KORRESPONDENZBLATT DES CANISIANUMS - Heft 2, Jahrgang 152 - Wintersemester 2019/2020 - Canisianum Innsbruck

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KORRESPONDENZBLATT DES CANISIANUMS - Heft 2, Jahrgang 152 - Wintersemester 2019/2020 - Canisianum Innsbruck
KORRESPONDENZBLATT
DES CANISIANUMS
Heft 2, Jahrgang 152 – Wintersemester 2019/2020
KORRESPONDENZBLATT DES CANISIANUMS - Heft 2, Jahrgang 152 - Wintersemester 2019/2020 - Canisianum Innsbruck
Inhaltsverzeichnis     Geleitwort des Rektors

Geleitwort des Rektors ................................................................................................................ 1         Liebe Alt-Canisianer, Freunde und Wohltäter, liebe Canisianer!
1. Herz-Jesu-Fest 2019
                                                                                                                                                                                                  Ein Höhepunkt in diesem Semester waren
    Festprogramm........................................................................................................................ 2
                                                                                                                                                                                                  die Feierlichkeiten „120 Jahre ukrainische
    Begrüssung von Rektor P. Andreas Schermann SJ ................................................................ 3
                                                                                                                                                                                                  Theologiestudenten und ukrainische Ge-
	Anmerkungen zum Christsein heute:                                                                                                                                                                meinde Innsbruck“ (siehe Chronik). Ins-
	Anforderungen an Christen in der säkularen Gesellschaft                                                                                                                                          gesamt studierten bis jetzt mehr als 200
    Festvortrag von Dr. Franz Küberl, Präsident a.d. der Caritas Österreich ............................. 5                                                                                       Theologiestudenten ukrainischer Herkunft
    Bilder vom Herz-Jesu-Fest 2019 . ........................................................................................ 14                                                                  an der Innsbrucker Universität, von denen
2. Vorträge/Beiträge                                                                                                                                                                              viele im Canisianum lebten. Manche sind
    Impulse Beim Triduum Zum Herz-Jesu-Fest                                                                                                                                                       für ihren Glauben als Märtyrer gestorben
	Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Wilhelm Guggenberger . ..............................................................                            16                                                     und wurden später seliggesprochen. Bei
	Alltagstaugliche Spiritualität, P. Josef Thorer SJ ...............................................................                        23                                                     diesen Festlichkeiten kam für mich die
    Beiträge zum Weltmissionssonntag 2019 .............................................................................                    31                                                     dankbare Verbundenheit der Ukrainer ge-
	Wissenschaftsposter . .........................................................................................................           34                                                     genüber der Universität Innsbruck und
                                                                                                                                                                                                  dem Canisianum zum Ausdruck.
 3. Neoingressi 2019/2020.......................................................................................................... 40
4. Aktuelles und Chronik                                                                                                                                                                          Wir feiern bald das Weihnachtsfest und er-
	Alt-Canisianer-Konveniat 2019 in Amerika ..........................................................................                       42     Ein wichtiges Ereignis ist für mich die Wall-   warten „Christus, das Licht“. Dieses Fest
	Verabschiedung Józef Niewiadomski .....................................................................................                   43     fahrt am Beginn des Studienjahres, die alle     will uns wieder einladen, auf das Kind in
    120 Jahre ukrainische Theologiestudenten und ukrainische Gemeinde in Innsbruck ................                                        44     Canisianer an ihre Sendung erinnert, näm-       der Krippe zu schauen, Gottes Angesicht
	Wallfahrt zum Studienjahresbeginn 2019 ............................................................................                       48     lich ausgebildet zu werden, um den Mit-         in aller Einfachheit, in aller Schönheit und
	Chronik vom 1. Juli bis 13. Dezember 2019 . ........................................................................                      50
                                                                                                                                                  menschen zu dienen, egal in welchen Auf-        Leuchtkraft und in Frieden zu sehen. Die
	Lied des Canisianums ...........................................................................................................          55
                                                                                                                                                  gaben sie einmal tätig sein werden. Dieses      Geburt Jesu Christi ist ein Licht, das über
	Die Hausgemeinschaft des Collegium Canisianum 2018/2019 . ..............................................                                  57
                                                                                                                                                  Jahr ging es nach „Altötting“. Der Wall-        die ganze Welt strahlt. Das zeigt sich auch
                                                                                                                                                  fahrtsort ist durch seine „schwarze Ma-         in der Verschiedenheit der Menschen im
 5. Wir gratulieren . .................................................................................................................... 58     donna“ berühmt geworden, die aus dem            Canisianum. Unsere Kulturen sind sehr un-
                                                                                                                                                  späten 13. oder dem frühen 14. Jahrhun-         terschiedlich, aber das Licht Jesu Christi
 6. Diözesenliste – Studienjahr 2019/20 . .................................................................................... 62
                                                                                                                                                  dert stammt. Durch gemeinsame Gebete,           verbindet uns alle.
 7. Geburtstage und Weihejubiläen 2020 ..................................................................................... 64                   die Eucharistiefeier und ein gutes Mittag-
                                                                                                                                                  essen, kehrten wir geistig und leiblich ge-     Liebe Freundinnen und Freunde des Ca-
 8. Memento Mori ....................................................................................................................... 68       stärkt in das Kolleg zurück.                    nisianums! Im Namen unserer Hausge-
 9. Briefe und Grüsse aus aller Welt .......................................................................................... 72                                                                meinschaft danke ich für ihre wohlwollen-
                                                                                                                                                  Die ersten vier „Neoingressi“ – sie kommen      de Verbundenheit und alle empfangenen
10. Rezensionen und Eingang von Büchern . .................................................................................. 77                   aus Indien, Tansania, der Elfenbeinküste        Wohltaten und wünsche Ihnen bzw. Euch
11. Terminkalender ...................................................................................................................... 79      und Uganda – sind mittlerweile bei uns an-      im Sinne von „cor unum et anima una“ ein
                                                                                                                                                  gekommen. Die weiteren Kandidaten be-           frohes und gesegnetes Weihnachtsfest
12. Wir danken unseren Spendern und Förderern ......................................................................... 82                        mühen sich noch bei den österreichischen        und ein friedvolles Neues Jahr!
13. Bankverbindungen .................................................................................................................. 84        Botschaften um ihre Aufenthaltsbewilli-
                                                                                                                                                  gung als Student und ihr Visum. Insgesamt
14. Impressum .............................................................................................................................. 85   konnten wir sechs neuen Priestern (zusätz-
                                                                                                                                                  lich noch aus Ghana und Nigeria) für das
                                                                                                                                                  Studienjahr 2019/2020 einen Platz im Ca-
                                                                                                                                                  nisianum zusagen. „Neoingressi“ kommen,
                                                                                                                                                  und andere werden zu „Alt-Canisanern“,
                                                                                                                                                  nachdem sie ihre Studien erfolgreich be-
                                                                                                                                                  endet haben, in ihre Heimatländer zurück
                                                                                                                                                  gekehrt sind und so das weltweite Netz der      P. Andreas Schermann SJ
                                                                                                                                                  Canisianer verstärken.

                                                                                                                                                                                                                                            1
KORRESPONDENZBLATT DES CANISIANUMS - Heft 2, Jahrgang 152 - Wintersemester 2019/2020 - Canisianum Innsbruck
Herz-Jesu-Fest   Herz-Jesu-Fest

1. Herz-Jesu-Fest                                                                     1. Beiträge                                  Ich darf Sie alle als Rektor des Canisia-
                                                                                                                                     nums im eigenen Namen und im Namen
1.1 Programm zum Herz-Jesu-Fest                                                        1.2 Begrüssung und Hinführung                 unserer Hausgemeinschaft sehr herzlich
                                                                                                                                     zu unserem Hausfest begrüßen.
                                                                                       P. Andreas Schermann SJ
       Herz-Jesu-Fest am 28. Juni 2019                                                 Herz-Jesu-Fest am 28. Juni 2019               Es freut uns sehr, dass wieder so viele der
                                                                                                                                     Einladung gefolgt sind und das Herz-Jesu-
                                       16:00 Uhr                                                                                     Fest in diesem altbekannten Haus feiern!

