: Erzbischof Romero 40 mal mehr einen Koffer haben. der Freiheit. Es geht aber um eine Frei- ■ Termine 41,44 Studien besagen, dass ein Westeuro- heit, die wir nicht selbst machen kön- ■ Gottesdienste: päer im Durchschnitt 10.000 Dinge be- nen, sondern uns geschenkt ist – so wie Karwoche und Ostern 42 sitzt, eine afrikanische Familie hingegen unser Leben. ■ Lange Nacht der Kirchen nur 200. Wie viel von den Dingen die wir Martin Staudinger in St. Stephan 46 besitzen, brauchen wir wirklich? ■ Zum Nachdenken 48 Es geht aber nicht nur um das Haben ■ Impressum 48 der Dinge, sondern auch um die damit Ihre Birgit Staudinger 2 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2019
PB Ostern 2019.qxp 29.03.19 08:32 Seite 3 Wort des Dompfarrers Liebe Freunde von St. Stephan! Lange bereiten wir uns auf Ostern vor. ganz im Hier und Jetzt zu leben, ist nicht Die 40 Tage der österlichen Bußzeit sind nur meine wachsende Lebenserwartung dann doch mit den dazugehörigen Sonn- zu finden, sondern auch ein großes Maß tagen gefühlsmäßig ein wenig länger. an Wachstum in meiner Fähigkeit zur In- Das Weniger in der Fastenzeit kann man teraktion und Aufnahmebereitschaft, da sich relativ leicht vornehmen, der geistli- neue Verbindungen und Synapsen im che Mehrwert hingegen ist nicht immer Gehirn gebildet werden. „Wer glaubt, gleich zu sehen und zu spüren. Gut, dass lebt länger“ war einmal eine Kurzzusam- wir auch in der Dompfarre Besinnungs- menfassung einer werbewirksamen und Einkehrmöglichkeiten in dieser Zeit Grundbotschaft des christlichen Glau- anbieten, die helfen sollen, bewusster in bens. Vielseitiges Interesse und geistige der Gegenwart zu leben. Der Versuchung Regsamkeit schaffen die Voraussetzung standhalten, immer nur in der Vergan- dafür, gerade auch in Krankheitsphasen genheit zu leben, anderen Zeiten nach- und Krisenzeiten die Sinnhaftigkeit des zutrauern oder gar nur von Luftschlös- Daseins besser für sich zu durchschauen deutlich verminderter Demenz und an- sern zu träumen. Der, der wagt ganz da und lösen zu können. deren Krankheitsbildern - ist für viele ei- zu sein, dem eröffnet sich oft ein viel ne Anregung mit dem Fasten, mit Medi- weiterer Blick als denen, die jeder Neuig- Mehr Vertrauen in Gott tation oder Gebet einmal Ernst zu ma- keit einfach nachlaufen. „Alles vermag ich in dem, der mich chen. stärkt.“ (vgl. Phil 4,13) Das Weniger der Im Hier und Jetzt Fastenzeit kann in ein wesentliches Aus der Kraft der Bei dem Glaubensseminar zum Thema Mehr von Ostern einmünden. Auferstehung leben „Näher mein Gott zu dir – ganz da“ ha- Die Rehabilitation des uralten Fas- Wenn wir Ostern feiern, dann ist natür- ben wir uns auf der Grundlage der neue- tens in der Medizin und in den Ernäh- lich der nüchterne Blick der Fastenzeit zu ren Gehirnforschung mit der Plastizität, rungswissenschaften gibt uns ein spre- wenig, aber die Hingabe und die Begeis- also der Beweglichkeit unseres Gehirns chendes Beispiel dafür, dass die Selbst- terung mit der wir das Fest des Lebens- bis ins höchste Lebensalter beschäftigt. reinigungskräfte unseres Körpers nur ak- sieges Jesu Christi und damit der ganzen Das Gehirn bleibt immer formbar - nicht tiviert werden müssen. Im Vertrauen auf Menschheit feiern, ist wieder nach den nur für unsere älteren Zeitgenossen eine Gott, in der selbstgenügsamen Zufrie- Worten des Gehirnforschers Gerald Hüt- Hoffnung gegen drohende Demenz und denheit auch mit Weniger, werden die her ein „Dünger für das Gehirn“. Alles Alzheimer, sondern ein Auftrag und eine Heilungskräfte befördert. Im Vertrauen was ich mit Begeisterung tue, lässt mein ermutigende Aufforderung an uns, den auf die behandelnden Ärzte und Pfleger Gehirn beweglich bleiben. Der Glau- Wechsel der liturgischen Jahreszeiten ist schon ein entscheidender Schritt der benssatz vom Tod und der Auferstehung nicht zu versäumen und ihm nur eine Genesung geschehen. Und das ist nicht Jesu kann so zu einer bleibenden Nah- spielerische Bedeutung zuzuschreiben. nur ein Placebo-Effekt. Das Vorbild des rung für meine Seele werden. Und sol- Dort, wo ich mich gedanklich nicht in mönchischen Lebens – mit seiner höhe- che positiven Grundsätze unseres Glau- Stress versetzen lasse, sondern versuche ren Lebenserwartung und signifikant bens sollen wirklich erreichbar in den Re- galen meines Gehirns bereitgehalten werden. Besonders die Haltung der Dankbarkeit und die jeweils auch ausge- sprochenen Danksagungen haben eine heilende Kraft für unsere verwundeten Seelen. Dann verspürt man durch den Verzicht in der Fastenzeit auch deutlich Dompfarrer: Suzy Stöckl | Birgit Staudinger neue Kraft, die uns zu wirklich österli- chen Menschen macht, die aus der Kraft der Auferstehung leben können. Titelseite: „Sky of Stones“ – Kunstinstallation im Stephansdom von Peter Baldinger. Details dazu auf Seite 25. Ihr dankbarer Toni Faber Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2019 3
PB Ostern 2019.qxp 29.03.19 08:32 Seite 4 Weniger ist mehr Eines fehlt dir noch … Ein Mann läuft auf Jesus zu, fällt vor ihm auf die Knie und stellt Jesus ehrlich zugeben, dass wir in einem Land die Frage, die ihn offensichtlich von Jugend an sehr beschäftigt, mit einer hohen Lebensqualität leben; was er tun muss, um das ewige Leben zu erben. vielen von uns geht es gut, manchen so- Domdekan Rudolf PROKSCHI über eine biblische Erzählung, gar sehr gut. Wir können uns vieles leis- die zum Nachdenken einlädt: Was macht uns wirklich glücklich? ten – und wir tun es auch: eine großzügi- Was fehlt uns noch, das unsere Sehnsucht nach Leben stillt? ge, gut ausgestattete Wohnung oder viel- Und wie schwierig ist es manchmal, Gewohnheiten zu ändern? leicht sogar ein ganzes Haus in bester La- ge; ein tolles Auto – ev. mehrere in einem Vor einigen Wochen habe ich im Rah- nicht mich, da bin ich nicht gemeint. Familienverband, weil doch jeder für sei- men der Frühmesse entsprechend der Denn ich habe kein großes Vermögen ne Bedürfnisse ein eigenes Fahrzeug Leseordnung wieder einmal die Begeg- und mein Lebensstil ist auch nicht so braucht; mindestens zwei attraktive Ur- nung Jesu mit