Pro 2|2008 - Debatten um den Glauben Die neue Medienprominenz der Christen - pro Medienmagazin

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Pro 2|2008 - Debatten um den Glauben Die neue Medienprominenz der Christen - pro Medienmagazin
pro     Christliches Medienmagazin
                                                     2|2008
                                           www.pro-medienmagazin.de

Debatten um den Glauben
    Die neue Medienprominenz der Christen

Im Interview                         Was Kinder brauchen
Der Genetiker Francis S. Collins     Vorlesen! Jetzt!
Pro 2|2008 - Debatten um den Glauben Die neue Medienprominenz der Christen - pro Medienmagazin
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          Bestseller – Longseller von Peter Hahne

       Neuerscheinung
   Die des Frühjahrs 2008
                                                                                 Seit Januar 2007:
                                                                                                  14 000 verkaufte Exemplare
                                                                                                  Leid – Warum lässt Gott das zu?
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                                                                                                  96 Seiten, gebunden
                Startauage verkauft!                                                             0 6.95
                3. Auage bereits im Druck                                                        Täglich werden wir mit Leid und Nöten konfron-
                                                                                                  tiert – und mit der Frage, welche Rolle Gott dabei
                                                                                                  spielt. Peter Hahne nimmt die Frage nach dem
                                                                                                  »Warum?« ernst. Er beleuchtet die Hintergründe
                                                                                                  und zeigt, wie Menschen mit Leid fertig werden,
                                                                                                  was sie tröstet und was neue Hoffnung gibt.
                                       Suchet der Stadt Bestes
                                       Werte wagen – für Politik
                                       und Gesellschaft
                                                                                     Seit Juli 2007:
                                       Bestell-Nr. 05 133                                         16 000 verkaufte Exemplare
                                       160 Seiten, gebunden
                                       0 9.95                                                     Kein Grund zur Resignation
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                                       Eine klare Stellungnahme, die –                            112 Seiten, gebunden
                                       wie schon der Bestseller                                   0 7.95
                                       »Schluss mit lustig« – punkt-
                                       genau auf dem Zenit einer ge-                              Peter Hahne will müde Menschen munter machen,
                                       sellschaftlichen Diskussion er-                            indem er die Wurzeln unserer christlichen Kultur
                                       scheint. In einer Zeit, in der die                         lebendig und attraktiv ins praktische Leben holt.
                                       christlichen Werte immer stärker                           Für den Glauben liefert er überzeugende Argu-
                                       unter Beschuss geraten, spricht                            mente. Gegen die Diktatur des Relativismus setzt
                                       Peter Hahne eindeutige Worte.                              Hahne die Freiheit des Glaubens.

                       Der Topseller                         Viele Monate auf den Bestsellerlisten, über eine Dreiviertel-Million-Auf-
                                                             lage. Diskutiert in den Medien, an Unis, in Gemeinden, in Schulklassen.
                                                             Das Buch, das die Wertedebatte eröffnete.

                                            Die italienische Ausgabe                                              Die tschechische Ausgabe
                                            Bestell-Nr. 05 180/88                                                 Bestell-Nr. 05 180/87
 Schluss mit lustig                         0 10.–                                                                0 10.–
 Das Ende der Spaßgesellschaft                                                  Die polnische Ausgabe
 Bestell-Nr. 05 180                                                             Bestell-Nr. 05 180/86             (Eine spanische Ausgabe
 144 Seiten, gebunden, 0 9.95                                                   0 10.–                            ist in Vorbereitung.)

      Verlag Johannis                   77922 Lahr · Tel. 0 78 21 / 5 81 - 81 · Fax 0 78 21 / 5 81 - 26
                                 www.johannis-verlag.de · E-Mail: info@johannis-verlag.de
Pro 2|2008 - Debatten um den Glauben Die neue Medienprominenz der Christen - pro Medienmagazin
EDITORIAL | INHALT

                           Liebe Leser,
                                                                        Auch in dieser pro-Ausgabe befassen wir uns mit dem Thema –
                          seit der Veröffentlichung der ersten Aus-     und gehen noch einen Schritt weiter. Wolfgang Stock zeigt in sei-
                          gabe der pro in diesem Jahr ist viel pas-     nem hervorragenden Beitrag auf, dass sich Christen in Zukunft auf
                          siert. Die Debatte um ein schon lange ab-     derartige Debatten einstellen müssen. Mehr noch: Der erfahrene
                          gesagtes Seminar über den Umgang mit          Journalist schreibt auch, wie das geschehen kann (Seite 5).
                          Homosexualität bei dem Jugendkongress
                          „Christival“ in Bremen hat selbst den         Besonders empfehlen möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang
                          Bundestag erreicht. In einer so genann-       auch das Interview mit Mark Greene (Seite 7). Er war viele Jahre in
                          ten „Kleinen Anfrage“ an die Bundesre-        einer Werbeagentur beschäftigt und leitet seit 1999 ein evange-
gierung brachten Abgeordnete der Fraktion Bündnis90/Die Grünen          likales Institut in London, das sich zum Ziel gesetzt hat, Christen
das Thema in den Bundestag ein. Das Bundesfamilienministerium           sehr praktisch darin zu fördern, ihren Glauben am Arbeitsplatz und
musste seine finanzielle Unterstützung für das „Christival“ und die     im Alltag zu leben und zu bekennen. „Wir Christen müssen wieder
Schirmherrschaft über den Kongress verteidigen. Auch andere Ver-        lernen, so von unserem Glauben zu sprechen, dass es jeder säku-
bände wie etwa „Pro Familia“ störten sich an der christlichen Ver-      lare Mensch versteht und nachvollziehen kann, was wir meinen“,
anstaltung. Kritisiert wurde etwa ein Seminar, in dem über Abtrei-      sagt Mark Greene im Gespräch mit pro-Autorin Katrin Gülden und
bung gesprochen wird. In diesem Zusammenhang wurde ebenfalls            pro-Redakteur Andreas Dippel. Es sind sehr wichtige Impulse, die
die Haltung von Christen, die sich für das Lebensrecht ungebore-        von dem Londoner Institut ausgehen – und von denen wir Christen
ner Kinder einsetzten, öffentlichkeitswirksam kritisiert.               in Deutschland nur lernen können. Gerade dann, wenn die Debat-
                                                                        ten um den Glauben hohe Wellen schlagen.
Bereits in der Ausgabe 1/2008 unseres Christlichen Medienmaga-
zins pro haben wir uns ausführlich mit den Initiativen des Grünen-      Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihr großes Interesse an der pro.
Abgeordneten und bekennenden Homosexuellen Volker Beck be-              Insbesondere freuen wir uns über die zahlreichen Zuschriften, die
fasst. Auf zwei Seiten haben wir dargestellt, in welchen Bereichen      wir nach jeder Ausgabe erhalten. Sollten Sie von dieser Ausga-
sich Volker Beck als engagierter Gegner jeglicher Meinung ein-          be weitere Exemplare benötigen, um sie an Bekannte oder in Ih-
setzt, die nicht der seinen entspricht. Zahlreiche Leser haben uns      rer Gemeinde weiterzugeben oder auszulegen, rufen Sie uns gerne
daraufhin geschrieben und weitere Ausgaben der pro erbeten, um          an: Telefon (06441) 915 151 oder schreiben Sie uns eine E-Mail an
diese an Politiker weiterzugeben. Für Aufsehen sorgte auch das          info@pro-medienmagazin.de
Bild, das wir zu dem Beitrag veröffentlicht haben. Es zeigt Volker
                                                                        Herzlichst, Ihr
Beck beim Fasching in Köln, verkleidet als „Teufel im Kardinalsko-
stüm“. Ein Leser schrieb uns dazu: „Ich hätte nicht erwartet, dass
ein derartiger Auftritt lange kritiklos von Kirchen und Christen hin-
genommen wird. Beck fordert von anderen, ihre Meinung der sei-
nen anzupassen oder zu schweigen. Doch selbst äußert er seine
                                                                        Wolfgang Baake
Meinung auch noch per Faschingskostüm!“

