Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren

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Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren
Vol. 11, No 2, 2016

                                                   www.akademien-schweiz.ch

Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes-
              und Sozialwissenschaften: Prinzipien,
                            Ansätze und Verfahren
         Ein Synthesebericht und Stellungnahmen aus den Fachgesellschaften
 der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW)
Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren
Der Diskurs um die Qualitäts- und Leistungsbeurteilung hat sich über die
letzten Jahre stark verändert. Die Idee der Vermessung ist, etwas verkürzt
formuliert, einer Idee der Selbstvergewisserung gewichen. In der Überzeu-
gung, dass der wissenschaftliche Alltag mit permanentem Beurteilen ein-
hergeht, stellt sich also in erster Linie die Aufgabe der Transparenz und der
Systematik. Damit sollte einsichtig sein, dass sich die Fachkreise an einer
kritisch-konstruktiven Debatte beteiligen sollen, um die Deutungshoheit über
ihr eigenes Tun und ihre Qualitätsdefinition zu wahren.
Die aus den Arbeiten einiger SAGW-Fachgesellschaften hervorgegangenen Vo-
ten und Erkenntnisse sind im zweiten Teil des Berichts abgebildet und kön-
nen als Ergänzungen zu den ebenfalls stark bottom-up geprägten Projekten des
SUK-Programms «Performances de la recherche en sciences humaines et so-
ciales» betrachtet werden, wobei sie jedoch als Positionsbezüge zu verstehen
und nicht mit der Erarbeitung möglicher Instrumente gleichzustellen sind.
Der erste Teil des Berichts wirft einen Blick auf die SAGW-Aktivitäten im
Themenbereich der vergangenen zwei Jahrzehnte, wobei die Position der Aka-
demie verdeutlicht wird. Dies geschieht unter Einbezug von sachdienlichen
Hintergrundinformationen. Ziel des Berichts ist, die disziplinenspezifische
Qualitäts- und Leistungsbeurteilung voranzutreiben, indem einerseits auf
vielversprechende Ansätze aus der Forschungstheorie hingewiesen wird und
andererseits den verdankenswerten Beiträgen der Mitgliedgesellschaften eine
Plattform gegeben wird.

Ces dernières années, le discours sur l’évaluation de la qualité et des perfor-
mances a profondément changé. Présenté de manière quelque peu simplifiée,
l’on constate que l’idée de mesure a cédé le pas à une perception d’affirmation
de soi. Alors que le quotidien scientifique est marqué par un besoin permanent
de juger, la transparence et la systématique sont des principes d’une impor-
tance primordiale. La participation des milieux spécialisés à un débat critique
et constructif s’avère pertinente, afin de préserver leur souveraineté en matière
d’interprétation de leurs actes et de définition de la qualité.
Les propos et constatations élaborés par certaines sociétés membres de l’ASSH se
trouvent en deuxième partie de ce rapport. Ils s’ajoutent ainsi aux projets du pro-
gramme CUS «Performances de la recherche en sciences humaines et sociales»,
également de type bottom-up, tout en se différenciant de ces derniers: au centre
se trouve la prise de position, et non le développement d’éventuels outils.
La première partie de ce rapport se consacre aux activités de l’ASSH dans ce
domaine durant les vingt dernières années, tout en explicitant la position de
l’Académie et en se basant sur des informations de fond pertinentes. Ce rapport
a pour but de promouvoir une évaluation de la qualité et des performances
propre aux disciplines des sciences humaines et sociales. Pour cela, il fait ré-
férence à des approches méthodologiques prometteuses et offre une plateforme
aux contributions précieuses des sociétés membres.
Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren
Swiss Academies Reports, Vol. 11, No 2, 2016   1

Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes-
              und Sozialwissenschaften: Prinzipien,
                            Ansätze und Verfahren
         Ein Synthesebericht und Stellungnahmen aus den Fachgesellschaften
 der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW)
Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren
Herausgeber
Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften,
Laupenstrasse 7, Postfach, 3001 Bern
Telefon +41 (0)31 306 92 50, sagw@sagw.ch
www.sagw.ch

Umschlag
Bild: Die Karotte am Stock – welche Anreize für die Qualitäts- und Leistungsbeurteilung?
Quelle: Gina Sanders, Fotolia.com

Layout
Delphine Gingin (SAGW)

Druck
Druck- und Werbebegleitung, 3098 Köniz

1. Auflage, 2016 (700 Expl.)
Die Broschüre kann kostenlos bezogen werden bei der SAGW
oder unter www.sagw.ch/publikationen.
© SAGW 2016

Copyright: © 2016 Akademien der Wissenschaften Schweiz. Dies ist eine
Open-Access-Publikation, lizenziert unter der Lizenz Creative Commons Attribution
(http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/). Der Inhalt dieser Publikation darf
demnach uneingeschränkt und in allen Formen genutzt, geteilt und wiedergegeben
werden, solange der Urheber und die Quelle angemessen angegeben werden.

Zitiervorschlag:
Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (2016)
Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften:
Prinzipien, Ansätze und Verfahren.
Swiss Academies Reports 11 (2).

ISSN (print): 2297 – 1815
ISSN (online): 2297 – 1823
Swiss Academies Reports, Vol. 11, No 2, 2016    3

Vorwort                                                                                                 5

Teil 1 | Ein Synthesebericht als Zwischenbilanz                                                         8
Rückblick: New Public Management in den Wissenschaften                                                  8
Die Position der SAGW                                                                                   13
Diskussion und Ausblick                                                                                 25

Teil 2 | Fach- und fachbereichsspezifische Zugänge der Fachgesellschaften                               35
Leistungs- und Qualitätsevaluation in den Asien- und Orientwissenschaften                              41
Stellungnahme der Schweizerischen Asiengesellschaft
Evaluation des performances et de la qualité dans les études asiatiques et orientales 49
Prise de position de la Société Suisse-Asie
Prise de position sur les Area Studies                                                                 57
Société suisse d’études africaines, Société suisse Moyen-Orient
et civilisation islamique et Société suisse des Américanistes
Positionspapier der Kultur- und Sozialanthropologien in der Schweiz
zur Qualitäts- und Leistungsevaluation in den Geisteswissenschaften                                    71
Schweizerische Ethnologische Gesellschaft
Die Beurteilung von Qualität in der Friedensforschung                                                  74
swisspeace
The Situation of Post-doctoral Political Scientists in Swiss Universities
and Research Institutes                                                                                82
Swiss Political Science Association
Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in der Kunstwissenschaft                                           87
Statement des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft SIK-ISEA
Environmental Humanities: Ein Experimentierfeld für die Weiterentwicklung
der Qualitätsbeurteilung von geisteswissenschaftlicher Forschung?                                      90
Schweizerische Akademische Gesellschaft für Umweltforschung und Ökologie (saguf)
4   Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren
Swiss Academies Reports, Vol. 11, No 2, 2016   5