                                     Festakademie                                                                                    Besonders begrüßen darf ich Herrn Dr.
                                                                                                                                     Franz Küberl, der heute den Festvortrag
                                   Clarin Merk, Klavier                                                                              zu einem aktuellen Thema halten wird. Ich
                       Partita Nr. 6 e-Moll, Toccata von J. S. Bach                                                                  darf ihn kurz vorstellen:
                                                                                                                                     Franz Küberl, für viele kein Unbekannter,
                     Begrüßung: Rektor P. Andreas Schermann SJ                                                                       war lange Zeit Generalsekretär der Katho-
                                                                                                                                     lischen Aktion Steiermark, dann steirischer
                                                                                                                                     Caritas-Direktor und schließlich 18 Jah-
                               Clarin Merk, Klavier                                                                                  re lang Präsident der Caritas Österreich
                      Moment Musical Nr. 4 von S. Rachmaninow                                                                        (1995–2013). Außerdem war er Mitglied
                                                                                                                                     des ORF-Publikumsrats und bis 2018 des
                                      Festvortrag                                                                                    ORF-Stiftungsrats. Er ist Träger zahlreicher
                                                                                                                                     Preise und Auszeichnungen, wie z.B. des
                                   Dr. Franz Küberl                                                                                  Großen Goldenen Ehrenzeichens des Lan-
                         Ehem. Präsident der Caritas Österreich                                                                      des Steiermark oder des Großen Silbernen
                                                                                                                                     Ehrenzeichens für Verdienste um die Repu-
                        „Anmerkungen zum Christsein heute“                                                                           blik Österreich. Außerdem ist er Ehrendok-
                                                                                                                                     tor der Katholisch-Theologischen Privatu-
                         Hausgemeinschaft des Canisianums                                                                            niversität Linz.
                                Cor unum anima una
                               Jean Désiré Sawadogo                                                                                  Lieber Herr Präsident: ein herzliches Will-
                                                                                       P. Andreas Schermann SJ                       kommen hier im Canisianum.
                                       17:30 Uhr
                                                                                                                                     Liebe Festgäste!
                                    Eucharistiefeier                                   BEGRÜSSUNG                                    Dass Sie alle heute bei uns sind, zeigt Ihre
                                          mit                                          ZUM HERZ-JESU-FEST 2019                       Verbundenheit mit dem Canisianum. Dafür
                               P. Andreas Schermann SJ                                                                               danken wir Ihnen von ganzem Herzen!
                                                                                       Sehr geehrte Festgäste,
                                       19:00 Uhr                                       ehrwürdige Schwestern, liebe Mitbrüder        Durch den Festvortrag und die anschlie-
                                                                                       aus dem Jesuitenorden und im gemein-          ßende gemeinsame Eucharistiefeier und im
                                Festliches Abendessen                                  samen priesterlichen Dienst, liebe Mitar-     gemeinsamen Mahl danach in der Sillgas-
                                   im Jesuitenkolleg                                   beiterinnen und Mitarbeiter der Diözese       se 6 soll diese gegenseitige Verbundenheit
                                       Sillgasse 6                                     Innsbruck, liebe ProfessorInnen und Leh-      zum Ausdruck kommen.
                                                                                       rende an der Theologischen Fakultät, liebe
                                                                                       Freundinnen und Freunde unseres Hau-          Einige Zahlen zum Canisianum: In diesem
                                                                                       ses, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter   Studienjahr waren 40 Studenten aus 13
                                                                                       des Canisianums und des Jesuitenkollegs,      Ländern und 31 Diözesen der Weltkirche
                                                                                       liebe Alt-Canisianer und Canisianer !         im Canisianum. Vier Studenten haben ihr
                                                                                                                                     Doktorat bereits abgeschlossen.

2                                                                                                                                                                              3
KORRESPONDENZBLATT DES CANISIANUMS - Heft 2, Jahrgang 152 - Wintersemester 2019/2020 - Canisianum Innsbruck
Herz-Jesu-Fest    Herz-Jesu-Fest

Zwei weitere werden demnächst abschlie-        te musikalisch begleitet. Liebe Clarin, auch   1.3 Festvortrag zum Herz-Jesu-Fest             bekanntlich für diese Feier auf den Hoch-
ßen und in ihre Heimatländer zurückkeh-        Dir herzlichen Dank für Deine Mitwirkung                                                      altar übertragen, und es wurde diesem
ren, um ihren Dienst in der Ausbildung bzw.    an unserem Fest.                                                                              Gnadenbild bei dieser und seit dieser Fei-
in verschiedenen Leitungsaufgaben in ih-                                                      Dr. Franz Küberl                               erlichkeit besondere Verehrung zuteil. Seit
ren Diözesen zu übernehmen.                    Nach dem Festvortrag möchten wir vom           ehem. Präsident der Caritas Österreich         damals ist dieses Fest in das Land Tirol
Im September werden fünf neue Studen-          Canisianum ihnen allen noch ein Lied sin-                                                     eingewurzelt.). Nicht immer für alle Men-
ten ins Haus kommen. Die Nachfrage ist         gen, das einer von uns, nämlich Jean Dési-                                                    schen leicht verständlich. Denn die Bilder
weiterhin sehr stark – wir hatten über 30      ré Sawadogo aus Burkina Faso, anlässlich                                                      verändern sich im Laufe der Zeit. Aber der
Anfragen für das kommende Studienjahr.         des 350-Jahr-Jubiläums der Universität                                                        Kern des Herzens Jesu ist die Barmher-
Möglich ist dieser Dienst des Canisianums      komponiert und mit uns einstudiert hat.                                                       zigkeit Gottes. Eckhard Bieger, ein Jesuit,
nur, weil viele zusammenarbeiten und uns                                                                                                     hat dies beeindruckend beschrieben: „Die
auch finanziell unterstützen.                  Im Anschluss daran möchte ich sie herz-                                                       Tiefenströmung, solidarisch mit dem lei-
Mit einem herzlichen Dank an alle Förde-       lich einladen, nach einer kurzen Pause in                                                     denden Christus zu sein, ist jedoch nicht
rer und einem innigen Dank an alle Wohl-       die Kapelle im 1. Stock zu gehen, zur Eu-                                                     versiegt. Es gibt das tiefere Wissen: Gott
täter, Freundinnen und Freunde des Ca-         charistiefeier. Wir werden um 17.30 Uhr                                                       hat ein Herz für die Menschen, er über-
nisianums für Ihre treue, langjährige und      beginnen.                                                                                     lässt sie nicht der Ausweglosigkeit, in die
vielfältige Unterstützung wünsche ich uns                                                                                                    die Menschheit sich manövriert hat. Trotz
allen ein erfülltes Herz-Jesu-Fest mit guten   Unmittelbar danach sind Sie ALLE einge-                                                       der vielen Hässlichkeiten, übler Nachrede,
Gesprächen.                                    laden, in die Sillgasse zu „wandern“ – um                                                     trotz Mobbing und der nicht enden wollen-
Vor dem Festvortrag hören wir noch ein         dort weiter zu feiern und diesen Festtag                                                      den Kriege, Gott bleibt bei den Menschen.
weiteres Musikstück, dargebracht von der       gemütlich ausklingen zu lassen.                                                               Barmherzigkeit ist die tiefste Absicht Got-
jungen Künstlerin Clarin Merk, die uns heu-                                                                                                  tes mit den Menschen. Es ist der Vater, der
                                                                                                                                             barmherzig ist.“

                                                                                                                                             Vielleicht ist das ein Schlüssel, der auch
                                                                                                                                             zum zeitgemäßen Verständnis vom Hei-
                                                                                                                                             ligsten Herzen Jesu führt. Dass die Verkün-
                                                                                                                                             digung einer besseren Zukunft im Hier und
                                                                                                                                             Jetzt und geborgene Ewigkeit das Herzblut
                                                                                                                                             Jesu Christi ist. Herz: Bergpredigt, barm-
                                                                                                                                             herziger Samariter, das Vater Unser, die
                                                                                              Dr. Franz Küberl                               Gerichtsrede und viele Gleichnisse und
                                                                                                                                             Wunder gehören dazu. Sobald ich einen
                                                                                              Anmerkungen zum Christsein heute               Zugang dazu gefunden hatte, wie man die
                                                                                              Anforderungen an Christen in der säku-         Herausforderung der Verehrung des Her-
                                                                                              laren Gesellschaft                             zen Jesu heute verstehen kann, konnte ich
                                                                                                                                             mich einklinken. Daher verstehen Sie bitte
                                                                                              Zunächst zum Anlass „Herz-Jesu-Fest“:          meine Worte einfach als Versuch, manches
                                                                                              Ehrlich gestanden, hatte ich lange Zeit Pro-   vom jesuanischen Fundamentalanspruch
                                                                                              bleme damit, weil das ein meiner Meinung       an sein Bodenpersonal, Christen genannt,
                                                                                              nach süßliches, aber auch gequältes (vgl.      für ein besseres Miteinander der Menschen
                                                                                              Dornenkrone um das Herz…) Jesusbild            bruchstückhaft zu buchstabieren. In wel-
                                                                                              hervorrief, das ich mit meinem Glauben         chem Umfeld er lebt, und wie er handelt.
                                                                                              nicht verbinden konnte. (Ich weiß, am 1.
                                                                                              Juni 1796 hat Tirol den feierlichen Bund mit
                                                                                              dem göttlichen Herzen Jesu geschlossen.        1. Zunächst einige Anmerkungen zur
                                                                                              Zwei Tage später wurde das Gelübde erst-       Gesellschaft, in der wir leben:
                                                                                              malig in der Bozner Pfarrkirche erfüllt. Das   Österreich ist nach dem 2. Weltkrieg knapp
                                                                                              dortige ehrwürdige Herz-Jesu-Bild wurde        der Hölle entronnen. In den letzten 74 Jah-

