Pfarrkirche St. Margaretha in Altlomnitz - DES GROSSDECHANTEN und des Heimatwerkes Grafschaft Glatz e. V - Heimatwerk Grafschaft Glatz ...
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RUNDBRIEF D ES G R O SS D EC H A N T E N und des Heimatwerkes Grafschaft Glatz e. V. Pfarrkirche St. Margaretha in Altlomnitz Rundbrief 2/2020 Heft 2/2020 1 ISSN 1865-4312
Inhaltsverzeichnis Zum Geleit Verbundenheit auch mit Abstand ...................................................................................................... 3 Weihnachten 2020 Ins Licht schauen und Wünsche erkennen ........................................................................................ 4 Wallfahrten Wallfahrtstag in Telgte 2020 ............................................................................................................. 5 26. Wallfahrt in die Grafschaft Glatz 2021: JETZT ANMELDEN! ................................................. 5 Heimatwerk Gedenktafel in Warendorf: kurz vor der Vollendung ........................................................................ 6 Warum der Rundbrief zurzeit unregelmäßig erscheint ..................................................................... 6 Rundbriefkosten ................................................................................................................................ 7 Noch ein Auf–Ruf!!! ......................................................................................................................... 7 Aus dem Glatzer Land Altlomnitz bei Habelschwerdt........................................................................................................... 8 Weihbischof Dr. Marek Mendyk neuer Bischof von Schweidnitz .................................................... 11 Zu Ehren von Kaplan Gerhard Hirschfelder ..................................................................................... 12 Hirschfelder-Wettbewerb .................................................................................................................. 14 Kriegsende 1945 So war es. War es so? ........................................................................................................................ 15 Als Kind am Kriegsende in Glatz ..................................................................................................... 16 Aus den Grafschafter Gruppen Pfingsttreffen der Jungen Grafschaft erstmals ausgefallen ............................................................... 19 Herbstwandertage der Grafschafter Gemeinschaft in Kyllburg ........................................................ 26 Würdigungen Auszeichnung für Horst Ulbrich ....................................................................................................... 23 Rita Sautmann: Eine „rüstige Vierzigerin“ wird 80 .......................................................................... 23 Michael Hirschfeld jetzt Professor .................................................................................................... 24 Jubiläen und Geburtstage .............................................................................................................. 25 Heimgänge ....................................................................................................................................... 27 Sie gehören zu uns ........................................................................................................................... 30 Abschied von Elisabeth Kynast ........................................................................................................ 30 Maria Kuschel ist heimgegangen ...................................................................................................... 31 Heimgang von Hans Taube ............................................................................................................... 31 Dr. Dieter Pohl (1934–2020) ............................................................................................................. 33 Buchtipp ........................................................................................................................................... 34 Wichtige Informationen/Impressum ............................................................................................. 35 Termine ............................................................................................................................................ 36 Zum Titelbild: Die Pfarrkirche St. Margaretha in Altlomnitz war usprünglich eine Wehrkirche, die im 17. und 18. Jahrhundert erweitert wurde. Der Turm stammt bereits von 1354. Foto: Jacek Halicki 2 Rundbrief 2/2020
Zum Geleit Verbundenheit auch mit Abstand Seit Mitte März hat das Corona-Virus das für die jungen Men- öffentliche wie das private Leben überall in schen, denen der der Welt fest im Griff. Auch das kirchliche Verzicht auf Treffen Leben in unseren Pfarrgemeinden erfährt starke mit ihren Freunden Einschränkungen. Besonders schmerzlich schwer fällt, bedeutet haben wir die Feier der Osterliturgie vermisst. die aktuelle Situation Sogar in Zeiten von Krieg und Verfolgung die größte Herausfor- konnten sich die Christen immer noch zum derung in der alltäg- Foto: privat gemeinsamen Gebet und Gottesdienst versam- lichen Gestaltung ihres meln – jetzt war auch das mehrere Wochen lang Lebens, die sie bisher nicht möglich. In den Wirren der Vertreibung erlebt haben. Dabei er- und des Neubeginns in der Fremde hat gerade scheint ein Vergleich mit der damaligen Lage ei- der gemeinsam gefeierte Glaube Trost und Halt gentlich unangemessen, ist doch die Erfahrung gegeben. von Gewalt und Zerstörung, Tod und Verlust der Heimat mit den heute notwendigen Einschrän- Die Auswirkungen der Pandemie sind bis heute kungen sicher nicht vergleichbar. in allen Gottesdiensten deutlich spürbar. Hier scheint es wichtig, zu einem angemessenen Was gab damals die Kraft, auch in schwerster Gleichgewicht zwischen der notwendigen Lage nicht aufzugeben und am Vertrauen auf Vorsicht einerseits und einer Gelassenheit und Gott festzuhalten? Es waren wohl die prägenden Zuversicht andererseits zu finden. Wenn Sie Erfahrungen aus der Heimat, in der eigenen vielleicht zur Zeit noch nicht an einer Sonntags- Familie, in der Jugendgruppe und in der Pfarr- messe teilnehmen können oder möchten, sind gemeinde, die ein festes Fundament für den auch die weniger besuchten Eucharistie- oder Neubeginn in der Fremde bilden konnten: die Wort-Gottes-Feiern an den Wochentagen eine Erfahrung, von Gott geliebt und von den Eltern gute Möglichkeit. vorbehaltlos angenommen zu sein. Dabei ist das eine niemals vom anderen zu trennen. Aufgrund der derzeit geltenden Einschrän- kungen konnte