 Inhalt
 Gesellschaft                                                            Pädagogik
 Die Relevanz des Glaubens                                       4       Was Kinder brauchen: Vorlesen! Jetzt!                           22
 Wolfgang Stock: Mediale Erregunsgesellschaft                    5       Pädagogik
 LICC-Direktor Mark Greene im pro-Interview:                             Der Holocaust im Comic                                          25
 Wie Christen Glauben leben können                               7       Gesellschaft
 Debatte                                                                 Neues Buch über Scientology: Verbotene Kindheit                 26
 Im Interview: Herr Collins, glauben Sie an die Schöpfung?      11       Gesellschaft
 Reinhard Junker: Was ist dran an Collins‘ Thesen?              12       Carolin Briem: Gestatten, wir sind Elite! Oder?                 28
 Nachrichten                                                             Rezensionen
 Informationsoffensive über Evangelikale                        15       Musik, Bücher und mehr                                          30
 Christlicher Medienverbund KEP e.V. - Neues Logo               15       Journalismus
 Medien                                                                  Informationen, bitte...                                         32
 Ingo Langner: STRIZZ oder Mission is possible                  16       Meldungen
 Gesellschaft                                                            Der Glaube in den Medien                                        34
 Michael Stollwerk über „Gott“ von Manfred Lütz                 18       Nachrichten
 Kommentar                                                               Politikertagung                                                 38
 Uwe motzt über „Falsche Pfaffen und Rottengeister“             20       Impressum                                                       39
 Impuls
 B. Richter: „Gott sei Dank!“                                   21       PLUS: „Der Israelreport“

                                                                                               pro | Christliches Medienmagazin 2|2008        3
Pro 2|2008 - Debatten um den Glauben Die neue Medienprominenz der Christen - pro Medienmagazin
GESELLSCHAFT

                   Die Relevanz des Glaubens
                   Der Glaube ist Thema in der Öffentlichkeit, in Talkshows und politischen Diskussionen. Aus einer an-
                   fänglichen Wertedebatte ist längst eine Glaubensdebatte geworden – die Christen herausfordert.

                                                                                                             ner Glaubensdebatte. Lange wurde aus-
                                                                                                             schließlich über Werte gesprochen, die für
                                                                                                             eine Gesellschaft wichtig und im christ-
                                                                                                             lichen Glauben zu finden sind: Ehrlich-
                                                                                                             keit, Respekt, Hilfsbereitschaft. Selbstver-
                                                                                                             ständlich sind diese Werte nämlich nicht,
                                                                                                             und daher ist es gut, dass Christen auf
                                                                                                             derlei Tugenden hinweisen. Doch längst
                                                                                                             geht es um grundlegendere Fragen: Gibt
                                                                                                             es Gott? Was bringt der Glaube? Wozu
                                                                                                             brauchen wir überhaupt Religion? Die-
                                                                                                             se Fragen haben es aus den Kirchen und
                                                                                                             Gemeinden auf die Titelseiten von Zei-
Foto: Christival

                                                                                                             tungen und in die Top-Talksendungen
                                                                                                             des Fernsehens geschafft.
                                                                                                                Das neue Fragen nach Gott wird nicht
                                                                                                             pauschal freudig aufgenommen. Im Ge-
                                                                                                             genteil, die erklärten Gegner jeglicher
                                                                 In der Debatte: „Christiva
                                                                                           l“                Religion sind längst auf dem Plan, um
                      Andreas Dippel                                                                         eben jene Öffentlichkeit des Glaubens
                                                                                                             zu verhindern – oder zumindest den

                   D
                           ass ein Thema die Tagesordnung          Jetzt ist der Glaube ein Thema, das       Christen die Mission nicht einfach zu
                           in den Medien bestimmt, wird         vielbeschriebene „Comeback der Religi-       machen. Glaube ist ein Thema, aber er
                           von vielen gewünscht. Etwa von       on“ eingetreten – doch anders, als von       wird nicht kritiklos aufgenommen. Das
                   Politikern, die sich für oder gegen einen    vielen vermutet und gewünscht. Fakt ist:     lassen die Titel der Sendungen durch-
                   Gesetzesentwurf aussprechen. Kommt           Gerade in den vergangenen Jahren wird        blicken, die dennoch ein Signal für das
                   der Name der Partei oder des Abgeord-        der Glaube in Fernsehsendungen, in Ar-       „Comeback des Glaubens“ sind: „Angriff
                   neten in den Zeitungen und Internetpor-      tikeln in Zeitungen und Zeitschriften        der Gottlosen: Vergiftet die Religion die
                   talen vor, ist das Ziel erreicht. Firmen,    und erst recht im Internet auf breiter Ba-   Welt?“ lautete ein Thema des Talks bei
                   die ein neues Produkt vorstellen, be-        sis thematisiert. Kaum eine Redaktion        „Menschen bei Maischberger“. Über „Das
                   schäftigen große Presseabteilungen da-       kommt daran vorbei, über Glaubensthe-        neue Interesse am Atheismus“ diskutier-
                   mit, möglichst viele Beiträge über eben      men zu schreiben und zu berichten. Der       te Johannes B. Kerner. Der Hörfunksen-
                   jenes Produkt in den Medien publik zu        Glaube ist wieder Gesprächsthema, und        der HR2 widmete kürzlich gar ein The-
                   machen.                                      das in beinahe allen Medien. Selten zu-      menwochenende dem „Streit um Gott“
                      Bei Christen ist das ähnlich. Viele ha-   vor wurde über Religion und Gott über        und der Frage „Die Wiederkehr des Re-
                   ben gehofft und gebetet, dass die christ-    einen so langen Zeitraum öffentlich ge-      ligiösen?“.
                   liche Botschaft endlich mehr Beachtung       sprochen. Beispiele dafür gibt es zuhauf.       Wer meinte, das Thema Glaube sei
                   in der Öffentlichkeit findet. Ist es doch    Doch wie kommt Glaube in der Öffent-         „durch“, passé, nicht mehr aktuell, der
                   wunderbar, wenn auch Journalisten ein        lichkeit vor? So, wie sich viele Christen    hat sich getäuscht. Im Gegenteil. Nur ist
                   Thema aufgreifen, das meist nur in Kir-      das gewünscht haben?                         aus dem Thema „Glaube“ ein „Streit um
                   chen und Gemeindehäusern – und damit                                                      den Glauben“ geworden. Denn Atheisten
                   in einem eingeschränkten Bereich - Be-       Von der Wertedebatte zur                     haben sich längst zum publikumswirk-
                   achtung findet. Freilich, Mission gehört     Glaubensdebatte                              samen „Gegenangriff“ formiert, der sich
                   zu den Kernaufgaben der Christen, auch                                                    von vielfach beleidigenden Auftritten
                   in Deutschland. Mission bedeutet nichts        Nein, eben nicht. Die seit vielen Jah-     von selbsterklärten Glaubenshassern in
                   anderes, als mit den eigenen Glaubens-       ren wichtige Wertedebatte, in der es um      Talkrunden bis hin zur Veröffentlichung
                   überzeugungen in die Öffentlichkeit zu       die Wiederentdeckung von christlichen        von verunglimpfenden Büchern gegen
                   gehen, den Glauben publik und zum            Tugenden und Moralvorstellungen geht,        den Glauben erstreckt. Die Bandbreite ist
                   Thema in Gesprächen zu machen.               wandelt sich mehr und mehr zu ei-            groß – und reicht bis in die Politik, in-

                   4 pro | Christliches Medienmagazin 2|2008
Pro 2|2008 - Debatten um den Glauben Die neue Medienprominenz der Christen - pro Medienmagazin
GESELLSCHAFT

dem einzelne Abgeordnete die Meinung           Meinungsliberalismus antritt - und zwar         chen ausgeschüttet wird, lässt die Frage,
und Überzeugung von Christen als „ex-          mit gut begründeten Positionen –, wird          ob Gott tatsächlich existiert, die Men-
tremistisch“ verdächtigen. Das zeigt die       verbale Gegenwehr erleben. Doch nie-            schen nicht los. Die existentiellste Fra-
„Christival“-Debatte deutlich.                 mand hat Christen jemals versprochen,           ge, die Menschen bewegt, wird offen ge-
  So sieht es aus, das „Comeback des           dass ihr Bekenntnis ohne Kritik aufge-          stellt, nicht nur in Internetforen. Es ist
Glaubens“. Es findet in Debatten statt,        nommen wird. Im Gegenteil: Der Auf-             die Frage, die Redaktionen dazu bringt,
die medienwirksam ausgetragen wer-             trag lautet, „hinzugehen“ zu allen Völ-         den Glauben zu thematisieren – ob po-
den. Jetzt merken Christen, wie wichtig        kern, das Evangelium zu erläutern, die          sitiv oder kritisch. Immer geht es da-
es ist, nicht nur klar positioniert, sondern   eigenen christlich begründeten Positi-          rum, dass Menschen die Antwort darauf
auf kritische Anfragen auch vorbereitet        onen zu vertreten. Für viele ist genau das      suchen, ob es mehr gibt als nur das ir-
zu sein. Denn eine Lehre kann aus den          bis heute ein „Ärgernis“, seit 2.000 Jah-       dische Leben. Von Christen erwarten sie
vergangenen und noch immer aktuellen           ren. Daran hat sich nichts geändert.            eine gut begründete Antwort auf die Pa-
Debatten gezogen werden: Die Kritik an           Wirft man einen Blick in die Inter-           rolen der Atheisten, die den Glauben als
Glaubensüberzeugungen wird härter, je          netforen, in denen Sendungen von Zu-            „Wahn“ und Glaubensüberzeugungen
massiver sich Christen als solche beken-       schauern oder Zuhörern diskutiert wer-          als „extremistisch“ bezeichnen.
nen und öffentlich ihre Meinung äußern.        den, die sich mit Glaubensthemen befas-           Das ist die Aufgabe der Christen im 21.
Darauf sollten sich Christen einstellen,       sen, zeigt sich eines: Trotz aller Debat-       Jahrhundert. Denn die Debatten zeigen:
wenn sie es nicht schon längst getan ha-       ten um den Glauben, trotz aller Kritik an       Der Glaube ist kein Randthema, sondern
ben. Wer gegen die Konformität und den         Christen, trotz aller Häme, die über Kir-       nach wie vor relevant.