dem „reichen Jüngling“ übertrieben aufwendig. Da sind die „Rei- laube (im Winter und im Sommer) und verkündet. Dort heißt es wörtlich: „Da chen“ dieser Welt, die „Superreichen“, oft noch ein paar verlängerte Wochenen- sah ihn Jesus an, umarmte ihn und sagte die Millionäre gemeint, bei denen sich den, wenn die Feiertage günstig fallen. zu ihm: Eines fehlt dir noch: Geh, verkau- alles nur ums Geld dreht, um die Ver- Bitte mich nicht missverstehen: Ich fe, was du hast, gib es den Armen und du mehrung ihres Besitzes und um ein lu- vergönne jedem und jeder von Herzen ein wirst einen Schatz im Himmel haben; xuriöses Leben. Die sollten sich ange- Leben auf einem hohen Standard. Viele dann komm und folge mir nach! Der sprochen fühlen und dementsprechend müssen dafür auch hart arbeiten; es wird Mann aber war betrübt, als er das hörte ihr Leben ändern … einem nichts geschenkt. Es geht nicht da- ging traurig weg; denn er hatte ein gro- Wenn wir die Worte Jesu an uns he- rum, dass unser christlicher Glaube uns ßes Vermögen.“ (Mk 10,21-22) ranlassen, was könnte er uns – Ihnen und den Wohlstand, in dem wir leben dürfen, Was ist wohl die erste Reaktion vieler mir – heute im Jahr 2019 „zumuten“ und vermiesen will. Auch ich bin dankbar da- auf diese Aussage Jesu: das betrifft doch konkret sagen wollen? Wir müssen doch ran zu partizipieren, spüre aber für mich Unseren Alltag genauer in den Blick nehmen: Was fesselt uns? Was hält uns gefangen? Sind wir frei? Was fehlt uns noch? M. Großmann/pixelio.de 4 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2019
PB Ostern 2019.qxp 29.03.19 08:32 Seite 5 Die Autoren Luise ADLER, Studentin d. Musikwissenschaften, Uni Wien Dr. Markus BERANEK, Leiter des Pastoralamts der Erzdiözese Wien (ich hatte rund 40 Jahre hindurch ein ei- Mag. Luis CORDERO, Pressereferent von Sei So Frei genes Fahrzeug) – meinem Neffen, der Mag. Karin DOMANY, Religionspädagogin in Pens., PGR St. Stephan Rudolf Prokschi ist auf dem Land lebt, zu schenken. Als jun- Sepp EISENRIEGLER, Gründer und Geschäftsführer des R.U.S.Z, Autor Domdekan von ger Familienvater mit einer in Teilzeit be- Toni FABER, Dompfarrer von St. Stephan MMag. Markus FIGL, Bezirksvorsteher Wien Innere St. Stephan und schäftigen Ehefrau und zwei Kindern im Stadt emeritierter Schulalter braucht die Familie oft ein Martha FRIEDL, Leiterin d. charismatischen Ge- betsrunde in St. Stephan Professor für zweites Auto – das kann ich durchaus MMag. Hermann GLETTLER, Diözesanbischof von Innsbruck Patrologie und verstehen. Aber ich lebe allein in der Reinhard H. GRUBER, Domarchivar von St. Ste- Ostkirchenkunde Großstadt und komme mit den öffentli- phan Prof. Dipl. Ing. Otto HÄUSELMAYER, Architekt an der Uni Wien chen Verkehrsmitteln im Normalfall gut Anneliese HÖBART, Mitglied des Pfarrleitungs- teams und des Vermögensverwaltungsrates d. zurecht. Außerdem fahre ich fast täglich Dompfarre St. Stephan immer deutlicher, dass mich vieles von die kürzeren Strecken mit dem Fahrrad, Karl HOHENLOHE, Journalist, Moderator, Dreh- buchautor, Hg. des Gault Millau Österreich dem, was man in gewissen Kreisen heute was auch meinem Körper guttut. Natür- Paul IVIĆS, Chef de Cuisine Restaurant Tian BM Elisabeth KÖSTINGER, Bundesministerin für haben muss bzw. sich leisten kann, mich lich weiß ich um die Gefahren des Stra- Nachhaltigkeit und Tourismus nicht wirklich zufriedener und glücklicher ßenverkehrs und gibt es auch immer Dr. lic. Nikolaus KRASA, Generalvikar der Erzdiöze- se Wien, Domkapitular macht. Umgekehrt mache ich die Erfah- wieder Situationen, wo ein Auto schon Mag. Markus LANDERER, Domkapellmeister St. Stephan rung, dass es mir Freude und innere Frei- sehr praktisch wäre. Wenn es ganz eng Prof. Dr. Martina LEIBOVICI-MÜHLBERGER, Prakti- heit schenkt, wenn es mir gelingt, einfa- wird, borge ich mir bei Verwandten oder sche Ärztin, Gynäkologin, Ärztin für Psychoso- matik, Psychotherapeutin, Erziehungsberaterin, cher und bescheidener zu leben, ohne da- guten Freunden eines aus. Bisher hat es Familiencoach OStr. Prof. Franz MICHAL, Mitglied des Vermögens- bei anderen gegenüber Neidgefühle zu immer geklappt und ich konnte rechtzei- verwaltungsrates d. Dompfarre Elisabeth MIMRA, Leiterin carlas entwickeln. Ein ehrliches Ja zu einem al- tig meine Ziele erreichen. Es geht mir gut Dr. Mireille NGOSSO, stv. Bezirksvorsteherin im ternativen Lebensstil zu sagen, ohne sich dabei und ich spüre für mich eine gewis- Ersten Bezirk, Ärztin P. Josef OBERGER MC, Priester der Missionaries of dabei besser vorzukommen – das ist gar se Freiheit und Unabhängigkeit, ohne Charity Fathers Prof. Dr. Günther OFNER, Vorstandsdirektor der nicht so einfach. daraus eine Ideologie zu machen. Flughafen Wien AG Herbert PROHASKA, „Österreichs Fußballer des 20. Jahrhunderts“, eh. Trainer, ORF-Fußballexperte, Verzicht, der Freiheit spüren lässt Sich einem größeren TV-Analytiker, Kolumnist Univ.-Prof. i.R. Mag. Dr. Rudolf PROKSCHI, em. Prof. Wie könnte das konkret in meinem Le- Horizont öffnen f. Theologie und Geschichte des christlichen Os- ben aussehen? Das muss jeder für sich Die österliche Bußzeit ist eine Einladung tens, Domdekan Apost. Protonotar Mag. Lic. Dr. Ernst PUCHER, entdecken, erproben und einüben. Die an uns, wieder deutlicher und aufmerk- Dompropst und Domkustos Mag. Dr. Theol. Mag. Dr. Phil. Severin RENOLDNER, Vorbereitungszeit auf das Osterfest, die samer unseren Alltag unter die Lupe zu Prof.für Ethik, Moraltheologie und politische sogenannte Fastenzeit, ist eine Einla- nehmen und zu erkennen, was „mir Bildung, Priv. Päd. Hochschule Linz, Bereichslei- ter für Bildung im Pastoralamt der Diözese Linz dung an uns, einmal in diese Richtung noch fehlt“ bzw. wovon ich zu viel habe. Michaela REITTERER, Hotelière Boutiquehotel Stadthalle, Präsidentin der Österr. Hotelierver- nachzuspüren. Aus einem anfänglichen kleinen Impuls einigung Ich möchte Ihnen ein Beispiel erzäh- kann eine Neuausrichtung des Lebens Mag. Dr. Franz SCHARL, Weihbischof und Bischofs- vikar für die Kategoriale Seelsorge und die an- len: Als vor vielen Jahren das „Autofas- erwachsen. Nicht das Auto, der Fernse- derssprachigen Gemeinden P. Mag. Andreas SCHÖFFBERGER Cop, Pfarrmodera- ten“ sehr stark propagiert wurde, habe her, der Computer u. v. a. m. sind abzu- tor der Wiener Pfarre St. Josef - Reinlgasse Kleine Schwestern vom Lamm, Kleines Kloster ich mich einmal darauf eingelassen, lehnen – das wäre verrückt, denn sie hel- „Maria, Licht der Kirche“ in Wien mein Auto in der Fastenzeit nur in abso- fen uns vielfach unser alltägliches Leben Univ.