VERUNSICHERUNG - Pro Medienmagazin
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pro Christliches Medienmagazin 3 | 2020 pro-medienmagazin.de DIE GROSSE VERUNSICHERUNG Warum es in der Corona-Krise eine sachliche Debatte braucht Wigald Boning Chris Lee Benedikt Kristjánsson betet hält singt Bachs begeistert 60-Sekunden- Evangelisten zum Predigten im Schöpfer Internet
EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, Krisen sind Zeiten der Verunsicherung. Etliche Menschen werden kreativ, sie probieren Neues aus. Bei anderen domi- niert der Eindruck, wir haben nicht mehr alles unter Kontrol- le. Manches, was immer als selbstverständlich erschien, ist plötzlich in Frage gestellt. Die Zukunft ist ungewiss, wir suchen nach Erklärungen, Halt und Orientierung. Die Corona-Krise hat uns nun schon seit rund drei Monaten im Griff. An einige neue Umstände und Routinen haben sich die meisten gewöhnt. An- 28 deres ist uns fremd geblieben. Wir vermissen Menschen, Nähe, echte Begegnungen, das unbeschwerte Leben. Und je länger die Kri- se dauert, desto größer wird bei manchen die Skepsis: Ist das Virus gar nicht so schlimm? Waren die Kontaktver- bote überhaupt ange- messen? Will uns die 34 Regierung die Freiheit nehmen? Und ziehen womöglich im Hintergrund andere die Fäden? Kurzmeldungen 4 Erst im Rückblick und nach umfassender Analyse werden wir Leserbriefe 15 wissen, welche Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus wie wirksam waren. Bis jetzt ist Deutschland glimpflich da- P OLI T I K vongekommen. Dafür können wir sehr dankbar sein. Aber eine Titel: So viele Stimmen Aufarbeitung der politischen Entscheidungen und fundamen- Die schwierige Suche nach Klarheit in der Krise 6 talen Freiheitsbeschränkungen ist nötig. Dafür braucht es eine Titel: „Verschwörungstheorien sind eine humane offene, sachliche Debatte – auch über Irrtümer und Fehlein- Konstante“ schätzungen. Ideologien, die hinter allem finstere Mächte se- ... die im Dunkeln sieht man nicht 10 hen, werden uns jedoch nicht weiterhelfen, aus der Krise ange- „Politik ist für viele an die Stelle der Religion getreten“ messene Schlüsse zu ziehen. Wie schwierig diese Suche nach Mark Galli über die Krise der Evangelikalen 12 Klarheit in der Krise ist, beleuchtet die Titelgeschichte dieser Die Geschichte, die es nicht geben dürfte Ausgabe. Er liebte Männer, nun ist er mit einer Frau verheiratet: Das hält er vom Verbot von Konversionstherapien 16 Auch in anderen Artikeln taucht Corona auf: pro stellt Ihnen ein innovatives Gemeindeprojekt vor, das aus der Not gebo- G ESELLS CH AFT ren wurde (Seite 22). Auf Seite 44 begegnen Sie dem Sänger Das Heimweh nach Gott wächst Benedikt Kristjánsson, dessen Traum es schon immer war, Kolumne von Wolfram Weimer 19 den Evanglisten in Bachs Kantaten und Oratorien zu singen. Eine Freikirche wird zum Sündenbock An Karfreitag, als das Land im Lockdown verharrte, führte er Christen in französischem Corona-Hotspot bekommen die Johannespassion in Trio-Besetzung im Livestream aus der Morddrohungen 20 Leipziger Thomaskirche auf. Und wir fragen, was vom digitalen Schwung bleibt, der in Coronazeiten viele Gemeinden beflügelt hat (Seite 30). Bei aller Veränderung und Unsicherheit dieser Zeit haben wir Christen doch die Gewissheit, dass es eine unwandelbare Kon- stante gibt – unsichtbar, aber wahrhaftig und lebendig: „Jesus Bleiben Sie jede Woche auf dem Laufenden! Unser pdf- Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“ Magazin proKOMPAKT liefert Ihnen jeden Donnerstag die (Hebräer 13,8). Auf ihn können wir unsere Hoffnung setzen. Themen der Woche auf Ihren Bildschirm. Durch die ansprechend gestalteten Seiten erhalten Sie Ich wünsche Ihnen eine gewinnbringende Lektüre, schnell einen Überblick. Links zu verschiedenen Internet- seiten bieten Ihnen weitergehende Informationen. Bestellen Sie proKOMPAKT kostenlos! www.proKOMPAKT.de | Telefon (06441) 5 66 77 00 Ihr Christoph Irion 2 pro | Christliches Medienmagazin 3 | 2020
INHALT | IMPRESSUM 20 40 Mark Galli sieht die 12 Evangelikalen in der Krise 22 Die Autokino-Kirche Falsche Propheten? Präsenz-Gottesdienst ohne Infektionsgefahr 22 Jona und Journalisten: Berichterstatter im Dilemma 42 Mit PS ins Himmelreich Beten für die Automobilindustrie 24 PÄDAG O G I K Der Pastor und die „Craft-Beer-Kirche“ Kirche ist wie Vereinsheim – und sie fehlt uns Warum Jonas Göbel ein Predigtthema versteigerte 26 Eine Kolumne von Daniel Böcking 43 MEDIE N KU LT U R Die Welt zu Gast im Wohnzimmer „Gesang war überall“ Echte Gottesdienste in der virtuellen Realität 28 Benedikt Kristjánsson singt den Evangelisten 44 Was bleibt vom digitalen Schwung? Musik, Bücher und mehr Joachim Stängle über Kirche online nach Corona 30 Neuerscheinungen kurz rezensiert 46 Wie ein anglikanischer Priester zur Internetsensation wurde Reverend Chris Lee kommentiert die Popkultur 32 „Likes setzen unter Stress“ Instagram kann süchtig machen 34 „Ich bin begeisterter Beter“ Comedian Wigald Boning über Jesus, Gott und Welt 36 Ein Bild. Keine 1.000 Worte Miriam Tölgyesi zeichnet Predigten 40 I MPR ESSUM www.blauer-engel.de/uz195 Dieses Druckerzeugnis · ressourcenschonend und wurde mit dem Blauen Engel gekennzeichnet. umweltfreundlich hergestellt · emissionsarm gedruckt · überwiegend aus Altpapier RG4 Herausgeber Christliche Medieninitiative pro e.V. Lesertelefon (0 64 41) 5 66 77 77 | Adressverwaltung (0 64 41) 5 66 77 52 Charlotte-Bamberg-Straße 2 | 35578 Wetzlar Anzeigen Telefon (0 64 41) 5 66 77 67 | anzeigen@pro-medienmagazin.de Telefon (0 64 41) 5 66 77 00 | Telefax (0 64 41) 5 66 77 33 Internet www.pro-medienmagazin.de Vorsitzender Michael Voß Satz/Layout Christliche Medieninitiative pro e.V. Geschäftsführer Christoph Irion (V.i.S.d.P.) Druck Bonifatius GmbH Druck - Buch - Verlag, Paderborn Redaktion Dr. Johannes Blöcher-Weil, Nicolai Franz (Redaktionsleiter Digital), Bankverbindung Volksbank Mittelhessen eG Elisabeth Hausen, Norbert Schäfer, Martin Schlorke, Jörn Schumacher, IBAN DE73 5139 0000 0040 9832 01, BIC VBMHDE5F Jonathan Steinert (Redaktionsleiter Print), Swanhild Zacharias Beilage Israelnetz Magazin (16 Seiten) E-Mail info@pro-medienmagazin.de Titelfoto Engin Akyurt 3 | 2020 pro | Christliches Medienmagazin 3