unsere Telgter Wallfahrt nicht Junge Menschen können heute solche Erfah- in der gewohnten Weise stattfinden. Dennoch rungen einer unbedingten Zuwendung und hat sich am Wallfahrtssamstag eine überschau- eines starken inneren Halts häufig leider nicht bare Zahl von Pilgern mit Großdechant Franz machen, die letztlich in unserem Glauben grün- Jung zur Feier der Messe in der Propsteikirche den. Umso wichtiger ist es, von den eigenen in Telgte versammelt. Für diejenigen, die aus Erlebnissen in der Jugend zu erzählen, damit der unmittelbaren Nachbarschaft dabei sein auch die Kinder, Enkel und Urenkel an diesen konnten, war diese Erfahrung der Gemeinschaft Lebens-und Glaubens-Erfahrungen Anteil haben im Glauben gewiss ein kostbares Erlebnis nach können. den Monaten des erzwungenen Abstands und des Verzichts auf Begegnungen und Treffen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie auch weiterhin Denn zweifellos ist die konkrete Erfahrung von unsere Verbundenheit im Glauben als tragend Gemeinschaft auch für unseren Glauben auf und stärkend erfahren. Der Segenswunsch eines Dauer unerlässlich. bekannten irischen Liedes möge Sie begleiten: „Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich Für die Generationen, die den Krieg und die fest in seiner Hand!“ Vertreibung nicht miterlebt haben, besonders Ihr Marius Linnenborn Rundbrief 2/2020 3
Weihnachten 2020 Ins Licht schauen und Wünsche erkennen Das Friedenslicht von Betlehem kommt in den einen bleibenden und dauerhaften Bund mit uns Weihnachtstagen an viele Orte in der Welt. Menschen einzugehen. Was bisher aufgrund Eigentlich ist es nur eine kleine Flamme, aber der Schwachheit der Menschen nicht gelungen sie hat eine große symbolische Bedeutung. Das ist, dass es einen dauerhaften Frieden zwischen Licht wird in der Geburtsgrotte in Betlehem Himmel und Erde geben kann, soll nun durch entzündet und kommt dann auf vielen unter- den Gottessohn, der Mensch wird, möglich schiedlichen Wegen zu Menschen, die darin werden. Stellvertretend sagt Jesus Christus als mehr erkennen als nur eine kleine Flamme, die Mensch zu Gott das Ja des Bundes und öffnet in der Geburtsgrotte entzündet wurde. damit den Himmel für uns Menschen, die im und vom Wohl- Das Licht verbin- gefallen Gottes det Menschen, leben. die von der Geburt Jesu als Mit dem Licht des Erlösers aller von Betlehem Menschen bewegt kann auch in und berührt dieser besonderen worden sind. Zeit und unter Wo dieses Licht den besonderen entzündet wird, Umständen, unter soll ein Ort des denen wir im Jahr Friedens und der 2020 Weihnach- Versöhnung sein. ten feiern, die Junge und ältere Botschaft vom Menschen tragen Frieden Gottes das Licht in ihre Wohnungen, wie wir es auf mit uns Menschen in alle Zimmer und an alle unserem Foto sehen. Es zeigt eine ältere Dame, Orte gebracht werden, an denen sich Menschen die schon seit vielen Jahren dieses Friedenslicht aufhalten, die noch Sehnsucht nach einem in ihre Wohnung in einem Altenheim holt. Wir besseren und schöneren Leben haben, als sie sehen ihren frohen und nachdenklichen Blick, es derzeit erfahren. Wir schauen in die Flamme als ob sie sagen möchte: „Was bringst du mir einer Kerze, werden still und horchen in uns in diesen Weihnachtstagen für eine Nachricht?“ hinein, welche Fragen und Wünsche wir haben. Sicherlich wird sich äußerlich am Leben der Viele Kinder schreiben diese Wünsche auf älteren Dame nichts ändern. Sie bleibt mit Wunschzettel und beauftragen ihre Eltern, dem Sicherheit in ihrer Wohnung im Altenheim, Christkind diese Wünsche zu übermitteln. Jeder denn sie braucht eine Betreuung. Aber innerlich von uns kann einen Wunschzettel persönlich bei ändert sich etwas. Sie schaut über den „Teller- Christus abgeben, wenn wir unsere Wünsche rand“ ihres Lebens hinaus und denkt nicht mehr erkannt, im Licht der Kerze geprüft und dann an die Sorgen des Alters, sondern schaut auf das im Gebet übermittelt haben. Im Jahr 2020 wün- Kerzenlicht aus einem fernen Land, das ihren sche ich mir natürlich besonders, dass es auch Lebenshorizont weit macht. wieder ein „Weihnachten wie bisher“ einmal geben wird. Mehr noch aber wünsche ich mir, Weihnachten ist von einer Botschaft erfüllt, dass Frieden einkehrt in unsere Herzen und in die den Horizont unseres Lebens weit machen die Herzen aller Menschen in der Welt, damit kann: Gott sendet uns seinen Sohn und bringt Kriege, Vertreibungen, Flucht und Ungerechtig- damit seinen Willen zum Ausdruck, endgültig keiten endlich aufhören. V 4 Rundbrief 2/2020
Wallfahrten Wallfahrtstag in Telgte Wir laden zu unserer geplanten Wallfahrt vom 16.–25. Juni 2021 herzlich ein. Wir wollen u. a. die heimatlichen Wallfahrtsorte Albendorf und Am 29. August, dem coronabedingt abgesagten Maria Schnee besuchen. In Tscherbeney werden Wallfahrtstag in Telgte, konnte der Großdechant wir unseres Seligen Gerhard Hirschfelder ge- um 10 Uhr die hl. Messe mit ca. 60 Grafschaftern denken und weitere Gottesdienste in Orten der feiern, die stellvertretend für alle gekommen Grafschaft Glatz feiern. Ein Tag ist wieder zur waren. In seiner Predigt erinnerte er auch an freien Verfügung vorgesehen. die vor 70 Jahren veröffentlichte Charta der Die Fahrt erfolgt mit einem Reisebus der aus deutschen Heimatvertriebenen. der Grafschaft Glatz stammenden Firma Krahl, Ich konnte selbst an dem Gottesdienst teilneh- Ovelgönne. Zusteigemöglichkeiten sind in men, Telgte „lebt“ noch! Dortmund, Münster, Osnabrück, Hannover und Reinhard Schindler Leipzig vorgesehen. Auf dem Hinweg ist eine Übernachtung in Görlitz und auf dem Rückweg Unser Großdechant beschreibt im Pfarrblatt in Bautzen geplant. Wohnen werden wir im seiner Gemeinde St. Anna in Münster-Mecklen- Glatzer Land im neu erbauten und modernen beck „Lebendig“ vom Sommer 2020 die Telgte Gästehaus der Franziskanerinnen in Ullersdorf Wallfahrt der Grafschaft Glatz so: „Seit 1947 in Doppel- und Einzelzimmern. kamen aus ganz Deutschland die heimatvertrie- Melden Sie Ihren Teilnahmewunsch baldmög- benen Katholiken aus der Grafschaft Glatz, dem lichst an das Büro des Heimatwerkes Grafschaft zum Erzbistum gehörenden Teil Schlesiens, Ende Glatz e.V., Ermlandweg 22, 48159 Münster, August beim Gnadenbild der Schmerzhaften E-Mail: grossdechant@t-online.de, Tel. 0251 Mutter von Telgte zusammen. In den ersten 46114, Dienstag und Donnerstag von 08:30– Jahren seit 1946 mussten wir mit dem Verlust 12:30 Uhr. Sie erhalten dann das Anmeldefor- der Heimat und der Vertreibung fertig werden. mular für die feste Anmeldung. Die Teilnahme Heute wahrt die damalige Kindergeneration die wie auch die Vergabe der Einzelzimmer richten Identität des Grafschafter Volkes auch in der sich nach der Reihenfolge des Eingangs der Pflege der heimatlichen Lieder. Seit fast 37 Jah- Festanmeldungen. ren begleitete ich die Glatzer Wallfahrt nach Nach Anmeldeschluss am 15.01.2021 erhalten Telgte. Sie ist für uns ein Höhepunkt des Jahres.