-Prof. DDDr. Clemens SEDMAK, Theologe, Phi- losoph, Buchautor, Leiter des wissenschaftli- luten Notfällen zu benutzen. Ein gewis- zu bewältigen. Aber sie können auch Be- chen Beirates d. Zentrums für Ethik und Ar- mutsforschung der Universität Salzburg ser Anreiz war sicher auch die Gratis- sitz von uns ergreifen und da gilt es, auf- Mag. Birgit STAUDINGER, Redaktionsleiterin Fahrkarte für diese Zeit bei den ÖBB. merksam zu sein und gegenzusteuern Mag. Peter-Arthur STRAUBINGER, Filmemacher, Journalist, Seminarleiter und Autor Nachher habe ich festgestellt, dass es im Blick auf die größere Freiheit. Denn DI Ulrike VOLK, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit MA 48 mir nicht nur nicht schwer gefallen ist, die Auferstehung des Herrn eröffnet uns Sarah WIENER, Unternehmerin, Fernsehköchin, sondern dass mir die (fast) ausschließli- einen neuen Horizont und sprengt die Autorin und Politikerin che Verwendung von öffentlichen Ver- engen Grenzen unseres irdischen Le- Redaktion Franz Josef Rupprecht/kathbild.at kehrsmitteln Spaß gemacht hat. Zugege- bens. Redaktionsleitung: Mag. Birgit STAUDINGER ben: Da ich in Wien meinen Lebensmit- Ich wünsche uns allen eine gesegne- Lektorat: Mag. Karin DOMANY, Reinhard H. GRUBER, Daniela TOLLMANN telpunkt habe, kann ich natürlich leich- te Fastenzeit mit vielen positiven Erfah- Redaktionsteam: Dompfarrer Toni FABER, ter auf ein Auto verzichten. Vor rund sie- rungen und ein lichtvolles Osterfest in Diakon Erwin BOFF, Mag. Karin DOMANY, Mag. Heinrich FOGLAR-DEINHARDSTEIN, ben Jahren habe ich mich entschlossen, der persönlichen Begegnung mit dem Reinhard H. GRUBER, Anneliese HÖBART mein Auto – nach reiflicher Überlegung Auferstandenen. ■ Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2019 5
PB Ostern 2019.qxp 29.03.19 08:32 Seite 6 Weniger ist mehr Vom Sammeln, Sorgen und Vorsorgen Haben Sie eine Krankenversicherung, ein Sparbuch, ein Pensionskonto, andere Versicherungen? Wie geht es Ihnen dann mit der Aufforderung Jesu in der Bergpredigt, keine irdischen Schätze zu sammeln, sich nicht um Irdisches zu sorgen? Generalvikar Nikolaus KRASA zur schwierigen Frage über die „rechte Sorge“ im Leben Ich würde gerne wissen, was die Redakti- schadenversicherungsanstalt“, die heuti- on bewegt hat, gerade mich als General- ge Vienna Insurance Group gegründet vikar zu bitten, einen Beitrag zu Mat- wurde, da wurde kirchlicherseits heftig thäus 6,19-24 zu schreiben. Immerhin ist darüber diskutiert, ob es christlich sei, ein guter Teil meiner Aufgaben, gemein- Rücklagen zu bilden, sich durch eine Ver- Nikolaus Krasa ist sam mit anderen für Sicherheit zu sor- sicherung in größeren Schadensfällen Generalvikar der gen, etwa für die Zukunft der Mitarbei- abzusichern, vorzusorgen. Denn immer- Erzdiözese Wien ter und Mitarbeiterinnen der Erzdiözese hin scheint uns ja das Ende der Bergpre- und Mitglied des Wien Rückstellungen zu bilden, oder die digt zu ermutigen, keine Schätze auf Er- Domkapitels Infrastruktur der Erzdiözese zukunftssi- den anzulegen, nicht zu arbeiten, uns von St. Stephan. cher zu machen. Natürlich sorgt die Di- nicht um unsere Kleider zu kümmern, özese für ihre Mitarbeiter vor, natürlich uns eben nicht sorgend absichern. Zur zählt für mich nicht. Also zu sagen, es legen wir Geld für unsere Gebäude zur kirchlichen Ehrenrettung: neben den Kri- geht ja nur um eine innere Haltung, um Seite, natürlich planen wir voraus. Meine tikern gab es damals viele kirchliche Be- ein inneres Freisein. Das ist zu einfach. Aufgabe ist es also in vielen Bereichen fürworter einer Versicherung. Und unter Und der Text zu konkret. Und die Ant- genau das Gegenteil dessen zu tun, wo- den Gründungsmitgliedern der Wech- wort die der Text auf den ersten Blick zu von Mt 6,19-24 zu sprechen scheint. Und selseitigen waren namhafte österrei- geben scheint zu einfach, zumindest für in Ihrem Leben ist es vermutlich nicht chische Stifte und Klöster. eine postmoderne komplexe Gesell- viel anders. schaft. Dass ich dann aber gegen Ende Als 1824 wurde die Georg von Höge- Wenn alle Menschen des Textes noch als „Kleingläubig“ be- lüller die „Wechselseitige k.k. priv. Brand- sorglos leben würden … schimpft werde, macht die Sache auch Ganz praktisch: natürlich verhungern in nicht einfacher. harten Wintern Sperlinge, ohne Vorsorge Allerdings: vielleicht steckt genau Je mehr wir in einem Rucksack würden wir keinen Winter überleben, in diesem Wort ein Schlüssel für das mitnehmen, um für alle Hungersnöte und Katastrophen können Verständnis des Textes: Kleingläubig. Er Notfälle und Eventualitäten nur gelindert werden, wenn wo anders erinnert mich an die jüdische Ausle- gerüstet zu sein, desto vorgesorgt worden ist. Würden alle Men- gung einer Episode aus der Wüsten- beschwerlicher schen nach der in der Bergpredigt pro- wanderung Israels: nachdem die Vorrä- wird der Weg. klamierten Sorglosigkeit leben, brächen te ausgehen, fällt über Nacht Manna, soziale und politische Strukturen wahr- genug, dass das Volk satt wird, am Frei- scheinlich sehr schnell zusammen. Eine tag sogar die doppelte Menge, damit der Grundsäulen des Sozialstaates ist es man am Sabbat nicht arbeiten (Manna eben, gemeinsam Vorsorge zu treffen. suchen) muss. Als dem Volk diese et- Jesus formuliert so utopisch, dass er was einseitige Kost langweilig wird, keine Ahnung von Ökonomie, vom guten gibt es auch noch Fleischzuwaage: Der Krasa: Franz Josef Rupprecht/kathbild.at | Rainer Sturm/pixelio.de Wirtschaften zu haben scheint. Und es Wind weht Wachteln an. In Exodus 11,32 gibt biblische Gegengeschichten: wie sogar so viel, dass die Leute beginnen, stünde Jesus zu dem, was Josef in Ägyp- das Fleisch zu trocknen und jede Men- ten tut? Wenn er nach seinem Traum in ge Vorräte anzulegen. Das aber ist nicht den sieben fetten Jahren vorsorgt für die im Sinne des Erfinders. Die jüdische darauffolgenden mageren Jahre? Tradition bezeichnet diese Israeliten als kleingläubig. Sie nehmen mehr, als sie Kleingläubig? für den Tag und den darauffolgenden Die drastische Aufforderung Jesu zur Sabbat brauchen. (Der Sabbat ist ein Sorglosigkeit macht mich also zunächst Ruhetag, daher auch kein Wachtel- perplex. Und der spirituelle Ausweg sammeln möglich). 6 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2019