MELDUNGEN pro mit neuer Doppelspitze Die Redaktion des Christlichen Medienmagazins pro wird seit Juni von einer Doppel- spitze geleitet. Neuer Redaktionsleiter Print ist Jonathan Steinert. Nicolai Franz über- nimmt die Position als Redaktionsleiter Digital. Gemeinsam leiten sie das crossmedial arbeitende Redaktionsteam in Wetzlar und Berlin. In ihren jeweiligen Schwerpunkt- bereichen verantworten sie die aktuelle Medienproduktion und arbeiten an der Wei- terentwicklung der Produkte. Steinert und Franz übernehmen die Redaktionsleitung von Stefanie Ramsperger, die seit 2013 an der Spitze der pro-Redaktion stand und die Christliche Medieninitiative pro auf eigenen Wunsch zum 31. Mai 2020 verlassen hat. Jonathan Steinert (geboren 1985) studierte in Jena Medienwissenschaft, Soziologie und Foto:pro Germanistische Sprachwissenschaft, Nicolai Franz (geboren 1987) studierte in Gießen (FTH) Theologie. Beide volontierten bei der Christlichen Medieninitiative pro und wa- Jonathan Steinert und Nicolai Franz leiten die ren anschließend als Redakteure tätig. „Die neue Doppelspitze des Christlichen Me- Redaktion des Christlichen Medienmagazins pro (v.l.) dienmagazins pro ermöglicht eine noch bessere strategische Positionierung und Wei- terentwicklung unserer journalistischen Angebote auf verschiedenen Publikations- plattformen“, sagte Christoph Irion, Geschäftsführer der Christlichen Medieninitiati- ve pro. „Der Werdegang unseres neuen Führungs-Duos belegt zugleich die Professio- nalität der ausgezeichneten journalistischen Nachwuchsförderung, die unser Haus in Jahrzehnten erfolgreich etabliert hat.“ Der Vorgängerin im Amt der Redaktionsleitung dankte Irion für die erfolgreiche Zusammenarbeit. 20 prozent der Wahlberechtigten in Deutschland meinen, dass „Politik und Medien die Gefährlichkeit des Coronavirus ganz bewusst übertrei- ben, um die Öffentlichkeit zu täuschen“. Das zeigt eine repräsenta- tive Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des NDR-Medienmaga- zins „Zapp“ von Ende Mai. Der Täuschungsthese stimmen demnach besonders viele AfD-Anhänger zu (54 Prozent) sowie Personen, die Social-Media-Plattformen aktiv nutzen (31 Prozent). Für die Studie wurden im Mai 1.012 Wahlberechtigte ab 18 Jahren befragt. Davon halten gut zwei Drittel die öffentlich-rechtlichen Medien in der Be- richterstattung über Corona für glaubwürdig, 42 Prozent sagen das über die Printmedien, knapp ein Viertel über den privaten Rundfunk. Sieben Prozent der Befragten halten Informationen auf Social-Media- Plattformen für glaubwürdig. Am aktivsten teilen laut der Studie AfD- Anhänger Social-Media-Posts zum Thema Corona (19 Prozent), selten aktiv sind Anhänger der Grünen (3 Prozent). | norbert schäfer 4 pro | Christliches Medienmagazin 3 | 2020
MELDUNGEN Drei Fragen an ... ... Christoph Waffenschmidt, den Vorstandsvorsitzenden des christlichen Kinderhilfs werkes World Vision. pro: Seit Monaten hält die Corona-Krise die Welt in Atem. Ist Licht am Ende des Tunnels zu erkennen? Christoph Waffenschmidt: Das kann man noch nicht sagen. Während in Deutschland bereits viele Lockerungen umgesetzt werden, ist eine solche positive Entwicklung in vielen Regionen der Welt noch nicht zu erkennen. Gerade auf dem afrikanischen Kontinent sind viele Gesund heitssysteme sehr schwach entwickelt. Wenn dort der Ausbruch des Virus nicht in den Griff Foto: World Vision bekommen wird, werden viele Menschen sterben. In Deutschland gefährdet das Virus nicht nur unsere Gesundheit, sondern belastet auch die Wirtschaft. Was bedeuten diese Begleiterscheinungen für ärmere Länder? Ein großer Faktor sind natürlich wirtschaftliche Folgen. Vielfach gibt es keine soziale Ab sicherung durch den Staat. Für viele Menschen in diesen Ländern stellt sich daher die Fra Christoph Waffenschmidt, Vor- standsvorsitzender von World ge: Gesundheitlicher Schutz und Einkommensverzicht oder eine Ansteckung in Kauf neh Vision. Das Kinderhilfswerk will men, dafür aber Essen auf dem Tisch haben? Das ist nicht nur eine Einschränkung des Wohl mit 350 Millionen Dollar gegen stands, sondern eine existentielle Bedrohung durch Armut. Auch im Bildungsbereich kön die Auswirkungen der Corona- nen die Folgen verheerend sein. Unterrichtsausfall kann viele Kinder von der Bildung ab Pandemie kämpfen. schneiden. Befürchten Sie, dass ärmere Länder sich einen möglichen Impfstoff nicht leisten können oder sich bei der Verteilung hintenanstellen müssen? Die Pandemie ist eine globale Herausforderung. Daher hoffe ich, dass es auch eine globale Solidarität geben wird. Das ist eine klare Forderung von uns. Der Impfstoff muss der gesam ten Menschheit zur Verfügung gestellt werden. Vielen Dank für das Gespräch! | die fragen stellte martin schlorke Gerichte dürfen Glaubenstiefe von Konvertiten prüfen Verwaltungsgerichte dürfen überprüfen, wie intensiv ein zum Christentum konver tierter Asylbewerber seinen Glauben lebt, und darauf ihr Urteil gründen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht im Mai. Ein iranischer Asylbewerber hatte Beschwer de gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Baden-Württemberg eingelegt. Das erkannte ihm 2015 keinen Anspruch auf Asyl zu. Es hatte Zweifel, dass seine Taufe in Deutschland wirklich zu einer Einstellungsänderung geführt habe. Das Bundesver fassungsgericht hat daran nichts auszusetzen: Die Gerichte müssten davon überzeugt sein, dass der Konvertit in seiner Heimat wegen des Religionswechsels so stark verfolgt und eingeschränkt werde, dass es seine religiöse Identität beeinflusse. Das zu überprü Foto: succo fen, sei die Aufgabe der Richter. Ihre Entscheidung darüber, ob jemand aufgrund dro hender religiöser Verfolgung Asyl erhält, müsse „auf einer hinreichend verlässlichen und auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen“, heißt Gerichte dürfen nicht die Taufe eines Konvertiten infragestellen. es in der Begründung. Dabei müssten die Richter auch „Rückschlüsse auf die innere Die Ernsthaftigkeit des Glaubens Einstellung“ des Asylbewerbers ziehen – eine Taufurkunde vorzulegen reicht demnach aber schon, entschied das Bun- nicht aus. | jonathan steinert desverfassungsgericht. 3 | 2020 pro | Christliches Medienmagazin 5
POLITIK So viele Stimmen Anfangs trugen die Menschen in Deutschland die Corona-Maßnahmen noch mit. Doch nach einigen Wochen stieg der Unmut. Kritiker meldeten sich zu Wort, die Bandbreite reicht von begründeten Zweifeln bis hin zu wildesten Verschwörungs- theorien. Auch Christen sind vor solchen Spekulationen nicht gefeit. Ein gläubi- ger Mikrobiologe mahnt: Selbst wenn die Seuche ein Zeichen der Endzeit wäre, sollten Christen sich umso mehr einsetzen, um Leid zu lindern. | von nicolai franz, norbert schäfer und martin schlorke D er Messias wird bald wiederkommen, um die Rothschild- reichs, die sich vom „Merkel-Regime“ bedroht fühlen und sich Familie zu vernichten.