Vorwort

Warum ein Synthesebericht, warum jetzt? Es lässt sich feststellen, dass sich der
Diskurs um die Qualitäts- und Leistungsbeurteilung über die letzten Jahre stark
verändert hat. Liessen sich in den 1990er-Jahren in der Gangart der Hochschul-
steuerung noch deutlich die Merkmale des New Public Management erkennen,
gelten Prinzipien der Rechenschaftslegung im Gegenzug zur zugestandenen Au-
tonomie zwar nach wie vor stark, doch musste man feststellen, dass bibliometri-
sche Verfahren in vielerlei Aspekten rasch an Grenzen stossen. Aktuell scheint
zumindest im Schweizer Kontext der Konsens gegeben zu sein, dass generi-
sche Indikatoren wenig über die wissenschaftliche Qualität in Forschung, Leh-
re, Nachwuchsförderung und Wissenschaftstransfer aussagen. Dies wird etwa
durch die SUK-Programme, lanciert von der Rektorenkonferenz der Schwei-
zer Universitäten, deutlich. Bereits das erste Projekt «Mesurer la performan-
ce de la recherche en sciences humaines et sociales 2008–2011» differenzierte
bei der Erarbeitung von Instrumenten zwischen verschiedenen Fachbereichen,
das Nachfolgeprojekt «Performances de la recherche en sciences humaines et
sociales» stärkt diesen fachspezifischen Zugang noch deutlicher. Die Idee der
Vermessung ist, etwas verkürzt formuliert, einer Idee der Selbstvergewisserung
gewichen, man spricht von Evaluation oder Beurteilung und vom diszipli-
nenspezifischen Qualitätsverständnis. Mit der 2013 veröffentlichten Schrift des
SWIR «Leistungsmessung und Qualitätssicherung in der Wissenschaft. Zielge-
richteter und vernünftiger Einsatz von Leistungsmessung und Evaluation in der
Wissenschaft – Zehn Thesen» wird ganz explizit für einen vernünftigen Einsatz
von Evaluationsprozessen plädiert.

Die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW)
erachtet eine aktive Auseinandersetzung mit den Grundsätzen der Qualitäts-
und Leistungsbeurteilung als notwendig. So stellt sie sich keineswegs dagegen,
ruft aber zu einem Schritt zurück auf: Gefragt werden muss danach, ‹wie› evalu-
iert werden soll, d.h. anhand von welchen Kriterien und mit welchen Verfahren
eine bestimmte Leistung evaluiert werden soll. Schliesslich gilt es, die Frage
nach dem ‹Was› zu klären, wobei die Leistungsart oder die Leistungsdimension
zu klären ist. In der Überzeugung, dass der wissenschaftliche Alltag mit perma-
nentem Beurteilen einhergeht, stellt sich also in erster Linie die Aufgabe der
Transparenz und der Systematik. Mit der Wie-Frage soll eine disziplinengerech-
te Evaluation ermöglicht werden, mit der Was-Frage gehen vorwiegend strate-
gische Überlegungen und Positionierungen einher. Damit verbunden sind dann
6   Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren

auch Entscheide über Allokationen, die den Ressourceneinsatz einer Fakultät,
eines Departements oder eines Ordinariates Rechenschaft festlegen.

Damit sollte einsichtig sein, dass sich die Fachkreise an einer kritisch-kon-
struktiven Debatte beteiligen sollen, um die Deutungshoheit über ihr eigenes
Tun und ihre Qualitätsdefinition zu wahren. Bereits im 2012 erschienenen Posi-
tionspapier «Für eine Erneuerung der Geisteswissenschaften» nahm die SAGW
ihre Fachgesellschaften in die Pflicht, sich zu diesen zentralen Punkten zu äus-
sern. Einige der SAGW-Fachgesellschaften haben diese Rolle mit der Lancierung
von disziplinären und fachbereichsspezifischen Projekten wahrgenommen, wo-
bei eine Selbstverständigung über Gütekriterien initiiert werden sollte. Einige
der Projekte fanden ihren Abschluss in den Jahren 2014 und 2015 und werden
im zweiten Teil des vorliegenden Berichts publiziert sowie im Fazit auf Ge-
meinsamkeiten und Unterschiede untersucht. An dieser Stelle sei auf die he-
terogene Ausrichtung dieser Projekte verwiesen. Einige der Fachgesellschaften
haben sich auf die Bestimmung von Qualitätskriterien für die Beurteilung ihrer
Forschung konzentriert, andere haben vorwiegend Grundsätze formuliert, die in
der Evaluationspraxis berücksichtigt werden sollten. Die aus den Arbeiten der
Fachgesellschaften hervorgegangenen Voten und Erkenntnisse können als Er-
gänzungen zu den ebenfalls stark bottom-up geprägten Projekten des SUK-Pro-
gramms betrachtet werden, sind jedoch als Positionsbezüge nicht mit der Erar-
beitung möglicher Instrumente gleichzustellen.

Der erste Teil des Berichts beginnt mit einem kurzen Rückblick auf die 1990er-
Jahre, in denen das New Public Management den Paradigmenwechsel «Input
is out, output is in» auf der Ebene der Hochschulpolitik begründete. Mit die-
sem Blick auf die vergangenen zwei Jahrzehnte werden auch die SAGW-Akti-
vitäten im Themenbereich angesprochen, die in verschiedenen Tagungsakten
und einem Sonderbulletin umfassend dokumentiert sind. Im Anschluss wird
die 2012 vorgenommene Positionierung der SAGW in den Empfehlungen «Für
eine Erneuerung der Geisteswissenschaften» in ihrem Kontext diskutiert. Dies
geschieht unter Einbezug von sachdienlichen Hintergrundinformationen, sei-
en dies für die Geisteswissenschaften relevante Ansätze und Erkenntnisse der
Evaluationsforschung, oder aber Bezüge zu anderen wissenschaftspolitischen
Institutionen, die die SAGW-Position stärken, illustrieren oder unterstreichen.
Abschliessend sollen in der Diskussion die strategische Bedeutung sowie die
Chancen und Potenziale einer vernünftigen Evaluationspraxis für die Stärkung
der Geisteswissenschaften angesprochen werden, wobei der Blick auf die den
Geisteswissenschaften eigenen Herausforderungen im aktuellen gesellschaft-
lichen und hochschulpolitischen Kontext geöffnet wird.
Swiss Academies Reports, Vol. 11, No 2, 2016   7

Ziel des Berichts ist, die disziplinenspezifische Qualitäts- und Leistungsbeur-
teilung voranzutreiben, indem einerseits auf vielversprechende Ansätze aus der
Forschungstheorie hingewiesen wird und andererseits den verdankenswerten
Beiträgen der Fachgesellschaften eine Plattform gegeben wird. Bedauerlicher-
weise kann vielen auch internationalen Studien und Vorstössen, wie etwa den
Publikationen der Royal Netherlands Academy of Arts and Sciences (KNAW)1
auf der Ebene der Fächerkonglomerate, der Resolution of RIHA aus den Kunst-
wissenschaften oder dem Grossprojekt des 7. Rahmenprogramms der Europe-
an Commission «European Educational Research Quality Indicators» (EERQI)2,
nicht vertieft Rechnung getragen werden. An dieser Stelle verweisen wir gerne
auf die «Arts and Humanities Research Assessment Bibliography» (AHRABi)
(Peric et al. 2013)3, eine Publikationsdatenbank der ETHZ, die einschlägige Pu-
blikationen zum Thema integriert und die Breite der Thematik hervorragend
dokumentiert.4