4                                                                                                                                                                                     5
KORRESPONDENZBLATT DES CANISIANUMS - Heft 2, Jahrgang 152 - Wintersemester 2019/2020 - Canisianum Innsbruck
Herz-Jesu-Fest    Herz-Jesu-Fest

ren sind wir fast bis unter den Himmel            hältnis zum Wissenszuwachs - verdammt           1.2. Herausforderung Globalisierung            Manches Mal kann man sich des Eindrucks
gekommen – wie die meisten der OECD-              ertraglose Arbeit, der wir allerdings nicht     Einen Teil beherrschen wir schon: größt-       nicht erwehren, dass mitgestaltbare Zu-
Staaten -, müssen wir nun aufpassen, dass         entkommen.                                      möglichen Anteil an den Gütern der             kunft ein Ziel ist, das wir nicht erreichen
wir nicht aus allen Wolken fallen?                                                                Schöpfung zu lukrieren. Aber: Auch die Ar-     können. Weil man nicht die Fähigkeit in
                                                  - Es gibt noch eine andere Seite des In-        men, die Geknechteten, die Ausgebeute-         sich fühlt, mitzukommen und Probleme zu
                                                  ternets, die für enorme Zerwürfnisse sorgt:     ten, die Vertriebenen wissen als Teil dieser   bewältigen. Man klinkt sich sozusagen aus
1.1. Herausforderung Digitalisierung              Es ist für so manche und manchen von            Welt nicht nur um ihr Elend, sondern auch      der Menschheitsgeschichte aus, man hat
Zunächst ist es der gewaltige Entwick-            uns persönlich interessant, ungemein viel       um die Gegenden der Welt, in denen bes-        nicht mehr die Vorstellungskraft, dass man
lungsschub der Digitalisierung, der uns           Machtzuwachs zu erhalten: Der Stamm-            ser, friedvoller, zukunftsgesicherter gelebt   eine Welt mitgestalten könne, in der die
fast den Atem raubt. Die digitale Revo-           tisch, die familiäre Kaffeerunde, der Tratsch   werden kann. Die Armen dieser Welt gehen       nächste Generation vernünftige Lebensvo-
lution bringt zusätzlich die Gefahr von           beim Kaufmann oder unter Arbeitskollegen        logischerweise dorthin, wo sie Sicherheit      raussetzungen vorfindet. Dies, obwohl wir
Spaltungen und neuer Zukunft: „Die Algo-          und Nachbarn ist auf einmal gefühlt welt-       und Arbeit erwarten. (Das ist der Geist, der   seit der Vertreibung aus dem Paradies aus
rithmen werden alten Göttern ähneln“. Im          weit. Vielleicht auch, weil die Welt ein Dorf   aus der Flasche ist, diesen Geist kann man     der ganzen Entwicklung unserer Welt wis-
Buch „Homo Deus“ beschreibt Yuval Noah            geworden ist. Wir haben so viele „Jour-         nicht mehr in die Flasche zurückdrücken,       sen, dass es fast „nur“ zwiespältige Zeiten
Harari neue Religionen: Dataismus sei eine        nalisten“ wie noch nie. Erstaunlich viele       nein wir müssen uns diesen Herausforde-        gegeben hat, einen Mix aus Verwirrung,
neue Religionsform, die mithelfe, den Ent-        fühlen sich dazu berufen und bedrängen          rungen stellen und Bewältigungsstrategien      Verwerfungen, aber eben auch Fortschritt.
scheidungen der Big Data-Algorithmen zu           Menschen, ja, bringen sie gedankenlos           suchen.)
vertrauen, weil diese uns angeblich besser        oder gedankenvoll in Todesgefahr – den-         Antworten auf fundamentale Fragen müs-         - „Opferkultur“:
kennen als wir selbst und deshalb an un-          ken Sie an Selbstmorde, weil man sich der       sen gefunden werden: Wie gelingt es, den       Dazu passt ein weiteres gesellschaftliches
serer Stelle Entscheidungen treffen kön-          Rufmorde, denen man ausgesetzt ist, nicht       Verlierern der Globalisierung weltweit und     Großdilemma – auch wohlhabende Teile
nen – ähnlich den alten Göttern. Die Sorge        mehr anders zu erwehren weiß. Weil sich         bei uns die Hand so zu reichen, dass auch      der Gesellschaft sind da nicht ausgenom-
Hararis ist folgende: Die Menschen wür-           viele dieser selbsternannten Journalisten       sie zu fairen Bedingungen mit in die Zu-       men: das Opfergehabe vieler Menschen.
den viele wichtige Entscheidungen ihres           keiner journalistischen Verantwortung be-       kunft genommen werden können und in ih-        Immer, wenn ihnen etwas Zuwiderlaufen-
Lebens an Algorithmen delegieren: was sie         wusst sein wollen oder bewusst Bosheit          rer Heimat Zukunft haben? Wie gelingt es,      des passiert, schlüpfen sie allzu gerne in
studieren, wen sie heiraten, wen sie wäh-         und Niedertracht verbreiten.                    die Vorteile von Entdeckungen, die Ergeb-      die Opferrolle. Es ist erstaunlich, wie viele
len sollen – und wohin sie reisen werden.                                                         nisse des Reichtums auf unserer Erdkugel       Menschen in unserer Gesellschaft sich als
Nicht nur ich meine, dass wir werden ler-         - Eine weitere dramatische Entwicklung,         auch den jeweils anderen Menschen zur          Opfer äußerer Umstände sehen. Wir erle-
nen müssen, damit umzugehen.                      die aus der Digitalisierung folgt, sind Cy-     Verfügung zu stellen? Es ist eine Jahrhun-     ben gerade im Bereich der Politik, dass
                                                  berattacken und Drohnen. Sie ermöglichen        dertaufgabe, diesen einen der ganz großen      wir von verblüffend vielen Opfern geführt
Ein Teil der Digitalisierung, das Internet, die   entsetzlicherweise neue Schichtungen von        Felsbrocken, die einem Kommen des Rei-         werden. Auch unter Freunden und Bekann-
erstaunlichste Erfindung seit dem Buch-           kriegerischem Handeln – vielleicht erset-       ches Gottes entgegenstehen, wegzuräu-          ten gibt es viele, die sich als Opfer äußerer
druck, birgt enorme Herausforderungen.            zen sie bald Armeen, bringen aber noch          men.                                           Umstände sehen - von Steuern, Nachbarn,
Denken Sie an die Wissensexplosion: Etwa          mehr Leid?                                                                                     ausnehmenden Dienstgebern, unzuver-
2,5 Mio. neue wissenschaftliche Arbeiten                                                                                                         lässigen Arbeitnehmern, des Schicksals
gibt es in einem Kalenderjahr. Die Zahl der       - Pater Teilhard de Chardin hat – im Gleich-    1.3. Herausforderung Zukunftsfähigkeit         - und sich unverstanden fühlen. Wir sind
immer neu hinzukommenden, nicht immer,            klang mit einigen anderen wissenschaftlich      Wie können wir uns der Zukunft nähern?         unvollkommen, aber aus meiner Erfahrung
aber oft Neues bringende Internetseiten           Forschenden - vor 90 Jahren ein beeindru-       Dazu braucht es ein paar Problemüberwin-       bei der Caritas heraus kann ich sagen: Wer
geht jährlich in die Millionen.                   ckendes Bild von Globalisierung gezeich-        dungen:                                        sich vorschnell zum Opfer erklärt, wer sei-
                                                  net: das gemeinsame Gehirn unserer Erde,                                                       nen Gestaltungsspielraum ungeschickt
- Dies bringt eine dunkle Seite des Fort-         zusammengesetzt aus uns allen, aus un-          - Zukunftsverweigerung:                        bespielt, wer zu Unrecht meint, dass er
schrittes in den Blickpunkt. Wir wissen je-       zähligen Gehirnen. Ein wunderbares Bild         Zurzeit gewinnt man den Eindruck, dass         eigentlich mehr Lebensrecht als andere
den Tag weniger. Niemand von uns kann             für unsere Entwicklung. Ein wunderbares         sich erstaunlich viele Menschen nicht an       habe steht auf den Schultern der wirkli-
so viel dazu lernen. Das lebenslange Ler-         Bild von Pfingsten, von der Schubkraft des      der Gestaltung der Zukunft beteiligen. Es      chen Opfer unserer Gesellschaftsformen,
nen wird zur Sisyphos-Arbeit. Jeden Tag           Geistes. Und es bringt neue Erkenntnis.         grassiert die Angst, dass die Zukunft nicht    die da wären Armut, Unterdrückung, Ge-
wälzen wir den Steinblock des Mehr-wis-           Alle Menschen auf der Welt wissen von al-       mehr besser, sondern nur schlechter wer-       walt, Arbeitslosigkeit, Flucht. Sie meinen,
sen-Sollens auf den Berg. Niemand von             len, wie es ihnen geht. Allerdings: Digita-     den könne. Ein Bedrohungsszenario jagt         sie könnten ihr Opferdasein besser argu-
uns kann allerdings den Felsblock über            lisierung und Internet haben ihre Tücken,       das andere. (Denken Sie an Digitalisie-        mentieren, wenn sie auf den Schultern
den Gipfel bringen. Nein, wir beginnen            die die ganze Welt plagen können.               rung, an Klimawandel, an die Spannung          der wirklichen Opfer stehen. Ist es nicht
morgen wieder von neuem: eine – im Ver-                                                           zwischen Reich und Arm, an Migration…).        selbstverständlich, die Verantwortung für