PB Ostern 2019.qxp 29.03.19 08:32 Seite 7 Mehr mitnehmen als man braucht. Das heißt nicht planlos unterwegs sein. Ganz im Gegenteil, im Wissen um den »Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, Sabbat, an dem als Ruhetag nicht gesam- melt werden darf, nimmt man das mit, wo Motte und Wurm sie zerstören… was man für diesen Tag brauchen wird. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. Das, aber nicht mehr. Eine Vorstellung, Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen die mir von Fußwallfahrten vertraut ist: je mehr ich in meinen Rucksack packe, um- oder trinken sollt… Euer himmlischer Vater weiß, so schwerer wird er, und umso weniger dass ihr das alles braucht.« gut werde ich gehen können. Aber: auch aus Matthäus 6,19–34 ohne Rucksack und damit ohne Vorsorge geht es nicht. Ich werde für den Tag etwas zu essen, zu trinken mithaben, Regen- Gesunde Balance Noch ein zweites wichtiges Wort. „Sorgt schutz, Wäsche, das Notwendigste eben. Ich glaube, es geht um eine gesunde Ba- euch nicht“, heißt es mehrfach im Text. Viel- Ich werde aber möglichst viel Überflüssi- lance: zu viel mitzunehmen an Vorsorge, leicht müsste man pointierter sagen: „Ängs- ges lassen, nicht aus Leistungsdruck oder an Geld, macht unfrei und den Weg tigt euch nicht“, lebt nicht angstgetrieben. Zwang, sondern aus dem Wissen (und schwer. Zu wenig dabei zu haben ist fahr- Plant und sorgt verantwortet vor. Aber lebt wenn ich es schon öfters gemacht habe lässig. Und das wiegt, je mehr ich Verant- gleichzeitig aus dem Vertrauen, dass durch aus der Erfahrung) der Freiheit, die mir wortung auch für andere habe, umso unser Planen und darüber hinaus unser dieses Lassen schenkt. mehr. himmlischer Vater für uns sorgt. ■ Weniger ist mehr? Weniger ist mehr. Mehr und weniger! Gedanken von Weihbischof Franz SCHARL „Weniger ist mehr.“ Stimmt das über- wenn (c) ich freundlicherweise bei ge- haupt? Weniger Zeit ist einfach nicht gebener Notwendigkeit von einer mehr Zeit! Weniger Geld ist einfach Haltestelle oder von der Endstation nicht mehr Geld! Bleibt hier nur aufge- Weihbischof Franz abgeholt werde, und wenn (d) ich fit blasenes Gerede übrig? Oder steckt doch Scharl ist Mitglied genug bin, es so zu machen. mehr dahinter? des Domkapitels D.h., nirgends gibt es hier einen Anlass von St. Stephan zu großem Getue. Was heißt das dann „Weniger ist mehr.“ und Bischofsvikar für die Fastenzeit und darüber hinaus? Ist das nicht allzu schnell daher gesagt?! für die Kategoriale Angesagt sind: Mehr G"TTES- und Das kann doch für uns nur gelten, wenn Seelsorge Menschen-Dienst sowie Respekt vor wir mehr als genug zum Überleben ha- G"TTES Schöpfung und weniger Götzen- ben! Oder? (welches mir gegeben wird!) zu teilen, dienst! ■ Ist das Motto „Weniger ist mehr“ nur hängt gerade daran, dass ich mehr eine ungenaue Übersetzung für: das bekomme, als zum Überleben not- 1 Anm. d. Red.: G"TT ist eine vermeidende Schreibweise für das Wort Gott, die darauf Notwendige vom Überflüssigen zu un- wendig ist. abzielt, den Namen Gottes JHWH nicht in Scharl: Franz Josef Rupprecht/kathbild.at terscheiden, um dann den dazu passen- ▶ Zudem: Dass ich es mir z. B. leisten eine Form zu bringen, in der er missbraucht den Lebensstil zu entwickeln? kann, ohne Dienstauto zu sein, funk- werden kann. Es soll daran erinnern, dass ▶ Bei meinem Beten weniger Worte ver- tioniert längerfristig nur, wenn (a) der das Wort „Gott“ nicht einfach ein Wort wie wenden und mehr mit fokussiertem öffentliche Verkehr vor Ort gut entwi- jedes andere ist, das man schreibt oder in Herz und Hirn mich an G"TT¹ wenden, ckelt ist; wenn (b) ich nicht dauernd den Mund nimmt. das wäre ein echter Zugewinn! an Orten sein muss, die öffentlich ▶ Dass ich es mir leisten kann, Meiniges nicht oder schwer zu erreichen sind; Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2019 7
PB Ostern 2019.qxp 29.03.19 08:32 Seite 8 Weniger ist mehr Die Kostbarkeit des Wortes „Im Anfang war das Wort“, lesen deren Sprache uns nicht vertraut ist, ha- Jesus am leeren Grab geschildert. Sie wir im Johannesprolog; und auch ben wir eine ähnliche Erfahrung. Wir weint vor dem Grab, aus dem der Leich- der Schöpfungsbericht im Buch tasten uns durch das Halbdunkel des- nam Jesu verschwunden ist; sie wendet Genesis zeigt, wie das Wort sen, was wir sprachlich ausleuchten kön- sich um, sieht Jesus dastehen, weiß aber schafft: Gott spricht und Welt nen, jedes Wort wie eine Insel im Ozean entsteht. Wir lesen im Johannes- der Sprachlosigkeit. Ein Wort kann dann evangelium nicht, dass im Anfang wirklich erlösend sein. Clemens Sedmak Wörter waren. Das Wort ist Die „Suche nach dem erlösenden ist Theologe, kostbar. Eine Welt ohne Wort ist Wort“ hat den österreichischen Ludwig Philosoph, trostlos. Gedanken von Clemens Wittgenstein beschäftigt. Wie sollen wir Buchautor und ar- SEDMAK über die Kostbarkeit sagen, was wir sagen wollen? Was lässt beitet für das des Wortes und den achtsamen sich noch sagen? Und wo sind wir ange- Zentrum für Ethik Umgang mit Worten halten zu schweigen? und Armuts- forschung der Uni- Siegfried Lenz beschreibt in seinem Ro- Wörterfasten und Schweigen versität Salzburg man Der Verlust, wie ein eloquenter Rei- Die Fastenzeit ist eine gute Gelegenheit, seführer einen Schlaganfall erleidet und an die Kostbarkeit des Wortes zu erin- nicht, dass es Jesus ist, sie hält ihn für die Fähigkeit verliert, sich sprachlich zu nern; Wörterfasten ist gesundheitsför- den Gärtner. Und dann spricht Jesus das artikulieren. Wir finden hier den schmerz- dernd. Wir lesen im Matthäusevangeli- erlösende Wort: „Jesus sagte zu ihr: Ma- haften Satz: „Als seine Lippen zu zucken um: „Über jedes unnütze Wort, das die ria!