Mediale Erregungsgesellschaft
Christen müssen sich auf rohe Sitten in der Debattenkultur einstellen. Indem sie sich angesichts von
Angriffen positionieren - und nicht alles hinnehmen, was Kritiker ihnen vorhalten.
   Wolfgang Stock                              er einen „selbstgerechten Hassprediger“         die es aus ihrer Sicht mit aller politischer
                                               nannte. Die grüne Parteisprecherin Clau-        Kraft zu bekämpfen gilt. Deshalb müssen

D
        as hat es so in der Bundesrepu-        dia Roth folgte kurz darauf und nann-           diese massiven politischen Angriffe ge-
        blik noch nicht gegeben: In meh-       te den Augsburger Bischof Walter Mixa           gen engagierte Christen in Deutschland
        reren „Anfragen“ an die Bundes-        einen „durchgeknallten, spalterischen           ernstgenommen werden.
regierung und im Internet hat die Frak-        Oberfundi“.                                       Viele Christen sind zunächst verwirrt,
tion „Bündnis 90/Die Grünen“ seit Janu-                                                        denn die letzten heftigen öffentlichen
ar scharfe Angriffe gegen evangelikale         Die plötzliche Medienprominenz                  Auseinandersetzungen über grundle-
Gruppen geführt, die in der Seelsorge für      der Christen                                    gende gesellschaftliche Fragen wie Ab-
Homosexuelle aktiv sind. In parlamenta-                                                        treibung liegen viele Jahrzehnte zurück.
rischer Frageform fallen Begriffe, die au-        In allen Fällen hatten es die beiden         Mancher hat sich wohl auch irgendwie
ßerhalb des Bundestages als Beleidigung        katholischen Hirten „gewagt“, sich an-          gemütlich daran gewöhnt, politisch gar
verstanden würden: von „fundamentali-          ders zu äußern, als es den beiden grü-          nicht mehr zur Kenntnis genommen zu
stischen ‚Heilungs‘-Scharlatanen“ ist die      nen Spitzenpolitikern offenbar genehm           werden. Doch die Vokabeln „Hasspre-
Rede, die in einem Atemzug mit der Sci-        ist: Bischof Mixa hatte sich sehr deut-         diger“, „Oberfundi“ oder „‘Heilungs‘-
entology-Bewegung genannt und in den           lich für Mutterschaft und eine gerechte         Scharlatane“ und die Angriffe auf den
Geruch „mangelnder ‚Grundgesetzfähig-          Familienpolitik geäußert, Kardinal Meis-        Jugendkongress „Christival“ lassen keine
keit‘“ gesetzt oder gar als „extremistisch“    ner ebenso deutlich gegen Homosexua-            Wahl: Auch die evangelischen Christen
verdächtigt werden. An solche heftigen         lität und Abtreibung. Auch die jetzt im         müssen sich angesichts der Angriffe po-
Angriffe gegen Christen, vor allem von         Vorfeld der evangelikalen Großveran-            sitionieren und über christliche Strate-
grünen Politikern, muss man sich offen-        staltung „Christival“ kritisierten evan-        gien nachdenken.
bar gewöhnen. In den letzten Monaten           gelischen Christen vertreten im Einklang          So ungewohnt unsere plötzliche Me-
haben sie erkennbar zugenommen: Zu-            mit der Lehrmeinung fast aller Kirchen          dienprominenz ist - dass Christen den
nächst richtete sich die Attacke von Vol-      in Deutschland eine klare Haltung gegen         „Weltkreis erregen“, ist spätestens seit
ker Beck, dem Ersten Parlamentarischen         Homosexualität und Abtreibung.                  den Tagen des Apostels Paulus bekannt
Geschäftsführer der Bundestagsfraktion            Unsere prominenten grünen Kritiker           (Apostelgeschichte 16,20) – und das ist
von Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied            sagen offen, dass sie unsere christlichen       gut so. Denn in der Nachfolge Jesu ha-
im Parteirat der Grünen und menschen-          Haltungen als „eine sehr randständige           ben wir den ausdrücklichen Auftrag, Ge-
rechtspolitischer Sprecher der Fraktion,       Meinung“ ablehnen und dahinter eine             genposition gegen alle und alles zu be-
gegen den Kölner Kardinal Meisner, den         „religiös begründete Politik“ vermuten,         ziehen, das Gottes Schöpferwillen wider-

                                                                                            pro | Christliches Medienmagazin 2|2008      5
Pro 2|2008 - Debatten um den Glauben Die neue Medienprominenz der Christen - pro Medienmagazin
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                                                                                    Rücknahme einer Schirmherr-        gegen falsche Tatsachenbehauptungen
                                                                                    schaft oder zur Streichung von     verzichtet, gibt damit aus Sicht der Ge-
                                                                                    staatlichen Zuschüssen „zwin-      richte und der Journalisten die Vorwürfe
                                                                                    gen“.                              zu. Jeder darf dann die falschen Tatsa-
                                                                                        Die zwei katholischen Bi-      chenbehauptungen wiederholen und sie
                                                                                     schöfe haben sich daher im        über das Internet weiter verbreiten. Denn
                                                                                     vergangenen Herbst gegen          aus Sicht der Justiz bedeutet Schweigen
                                                                                     die durchsichtigen politischen    Zustimmung – Schweigen zu Beginn ei-
                                                                                     Angriffe sofort gewehrt. Bi-      ner Kampagne macht es deshalb später
                                                                                     schof Mixa ließ über einen        fast unmöglich, sich gegen Steigerungen
                                                                                      Sprecher scharf antworten:       der Vorwürfe doch noch zur Wehr zu
                                                                                      In den persönlichen Atta-        setzen.
                                                                                      cken Roths sehe er den Ver-        Nicht zu schweigen, sondern die Stim-
                                                                                      such, dass sich Frau Roth zur    me zum Protest gegen unfaire Vorwür-
                                                                                      „Zensurbehörde“ der gesell-      fe oder falsche Tatsachenbehauptungen
                                                                                       schaftspolitischen Diskussi-    zu erheben, ist auch eine Aufgabe nicht
                                                                                       on in Deutschland machen        nur für die Verantwortlichen, sondern
                                                                                       wolle. Darin erkenne man        unbedingt für jeden einzelnen Christen.
                                                                                       „beunruhigende faschisto-       Die Möglichkeit zum sachlichen Protest
                                                                                       ide Züge“. Kardinal Meis-       ist heute einfacher denn je – eine E-Mail
                                                                                        ner wehrte sich gegen die      an den Chefredakteur einer Zeitung oder
                                                                                        „Kritik“ Becks gerichtlich:    eines Senders ist schnell geschrieben (die
                                                                                        er erreichte beim Kölner       Mailadressen findet man im Internet),
                                                                                        Landgericht per einstwei-      ebenso fix ist ein Eintrag auf der Web-
                                                                                        liger Verfügung, dass Beck     seite eines Abgeordneten vorgenommen.
Foto: picture alliance