Marlene Iseli

1   Die Publikationen «Quality indicators for research in the humanities» und «Towards a framework for the quality
    assessment of social science research» stehen beide unter www.sagw.ch/quali (theoretische Grundlagen) zum
    Download bereit.
2   www.eerqi.eu, siehe auch SAGW-Bulletin 2/2011, S. 54/55.
3   Die Datenbank wurde im Rahmen des CRUS-Projekts «Qualitätskriterien für die Forschung in den Geisteswissen-
    schaften» (mehr dazu siehe weiter unten) entwickelt.
4   Für die wiederholte, ergänzende Besprechung des Berichts danke ich Dr. Alexander Hasgall, Wissenschaftlicher
    Koordinator, SUK-Programm P3, und Dr. Markus Zürcher, Generalsekretär der SAGW. Selbstverständlich liegt die
    Verantwortung für sämtliche Aussagen bei der Autorin.
8   Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren

Teil 1 | Ein Synthesebericht als Zwischenbilanz

Rückblick: New Public Management in den Wissen-
schaften

Marlene Iseli

«Die bisherige Kultur wissenschaftlicher Autonomie verschiebt sich in Richtung
einer Kultur der öffentlichen Rechnungslegung. Nicht nur Rechenschaft über die
erbrachten Leistungen, sondern auch Mitsprache wird eingefordert.» (Nowotny
1998, zitiert nach Zürcher 1999: 30)

In den frühen 1990er-Jahren sind die Fragen der Potenziale und Möglichkeiten
rund um die Bibliometrie auch in der Schweiz angekommen. Im Ausland bereits
vermehrt zur Messung der wissenschaftlichen Leistung eingesetzt, wandte sich
der damalige Schweizerische Wissenschaftsrat (SWR) bibliometrischen Indika-
toren zu und publizierte mehrere Studien zu deren Anwendung. Die Aufgabe
lautete, quantitative Kennzahlen in ihrer sinnvollen Verknüpfung zu einem Ab-
bild wissenschaftlicher Leistung zusammenzuziehen, an dem sich politische
und strategische Entscheidungen und Steuerungsprozesse orientieren können.
Mit Hilfe von bibliometrischen Verfahren – so hoffte man zu dieser Zeit – dürf-
te es möglich werden, Instrumente zur objektiven und vergleichenden Beur-
teilung des wissenschaftlichen Outputs zu erarbeiten. Heute herrscht über die
verschiedenen Fachbereiche hinweg weitgehend Konsens, dass die Bibliometrie
lediglich einen Teil der wissenschaftlichen Leistung partiell zu erfassen vermag.
Auch ist bekannt, dass die Entwicklung der Bibliometrie ursprünglich im Zu-
sammenhang mit der Inventarisierung von Bibliotheksbeständen steht und eine
lange Historie aufweist.

Im Kontext der Vernehmlassung zum revidierten Hochschulförderungsgesetz5
war man jedoch bestrebt, im Wettbewerb um Subventionen und mit Verein-
barungen zur Arbeitsteilung, mit einer Qualitätskontrolle von oben und mit

5   1999 wurde das Bundesgesetz über die Förderung der Universitäten und über die Zusammenarbeit im Hochschul-
    bereich (UFG) implementiert.
Swiss Academies Reports, Vol. 11, No 2, 2016   9

dem Erfassen von Studierendenzahlen als Leistungsindikator marktwirtschaft-
liche Instrumente auch für den Hochschulbereich anzuwenden (Zürcher 1999:
8). Der Geist des New Public Management war angekommen. Das Credo war,
vermehrt von der kostenorientierten und nach Finanzkraft der Kantone abge-
stuften Finanzierung wegzukommen und sich neu hin zu einer leistungsori-
entierten Berechnung der Ressourcen auszurichten (Zürcher 1999: 10). In der
Logik, dass mit mehr Autonomie in den Hochschulen mehr Berichtspflichten
und leistungsbasierte Steuerungsinstrumente einhergehen, mussten sich die
Universitäten diesen Aufgaben stellen. Die Notwendigkeit einer umfassenden
Rechenschaftslegung wurde von der Schweizerischen Akademie der Geistes-
und Sozialwissenschaften (SAGW) im Bewusstsein um ein verändertes Verhält-
nis zwischen Universität und Öffentlichkeit zugestanden, die dafür vorgesehene
Beurteilungsgrundlage hingegen deutlich kritisiert:

   Im Interesse einer soliden gesellschaftlichen Verankerung von Wissenschaft und
   Forschung ist dem legitimen Bedürfnis nach öffentlicher Rechenschaftslegung
   nachzukommen. Eine äusserst reduzierte Leistungsbuchhaltung auf fragwürdi-
   ger Grundlage reicht dazu nicht aus. Notwendig ist ein langfristig ausgerichtetes
   Monitoring, welches den gesellschaftlichen Kontext angemessen einzubeziehen
   vermag. (Zürcher 1999: 40)

Es galt also, angemessene Indikatoren für die Evaluation der Qualität und Leis-
tung einer zunehmend outputorientierten Hochschulsteuerung zu definieren,
um in der etablierten Philosophie der unbedingten accountability bestehen zu
können. Die Qualitätssicherung als Pfeiler der stark privatwirtschaftlich ausge-
richteten governance fand schliesslich einen weiteren Ausdruck in der Grün-
dung des Organs für Akkreditierung und Qualitätssicherung (OAQ) im Jahr
2001, einer unabhängigen Institution, zu deren Aufgaben die Sicherung und
Förderung der Qualität von Lehre und Forschung an den Schweizer Hochschu-
len sowie die Entwicklung von Richtlinien und Qualitätsstandards gehören. Das
OAQ konzentriert sich weitgehend auf generische Indikatoren und bleibt da-
mit bei seinen Evaluationsabläufen auf einer übergeordneten und wenig spezifi-
schen Ebene, weshalb sich der Einzelforscher durch sein Wirken wenig bedroht
fühlen dürfte.

Ganz anders betroffen fühlten sich die Akteure der geistes- und sozialwissen-
schaftlichen Zunft hingegen bei der Bekanntgabe des Entscheids des Eidge-
nössischen Departements des Innern im Jahre 2000, keines der eingegangenen
Proposals aus den Geistes- und Sozialwissenschaften im Rahmen der Ausschrei-
bung der Nationalen Forschungsschwerpunkte (NFS) für eine Finanzierung zu
10    Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren

berücksichtigen. Es war weniger der Entscheid an sich, der gerade in den So-
zialwissenschaften zu heftigen Diskussionen führte, sondern vielmehr dessen
Begründung, «dass es an den notwendigen Kriterien für eine international ver-
gleichende Beurteilung der Qualität geistes- und sozialwissenschaftlicher For-
schung mangle» (SAGW 2001: 34). In der Konsequenz wurde 2001 eine von der
SAGW organisierte Veranstaltung mit dem Titel «Welche Qualität in den Sozi-
alwissenschaften? – Ansätze, Erfahrungen, Perspektiven» durchgeführt, bei der
unter anderem die Spezifizität der Sozialwissenschaften deutlich gemacht wird:

     […] ils [les chiffres] ne doivent toutefois pas faire oublier l’extraordinaire diver-
     sité et la fragmentation du champ des sciences sociales, divisé entre de multi-
     ples disciplines à travers des institutions souvent très petites, dans un paysage
     culturellement et linguistiquement disparate, sans parler de l’hétérogénéité des
     paradigmes épistémologiques. (Hutmacher 2001: 7/8)