“ (Joh 20,16). Er spricht sie mit Namen begannen, kniete Nora sich abermals vor Menschen reden, werden sie am Tag des an. Da erst erkennt sie ihren Heiland. Der ihn hin und zwang sich, den Mund anzu- Gerichts Rechenschaft ablegen müssen“ Name ist kostbarstes Wort. So sind wir sehen, voller Erwartung, das erste ver- (Mt 12,36). Das bringt die beklemmende eingeladen, Menschen als die anzuspre- ständliche Wort abzunehmen oder auch Vorstellung mit sich, dass wir durch ei- chen, die sie sind, und die Dinge beim nur zu erraten, was er ihr sagen wollte, nen Sumpf von Geschwätz und Ge- Namen nennen. ■ doch alle Laute, die er rasselnd hervor- schwafel waten müssen, selbstverschul- brachte, platzten und sprangen, lösten det. sich zischend auf. Ihr entging nicht die Das langsame Wort ist gewichtiger gesammelte Anstrengung, mit der er als das rasche Wort, das Wenig-Wort sich mitzuteilen versuchte, die furchtba- kostbarer als die Wortmenge. In den re Mühsal, unter der er suchte, sortierte, Evangelien finden wir Jesus immer wie- kombinierte, um dann mit sichtbarem der im Rückzug in die Einsamkeit, ins Aufwand an Kraft hervorzustöhnen, was Schweigen. Schweigen ist der Nährbo- ihr offenbar an Nachricht zugedacht war den für das Wort; hier kann auch der Lo- und was dann schon fauchig zerfetzt gos einkehren. Freilich ist Abwesenheit wurde und verlorenging, bevor es ihm von Wort noch nicht heilendes Schwei- über die Lippen kam.“ „Sprachverlust“, so gen. In der frühchristlichen Literatur gibt heißt es später im Text, „ist Weltverlust“. es bei Abbas Evagrius ein Bild der Hölle, die als Ort beklemmenden Schweigens Suche nach dem erlösenden Wort beschrieben wird. Es gibt das nährende Sprache ist ein Geschenk, die Gabe des und heilende Schweigen wie auch das Das neueste Buch „Das Land, in dem die Wortes ist kostbar. Mein Vater, der lange giftige belastende Schweigen, wo ein Wörter wohnen“ (Tyrolia 2019) von Cle- als Anwalt gearbeitet hatte, hatte in den Wort tatsächlich lösend und erlösend mens Sedmak ist ein Jahren vor seinem Tod nach einem sein kann. im Stil eines Märchens Schlaganfall die Kraft der Sprache einge- geschriebenes Plädoy- büßt. Jedes „Ja“ und jedes „Nein“ – auf Beim Namen nennen er für den sorgsamen diese beiden Wörter war er am Ende be- Ostern ist das Fest der Auferstehung – Umgang mit Wörtern schränkt – wurden zu Kostbarkeiten. hier wird das Schweigen des Todes durch und Botschaften, für Wenn man sich jedes Wort abringen das Wort des Lebens besiegt. Im Johan- das Ringen nach muss, erkennt man seinen Wert. nesevangelium wird die nachösterliche Wahrheit – und auch Tyrolia Wenn wir uns in Ländern bewegen, Begegnung von Maria von Magdala mit für Zeiten der Stille. 8 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2019
PB Ostern 2019.qxp 29.03.19 08:32 Seite 9 »Mehr als alles hüte dein Herz« Gibt es ein Zuviel des Guten? Besonders Menschen, die sich ganz in den Dienst ihres Nächsten stellen und viel Gutes tun, leiden manchmal an der Menge ihrer Termine, an der Fülle ihrer Verpflichtungen und kommen an ihre Grenzen. Gedanken über das Brennen der menschlichen Seele für die Sache Jesu. Von P. Andreas SCHÖFFBERGER COp Weniger = mehr, stimmt das? Wenn das mit vielen Fans) bejahen. Er wollte nie- „Weniger“ mehr Qualität hat, dann ja. Es mand becircen oder seelisch kidnappen. gibt ja die Gefahr eines ständig gehetz- ten Lebens, speziell auch bei Mitarbei- Vertrauen in die P. Andreas tern der Kirche. Papst Franziskus hat in umwandelnde Macht der Liebe Schöffberger ist seinem Schreiben „Gaudete et exsulta- Er wollte eine neue Matrix, eine Schablo- Ordensmann der te“ in Bezug auf die Heiligkeit im norma- ne (oder wie Augustinus sagte, eine Kalasantiner und len Alltag sogar auf die Gefahr verwie- „Gussform“) vorstellen, vorleben und betreut die Wiener sen, zu viel auf die „großen“ Heiligen zu etablieren. Dafür begab er sich voll und Pfarre St. Josef- blicken. Bewundern ist okay, Nachma- ganz ins Menschsein hinein, beginnend Reinlgasse. chen eher gefährlich, sagte einmal je- als Wickelkind bis hin zu den Strapazen mand. des Erwachsenenlebens, also: Mühe, Trä- dass die Sorge um meine Seele das Ent- Es gibt nur einen heiligen Franziskus nen, Feiern, Müdigkeit, Zorn, Missver- scheidende ist. „Was nützt es, wenn ei- und eine heilige Mutter Teresa. Keiner ständnisse, verlassen und beargwöhnt ner die ganze Welt gewinnt und dabei kann auf die gleiche Weise heilig wer- werden – bis hin zur Passion. seine Seele verliert?“ sagte einst Jesus. den. So wie jeder Mensch eine eigene Jesus war ganz Gott in ganz mensch- Wenn es mir „gelingt“, meine Seele fit DNA besitzt (auch eineiige Zwillinge), so licher Haut: verletzbar, angreifbar, ange- und lebendig sowie beziehungsfähig zu kann jeder von uns nur auf eine spezielle wiesen auf Hilfe und Feedback (und halten, dann bin ich für die Welt ein Ge- Art ein Heiliger sein, oder simpler ausge- auch auf Sympathie). Und genau das – winn ... So wie Mutter Teresa und Jesus drückt: ein erfülltes und für andere er- volles Eintauchen ins beschwerliche und viele andere. Das ist der „große Job“, mutigendes Leben führen. Menschendasein verknüpft mit unbän- den wir haben. digem Vertrauen in die Macht der Liebe Ich wünsche allen eine Osterzeit, die Jesus brannte für seine Aufgabe, – war das „Weniger ist mehr“, das die ihre Seele erquickt und fit macht für ei- wusste aber zu bremsen Welt rettet und verändert. Weniger an nen Beitrag zu dem, was Jesus so gerne Ansonsten ist alles sehr leicht möglich. den üblichen Mitteln dieser Welt (also das „Reich Gottes“ nannte – eine neue (Ein tolles Buch darüber – ein Frauen- keine Gewalt, Intrigen, Tricks u. ä.), und Zivilisation, die zum Greifen nahe ist. buch, das ich als Mann mit viel Gewinn mehr Schritte Richtung Vertrauen. Ver- Let’s go – it is possible. Yes, we can – gelesen habe – ist von Stacy Eldredge: trauen in die Tiefe des Menschenherzens together with Jesus. ■ „Mehr als alles hüte dein Herz”) Aus ei- und Vertrauen in die Führung Gottes. nem Glühen und Brennen für die Sache Und Vertrauen in die umwandelnde Jesu wird Müdigkeit und Burnout. Macht der Liebe. Mein Blick auf Jesus zeigt mir einen Mann, der brannte, der aber auch zu Sorge um die eigene Seele bremsen wusste. Er legte sich voll hinein Das klingt einfach, ist aber ziemlich in seinen „Job“, in seine Mission und er schwierig, wenn man es voll durchzie- legte Pausen ein. Und er wusste um sei- hen will. Denn es kostet mehr als einem ne Grenzen („Nicht mein Job!