Kognitive Psychologie II - LV NR: 604204 Referat Modell-Lernen und Handlungstheorien

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Kognitive Psychologie II
LV NR: 604204

Maria Egger
Matrikelnummer: 0101037
eggerli@hotmail.com

   Referat Modell-Lernen und Handlungstheorien

Literatur: Edelman W. Lernpsychologie : Eine Einführung

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1. Das Modell-Lernen:
Definition Modell-Lernen:
Modell-Lernen liegt vor, wenn ein Individuum als Folge der Beobachtung des Verhaltens anderer Individuen
sowie der darauffolgenden Konsequenzen sich neue Verhaltensweisen aneignet oder schon bestehende
Verhaltensmuster weitgehend verändert. (Vogl, 1974)

Es gibt verschiedenste Theorien des Modell-Lernens, deren wichtigste heute die sozial-kognitive von Bandura
ist, in deren Mittelpunkt sozial-kognitive Prozesse der Informationsverarbeitung und –speicherung stehen.
Andere Bezeichnungen für diese Lernart sind: Lernen am Modell, Beobachtungslernen, Imitationslernen,
stellvertretendes Lernen. Das Schema beim Modell-Lernen ist immer das gleiche: Die Wahrnehmung eines
Modells kann einen Beobachter beeinflussen. Dabei ist es nicht von grosser Bedeutung, ob das Modell als
Person anwesend ist (Life-Modell) oder ob es über ein Medium vermittelt wird, z.B. über die Darstellung in
einem Film.
Experiment zum Modell-Lernen (siehe Power point)

Modell-Lernen stellt eine besonders schnelle und effiziente Art der Übernahme von Verhaltensweisen dar. Nach
Bandura & Walters können folgende Lerneffekte unterschieden werden:

    •   Der modellierende Effekt: der Beobachter erlernt Verhaltenweisen, die in seinem bisherigen
        Verhaltensrepertoire noch nicht vorhanden waren
    •   Der enthemmende oder hemmende Effekt: beim Beobachter bereits vorhandene Verhaltensweisen
        treten zukünftig leichter auf (Belohnung) oder sie werden unterdrückt (Folge von Bestrafung)
    •   Der auslösende Effekt: unmittelbar nach dem Auftreten eines Modells wird ein Verhalten, das der
        Beobachter bereits gelernt hat, gezeigt.

1.1. Verhaltenstheorethische Auffassungen

     • Modell-Lernen als instrumentelles Lernen:
Manche Nachahmungsreaktionen beim Menschen werden verstärkt und treten darum häufiger auf. Dies wird als
instrumentelles Lernen bezeichnet. Ob eine solche Verhaltensweise gelernt wird, darüber entscheiden die
Konsequenzen, die der Beobachter erfährt. Bei positiven Konsequenzen steigt die Imitationshäufigkeit.

    • Modell-Lernen als stellvertretende Verstärkung
Hier wird nicht der Beobachter, sondern das Modell verstärkt. Hier sprechen wir von stellvertretender
Verstärkung. Hier ist es möglich, dass auf der Seite des Modells ausser der positiven Verstärkung auch andere
Formen des instrumentellen Lernens auftreten.

1.2. Die sozial-kognitive Theorie von Bandura

Die Theorie versucht soziales Lernen zu beschreiben und zu erklären und betont die kognitive Komponente.
Bandura gilt heute als wichtigster Vertreter einer kognitiv orientierten Theorie des Modell-Lernens.
Banduras Ansatz:
Menschen lernen aufgrund von Informationen und das eigentliche Lernen besteht aus zentralen
Integrationsprozessen. Diese heurige Auffassung ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass zwischen der
Anregung des Verhaltens und der Ausführung durch den Beobachter kognitive Prozesse angenommen werden.