“ Sie genauere schriftliche Informationen über Preis, Zusteigestellen usw. Sollten bis dahin zu wenige feste Anmeldungen vorliegen, müssen 26. Wallfahrt in die Grafschaft Glatz wir die Buswallfahrt leider absagen. Natürlich ist uns bewusst, dass angesichts der Corona- Leider konnten wir die für September diesen Pandemie derzeit keinerlei Planung mit der Jahres geplante Wallfahrt in die Grafschaft Glatz eigentlich erforderlichen Sicherheit erfolgen aus Gründen der unsäglichen Corona-Pandemie kann, erst recht nicht über einen längeren nicht durchführen. Umso mehr hoffen wir, dass Zeitraum hinweg. Deshalb gilt für unsere Wall- unsere Buswallfahrt im Jahr 2021 stattfinden kann. fahrt der Vorbehalt, dass die dann bestehende Pandemie-Situation eine verantwortungsvolle Durchführung der Fahrt sicher erlauben muss. V Beten Sie mit mir und vertrauen Sie auch Im Falle einer erforderlichen Absage werden die Ihre geheimsten Wünsche dem göttlichen Kind angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmer an. Mit Sicherheit bringt es Licht in Ihr Leben. sehr zeitnah informiert. Ein gesegnetes Weihnachtsfest und die Freude Mit heimatverbundenen Grüßen am neuen Leben durch das Kind von Betlehem Großdechant Franz Jung wünscht von Herzen Für das Heimatwerk Grafschaft Glatz e.V.: Weihbischof Dr. Reinhard Hauke Michael Güttler Rundbrief 2/2020 5
Heimatwerk Gedenktafel in Warendorf: gen in Warendorf etwas aufschreiben und an das kurz vor der Vollendung Glatzer Büro, Ermlandweg 22, 48159 Münster schicken? Wir möchten eventuell ein kleines In der März- und Mai-Nummer des Grafschafter Heft mit Erinnerungen herausgeben. Boten sowie im RB 1/2020 habe ich davon be- richtet, dass in Warendorf zwei Ereignisse nicht Ich danke für alle Hilfe finanzieller Art und verloren gehen dürfen. Seit Jahren beschäftigt auch für kurze Berichte und vor allem dem mich die Erinnerung daran, dass im Frühjahr bis Ehepaar Barbara und Harald Dierig, die mir alle Herbst 1946 ca. 43.000 Heimatvertriebene aus schriftlichen Arbeiten abgenommen haben. den deutschen Ostgebieten für drei Tage und Nächte in den Pferdeboxen des Landgestüts auf Die Einweihung dieses Denkmals als Lesepult Strohschütten untergebracht waren. sollte im Herbst stattfinden, doch die Corona- Krise hat uns ständig Termine verschieben Zuvor hatten im Sommer 1945 10.000 Zwangs- lassen. Alle Landsleute um Warendorf herum arbeiter dort Quartier gefunden, bevor sie in die werden rechtzeitig informiert, aber natürlich osteuropäischen Länder zurückgeführt wurden. auch alle Interessierten, sobald eine öffentliche Zusammenkunft wieder erlaubt ist. Mit einer Arbeitsgruppe haben wir etliche Franz Jung, Großdechant Male in Warendorf beim Kulturamt getagt. Als Ergebnis ist festgelegt, dass der Bildhauer Ba- Begleitend zur Errichtung des Gedenksteins silius Kleinhans aus Sendenhorst in Form eines wollen wir eine kleine Broschüre mit Beiträgen Lesepultes an das Schicksal der Zwangsarbeiter von Zeitzeugen, die ja immer weniger werden, und Heimatvertriebenen erinnert. herausgeben. Deshalb bitten wir um die Ein- sendung von kurzgefassten Erinnerungen an die 1946 wurden 15 Millionen aus ihrer ost- Tage und Nächte auf dem Landgestüt Waren- deutschen Heimat vertrieben, heute sind 75 dorf. Bitte schicken Sie Ihre Aufzeichnungen, Millionen Menschen eingebunden in Flucht gerne auch mit der Hand geschrieben, an: und Vertreibung. Die unrechtmäßigen und Glatzer Büro, Ermlandweg 22, 48159 Münster, Menschenrechtsverletzungen damals und heute oder per E-Mail an: grossdechant@t-online.de. dürfen nicht der Vergessenheit anheimfallen. Nach uns werden die Steine reden. Rundbrief erscheint unregelmäßig Die Kosten belaufen sich auf ca. 10.000 – 12.000 Euro. Das Land Nordrhein-Westfalen Wahrscheinlich haben Sie und habt Ihr bemerkt, sowie Sparkassen und diverse Stiftungen helfen dass seit fast einem Jahr unser Rundbrief ins uns bei der Finanzierung. Wir benötigen als Stocken geraten ist. Ich hoffe auf Verständnis, Eigenleistung den Betrag von ca. 2.000 Euro. wenn ich den Grund dafür nenne. Kurz vor Etwas mehr als die Hälfte haben wir bereits zu- Weihnachten 2019 verstarb nach kurzem, aber sammen. Über das Konto des Grafschaft Glatz schwerem Leidensweg mit Patricia Simon die e. V. Münster können auch Spendenquittungen Lektorin des Rundbriefs und Schwester unserer ausgestellt werden. Redakteurin Nicola von Amsberg. Wir haben darüber im Rundbrief 1/2020 berichtet. Am Wer helfen möchte, mag den Betrag auf das 24. Juni 2020 erlitt nun Nicola einen heftigen Konto DE05 4015 4530 0037 2500 99 bei der Schlaganfall mit rechtsseitiger Lähmung. Das Sparkasse Münsterland-Ost mit dem Stichwort hat uns alle betroffen gemacht. Wir wünschen „Warendorf“ überweisen. Nicola baldige Besserung nach dem wochen- langen Krankenhaus- und Rehaaufenthalt. Wer kann aus den Berichten der Eltern, da wir Inzwischen zeichnen sich die ersten Schritte der ja fast alle noch Kinder waren, von diesen Ta- Genesung an. Unser Mitarbeiterkreis des Hei- 6 Rundbrief 2/2020
Heimatwerk matwerkes hat vorgeschlagen, die Rundbriefe Noch ein Auf–Ruf!!! Nr. 2 und 3 des Jahres 2020 zusammenzufassen und zum Jahresende 2020 herauszugeben. Der Die Corona-Zeit hat mir neben den vielen Rundbrief 2 wäre wegen der Corona-Situation ausgefallenen Treffen und Wallfahrten plötzlich sehr dünn geworden, weil ja viele Treffen, Zeit geschenkt, die ich für die Grafschafter Ar- Wallfahrten usw. ausgefallen sind. Wie es im beit sinnvoll nutzen konnte. Seit fast 37 Jahren nächsten Jahr mit dem Rundbrief weitergeht, bin ich im Amt des Großdechanten und hatte müssen wir zunächst offenlassen. keine Zeit, meine acht Fotokartons auszupacken Unsere Genesungswünsche und unser Gebet und nach Ereignissen wie Wallfahrten, Jubiläen, sollen Nicola, ihren Ehemann und ihre drei Einweihungen, Segnungen von Gedenksteinen Töchter begleiten. und -tafeln sowie Renovierungen in der Heimat, Für das Heimatwerk Grafschaft Glatz e. V. wie Kirchenrenovierungen, Renovierung der Dr. Georg Jäschke, Vorsitzender Mariensäule in Glatz oder des Friedhofes in Franz Jung, Großdechant Neurode und des Gedenkkreuzes in Hausdorf zur Erinnerung an die 150 toten Bergleute, zu suchen. Ich bin bei fast allen Fotos auf Ereig- Rundbriefkosten nisse gestoßen, die Spuren hinterlassen haben. Nach uns kräht kein Hahn mehr danach, wenn Der Alarm-Notruf im Rundbrief Nr. 1/2020, wir das nicht der Nachkommenschaft hinter- Seite 7 hat überraschend eine großartige Wir- lassen. Es geht nicht nur um Ereignisse in der kung gezeigt, sodass wir den Rundbrief