“ sagte er lieb ist und mehr als den meisten be- einmal zu einer ausländischen Frau, die wusst ist. unbedingt seine Hilfe wollte). Jesus Als 30-Jähriger hätte ich mehr Kraft Schöffberger: Schöffberger | Birgit Staudinger konnte auch seine eigenen Leute wieder und auch tolle Visionen. Und gelungen ziehen lassen, wenn sie Jesu Methoden ist damals auch viel. Jetzt als (fast) 60- oder Aussagen für unakzeptabel hielten Jähriger weiß ich durch Selbstbeobach- (Siehe Johannesevangelium Kapitel 6!). tung und Erfahrung mit anderen, wie es Jesus klammerte nicht. Er konnte sogar zum Ausbrennen kommt und warum so sein schlussendliches „Scheitern am vieles in Welt und Kirche so sehr erbärm- Kreuz“ (nach vorheriger toller Karriere lich werden kann. Mehr als je ist mir klar, Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2019 9
PB Ostern 2019.qxp 29.03.19 08:32 Seite 10 Weniger ist mehr Je weniger Du hast, desto mehr gibst Du P. Josef OBERGER MC ist in Gumpoldskirchen aufgewachsen, er studiert Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Wien, P. Josef Oberger geht ins Ausland, arbeitet für die UNO, lässt vieles hinter sich. MC, gebürtig aus Doch dann stellt er für sich fest: das kann noch nicht alles gewesen der Erzdiözese sein. Es gibt noch mehr. Er begibt sich auf die Suche, Wien, ist Priester die ihn nach Indien zur Ordensgemeinschaft der Mutter Teresa führt. der Missionaries Und er findet – was ihn erfüllt. of Charity Fathers und in Tijuana, „Je mehr Du hast, desto weniger gibst dabei aber sein Leben einbüßt?“ (Mt 16, Mexiko Du. Je weniger Du hast, desto mehr gibst 26) – Der Satz trifft mich. Den Mut eines stationiert. Du.“ Dieses, von Mutter Teresa formu- Heiligen Franz Xaver, mein Leben darauf- lierte Paradoxon musste ich erst kennen- hin radikal zu verändern, habe ich jedoch und es zum Überfließen bringt. Das ist lernen. Einstweilen war ich bei den Ver- nicht. Der Herr hat aber nicht aufgege- die Antwort auf die Frage: Woher kommt einten Nationen in New York, USA, ange- ben. Am Königshaus von Katar denke ich die Freude der Ärmsten und die Freude treten, um die Welt vom Schreibtisch meine Kreativität und Ideen umsetzen der Mutter Teresa und ihrer Schwestern? aus zu verändern …, wenn dieser idealis- zu können … ich finde mich in der Wüste Diese Freude ist ansteckend; ich will sie. tische Drang auch Gewinn von Macht, wieder. Der Sandsturm lässt die ange- Die Ärmsten zeigen mir, worin echte, Einfluss und Geld verheißt, lebe ich ihn strebten Ideale und Ziele nicht sehen. Ich tiefe Freue besteht: im großherzigen Ge- gerne. „Hard work and hard party“ für bin durstig; es ist ein schmerzender ben. Mutter Teresa beschreibt das mit: zwei Jahre … von einer Neuheit zur ande- Durst – wonach eigentlich? „Sie haben nichts zu geben, außer Lie- ren hetzen und doch bin ich nicht er- be.“ Und damit geben sie alles. „Je weni- füllt … In der Messe höre ich aus dem Es muss mehr als alles ger Du von Dir hast, desto mehr kannst Evangelium: „Was nützt es einem Men- auf der Welt geben Du von Jesus geben.“ – Das leben die schen, wenn er die ganze Welt gewinnt, Dieser Satz ist wie ein Motor in mir. Er Ärmsten ohne es zu wissen. Sie sind leer bringt mich nach Kalkutta, Indien, um in und aufnahmefähig. Jesus kann sich ih- den Schuhen von Mutter Teresa zu ge- nen schenken und er verschenkt sich hen. Jahre später wird P. Joseph Langford, durch sie. Ich will diese Armut, die mir MC der mit Mutter Teresa die Missiona- erlaubt reich von und mit Jesus zu sein. ries of Charity Fathers gegründet hat, durch ein Gleichnis mich erkennen las- Die Freiheit der Armut sen, dass der Herr begonnen hat, das vol- „Ich bin arm, nicht weil ich nichts haben le Glas zu leeren, damit er es füllen kann. kann, sondern weil ich es wähle …[um] Als Volunteer bei den Schwestern von die Freiheit der Armut [zu] erleben.“ Mutter Teresa sehe ich neben dem Kruzi- (Heilige Teresa). Für diese Freiheit bin ich fix in der Kapelle: „Mich dürstet.“ – Wie bereit Neues zu wählen. Nicht mehr bitte?! Der Durstige bin doch ich! Mich nächtelang Wienerwalzer zu drehen, mit kann der Saft, den ich mir selber gebe, Freunden bei mit Weißwein gefüllten nicht mehr stillen. Mich dürstet nach Gläsern stundenlang zu plaudern, von dem lebensspendenden Wasser und ich Berggipfeln auf das schöne Heimatland bete: „Herr, zeige mir Deinen Willen für zu schauen. Ja, es ist auch schmerzlich mich. Egal, was er ist, ich verspreche Dir die eigenen Vorstellungen und Ideen ihn zu erfüllen.“ Schwester Gertrud, die hintanzustellen. Aber ich wähle die Ar- zweite Frau, die Mutter Teresa gefolgt ist, mut des Kreuzes und damit eine nicht sagt, dass deren Leben zusammenge- gekannte Freiheit, eine Fülle, welche im fasst werden kann in: „Jesus, Jesus, Je- Verschenken zur sprudelnden Quelle, Tijuana: jeden Donnerstag kommen sus.“ – Das ist es. Er ist es! Jesus ist dieses zur tiefen Freude wird. Es gibt nichts Missionaries of Charity Fathers Menschen, die auf der Straße leben, Mehr, nach dem mich dürstet. Schöneres, als als Priester ganz Jesus zu zum Mittagessen und zum gehören und für Andere verfügbar zu gemeinsamen Gebet ins Haus Die Großzügigkeit sein. der Ordensgemeinschaft. der Armen bringt Freude Wonach dürstet Dich im tiefsten In- Jesus ist das Mehr, welches das Glas füllt neren Deines Herzens? ■ 10 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2019