                                                                                         ihn nicht mehr als „Hass-     Und solche Meinungen haben enormes
                                                                                         prediger“ bezeichnen darf.    Gewicht, denn in der heutigen Hektik
                                                                                            Auch dies ist neu in       des Redaktionsalltages spitzt mancher
                                                                                         der deutschen Debatten-       Redakteur zu – was er oder zumindest
                                                 Glaubensdabatte, auch im Bundestag “Kultur“: persönliche Ent-         sein Chefredakteur später bereuen und
                                                                                          gleisungen in den Medien     Besserung geloben mögen.
                         spricht. Eines aber ist völlig anders als       können   erfolgreich    durch Gerichte kor-     Wenn sich Christen auf diese neuen,
                         damals, als Paulus in Thessalonich pre-         rigiert werden. Manfred Stolpe – als ehe-     rohen Sitten der Debattenkultur einstel-
                         digte: Während er mühsam von Stadt zu           maliger stellvertretender Vorsitzender des    len, dann bedeutet dies keinesfalls, die
                         Stadt wandern und dort predigen mus-            Bundes der Evangelischen Kirchen in der       Debatte anzuheizen. Im Gegenteil wer-
                         ste, verbreitet sich heute jedes Wort, ob       DDR – und Gregor Gysi haben das in den        den Christen immer zuerst und andau-
                         freundlich oder verleumderisch, augen-          neunziger Jahren bis hin zum Bundes-          ernd versuchen, im Gespräch mit Ver-
                         blicklich über das Internet in alle Welt.       verfassungsgericht (Urteil 2005) erfolg-      leumdern und auch im Gebet für sie zu
                         Und vor allem bleiben die Verleum-              reich durchgesetzt: kein Journalist wird      einer Verständigung zu kommen. Das
                         dungen und falschen Tatsachenbehaup-            heute mehr über mögliche Stasi-Kon-           gilt auch aktuell: Viele haben etwa mit
                         tungen im Internet auch ständig und             takte schreiben wollen – es gäbe sofort       Volker Beck das Gespräch gesucht.
                         global recherchierbar und damit an den          enormen (und teuren) juristischen Ärger.        Christen sollten jedoch nicht verges-
                         Verleumdeten kleben – wenn wir nicht              Sicherlich: Christen sollten auch hef-      sen, dass Politiker – und gerade Vol-
                         etwas dagegen unternehmen.                      tige Kritik an ihren Positionen gelassen      ker Beck oder Claudia Roth – ernsthaft
                           Diese grundlegende Veränderung in             ertragen können. Doch wenn die Ver-           glauben, dass sie bei ihren Wählern Er-
                         unserer heutigen Mediengesellschaft             leumdungen zu persönlich oder wenn            folg haben, wenn sie christliche Positi-
                         müssen Christen zur Kenntnis nehmen:            Tatsachenbehauptungen schlicht wahr-          onen und Führungspersönlichkeiten an-
                         „Papier ist geduldig“ war früher einmal         heitswidrig sind, dann dürfen auch            greifen. Einsicht sollten wir daher nicht
                         eine zutreffende Einschätzung, als das          Christen zu weltlichen Mitteln greifen        immer erwarten – das Wunder, das einst
                         bedruckte Papier zur Meinungsbildung            und sich mit Hilfe der Gerichte Recht         Saulus widerfuhr und das ihn dann als
                         breit informierter Kreise gehörte. In un-       verschaffen – und das heißt vor allem:        Paulus zum Erreger des Weltkreises wer-
                         serer medialen Erregungsgesellschaft da-        Verleumdungen aus dem Gedächtnis              den ließ, schon!
                         gegen scheint es oft nur noch auf schnel-       des Internets löschen. Ich glaube sogar,
                         le, dramatisch klingende Schlagzeilen           dass wir im Zeitalter des Internets dazu
                         anzukommen. Falsche Tatsachenbehaup-            eine Verpflichtung haben. Denn in den         Prof. Dr. Wolfgang Stock
                                                                                                                       ist Hochschullehrer für
                         tungen, von Meinungsmacher-Profis ge-           Regeln der Massenkommunikation sind
                                                                                                                       Kommunikation und Be-
                         schickt platziert, können Führungsper-          gerichtliche Schritte seit Stolpe und Gysi    rater in Berlin sowie im
                         sönlichkeiten daher heute innerhalb von         leider völlig normal geworden. Schlim-        Vorstand des Christlichen
                         Minuten und Stunden zum Rücktritt, zur          mer noch: wer auf gerichtliche Schritte       Medienverbundes KEP e.V.

                         6 pro | Christliches Medienmagazin 2|2008
Pro 2|2008 - Debatten um den Glauben Die neue Medienprominenz der Christen - pro Medienmagazin
Wie
Christen
Glauben
leben können
Mark Greene (Foto) ist Direktor des „London In-
stitute for Contemporary Christianity“ (LICC). Das
evangelikale Institut ist ein „Ressourcenpool“: Ak-
tuelle gesellschaftliche Themen werden unter christ-
lichen Gesichtspunkten beleuchtet, artikuliert und
verständlich gemacht. Im Zentrum steht die Fra-
ge: Welche Relevanz hat der christliche Glaube im
21. Jahrhundert? Katrin Gülden und Andreas Dip-
pel haben in London mit Mark Greene gespro-
chen.                                                                 Foto: pro

  pro: Herr Greene, den meisten deutschen Lesern wird das London      Christen, wie sie ihren Glauben mitten am Arbeitsplatz ein-
Institute of Contemporary Christianity kein Begriff sein. Könnten     bringen können. Natürlich sprechen wir auch mit Politikern
Sie bitte Ihre Arbeit kurz zusammen fassen?                           und Parlamentsabgeordneten, stehen in Kontakt mit Wissen-
  Mark Greene: LICC wurde vor 25 Jahren von John Stott                schaftlern und Akademikern. Unser Ziel ist es aber, Christen
begründet. Wir sind ein Ort, an dem Theologie und die Welt            zu helfen, ihren Glauben im Alltag zu leben und sich in The-
sozusagen frontal aufeinander treffen. Wir artikulieren die           men des 21. Jahrhunderts mit ihrem Glauben einzubringen.
christliche Botschaft und christliche Antworten in der Aus-           Und somit die Kultur der heutigen Kirche zu ändern – wir ar-
einandersetzung mit aktuellen relevanten gesellschaftlichen,          tikulieren und informieren mit und für Christen und die Kir-
politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen des              che.
21. Jahrhunderts. Mit unseren Materialien und Workshops                 Aber sollten Christen genau das nicht in ihren Gemeinden er-
sprechen wir Kirchen unterschiedlicher Konfessionen, christ-          fahren? Dort gibt es doch die Predigt mit hoffentlich praktischem
                             liche Einrichtungen, Organisati-         Bezug?
                              onen und Ausbildungsstätten,              Eigentlich ja. Doch in Gemeinden in Großbritannien ist
                               aber auch die einzelne Person an.      das nicht immer der Fall. „Whole-Life-Discipleship“ (Jün-
                               Dabei sind wir kein wissenschaft-      gerschaft, die das ganze Leben umfasst) ist die Kernauf-
                                licher „Think Tank“, der theore-      gabe der Kirche und jeder Gemeinde, also die Artikulati-
                                 tische Abhandlungen entwirft         on und praktische Umsetzung des Glaubens für und in All-
                                  und Empfehlungen ausspricht.        tag, Kunst, Weltmission, Hilfe für Arme, Politik, Medien oder
                                  Wir helfen Christen, ihr Wissen     natürlich das Berufsleben. In Gemeinden werden diese Le-
                                   in die Praxis umzusetzen. Das      bensbereiche wie „Rosinen“ behandelt, nach dem Motto:
                                    kann ein Jungunternehmer          Oh gut, das ist ein interessantes Thema, lasst uns einmal
                                    oder Angestellter einer Bank      darüber sprechen. Der Pastor predigt eventuell zweimal im
                                     sein, der in seinem Beruf äu-    Jahr über die Frage, wie Christsein und Beruf zu vereinbaren
                                     ßerst erfolgreich ist. Wir un-   sind. Doch dazwischen geraten all diese Bereiche in Verges-
                                      terstützen und vermitteln       senheit. Der Beruf ist aber nicht nur ein Thema, über das ab
                                                                      und an einmal gesprochen werden sollte. Menschen verbrin-
                                                                      gen 50 Prozent ihres gesamten Lebens an ihrer Arbeitsstel-
                                     Weitere Informationen:           le. Der Beruf ist ein Lebensbereich, in dem der Glaube nicht
                                     www.licc.org.uk
                                                                      verloren gehen darf.

                                                                                         pro | Christliches Medienmagazin 2|2008     7
Pro 2|2008 - Debatten um den Glauben Die neue Medienprominenz der Christen - pro Medienmagazin
GESELLSCHAFT

                                                                                  John Stott
                                                                                  John Stott wurde 1921 geboren. Der Engländer ist ei-
                                                                                  ner der prominentesten evangelikalen Christen des 20.
                                                                                  Jahrhunderts. Er wurde als Autor von über 50 Büchern
                                                                                  bekannt, die in Millionenauflage in über 70 Sprachen
                                                                                  übersetzt wurden. Stott war maßgeblich an der Aus-
                                                                                  arbeitung der Lausanner Verpflichtung zur Weltevan-
                                                                                  gelisation im Jahre 1974 beteiligt. Er war viele Jahre
                                                                                  Vorsitzender des Church of England Evangelical Coun-
                                                                                  cil und Präsident der Britischen Evangelischen Allianz.
                                                                                  Mehr als 25 Jahre war er Pastor an der All Souls Church
                                                                                  in London. Von 1959 bis 1991 betreute er als persön-
                                                                                  licher Pastor Königin Elisabeth II. Im Jahr 1982 grün-
                                                                                  dete er das London Institute for Contemporary Chris-
                                                                                  tianity als Ausbildungsstätte für Christen. Seine be-
                                                                                  kanntesten Bücher: „Einführung in das Christentum“,
                                                                                  „Christsein in den Brennpunkten unserer Zeit“, „Die
                                                                                  große Einladung - Sieben Gründe, warum ich Christ ge-
                                                                                  worden bin“.