in den Heimat, sondern auch um Gedenkstätten hier nächsten Jahren weiter drucken werden. im Westen wie zum Beispiel der Bildstock in Viele Grafschafter und uns Verbundene möchten Telgte mit den Gedenktafeln an meine Vorgän- den Rundbrief nicht missen. Darum haben viele ger im Amt, den Großdechanten Franz Monse, einen großen Zuschuss überwiesen, sodass der Leo Christoph und Paul Sommer, sowie für Fehlbetrag gedeckt werden konnte. Unter der Kaplan Gerhard Hirschfelder und Bruder For- Bedingung, dass der jährliche Betrag regelmä- tunatus. ßig von allen Beziehern gezahlt würde, kämen wir mit einer Erhöhung des Jahresbeitrages um Erfreulich viele Landsleute haben sich bereit 3 Euro hin und der Rundbrief wäre damit für erklärt, über Ereignisse in den früheren Heimat die nächsten Jahre gesichert. Also kostet der gemeinden etwas zu schreiben und ein Foto mit- Rundbrief ab 2021 nicht mehr 12 Euro, sondern zuliefern. Es geht auch um die Gruppen: Junge 15 Euro. Das ist bei der Erhöhung des Portos Grafschaft, Grafschafter Gemeinschaft, Famili- und auch der Druckkosten zu verantworten. enkreis, Grafschafter Chor, Glatzer Gebirgsver- Viele haben uns mitgeteilt, dass sie bei der ein und die Stiftungen. Setzen Sie sich bitte mit Erhöhung mitmachen werden. Viele haben Landsleuten zusammen, um die Ereignisse zu durch Lastschriftverfahren die Abbuchung sammeln sowie Berichte und Fotos an das Glat- erfolgen lassen. Die Erhöhung erfolgt durch zer Büro, Ermlandweg 22, 48159 Münster zu unsere Buchhalterin Magdalena Schöngart. Wer schicken. Die Arbeitsgruppe Kirchengeschichte damit nicht einverstanden ist, mag das bitte Frau übernimmt die Sammlung. Die Berichte können Schöngart im Glatzer Büro, Ermlandweg 22, auch per E-Mail an grossdechant@t-online.de 48159 Münster, Tel. 0251 46114 oder per E- geschickt werden. Mail an: grossdechant@t-online.de mitteilen. Das Büro ist dienstags und donnerstags von Wir dürfen der Nachwelt nicht verschweigen, 08:30–12:30 Uhr geöffnet. was wir an Werken der Versöhnung und Verstän- Herzlichen Dank sage ich allen, die uns die digung auf den Weg gebracht haben. Es bleibt Sorgen um den Rundbrief mit ihrer Spende sicherlich noch viel zu tun: Packen wir es an!!! abgenommen haben. Auf ein Neues ab 2021. Mit Dank für Ihre Mithilfe Franz Jung, Großdechant Ihr und Euer Franz Jung, Großdechant Rundbrief 2/2020 7
Altlomnitz Foto: Jacek Halicki Acht Kilometer nordwestlich von Habel- und Altlomnitz die ersten Kirchenbücher an. schwerdt liegt zwischen dem Tal der Glatzer Heinrich Wilhelm von Pannwitz (1594–1629) Neiße und dem Habelschwerdter Gebirge wurde im Jahr 1625 wegen seiner Beteiligung Altlomnitz. am Böhmischen Ständeaufstand zum Verlust von Hab und Gut verurteilt. Seine Weigerung, Das große Bauerndorf wurde 1316 erstmals zum katholischen Glauben überzutreten, führte als „Lomnicz“ erwähnt und ist für 1384 als nach der Konfiskation seiner Güter im Jahr Pfarrort nachgewiesen. Für dieses Jahr ist die 1628 zu seiner Ausweisung aus der Grafschaft St.-Margaretha-Kirche in einem Verzeichnis des Glatz. Er und seine Frau Anna, geb. von Rei- Prager Erzbistums enthalten, in dem die damals chenbach überlebten die Vertreibung nur ein- 39 Pfarrkirchen des Glatzer Dekanats aufgeführt bzw. zwei Jahre. wurden. Altlomnitz bestand zunächst aus den Rittersitzen Oberhof und Mittelhof, der das 1628 erwarb Graf Johann Arbogast von Annen Stammhaus der Glatzer Linie der Herren von berg den Altlomnitzer Mittelhof zusammen mit Pannwitz gewesen sein soll. den dazugehörigen Dörfern Glasendorf und Sauerbrunn, die er mit seiner Herrschaft Arns Während der Zeit der Reformation bekannte dorf verband. Dessen Besitzungen gelangten sich die Bevölkerung ab etwa 1552 zum luthe- 1651 durch Heirat seiner Tochter Maria Maxi rischen Glauben, und für 1558 ist für Altlomnitz miliana mit dem Grafen Johann Friedrich ein evangelischer Prediger nachgewiesen. Nach von Herberstein an diesen. Er bildete aus den der Rückeroberung der Grafschaft Glatz 1622 Besitzungen eine Majoratsherrschaft, zu der durch die kaiserlichen Truppen wurden die evan- auch Altlomnitz gehörte, und benannte das bis- gelischen Pfarrer vertrieben. Anschließend wurde herige Arnsdorf mit kaiserlicher Genehmigung Altlomnitz aus Mangel an katholischen Priestern in Grafenort um. Während der Herrschaft des zu einer Filialkirche von Arnsdorf (das spätere Johann Gundacker I. von Herberstein († 1770) Grafenort) abgestuft. Dort amtierte ab 1623 wurde Altlomnitz von der Pfarrkirche Grafenort Adam Sebastian Weiss, ein Zisterzienser aus getrennt und wiederum zu einer eigenen Pfarrei dem Kloster Heinrichau. Er legte für Arnsdorf erhoben, zu deren Sprengel neben Altlomnitz 8 Rundbrief 2/2020
Aus dem Glatzer Land die Ortschaften Kolonie Neue Welt, Neulomnitz Die Kirche ist, einschließlich des Kirchhofes, mit Ransern, Pohldorf mit Ranserberg sowie von einer Wehrmauer umgeben, die vermutlich Neuhain mit Hüttenguth gewidmet wurden. zur Verteidigung gegen die Hussiten (um 1420) diente. Das barocke Torgebäude mit Spitzboge- Nach den Schlesischen Kriegen fiel Altlomnitz narkade als Durchgang zum Kirchhof stammt zusammen mit der Grafschaft Glatz 1763 mit aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. dem Hubertusburger Frieden an Preußen. 1874 wurde der Amtsbezirk Altlomnitz (Alt Lomnitz) gebildet, zu dem neben Altlomnitz auch die Landgemeinden Aspenau, Glasendorf, Grafen ort, Melling, Neubatzdorf, Neuhain (später Neubrunn), Neulomnitz, Neuwilmsdorf und Sauerbrunn (später Neubrunn) sowie vier Guts- bezirke gehörten. Im Jahr 1788 hatte Altlomnitz 154 Feuerstellen und 822 Einwohner. Die Bevölkerung setzte sich vornehmlich aus Gärtnern und Häuslern zusammen. 1939 wurden 1.126 Einwohner gezählt. St. Margaretha Torgebäude Foto: Jacek Halicki Pfarrkirche St. Margaretha Die Pfarrkirche St. Margaretha wurde 1354 Das zweigeschossige Pfarrhaus mit Walmdach errichtet und um 1685 durch den Glatzer wurde 1755 errichtet und 1854 umgebaut. Festungsbaumeister Jakob Carove umgebaut. 1794 erfolgte ein weiterer Umbau. Die barocke Mittelhof Innenausstattung stammt aus der zweiten Hälfte Im ehemaligen Gutshof, dem Mittelhof, west des 18. Jahrhunderts. Der Hochaltar enthält lich neben der Kirche, erhebt sich ein mächtiger Skulpturen der Heiligen Barbara, Katharina, Wehrturm aus dem 14. Jahrhundert mit goti Sebastian, Antonius, Joseph und Rochus. Die schen Fenstern und Portalen. Der Turm besteht Figur der Muttergottes im Retabel stammt aus aus fünf Stockwerken. Vom flachen Dach aus dem 16. Jahrhundert. konnte früher die Bevölkerung durch Feuer signale alarmiert werden. Der als „Mittelhof“ bezeich- nete Gutshof westlich der Kirche wurde vermutlich Mitte des 16. Jahrhunderts von Christoph von Pan- nwitz errichtet und in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erweitert. Über dem verzierten Hauptportal befinden sich auf einer Tafel acht Wappen der Herren von Pannwitz. St. Margaretha Foto: Jacek Halicki Rundbrief 2/2020 9