Bandura gliedert den Vorgang des Modell-Lernens in zwei Abschnitte:
   • Aneignungsphase (Akquisition)
        1. Aufmerksamkeitsprozess
        2. Gedächtnisprozesse
   • Ausführungsphase (Performanz)
        1. motorische Reproduktionsphase
        2. Verstärkungs- und Motivationsprozesse

Aufmerksamkeitsprozesse:
Sie sind eine der wichtigsten Funktionen des Beobachtungslernens. Die Aufmerksamkeitszuwendung wird
gefördert durch gewisse Charakteristika der Modellperson (Prestige, Kompetenz,..)

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Gedächtnisprozesse:
Beobachtetes Modellverhalten kann erst nach längerer Zeit vom Beobachter offen gezeigt werden. Es muss
daher gespeichert werden. Noch vorher werden die aufgenommenen Modellreize kognitiv verarbeitet. Bandura
unterscheidet zwei Repräsentationssysteme, ein bildhaftes und ein sprachliches. Man könnte auch sagen:
Beobachtete Ereignisse werden bildlich oder verbal kodiert.

Motorische Reproduktionsprozesse:
Die offene Ausführung des Verhaltens wird gesteuert von der inneren Repräsentation des Modellverhaltens. Das
Modell beeinflusst demnach das Verhalten nicht unmittelbar sondern auf dem Umweg über die spezifische
kognitive Organisation des Beobachters.

Verstärkungs- und Motivationsprozesse:
Dies beschreibt die Konsequenzen des instrumentellen Verhaltens, also Verstärkung, Bestrafung, Löschung
Die möglichen Konsequenzen beeinflussen bereits die Beobachtung, da die Aufmerksamkeit sich selektiv nur
auf bestimmtes Modellverhalten richtet. Die Antizipation von Verstärkung oder Bestrafung hat motivierende
bzw. demotivierende Funktion, sowohl für den Erwerb wie für die Ausführung des modellierten Verhaltens.

1.3. Die Theorie des Modell-Lernens als Vorläufer von Handlungstheorien
In Banduras Theorie lassen sich drei Schwerpunkte unterscheiden:
     • Informationsaufnahme
     • Informationsverarbeitung und Speicherung
     • Ausführung

Hier wird ein wesentlicher Gesichtspunkt deutlich: In der Aneignungsphase erfolgt durch die Kodierung und
Speicherung des Modellverhaltens eine mehr oder minder ausgeprägte Antizipation des späteren Verhaltens. Sie
ist ein herausragendes Merkmal planvollen Handelns.

2. Der Handlungsbegriff:
Begriffsbestimmung
In der russischen kulturhistorischen Schule sind Handlungen Einheiten einer Tätigkeit und immer im Kontext
der Tätigkeit zu bewerten. Tätigkeiten werden durch ein Motiv stimuliert und Handlungen sind auf ein
bewusstes und konkretes Ziel gerichtet. Diese Begrifflichkeit hat sich aber nicht allgemein durchgesetzt.

Kaminski gliedert den Verhaltensstrom in Einzelhandlungen und entwickelt ein Handlungsgrundmodell.

 Noch zwei weitere Definitionen von Handlung:
„ Von Handlungen wird dann gesprochen, wenn die Person mit vollem Bewusstsein und absichtlich etwas tut“
(Werbik, 1978)
„ Der Mensch ist fähig zur Regulierung der eigenen Beziehungen zur Umwelt und zur Selbstregulation“
(Thomaszewski 1978)

Der Mensch wird als selbstbestimmtes Subjekt gesehen, das sich Ziele setzt, die Handlungen sind Mittel zur
Erreichung dieser, sie werden willentlich und absichtlich gesetzt und sind grundsätzlich wählbar, d.h. es
bestehen Handlungsalternativen. Die einzelnen Phasen einer Handlung werden mit einen hohem Ausmass an
Bewusstsein durchlaufen, ein Handelnder ist verantwortlich, für das, was er tut. Das Handlungskonzept ist eine
Antizipation der späteren Aktivität. Die Durchführung der Handlung wird durch diesen Plan gesteuert.