Fotos: pro

  Was bietet das LICC denn an? Kommen Christen einfach zu Ih-      Und was hat das mit unserem Leben und Alltag zu tun?
nen und lassen sich „beraten“?                                     Ganz einfach: Es gibt nichts Wichtigeres für Menschen, als
  Wir äußern uns zu aktuellen Themen, entwickeln Arbeits-        in einem Umfeld zu leben und zu arbeiten, in dem sie sich
materialien für die oben genannten Zielgruppen und bie-          entfalten können. Eltern haben die Aufgabe, ihre Kinder zur
ten auch Kurse, Vorträge und Seminare hier im Institut an.       Entfaltung ihrer Gaben zu bringen. Das sollten Ehemänner
Dazu kommt eine intensive Reisetätigkeit – meine Kollegen        und Ehefrauen tun: Mit ihrem Partner in einer Gemeinschaft
und ich sind regelmäßig unterwegs und halten Vorträge, vor       zu leben, in der sich beide in Freiräumen entfalten können
Pastoren, Geschäftsleuten etc. Eine große Initiative, die wir    und niemand unterdrückt wird. Und genau das ist auch die
hier lanciert haben, ist unser „Imagine“-Projekt. Eine Vision,   Kernaufgabe eines Managers. Was kann ich tun, damit mei-
wie wir als Christen und eine Kirche das entchristianisier-      ne Mitarbeiter ihr Bestes für die Firma geben? Wer als Lei-
te Großbritannien wieder auf Glauben aufmerksam machen           ter einer Firma oder eines Teams diese Frage nicht anhand
können und für Glauben interessieren. Unser einwöchiger          konkreter Maßnahmen beantworten kann oder sich gar noch
Kurs „Toolbox“ vermittelt anschaulich, wie Christen ihren        nie diese Frage gestellt hat, wird keinen langfristigen Erfolg
Glauben in allen Bereichen ihres Lebens umsetzen können.         haben. Ein Senior Manager einer internationalen Finanzbe-
  Nennen Sie uns doch einmal ein Beispiel dafür.                 ratung sagte mir einmal: „Meine Aufgabe ist es, die Steine
  Gerne. Da wäre zum Beispiel das Thema „Entfaltung“.            auf der Startbahn wegzuräumen, damit meine Leute fliegen
Werfen wir einen Blick auf den Schöpfungsbericht in 1.           können!“
Mose 1. Warum hat Gott den Menschen nicht am ersten                Dennoch: Auch das klingt noch alles sehr theoretisch...
Tag erschaffen, warum hat er bis zum sechsten Tag gewar-           ...dann gebe ich Ihnen ein Beispiel, eine wahre Geschichte.
tet? Ganz einfach: Hätte Gott Adam am ersten Tag geschaf-        Eine Wissenschaftlerin, die auch Christin ist, in einem Phar-
fen, hätte er in völliger Dunkelheit leben müssen und, noch      maunternehmen. Alle Mitarbeiter ihres Teams forschten in-
entscheidender, es wäre nichts da gewesen, kein Land, auf        dividuell in kleinen, abgetrennten Räumen, in die sie jeden
dem er hätte stehen können. Es war noch nichts erschaffen        Morgen – im wahrsten Sinne des Wortes - huschten und
worden. Am sechsten Tag aber gab es alles, was der Mensch        dann nicht wieder gesehen wurden. Also, kein förderliches
brauchte: Land, Wasser, Licht, Nahrung. Und die Beziehung        Arbeitsumfeld: Kommunikation untereinander fand kaum
zu Gott, der, wie es in der Schöpfungsgeschichte heißt, in       statt, niemand unterstützte den anderen, die Kollegen hat-
der „Kühle des Abends“ auf die Erde kam und sich nach            ten keinerlei Bezug zueinander, es gab kein Teamwork. Wo-
dem Befinden seiner Schöpfung erkundigte. Gott hatte sich        für entschied sich diese Managerin? Sie machte von nun an
also um alles gekümmert, was Adam brauchte – mit einer           jeden Freitagmorgen für ihre Mitarbeiter Kaffee und brachte
Ausnahme, die Adam selbst erkennen sollte, nämlich seinen        Schokoladenkekse in die Firma. In diesen 15 Minuten fingen
Wunsch nach Beziehung. Erst daraufhin schuf Gott Eva, als        die Kollegen an, sich auszutauschen: Über das Wetter, Fuß-
Gegenüber und Partnerin Adams. Doch was hatte Gott in            ball, über ihre Erfolge und Misserfolge, sie tauschten Ideen
den ersten Tagen der Schöpfung grundsätzlich getan? Er           aus. Der Managerin war es gelungen, ein Umfeld zu schaf-
hatte ein Umfeld geschaffen, in dem sich der Mensch voll         fen, in dem sich ihre Mitarbeiter nach und nach entfalten
entfalten konnte.                                                können. Wie? Mit Schokoladenkeksen. Genau das ist es, was

8 pro | Christliches Medienmagazin 2|2008
Pro 2|2008 - Debatten um den Glauben Die neue Medienprominenz der Christen - pro Medienmagazin
GESELLSCHAFT

Unternehmen mehr denn je wollen: Dass sich Mitarbeiter
unterhalten, direkt miteinander sprechen und nicht nur per
E-Mail kommunizieren. Unternehmen wissen, dass durch
ein kreatives Umfeld, in dem sich Mitarbeiter mit ihren
Ideen und Gaben voll einbringen können, auch der Umsatz
steigt. Doch die Geschichte geht weiter: Sechs Monate nach
Einführung der gemeinsamen Kaffeepause wechselte sie ih-
ren Arbeitgeber und weitere sechs Monate später beauftrag-
te die Firmenleitung eine Unternehmensberatung, die Team-
arbeit und Atmosphäre zu fördern. Denn nachdem die Leite-
rin des Teams das Unternehmen verlassen hatte, hörte auch
der kreative Austausch in ihrem Team wieder auf. Und was
machten die Berater? Sie stellten ein Programm auf die Bei-
ne, bei dem die Mitarbeiter am Spätnachmittag und Abend
im effizienten Teamwork geschult werden sollten. Stellen
Sie sich diese Botschaft vor! „Ihr müsst länger im Büro blei-
ben, um Teamwork zu lernen.“ Das ist fatal. Die Beratung        Bücher mit Substanz
hat das Unternehmen ein Vermögen gekostet – wobei die
Aufgabe doch eigentlich, überspitzt formuliert, mit Keksen      sich für die Verantwortung seinen Mitarbeitern gegenüber
geregelt hätte werden können. Christen können in ihrem          und ein Umfeld, in dem diese sich auch nach Verkauf des
Alltag ein Umfeld schaffen, in dem sich Menschen entfal-        Unternehmens weiterhin entfalten konnten.
ten können.                                                       Seien wir ehrlich: In der heutigen Welt des Superkapitalismus
   Spannend! Haben Sie noch ein anderes Beispiel?               denken die meisten Menschen doch zwangsläufig daran, wie sie
  Aber klar. Ein IT-Unternehmer, mit dem ich eng befreun-       in kürzester Zeit das meiste Geld für ihre Firma und damit auch
det bin, verkaufte kürzlich eine seiner Firmen. Wir spra-       für sich selbst erwirtschaften können. Das ist nicht als Wirt-
chen kurz vor den Verkaufsverhandlungen über 1. Mose            schaftskritik gemeint, sondern die Bestandsaufnahme der Re-
1 und auch über die Idee des so genannten „Erlassjahres“,       alität, oder nicht?
das Gott für die Juden eingeführt hatte: Alle sieben Jahre        Natürlich ist das die Realität. Besonders hier in London.
sollten Menschen, die Schulden haben, diese Schulden er-        Bei all der wirtschaftlichen Kraft, die sich in dieser Stadt
lassen werden. Die Idee dahinter: Kein Mensch sollte jemals     als europäisches Zentrum des Kapitalismus sammelt, gibt
in eine Situation geraten, aus der es für immer keinen Aus-     es auch eine Gegenseite: In Großbritannien, so das Ergeb-