“ Dieser Satz stammt nicht etwa die „alten Zeiten“ zurückwünschen. Ein anderer Mann berich- von einem antisemitischen Pamphlet der 1940er Jah- tet von einem italienischen Freund, der ihm versichert habe, re, sondern fällt Ende Mai auf einer der vielen Anti-Corona- dass viele der Schreckensbilder aus Italien mit massenweisen Demonstrationen in Berlin – von einem iranischen Christen, Särgen nur gestellt seien. Der Lockdown in Deutschland beruhe wie der Mann selbst angibt. Nachdem er sich prominent vor den daher auf Lügen. Wie könne er da noch der Regierung oder In- Reichstag gestellt hat, beginnt er zu sprechen und hat schnell stitutionen vertrauen, fragt er. Er fordert handfeste Beweise der die Aufmerksamkeit einiger Leute auf sich gezogen. Vornehm- Regierung, die die starken Einschränkungen rechtfertigen. Das lich Journalisten drängen sich um den glatzköpfigen Mann mit sei die Politik den Menschen schuldig. Direkt daneben versucht der gelben Sicherheitsweste. In einigem Abstand treten andere eine Kollegin von Welt TV ein Interview mit einer Demonstran- Demonstranten an die Menschentraube heran. Beamte der Poli- tin zu führen. Doch auf jede ihrer Fragen antwortet diese in An- zei nähern sich nun ebenfalls dem Geschehen und erinnern die spielung auf den Mund-Nase-Schutz der Journalistin: „Ich ver- Presseleute daran, dass auch für sie der Mindestabstand von 1,5 stehe Sie nicht, Sie haben da etwas im Gesicht.“ Zum Zynismus Metern gilt. Es gibt daraufhin Applaus für die Polizei. greifen die Menschen meist erst dann, wenn sie jede Hoffnung auf eine echte Debatte aufgegeben haben. Bei etlichen Corona- Demos für das Grundgesetz Kritikern ist das längst der Fall. Und es gibt Demonstranten wie den Iraner. Er scheint nun Es ist eine mittlerweile fast typische Szene für einen Samstag richtig in Fahrt gekommen zu sein. Erzählt, wie der Bankier nachmittag in Berlin und anderen Städten der Republik. Im Rothschild das Grundgesetz diktiert habe und die deutsche Po- gesamten Zentrum der Hauptstadt finden kleine Demonstrati- litik bis heute lenke. Die Ideen dafür kämen aus den Synagogen. onen statt – die Polizei zählt mehr als 30 angemeldete Kundge- Keiner könne prüfen, was in den jüdischen Gotteshäusern ge- bungen. Hinzu kommen weitere, nicht genehmigte Veranstal- predigt werde, weil der Eintritt nur nach Sicherheitscheck mög- tungen, die schnell von der Polizei aufgelöst werden. Eine sol- lich sei. Menschen wie ihm sei es daher fast unmöglich Beweise che formiert sich an der Siegessäule. Von dort wollen die De- zu sammeln. Vor Wut beginnt er nun, das Grundgesetz zu zerrei- monstranten ans Brandenburger Tor oder zum Reichstag zie- ßen. Als einer der anderen Demonstranten ihn auffordert, in ei- hen und für das Grundgesetz demonstrieren. Keiner scheint nen symbolischen Akt den Reichstag zu stürmen und der Iraner aber das genaue Ziel mit Gewissheit zu kennen. Das liege daran, daraufhin über die Absperrung klettert, greift die Polizei ein, dass die Kommunikation über den Messenger Telegram nicht nimmt den Mann fest und löst die Demonstration auf. gut funktioniere, beschwert sich ein älterer Mann. „Auf die mo- derne Technik kann man sich nicht verlassen.“ Aber auch das Die Krise verschärft soziale Unterschiede genaue Ziel des Demonstrationszugs hätte den versammelten Menschen wohl nichts gebracht. Die Polizei ist bereits frühzei- Wie konnte es so weit kommen? Zum Anfang der Pandemie tra- tig vor Ort und verhindert den Aufmarsch. Einige nutzen die Si- fen die Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen noch tuation, um mit den Beamten über das Coronavirus und mög- auf große Zustimmung in der Bevölkerung. Großveranstal- liche Verletzungen der Grundrechte zu diskutieren. tungen wurden abgesagt, Grenzen geschlossen, auch Gottes- Die Motive der Demonstranten scheinen vielfältig zu sein. Da dienste fielen aus. Mit dem Beginn des Lockdowns änderte sich gibt es einige mit der schwarz-weiß-roten Flagge des Kaiser- die Lage. Familien sahen sich plötzlich Vielfachbelastungen 6 pro | Christliches Medienmagazin 3 | 2020
POLITIK Manche finden die Maßnahmen überzogen und üben legitime Kritik, andere hängen sogar Verschwörungs- theorien an: Demonstranten auf einer „Corona-Demo“ in Berlin Fotos: pro/Martin Schlorke 3 | 2020
POLITIK ausgesetzt: Berufstätige Eltern jonglierten fortan zwischen stand zu verändern, auch wenn das nicht auf die große Mehr- Homeoffice, Homeschooling, Home-Kita. Pädadogen warnten heit zutrifft. Laut einer Civey-Umfrage Mitte Mai zeigten 70 Pro- mit jeder Woche des Lockdowns stärker davor, dass gerade Kin- zent der Befragten kein Verständnis für die Corona-Proteste auf der aus bildungsfernen Schichten abgehängt werden. Auch den Straßen. Solo-Selbstständige traf die Krise hart. Herrschte anfangs noch Anderen ist der Geduldsfaden gerissen. „Widerstand 2020“ Freude über unbürokratische Soforthilfen, machte sich schnell heißt eine politische Bewegung des HNO-Arztes Bodo Schiff- Ernüchterung breit: Manche Hilfen müssen zurückgezahlt wer- mann, der eigentlich eine Schwindelambulanz leitet. Mittler- den – aber wovon denn, wenn sich die Einnahmen über Monate weile hat er sich zum Wortführer überzeugter Corona-Kritiker auf exakt null Euro belaufen? gemausert. Zwar hat er die Maßnahmen bis Mitte März noch Gleichzeitig gab es in Deutschland keine Bilder von über- mitgetragen. Seither beschreiten die Regierungen seiner Mei- füllten Krankenhäusern, Massen an Särgen und provisorisch nung nach aber einen Irrweg. Eine Sars-CoV2-Erkrankung sei eingerichteten Lazaretten wie in anderen Ländern. Waren die kaum schlimmer als eine Grippe, ist er überzeugt. Maßnahmen also übertrieben? Der britische Epidemiologe Ge- offrey Rose sprach in den 1980er Jahren von einem „Präventi- Dem Virologen platzt der Kragen onsparadox“: Wenn notwendige medizinische Maßnahmen für die Bevölkerung insgesamt einen hohen Nutzen bringen, merkt Schiffmanns Ansichten speisen sich aus einer Mischung an öf- der Einzelne oft sehr wenig davon. Auf die Pandemie bezogen fentlich einsehbaren Fakten und eher eigenwilligen Interpreta- bedeutet das: Auch wenn alle Maßnahmen nötig waren, um das tionen derselben. Führende Virologen und Epidemiologen wi- Gesundheitssystem nicht zu überlasten und viele Menschenle- dersprechen Schiffmanns Einschätzung. Obwohl er kein Virus- ben zu retten, könnten viele Bürger trotzdem das Gefühl haben, Experte ist, geht er keiner Auseinandersetzung aus dem Weg, einen zu hohen Preis gezahlt zu haben. diskutierte sogar gelassen im Radio mit dem Virologen Martin Acht Wochen Lockdown haben genügt, um die Stimmung in Stürmer. Als Schiffmann im Radio-Streitgespräch zu Protokoll Teilen der Bevölkerung von Verständnis auf radikalen Wider- gab, es würden nun ja alle „eingesperrt“, nur um alte oder be- sonders gefährdete Menschen zu schützen, platzte dem Virolo- gen Stürmer der Kragen. Es gebe schon jetzt viele Berichte darü- ber, dass Covid-19 auch bei jungen, gesunden Menschen meh- rere Organe angreift. „Und das Ganze jetzt so zu verharmlosen, Kritik Ja, ist meiner Meinung nach eigentlich skandalös und für einen Verschwörungstheorien Nein Arzt eigentlich auch nicht tragbar.