Zusammengefasst noch einmal die wesentlichen Merkmale einer Handlung:
    • die Innensteuerung durch ein Subjekt
    • die Entscheidung zwischen Handlungsalternativen
    • der subjektive Sinn
    • die Intentionalität (Zielgerichtetheit)
    • die Bewusstheit
    • das flexible Handlungskonzept
    • die Verantwortlichkeit
    • der Wissenserwerb

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Handeln und Verhalten:
Von Verhalten wird gesprochen, wenn die Tätigkeit von den tatsächlich auftretenden oder antizipierten
Konsequenzen gesteuert wird (Aussensteuerung) und von Handeln soll die Rede sein, wenn eine Entscheidung
zwischen Handlungsalternativen oder die Entwicklung eines flexiblen Handlungskonzeptes im Vordergrund
stehen (Innensteuerung)

Klassen von Handlungen:
Bei der Willenshandlung steht die Entscheidung im Mittelpunkt und bei planvollem Handeln ist der Kernpunkt
das antizipatorische Handlungskonzept.

3. Entscheidung für Ziele und Handlungsregulation
3.1. Die Willenshandlung:

Das Rubikonmodell:
Es unterscheidet beim Handeln vier Phasen:

Prädezisionale Motivationsphase: Phase vor der Entscheidung
In diese Phase fällt das Wünschen und Wägen. Unter den oft zahlreichen Wünschen muss eine Auswahl durch
die Kriterien der Realisierbarkeit und Wünschbarkeit getroffen werden.

Präaktionale Volitionsphase: Phase des Wollens vor der eigentlichen Handlung
Ich will x erreichen und y vermeiden!
Die Umwandlung des Wunsches in eine Intention wird in diesem Modell als Überschreiten des Rubikons
bezeichnet. Man fühlt sich jetzt verpflichtet, das Ziel anzustreben. Es werden Vorsätze gebildet, die festlegen,
wo und wie lange gehandelt werden soll.

Aktionale Volitionsphase: handeln zur Realisierung des Vorsatzes
Die Handlungsinitiierung ergibt sich aus dem Grad der Verpflichtung zur Zielerreichung und dem Grad der
Günstigkeit der Gelegenheit zur Realisierung des intendierten Zieles.

Postaktionale Motivationsphase: Motivationsphase nach Abschluss der Handlung
Die Handlungsergebnisse müssen zunächst rückblickend evaluiert werden. Es können vorausschauend
Konsequenzen für zukünftiges Handeln gezogen werden.

3.2 Entscheidung

Der Schwerpunkt der Handlung liegt jedoch bei der Entscheidung zwischen verschiedenen Zielen und der
Ausbildung einer Zielintention, die sich in Vorsätzen konkretisiert.

3.3. Das planvolle Handeln

Die interne Handlungssteuerung
Handeln ist ein Prozess mit zwei Ausrichtungen:
    • Vergegenständlichung
    • Aneignung

Der Mensch greift mit seinen Handlungen verändernd in die Umwelt ein, d.h. die Handlung führt zu gewissen
Handlungsfolgen. Handlungen sind häufig Mittel, die einem bestimmten Zweck dienen (Zweckrationalität) oder
wegen ihres Eigenwertes ausgeführt werden können (Wertrationalität)

Beispiel: Die Anwendung moderner Agrarmethoden dient dem Zweck, höhere Ernteerträge zu erzielen.

Neben der Vergegenständlichung steht die Aneignung. Auf der Seite des Subjektes wird ein Wissen über das
Objekt aufgebaut. Handlung zielt auf Veränderung der Umwelt und hat eine Veränderung des Individuums zur
Folge.

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Handlungskonzepte beinhalten Vorstellungen über die anzustrebenden Ziele und Überlegungen, wie diese
erreicht werden. Der Plan ist die Vorwegnahme der späteren Handlungsdurchführung. Der Erfolg wird an die
Person zurückgemeldet und im Gedächtnis gespeichert. Neben diesen handlungsleitenden Kognitionen steuern
aber auch Gefühle und Bedürfnisse menschliches Handeln.