    „Ich bin der Überzeugung, dass wir Christen wieder lernen
    müssen, so von unserem Glauben zu sprechen, dass es jeder
    säkulare Mensch versteht und nachvollziehen kann, was wir
    meinen.“

weg gab. Christen haben die Verantwortung, anderen Men-         nis soziologischer Erhebungen, leben die unglücklichsten
schen konkret zu helfen. Mein Freund fasste den Entschluss,     Menschen Europas. Gleichzeitig arbeiten die Briten durch-
zwei Bedingungen an den Verkauf seiner Firma zu knüpfen.        schnittlich vier Stunden mehr pro Woche als ihre europä-
Erstens: Seine Mitarbeiter sollten auch unter der Ägide des     ischen Nachbarn. Und es geht weiter: Laut Unicef bezeich-
neuen Besitzers in einem Umfeld arbeiten, in dem sie sich       nen sich in England die meisten Kinder als unglücklich,
entfalten können – das heißt, es sollte zu keinen betriebs-     und das im weltweiten Vergleich. Wir haben ein enormes
bedingten Kündigungen nach der Übernahme kommen. Und            Drogenproblem, die dritthöchste Scheidungsrate und die
zweitens, nicht nur die Eigentümer und geschäftsführende        meisten Teenagerschwangerschaften in Europa. Zum ersten
Holding sollten vom Verkauf profitieren, sondern der ge-        Mal in unserer Geschichte ist die Lebenserwartung unserer
samte Mitarbeiterstab, natürlich in unterschiedlichem Um-       Kinder geringer als die ihrer Eltern. Alle sozialen Daten
fang. Genau nach diesen Kriterien wurde der Käufer aus-         weisen darauf hin, dass wir als Gesellschaft kurz vor dem
gesucht. Interessanterweise entsprach der aggressivste Bie-     Zusammenbruch stehen. England belegt in der Frage des
ter mit dem lukrativsten Angebot den Kriterien nicht. Er        Arbeitnehmerschutzes im weltweiten Vergleich Platz 117.
hat den Zuschlag nicht bekommen – mein Freund entschied         15 Prozent der Bevölkerung geben an, überlastet zu sein.

                                                                                      pro | Christliches Medienmagazin 2|2008   9
Pro 2|2008 - Debatten um den Glauben Die neue Medienprominenz der Christen - pro Medienmagazin
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                                                                              Mark Greene
                                                                              Mark Greene ist seit 1999 Direktor des London Institute
                                                                              for Contemporary Christianity. Er studierte Sprachwis-
                                                                              senschaften, Medienkommunikation und Theologie in
                                                                              Cambridge, Edinburgh und London. Er kommt aus einem
                                                                              jüdischen Elternhaus und wurde als Student Christ.
                                                                              Greene arbeitete zehn Jahre in der renommierten Wer-
                                                                              beagentur Ogilvy & Mather, davon sieben Jahre in New
                                                                              York. In einer Gemeinde in Manhattan erlebte er, wie
                                                                              Christen sehr konkret ermutigt wurden, ihren Glauben
                                                                              im Alltag einzubringen. Von 1983 an lehrte er drei Jah-
                                                                              re an der Columbia Business School in New York, später
                                                                              als Dozent „Kommunikation“ am London Bible College
                                                                              (heute: London School of Theology). Mark Greene ist
                                                                              Autor zahlreicher Bücher, darunter „Imagine: How will
                                                                              the UK be won?“ oder „Thank God it’s Monday“. Er ist
                                                                              verheiratet und Vater von drei Kindern.

Foto: pro

Das liegt weniger daran, dass viele länger arbeiten, son-     dann wieder gewinnen, wenn sie sich glaubwürdig als sol-
dern, dass sich die Arbeitszeiten immer mehr auf die frü-     che zu erkennen geben.
her einmal so genannte Freizeit erstrecken. Hier ist es zum     Genau das war auch das Ziel von John Stott bei der Grün-
Beispiel unsere Aufgabe als Christen, zu zeigen, warum Ru-    dung von LICC.
hezeiten wichtig sind. Warum es relevant ist, sich Zeit für     Ja, John Stott ist einer der einflussreichsten und be-
die Familie zu nehmen. Ich habe einmal einen Hotelier in      kanntesten evangelikalen Theologen des 20. Jahrhunderts.
Österreich kennengelernt. Er schloss sein Hotel jedes Jahr    Er hat zwei persönliche Erfahrungen gemacht, die ihn zur
im August zur Hochsaison für drei Wochen. Stellen Sie sich    Gründung von LICC führten. Erstens traf er Jugendliche
das mal vor! Ich habe ihn gefragt, warum er seinen Be-        aus gläubigen Elternhäusern, die sich wenig bis gar nicht
trieb ausgerechnet im Sommer schließt. Er antwortete la-      für das Christentum interessierten. Stott unterhielt sich mit
konisch: „Wann würden Sie denn mit Ihrer Familie Urlaub       den Studenten und fragte sie, ob sie mit dem Wahrheitsan-
machen?“ Gott gibt uns Menschen bestimmte Prinzipien,         spruch des christlichen Glaubens Probleme hätten. Die Ant-
die für ein erfülltes und sinnvolles Leben unablässig sind.   wort überraschte ihn. Was die Relevanz der Botschaft eines
Diese Prinzipien wie Erholung und Ruhe kann jeder aus-        Wanderpredigers aus Palästina für ihr Leben im 20. Jahr-
schlagen – oder ganz praktisch umsetzen. Das Verhalten        hundert denn wäre? Das Christentum wäre nicht unbedingt
und Engagement von Christen in ihrem Lebensbereich hat        unwahr, sondern einfach irrelevant. Zweitens wurde er von
ja gleichzeitig enorme Auswirkungen darauf, wie Christen      einem Freund nach einer Predigt – er war über 30 Jahre Pa-
grundsätzlich in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.      stor hier in London – kritisiert: „John, deine Auslegung der
Bei einem Blick auf die Entwicklungen der vergangenen         Predigt war einfach hervorragend. Aber deine Anwendung
Jahrzehnte komme ich zu dem Ergebnis, dass insbesondere       der biblischen Botschaft auf das Leben ist erbärmlich.“ Da-
evangelikale Christen den Respekt der weitgehend säkula-      rüber dachte er sehr intensiv nach – und gründete 1982
risierten Öffentlichkeit verloren haben. Wenn wir nicht zu    das London Institut, an dem es genau um die Frage geht,
unserem Glauben stehen, tun es eben andere. Ich bin der       aus welchem Grund und auf welche Weise der Glaube im
Überzeugung, dass wir Christen wieder lernen müssen, so       20. und 21. Jahrhundert relevant ist.
von unserem Glauben zu sprechen, dass es jeder säkulare          Und welche Schwerpunkte setzen Sie heute?
Mensch versteht und nachvollziehen kann, was wir mei-           Der Arbeitsplatz ist das größte Missionsfeld. Im Büro be-
nen. In Amerika ist übrigens bereits ein Umschwung in der     gegnen viele Angestellte an einem Tag mehr Leuten, für die
öffentlichen Wahrnehmung von Evangelikalen zu beobach-        der christliche Glaube irrelevant ist, als ein Pastor in ei-
ten. Vor 30 Jahren waren evangelikale Christen vorrangig      ner Woche. Für wen also sollte man besonders beten? Und
dafür bekannt, wogegen sie waren, also „Anti“. Das hat        wer sollte darin unterstützt werden, wie der Glaube in Ge-
sich weitgehend geändert: Evangelikale haben zum Beispiel     sprächen und Begegnungen vermittelt werden kann? Ich
die Not in der Welt und humanitäre Hilfe zu ihrem Enga-       denke, die Antworten liegen auf der Hand. Genau aus die-
gement erklärt. Heute weiß die breite Öffentlichkeit, dass    sem Grund gibt es das London Institute for Contemporary
sich Christen mehr als alle anderen Gruppen für hilfsbe-      Christianity.
dürftige Menschen einsetzen. Respekt können Christen nur        Herr Greene, wir danken Ihnen für das Gespräch!