“ Nach Stürmers Ansicht – die derjenigen fast aller führenden Virologen entspricht – ist ein kommentar das Virus deutlich gefährlicher als die saisonale Grippe. Das er- von nicolai franz gebe sich aus der sogenannten Übersterblichkeit, die man im Moment noch nicht mal vollständig beziffern könne. Für Schiff- mann eine Steilvorlage: „Ich beziehe mich nicht auf Glaubens- Seit der Corona-Krise sind immer mehr Prominente, wenn fragen, weil das Einzige, was ich glaube, ist, dass ich Christ auch in unterschiedlicher Abstufung, auf den Verschwö- bin.“ Schiffmanns geschliffene Rhetorik hat ihm auf YouTu- rungszug aufgesprungen. Auch der Sänger Xavier Naidoo be ein Millionenpublikum beschert, auch wenn er im akade- fährt fröhlich mit. Er glaubt mittlerweile nicht nur, dass mischen Diskurs kaum eine Rolle spielt. unsere Politiker die Marionetten eines machtlüsternen Natürlich sind nicht alle Kritiker Verschwörungstheoretiker. Bill Gates sind, sondern sogar, dass die Erde flach ist. Und doch gibt es sie: Eine Minderheit, die grundsätzlich allen Die Denke hinter solchen Theorien ist immer dieselbe: offiziellen Verlautbarungen misstraut, der kein Verdacht zu ab- Steckt dahinter nicht vielleicht doch etwas sehr viel Grö- surd ist, solange er von einem vermeintlich „unabhängigen“ ßeres, was uns die Mächtigen verschweigen? Bemerkens- Akteur auf YouTube oder anderen Seiten kommt. Menschen wie wert: Jede Verschwörungserzählung enthält auch Fakten. der Vegan-Koch Attila Hildmann, eine der lautesten Stimmen Diese mischen sich jedoch in einen giftigen Cocktail aus auf der Straße und im Netz, glauben, dass Bill Gates und andere Halbwahrheiten, Spekulationen und blanken Lügen. Auch Eliten globale, satanistische Pädophilen-Netzwerke betreiben, Christen sind vor Verschwörungstheorien nicht gefeit. Die die nun die Welt zwangsimpfen wollen, um per implantiertem Bibel wendet sich gegen Sensationslust und den Rausch Mikrochip die gesamte Menschheit einer neuen Weltordnung zu am Mysteriösen. Im 1. Petrusbrief heißt es: „Darum um- unterjochen. Solche Fantastereien machen sich auch in man- gürtet eure Lenden und stärkt euren Verstand, seid nüch- chen christlichen Kreisen breit und mischen sich in endzeit- tern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch liche Deutungen. Manche fragen: Ist dieser dubiose Chip viel- dargeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi.“ Christen leicht das „Zeichen des Tieres“ aus Offenbarung 13? sind der Wahrheit verpflichtet. Doch es wäre viel zu ein- Eine große Mehrheit der Bevölkerung und der Öffentlich- fach, jede Kritik gleich als Verschwörungstheorie und Fake keit schenkt vor allem etablierten Fachleuten großes Vertrau- News abzutun. Kritik ist notwendig, gerade wenn sie nicht en. Doch auch diese hehre Haltung treibt bisweilen besonde- gerne gehört wird. Das muss auch in Corona-Zeiten gelten. re Blüten. Um den Virologen Christian Drosten von der Berliner Vor wilden Spekulationen sollten sich aber gerade Chris- Charité hat sich mittlerweile ein Starkult gebildet, der kaum ab- ten hüten. weichende Meinungen zulässt. Seit Beginn der Krise bekommt Drosten mehrmals wöchentlich ausgiebige Sendezeit im NDR- 8 pro | Christliches Medienmagazin 3 | 2020
POLITIK Podcast „Coronavirus-Update“. Dort erklärt er redegewandt die Politiker haben es in diesen Tagen alles andere als leicht. Sie neuesten Entwicklungen, beantwortet Hörerfragen – all das mit müssen sich auf Wissenschaftler verlassen, aber auch andere der vorsichtigen Zurückhaltung eines seriösen Wissenschaft- Interessen abwägen. Einen wochenlangen akademischen Dis- lers, der auch bereit ist, die eigenen Ansichten zu korrigieren. kurs können sie sich nicht leisten. Hinzu kommt ein Nachteil Der Podcast wird auch in anderen Sendeanstalten ausgestrahlt. des Föderalismus: Anstatt sich auf eine bundesweite Linie zu Auf HR-Info etwa wird Drosten Folge für Folge als „Deutsch- einigen wie am Anfang der Pandemie, kocht jedes Bundesland lands bekanntester Virologe“ anmoderiert. Dass Drosten seine sein eigenes Süppchen. Während in Bayern noch strenge Regeln Meinung mehrfach änderte, etwa bei der Maskenpflicht oder gelten, schafft Thüringen viele davon ab. Das Länder-Kleinklein der Sinnhaftigkeit von Schulschließungen, nahmen viele Me- führt zu einem Regel-Wirrwarr, mit dem mancher überfordert dien eher unkritisch zur Kenntnis. Drosten, der auch die Bun- ist: Darf ich mich nun mit zwei oder zehn Personen treffen? Ist desregierung berät, hat durch seine mediale Präsenz einen Ein- ein Hauskreis eine religiöse Veranstaltung, zu der ich mich mit fluss gewonnen, der seinesgleichen sucht – und der ihm selbst mehreren Freunden treffen darf, die nicht zu meinem Haushalt zuwider sein dürfte. Immer wieder betont Drosten, wie wichtig gehören? der Diskurs ist. Der Mikrobiologe, selbst gläubig, wird manchmal von Chris- Abweichende Meinungen finden in der öffentlichen Debatte ten gefragt, ob die Corona-Krise eine Seuche der Endzeit ist, wie zwar auch Gehör, haben es aber eher schwer. Der Bonner Vi- sie in der Offenbarung erwähnt werden. „Das würde ich eher rologe Hendrik Streeck etwa sah sich einer Fülle an Kritik aus- verneinen, aber ich weiß es letztlich nicht. Es gab in der Ge- gesetzt, als er Bedenken gegenüber den aktuellen Maßnah- schichte viel schlimmere Pandemien: die Pestwellen im Mittel- men äußerte und dies mit einer Studie aus dem Corona-Hotspot alter, die Spanische Grippe 1918 mit 20 bis 50 Millionen Toten.“ Heinsberg untermauerte. In Fachkreisen sind solche Debatten Vielleicht komme Deutschland mit einem blauen Auge davon. erwünscht und normal. In der Medienöffentlichkeit führen sie „Gott helfe uns, dass wir daraus nicht nur epidemiologisch, zu Zuspitzungen, die oft auf die Frage hinauslaufen: „Sind Sie sondern auch geistlich lernen.“ dafür oder dagegen?“ Dass Streeck und Drosten als Antipoden Für Scherer ist es für das Verhalten der Menschen heute aber aufgebaut wurden, hat die Debatte jedenfalls nicht unbedingt auch nicht relevant, ob man die Pandemie als Zeichen der End- beflügelt, obwohl beide Wissenschaftler einander als Fachkol- zeit deutet. „Ich glaube und hoffe, dass Jesus bald wieder- legen schätzen. Noch deutlicher wurde das Problem, als die kommt. Wir wissen aus dem Neuen Testament, dass das mit Bild-Zeitung kritische Anmerkungen von Wissenschaftlern zu äußeren Zeichen verbunden sein wird. Jesus sagt: Achtet auf einer Drosten-Studie zur Infektiösität von Kindern zitierte, um diese Zeichen der Zeit. Er sagt aber auch, dass wir nicht genau daraus abzuleiten, die Studie sei „grob falsch“. Die von Bild ge- wissen, wann diese Zeit kommt.