Die Handlungsfolgen werden rückgemeldet

Die Temperatur in einem Kühlschrank ist auf einen Soll-Wert eingestellt, ein Sensor schaltet bei einer
Diskrepanz zwischen Ist und Soll-Wert das Kühlaggregat ein.

Diese Modell hat sich auch zur Beschreibung lebender Systeme als brauchbar erwiesen. In der Psychologie hat
sich für den Regelkreis die Bezeichnung TOTE- Einheit eingebürgert.
T Test
O Operate
T Test
E Exit

Sie ist ein Grundmuster, nach dem die Pläne entworfen und später dann die Handlung gesteuert wird. Das
Modell sieht vor, das der Handelnde bei der Annäherung an das Ziel immer wieder prüfen muss, ob er bereits
angekommen oder ob er wenigstens auf dem richtigen Weg ist.

Modell der TOTE Einheit:
Test:          Autotür ist nicht richtig geschlossen
Operate:       Tür zuschlagen
Test:          Tür ist richtig geschlossen
Exit:          Handlung abgeschlossen

Handeln ist hierarchisch organisiert

Bei komplexen Handlungen lassen sich Teilziele, Teilpläne und Teilhandlungen unterscheiden. Die Planung
jeder Teilhandlung kann mit Hilfe der TOTE Einheit erklärt werden. Ein solcher komplizierter Vorgang ist durch
Regulationsvorgänge auf verschiedenen Ebenen gekennzeichnet. Die höheren Funktionsebenen überwachen
dabei die niedrigen. Auf diese Weise kommt es zu einer wesentlichen bewusstseinsmässigen Entlastung bei der
Bewältigung untergeordneter Einheiten (z.B. Autofahren lernen)

4. Das Lernen von Handeln
4.1. Handlungsschema und Handlungskompetenz

Aebli (1984) sieht menschliches Handeln als „Abfolge von Episoden“. Obwohl die einzelnen Episoden gewisse
Unterschiede aufweisen bleibt die Struktur der Handlung gleich.
Beispiel: Das Bereiten einer Mahlzeit läuft immer ungefähr gleich ab:
Speiseplan erstellen, einkaufen, zubereiten, Tisch decken, servieren.
Die Gesamtheit der einer Person zur Verfügung stehenden Handlungskonzepte bezeichnet man als
Handlungskompetenz.

4.2. Der Schemabegriff

„Schema sind kognitive Strukturen, die sich durch Abstraktion von den Besonderheiten des Einzelfalls
auszeichnen. Schemata drücken Sachverhalte aus, die sich auf eine ganze Kategorie von Ereignissen beziehen.“
(Edelmann Walter, Lernpsychologie, 2000, S. 206)

4.3. Entwicklung einer eigenständigen Handlungsregulation

Wie schafft man Motivation zum Handeln?
Wie übt man die Einschätzung der Realisierbarkeit?
Wie verbessert man die Ausdauer bei der Verfolgung von Zielen ?

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Beispiel: Ein Kind soll lernen, alleine mit dem Zug zu verreisen. Zunächst wird man mit dem Kind Reisen
unternehmen und dabei alle Komponenten mit ihm besprechen. Nach mehreren Reisen lernt das Kind auf diese
Weise das Handlungsschema. Irgendwann gibt man ihm die Gelegenheit, ein solches Vorhaben alleine
durchzuführen.

4.4. Partialisierte Handlungen

Gerade im Bereich der Arbeitstätigkeit werden Menschen häufig nur Teilaufgaben zugewiesen, durch solche
zerstückelten Arbeitshandlugen werden die individuellen Möglichkeiten insbesondere die der Handlungsplanung
und –Kontrolle stark verringert.
Partialisierte Handlungen sind isoliert, d.h. der Gesamtzusammenhang der Arbeit wird nicht erfasst. Und sie sind
restringiert, d.h. die Einflussnahme durch Beteiligung an der Planung ist gering.
Bandarbeit als Beispiel könnte so zu einer Unterforderung des Arbeiters führen, die sich in dem Erlebnis von
Monotonie ausdrückt.