Diese Spezifizierung soll auch im späteren Diskurs vonseiten der Sozial- wie
auch der Geisteswissenschaften eine entscheidende Rolle im argumentativen
Widerstand gegenüber der Qualitätsbeurteilung spielen, im Rahmen der Ver-
anstaltung von 2001 ist sie hingegen als Prämisse zu verstehen. Im Jahr 2007
veröffentlicht das Zentrum für Wissenschafts- und Technologiestudien (CEST)
eine seiner letzten Publikationen: «Darstellung, Vergleich und Bewertung von
Forschungsleistungen in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Bestandesauf-
nahme der Literatur und von Beispielen aus dem In- und Ausland», die eine
wichtige Grundlage für das 2008 initiierte dreijährige SUK-Programm «Mesurer
la performance de la recherche»6 darstellt. Legitimiert wird eine intensivierte
Evaluationsmaschinerie im Kontext der Implementation des Bologna-Systems
mit der Begründung, dass die Forschung als wichtiger Beitrag zum Erfolg eines
Innovationsstandortes gilt, weshalb sich die «wissenschaftspolitischen Akteu-
re eines Landes daran interessiert [zeigen], dass die von der öffentlichen Hand
investierten Gelder gut angelegt sind und den grösstmöglichen wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Nutzen generieren» (CEST 2007: 3). Die Ausgangslage
für die Geistes- und Sozialwissenschaften verdeutlicht erneut deren Sonder-
stellung, der im Rahmen der von der Rektorenkonferenz der Schweizer Univer-
sitäten (CRUS) finanzierten Projekte gesondert Rechnung getragen werden soll.
Dabei wird eingeräumt, dass sich bibliometrische Analysen stark auf Metho-
den und Daten einer naturwissenschaftlichen Forschungspraxis ausrichten und

6    Siehe dazu für mehr Informationen den Schlussbericht «Mesurer les performances de la recherche» der Rektoren-
     konferenz der Schweizer Universitäten (CRUS).
Swiss Academies Reports, Vol. 11, No 2, 2016   11

den geistes- und sozialwissenschaftlichen Merkmalen, wie sie im Folgenden
beschrieben werden, wenig Beachtung schenken:
– Inhalt: Mensch und Gesellschaft, regionale Themen;
– Forschungsorganisation: Einzelforscher überwiegt;
– Forschungsprozess: Wissen wird immer wieder hinterfragt, kein «finales»
   Ergebnis, Wissen veraltet nicht;
– Bezugspunkte Raum, Kultur und Sprache: regionale Themen, aber auch
   regionales Publikum, Verwendung der Nationalsprache bei geringer Be-
   deutung einer gemeinsamen Wissenschaftssprache;
– Forschungsoutput: Neben Publikationen sind andere, auch populärwissen-
   schaftliche Werke und ausserwissenschaftliche «Produkte» ebenso wichtig;
– Publikationspraxis: bevorzugt Monographie und Sammelband; Artikel
   in Zeitschriften regionaler Bedeutung; «Fragmentierung» der Forschung:
   kein bestimmtes Set von «guten», internationalen Zeitschriften, das als
   Benchmark gelten könnte.
                                                            (CEST 2007: 3/4)

Auch werde bei der Entwicklung von Instrumenten zu wenig nachgedacht über
die Rolle und den Beitrag in den verschiedenen gesellschaftlichen Sphären der
einzelnen Wissenschaften, denen unterschiedliche Aufgaben zukommen (CEST
2007: 4).

Trotz dieser Offenlegung der Besonderheiten geistes- und sozialwissenschaftli-
cher Praxis verweigern sich betroffene Forschende wiederholt Projekten, die in
der Absicht einer adäquaten Evaluation für solche Disziplinen initiiert wurden.
So gab es etwa nicht nur ermutigende Voten7 gegenüber dem stark bottom-up
ausgerichteten Forschungsprojekt «Entwicklung und Erprobung von Qualitäts-
kriterien für die Forschung in den Geisteswissenschaften»8 zu verzeichnen, und
in Deutschland kam es zu Widerständen in Historikerkreisen, an einem gross-
angelegten Projekt des Deutschen Wissenschaftsrats9 mitzuwirken.

7   Siehe dazu den Artikel «Die Angst vor der Vermessung des Geistes» von Markus Binder, erschienen in der NZZ
    vom 11. Oktober 2010.
8   Das Projekt wurde von Michael Ochsner, Sven Hug und Hans-Dieter Daniel (ETHZ) durchgeführt und verfolgte das
    Ziel, Qualitätskriterien für die Geisteswissenschaften von den Akteuren der deutschen und englischen Literatur-
    wissenschaften sowie der Kunstwissenschaften definieren zu lassen.
9   Schliesslich willigten die Anglisten ein, am Forschungsrating zur Erarbeitung von «Empfehlungen zur Zukunft des
    Forschungsratings» mitzuwirken.
12   Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren

Die Ursachen für diesen Widerstand dürften vielgestaltig sein: Neben einer
fundamentalen Ablehnung von Quantifizierungen in einem solch komplexen
Bereich, von marktorientierten Instrumenten, von der Gleichmachung höchst
unterschiedlich ausdifferenzierter Wissenschaftszweige, ist mit Sicherheit die
Angst vor Dysfunktionalitäten gross. Wie sich Anfang 2014 in der Diskussion
rund um die nicht replizierbare, innovationsgetriebene und einer Qualitätssi-
cherung zunehmend nicht mehr unterziehbare Medizinalforschung gezeigt hat,
sind solche Ängste nicht unbegründet, was mit dem Erfolg der «San Francis-
co Declaration on Research Assessment» verdeutlicht und jüngst auch durch
das «Manifesto to advance Data Access und Research Transparency (DART)»10
für die Sozialwissenschaften unterstrichen wurde. Läge hier nicht gerade eine
Möglichkeit vor, solche Dysfunktionalitäten aufzuzeigen? Dürfte nicht davon
ausgegangen werden, dass kritische Stimmen laut werden, so dass eine mani-
feste Auseinandersetzung im öffentlichen Diskurs stattfindet? Doch gleicht die
nicht übersehbare Passivität einer einkehrenden Resignation. Es kann lediglich
darüber spekuliert werden, ob das durch Erfahrungen genährte Bewusstsein um
eine Vielzahl unerwünschter Nebeneffekte von Entscheidungen im akademi-
schen Alltag – gekoppelt an eine den Geisteswissenschaften inhärente minuzi-
öse Gesamtanalyse vorliegender Phänomene – zu einer Überforderung führen
könnte, wenn strategische Entscheidungen nicht nur bis zu den disziplinären
Grenzen ausgeleuchtet werden müssen, sondern auch noch andere Sphären mit
anderen Interessenlagen hineinspielen. Soll man im Namen der internationa-
len Ausstrahlung und mit Blick auf den Zitationsindex ausschliesslich in engli-
scher Sprache publizieren? Soll man sich auf (internationale) Kooperationspro-
jekte konzentrieren, als junger Forschender interdisziplinäre Projekte anreissen,
wenn bei Berufungsverfahren meist stark disziplinäre Spezialisierungen nach-
gefragt werden? Dass hier eine Ausblendung, eine Disqualifizierung oder zumin-
dest eine ablehnende Haltung gegenüber solcher Zielkorridore ausserhalb des
Kerngeschäfts (wie sie die Qualitätsmessung in dieser Optik verkörpert) zum
Tragen kommen kann, ist eigentlich nicht erstaunlich.

Die SAGW erachtet jedoch eine Verweigerung gegenüber Evaluationen unter Re-
kurs auf eine Sonderstellung vonseiten der Geistes- (und Sozial-)wissenschaften
als langfristig wenig opportun.