Aus dem Glatzer Land Der Wohn- und Wehr- turm gehörte zum Mittelhof und stammt aus dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts. Er besteht aus fünf Stockwerken und enthält gotische Fenster und Portale. Das flache Dach diente vermutlich zur Übermittlung von Feuersignalen. Oberhof Längst zur Ruine geworden ist der bis Der Mittelhof mit Wohnturm (lks.) Foto: Jacek Halicki 1815 im Besitz der Familie von Pannwitz verbliebene und später Rochuskapelle durch viele Hände gegangene „Oberhof“ im An der Straße nach Habelschwerdt steht im Sü- westlichen Teil des Dorfes. Er wurde vermut den des Dorfes steht an der Straße nach Habel- lich Ende des 17. Jahrhunderts erbaut und im schwerdt die St.-Rochus-Kapelle, eine Gelöb- zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts umge- niskapelle, die an die Pest von 1713 erinnert. baut sowie mit einem Mansarddach versehen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde er renoviert. Im Hauptsaal befand sich ein stuckverziertes Spiegelgewölbe. Die Wände waren mit Sgraffito verziert. Der zweigeschossige Bau mit seiner markanten Säulengliederung der Giebel barg vor dem völligen Zerfall noch Kreuzgratgewöl- be und barocke Stuckdecken im Erdgeschoss. Gleichfalls ruinös sind inzwischen die den Hof rahmenden Wirtschaftsbauten. Rochuskapelle Foto: Jacek Halicki Zusammengestellt von Nicola von Amsberg Quellen: • Peter Güttler et al. (Hg.): Das Glatzer Land. Ein Reiseführer, Düsseldorf 1995, S. 25 • Arne Franke/Katrin Schulze: Schlösser und Herrenhäuser in der Grafschaft Glatz, Würz- burg 2009, S. 19ff. Ruine des Oberhofs Foto: Jacek Halicki • https://de.wikipedia.org/wiki/Stara_Łomnica 10 Rundbrief 2/2020
Aus dem Glatzer Land Rückkehr zu den heimatlichen Wurzeln Weihbischof Dr. Marek Mendyk neuer Bischof von Schweidnitz Es sei wie eine „Rückkehr nach Galiläa“, so äußerte sich Weihbischof Dr. Marek Mendyk in einem Interview anlässlich seiner Ernennung zum Bischof für das Bistum Schweidnitz durch Papst Franziskus am 31. März 2020. Marek Mendyk wurde am 18. März 1961 in Wüstegiersdorf (Głuszyca) im Waldenburger Bergland geboren und verbrachte dort seine Kindheit und Schulzeit. Bischof Dr. Marek Mendyk Foto: zg Seine Mutter und seine Schulfreunde, zu denen nach wie vor Kontakt besteht, könne er künftig Mit Dankbarkeit und Freude denkt der neue wohl weniger besuchen. Seine Ernennung sieht Schweidnitzer Diözesanbischof an die Zeiten, er „wie eine Rückkehr nach Hause, wo alles die Seelsorge und die Liturgie mit dem dama- seinen Anfang hatte“, sagte der neu ernannte ligen Pfarrer Sylwester Irla in Reichenbach Bischof. Nach 30 Jahren im Priester- und elf zurück und freut sich auf die kollegiale Zusam- Jahren im Bischofsamt kehre er im biblischen menarbeit mit dem Altbischof Ignacy Dec, der Sinne nach Galiläa zu seinen Wurzeln zurück, für ihn schon während des Theologiestudiums um das Wort Gottes zu verkünden. als Autorität galt, und mit Weihbischof Adam Bałabuch, den er noch aus der Seminarzeit Seine erste Kaplanstelle nach der Priesterweihe, kennt. Cornelia Loy, in: „Schlesien die er von Henryk Kardinal Gulbinowicz im in Kirche und Welt“ 1/2020 Breslauer Dom am 23. Mai 1987 empfangen hatte, führte ihn in die Pfarrgemeinde in Rei- Großdechant Franz Jung hat sowohl dem Alt- chenbach (Dzierżoniów) im Eulengebirge. Nach Bischof Dr. Ignac Dec als auch dem neuen Bi- der Errichtung des Bistums Liegnitz am 25. schof Dr. Marek Mendyk geschrieben. Dr. Dec März 1992 wurde er in dieses Bistum inkardi- hat er gedankt für seine Teilnahme an der Selig- niert. 1995 wurde Mendyk an der Katholischen sprechung von Kaplan Gerhard Hirschfelder im Universität in Lublin zum Doktor der Theologie Dom zu Münster am 19.09.2010. Dr. Mendyk promoviert. hat er zu seiner Ernennung zum Bischof von Schweidnitz gratuliert und ihm Gottes Segen für Ab 1995 leitete Mendyk die Abteilung für Ka- die Menschen seines Bistums gewünscht. techese im Generalvikariat des Bistum Liegnitz, von 2001 bis 2005 lehrte er im Priesterseminar. Leider fiel die Wallfahrt der Grafschafter 2004 wurde er in das Liegnitzer Domkapitel in die Heimat vom 16. bis 24. September berufen. Am 24. Dezember 2008 ernannte ihn 2020 wegen Corona aus und wird vom Papst Benedikt XVI. zum Weihbischof von 16. bis 24. Juni 2021 nachgeholt, wenn Liegnitz und Titularbischof von Rusuccuru. Die Corona es zulässt. Anmeldungen sollten Bischofsweihe empfing Marek Mendyk am 31. umgehend erfolgen an das: Glatzer Büro, Januar 2009 von Bischof Stefan Cichy in der Ermland-weg 22, 48159 Münster. St.-Peter-und-Paul-Kathedrale in Liegnitz. Sein Alle, die sich für 2020 angemeldet hatten, Wahlspruch lautet: In verbo tuo Domine (Auf werden extra angeschrieben. dein Wort hin Herr, Lk 5,5). Rundbrief 2/2020 11
Aus dem Glatzer Land Zu Ehren von Kaplan Gerhard Hirschfelder Drei Feiern anlässlich des 10. Jahrestags seiner Seligsprechung Kaplan Gerhard Hirschfelder aus Glatz wurde Bischof Marek Mendyk zelebrierte Hochamt in am 19. September 2010 im Dom zu Münster der Tscherbeneyer Pfarrkirche. durch Kardinal Joachim Meisner seliggespro- chen. Auch wenn coronabedingt leider kaum Den Auftakt machte eine kleine Gedenkfeier Gäste aus Deutschland anwesend waren, so ist am Hirschfelderdenkmal in Habelschwerdt, or- doch von polnischer Seite und auch durch die ganisiert durch den DFK-Vizevorsitzenden und kleine deutsche Minderheit in der Grafschaft Fremdsprechenleher Heinz-Peter Keuten mit der Selige würdig geehrt und seiner Seligspre- seiner polnischen Kollegin Emilia Idzi-Ważgint. chung gedacht worden. Am Freitagmorgen versammelten sich dort Schüler der 6. und 7. Klassen des Schulzen- trums (größtenteils Teilnehmer des diesjährigen Hirschfelder-Wettbewerbs), um des 10-jährigen Jubiläums der Seligsprechung des Jugendseel- sorgers und Habelschwerdter Kaplans Gerhard Hirschfelder zu gedenken. Die Schüler legten feierlich ein Gesteck nieder und entzündeten ein Grablicht. Einer der Schüler las die Vita des Seligen vor, bevor der Schulleiter Pawel Popiel die kleine Gedenkfeier abschloss, indem er zusammen mit den Schülern das Hirschfelder- Gebet betete. Angemerkt sei, dass Alfons Festgottesdienst in Tscherbeney Foto: Horst Ulbrich Heinsch aus Gläsendorf mit seinem Neffen, die sich gerade zu einem einwöchigen Aufenthalt Die Gedenkfeiern verteilten sich auf drei Tage: in der Grafschaft aufhielten, zwei Tage zuvor Am Freitag, dem 18. September 2020, fanden freundlicherweise den Sockel des Denkmals am Hirschfelderdenkmal vor dem Schulzen- gereinigt