4.5. Das effiziente Handeln

Von effizienten Handeln ist dann die Rede, wenn es sein Ziel erreicht. Es ist realistisch, stabil-flexibel und
organisiert.

Effizientes Handeln ist realistisch
Dies bedeutet vor allem, dass das sachliche Ziel in allen Aspekten erfasst und voraussichtlich erreichbar ist.

Effizientes Handeln ist stabil-flexibel
Verarbeitete Rückmeldung ermöglicht es, an Plänen festzuhalten und sich dennoch an veränderte Situationen
anzupassen. Im Gegensatz dazu ist ein unflexibles Verhalten dadurch gekennzeichnet, dass die Rückmeldung
nicht adäquat verarbeitet wird und es nicht zu den notwendigen Modifikationen kommt.

Effizientes Handeln ist organisiert
Organisation bedeutet, dass die hierarchische Ordnung voll ausgebildet ist.

5. Problemlösen

Problemlösen ist ein Sonderfall des Handelns, der dadurch gekennzeichnet ist, dass wegen eines Hindernisses
das Ziel nicht auf direktem Wege erreichbar ist.

„ Ein Individuum steht einem Problem gegenüber, wenn es sich einem inneren oder äusseren Zustand befindet,
den es aus irgendwelchen Gründen nicht für wünschenswert hält, aber im Moment nicht über die Mittel verfügt,
um den unerwünschten Zustand in den erwünschten überzuführen“
Dörner (1979, S.10)

Von Problem ist die Aufgabe zu unterscheiden. Bei einer Aufgaben verfügen wir über Regeln, wie die Lösung
zu erreichen ist.
Eine besondere Art der Aufgabenlösung stellt die Anwendung eines Algorithmus dar. Ein Beispiel hierfür ist das
Telefonieren aus einer Telefonzelle, das in einer festgelegen Reihenfolge ausgeführt werden soll.

5.1 Problemlösen durch Versuch und Irrtum

Beispiel: Am Ufer eines Flusses befinden sich 3 Missionare und 3 Kannibalen. Bringen Sie alle Personen mit
Hilfe eines Bootes, das 2 Personen fasst, an das andere Ufer. Alle drei Missionare und ein Kannibale können
rudern. Zu keiner Zeit, auch beim Anlegen am Ufer nicht, dürfen die Missionare an Zahl von den Kannibalen
übertroffen werden.

Die meisten erfolgreichen Löser nehmen Münzen oder Streichhölzer und probieren so lange herum, bis die
Lösung erreicht ist. Das Problem wird vorwiegend durch Versuch und Irrtum gelöst. Eine solche Art von
Problemlösung finden wir vor allem bei unübersichtlichen Situationen.

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5.2. Problemlösen durch Umstrukturieren

Die Lösung wird durch mehrfaches Umstrukturieren erreicht. Umstrukturieren heisst, die Elemente der
Problemsituation werden in neuen Zusammenhängen gesehen.
    1. Das Problem ist unübersichtlich
    2. Es gilt, die Elemente der Problemsituation klarer herauszuarbeiten
    3. Erst wenn die Problemsituation sozusagen „umkippt“, ist es leicht zu lösen
Das Problem wird so lange umstrukturiert, bis im Idealfall die Lösung gefunden wurde. Diese Auffassung von
Problemlösen geht auf die Gestaltpsychologie zurück. Bei der Untersuchung von Wahrnehmung entdeckten die
Gestaltpsychologen eine Reihe von Ordnungsprinzipien, die Gestaltgesetze. (Gesetz der Geschlossenheit, der
Nähe, des gemeinsamen Schicksals,....)

5.3. Problemlösen durch Anwendung von Strategien

Der Begriff der Strategie wird in zweierlei Bedeutung gebraucht:
    • Bei manchen Strategien ist die Art und Reihenfolge der Entscheidung weitgehend determiniert. In
        diesem Fall spricht man von einem Algorithmus. Er ist eine epistemische Regel (Wissen) die die
        Abfolge ganz bestimmter Handlungsschritte festlegt
    • Im Rahmen des Problemlösens begreift man eine Strategie als heuristische                  Regel
        (Problemlöseverfahren), als eine Suchanweisung, die die zu treffenden Entscheidungen in einem
        gewissen Rahmen festlegt.