“ Es gebe für Christen keinen nannten Wissenschaftler distanzierten sich von dieser Verein- Grund, Angst zu haben, denn Gott sitze weiter im Regiment. nahmung. „Und: Nirgends lese ich in der Schrift, dass wir dann die Hände Siegfried Scherer wünscht sich eine offenere Debatte. Der Mi- in den Schoß legen sollten. Selbst wenn wir im allerletzten Teil krobiologe ist seit fast dreißig Jahren Professor an der Tech- der Endzeit leben sollten, wäre es für uns Christen alternativlos, nischen Universität München. Als einziger Wissenschaftler das Leid so stark wie möglich zu lindern.“ wurde er zweimal – 2005 und 2016 – mit dem renommierten Otto-von-Guericke-Forschungspreis ausgezeichnet. Im pro- Interview moniert er, dass abweichende Meinungen in den Me- dien vorschnell abgetan würden. „Verrückten Verschwörungs- theoretikern sollte am besten keiner zuhören“, sagt Scherer. „Allerdings: Unterschiedliche Standpunkte sind im Wissen- schaftsbetrieb völlig normal. Je weniger wir über einen Sach- verhalt wissen, desto kontroverser geht es in der Wissenschaft zu.“ Sars-CoV2 sei hoch ansteckend, bei Risikogruppen gebe es eine hohe Sterblichkeit. Jedoch sei immer noch nicht klar, wel- che Maßnahmen wie effektiv gewesen seien, um das Virus ein- zudämmen. Die Politik solle dies ehrlich benennen und sich bei Bedarf korrigieren. Ein Beispiel für eine solche Korrektur war das Tragen von Schutzmasken. Anfangs hieß es, Mund-Nasen- Masken seien unwirksam und somit unnötig. Dann folgte die Rolle rückwärts, bundesweit galt plötzlich eine solche Masken- pflicht. Scherer: „Die Verantwortlichen hätten meines Erach- tens sagen können: Wir haben leider versäumt, Schutzmasken Siegfried Scherer, 65, ist seit 1991 Fotos: Andreas Heddergott / TUM zu bevorraten, und jetzt haben wir keine, aber zum Schutz an- Professor für Mikrobiologie an der derer hilft es sehr, wenn ihr wenigstens selbstgenähte Mund- Technischen Universität München. Nase-Bedeckungen tragt.“ Dieser Kommunikationsfehler hat Lesen Sie ein ausführliches Inter- weitreichende Folgen. Bis heute denken viele Menschen, sol- view mit dem gläubigen Wissen- che einfachen Masken seien überflüssig. „Natürlich war deren schaftler unter: Fremdnutzen von Anfang an klar, das weiß jeder Chirurg“, kom- bit.ly/InterviewSiegfriedScherer mentiert Scherer. 3 | 2020
POLITIK Der Theologe Kai Funkschmidt beschäftigt sich beruflich mit dem Entstehen und der Wirkung von Verschwörungs theorien. Sie helfen manchen dabei, Ordnung in eine un übersichtliche Lage zu brin gen, erklärt er im Gespräch mit pro. | die fragen stellte norbert schäfer pro: Herr Funkschmidt, was ist per De finition eine Verschwörungstheorie? Kai Funkschmidt: Ich würde eine Ver- schwörungstheorie definieren als eine An- nahme, dass ein bestimmtes Ereignis oder bestimmte Entwicklungen zurückzufüh- ren sind auf das verborgene, zielgerichte- te und mit negativen Absichten versehene Handeln von Einzelpersonen oder klei- nen Gruppen von Verschwörern. Wenn bei einem Menschen im Grunde die gan- ze Weltsicht darin besteht, dass er überall Verschwörungen wittert, spricht man von Verschwörungsmythen oder -ideologien. Das beobachten wir momentan im Zu- sammenhang mit der Corona-Pandemie. Im Grunde sehen manche Menschen nur noch eine Realität, die Fassade zu sein scheint, hinter der sich in Wirklichkeit et- was völlig anderes verbirgt. Warum greifen in Krisensituationen – wie jetzt mit dem Coronavirus – Ver schwörungstheorien besonders stark „Verschwörungstheorien um sich? Verschwörungstheorien sind im Grun- sind eine humane de eine humane Konstante. Daher ist das jetzt gar nicht ungewöhnlich. Krisen sind ein guter Nährboden dafür, denn Konstante.“ eine Neigung zu verschwörungsideolo- gischem Denken wird durch Verunsiche- rung von Menschen erleichtert. Das ha- ben psychologische Versuche nachge- wiesen. Menschen, die das Gefühl haben, sie verstehen die Welt nicht mehr, viele Dinge geraten plötzlich auf unerklärliche Weise außer Kontrolle, versuchen, Ord- nung ins Chaos zu bringen. Alle Men- schen sind darauf angelegt, Ordnung zu suchen. Wenn sie besonders verunsichert sind, kann das dazu führen, dass sie eine Ordnung finden, die gar nicht vorhan- Foto: Engin Akyurt den ist – eine Verschwörungstheorie. Es gibt eine große Epidemie, die trifft über- wiegend Alte, manchmal Junge, ein Land mehr als ein anderes. Wir wissen nicht, 10 pro | Christliches Medienmagazin 3 | 2020
POLITIK woher sie kommt – das kann doch alles Ich würde zum Beispiel fragen: Ange- tranten vortrugen und sagten: „Wir den- gar nicht unerklärlich sein! Ich möch- nommen, ich habe recht – gibt es irgend- ken, dass die Maßnahmen, die jetzt ge- te eine Erklärung haben für meine Unsi- einen Beweis, den du gelten lassen wür- troffen werden, schlimmer sind, als die cherheit. Und dann kommt eine Idee: Ja, dest, um dir zu zeigen, dass du Unrecht Krankheit sein könnte.“ Verschwörungs- dahinter stecken Menschen, die haben hast? Denn: Es ist eines der Grundmerk- theorien sind keinem politischen Lager das ausgelöst. Das ist die Erklärung. Das male von Verschwörungstheorien, dass zuzuordnen. Das wissen wir aus wissen- gibt Sicherheit. man sie nicht widerlegen kann; alle Ge- schaftlichen Untersuchungen zuhauf. Wie empfänglich sind Christen für Ver- genargumente taugen nur zur Unterstüt- Dass manche Medien das so beschreiben, schwörungsmythen? zung der Theorie, weil sie die besondere als würde eine Querfront von Verschwö- Es gibt keine Untersuchungen, die zei- Perfidie und Geschicklichkeit der angeb- rungstheoretikern von links bis rechts, gen, dass Christen weniger anfällig wä- lichen Verschwörer bestätigen. und in der Mitte die Impfgegner, entste- ren für so etwas. Die Intuition würde Dann könnte man einwenden: Wenn hen und die stünden kurz vor der Macht- mir sagen, dass ein Christ sich nicht so das Ganze so geheim ist, wieso weißt du übernahme, macht dieses Phänomen verunsichern lässt, dass er nach jedem das? Komische Verschwörungstheorie, größer, als es ist. Die Berichterstattung Strohhalm einer Erklärung greift, auch wenn jeder Wichtel im Internet darüber klingt manchmal selbst ein bisschen ver- wenn es ein völlig absurder wie eine Ver- schreiben kann. Da hat die Verschwö- schwörungstheoretisch. schwörungsideologie ist. Ein Christ sollte rung offensichtlich nicht geklappt. Oder Was vermissen Sie in der Berichterstat- mit der Unverfügbarkeit des Daseins um- wenn die Sache so mächtig ist, wie du tung? gehen können und wissen, dass Gottes dir das vorstellst, wenn das Weltjuden- Mir fehlt etwas Besonnenheit, das einzu- Wege nicht immer erforschlich sind. Ein tum da im Regiment sitzt und alle Strip- ordnen. Nicht jeder, der eine verrückte Christ weiß, dass sogar dem Gerechten, pen zieht, warum erlauben es dir die Ver- Theorie mal erwägt oder vielleicht auch wie es im Buch Hiob steht, großes Un- schwörer, davon zu erzählen? vertritt, ist deswegen gleich durch und heil widerfahren kann. Er müsste dafür Haben Sie in der Corona-Krise Äuße- durch verschwörungsideologisch unter- nicht