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das eigene Handeln zu übernehmen, auch        für Unternehmer, für Journalisten, politisch   und nicht in der Chefetage großer Unter-         2.1. Bestandsgarantie der Kirche?
wenn es misslich sein mag? Sich dessen        Tätige, Verantwortung als Beamte Inne-         nehmungen. Macht beginnt bei jedem Ein-          Sie kennen aus Matthäus 16, 17-19 den je-
bewusst zu sein, dass man unvollkommen        habende wie auch für Verantwortliche in        zelnen von uns im Umgang mit anderen             suanischen Begriff: „Die Pforten der Hölle
ist, so wie auch die Welt unvollkommen ist?   Kirchen und zivilgesellschaftlichen Insti-     Menschen - egal ob in der Familie, gegen-        sollen sie nicht überwältigen. Und ich sage
Wir Menschen haben einen Schöpfungs-          tutionen. Eliten sollen und müssen natür-      über Konkurrenten, Schwächeren, gegen-           dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen
vorteil: Wir können Fehler eingestehen,       lich bestimmte Eigenschaften aufweisen,        über Menschen mit eingeschränkten Le-            Felsen will ich bauen meine Gemeinde,
wir können uns entschuldigen, wir können      die da sind: Veränderungsbereitschaft,         benschancen, also Armen, Obdachlosen,            und die Pforten der Hölle sollen sie nicht
auch eigene Fehler benennen, wir können       Vorbildfunktion, reflektierter Umgang mit      Flüchtlingen. Auch die Kirche hat Macht,         überwältigen.“ Seit meiner Kindheit habe
uns ab Erkennen eines Fehlers normaler-       Macht, starkes Nervenkostüm und die Fä-        wenn sie sie auch etwas verschämt nur            ich dieses Wort im Ohr, es wurde immer
weise auch ändern. Fehler können eine         higkeit des permanenten Dazulernens. Sie       „Dienst“ nennt.                                  als Bestandsgarantie, als Versicherungs-
Zeitlang vertuscht werden, und natürlich      sollten ein Denken und Handeln in Orien-                                                        polizze der Kirche angesehen. Können wir
gibt es irreversible Fehler – jene, die von   tierungs- und Gestaltungsprinzipien zei-       - Überlegen müssen wir wohl auch, wel-           uns heute so sicher sein, dass dieses je-
den wirklichen Menschen-Opfern nicht          gen, das das Vertrauen weckt in ihre Fä-       che Herangehensweisen an die Zukunft             suanische Wort wirklich ein Rettungsring
selten mit Verletzung, Verarmung, Verelen-    higkeit als verantwortliche Personen sowie     wir brauchen – die ja bereits in der nächs-      aus jeder Krise der Kirche sein kann? Oder
dung, auch mit ihrem Tod bezahlt werden.      in Strukturen von staatlichen Institutionen,   ten Minute beginnt. Auf welche Herange-          gilt dieses jesuanische Wort vielleicht nicht
Die wird man tragen müssen.                   Unternehmungen und Forschungseinrich-          hensweisen wir uns einigen sollten. In der       für eine Organisationsform des Glaubens,
                                              tungen. Dann sind sie Vorbild, sonst sind      Geschichte der Menschheit hat Zukunft            sondern nur für den Glauben selbst? Auch
- Vertrauensprobleme:                         sie Zerrbild der Gesellschaft.                 immer mehrere Herausforderungsbedeu-             wenn Sie es vielleicht nicht gerne hören:
Die Zahl der Menschen, die anderen ver-                                                      tungen gehabt. Zukunft als Fortschrittsver-      Die Kirche macht heute in vielen Teilen der
trauen, also auch jenen vertrauen, die be-    - Der Anspruch an die Moral von Eliten ist     sprechen, Zukunft als Risikomanagement,          Welt einen erstarrten Eindruck. Sie scheint
sondere Verantwortung tragen, ist eher im     ganz einfach. Sie sollen mithelfen Brücken     Zukunft als positive und negative Nach-          in erster Linie mit Interna beschäftigt und
Abnehmen als im Zunehmen. Darin ver-          zu bauen, damit auch jene Menschen, die        haltigkeit in Natur, Kultur und Geschichte.      erweckt den Eindruck, dass sie oft Angst
borgen, mit gewaltiger Sprengkraft, ist die   in Gefahr sind zurück zu bleiben, die Zu-      Natürlich braucht es Formen, die diese           vor der eigenen Courage hat und ihr bevor-
Angst vieler Menschen einer Gesellschaft      kunft erreichen können. Elite beginnt nicht    unterschiedlichen Zukunftsschichtungen           zugtes Arbeitsgerät der Feuerlöscher sei.
vor ihren Eliten. Sie äußerst sich im Vor-    ganz oben, sondern ganz unten. In jedem        in Beziehung bringen können; dies kann
wurf, dass es Menschen(gruppen) gibt,         Dorf der Welt gibt es Eliten – die entweder    eine Hilfe dafür sein, dass es nicht Gene-       Das Krisenfeld Missbrauch ist ein kirchlich
die mehr Wissen, mehr Erfahrung, mehr         nur auf sich schauen oder aber Brücken-        ralangst vor Zukunft gibt, sondern, dass         selbst gelegtes Minenfeld.
Möglichkeiten, mehr Reichtum, mehr Be-        bauer für Ärmere sein können. Das Zauber-      differenzierter vor- und nachgedacht wer-        Infolge des Missbrauchs von Kindern und
ziehungen haben, um mit Gegenwart und         wort dafür ist Empathie – Mitfühlsamkeit.      den kann. Zunächst wird es wohl Zukunfts-        Schwächeren durch Geistliche quer durch
Zukunft zurecht zu kommen. Leute, die         Man braucht etwa sechs bis acht Sekun-         mut, also Gesellschaftsgestaltungsmut,           Europa geht das fundamentale Vertrauen
die Einfacheren, die auf dem flachen Land     den, damit Empathie entstehen kann.            brauchen. Wir sind ja nicht am Ende der          in die Kirche, dass sie eine vom menschen-
Lebenden, die Ärmeren, die im Süden…an                                                       Geschichte – obwohl das Manche gerne             liebenden Gott inspirierte und damit bes-
die Wand drücken. Die Eliten unserer Zeit     - Umgang mit Macht:                            glauben wollen -, sondern möglicherweise         sere Institution sei, in die Brüche. Ein Ende
gelten als die neue herrschende Schicht.      Natürlich braucht es Macht, das weiß ich       mehr am Anfang.                                  ist nicht abzusehen.
Sie sind die wahren Vorbilder, im Positi-     auch als früherer Caritasverantwortlicher.
ven wie im Negativen. Deswegen braucht        Wenn Du keine Macht hast, kannst Du nie-
es einen enormen Verantwortungs – und         mandem helfen. Wir haben allerdings prak-      2. Anmerkungen zur Kirche                        2.2. Krisenfeld Weltreligionen
Moralzuwachs in diesen oberen Schichten.      tisch keine gemeinsamen gesellschaft-          Wir haben in den letzten Wochen erlebt,          Denken Sie an das Dilemma der Weltreli-
Und es braucht das Vertrauen der Eliten in    lich anerkannten Reflexionsformen zum          welchen Schrecken und welche Trauer              gionen, wunderbar von Lessings Parabel
jene, die sich mit Gegenwart und Zukunft      Gebrauch der Macht. Deswegen möch-             der Brand der großen Kathedrale „Notre           in „Nathan der Weise“ beschrieben: Die ei-
schwerer tun.                                 te ich an eine fundamentale Überlegung         Dame“ in Paris quer über Europa ausgelöst        nen, also wir Gläubige, meinen, gute Grün-
                                              von Romano Guardini erinnern. In seinem        hat. Das ist berührend und beeindruckend.        de zu haben, dass sich dieses Dilemma gut
- Daher gibt es auch Ansprüche an die         Buchbeitrag zum 60iger von Karl Rahner         Wenn es jedoch um die Kirche geht, die           lösen ließe, weil die drei Ringe unterschied-
Eliten, ihren Umgang mit Moral und Macht      formuliert er 19 Fragen zum Umgang mit         als Ganzes dem einzelnen Christen moti-          liche Nuancen desselben Anliegens seien.
betreffend, wie z. B. die Heranbildung des    der Macht. Er fragt, ob es eine Erziehung      vierend und unterstützend zur Seite stehen       Das könne durch klugen Dialog der Reli-
Bewusstseins, dass die Werte eines Un-        zum rechten Gebrauch der Macht gebe,           will, gilt es zunächst einige kritische Punkte   gionen gewaltlos bewältigt werden. Viele
ternehmens, aber auch einer Gesellschaft      aber auch, wieviel Macht denn ein Mensch       zu benennen, die diesem Wunsch entge-            andere jedoch sind der Meinung, so wie
überwiegend von Führungspersonen ge-          vertrage. Wer mithelfe, Macht zu reflektie-    genstehen.                                       es der Philosoph Rudolf Burger unlängst
prägt werden. Das gilt in gleicher Weise      ren. Macht beginnt nicht in der Regierung                                                       in einem Interview formuliert hat, dass die