5.4. Problemlösen durch Kreativität

Beispiel: Ein deutscher Chemiker löste die Frage nach der Struktur des Benzols. Die chemische
Zusammensetzung war bekannt, nicht aber die Strukturformel. Er plagte sich längere Zeit mit diesem Problem.
In der Zeitung las er von dem Einbruch in einem Juweliergeschäft, bei dem ein Ring von eigenartigem Aussehen
entwendet wurde. Einige Zeit später träumte er von dem Bild dieses Rings in Form einer Schlange, die sich in
den Schwanz biss. Nach dem Aufwachen zeichnete er dann die Strukturformel als Ring mit doppelten und
einfachen Bindungen.

Kreative Lösungen zeichnen sich dadurch aus, dass gedanklich weit voneinander entfernt liegende Elemente so
verknüpft werden, dass das Ergebnis als subjektiv neu empfunden wird.
Sie sind häufig durch zwei Merkmale ausgezeichnet: Einerseits durch Ideenfülle und andererseits durch seltene,
originelle, ungewöhnliche Einfälle

Als Zentrum des kreativen Prozesses gilt die Phase der heuristischen Regression (Regression= Rückfalle auf
eine frühere Entwicklungsstufe). Die scheinbare Rückkehr zu einer kindlichen Mentalität, ermöglichen das
Finden einer überraschenden Lösungsidee.

Die Beschäftigung mit kreativen Problemlösen hat zur Ausbildung spezieller Methoden geführt:
    • Brainstorming: zu einem Problem werden alle Einfälle geäussert, Quantität geht dabei vor Qualität
    • Methode 635: Sechs Personen schreiben je drei Lösungsansätze zu einem Problem auf ein Blatt Papier
        und tauschen nach fünf Minuten die Blätter untereinander. Ausgehend von den Lösungsvorschlägen des
        Vorgängers, bringt jeder wieder drei Lösungen zu Papier

5.5. Problemlösen durch Systemdenken

Die Problemsituation ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
    • Komplexität, d.h. eine Vielzahl von Einflussfaktoren sind zu beachten
    • Teilweise Intransparenz, d.h. nicht alle Informationen sind zugänglich
    • Vernetztheit der einzelnen Faktoren
    • Offenheit des Zielzustandes, d.h. das Ziel muss präzisiert werden

Die meisten Menschen sind wenig befähigt, in einem solchen System zu denken. Wir neigen dazu, uns um die
augenblicklich vorhandenen Missstände zu kümmern. Die bezeichnet man als „Überwertigkeit des aktuellen
Motivs“.

Erfolgreiche Problemlöser weisen nach Dörner folgende Merkmale auf:
    • Umgang mit Komplexität

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•   Spezifische intellektuelle Leistungsfähigkeit
   •   Entscheidungsfreudigkeit
   •   Selbstsicherheit

Handeln und Problemlösen in verschiedenen Bereichen

   1. Alltag:
   Eltern und Lehrer als Modelle:
   Sie können Modelle sein für Sozialverhalten, emotionales Verhalten, kognitive Leistungen, planvolles
   Handeln und Problemlösen

   2. Umgang mit sich selbst
   Beim Handeln wirkt die Person auf ihre Umwelt ein. Man kann aber auch das Handeln gegenüber der
   eigenen Person betrachten. Die Zufriedenheit über die alltägliche Lebensbewältigung ist nicht nur abhängig
   von materiellen Rahmenbedingungen, sondern auch vom Umgang mit sich selbst.

   3. Selbstzweck
   Im Zuge der zunehmenden Freizeit werden Aktivitäten immer wichtiger, die zum Selbstzweck ausgeführt
   werden, wie z.B. Sport, Kunst,...

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