Verschwörungen von Bill Gates bis rungen bemerkt, bei denen Sie inner- wegs. Ich erlebe, dass Menschen selbst- zu den Freimaurern oder den Juden ver- lich zusammengezuckt sind im Sinne verständlich auch mit für mich nicht antwortlich machen. von: Oh, damit werden jetzt die Ver- nachvollziehbaren oder nicht naturwis- Hängen Christen nicht ohnehin Ver- schwörungstheoretiker auf den Plan senschaftlichen Theorien ein normales schwörungsmythen an? Wer an gerufen? Leben führen können. die Auferstehung der Toten glaubt, So ein knalliges Zitat nicht. Ich habe aber Abraham Lincoln hat geglaubt, es gebe das ewige Leben oder gar an die in der Tat den Eindruck, dass das poli- eine Verschwörung der südlichen Skla- Jungfrauengeburt, der ist im 21. Jahr- tische Handeln die Sache teils eher befeu- venhalter, die Sklaverei in den ganzen hundert nicht mehr im Zentrum des ert oder ihr jedenfalls nicht gerade entge- USA einzuführen. Die hat es nachweis- wissenschaftlichen Mainstreams. gengewirkt hat. Verschwörungstheorien lich nie gegeben. Deswegen war er trotz- Der Glaube sieht keine Verschwörung in entstehen dann, wenn Menschen miss- dem funktionsfähig und ein guter Prä- dem Sinne, dass ich geheime Motive hin- trauisch sind und das Gefühl haben, es sident. Man muss sich davor hüten, ei- ter weltlichen Dingen vermute. Er ist eher wird nicht wirklich alles ausgesprochen. nen Verschwörungstheoretiker als eine das Gegenteil von Verschwörungsden- In jeder Situation der Demokratie gibt es grundsätzlich andere Art Mensch zu be- ken. Denn dieses beruht auf Misstrauen. Leute, die sind anderer Meinung. Wenn trachten. Christlicher Glaube beruht auf Vertrauen allerdings jemand versucht, eine Diskus- Vielen Dank für das Gespräch! zu Gott. Ja, Glaubensinhalte wie die Auf- sion mit Begriffen wie „alternativlose Po- erstehung oder auch der Wunderglau- litik“ oder „Öffnungsdiskussionsorgien“ be, überhaupt der Gottesglaube als sol- zu unterbinden, versucht er, Meinungen cher, sind im Grunde nicht mit der ratio- zu delegitimieren. Es ist eigentlich nie et- nalen Vernunft der Aufklärung begründ- was alternativlos, ganze Länder haben bar. Der Glaube tritt aus sich heraus. Aber in dieser Krise Alternativen gezeigt. So Gläubige behaupten nicht, dass wir eine zu reden, ist undemokratisch, und das geheime Erklärung für die Dinge haben. fördert das Gefühl der Menschen: Mei- Es gibt Christen, die sagen, das, was jetzt ne Stimme kommt gar nicht vor, ich habe passiert, ist eine Heimsuchung Gottes. keine Kontrolle, ich werde entmündigt, Als Glaubensaussage kann man das auch und dann werde ich auch noch zum Idi- akzeptieren, wenn nicht derjenige, der oten erklärt. diesen Glauben hat, das mit der Haltung Wie nehmen Sie das Thema derzeit in Kai Funkschmidt, Jahrgang 1963, ist äußert: „Da habt ihr es. Ich habe es ja ge- den Medien wahr? theologischer Referent bei der Evan- sagt, ihr seid selber schuld.“ Wer so eine Auch in der medialen Rezeption ist gelischen Zentralstelle für Weltan- Foto: Volker Lubinetzki Theologie vertritt, ist zumindest gut bera- manches wirklich abgedreht. Die Ver- schauungsfragen für die Bereiche ten, sich in das Schuldbekenntnis selbst schwörungstheoretiker sind ja nicht die Esoterik, Okkultismus, Mormonen mit hineinzunehmen. einzigen, die demonstrieren. Das waren und Apostolische Gemeinschaften Was würden Sie Verfechtern einer Ver- auch nicht die ersten. Am Anfang wa- im europäischen Kontext. schwörungstheorie entgegenhalten? ren es politische Anliegen, die Demons- 3 | 2020 pro | Christliches Medienmagazin 11
POLITIK „Politik ist für viele an die Stelle der Religion getreten“ Mit einem Editorial im evangelikalen Magazin Christianity Today mischte Mark Galli im Dezem- ber die konservative christliche Welt in den USA auf: Er forderte die Amtsenthebung von US- Präsident Donald Trump. Dass manche Evangelikale Trump geradezu als Erlöser sehen, ist für den Journalisten und Theologen ein Zeichen für die Krise der Bewegung. Das eigentliche Problem liege aber tiefer: Die Evangelikalen hätten Gott vergessen. | von jonathan steinert M ark Galli ist einer, der die evangelikale Szene in den missbrauchs. „Dass er aus seinem Amt entfernt werden sollte, Vereinigten Staaten kennt. 20 Jahre lang war er für das ist, so glauben wir, keine Frage von parteiischer Loyalität, son- evangelikale Magazin Christianity Today tätig, die letz- dern der Loyalität gegenüber dem Urheber der Zehn Gebote“, ten sieben als Chefredakteur. Nach eigenen Angaben erreicht schrieb Galli. „Bedenkt, wie eure Rechtfertigung Mr. Trumps das Magazin monatlich 4,3 Millionen Menschen online, eine euer Zeugnis von eurem Herrn und Erlöser beeinflusst“, er- halbe Million lesen die Printausgabe. Gegründet hat es 1956 der mahnte er die evangelikalen Unterstützer des Präsidenten, und Evangelist Billy Graham. Bevor Galli in den Journalismus ging, fragte, ob Christen ernsthaft Abtreibung als das größte, nicht war er Pastor, studiert hat er am evangelikalen Fuller Theologi- zu tolerierende Übel ansehen und gleichzeitig den „gebeugten cal Seminary in Los Angeles. Seit Januar ist er im Ruhestand – und gebrochenen Charakter des Anführers der Nation“ herun- „nicht wegen des Editorials“, betont er gleich zu Beginn des Ge- terspielen könnten. Der Artikel war ein Paukenschlag. An be- sprächs mit pro und lacht dabei. Der Ruhestand sei schon län- sonders erfolgreichen Tagen sind drei- bis viertausend Leser ger im Voraus geplant gewesen, schiebt der 68-Jährige hinter- gleichzeitig auf der Nachrichtenwebsite, sagt Galli. Doch nach- her. dem dieser Text online ging, brach die Seite zusammen: Rund Bei „dem Editorial“ handelt es sich um einen Leitartikel, den 15.000 Nutzer wollten den Artikel gleichzeitig lesen, berichtet Galli im Dezember 2019 auf der Website von Christianity To- Galli. Säkulare Medien in den USA berichteten über den Artikel, day veröffentlichte. Darin unterstützte er das Amtsenthebungs- auch deutsche Medien wie Zeit Online oder Deutschlandfunk. verfahren gegen US-Präsident Donald Trump wegen Macht Fünf Monate später stehen unter dem Beitrag auf Facebook über 12 pro | Christliches Medienmagazin 3 | 2020