hatten. trum in Habelschwerdt eine Kranzniederlegung durch Jugendliche und eine kleine Gedenkfeier Am Samstag, dem 19. September 2020, also auf statt, am Samstag, dem 19. September 2020, den Tag genau zehn Jahre nach der Seligspre- zelebrierte Weihbischof Adam Bałabuch in chung Gerhard Hirschfelders, fand um 12 Uhr der Wallfahrtskapelle Maria Schnee auf dem in der Wallfahrtskapelle Maria Schnee auf dem Spitzigen Berg ein Hochamt, und am Sonntag, Spitzigen Berg aus diesem Anlass ein Hochamt dem 20. September 2020, folgte als feierlicher statt, das der Schweidnitzer Weihbischof Adam Höhepunkt das durch den neuen Schweidnitzer Bałabuch feierte. Insgesamt waren neun Geistli- che anwesend, u. a. die Pfarrer von Wölfelsdorf und Niederlangenau sowie Gäste aus Glatz, der Geburtststadt des Seligen. Überraschung dabei war, dass zur Feier des Tages neben der Tafel für Papst Johannes Paul II. im Kreuzgang von Maria Schnee eine neue Gedenktafel zu Ehren Gerhard Hirschfelders enthüllt wurde, die einen Text mit Einzelheiten Festgemeinde in Tscherbeney Foto: Horst Ulbrich des Lebens des Seligen enthält und am Ende 12 Rundbrief 2/2020
Aus dem Glatzer Land felder-Wettbewerb gewonnen hat, und nach der Messe fanden eine Ehrung und ein Gebet am Hirschfelder-Grab an der Außenmauer der Kirche statt. Auch eine Abordnung der örtlichen Pfadfinder erwies dem Seligen die Ehre. An- schließend waren der Bischof, die Geistlichen sowie ausgewählte Gäste zu einem Essen im Hause der Elisabethschwestern in Bad Kudowa eingeladen, wo u. a. Prof. Tadeusz Fitych und Bischof Marek Mendyk eine Ansprache hielten. Am Hirschfelder-Grab Fotos: Horst Ulbrich Bemerkenswert ist, dass der Bischof in seiner Rede Gerhard Hirschfelder bewusst als „Heili- gen“ bezeichnete. Das lässt hoffen, dass auch der Nachfolger von Bischof Ignacy Dec sich um das Andenken Gerhard Hirschfelders in seiner Diözese bemühen wird. des Hochamts durch den Bischof eingeweiht wurde. Leider ist die Tafel nur auf Polnisch verfasst. Inzwischen verfügt der Pfarrer von Maria Schnee aber auch über die deutsche und englische Übersetzung des Textes. Es bleibt zu hoffen, dass er diese in irgendeiner Form den Pilgern aus Deutschland und anderen Ländern, die des Polnischen nicht mächtig sind, zur Bischof Dr. Marek Mendyk (lks.) und Prof. Dr. Tadeusz Verfügung stellt. Fitych (re.) beim Essen in Bad Kudowa Fotos: Horst Ulbrich Höhepunkt der Feierlichkeiten war sicherlich das Hochamt, das am Sonntag, dem 20. Sep- Es waren intensive und erhebende drei Tage zu tember 2020 in Tscherbeney durch den neuen Ehren unseres Seligen Kaplans Gerhard Hirsch- Bischof von Schweidnitz, Marek Mendyk, ge- felder, die vom 18. bis 20. September 2020 in feiert wurde. Das Hochamt wurde musikalisch der Grafschaft Glatz stattfanden. durch einen Chor gestaltet. Als Gastgeber fand der Pfarrer von Tscherbeney, Prälat Brudnow- Während es erfreulich ist zu sehen, wie in- ski, ergreifende Worte und sagte u. a., seit der tensiv Hirschfelder inzwischen auch von den Seligsprechung gehöre Kaplan Hirschfelder uns Grafschafter Polen verehrt wird, so ist es doch allen, den Deutschen, den Polen und den Tsche- traurig, dass weder Großdechant Jung noch ein chen. Aus allen drei Nationen waren Gäste an- anderer Geistlicher aus Deutschland anwesend wesend, wenn sich auch wegen der anhaltenden sein konnten und (vielleicht deswegen) der Pandemie die deutschen und tschechischen Name des Großdechanten Jung und das Engage- Gäste auf die Mitglieder des DFK Glatz und ment der deutschen Grafschafter für die Selig- Kudowa beschränkten. Zu Beginn der Messe sprechung mit keinem Wort gewürdigt wurde. wurde ein Gedicht über den Seligen vorgelesen, das den landesweit ausgeschriebenen Hirsch- Heinz-Peter Keuten Rundbrief 2/2020 13
Aus dem Glatzer Land Hirschfelder-Wettbewerb Den pandemiebedingten Schwierigkeiten zum Trotz fand auch in diesem Jahr in Habelschwerdt wieder ein Hirschfelder-Wettbewerb für die Schüler des dortigen Schulzentrums statt. Die Hirschfelder-Stiftung und Großdechant Franz Jung sowie der DFK Glatz hatten sich dafür ein- gesetzt, um trotz aller Einschränkungen auch im Jahr des zehn-jährigen Jubiläums der Seligspre- chung von Kaplan Hirschfelder einen solchen Wettbewerb stattfinden zu lassen. Im September 2020 beschäftigten sich über hundert (!) Habelschwerdter Schüler des 4. bis 8. Schuljahrs damit, Porträts und Bilder zum Leben des Seligen anzufertigen. Organisiert wurde der Wettbewerb vom stellvertretenden Prämierte Kunstwerke Foto: DFK DFK-Vorsitzenden und Fremdsprachenlehrer Heinz-Peter Keuten in Zusammenarbeit mit der Schulleiter des Habelschwerdter Schulzentrums, Habelschwerdter Kunstlehrerin Emilia Idzi- Paweł Popiel, den Gewinnern eine Urkunde Ważgint. und die von der Hirschfelderstiftung gestifteten Preise überreichten. Wir freuen uns, dass wir durch die Veranstal- tung dieses Wettbewerbs trotz Pandemie auch im zehnten Jahr nach der Seligsprechung dafür sorgen konnten, dass Gerhard Hirschfelder in der Grafschaft Glatz im Bewusstsein auch der nachwachsenden Generation lebendig bleibt, wozu sicherlich beiträgt, dass der Schulleiter in seiner Ansprache den anwesenden Schülern gegenüber erneut die Bedeutung des Seligen als Brückenbauer zwischen Deutschen, Polen und Tschechen hervorhob. Preisverleihung Foto: DFK Heinz-Peter Keuten Die besten acht „Kunstwerke“ wurden in einer kleinen Feierstunde am 12. Oktober 2020 mit Preisen ausgezeichnet, die in der Aula der Ha- belschwerdter Grundschule (ehem. Volksschule an der Gartenstraße) stattfand. Neben zwei An- sprachen und einem durch Schüler dargebote- nen Musikprogramm trugen zwei Schülerinnen einen Überblick über das Leben des Seligen auf Polnisch und auf Deutsch vor, bevor der DFK- Vorsitzende Horst Ulbrich in Vertretung von Großdechant Franz Jung zusammen mit dem Musikalische Umrahmung Foto: DFK 14 Rundbrief 2/2020