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KORRESPONDENZBLATT DES CANISIANUMS - Heft 2, Jahrgang 152 - Wintersemester 2019/2020 - Canisianum Innsbruck
Herz-Jesu-Fest    Herz-Jesu-Fest

Botschaft von Lessings Parabel im Grunde      gesetzt wird, kann hoffen, nur jemand, an      eine Frage der praktischen Vernunft. Damit     kirchlich nicht, diese Prinzipien des Dialogs
gefährlich ist. Der Muslim, der Christ und    den geglaubt wird, kann auch glauben. Nur      aber die Vernunft recht funktionieren kann,    anzuwenden.
der Jude glauben, jeweils ihr Ring wäre der   wenn Menschen im Hier und Jetzt eine Ah-       muss sie immer wieder gereinigt werden,
Richtige. Das sei genau das Problem und       nung bekommen, wie die Ewigkeit sich an-       denn ihre ethische Erblindung durch das
nicht die Lösung. Ich fürchte, dass viele     fühlen könnte, werden sie glauben können.      Obsiegen des Interesses und der Macht,         3. Anmerkungen zum möglichen Christ-
Menschen durch den Auftritt der Weltreligi-   Anders gesagt, wir brauchen eine Kirche,       die die Vernunft blenden, ist eine nie ganz    sein heute
onen verschreckt sind. Ein Teil des Abwan-    in der man die Zukunft schmeckt. Es gibt       zu bannende Gefahr. An dieser Stelle be-       Damit wir auf die Bedingungen der heuti-
derns in andere, einfachere Glauben oder      daher selbstverständlich auch Möglichkei-      rühren sich Politik und Glaube. (DCE 28) Es    gen Zeit und nicht an den Bedingungen der
auch in Agnostik und Atheismus hat damit      ten, dass die Kirche für ihre Anhänger im      ist dies ein wunderbarer Satz, den Papst       Zeit eingehen, braucht es für den heutigen
zu tun, dass die positive Bindungskraft von   Unterstützen stärker und in der Verbreitung    Benedikt hier formuliert. Welche Voraus-       Christen einige persönliche Voraussetzun-
Religion zu schmelzen begonnen hat. Ich       der frohen Botschaft flotter wird.             setzungen es allerdings für die Umsetzung      gen. Hier setzt auch die Frage nach dem
erinnere nur an Gewalt, die auch von reli-                                                   bräuchte, wird nicht genannt. Denn auf je-     Profil des einzelnen Christen an. Der Gott,
giösen Menschen ausgehen kann. (Der 1.                                                       den Fall muss dann die Vernunft bei den        den man nicht spürt, ist wirkungslos. Wir
Weltkrieg war ein Kampf unter Christen,       2.4. Notwendige Veränderungen                  Katholiken funktionieren, es braucht ethi-     sind das Bodenpersonal Gottes, durch uns
aber auch Muslime waren Angreifer und         Beispielhaft seien einige Fragen zur Wei-      sche Sehstärke durch Überwinden von In-        sollen die Menschen spüren, wessen Geis-
Angegriffene. Das kriegerische Auftre-        chenstellung benannt. Da gibt es z. B. die     teressen bestimmter Gruppen, also einen        tes Kinder wir sind, durch uns sollen Men-
ten der USA mit NATO-Verbündeten wird         komplexe innerkirchliche Frage, wie denn       Blick auf das Gemeinwohl und reflektierten     schen spüren, dass Gott menschenliebend
mehr als christliche Aggression gewertet,     in Zukunft Eucharistie in jeder Gemeinde       Umgang mit der Macht.                          ist, durch uns sollen Menschen spüren,
als uns bewusst sein mag). In einer These     sichergestellt werden kann, zukunftstref-      Wenn man vorbereitet sein will für die künf-   dass Gott allen Menschen zusagt, dass
sagt einerseits Hans Küng, dass es einen      fend auch mit Reformen struktureller und       tigen – öffentlich notwendigen – Debatten,     sie – jede und jeder - gleich viel wert sind,
Weltfrieden ohne Weltreligionen nicht ge-     juridischer Art.                               wird man sich auch als Institution Wissen/     und zwar mehr als alles Gold der Erde, und
ben kann. Werden aber die Weltreligionen                                                     Sachkenntnis aneignen. Und zwar nenne          Heil erfahren können. Ja, Gott liebt mich –
das schaffen? Das Problem ist, dass jeder     - Ars celebrandi – ars caritatis:              ich die sozialethischen Fragen sowie den       aber seine Liebe gilt auch dem, der neben
Religion auch die Fehler anderer Religio-     Die spielentscheidende Frage, wie gut die      ungemeinen Fundus der Katholischen Fa-         mir in der Kirche sitzt, neben mir wohnt, im
nen aufgerechnet werden können. (Ich er-      Kirche auf zwei Beinen steht, steckt in den    kultäten, die für die Gläubigen in ihrer öf-   Nachbarort wohnt, über der Grenze wohnt.
innere mich an den langen Karfreitag der      beiden Themen Ars celebrandi und ars ca-       fentlichen Argumentation hilfreich wären,      Damit sind wir beim Kern des Glaubens.
Katholischen Kirche in Österreich, da sind    ritatis. Beide brauchen wir, damit die Kir-    um sich in die gesellschaftlichen Denk-        Wir müssen den Menschen, allen Men-
nicht wenige aus der Evangelischen Kirche     che handlungsfähig bleibt. Die Ars caritatis   Handelns-Erkenntnisfäden argumentativ          schen, vermitteln, dass sie von Gott geliebt
ausgetreten, weil sie gemeint haben, dass     darf kein Holzbein der Kirche sein, sondern    einfädeln zu können. Hans Maier, früherer      werden und daher auch ihre Mitmenschen
eh alle gleich wären.). Gefördert wird dies   muss genauso festgefügt und umgesetzt          bayrischer Staatsminister, später Inhaber      mögen „müssen“ - in einer überzeugen-
auch, weil man heute das Paradies nicht       werden, wie die ars celebrandi – also die      des Guardini-Lehrstuhles in München,           den, praktischen Art und Weise. Liebe wird
aufgrund kirchlicher Verheißung, sondern      feierliche Gläubigkeit genauso wie das         sagte es gewohnt gescheit: „Es lohnt sich,     dann wirksam, wenn sie hilft, dass Leben
durch Buchung beim Reisebüro um die           Helfen. Denn Menschen in Not zur Seite zu      wie ich meine, über eine Theologie nach-       gelingt. Liebe wird dann wirksam, wenn die
Ecke bekommen kann - für 14 Tage, dafür       stehen ist eine Kunst, eine Wissenschaft,      zudenken, welche die Politik - ohne sie zu     Menschen ihre Menschenwürde praktisch
jährlich.                                     keine dumpfe Gefühlsausübung. Wie brau-        beherrschen und vereinnahmen zu wollen         erfahren. Liebe wird dann wirksam, wenn
                                              chen also eine arme Kirche – vgl. Papst        – zu begleiten und zu erhellen strebt.“        auch die Armen spüren, dass die, denen es
                                              Franziskus -, aber auch eine starke Kirche                                                    schon besser geht, auch sie in die Zukunft
2.3. Natürlich gibt es Chancen                – sonst kann sie nicht beistehen. Die öf-      - Die Chance des Dialogs wahrnehmen,           mitnehmen wollen. Das Arbeitsfeld der
Die Chance der Sinnstiftung durch aktive      fentliche Prägekraft von Kirche hat zwar in    aber auch üben. Die Katholische Kirche         Liebe ist unerschöpflich groß. Diese Liebe,
Gläubigkeit ist intakt. Eine Fundamental-     den letzten 250 Jahren enorm an faktischer     wird Dialogprinzipien mit den öffentlichen     die caritas, ist tagtäglich am Vormittag als
aufgabe der Kirche sehe ich darin, zent-      Macht verloren, ihr bleiben jedoch die hel-    Institutionen - weltweit, in unserem Staat,    Hauptaufgabe ihrer Gläubigkeit, als Haupt-
rale Sehnsucht der Menschen, die ja das       fenden Hände und der große Erfahrungs-         im Bundesland, aber auch in jeder Pfarrge-     grund ihres Seins (Papst Paul VI.) umzuset-
Menschliche ausmachen, ernst zu nehmen.       schatz an gesellschaftlichem Aufbau und        meinde - beherrschen müssen. Mit Gleich-       zen. Auch gegen Widerspruch, auch gegen
Wonach die Menschen heute Sehnsucht           Zusammenhalt.                                  gesinnten, aber auch mit Andersdenken-         Anfeindung, gewaltfrei – aber mit List und
haben, ist die Gewissheit, dass jemand an                                                    den gilt es zuzuhören, sich auszutauschen,     Lust und langem Atem.
sie glaubt. Dass ihr Leben Sinn hat. Dass     - Gerechtigkeit und praktische Vernunft.       Respekt zu üben, nicht immer einer Mei-        Aber wie?
sie angenommen und geliebt werden, wie        Papst Benedikt sieht als wichtige Aufgabe      nung sein zu können, immer mit Ideen, nie
sie sind. Nur jemand, der geliebt wird,       der Kirche gegenüber der Politik das Be-       nur mit Moral, aber trotzdem miteinander       - Beginnen würde ich mit: „kluag“ leben.
kann lieben, nur jemand, in den Hoffnung      mühen, Gerechtigkeit zu erlangen. Es ist       leben zu können. Es schadet auch inner-        Das ist eigentlich eine Philosophie der stei-