10 pro | Christliches Medienmagazin 2|2008
DEBATTE

                          Glauben Sie an die Schöpfung?
                          Francis S. Collins ist einer der bekanntesten Wissenschaftler der Welt. Und ein überzeugter Christ. In
                          seinem Buch „Gott und die Gene – Ein Naturwissenschaftler begründet seinen Glauben“, das im Güters-
                          loher Verlagshaus auf Deutsch erschienen ist, schreibt Collins auch über seinen Weg vom Atheisten zum
                          Christen. Doch das Buch lässt Fragen offen, meinen wir.
Foto: picture-alliance

                         Francis. S. Collins

                            pro: Dr. Collins, Sie sind Direktor des Na-   alen Fragen geflossen ist. Diesem For-           Keineswegs. Der Wissenschaft geht es
                          tional Human Genome Research Institute          schungsprogramm ist eine abgewogene            darum, die natürliche Welt zu verste-
                          in Bethesda im US-Staat Maryland. Im Jahr       Einschätzung dazu gelungen, welche             hen. Der Glaube beantwortet dagegen
                          2003 konnten Sie die Entschlüsselung der        Fragen wirklich weiter verfolgt wer-           Fragen spiritueller Art, wie zum Bei-
                          Sequenz des menschlichen Genoms feiern.         den müssen und bei welchen es sich um          spiel nach dem Sinn des Lebens und der
                          Was bedeutet das im Klartext?                   Science Fiction handelt. Fragen, die der       Existenz Gottes, die die Wissenschaft
                            Collins: Das Genom eines Lebewe-              dringlichen Klärung bedürfen, sind die         nicht beantworten kann. Sowohl Wis-
                          sens ist die Gesamtheit seiner DNA, also        Notwendigkeit wirksamer Verfahren zur          senschaft als auch Glaube sind Wege
                          das Erbgut. Hierbei handelt es sich im          Verhinderung genetischer Diskriminie-          der Erkenntnis.
                          Grunde genommen um den Bausatz                  rung, die Notwendigkeit angemessener             Sie waren Atheist und sind jetzt Christ.
                          aller Lebewesen, auch des Menschen.             Kontrolle über genetische Tests, die Ver-      Gab es bestimmte Ereignisse in Ihrem Le-
                          2003 konnten wir die Bestimmung aller           hinderung missbräuchlicher Patentie-           ben oder Veränderungen in Ihrer Denkwei-
                          drei Milliarden Basenpaare des mensch-          rungen, gleichberechtigter Zugang zu           se, die dazu geführt haben, dass Sie an die
                          lichen Genoms erfolgreich abschließen.          den medizinischen Vorzügen der Ge-             Existenz Gottes glauben?
                            Sie legen großen Wert auf ethische und        nomik und die Festschreibung verbind-            Als ich in meinen Zwanzigern war,
                          rechtliche Fragen bei der Genetik. Welchen      licher ethischer Grenzen im Bereich der        wurde mir klar, dass die von mir ver-
                          Herausforderungen sehen Sie sich hier als       genetischen Verbesserung.                      tretene atheistische Position diejeni-
                          Genetiker gegenüber?                              Als Leiter des National Human Genome         ge Denkweise war, die sich am schwie-
                            Das Human Genome Project ist inso-            Research Institute sind Sie einer der be-      rigsten rational begründen ließ. Eigent-
                          fern einzigartig, als ein beträchtlicher        kanntesten Wissenschaftler der Welt.           lich handelt es sich dabei um eine Art
                          Teil seines Budgets in die Klärung die-         Gleichzeitig glauben Sie an Gott. Ist das      von Fundamentalismus. Wie bereits G.
                          ser ethischen, rechtlichen und sozi-            nicht ein Widerspruch?                         K. Chesterton hervorhob, ist der Atheis-

                                                                                                                      pro | Christliches Medienmagazin 2|2008    11
DEBATTE

 Was ist dran an Collins‘ Thesen?
 Reinhard Junker ist Geschäftsführer der Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“. Der Biologe befasst sich seit Jahren mit
 der Grundlagenforschung und Bildungsarbeit über „Schöpfung und Evolution“. Reinhard Junker hat das Buch von Francis S.
 Collins gelesen – und begründet anhand fachlicher Anfragen seine Skepsis gegenüber den Thesen des Genetikers.

 C
        ollins ist Humangenetiker. Er         die für überflüssig gehaltenen Bereiche        Maus ex nihilo, „aus dem Nichts“. Es wird
        möchte zeigen, dass es „keinen        oftmals eine Funktion bei der Genregu-         sich zeigen müssen, ob als alternative Er-
        Konflikt“ gibt „zwischen einem        lation haben. Dass in verschiedenen Or-        klärung gemeinsame Mechanismen für
 ernsthaften Wissenschaftler und jeman-       ganismen verschieden viel „Junk-DNA“           das Auftreten von Fehlern in Frage kom-
 dem, der an einen Gott glaubt, welcher       gefunden wird, ist zunächst lediglich ein      men und ob damit auch gemeinsame Feh-
 an jedem von uns interessiert ist“. So       Befund. Erst im Rahmen der Evolutions-         ler unabhängig voneinander entstanden
 weit, so gut. Doch in seinem Buch „Gott      theorie kann man von „Ansammeln“ spre-         sein könnten. Denkbar ist auch, dass es
 und die Gene“ plädiert Collins auch für      chen. Dann ist aber genau dies kein Hin-       sich gar nicht um Fehler handelt, sondern
 eine theistische (also „göttliche“) Evolu-   weis für Evolution, da diese bereits als Vo-   dass die betreffenden Gene bislang noch
 tion, die davon ausgeht, dass Gott die       raussetzung fungiert.                          unentdeckte Funktionen haben.
 Evolution genutzt hat, um Leben auf             Außerdem vertritt Collins die Ansicht,
 dieser Erde zu entwickeln.                   dass Unterschiede zwischen Mikroevolu-         Über „BioLogos“
                                              tion und Makroevolution künstlich seien.
 Über das menschliche Genom                   Dieses Argument erläutert er aber nur             Collins plädiert für eine „theistische
                                              mit dem Beispiel unterschiedlicher Pan-        Evolution“, mag aber diesen Begriff nicht
    Collins argumentiert mit molekularen      zerungen der Stichlinge. Collins meint,        und spricht lieber von „BioLogos“. Wäh-
 Ähnlichkeiten, also mit Vergleichen der      dass diese Fischart durch Evolution neue       rend er den Mechanismus der Entstehung
 Bausteine des menschlichen Erbguts mit       Strukturen erworben habe. Jedoch ist es        des Lebens als „unbekannt“ bezeichnet,
 dem Erbgut anderer Organismen. Über-         wesentlich einfacher, anhand dieses Bei-       hält Collins einen übernatürlichen Ein-
 einstimmungen von Gen-Ähnlichkeiten          spiels zu zeigen, dass die verschiedenen       griff nicht für nötig, nachdem die bio-
 mit Stammbäumen, die auf Fossilien           Panzerungen durch eine Mikroevolution          logische Evolution begonnen hatte. Ob-
 und dem Körperbau beruhen, seien eine        von einem vielseitigen Grundtyp (geschaf-      wohl Mensch und Affen gemeinsame bi-
 deutliche Unterstützung für Darwins          fene Art) ausgehend entstanden sind. Eine      ologische Wurzeln haben, seien die Men-
 Evolutionstheorie. Collins diskutiert al-    Makroevolution, die davon ausgeht, dass        schen „in einer Weise einzigartig, für die
 lerdings nicht, dass es genau in dieser      auch ganz neue Konstruktionen durch na-        es keine evolutive Erklärung gibt und die
 Frage zahlreiche unpassende Befunde          türliche Prozesse entstanden sind, muss        so auf unsere geistige Natur verweist“.
 gibt. Molekulare Daten über Gen-Ähn-         gerade hier nicht angenommen werden.           Collins‘ Ansatz läuft letztlich auf eine Art
 lichkeiten stellen sehr oft bisherige Ver-      Besonders stark für Evolution sprechen      „vorprogrammierte Evolution“ aller Lebe-
 wandtschaftsvorstellungen in Frage und       laut Collins vererbte Fehler im Erbgut. Er     wesen hinaus. Er benennt zwar das (theo-
 passen oft auch nicht zu den Daten aus       erläutert dies am Beispiel eines Gens, das     logische) Gegenargument, dass die in der
 dem Fossilbefund. Aus einem Beleg für        bei Maus und Mensch in gleicher Wei-           Evolution benutzte Methode „offensicht-
 Evolution wird so ein Problemfall.           se verstümmelt sei. Das deute stark da-        lich zufällig, potentiell mitleidlos und in-
    Collins weist in seinem Buch auch da-     rauf hin, dass der betreffende Gen-Defekt      effizient“ ist, ohne jedoch darauf eine be-
 rauf hin, dass „Genmutationen, die kei-      vor der „Aufzweigung“ von Mensch und           friedigende Antwort zu geben. Seine Ant-
 ne Funktion betreffen (zum Beispiel die      Maus im Rahmen der Evolution gesche-           wort, „die Evolution könnte für uns nach
 ‚Junk-DNA‘), sich über die Zeit stetig an-   hen sei. Wenn aber die gemeinsame Ab-          einem zufälligen Prozess aussehen, aber
 sammeln“. Dies bestätige ebenfalls Dar-      stammung nicht die Ursache für den vor-        aus Gottes Perspektive wäre es ein Prozess
 wins Theorie. Jedes Gen eines Lebewe-        liegenden Befund ist, stellt sich hier die     mit einem genau definierten Ergebnis“,
 sens wird für eine bestimmte Aufgabe         Frage, wie der gemeinsame Fehler dann          erscheint mir willkürlich; sie stellt sich
 des Körpers benötigt. Bei der so genann-     auf unabhängigen Wegen (in Maus und            dem aufgeworfenen Problem nicht. Col-
 ten „Junk-DNA“ („DNA-Abfall“) handelt        Mensch getrennt) entstanden ist. Dabei         lins ist es vielmehr wichtig, aufzuzeigen,
 es sich dagegen um Teile des Erbguts,        handelt es sich tatsächlich um ein starkes     dass durch den Evolutionsprozess Men-
 die keine speziellen Funktionen haben        Indiz für Evolution. Es müsste allerdings      schen entstanden sind, die einen freien
 sollen. Wissenschaftler wie Collins ar-      untersucht werden, ob auch andere Tiere        Willen besaßen. „Er (Gott) wusste außer-
 gumentieren, dass sich dadurch in der        aus dem Abstammungskreis um Maus und           dem, dass diese Kreaturen sich schließlich
 Junk-DNA schädliche Mutationen an-           Mensch dieses fehlerhafte Gen tragen, be-      frei dem Sittengesetz unterordnen wür-
 sammeln konnten. Hätte die Evolution         vor ein eindeutiger Befund pro Evolution       den.“ Sätze wie dieser stehen in seinen
 nicht stattgefunden, so das Argument,        ausgesprochen wird. Jedenfalls sind für        Ausführungen irgendwie freischwebend
 gäbe es auch keinen „DNA-Abfall“. Je-        Collins Befunde wie diese Widerlegungen        im Raum. Wie fast alle Christen, die für
 doch zeigen neuere Forschungen, dass         einer Erschaffung des Menschen und der         eine „theistische Evolution“ plädieren, be-