Kriegsende 1945 So war es. War es so? [...] Am 12. Januar 1945 traten von der Weichsel Träume“ vor uns hinsummten: „In der Nacht ist aus die Erste Belorussische und die Vierte Uk- der Mensch nicht gern allein...“, das galt wohl rainische Armee aus dem Brückenkopf bei Ba- als „frivol“ oder „oh-la-la“. Gerhard Lerch aber ranow zur Großoffensive an und überschritten intonierte schon mal im Flüsterton: „HJ muss am 18. Januar die Grenze Schlesiens. Tausende weg, / das hat kein’ Zweck. / Der Jazz muss her, waren seit Herbst 1944 an den Wochenenden / das peitscht viel mehr!“ in Sonderzügen in die Nähe der ehemaligen deutsch-polnischen Grenze zum „Schippen“ Dann wieder wurden endlose Schlangen von transportiert worden, um Befestigungsanlagen russischen Kriegsgefangenen durch Altheide ge- zu bauen und Panzergräben auszuheben. trieben, weil ja im Osten die Front täglich näher rückte. Wir standen am Straßenrand, in sicherer Aber am 15. Februar 1945 war Breslau völlig Entfernung, und beobachteten die zerlumpten eingeschlossen und wurde, obwohl gänzlich und ausgemergelten Gestalten.[...] unbefestigt, zur „Festung“ erklärt. Die Verteidigungs- anlagen waren nach nicht einmal einem halben Tag von den Russen überrollt worden. Die „Festung Breslau“ kapitulierte erst am 6. Mai. so konnten wir uns im 90 Kilometer entfernten Bad Altheide bis dahin in relativer Ruhe wiegen. Flüchtlinge aus Nieder- und Oberschlesien, aus Ostpreußen und Pom- mern trafen seit Januar bei uns ein und wurden in den nun leerstehenden Kurpen- sionen untergebracht. Wir halben beim Ausladen ihrer Breslau 1945: Blick in Richtung St. Elisabeth. Foto: Henryk Makarewicz Habseligkeiten auf dem Bahnhof und kamen uns dabei einfach „toll“ Auch in Altheide waren Volkssturmeinheiten vor, wenn wir die halbe Nacht lang auf die mit aufgestellt worden. Ich sehe sie noch vor mir: großer Verspätung eintreffenden Züge warteten. alte Männer (so alt wie ich heute!) in Loden- [...] mänteln mit weißer Armbinde, umgehängtem Karabiner oder geschulterter Panzerfaust, Im Gymnasium in Glatz hatten wir nur noch wie sie zum Sportplatz marschieren, um dort drei Mal wöchentlich Unterricht, im Wechsel Schießübungen zu veranstalten. Sie wurden von mit dem Lyzeum und in Schichten vormittags kampferprobten, meist verwundeten Soldaten und nachmittags. Bald wurde der Unterricht mit Platzpatronen ausgebildet. [...] ganz eingestellt. Es blieb uns viel freie Zeit, in der wir „im Ort“, wie man sagte, herumlunger- Es gab nun keine „Sondermeldungen“ mehr, die ten, nach den Mädchen schielten und Marika mit Fanfarenklängen anzukündigen gewesen Rökks Filmschlager aus „Die Frau meiner wären. Keine Siegesmeldungen ..., keine flotten Rundbrief 2/2020 15
Kriegsende 1945 Kriegslieder... Stattdessen Durchhalteparolen: noch die Parole: Und willst du nicht mein Bru- „Berlin bleibt deutsch, Wien wir wieder deutsch der sein, so schlag ich dir den Schädel ein.“ [...] und Europa wird nie bolschewistisch werden!“ Man hörte Zarah Leander besonders oft im Ra- Am Ende der ersten Maiwoche verließ die dio: „Davon geht die Welt nicht unter“ und „Ich Gauamtsleitung dann Altheide, Bürgermeister T. weiß, es wirrrd einmal ein Wunder geschähn...“ floh mit dem Feuerwehrauto! Man wollte durch Wilhelm Strienz nölte „Tapfere kleine Soldaten- die Tschechoslowakei zu den Amerikanern braut“ [...] durchkommen. Nur wenigen gelang dies. Viele wurden zurückgeschickt und fielen den Russen Sonntagmorgen zwischen 11 und 12 Uhr ging in die Hände. So erging es jedenfalls den bedau- ich jetzt fast immer zur Post, um am Schalter ernswerten russischen Soldaten des Generals unsere Briefe abzuholen. Vor allem aber, um Wlassow, der 1942 in deutsche Gefangenschaft dort meine Freunde zu treffen. Mit ziemlicher und seit November 1944 auf deutscher Seite Regelmäßigkeit gab es während dieser Zeit gegen seine Landsleute kämpfte. Einen Tag „Voralarm“. Die Sirene vom Dach des gegen- vor Einzug der Roten Armee in Altheide ging überliegenden Gemeindeamtes jagte uns einen ich mit [meiner neun Jahre älteren Schwester] Schauer über den Rücken. Wir fanden das alles Dorle zu einer Bäckerei in Falkenhain, um Brot furchtbar aufregend. Wie wenig hatten wir zu holen. Unterwegs im Charlottenpark trafen selbst im Februar und März 1945 in Altheide wir auf einige Einheiten der Wlassow-Soldaten, vom Krieg bisher gemerkt! Auch der Luftalarm die dabei waren, ihre Waffen wegzuwerfen, um blieb ja Gott sei dank immer folgenlos, und sich auf eine Flucht ins Ungewisse in Richtung wenig später gab’s „Entwarnung“. [...] Westen zu machen. Ihre tieftraurigen Gesichter schienen ratlos ins Leere zu blicken. Keiner Am 20. April 1945, Hitlers 56. und letzten von ihnen soll überlebt haben. Als „Verräter“ Geburtstag, fand im Gasthaus Eisenhammer in wurden sie alle erschossen oder aufgehängt. der Höllentalstraße die letzte NS-Kundgebung in Altheide statt – eine gespenstisch anmutende Heinrich Bock (1931–2015): „So war es! – Szene! Ortsgruppenleiter und Bürgermeister T. War es so?“, in: Altheider Weihnachtsbrief, rief enthusiastisch aus: „Von jetzt an gilt nur Dezember 2007, S. 47–74 Als Kind am Kriegsende in Glatz Es war der 7. Mai 1945. Durch die Straßen Soldaten fuhren Richtung Tschechoslowakei von Glatz fuhren Lautsprecherwagen. Die und riefen: „Kommt uns nach!“ Es wurde auch Bewohner wurden aufgefordert, die Stadt zu am Bergblick von der Heeresnachrichtenschule verlassen – die Russen kommen. Die Eltern und auf Russen geschossen, Anlass, um die Stadt für Geschwister hatten schon Tage vorher Sachen eine Woche zur Plünderung freizugeben. gepackt. Abends habe ich noch vor der Hinter- tür des Hauses Schuhe geputzt und hörte dabei Onkel Robert erwartete uns mit seinem Ge- Geschützdonner. Vatel sagte: „Die Stalinorgel spann an der Straße von Glatz nach Rengersdorf spielt.“ unterhalb des Rottenhofes. Ich lief voraus, um unser Kommen anzukündigen. In Pilsch sah Am Morgen des 8. Mai haben wir uns auf den mich eine Bauersfrau alleine auf weiter Flur, Weg nach Altwilmsdorf zu Frankes [Herkunfts- hatte Mitleid mit dem „armen Jungen“, und gab familie der Mutter, Anm. d. Red.] gemacht. mir eine Butterschnitte mit auf den Weg. Einige aus der Nachbarschaft sind mit uns Frankes nahmen 42 Personen – Erwachsene, über die Pilscher Wiesen gegangen. Züge mit Jugendliche und Kinder – auf. Ein Massen- 16 Rundbrief 2/2020
Kriegsende 1945 quartier im 1939 neu errichteten Wohnhaus mit Badehose. Russen standen unterhalb vom Wehr zwei Etagen und Wirtschaftsgebäude. Vatel und am Ufersteg der Neiße und warfen Eierhandgra- meine Schwester Elli gingen noch am selben naten in den Fluss. Wir sprangen nach der Ex- Tag nach Glatz zurück. Meine Schwester Gretel plosion ins Wasser und holten die Fische heraus. war im fünften Monat schwanger. Zur Belohnung bekamen wir ein paar geschenkt. Wolfgang und trieben uns viel herum. Wir gingen Am 11. Mai erlebten wir die ersten Russen auf auch in die Badeanstalt, die am letzten Kriegs- dem Hof. Für die Mädchen und Frauen wurde tag gesprengt wurde, um nach etwas Brauch- auf dem Hof ein Versteck eingerichtet. Aber Elli barem zu suchen. Im Schwimmbecken lag ein konnte einer Vergewaltigung nicht entgehen. Soldat in Uniform. Ein Anblick, den ich nicht Die Russen nahmen nach der Plünderung auch vergessen kann. eine Kuh mit. Nach neun Tagen kam Vatel, um uns nach Glatz zurückzubringen. Auf den Pil- An einem Junitag, mittags, klopfte es an unse- scher Wiesen trafen wir Prälat Dr. Monse und rem Küchenfenster. Draußen stand Wolfgang Kuratus Ungrund beim Spaziergang und setzten mit zwei polnischen Milizern. Ich