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KORRESPONDENZBLATT DES CANISIANUMS - Heft 2, Jahrgang 152 - Wintersemester 2019/2020 - Canisianum Innsbruck
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rischen Keuschler aus ärmeren Zeiten zur       ja in innerfamiliären Konflikten genauso         Zum anderen jedem anderen Menschen                den, zu empfangen. Unsere Super–Vision,
Bewältigung des kargen Alltags. Die Hand-      schlummern kann, wie unter Nachbarn              dies auch zuzugestehen bzw. „alles zu             das Evangelium von der Barmherzigkeit
lungsfelder dafür sind weit gespannt, jeder    und Arbeitskollegen. Aktive Gewaltlosig-         unterlassen, was ihn auf den Boden drü-           Gottes, bestärkt uns dabei. So kann man
von uns kann „kluag“ leben - im eigenen        keit hilft nach der Lösung von Konflikten        cken könnte. Man muss auf das, was man            sich aufmachen und in Erfahrung bringen,
Lebensstil, im Umgang mit unserer Fami-        mit, dass man einander wieder in die Au-         ist und tut, auch stolz sein können“ (Peter       wer ein kluges Tor in eine bessere Zukunft
lie, unseren Freunden, mit den Nachbarn,       gen schauen kann. Gewaltlosigkeit ist kei-       Strasser). Stolz darauf, Lehrer, Mutter, Po-      aufmachen kann.
mit den Arbeitskollegen. Es gibt aber auch     ne Harmlosigkeit, denken Sie nur an den          lizist, Priester, Maurer, Politiker, Bauer, Un-
Menschen, die Verantwortung tragen, die        Straßenverkehr.                                  ternehmer zu sein …                               Ich wünsche Ihnen und mir, dass uns die
über die persönliche Lebensgestaltung hi-      In großen Teilen der Welt erleben wir eine                                                         Liebe Gottes zu uns derart zu begeistern
nausgeht, z. B. Führungskräfte, Unterneh-      eklatante Zunahme der Gewalt. Diese hat          - Glückendes Leben steht nur auf zwei             vermag, dass andere Menschen durch uns
mer, in gesetzgebenden Körperschaften          durchaus unterschiedliche Wurzeln, wenn          Beinen gut: dem materiellen und dem im-           Hoffnung und Zuversicht, Geborgenheit
Tätige, Abgeordnete, Bürgermeister oder        man die Bürgerkriege der letzten Jahre be-       materiellen Bein. Natürlich brauche ich zum       und Angenommen-Sein verspüren können.
Gemeinderäte. In ihrem Fall ist die Verant-    trachtet. Die absolute Ächtung von Gewalt,       Leben materielle Voraussetzungen. Dazu            Deswegen braucht es eine farbenprächti-
wortungsspanne im Sinne des „kluag Le-         die Entnaivisierung der Gewaltlosigkeit, die     gibt es auch eine Vielzahl immaterielle Vo-       ge und vielfältig entfaltete Kirche in der „oft
bens“ größer.                                  Entwicklung von Strategien zur Gewaltlo-         raussetzungen des Lebens: Licht, Luft,            verbeulten Wirklichkeit des Lebens“ (Papst
                                               sigkeit, von Strategien der Entfeindung          Wärme, Schönheit der Schöpfung, Freun-            Franziskus). Nicht Gottes graue Mäuse,
- Das Nächste ist die Frage eines guten        (Senghaas) gehört ins Zentrum der Denk-          de, Beziehung, Liebe, Hobbies, aber auch          sondern Gottes bunte Hunde sollen wir
Miteinanders der Menschen.                     arbeit von Gläubigen.                            Demokratie, die Möglichkeit des Glaubens,         sein. Dann wäre das Herz Jesu uns Motor
Wie sprechen wir über Abwesende? Wie                                                            die Fähigkeit zu verzeihen, Trost zu spen-        des Lebens und Kraftwerk des Glaubens.
beantworten wir den drohenden Verlust          - Dazu braucht es Zivilcourage - aller-
von Geschwisterlichkeit? (Umberto Eco).        dings statt der „acies bene ordinata“, so-
Gesellschaftlich sind wir wesentlich dar-      zusagen „geordnete Schlachtreihe des
auf angewiesen, dass viele Menschen mit        Aufmarsches im Alltag“, die Papst Pius
den ihnen zur Verfügung stehenden – auch       XI. seiner in den 1920er Jahren initiierten
knappen – Ressourcen Solidarität leben.        Katholischen Aktion verschrieb. Er mein-
Die Erfahrung der Caritas-Arbeit zeigt, dass   te ein Vorgehen nicht in Massen, sondern
die Menschen heute ein unglaubliches So-       selbstbewusst, angesteckt von der Faszi-
lidaritätspotential haben. Das Augenmerk       nation des Evangeliums. Vorurteile entste-
richtet sich neuerdings stärker als in den     hen durch Denkfaulheit, dann, wenn wir die
vergangenen Jahrzehnten auf Notfälle in        Mauer des Nicht-wissen-Wollens durch-
der unmittelbaren Nachbarschaft. Es wäre       brechen und uns für das Schicksal, die
ein starkes Stück des Liebeslebens der         Lebensdramen in Not geratener Menschen
Kirche, auch die Liebe zu den ferner Le-       interessieren, weil wir Menschen nicht im
benden aufrecht zu erhalten. Wir können        Stacheldrahtgeflecht bürokratischer Un-
nur dann gut leben, wenn es auch unseren       durchdringlichkeit verbluten lassen wollen.
Nachbarn gut geht. Als einzelne Menschen       Das können wir, wenn wir durch das Na-
können wir zwar nicht gleich die Unge-         delöhr des Nachdenkens, der Bildung und
rechtigkeit der Welt tilgen, aber anständige   der Gewissensbildung gehen. Vielleicht
Menschen sein und andere Menschen da-          ist das Vorbild der „Weggemeinschaft“ (©
für gewinnen, auch anständig zu sein. Und      Diözesanbischof Hermann Glettler), die ja
wir können jene Gesetze und Regelungen,        auch politisch, sozial und gesellschaftlich
auf die wir Gestaltungseinfluss haben, so      Fragen der Zeit durchdenken kann, eine
gestalten, dass sie den Geist des Gesamt-      der guten Formen dieser notwendigen
kunstwerks Mensch atmen.                       Denkvorgänge, um gemeinsam durch das
                                               Nadelöhr des Nachdenkens zu kommen.
- Das Wesen der Gewaltlosigkeit umset-
zen.                                           - Auch für uns Christen gilt: Es ist eine gro-
Die Gewaltlosigkeit beginnt ganz einfach,      ße Aufgabe, zum einen darauf zu achten,
indem man auf Gewalt verzichtet, die           dass wir selbst aufrecht gehen können.