10   Diese Initiative geht auf das Schweizer Kompetenzzentrum für Sozialwissenschaften (FORS) zurück und wurde
     anlässlich einer gemeinsam mit der SAGW durchgeführten Tagung (November 2014) zur Diskussion gestellt.
Swiss Academies Reports, Vol. 11, No 2, 2016   13

Die Position der SAGW
«We don’t want it, because we don’t have to, because we don’t need it, because
we are not like the others, and therefore we don’t like it, and they shouldn’t force
us, because they don’t know us, because they don’t understand us, because they
don’t love us.» (Van den Akker 2011: 52)

2009 lancierte die SAGW ein neues Projekt mit dem Titel «Wissenschaftskultur
in den Geisteswissenschaften». In der Annahme, dass die Geisteswissenschaften
im Vergleich zu den Sozialwissenschaften mehr Mühe bekunden würden, sich
im aktuellen hochschulpolitischen Feld positiv zu positionieren, wurden im
Rahmen einer dreitägigen Veranstaltung die vier hauptsächlichen Handlungsfel-
der wissenschaftlicher Praxis zur Diskussion gestellt. Die Themenfelder wurden
jeweils aus der Innen- und Aussensicht und unter einem spezifischen Proble-
matisierungsbegriff durchleuchtet, der die aktuelle Problemlage verdeutlichen
sollte: Forschung im Zeichen der Projektifizierung, Lehre im Zeichen von Em-
ployability, Hochschulsteuerung im Zeichen von Qualität und Leistung sowie
Öffentlichkeiten im Zeichen der Nutzung betreffen allesamt direkt oder indirekt
den Kontext oder die Materie der Qualitäts- und Leistungsbeurteilung. So im-
pliziert der jeweilige Problematisierungsbegriff einen in der Hochschulpolitik
breit abgestützten Sollzustand, dem die Geisteswissenschaften unterschiedlich
ausgeprägt entsprechen können und wollen. Im Nachgang der Veranstaltung
wurde auf der Grundlage der Tagungsakten, der intensiven Diskussion mit den
Veranstaltungsteilnehmenden sowie der umfangreichen Begleitdokumentation
der Tagung11 ein Positionspapier12 erstellt, das sowohl von mehreren peers wie
auch vom Vorstand der SAGW begutachtet und verabschiedet wurde und eine
breite Konsultation bei den geisteswissenschaftlichen Akteuren durchlief. Im
Gegensatz zu den beiden Bereichen Lehre («Die Gestaltung der Curricula») und
Forschung («Die universitäre Strukturierung der Geisteswissenschaften») erfuh-
ren die Empfehlungen zum Bereich der Qualitäts- und Leistungsbeurteilung13
in Lehre und Forschung vonseiten der Empfänger – zumindest von denjenigen,

11   Siehe dazu www.sagw.ch/geisteswissenschaften sowie die auf dieser Website publizierten «Stichworte zur aktuel-
     len Lage der Geisteswissenschaften», erarbeitet von Fritz Böhler und Sabine Maasen vom ehemaligen Programm
     für Wissenschaftsforschung der Universität Basel.
12   Positionspapier: Für eine Erneuerung der Geisteswissenschaften. Schweizerische Akademie der Geistes- und
     Sozialwissenschaften. Bern, Eigenverlag, 2012. Man nehme zur Kenntnis, dass für die vorgängige Veranstaltung
     «Für eine neue Wissenschaftskultur der Geisteswissenschaften?» noch ein Fragezeichen gesetzt wurde, welches
     im Titel der publizierten Positionseinnahme nicht mehr figuriert.
13   In der Publikation wird noch von Qualitäts- und Leistungsmessung gesprochen. Im Laufe der Diskussionen rund
     um das Positionspapier wurde deutlich, dass der Begriff «Beurteilung» auf mehr Akzeptanz bei den betroffenen
     Akteuren stösst. Er wird daher seither konsequent bevorzugt.
14   Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren

die sich dazu geäussert haben – praktisch ausnahmslos Zustimmung. Dies ist
sicherlich auch der wenig provokativen oder gering innovativen Natur dieser
Empfehlungen geschuldet, die für die Operationalisierung noch keine Antwor-
ten liefern können, jedoch den Rahmen für einen sinnvollen Umgang mit Beur-
teilungsprozeduren klar abstecken.

Die SAGW-Politik: Das Positionspapier

Der kurz gehaltene Text plädiert dafür, dass auch in den Geisteswissenschaf-
ten eine systematische und für Aussenstehende transparente Qualitäts- und
Leistungsbeurteilung umzusetzen ist. Im Folgenden werden die von der SAGW
postulierten Merkmale einer adäquaten Beurteilung im Einzelnen vorgestellt
und mit Kommentaren zu möglichen theoretischen Ansätzen und Anwendun-
gen versehen.

 Angemessen ist eine Qualitäts- und Leistungsmessung,
 –     wenn sie auf einer partizipativ ausgestalteten, mehrstufigen Verständigung –
       über die Qualitätskriterien, über die Evaluationsgegenstände, über die zu
       beurteilende Organisationseinheit und über die Ziele und die Verwendung der
       Resultate – beruht.
 –     wenn sie die betroffene scientific community – die Fachgesellschaften – einbe-
       zieht.
 –     wenn sie die Stärken von peer review und Messung verbindet und Indikatoren
       nur dazu verwendet, eine informed peer review zu ermöglichen.
 –     wenn sie nachgewiesene Qualität auch sichtbar und zitierbar macht.
 –     wenn sie der Mehrdimensionalität geisteswissenschaftlicher Arbeit Rechnung
       trägt. Wichtige Leistungsdimensionen sind die Qualität und Reputation von
       Forschung und Lehre, die Nachwuchsförderung und der Wissenstransfer.
 –     wenn sie die Grenzen der Messbarkeit anerkennt – etwa mit Blick auf die zeitlich
       verzögerte, langfristige Wirkung geisteswissenschaftlicher Forschung.
 –     wenn sie nicht auf Kontrolle, sondern auf Befähigung und Verbesserung abzielt.
       Beurteilt werden sollen nicht primär Individuen, sondern grössere Einheiten
       (Institute, Departemente, Fakultäten).
                                                                       (SAGW 2012b: 36)
Swiss Academies Reports, Vol. 11, No 2, 2016   15

Erster Punkt

Angemessen ist eine Qualitäts- und Leistungsbeurteilung,
–     wenn sie auf einer partizipativ ausgestalteten, mehrstufigen Verständigung – über
      die Qualitätskriterien, über die Evaluationsgegenstände, über die zu beurteilende
      Organisationseinheit und über die Ziele und die Verwendung der Resultate – beruht.

Kommentar: Die Mehrdimensionalität der wissenschaftlichen Aktivitäten wird
beispielsweise im Projekt «Measuring Research Output in Communication
Science between international benchmarks, cultural differences and social re-
levance»14 sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Im Wissen um eine grosse Di-
versität in der Ausrichtung von kommunikationswissenschaftlichen Einheiten
in der Schweizer Hochschullandschaft veranschaulicht das Projekt sehr gut die
Orientierung, die Priorisierung und die Positionierung einer wissenschaftlichen
Einheit oder von Instituten. Während sich einige verstärkt auf den Bereich des
Wissenstransfers (privat oder öffentlich) konzentrieren, fokussieren andere etwa
den Bereich der Weiterbildung oder der Ausbildung (BA oder MA).