POLITIK Foto: The White House, Shealah Craighead Richard Nixon und Bill Clinton hatte sich Christianity Today geäußert. Galli argumentierte bewusst aus einer theologischen Perspektive heraus, nicht politisch, und formulierte seine Sor- ge um die Glaubwürdigkeit des christlichen Zeugnisses, wenn fromme Evangelikale einem Präsidenten huldigen, für den Mo- ral ein Fremdwort zu sein scheint. Dass die meisten evangelikalen Christen 2016 für Trump stimmten, sei im Grunde nicht verwunderlich, erklärt Galli, denn Evangelikale wählten schon seit Jahrzehnten ganz über- wiegend republikanisch. Und es gebe auch viele, die Trump mit Bauchschmerzen gewählt hätten, weil sie die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, für die schlechtere Option gehal- ten hätten. Was Galli vor allem kritisiert, ist, wie ergeben man- che Christen Trump unterstützen und ihn geradezu als Erlöser- figur stilisieren. „Trump ist ihr Champion, er wird sie und Ame- rika vor der Zerstörung der Linken retten“, erklärt er die Hal- tung, die dahinter steht. Denn viele fromme Evangelikale, die von biblischen Moralvorstellungen geprägt seien, fühlten sich durch die gesellschaftliche Liberalisierung immer mehr an den Rand gedrängt: sei es beim Thema Homo-Ehe, bei der Diskus- sion um Abtreibung oder Gender-Fragen; aber auch die Globa- lisierung und die technische Entwicklung habe viele Menschen US-Präsident Donald Trump zeigt sich gern als Beter, hier im Rahmen wirtschaftlich abgehängt. „Dieses Gefühl kann ich verstehen“, einer Besprechung über Corona-Maßnahmen mit dem Kaplan des sagt Galli. „Ich bin als Christ sehr traurig darüber, dass die Mo- Senats, dem Adventisten Barry Black. Bei konservativen Christen kommen solche Signale gut an. ral auf vielen Ebenen nachlässt. Die Unfähigkeit unserer Be- hörden und des Rechtsstaats, die Ausbreitung der Pornogra- fie zu stoppen, die Scheidungsrate, die Zahl der Abtreibungen, immer mehr Drogenabhängige; auch die immer größere Span- 42.000 Kommentare. Trump wurde mittlerweile freigesprochen. ne zwischen Armen und Reichen ist ein riesiges Problem. Aber Galli hatte damit gerechnet, dass sein Text in der evangelikalen ich glaube nicht, dass allein die Säkularen und Linken daran Szene Kontroversen auslösen würde, schließlich haben 81 Pro- schuld sind.“ Die Konservativen und die Kirchen sieht er eben- zent der Evangelikalen Trump gewählt, aber dass er eine solche so in der Verantwortung für diese Entwicklung. Aufmerksamkeit erregen könnte, hätte er nicht gedacht. Natür- lich habe es auch negative Reaktionen gegeben, sagt er. Scharf Christen haben Gott vergessen angegriffen wurde Galli etwa von Franklin Graham, dem Sohn des Gründers: Christianity Today sei von den Linken für ihre po- Dass viele der Evangelikalen sich so stark mit republikanischer litische Agenda benutzt worden; es sei unbegreiflich, wie das Politik identifizieren, Kirche und Nation nahezu gleichsetzen, Magazin sich bei dieser Attacke gegen Trump auf die Seite der ist für Galli ein Zeichen für die Krise, in der die Glaubensbe- Demokraten schlagen konnte, sein verstorbener Vater wäre sehr wegung seiner Meinung nach steckt. „Politik ist für viele Men- enttäuscht von diesem Kommentar. Der überwiegende Teil der schen an die Stelle der Religion getreten. Dort finden sie Bedeu- Reaktionen sei jedoch zustimmend gewesen, sagt Galli. 3.000 tung und Sinn. Auch Christen stehen in dieser Versuchung“, verlorenen stünden 9.000 gewonnene Abonnenten gegenüber. sagt Galli. Das eigentliche Problem sieht er deshalb darin: Evan- gelikale haben ihre Beziehung zu Gott vernachlässigt. Das ana- lysiert er in seinem neuen Buch „When did we start forgetting God?“ (Wann haben wir angefangen, Gott zu vergessen?), das „Wir sollten dafür beten, im März im amerikanischen Tyndale-Verlag erschien. Darin führt er aus, dass die vertikale Orientierung, also die zu Gott, dass Gott Trumps Leben und die horizontale, auf die Welt und die Menschen bezogene Ausrichtung vieler Evangelikaler aus dem Gleichgewicht ge- verändert.“ kommen sei – zu Ungunsten der Beziehung nach oben. „Wir sind sehr gut darin, unseren Nächsten zu lieben. Aber das tritt an die Stelle der Liebe zu Gott“, macht er im Gespräch seinen Punkt deutlich. Im Doppelgebot der Liebe, das Jesus Aber um solche Zahlen geht es Galli nicht. Er sieht sich selbst formulierte, steht aber die Liebe zu Gott von ganzem Herzen, als eher unpolitischen Menschen. Eigentlich wollte er es ver- ganzer Seele und allen Kräften an erster Stelle. Die Sehnsucht meiden, über Trump und das Impeachment zu schreiben. Aber nach Gott hat die evangelikale Bewegung in Gallis Augen ein- es sei an der Zeit gewesen, Stellung zu beziehen. Es nicht zu mal ausgezeichnet. Aber sie sei nicht mehr das, was sie charak- tun, wäre unverantwortlich gewesen, fand er. Auch bei den terisiere. Galli kritisiert, dass Evangelikale ihren Fokus immer Amtsenthebungsverfahren gegen die früheren Präsidenten stärker auf Mission oder gesellschaftliche Transformation le- 3 | 2020 pro | Christliches Medienmagazin 13
POLITIK gen. Darin sieht er die Gefahr, dass sich Christen vor allem um wollen. Aber damit werde die Kirche noch weiter an Bedeutung sich selbst und ihre Aktivitäten drehen, Gott werde zu einem verlieren, prophezeit er. Dann würden die Volkskirchen mehr Mittel zum Zweck, die Welt zu verändern. „Der Auftrag der Kir- und mehr aussehen wie die „Demokratische Partei beim Gebet che ist es nicht, hinauszugehen und die Welt zu einem besseren und die evangelikalen Gemeinden wie die Republikanische Par- Ort zu machen, ein Segen zu sein, die Kultur zu verändern, Ge- tei beim Lobpreis“. Diese politischen Tendenzen bei den ameri- rechtigkeit auf die Erde zu bringen, für das menschliche Gedei- kanischen Evangelikalen sind durch ihre Haltung zu Trump be- hen zu arbeiten. Die Bestimmung der Kirche und ihr Zweck ist sonders sichtbar geworden, sie bestimmen auch das Bild, das es, in Liebe in Christus zusammenzuleben zum Lob von Gottes in der deutschen Öffentlichkeit vielfach von ihnen gezeichnet Ehre.“ Gemeinde ist der Ort, an dem Heilige gemacht werden, wird. Für die einen Hassfigur, für die anderen Erlöser. Galli sagt: schreibt Galli, ein „Labor der Liebe“, wo Menschen miteinander „Trump ist moralisch verwirrt, zutiefst narzisstisch und hat sei- und mit Gott Gemeinschaft haben und im Vorbild Jesu wach- ne Zunge nicht unter Kontrolle. Aber er ist ein Mensch, der zum sen – trotz aller Unterschiede und Fehler. Zu diesem Ort sollen Bilde Gottes geschaffen wurde. Er ist kein Idol, dem wir uns un- Christen andere Menschen einladen. Die Aufgabe der Kirche ist terwerfen müssen. Er ist auch nicht die Inkarnation des Bösen, es dabei, ihre Mitglieder zu ermutigen und dazu zu befähigen, dem wir uns entgegenstellen müssen, koste es, was es wolle.“ ein geheiligtes Leben zu führen und so ein Werkzeug Gottes in Ob der Präsident den Glauben instrumentalisiert, um die kon- der Welt zu sein. servativen Christen auf seine Seite zu bekommen? Ja, sicherlich, meint Galli. So wie jeder Politiker die Interessen seiner Klien- Trump als Ebenbild Gottes tel bedient. Vielleicht aber finde er im Glauben der evangelika- len Christen auch etwas, was ihm in seinem Leben fehlt. „Wir Jeder Christ könne in seinem Umfeld ein Zeuge von Gottes Lie- sollten dafür beten, dass Gott sein Leben verändert.