PB Ostern 2019.qxp 29.03.19 08:32 Seite 11 Das Kleine Kloster „Maria, Licht der Kirche“ im 20. Bezirk – Ort des Gebets und der Begegnung Gott besitzt alle unsere Gedanken Armut, nichts besitzen und betteln, zählt zu einem wichtigen Charisma der Gemeinschaft vom Lamm, die 1983 in Frankreich gegründet wurde. Die Kleinen Schwestern vom Lamm schildern, wie Solidarität mit den Armen frei und offen Gott gegenüber machen kann. Wir sind die Kleinen Schwestern vom zu leben! Aber wir haben einen Retter schickt, sendet uns die Kirche zu jedem Lamm und wohnen in einem „Kleinen und seine Auferstehung erschafft uns Menschen, um das tägliche Brot zu bet- Kloster von Lamm“ in Wien, im 20. Bezirk. wieder neu! In dieser Armut wollen wir teln. Denen, die von Gott hören möch- Unser Leben ist ein einfaches Leben in der unser Motto mit der Gnade Gottes le- ten, verkünden wir das Evangelium. Nachfolge Jesu, dem armen, dem gekreu- ben: „Auch wenn ich verletzt bin, werde Manchmal geben uns die Leute etwas zu zigten und dem Auferstandenen. Unsere ich nie aufhören zu lieben.“ Was für ein essen, aber sie wollen nichts von Gott erste Arbeit ist das Gebet. Während des Programm! Es ist das Programm der hören. In diesen Fällen, glauben wir, dass Offiziums (Stundengebets) wiederholen Gnade. Jeden Abend treffen wir uns in das Reich Gottes ihnen trotzdem durch wir das Wort Gottes, Satz für Satz, damit unserer Kapelle und bitten einander um unsere Gegenwart und durch ihre Güte es in unser Herz eintritt und es mehr und Vergebung für alle unsere Mängel in der verkündet ist. Denn: „Wer einen von die- mehr verwandelt! Nichts zu besitzen be- Nächstenliebe. Und wir sehen, dass wir sen Kleinen auch nur einen Becher Was- deutet für uns, dass der Herr alle unsere weiter lieben möchten und erfahren, wie ser gibt, wird nicht um seinen Lohn kom- Gedanken besitzt. In diesem Gebet erfah- das Lamm das Böse in uns besiegt hat! men“ Das ist das Geheimnis Jesus, der ren wir unsere Armut, fröhliche Armut, ei- Das ist die frohe Botschaft: Wir sind Sün- sich erniedrigt. Er klopft immer an die ne von Gott gerettete Armut. der - aber von Gott geliebt. Türen unseres Herzens und wird nicht müde, es zu tun. Wenn die Masken fallen – Armut verbindet Durch diese Armut können wir auch sich von Gottes Liebe Die Armut ist das, was uns am meistens die Armen treffen. Wir gehen in Suppen- auffangen lassen miteinander solidarisiert! In diesem Be- ausgaben, um mit ihnen zu essen. Einige Auch das Gemeinschaftsleben gibt uns wusstsein können wir auf Mission ge- sind froh, zu sehen, wie die Kirche sie be- die Möglichkeit unsere Armut zu sehen! hen. Wir sind ein Bettelorden und leben sucht. Kleine Schwestern vom Lamm Wir sind eine internationale Gemein- von der Vorsehung. Jeden Tag gehen wir In der freiwilligen Armut wollen wir schaft. Wir haben nicht alle dieselbe Er- zu zweit oder zu dritt zu den Menschen verkünden, wie Gott arm für uns gewor- ziehung gehabt und wir sind unter- und betteln um unser Mittagessen: Wir den ist und wie er den Armen sagen will: schiedlichen Alters. Sehr schnell fallen beten und wir betteln! Wie Jesus seine Selig seid ihr, denn euch gehört das Him- die Masken! Wir sind unfähig, die Liebe Apostel auf Mission in die ganze Welt melreich! ■ Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2019 11
PB Ostern 2019.qxp 29.03.19 08:32 Seite 12 Weniger ist mehr Weniger Pfarren und mehr Gemeinden Weniger ist mehr – gilt das auch für die Entwicklung der Pfarrstruktur in unserer Diözese? Kann ein Weniger an Pfarren auch ein Mehrwert bedeuten? Diese provokante Frage haben wir an Pastoralamtsleiter Markus BERANEK gerichtet Als die Steuerungsgruppe 2012 die Leitli- sächlich geht, ist die Chance, im Team oder eine Pfarre mit mehreren Teilge- nien für den Diözesanprozess veröffent- zusammenzuarbeiten. meinden als eine wirkliche Chance und licht hat, war ich Pfarrer in Stockerau Bereicherung. Ich bin mir aber auch der und bereits seit neun Jahren im Vikariat Schwerpunkte setzen Herausforderungen bewusst, die damit Nord. Von Seiten des Fachausschusses Ich persönlich hatte immer das Glück, verbunden sind. Je größer unser Pfarr- Gemeindeentwicklung hatten wir dort gemeinsam mit anderen im Pfarrhof zu verband geworden ist, umso mehr habe immer wieder Initiativen gesetzt, um die leben und einen Kreis von hauptamtli- ich erlebt, dass Leitung ein Dienst und Pfarren zu mehr Zusammenarbeit zu er- chen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine echte Herausforderung ist: ein mutigen und die Entstehung von Pfarr- zu haben. Das große hauptamtliche Dienst, um Kommunikation zwischen Team, dass ich im entstehenden Pfarr- den verschiedenen Haupt- und Ehren- verband „Am Jakobsweg Weinviertel“ er- amtlichen zu fördern, ein Dienst, um un- lebt habe, hat es uns ermöglicht, dass je- terschiedliche Menschen mit manchmal de und jeder von uns größere Chancen gegensätzlichen Meinungen zu koordi- hatte das zu tun, was er/sie gut kann. nieren, ein Dienst, um aus vielfältigen Wenn mehrere Pfarren zusammenrü- Sichtweisen, eine gemeinsame Perspek- Markus Beranek cken eröffnet das in gleicher Weise die tive für die Pfarre zu entwickeln. Das leitet seit Herbst Chance, dass auch bei den Ehrenamtli- heißt Hinhören, Zeiten für Besprechun- 2018 das chen mehrere innovative Köpfe zusam- gen und Austausch zu finden, Gelegen- Pastoralamt der menrücken und neue Ideen kreieren. Ei- heiten zu suchen, um miteinander ins Erzdiözese Wien. ne der Stärken der klassischen Pfarr- Beten zu kommen. Das heißt, mich an struktur besteht darin, geographisch na- der Unterschiedlichkeit der Anderen zu verbänden zu unterstützen. Dabei ist der he bei den Menschen zu sein. Diese Qua- reiben, mich zu ärgern, mich bereichern Wunsch immer deutlicher geworden, lität wollen wir erhalten und stärken. zu lassen und mich in all dem nicht zu dass es endlich eine klare Vorgabe von Einzelne Gemeinden einer großen Pfarre wichtig zu nehmen. Es ist natürlich eine Seiten der Diözesanleitung bräuchte. Die könnten sich dann auf die Schwerpunk- Herausforderung ein großes Team zu lei- Idee einer „Pfarre neu“, die aus mehreren te fokussieren, die ihnen besonders lie- ten und