musste mit- den Weg gemeinsam fort. An der Neiße, kurz vor kommen. Wir durften nicht miteinander sprechen. dem Wehr, badeten nackte Russen. Dr. Monse Wir gingen in den Zeisigweg in die Wohnung hielt mir die Augen zu. Am Kreuzberg und meines Klassenkameraden Klaus Neumann. den anderen Straßen sah es schlimm aus. Es Wir mussten einzeln mit den Milizern ins Schlaf- lagen auch aufgeschlitzte Betten auf der Straße. zimmer. Dort sagte man mir: „Du hast am Brau- Schräg gegenüber unseres Hauses hatte sich nerberg im Steinbruch mit einer Pistole gespielt“, eine Frau mit ihren drei Töchtern vergiftet. Die was ich verneinte. Ich wurde solange mit einem Leichen wurden aus dem Haus getragen. Gummiknüppel auf den Rücken geschlagen, bis ich „Ja“ sagte. Dann ging es stadteinwärts. Auf Wir bekamen in den folgenden Tagen noch im- der Höhe der Molkerei in der Neulandstraße be- mer Russenbesuch, die nach Schnaps suchten. zogen wir erneut Prügel, bevor man uns laufen Die soffen auch Brennspiritus mit Wasser ließ. Wie es zu diesem Vorfall kam, ist für mich verdünnt. bis heute ein Fragezeichen. Schon im März waren Gretels Schwiegereltern Am 25. Juli wurde mein Neffe Jürgen geboren, vor den Russen aus Neiße zu uns nach Glatz zwei Monate zu früh. Sehr schwach, aber ge- geflohen. Leo war Regierungsinspektor gewe- sund. Viel änderte sich im Tagesablauf. Ich bin sen und sprach auch Polnisch, was für uns alle öfters nach Rengersdorf zu Tante Hildegard ge- damals sehr nützlich war. Wir zogen gemeinsam gangen, um Milch zu holen. Auf dem Rückweg auf Hamstertour. Es war damals kaum etwas le- ging ich über Schleichwege. Ich wollte nicht mit gal zu bekommen. Gretel sagte: „Ich weiß nicht, der Kostbarkeit erwischt werden. Einmal hat was ich kochen soll.“ Ich tauschte Durchschlag- mir ein Polenjunge vor der Haustüre die Milch papier zum Zigarettendrehen bei den Russen ausgegossen. Der Bursche muss in der Nachbar- gegen Lebensmittel aller Art. Ich klaute auch schaft gewohnt haben. Wenn er Wolfgang und Brot aus einer Lore, das zum Rösten aus der mich traf, grüßte er mit erhobener rechter Hand Bäckerei in ein entfernteres Gebäude gebracht „Heil Hitler“. Wir hätten ihn am liebsten in die wurde. Neiße geworfen. Im Juni wurde die Druckerei meines Vaters von Im August war dann die Taufe von Jürgen. Polen übernommen. Die neue Leiterin war sehr Nachmittags klingelte es an unserer Tür. Ein entgegenkommend zu ihm. Mann mit einem Milizer stand vor der Tür. Sie kamen in unsere Wohnung, sahen sich die Ich war ständig unterwegs, auch mit Wolfgang Zimmer an und beschlagnahmten unser Wohn- Fipper, meinem Freund aus der 10, beide in zimmer. Kurze Zeit später zog der Typ da ein. Rundbrief 2/2020 17
Kriegsende 1945 Nach kurzer Zeit zog noch eine Polin in unser Rückweg vom Krankenhaus ging ich immer Wohnzimmer ein, dann folgte die Mutter des noch zum Vatel in die Druckerei. Die polnische Polen. Frau Kors bei uns im Haus flog ganz aus Verwalterin gab mir immer 5 Zloty, damit ich ihrer Wohnung raus und der neue stellvertre- uns eine Semmel kaufen konnte. Das zog sich tende Bürgermeister zog ein. Es war abzusehen, bis etwa zum 10. Dezember hin. Die Winter- dass wir unsere Wohnung ebenfalls verlassen kleidung war rechtzeitig in der Druckerei in müssen. Auch in den Nachbarhäusern wurden Sicherheit gebracht worden, sodass es keine Zimmer und Wohnungen beschlagnahmt. Die Not gab. Ebenfalls vieles aus unserer Wohnung, bisherigen Bewohner wurden in Massenunter- Nähmaschine und ein großer Teil der Aussteuer künfte eingewiesen. Die Familie Fipper landete von der Gretel. Nach und nach wurde vieles auf im Schützenhof am Holzplan. dem Schwarzmarkt verkauft. Der Schwarzmarkt blühte auf dem Platz vor dem Stadtbahnhof. Vatel und Elli brachten Wertsachen, die Aus- Einige Tage nach dem Rauswurf aus unserer steuer von Gretel, Winterkleidung und vieles Wohnung klingelte ich an unserer Wohnungstür, mehr in einem Kellerraum in der Druckerei um mein Bett zu bekommen. Ich hatte Erfolg. unter. Muttel wurde schwach und krank und ins Der Pole fragte mich mit lauter Stimme nach Krankenhaus Scheibe am nördlichen Stadtrand meiner Nähmaschine und dem Bügeleisen. Als von Glatz mit Typhusverdacht eingewiesen. Ich die Tür geschlossen war, spuckte ich noch auf besuchte Muttel zweimal wöchentlich. die Türklinke. Anfang November mussten wir unsere Woh- Mittags brachte ich gelegentlich Vatel und Elli nung innerhalb von zehn Minuten räumen. Ich ein warmes Mittagessen in einer roten Wollde- war mit Gretel und dem kleinen Jürgen allein. cke verpackt in die Druckerei. Vor dem Stadt- Wir rafften zusammen, was möglich war. Das bahnhof auf dem Schwarzmarkt nahm man mir Bügeleisen versteckten wir im Kinderwagen. den Korb weg und ich war die Decke los. Einiges warf ich auch aus dem Fenster. Ich rannte schnell zu Kinscher am Christkindel- Am 5. Dezember kam Elli nach Altwilmsdorf, steig, gleich bei uns um die Ecke, die dann um uns nach Glatz ins Wasserwerk abzuholen. umgehend Vatel und Elli benachrichtigten. Wir In der Werkswohung wurde ein Zimmer frei. gingen dann mit einem Teil unserer Habe zum Sie spielte noch den Nickels (Nikolaus), um Onkel Sepp und seiner Familie im Wasserwerk. Gerhard, Reinhard und Herbert (6, 4 und 2 Jah- Noch am gleichen Abend machten wir uns – re) zu überraschen. Am folgenden Morgen ging Gretel, Elli und ich – mit dem Kinderwagen es dann mit dem Kinderwagen den üblichen auf den Weg zu Frankes nach Altwilmsdorf. Es Weg nach Glatz zurück. war ein Wagnis, denn Deutsche durften abends nicht auf die Straße, außerdem mussten sie eine Muttel wurde am 6. Dezember aus dem Kran- weiße Armbinde tragen. kenhaus entlassen. Elli und ich holten sie mit einem Handwagen in Scheibe ab. Sie wog nur Wir gingen ohne weiße Armbinde, hinter dem noch 44,5 Kilo. In Decken warm eingepackt roten Berg auf Feldwegen und den Kinderwa- und mit einem Schild „Uwaga tyfus“ (Vorsicht gen mit Jürgen über den Acker tragend. Zum Typhus) ging es Richtung Wasserwerk. Neben Glück hatten die Polen von dem Hof noch nicht dem Wasserwerk lag das Sellgittstift, ein Alten- Besitz ergriffen, sodass wir dort bleiben konnten heim mit einer Hauskapelle. Auf der anderen und Essen hatten. Muttel lag noch im Kranken- Seite ein Bauernhof mit Namen Adolf. Dort haus. Sie erfuhr nichts von unserem Rauswurf. lebten drei Jungen mit denen ich mich anfreun- Ich setzte meine Besuche bei ihr nun von Alt- dete. Die waren Ministranten im Altenheim. Ich wilmsdorf aus fort. Die Strecke hin und zurück lernte durch sie die Ministratur und wurde dort mit Abkürzungen über Feldwege hinter dem Messdiener. Roten Berg betrug ca. 30 Kilometer. Auf dem Klaus Simon (1936–2019) 18 Rundbrief 2/2020
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