“ be sein. Aber nicht jeder aus der Gemeinde sei dazu berufen, als Missionar in die Welt zu gehen. Genauso könnten sich Chris- ten politisch engagieren, in sozialen Organisationen oder im Umweltschutz. Zur Kernaufgabe der Kirche gehörten diese The- menfelder jedoch nicht, stellt Galli klar, denn dafür gebe es Ex- perten. Sollte sich die Kirche dann überhaupt politisch zu Wort melden? „Ja und nein“, findet er. „Es gibt Zeiten, wo es wich- tig ist, dass sich die Kirche äußert.“ Das Impeachement Trumps sei so ein Zeitpunkt gewesen, weshalb er entschieden habe, Foto: Mark Galli sein Editorial zu schreiben. Als besonders gewichtiges Beispiel nennt er auch die Barmer Theologische Erklärung von 1934, in der sich deutsche Kirchenvertreter gegen eine Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus positionierten. „Wir könnten uns etwas mehr Gedanken darüber machen, wozu und wie Mark Galli, geboren 1952 in Kalifornien, war 20 Jahre für das wir uns äußern. Es gibt so viele politische Themen. Die Kirche evangelikale Magazin Christianity Today tätig, sieben Jahre könnte ihre ganze Kraft darauf verwenden, zu jedem einzelnen davon als Chefredakteur. Er hat mehrere Bücher geschrie- politischen Feld Stellung zu beziehen. Aber ist das das beste, ben, unter anderem eine Biografie über Karl Barth für Evan- was sie beitragen kann?“ gelikale. Im April erschien „When did we start forgetting Galli befürchtet, dass auch die Theologie der Kirchen säku- God?“. Galli lebt mit seiner Frau im Bundesstaat Illinois. larer wird, wenn sie vor allem „gesellschaftlich relevant“ sein Anzeige zum Sommer AUF DER SUCHE NACH EINEM 2020! FSJ / BFD / Fachabitur-Praktikum? BEWIRB DICH BEI UNS! medieninitiative.pro/jobs Christliche Medieninitiative pro e.V. | Charloe-Bamberg-Straße 2 | 35578 Wetzlar | Telefon 06441 5 66 77 00 | office@medieninitiative.pro
LESERBRIEFE Leserreaktionen pro-Lesertelefon (0 64 41) 5 66 77 77 Zu „Halt mal ... frommer schließlich Männer in seinen engen Musik machen, die es auf dem Planeten Feminismus?“ Kreis der Jünger und Apostel berief? Ist gibt.“ Da denke ich an Johann Sebastian mein Gott noch zeitgemäß, wenn er den Bach, der zur Ehre Gottes die vollkom- Auch abseits des Mainstream- Mann als Haupt der Familie setzt? Hat menste Musik aller Zeiten komponiert Protestantismus gibt es jene, die sich für mein Ehemann damit Macht über mich? hat. Meine Erwartungen an Timo Lang- die Sache der Frau einsetzen Ist Macht etwas Schlechtes oder eher der ners Musik waren nach seinen vollmun- Machtmissbrauch? War Gott kulturellem digen Aussagen entsprechend hoch, wur- Zum x-ten Mal taucht in der Debatte über Druck ausgesetzt und gab es deshalb nur den jedoch schnell enttäuscht, als ich auf die Leitungsfunktion der Frau die Bibel- männliche Leiter im AT und NT? Hat Gott YouTube zwei seiner Musikvideos an- stelle aus Galater 3,28 auf. Egal, wer die- geistige Autorität und Hierarchie ange- gehört habe. Seine Stimme ist markant, se Stelle heranzieht (hier ist es Veroni- ordnet, die meinem Verständnis nicht sein Selbstbewusstsein erstaunlich, der ka Schmidt): wer nur ein bisschen den entsprechen dürfen? Warum sind Erz Sound ist gut, aber besondere Originali- Bibelkontext berücksichtigt, erkennt, engel männlich? Ist der Heilige Geist em- tät, melodischen Einfallsreichtum kann dass es hier nicht um die Funktionsfra- pört, dass er Helfer genannt wird? Wel- ich da nicht entdecken. Die christlichen ge der Geschlechter geht, sondern um cher Geist steckt hinter dem Feminismus? Musikverlage in Deutschland wollen das die Heilsfrage. Ich schätze die vielsei- Petra Reger allerdings auch gar nicht; sie veröffentli- tige Auseinandersetzung zu dieser Frage chen am liebsten Mainstream, das, was und finde sie wichtig. Aber gerade von Ih- Zum Interview mit man schon kennt. Timo Langner jeden- rem Heft erwarte ich zu diesem wichtigen Christine Lieberknecht falls würde etwas mehr Bescheidenheit Thema sachkompetentere und vor allem gut tun. theologisch kompetentere Vertreterinnen Die ehemalige Ministerpräsidentin Raimund Rennebaum und Vertreter. Thüringens verteidigt die CDU, die die Ueli Willen Wahl Bodo Ramelows nicht blockierte Zu „Das große Löschen“ Zu Ihrem Artikel bewegen mich als Frau Zweifellos profitiert die Linke in Thürin- ein paar Fragen: Teilt Gott ganz ungeniert gen von dem hohen Ansehen und der pro erklärt, wie Facebook Posts löscht den Geschlechtern andere Aufgaben zu? christlichen Orientierung ihres Minister- Verknüpft er damit unterschiedliche Ver- präsidenten Bodo Ramelow. Niemandem Bei allen gutgemeinten Erläuterungen antwortung und Rechenschaft? Sollte – und da hat Frau Lieberknecht völlig zur Lösch- oder Blockade-Praxis von ich einem Herrn nachfolgen, der aus- Recht – darf man seinen christlichen Facebook inklusive dem Hinweis auf die Glauben absprechen. Das beherzige ich für alle User einsehbaren Gemeinschafts- auch gegenüber Ramelow. Dafür aber standards erwähnen Sie nicht, dass Face Zu jeder Ausgabe erreichen uns viele muss er sich die Frage gefallen lassen, book zwar mit Hinweis auf die Gemein- Leserbriefe und E-Mails. Aus Platz- wie nützlich sein Bekenntnis zum christ- schaftsstandards löscht, dabei nicht aber gründen können wir nur eine Auswahl lichen Glauben für seine linken Partei- darauf hinweist, auf welchem der Stan- davon in gekürzter Fassung abdru- genossen ist. Diese rekrutieren sich aus dards die Löschung begündet ist. Eine cken. Dies beinhaltet keine Wertung ehemaligen SED-Funktionären, trauern Möglichkeit zur Nachfrage gibt es nicht. oder Missachtung. noch immer dem Unterdrückungsstaat Tilman Kluge Wir freuen uns in jedem Fall über Ihre DDR nach und träumen weiterhin von so- Zuschriften. Und wenn Sie lieber tele- zialistischer Gleichmacherei. Zu „Den Tod vor Augen: fonieren, wählen Sie Karl Schleef ‚Ich hatte eine heitere die Nummer unseres Lesertelefons. Anrufe Zu „Christen sollten die Gelassenheit‘“ zu dieser Ausgabe kreativste Musik auf dem Peter Tauber (CDU) spricht im pro- beantwortet pro- Interview über Gottvertrauen während Redakteur Norbert Planeten machen“ seiner schweren Krankheit Schäfer. Timo Langner macht Musik für moderne Christliches Medienmagazin pro Gottesdienste Herzlich bedanken möchte ich mich für Charlotte-Bamberg-Straße 2 das sehr glaubwürdige Interview mit Pe- 35578 Wetzlar „Wenn euer Gott der Gott ist, der die Mu- ter Tauber! Und ganz besonders gefällt leserbriefe@pro-medienmagazin.de sik geschaffen hat, warum ist eure Mu- mir und tut mir gut, die regelmäßige Ko- Lesertelefon: (0 64 41) 5 66 77 77 sik zu schlecht?“, fragte Timo Langner lumne von Jürgen Mette (auf pro-medien- Telefax: (0 64 41) 5 66 77 33 die Christen, bevor er zum Glauben kam. magazin.de; Anm. d. Red.). Und weiter: „Wir sollten die kreativste Johannes Schumacher 3 | 2020 pro | Christliches Medienmagazin 15
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