Abbildung: Examples of profiles. Measuring Research Output in Communication Sciences between benchmarks, cultural
differences and social relevance (Ingenhoff 2013)

14   Das Projekt wurde im Rahmen des SUK-Programms 2008–2011 «Mesurer la performance de la recherche» unter der
     Leitung von Benedetto Lepori (USI) und Diana Ingenhoff (Universität Fribourg) durchgeführt.
16   Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren

Zweiter Punkt

Angemessen ist eine Qualitäts- und Leistungsbeurteilung,
– wenn sie die betroffene scientific community – die Fachgesellschaften – einbezieht.

Kommentar: Die Bedeutung der Fachgesellschaften für diese Rolle ist unbe-
stritten. Es dürfte allerdings illusorisch sein, davon auszugehen, dass die Vor-
stellung von Qualität zwischen den Repräsentanten einer einzelnen Disziplin
identisch ist. In ihrem Projekt «Entwicklung und Erprobung von Qualitätskrite-
rien für die Forschung in den Geisteswissenschaften» haben Michael Ochsner,
Sven Hug und Hans-Dieter Daniel (ETHZ) aufgezeigt, dass gemäss den befragten
Forschenden (deutsche und englische Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte)
vier Typen geisteswissenschaftlicher Forschung einen Referenzrahmen für die
Diskussion von Qualitätskriterien bilden. Dabei können die mit den Attributen
«modern» und «traditionell» versehenen Forschungskonzeptionen jeweils po-
sitiv und negativ konnotiert sein. So wird etwa das positiv konnotierte Konzept
der Autonomie im negativ konnotierten Referenzrahmen zur negativ konnotier-
ten Isolation. Dieses Modell verdeutlicht sehr schön, dass sich die Forschungs-
qualität unter verschiedenen Gesichtspunkten bewerten lässt, und zeigt auf, in-
wiefern ein unterschiedliches Forschungsverständnis die Qualitätsbeurteilung
innerhalb der scientific communities beeinflussen kann.

                                                                                                              Abbildung: The four types of
                                                                                                              humanities research (deut-
                                                                                                              sche Version der Abbildung
                                                                                                              von Ochsner et al. 2013: 86)
Swiss Academies Reports, Vol. 11, No 2, 2016   17

Dass jedoch konsensuelle Vorstellungen bezüglich der Wichtigkeit verschie-
dener Kriterien in den Geisteswissenschaften sehr wohl existieren, zeigt die
folgende Illustration. Die orange gedruckten Kriterien wurden von allen drei
wissenschaftlichen Disziplinen als zu berücksichtigende Kriterienkategorien
betrachtet, die blau markierten hingegen nur von deren zwei. Interessant ist hier
der Mismatch zwischen den Qualitätsvorstellungen der Forschenden und der
häufig bei Evaluationen eingesetzten Kriterien.

Abbildung: Mismatch der Qualitätsvorstellungen der Forschenden und der häufig eingesetzten Kriterien (leicht abgeänderte
Darstellung von Ochsner, Hug & Daniel 2012b: 4)

Im Artikel von Ingo Plag «Forschungsrating der Anglistik/Amerikanistik: Ana-
lysen und Reflexionen zur Bewertung von Forschungsleistungen in einer Phi-
lologie» (Plag 2013) wird deutlich, dass es bei den Beurteilungen der peers der
für das Projekt berücksichtigten Dimensionen15 wenig Abweichungen gibt. Le-
diglich beim Bewertungskriterium «Transfer» korrelierten die Einschätzungen
nicht gleich stark.

15   Beim Projekt des deutschen Wissenschaftsrats zum Forschungsrating wurden die vier Bewertungskriterien
     Forschungsqualität, Reputation, Forschungsermöglichung und Transfer (mit den jeweiligen Bewertungsaspekten)
     berücksichtigt. Siehe dazu auch weiter unten.
18    Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren

Dritter Punkt

Angemessen ist eine Qualitäts- und Leistungsbeurteilung,
–     wenn sie die Stärken von peer review und Messung verbindet und Indikatoren nur
      dazu verwendet, eine informed peer review zu ermöglichen.

Kommentar: Ein kurzer Exkurs auf die SAGW-Initiative im Rahmen der quali-
tativen Sozialforschung verdeutlicht, inwiefern die Verständigung über die Prä-
missen und paradigmeneigenen Gütekriterien zur Beurteilung von Forschung
wesentlich ist. Anstoss zur Initiative war u.a. die Einsicht, dass teilweise auch
bei der Begutachtung von Projekteingaben beim SNF interessante Projekte auf-
grund von deren methodologischem Zugang abgelehnt wurden, da sie den Vor-
stellungen der Begutachter und somit deren Qualitätskriterien nicht entspra-
chen16. Das folgende Zitat unterstreicht daher den Grundsatz der notwendigen
Verständigung, welche Kriterien für eine Beurteilung als adäquat gelten können:

     Jede Qualitätsbeurteilung einer qualitativen Studie muss die Prämissen, auf
     denen die Studie beruht, berücksichtigen. Jedes qualitative Forschungsprojekt
     muss anhand des ihm zugrunde liegenden Paradigmas beurteilt werden. (SAGW
     2010: 20)

Die informed peer review kennt viele Befürworter17, kann sich jedoch in einem
nicht angemessenen Rahmen auch als problematisch erweisen. In der vom
Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierat (SWTR, heute SWIR) 2013
veröffentlichten Studie «Leistungsmessung und Qualitätssicherung in der Wis-
senschaft»18 wies deren Hauptautorin Sybille Reichert etwa darauf hin, dass sich
zentrale Probleme der peer review in der Anwendung der informed peer review
sogar verstärken können. Zum einen erklärt sich das durch einen immer häufiger
beobachtbaren Rekurs auf «zeitsparende Überblicksoutputdaten» (SWTR 2013:
37) zur Bewältigung der Fülle an Einzelinformationen in einer kontinuierlich
zunehmenden Evaluationsmaschinerie, zum anderen durch die Tatsache, dass
sich die peers «immer häufiger mit Evaluationsgegenständen jenseits ihrer ei-
gentlichen disziplinären Expertise beschäftigen» (ebd.) müssen.

16   Die Vorliebe der peers für vertraute Forschungsdesigns und Zugänge wurde bereits in mehreren Studien belegt
     (vgl. Lamont und Huutoniemi 2011: 47).
17   Aus den Rückmeldungen zum Positionspapier ist uns etwa bekannt, dass die Universität Zürich alle 6 Jahre erfolgreich
     eine solche fachinterne Diskussion auf der Basis einer informed peer review durchführt, unter Einschluss des Nachwuch-
     ses und von Studierenden und sodann Gesprächen mit peers sowie schliesslich mit Funktionsträgern der Universität.
18   Diese äusserst interessante und gehaltreiche Publikation wird weiter unten noch etwas erweitert vorgestellt.
Swiss Academies Reports, Vol. 11, No 2, 2016   19

Vierter Punkt

Angemessen ist eine Qualitäts- und Leistungsbeurteilung,
–   wenn sie nachgewiesene Qualität auch sichtbar und zitierbar macht.

