Reformschwerpunkt Pflege: Pflegepersonal-untergrenzen und DRG-Pflege-Split - Dr. Wulf ...
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111 7 Reformschwerpunkt Pflege: Pflegepersonal- untergrenzen und DRG-Pflege-Split Wulf-Dietrich Leber und Charlotte Vogt 7.1 Vergütung pflegerischer Leistungen im Finanzierungssystem für Krankenhäuser – 113 7.2 Abbildung der Pflege im DRG-System – 114 7.2.1 DRG: Gruppenbildung nach Maßgabe ärztlicher Kategorien – 114 7.2.2 PKMS: Zusatzentgelt für aufwendige Pflegefälle – 115 7.2.3 Zusatzentgelte für Pflegegrade – 116 7.3 Flankierende Maßnahmen – 116 7.3.1 Externe stationäre Qualitätssicherung – Pflege: Dekubitusprophylaxe – 116 7.3.2 Pflegestellen-Förderprogramme – 117 7.3.3 Personalvorgaben im Bereich Pflege im Krankenhaus – 117 7.4 Pflegepersonaluntergrenzen – 121 7.4.1 Gesetzgebung infolge der Pflegeexpertenkommission – 121 7.4.2 Methodische Fragen der Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen – 122 7.4.3 Pflegepersonaluntergrenzen für 2019 und 2020 – 124 7.4.4 Pflegepersonaluntergrenzen als Digitalisierungsproblem – 127 7.4.5 Weiterentwicklung der Pflegepersonaluntergrenzen: Risikoadjustierung und Komplettierung – 128 7.4.6 Pflegepersonaluntergrenzen versus Personalanhaltszahlen – 129 © Der/die Autor(en) 2020 J. Klauber et al. (Hrsg.), Krankenhaus-Report 2020, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60487-8_7
7.5 DRG-Pflege-Split – 130 7.5.1 Koalitionsbeschluss zur Ausgliederung der Pflege aus dem DRG- System – 130 7.5.2 Umsetzung des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes – 132 7.5.3 DRG-Pflege-Split als mehrjähriger Prozess – 135 7.6 Abbildung der Pflege in Krankenhausvergütungssystemen – 136 7.6.1 Erfassung von Pflegebedarf und Pflegeleistungen – 136 7.6.2 Nursing Related Groups – 138 7.6.3 Conclusio: Von der Pflegedokumentation über Pflegescores zur Vergütung von Pflege – 139 7.7 Optionen zur Berücksichtigung der Pflege bei der Krankenhausvergütung – 139 7.7.1 Wiedereingliederung der Pflegeleistung in ein neues DRG- System – 139 7.7.2 Weiterentwicklung des Pflegebudgets jenseits der Selbstkostendeckung – 140 7.7.3 Zusammenhänge mit anderen DRG-Entwicklungen – 140 7.8 Fazit: Digitale Erfassung von Pflegebedarf und Pflegeleistungen vorantreiben – 142 Literatur – 143
7.1 Vergütung pflegerischer Leistungen im Finanzierungssystem für Krankenhäuser 113 7 2Zusammenfassung conditions for hospitals considerably and asso- Im Bereich der Krankenhausversorgung ist der ciated with several implementation agreements Bereich Pflege gleich zweifach Gegenstand zen- between the German Hospital Association and traler Reformvorhaben des Gesetzgebers: Zum the National Association of Statutory Health In- ersten gelten seit 2019 für ausgewählte Kran- surance Funds. The article shows that minimum kenhausbereiche verbindliche Pflegepersonalun- levels for nursing staff are a sensible contribu- tergrenzen, zum zweiten werden ab dem Bud- tion to patient safety and argues in favour of getjahr 2020 die Pflegepersonalkosten aus den setting minimum staffing levels for all wards in DRG-Fallpauschalen ausgegliedert und in Form the medium term. Instead, the so-called nurs- eines Pflegebudgets nach dem Selbstkostende- ing DRG split (also known as “Pflexit”) is viewed ckungsprinzip refinanziert. Die beiden Reformen critically. Due to the full refinancing of costs, ändern die Rahmenbedingungen für die Kran- nursing staff might again increasingly become kenhäuser erheblich und sind mit einer Viel- engaged in activities away from nursing care. In zahl von Umsetzungsvereinbarungen zwischen order to replace the principle of cost coverage, the der Deutscher Krankenhausgesellschaft und dem authors discuss alternative ways for determining GKV-Spitzenverband verbunden. Der Artikel the nursing budget. These require a system for stellt dar, dass Pflegepersonaluntergrenzen ein recording care needs and nursing services. The sinnvoller Beitrag zum Patientenschutz sind, und same applies to the minimum staffing levels for plädiert dafür, Untergrenzen mittelfristig für alle nursing staff, which have so far been set without Stationen