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Herz-Jesu-Fest   Herz-Jesu-Fest

1.4 Bilder vom Herz-Jesu-Fest 2018

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KORRESPONDENZBLATT DES CANISIANUMS - Heft 2, Jahrgang 152 - Wintersemester 2019/2020 - Canisianum Innsbruck
Vorträge/Beiträge    Vorträge/Beiträge

2.1 Impulse beim Triduum zum Herz-Jesu-Fest   mit Ihnen teilen, in der Hoffnung den einen     Ganz gleich, was ich mir für das Danach           Es ist für mich nach wie vor eines der größ-
                                               oder anderen Anstoß geben zu können für         erhoffe, der Tod wird mich zunächst ein-          ten Geheimnisse unseres Glaubens, dass
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Wilhelm               Ihr spirituelles Leben.                         mal mir selbst aus der Hand nehmen. Er            Gott sich mit einer solchen Liebe an uns
Guggenberger                                   Ich gehe dabei in drei Schritten vor, die den   entmündigt mich radikal, er ist das abso-         Menschen bindet.
Institut für Systematische Theologie           evangelischen Tugenden folgen: Glaube,          lute Ende meiner Freiheit. Darum hasst die        Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Gott
Katholisch-Theologische Fakultät,      LFU     Hoffnung, Liebe. Die gewohnte Reihenfol-        Freiheit den Tod.                                 kann, was immer er will. Gerade das macht
Innsbruck                                      ge möchte ich jedoch verändern und stelle                                                         seine Göttlichkeit aus, dass er nicht an all
                                               die Liebe an den Anfang.                        Aber gleich danach, sagt Canetti, hasst die       die Freiheitsbegrenzungen gebunden ist,
                                                                                               Freiheit auch die Liebe.                          an denen wir leiden. Doch er hat beschlos-
                                               Schritt 1 - Liebe:                                                                                sen, sich selbst aus freien Stücken an
                                               Elias Canetti war ein altösterreichischer       Das mag überraschen, aber ich denke, er           uns zu binden, seine unbegrenzte Freiheit
                                               Schriftsteller jüdischer Herkunft, Literatur-   hat recht. Ich habe das große Glück, einen        durch seine Liebe zu uns zu beschneiden.
                                               nobelpreisträger, aber auch Wissenschaft-       Menschen, eine Frau gefunden zu haben,            Jetzt kann auch er nicht mehr anders als
                                               ler. Er hat ein berühmtes Buch über Mas-        mit der ich mir vorstellen konnte, das Le-        mit uns zu fühlen, jetzt wird Gott seine Sor-
                                               se und Macht geschrieben. In den letzten        ben zu teilen, und die sich das auch vor-         ge um uns nicht mehr los.
                                               Jahren seines Lebens arbeitete er an einem      stellen konnte. Wir haben es miteinander          Wer liebt, bindet seine Freiheit dadurch,
                                               Werk über den Tod. Dieses Buch wurde            versucht und sind nun schon seit über             dass die Geliebten Teil seines Schicksals
                                               nie geschrieben. Nach Canettis Tod 1994         dreißig Jahren miteinander unterwegs. Die-        werden.
                                               wurden aber die vielen gesammelten Ge-          ser gemeinsame Weg war kein schwieriger.
                                               danken in einem Werk veröffentlicht, das        Im Gegenteil - er ist immer schöner gewor-        Das ist nicht immer leicht und nicht immer
                                               den Titel trägt: Das Buch gegen den Tod.        den. Wir haben zwei Kinder miteinander;           nur schön. Die Fesseln der Liebe können
                                               In dieser Materialsammlung findet sich ein      die sind schon erwachsen und haben uns            verletzen, wenn die Geliebten Leid erfahren
                                               Satz, der mich tief berührt:                    bislang keine großen Sorgen bereitet. Aber        oder aber, wenn sie das Wohlwollen des
                                                                                               natürlich ist eine solche Entscheidung eine       Liebenden zurückweisen. Das Herz Jesu
                                               „Die Freiheit hasst am meisten den Tod,         Begrenzung der Freiheit.                          ist gebunden, nicht mit einem Seil, son-
                                               aber gleich danach die Liebe.“                  Einen Weg in Gemeinschaft zu gehen for-           dern mit einer Dornenkrone. In einem deut-
                                                                                               dert einen Preis. Die Währung, in der dieser      schen Passionslied singen wir vom Haupt
                                               Es gibt kaum etwas, das wir modernen            Preis zu bezahlen ist, heißt Freiheit. Das gilt   Jesu, das zum Spott mit einer Dornenkro-
                                               Menschen mehr lieben als unsere Freiheit        für Ihren Lebensweg genauso wie für den           ne gebunden ist. Der Gedanke, dass es
                                               - zu Recht. „Zur Freiheit sind wir befreit“     meinen. Damit meine ich aber nicht nur die        nicht eigentlich um den Kopf geht, sondern
Ao. Univ.-Prof. Mag. Wilhelm Guggenberger      sagt immerhin auch der Apostel Paulus.          banale Tatsache, dass sie als Priester nicht      um das Herz Jesu, überzeugt mich. Nicht
                                               Die ignatianische Indifferenz ist Ausdruck      mehr die Freiheit haben, eine Familie zu          der physische Schmerz Jesu ist die letzte
Ich wurde eingeladen, die Besinnungsim-        großer innerer Freiheit.                        gründen, oder dass ich nicht mehr die Frei-       Realität, sondern der Schmerz, den seine
pulse zum Herz-Jesu-Fest 2019 zu gestal-                                                       heit habe, mit einer anderen Frau zu leben.       Liebe zu uns für ihn bedeutet. Gott hat uns
ten, was mich sehr freut. Da Spiritualität     Unglaublich viel schränkt unsere Freiheit       Die Liebe begrenzt unsere Freiheit in einem       zu einem Teil seines Schicksals gemacht.
immer etwas mit den eigenen innersten          ein: die Strukturen und Institutionen, in       viel tieferen Sinn. Wenn ich einen Men-           Die Liebe bindet und kann unser Leben
Erfahrungen zu tun hat, kann ich Ihnen da-     denen wir leben, der Widerstand und die         schen, wenn ich eine Gemeinschaft liebe,          schwer machen. Es gibt Momente wie je-
bei aber nur etwas aus meiner Welt mitge-      Uneinsichtigkeit anderer Menschen, die          binde ich mich an diesen Menschen, an             nen, in dem Jesus am Ölberg saß mit dem
ben, aus meiner Glaubenswelt, die zutiefst     Ideen unserer Vorgesetzten, nicht zuletzt       diese Gemeinschaft. Ich kann dann nicht           Blick auf seine geliebte Stadt Jerusalem,
dadurch geprägt ist, dass ich ein verhei-      die eigene Begrenztheit. Ich hätte gern ein     mehr anders, als mit diesen Menschen zu           den Moment, in dem er wusste, welches
rateter Mann bin mit Kindern, der oft viel-    größeres intellektuelles Potential, ich wäre    fühlen. Ich werde meine Sorge um diese            Übel dieser Stadt bevorstand. Ein Moment,
leicht viel enger von einer säkularen Welt     gern kreativer, konsequenter, ich wäre gern     Menschen nicht mehr los. Glück und Leid           der ihm wohl ebenso ins Herz schnitt wie
umgeben ist als Sie im Canisianum. Mein        musikalischer... An vielem kann ich arbei-      des anderen sind dann auch mein Glück             jener andere am Ölberg, im Garten Getse-
Glaube ist auch von dem geprägt, was ich       ten, längst nicht an allem. Und dann sind       und mein Leid. Ungebundene Freiheit kann          mani. Wer liebt hat nicht nur Angst um sich
beruflich tue; von meiner Beschäftigung        da die Hinfälligkeiten des eigenen Körpers,     die Liebe eigentlich nur hassen, denn die         selbst, sondern auch um die, die er liebt.
mit Sozialethik. All das wird in meinen Ge-    die werden deutlicher spürbar mit dem Al-       Liebe bindet – unausweichlich, ja sie fes-        Ich möchte Ihnen die Gedanken noch eines
danken spürbar sein. Diesen sehr spezifi-      ter. Damit kommt auch der massivste Feind       selt mich; aber sie tut das – im Unterschied      zweiten Dichters nahebringen; Milan Kun-
schen und persönlichen Blick möchte ich        unserer Freiheit immer näher: der Tod.          zum Tod – aus freier Entscheidung.                dera. Er ist ein tschechischer Schriftsteller