12 pro | Christliches Medienmagazin 2|2008
DEBATTE

                                             mus die Beschwörung einer universellen
                                             Verneinung, ein Dogma, das schwierig
                                             zu verteidigen ist. Also begann ich da-
                                             mit, zu erkunden, warum große Den-
                                             ker in allen Jahrhunderten stattdessen
                                             an Gott glaubten. Dabei stellte ich zu
                                             meiner eigenen Überraschung fest, dass
                                             alles auf die Existenz Gottes hindeutet,
fasst sich Collins nicht mit dem heilsge-    auch wenn sich seine Existenz – jeden-

                                                                                                                                      Foto: Gütersloher Verlagshaus
schichtlichen Zusammenhang zwischen          falls in diesem Leben – nicht beweisen
Adam und Sündenfall einerseits und Je-       lässt.
sus Christus und seiner rettenden Tat          Was genau deutet Ihrer Ansicht nach auf
andererseits. Der Tod kommt durch die        die Existenz Gottes hin?
Sünde Adams und ist nicht ein Mecha-           Die Tatsache, dass das Universum ei-
nismus der Evolution (Römer 5,12ff.);        nen Anfang hat, dass es so harmonisch
die Sünde ist Ungehorsam und nicht Re-       aufeinander abgestimmt ist, dass Leben                   „Gott und die Gene“
sultat der Evolution; Jesus und Paulus       möglich wurde, und dass wir Menschen
bestätigen die Herkunft aller Menschen       diesen universellen Sinn für Recht und
von einem ersten Menschenpaar (Matt-         Unrecht haben, auch wenn wir deswe-                Ist der zufällige Evolutionsprozess mit
häus 19,3ff.; Apostelgeschichte 17,26).      gen mitunter Dinge tun, die das Gegen-           der bewussten Schöpfung durch eine hö-
Viele zentrale Aussagen des Neuen            teil von dem sind, was aus Sicht der             here Intelligenz nicht unvereinbar?
Testaments hängen mit den Schilde-           Evolution zweckmäßig wäre. Um es in                Keineswegs. Wenn Gott den Pro-
rungen der biblischen Urgeschichte zu-       Anlehnung an den Philosophen Imma-               zess der Evolution gewählt hat, um uns
sammen. Dass all diese grundlegenden         nuel Kant auszudrücken: Der bestirnte            nach seinem Bild zu schaffen, steht es
Fragen nicht einmal angesprochen wer-        Himmel über mir und das moralische               uns nicht zu, diese Methode zu kritisie-
den, ist ein immer wieder erstaunlicher      Gesetz in mir füllen mich mit zuneh-             ren. Es handelt sich dabei sogar um eine
Mangel, denn genau an dieser Stelle lie-     mender Ehrfurcht und einem Bewusst-              außerordentlich elegante Methode. Die
gen die wichtigsten und schwierigsten        sein für Gottes Gegenwart.                       Tatsache der Evolution tut meiner Ehr-
Fragen bezüglich einer Synthese von            Ihr Buch „Gott und die Gene“ ist jetzt         furcht vor Gott keinerlei Abbruch – im
Evolution und Schöpfung – ein Man-           auch in Deutschland erschienen. Sie sagen,       Gegenteil! Man darf auch nicht verges-
gel, der auch durchgängig allen neueren      es sei schwierig, die Existenz unseres Uni-      sen, dass Gott jenseits von Raum und
kirchlichen Stellungnahmen zum „Krea-        versums zu erklären, ohne dabei die Exi-         Zeit existiert, so dass etwas, das in un-
tionismus“ anhaftet.                         stenz Gottes vorauszusetzen. Könnte man          seren Augen zufällig wirkt, nicht not-
  Collins‘ Buch ist dennoch insofern er-     das nicht auch über die Existenz des Men-        wendigerweise auch für Gott zufällig
freulich, als es beispielhaft belegt, dass   schen sagen?                                     ist.
man als Spitzenwissenschaftler in der          Da stimme ich Ihnen zu. Wir wissen               Wenn zwei Organismen sich sehr ähnlich
Biologie sehr wohl an Gott als Schöpfer      jetzt zwar, dass der Evolutionsprozess           sind - wie etwa der Mensch und der Schim-
glauben kann und dass ein Atheismus          über lange Zeiträume Systeme von au-             panse, deren DNA zu 96 Prozent überein-
nicht aus der Naturwissenschaft folgt,       ßerordentlicher Komplexität hervor-              stimmt -, bedeutet das zwangsläufig, dass
sondern andere Wurzeln hat. Wie immer        bringen kann. Das Universum musste               der eine vom anderen abstammt?
man zur „theistischen Evolution“ steht:      aber sehr sorgfältig abgestimmt werden,            Nein, die Ähnlichkeit allein würde
Viele Teile von Collins‘ Apologetik sind     damit der erste sich von allein vermeh-          das nicht beweisen. Aber wenn man
für alle hilfreich, die mit den üblichen     rende Organismus entstehen konnte.               sich das Erbgut des Menschen und das
Standardargumenten gegen die Existenz        Diesen Abstimmungsprozess kann man               des Schimpansen näher anschaut, stößt
Gottes konfrontiert werden.                  nicht auf reinen Zufall reduzieren – das         man auf Faktoren, die sich nicht anders
                                             ist einfach zu unwahrscheinlich. Außer-          erklären lassen - es sei denn, Sie argu-
                                             dem kann die menschliche Natur meiner            mentieren, dass Gott absichtlich falsche
Dr. Reinhard Junker ist                      Meinung nach nicht völlig durch den              Fährten in unserer DNA gelegt hat, um
Autor zahlreicher Bü-                        materialistischen Prozess erklärt wer-           uns in die Irre zu führen. Ein Beispiel
cher, etwa „Jesus, Dar-                      den, auch wenn ich mir vorstellen kann,          dafür ist das menschliche Chromosom
win und die Schöpfung,
Warum die Ursprungsfra-
                                             dass der Evolutionsprozess den Rahmen            2, das ich in „Gottes DNA“ näher erläu-
ge für Christen wichtig                      geschaffen hat, in dem Menschlichkeit            tere. Dieses Chromosom liefert in seiner
ist“ (Hänssler Verlag) und                   sich entwickeln konnte. Aber grundle-            DNA-Sequenz den klaren Beweis dafür,
- mit Siegfried Scherer -                    gende Fragen kann die Evolution nicht            dass es das Ergebnis einer kürzlichen
„Evolution. Ein kritisches                   beantworten: Woher kommt das Mo-                 Fusion zweier kleinerer Chromosomen
Lehrbuch“, (Weyel Lehr-
mittelverlag).
                                             ralgesetz? Woher kommt unser Hunger              ist, die am Verschmelzungspunkt fossile
Weitere Informationen:                       nach Gott? Unser Schönheitssinn? Un-             DNA-Spuren hinterlassen hat. Schim-
www.wort-und-wissen.de                       sere Fähigkeit, bedingungslos, selbstlos         pansen und Gorillas haben tatsächlich
                                             und uneigennützig zu lieben?                     kein Chromosom 2 wie wir, wenn auch

                                                                                           pro | Christliches Medienmagazin 2|2008   13
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