auch Menschen zu haben, die bisherigen Pfarren gebildet wird, hat mit gen und die dem Großteil der Menschen bereit sind, zu lernen im Team zusam- der Veröffentlichung der Leitlinien zum in ihrer Gegend besonders entsprechen. menzuarbeiten. All das möchte ich nicht diözesanen Entwicklungsprozess APG 2.1 Pfarre mit Teilgemeinden könnte zusätz- missen und ich bin froh und dankbar da- für die Erzdiözese Wien 2012 für einen lich die Chance sein, dass es innerhalb für, dass ich mit meinem Wechsel ins Aufschrei gesorgt. Meine Reaktion war einer Pfarre eine größere Pluralität gibt: Pastoralamt auch hier ein kreatives allerdings: „endlich geht die Diözesanlei- an unterschiedlichen Stilen der Gottes- Team von Menschen vorgefunden habe tung die Dinge offensiv an“. Für mich ist dienstgestaltung, an verschiedenen Spi- – denn Kirchesein heißt für mich ganz der diözesane Prozess in dem wir stehen ritualitäten, an vielfältigen Predigtstilen, zentral aufeinander verwiesen zu sein, bis heute ein wichtiger Versuch, den ver- an unterschiedlichen Initiativen die mu- voneinander zu lernen und gemeinsam änderten gesellschaftlichen Gegeben- tig versuchen, die Botschaft Jesu in viel- in den Spuren Jesu unterwegs zu sein. ■ heiten in der Stadt aber zunehmend fältige Milieus der heutigen Gesellschaft auch im ländlichen Raum Rechnung zu zu übersetzen. Öffentlichkeitsarbeit Erzdiözese Wien tragen. Schnell wurde unter den Pries- tern bezüglich der neuen Vorgaben ge- Aus vielfältigen Sichtweisen scherzt, „dass es jetzt drum ginge, für eine gemeinsame Perspektive einzelne Pfarrhöfe Stockbetten anzu- für die Pfarre entwickeln schaffen, weil ja jetzt alle gemeinsam Auf dem Hintergrund meiner eigenen wohnen müssten“. Um was es aber tat- Erfahrung sehe ich den Pfarrverband 12 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2019
PB Ostern 2019.qxp 29.03.19 08:32 Seite 13 »Weniger ist mehr« in der Architektur Das Prinzip des Reduzierens um im Sakralbau soll hier eine gerichtete auf Wesentliches aufmerksam zu Ordnung, Einfachheit und Würde besit- machen hat im 20. Jahrhundert zen, der Altarbereich mit Ambo und Ses- auch Einzug in die Architektur sio soll mehrseitig von der Kirchenge- Otto Häuselmayer und Gestaltung von Kirchen- meinde umgeben sein. ist der Architekt bauten gehalten. Gedanken von der beiden Kirchen Architekt Otto HÄUSELMAYER zu Ruhige Raumgestaltung Emmaus am den Kirchenbauten Emmaus am lädt zum Innenhalten ein Wienerberg in Wien Wienerberg in Wien 10 und Diese Planungsgrundsätze beschäftigten 10 und Cyrill und Cyrill und Method in Wien 21. mich als Architekt bei der Planung mei- Method in Wien 21 nes ersten röm.-kath. Kirchenbaues mit Der weltbekannte Architekt Ludwig Mies Pfarrhof Emmaus am Wienerberg in braucht kein unnötiges Beiwerk. Er soll van der Rohe (1886–1969) kennzeichne- Wien Favoriten (1990–1992). Im Zentrum die Besucher beim Betreten der Kirche te seine Entwurfsmethode mit dem Leit- der Wohnhausanlage konzipierte ich ei- zum Innehalten auffordern, eine innere gedanken „less is more“. Er entwarf ei- nen Platz (40 × 45 m), diesen umschlie- Sammlung fördern und der persönlichen nen kleinen Sakralbau – die Kapelle ßen eine Schule, ein Kindertagesheim Kontemplation dienen. St. Savior am Campus des Illinois Institut und Wohnungen mit einer Ladenzeile. Im of Technologie in Chicago USA – einen südwestlichen Bereich des Platzes plante Den Blick zum Himmel öffnen einfachen kubischen Bau mit Stahlske- ich freistehend den Kirchenbau. In einem 1993 beauftragte mich das Bauamt der lettkonstruktion, ausgefacht mit Back- hohen rechteckigen Raum tragen zwei Rei- Erzdiözese Wien, die röm.-kath. Kirche steinen und Glas. hen filigraner Stahlstützen eine tonnen- mit Pfarrhof Cyrill und Method in Wien Einer seiner Weggefährten in Deutsch- förmige Holzkassettendecke und gliedern Floridsdorf zu planen. Im Zentrum des land war der bedeutende Kirchenbauar- der Kirchenraum dreischiffig (Konstrukti- großen Stadterweiterungsgebietes an chitekt Rudolf Schwarz (1897–1961). Die- on und Statik Wolfdietrich Ziesel). Die der Brünner Straße entwarf ich einen ser plante in Wien 4 die röm.-kath. Kirche Sitzreihen sind kreissegmentförmig um langgestreckten Marktplatz (Theumer- St. Florian, sowie die Pfarrkirche St. The- den Altar angeordnet, eine gute natürli- markt) und an dessen Längsseite den resia in Linz mit einem hohen Kirchen- che Belichtung ist durch eine rundumge- Kirchenbau, nach Süden zum Grünraum raum als Ellipsoid. Er vertritt im Sinne ei- hende Verglasung gegeben. Der Kirchen- des Marchfeldkanals gerichtet. ner Rückführung auf das Wesentliche im raum ist von den eingesetzten Materia- Um inmitten der großen Bauvolumi- Architekturentwurf die gleiche Auffas- lien – Buchenholz, Naturstein, weiße na als Solitärbauwerk mit Signifikanz be- sung wie Mies van der Rohe. Er entwarf Wände – geprägt, ruhig, zurückgenom- stehen zu können, plante ich einen er- den Bautypus einer „Wegkirche“ als Weg men und im Sinne der architektonischen höhten und teilweise überdeckten Vor- der Gemeinde zum Licht und zur Haltung „weniger ist mehr“ gestaltet. platz. Der Kirchenraum ist einfach und Schwelle des Altars. Der Raumeindruck Der Raum selbst ist Raumkunst und würdevoll, Doppelholzstützen und eine Spannkonstruktion in Stahl tragen eine tonnenförmige Holzkassettendecke und rhythmisieren den Raum. Die eingesetz- ten Materialien sind Naturstein, Bu- chenholz und weiße Wandflächen. Ich konnte die gesamte Sakraleinrichtung entwerfen: Die dreizonige konkave Altar- wand (in der Mittelzone ist jetzt ein Kor- pus Christi, eine großartige Arbeit aus Häuselmayer: Pia Odorizzi | Margherita Spiluttini der Spätgotik 1420–1450, angebracht) den Altartisch in Jura Marmor, den Am- bo, die Sessio, den Tabernakel und den Taufstein. Oberhalb der Altarwand ist ei- ne zartgerahmte mehrteilige Giebelver- glasung gesetzt, die den Blick zum Him- mel mit seinen Wolkenbildern freigibt. ■ Die Kirche Cyrill und Method kurz nach der Fertigstellung Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 13
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