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und mittlerweile 90 Jahre alt. Er ist – wür-   eine unglaubliche Erleichterung; er ist wie-       mir und anderen die Chance, ihre Stärken         Mitteleuropa. Wir leben hier in Wohlstand
de ich sagen – Agnostiker, hat aber mei-       der frei. Doch wenig später bricht diese           zu entdecken, das viele an ihnen, das lie-       und Sicherheit. Und doch zeigen uns ge-
nes Erachtens einige der schönsten Texte       Leichtigkeit in sich zusammen, sie liegt ihm       benswert ist.                                    rade in diesen Tagen unsere Jugendlichen,
über die Liebe geschrieben. Sein wohl be-      wie ein Stein im Magen, denn so Kundera:           Meine Liebe muss der Wirklichkeit gelten.        dass sie um ihre Zukunft zu fürchten be-
rühmtester Roman trägt den Titel „Die un-      „Es gibt nichts Schwereres als das Mitge-          Würde Gott ein Ideal lieben, die Sintflut        ginnen. Sie gehen immer wieder auf die
erträgliche Leichtigkeit des Seins“. Leich-    fühl.“                                             wäre das Ende der Geschichte gewesen.            Straße und demonstrieren dafür, dass wir
tigkeit ist etwas Schönes, etwas, wonach                                                          Würde Gotte ein Ideal lieben, er wäre nie-       Erwachsenen, dass die Regierungen der
wir streben, sie macht uns frei. Wenn ein      Diese Schwere bindet nicht nur die Leich-          mals Mensch geworden. Gottes Herz lässt          Welt den Klimawandel ernst nehmen, dass
Mensch aber nur die Ungebundenheit der         tigkeit, sie gibt dem Leben auch Gewicht           sich binden, und es bindet sich an unsere        sie mehr zum Schutz unseres gemein-
Freiheit sucht, wenn er von Verrat zu Verrat   und Bedeutung, weil sie mit der Lebensre-          Wirklichkeit.                                    samen Lebensraumes unternehmen. Ein
lebt, wie Kundera das ausdrückt, weil die-     alität anderer verbindet.                                                                           fünfzehnjähriges Mädchen aus Schweden
ser Mensch immer wieder alles hinter sich      An einer anderen Stelle beschreibt der             Schritt 2 - Hoffnung:                            ruft uns zu, wir sollten in Panik geraten
lässt, im Bestreben, sich nicht binden zu      Dichter, wie dieser Mann, der das Gewicht          Wenn ich einen nüchternen Blick auf die          angesichts der Fakten, die doch bekannt
lassen, dann stellt dieser Mensch am Ende      des Mitgefühls spürt und deshalb seine             Wirklichkeit werfe, ergibt das bisher Ge-        sein müssten. Vermutlich hat sie recht; die
seines Lebens vielleicht fest, dass nichts     Freiheit opfert, um seiner Frau zu folgen,         sagte dann tatsächlich einen Sinn? Es gibt       Wirklichkeit, wie sie ist, sollte uns erschre-
von ihm bleiben wird. Denn was bleiben         träumt. Er sieht im Traum ein wunder-              so viel Falsches in dieser Wirklichkeit. Es      cken.
könnte, sind nur die Beziehungen, die er       schönes, junges Mädchen, im wahrsten               gibt so viel Gewalt und Lüge in dieser Welt      Noch ist es nicht zu spät! Noch können wir
eingegangen ist. Waren diese nur flüchti-      Sinn des Wortes seine Traumfrau, sie ist in        und erschreckenderweise auch in unserer          unser irdisches Haus retten, sagt Papst
ge Episoden, dann wird die Leichtigkeit        vielem so ganz anders als seine Ehefrau.           Kirche. Es gibt immer wieder menschliche         Franziskus. Die Hoffnung lebt also. Doch
unerträglich, dann bleibt von ihr nichts als   Als der Mann erwacht, versucht er sich             Enttäuschungen, die die Bindungen der            hoffen allein genügt nicht; es braucht Um-
flüchtige Vergänglichkeit.                     krampfhaft daran zu erinnern, wer dieses           Liebe zur reinen Tortur machen können.           kehr. Vieles müsste sich radikal ändern,
Freilich kann nicht jede Beziehung ein Le-     Mädchen war, denn er möchte sie treffen.           Kann es wirklich berechtigt sein, die Wirk-      wenn wir drohende Katastrophen ver-
ben lang dauern. Manchmal begleite ich         Doch dann wird ihm bewusst, dass sie gar           lichkeit dieser Welt zu lieben, sich für diese   hindern wollen, wenn wir Entwicklungen
jemanden, oder jemand begleitet mich ein       nicht wirklich existiert, sie ist lediglich sein   Welt einzusetzen? Angesichts solcher Fra-        verhindern wollen, die unglaubliche Not,
kleines Stück meines Weges. Dennoch be-        Wunschbild, sein platonisches Ideal, und           gen suchen viele Menschen in dieser Welt         massive Konflikte, ja vielleicht sogar den
steht ein Unterschied zwischen einer Be-       da schaut er in das Gesicht seiner wirkli-         nichts anderes mehr als das eigene Wohl-         Zusammenbruch all dessen bedeuten
gegnung, von der ich mich beanspruchen         chen Frau, die schlafend neben ihm liegt,          ergehen.                                         könnten, was wir menschliche Kultur nen-
lasse und einer, die ich nur als belanglose    der Frau, mit der er eine Geschichte hat,          Ein solcher Hedonismus, vielleicht auch          nen. Die Anzeichen dafür, dass solche Ver-
Randerscheinung meines Lebens betrach-         und er empfindet eine unaussprechliche             Materialismus ist für einen gläubigen Men-       änderung, dass solche Umkehr tatsächlich
te. Dieser Unterschied mag auch damit zu       Liebe zu ihr.                                      schen keine Option. Aber ganz ehrlich:           geschieht, sind gering.
tun haben, ob ich bereit bin, mich auf die                                                        Warum sollte ich mich in Liebe an diese          Was heißt das für uns als gläubige Men-
Realität einzulassen, auf reale Gegeben-       Die Wirklichkeit ist wichtiger als das Ideal,      Welt binden, eine Welt, die möglicherwei-        schen? Was heißt das für uns als Kirche?
heiten, auf reale Menschen, oder ob ich        sagt Papst Franziskus. Ideale mögen ihre           se, ja sogar wahrscheinlich auf ihren Unter-     Was kann angesichts einer Situation, in der
abgehobenen Idealen nachjage – einem           Bedeutung haben, aber lieben kann man              gang zurast? Ist nicht das Einzige, worum        Hoffnung oft nur wider alle Hoffnung mög-
Idealbild von mir selbst, einem Idealbild      nur das Wirkliche. Ich habe meine Traum-           ich mich in dieser Situation kümmern soll-       lich ist, Liebe zur Wirklichkeit bedeuten?
anderer Menschen, einem Idealbild der          bilder von einer perfekten Familie, von per-       te, mein eigenes Heil? Das Engagement            Soll ich mich tatsächlich von der Liebe zu
Gemeinschaft, in der ich lebe.                 fekten KollegInnen und Studierenden, ei-           für eine vergängliche, alternde Welt scheint     dieser Wirklichkeit binden lassen?
Milan Kundera erzählt in seinem Roman          ner perfekten Kirche. Manches davon kann           im wahrsten Sinn des Wortes vergebene            Ich lade Sie ein, sich diese Fragen selbst
von einem Mann, der alles andere als treu      vielleicht mein Handeln inspirieren, aber          Liebesmühe zu sein. Ja, selbst die Werke         vorzulegen. Ich halte kurz inne, mitten im
ist. Eher zufällig und wenig überzeugt bin-    dieses Handeln wird ins Leere gehen, wenn          der Barmherzigkeit, die hier getan werden,       Schritt der Hoffnung, um Ihren eigenen
det er sich an seine Ehefrau, die er unzäh-    ich meine wirkliche Familie, meine wirkli-         vergehen. Man mag sich sogar fragen, wel-        Antworten Raum zu geben. Dann werde
lige Male betrügt. 1968 fliehen die beiden     chen KollegInnen und Studenten, meine              chen Sinn es gehabt hat, dass Jesus sei-         ich versuchen, das zu formulieren, was ich
am Ende des Prager Frühlings vor dem           wirkliche Kirche nicht mag, nicht mit ihnen        nen Freund Lazarus aus dem Grab geholt           bisher auf meinem Weg als Antwort auf
Sowjetregime in die Schweiz. Die Frau          fühle. Wenn ich die anderen Menschen, die          hat - zurück in ein Leben, das ja nur wieder     solche Fragen gefunden habe.
hält es dort nicht aus, weil sie eine Heimat   Gemeinschaften, in denen ich lebe - auch           auf den Tod zuging.                              Die Fragen, die ich eben aufgeworfen
braucht, und geht zurück in die unfreie        mich selbst - nur an der Differenz zwischen        Viele von Ihnen kommen aus Gesellschaf-          habe, sind natürlich auch die Fragen eines
Tschechoslowakei. Der Mann, so heißt es        der Wirklichkeit und meinen Traumbildern           ten, in denen Armut, Not, Gewalt, ja Krieg       Sozialethikers, der christlichen Glauben
im Roman, empfindet im ersten Moment           messe, mache ich all das klein, verbaue            noch viel deutlicher spürbar sind als hier in    nicht denken kann ohne einen Einsatz für

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