Kommentar: Dieses Unterfangen stellt die Geistes- und Sozialwissenschaften so-
wie die Evaluationsexperten vor eine grosse Herausforderung. Nicht einzig die
Kriterien müssen festgelegt werden, es müssen auch anwendbare Instrumente
entwickelt werden. Das bedingt zum einen eine Selbstverständigung innerhalb
der einzelnen Disziplinen, aber auch eine Akzeptanz und Bereitschaft, bei der
Operationalisierung allfällige Nuancen ausblenden zu müssen. Das SUK-Folge-
programm der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten «Performances
de la recherche en sciences humaines et sociales» verfolgt das Ziel, angemes-
sene Instrumente für eine Beurteilung der Forschungsleistung, die auch einen
internationalen Vergleich ermöglichen, zu entwickeln, wobei «das Programm
den Fokus spezifisch auf diejenigen Instrumente [legt], die es erlauben, die For-
schungsleistungen hervorzuheben – sichtbar zu machen – und die für die Uni-
versitäten und Fakultäten von Nutzen sein werden» (CRUS 2014, http://www.
swissuniversities.ch/de/themen/forschung/suk-programme/). Die im Programm
eingeschlossenen Projekte sollen allgemein zur besseren Sichtbarmachung geis-
tes- und sozialwissenschaftlicher Forschung beitragen.

Fünfter Punkt

Angemessen ist eine Qualitäts- und Leistungsbeurteilung,
–   wenn sie der Mehrdimensionalität geisteswissenschaftlicher Arbeit Rechnung trägt.
    Wichtige Leistungsdimensionen sind die Qualität und Reputation von Forschung
    und Lehre, die Nachwuchsförderung und der Wissenstransfer.

Kommentar: Die vier Leistungsdimensionen, die hier im Positionspapier Ein-
gang gefunden haben, wurden in Anlehnung an das Forschungsrating des Deut-
schen Wissenschaftsrats definiert. Bei diesem Grossprojekt wurden anhand der
Fachgesellschaften der Chemie, der Soziologie, der Elektrotechnik sowie der
Anglistik die vier Leistungsdimensionen einbezogen, die auch unter dem Begriff
«Bewertungskriterien» bekannt sind. Diese werden wiederum in Bewertungsas-
pekte aufgeteilt, welche wiederum mit dem Hinweis zur Art der Information
operationalisiert werden.
20    Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren

 Bewertungsmatrix des Forschungsratings des Wissenschaftsrats (2004)

 Forschungsdimension              Kriterium                             Bewertungsgrundlage (Auswahl)

 I. Forschung                     1. Qualität                           z.B. Forschungsprodukte, begutachtete Dritt-
                                                                        mittel, wissenschaftliche Kooperationen
                                  2. Effektivität                       z.B. Qualitätsgewichtete Publikationszahlen, ggf.
                                                                        Zitationsindikatoren
                                  3. Effizienz                          Zähler: Qualitätsgewichtete Publikationszahlen,
                                                                        Nenner: Zahl der Wissenschaftler, eingesetzte
                                                                        Mittel inkl. Drittmittel
 II. Nachwuchsförderung           1. Prozesse der Nachwuchs-            z.B. strukturierte Promotionsprogramme, extern
                                     förderung                          finanzierte Stipendien
                                  2. Erfolg der Nachwuchs-              z.B. Verbleib von Promovierten, Post-Dokto-
                                     förderung                          randen, Publikationen von Nachwuchs-wissen-
                                                                        schaftlern
 III. Wissenstransfer             1. Relevanz                           Forschungsprodukte, Kooperationen
                                  2. Wirtschaftliche Umsetzung          z.B. Industriemittel, Lizenzen, Firmen-
                                                                        gründungen, Kooperationen
                                  3. Fort- und Weiterbildung            Beschreibung von Fort- und Weiterbildung-
                                                                        sangeboten
                                  4. Forschungsbasierte                 Beschreibung von forschungsbasierten
                                     Beratung, Wissenschafts-           Beratungsleistungen und Aktivitäten der Wis-
                                     kommunikation                      senschaftskommunikation

 Anmerkung. In Anlehnung an: Wissenschaftsrat (2004), Empfehlungen zu Rankings im Wissenschaftssystem. Teil 1:
 Forschung, Köln: Wissenschaftsrat, S. 48–49.

Abbildung: Zusammenfassung der Bewertungsmatrix des Forschungsratings Anglistik (Ochsner et al. 2012a: 161/162)

Sechster Punkt

Angemessen ist eine Qualitäts- und Leistungsbeurteilung,
–     wenn sie die Grenzen der Messbarkeit anerkennt – etwa mit Blick auf die zeitlich
      verzögerte, langfristige Wirkung geisteswissenschaftlicher Forschung.

Kommentar: Die Grenzen der Messbarkeit werden gerade bei der Lektüre der
SWTR-Schrift 3/2013 «Leistungsmessung und Qualitätssicherung in der Wis-
senschaft. Zielgerichteter und vernünftiger Einsatz von Leistungsmessung und
Evaluation in der Wissenschaft – Zehn Thesen» gut sichtbar. Die Publikation
bezieht sich im Gegensatz zum Positionspapier der SAGW auf sämtliche Dis-
ziplinen und stellt die Beurteilung der Forschung stark in den Vordergrund.
Neben einer konzisen Problemstellung, einer kurzen Historie der Forschungs-
bewertung und Ansatzmöglichkeiten zur Verbesserung der Situation stellt der
Wissenschaftsrat 10 Thesen zur Diskussion, die vielerlei Verbindungen zu den
Postulaten des SAGW-Positionspapiers ermöglichen. Auch der SWIR ist der
Meinung, dass quantitative Indikatoren in ihrem Kontext bewertet und als Hin-
Swiss Academies Reports, Vol. 11, No 2, 2016   21

tergrundinformationen zu benutzen seien. Die Akquisition von Drittmitteln – le-
diglich ein Element der Leistungsbeurteilung – sei so zu interpretieren, dass sich
im Verhältnis zur Grundfinanzierung «ein Gleichgewicht zwischen langfristi-
ger Orientierung der Forschung und dynamischer Projektentwicklung einstellt»
(SWTR 2013: 8). Die generierten Daten zur Beurteilung müssen im jeweiligen
Kontext interpretiert werden. Ergänzend zu den Merkmalen einer adäquaten
Beurteilung der SAGW wird etwa darauf hingewiesen, dass eine verbesserte
Ex-ante-Auswahl der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und eine lang-
zeitige Begleitung effizienter sein dürften als etablierte Methoden der Ex-post-
Bewertung zur Qualitätssicherung.

Die zehn Thesen der SWTR-Schrift beziehen sich auf:
1. Zeitaufwand
2. Aussagekraft
3. Quantitative Leistungsindikatorik
4. Grundfinanzierung und Drittmittel
5. Nutzen und Frequenz von Evaluationen
6. Nutzung von Evaluationen für die Mittelverteilung
7. Intrinsische Motivation
8. Ex-ante-Selektion und -Begleitung
9. Vertrauen und Gestaltungsfreiheit
10. Ermöglichungskultur

An dieser Stelle sei ein Kommentar zum Kommentar erlaubt: Die Notwendig-
keit einer vermehrten Fokussierung auf die Ex-ante-Evaluation wird auch im
Lichte der aktuell diskutierten Nachwuchsthematik deutlich: Viele der ange-
wandten Beurteilungskriterien bei Berufungsverfahren sind widersprüchlich
oder zumindest anderen Kriterien gegenläufig19, und oftmals spielt der quanti-
tative Output eine nicht unwesentliche Rolle; man denke etwa an die Anzahl
Publikationen und die Höhe eingeworbener Drittmittel. Das Postulat für eine

19   Wer etwa nach dem Prinzip der Öffentlichkeit von Wissensinhalten z.B. eine Open-Access-Veröffentlichung im
     Eigenverlag über eine Publikation in einem renommierten Verlag stellt, tut sich keinen Gefallen; Interdisziplinarität
     ist oftmals wenig förderlich für ein stark spezialisiertes Profil etc.
22   Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren

frühe Selektion in der Nachwuchsförderung20 steht zudem einer scheinbar in-
flationären Summa-cum-laude-Kultur gegenüber, wobei es sich zu fragen gilt,
ob man den Nachwuchsforschenden hilft, wenn man einer Vielzahl von ihnen
das Prädikat «exzellent» für ihr zweifelsohne sehr gutes Werk ausspricht21. Die
Beurteilung einer Doktorarbeit kann ein wichtiger Indikator sein, ob man in der
Einschätzung der Beurteilenden eine weitere akademische Karriere anstreben
sollte oder eher nicht. Konsequenterweise sollte eine verstärkte Trennung zwi-
schen Betreuung und Beurteilung angestrebt werden, wobei Letztere durch ein
erweitertes Evaluationsteam erfolgen sollte22.

Siebter Punkt

Angemessen ist eine Qualitäts- und Leistungsbeurteilung,
–    wenn sie nicht auf Kontrolle, sondern auf Befähigung und Verbesserung abzielt.
     Beurteilt werden sollen nicht primär Individuen, sondern grössere Einheiten
     (Institute, Departemente, Fakultäten).

Kommentar: Die oben angesprochene SWTR-Schrift unterstreicht dieses Postu-
lat explizit. Die Häufigkeit von Evaluationen müsste reduziert werden und
müsste anlass- und strukturbedingt sein (Krull 2011 in SWTR 2013: 38), wobei
auf routinierte und automatisierte Verfahren verzichtet werden müsste (SWTR
2013: 9). Die zunehmende Kontrollkultur müsste einer Ermöglichungskultur
weichen, um die kulturelle Praxis der Wissenschaften, von einer vornehmlich
intrinsischen Motivation getrieben, nicht zu gefährden (SWTR 2013: 10/11). All-
gemein seien Leistungsbewertungen primär für die Selbstreflexionsprozesse der
Wissenschaften einzusetzen, die «die innere Qualitätsorientierung unterstützen
können» (SWTR 2013: 10). Diese Funktion der Evaluation erachtet die SAGW
als einen wichtigen Mehrwert, der in ihrer Ermutigungspolitik einen massgeb-
lichen Antrieb darstellt.

20   Siehe dazu den Bericht des Bundesrats zu den «Massnahmen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
     in der Schweiz» (SBFI 2014).
21   Das Problem der Notengebung kann nicht auf eine empirische Grundlage gestützt werden. Eine Erklärung dafür
     und Einschätzungen vom Präsidenten der CRUS zur Notengebung sind zu lesen unter: http://campus.nzz.ch/
     studium-generale/wenn-noten-luegen
22   Siehe dazu die relevanten Empfehlungen zum Handlungsfeld Betreuung der Doktorierenden im SAGW-Bericht
     2015 «Förderung der Geisteswissenschaften 2017/2020».
Swiss Academies Reports, Vol. 11, No 2, 2016   23

Zwischenfazit: Hypothesen

In der Synthese gehen aus dem Positionspapier u.a. vier den Postulaten unter-
liegende Hypothesen hervor, die vorwiegend auf eine theoretische und diskur-
sive Grundlage gestützt sind, in der Bezugnahme zu den oben angesprochenen
Studien jedoch erhärtet werden.

Hypothese 1: Für eine angemessene und aussagekräftige Beurteilung der Quali-
tät und Leistung wissenschaftlichen Arbeitens müssen die zu berücksichtigen-
den Kriterien fächerspezifisch oder fachbereichsspezifisch eruiert werden.

Hypothese 2: Qualitäts- und Leistungsbeurteilung erfolgt seit jeher in jedem
Fach. Die einverleibten Praxen können verbalisiert und weitgehend durch for-
mulierte Kriterien transparent und nachvollziehbar gemacht werden.

Hypothese 3: Die Diskussion über Qualität und Leistung in den verschiedenen
Disziplinen führt zu einer konstruktiven Verständigung über Standards, Kriteri-
en und Ziele und trägt zur Strategiefindung der Ausrichtung und Positionierung
eines Fachbereichs bei.

Hypothese 4: Skepsis gegenüber solchen Beurteilungen ist verständlich und
wichtig. Das Aufzeigen von Grenzen der Messbarkeit – durchaus Bestandteil
der Projekte – macht aber auch deren Möglichkeiten deutlich.

Diese Hypothesen sollten im Idealfall vonseiten der in diesem Bereich aktiven
SAGW-Fachgesellschaften überdacht und schliesslich beurteilt werden. Eine
erste Einschätzung konnte am 12. Februar 2014 anlässlich eines für die inter-
essierten Fachgesellschaften organisierten Q&L-Workshops vorgenommen wer-
den23.

Einbezug der Fachgesellschaften

Ausgehend von diesen Vorarbeiten forderte die SAGW ihre Fachgesellschaf-
ten im Rahmen ihrer Jahresversammlung 2013 zur Partizipation im Q&L-Be-
urteilungsprozess auf.

23   Ein kurzer Bericht zum Workshop wie auch die Präsentationen der Experten sind unter www.sagw.ch/quali (Work-
     shop vom 12. Februar 2014) einsehbar.
24   Qualitäts- und Leistungsbeurteilung in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Prinzipien, Ansätze und Verfahren

Konkret stellt sich die Akademie dabei vor, dass die Gesellschaften grundle-
gende Empfehlungen für die Qualitäts- und Leistungsbeurteilung zuhanden der
universitären Evaluationsstellen erarbeiten, die den Eigenschaften und Eigen-
heiten der einzelnen Disziplinen Rechnung tragen. Diese Aufgabe bietet ihrer
Meinung nach die Chance, sich über die eigenen wissenschaftlichen Standards
und Qualitätsmerkmale zu verständigen und allfälligen unerwünschten Ne-
beneffekten in bereits praktizierten Evaluationsverfahren (formeller und infor-
meller Art) entgegenzuwirken. Das Ziel ist es, dass die zuständigen Stellen über
Grundlagen verfügen, in welchem Kontext die Leistung einer Disziplin, eines
Fachbereichs oder eines Instituts angemessen zu beurteilen ist. Bei den Überle-
gungen der Fachgesellschaften sollen indes trotz dieses Zielkorridors nicht pri-
mär die Implementation der erarbeiteten Empfehlungen und deren Integration
in bereits bestehende Evaluationsprozesse fokussiert werden – die Aufgabe der
Fachgesellschaften besteht in erster Linie darin, bereits bestehende implizite
Qualitätsbeurteilungsprozedere und Gütekriterien explizit zu machen und de-
ren Relevanz in einer Gesamtschau geistes- und sozialwissenschaftlicher Tätig-
keit zu bestimmen.

Die auf diesen Aufruf lancierten Projekte werden im zweiten Teil dieses Papiers
vorgestellt.
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