festzulegen. Kritisch hingegen wird der taking the individual care needs of patients into sogenannte DRG-Pflege-Split (auch „Pflexit“) ge- account. In order to ensure that the mapping of sehen. Diese Maßnahme dürfte dazu beitragen, nursing care in the context of quality assurance dass Pflegekräfte wegen der vollen Refinanzie- and hospital reimbursement does not lead to ad- rung der Kosten wieder vermehrt pflegeferne ditional bureaucratic burdens, there is an urgent Tätigkeiten ausüben. Zur Ablösung des Selbst- need for digital nursing care documentation from kostendeckungsprinzips werden Alternativen zur which the necessary information can be derived Bestimmung des Pflegebudgets diskutiert. Die- with little effort. se bedürfen einer Erfassungssystematik für Pfle- gebedarf und Pflegeleistungen. Gleiches gilt für die Pflegepersonaluntergrenzen, die bislang ohne 7.1 Vergütung pflegerischer Berücksichtigung des individuellen Pflegebedar- Leistungen fes der Patienten festgesetzt werden. Damit die im Finanzierungssystem Abbildung der Pflege im Rahmen der Qualitäts- für Krankenhäuser sicherung und der Krankenhausvergütung nicht zu zusätzlichem bürokratischem Aufwand führt, Die Finanzierung pflegerischer Leistungen ist bedarf es dringend einer digitalen Pflegedoku- das dominierende gesundheitspolitische The- mentation, aus der aufwandsarm die notwendi- ma der letzten und der laufenden Legisla- gen Informationen abgeleitet werden können. turperiode – vorrangig allerdings in der Al- tenpflege. Drei Reformen (PSG I1 , PSG II2 , In the area of hospital care, the nursing sector is the subject of two central reform projects of the legislator: firstly, minimum staffing levels for 1 Erstes Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versor- nursing staff which have been in force for selected gung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Ers- hospital areas since 2019; secondly, from the bud- tes Pflegestärkungsgesetz – PSG I) vom 17.10.2014 get year 2020, nursing staff costs will be separated (BGBl. I S. 2222–2230). 2 Zweites Gesetz zur Stärkung der pflegerischen from the DRGs and refinanced via a nursing Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschrif- budget according to the principle of cost coverage. ten (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II) vom The two reforms are changing the framework 21.12.2015 (BGBl. I S. 2424–2463).
114 Kapitel 7 Reformschwerpunkt Pflege: Pflegepersonaluntergrenzen und DRG-Pflege-Split PSG III3 ) unter Gesundheitsminister Hermann einer Ersatzvornahme des Bundesministeri- Gröhe ordneten die gesetzliche Pflegeversiche- ums für Gesundheit (BMG) in Kraft gesetzt rung neu, so z. B. durch die Einführung von werden (siehe 7 Abschn. 7.4). Die erstmalige Pflegegraden statt der vorher geltenden Pfle- Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen ist gestufen. Daneben wurde im Rahmen des so- der Beginn eines längeren Prozesses, bei dem genannten zweiten Pflegegipfels – nach dem in den initialen Jahren 2019 und 2020 lediglich ersten Pflegegipfel unter Gesundheitsministe- ein Viertel der Krankenhausstationen geregelt rin Ulla Schmidt – die Pflegesituation im Kran- wurde und zudem eine Berücksichtigung des kenhaus zum Handlungsfeld gesundheitspo- individuellen Pflegebedarfs fehlt. litischer Maßnahmen. Sie schlugen sich nie- Parallel erfolgte der sogenannte „Pflexit“, der im Koalitionsvertrag der Großen Koalition also die Ausgliederung der Pflege am Bett in am Anfang dieser Legislaturperiode: Zum ei- ein Pflegebudget, dessen Volumen sich kran- nen wurden Pflegepersonaluntergrenzen fest- kenhausspezifisch nach den Selbstkosten be- gelegt, zum anderen wurden – völlig überra- misst. Dieser Vorgang kann als eine Art Kolla- schend – die Pflegeleistungen als Pflegebud- teralschaden der Diskussion in der gesetzlichen 7 get aus den DRG-Fallpauschalen ausgegliedert. Pflegeversicherung und als gesundheitspoliti- Die Umsetzung dieser Maßnahmen führte zu scher Fehler gewertet werden. Die Umsetzung einer Vielzahl an Aufgaben für die gemeinsame auf Selbstverwaltungsebene ist komplex (siehe Selbstverwaltung. Diese sind das zentrale The- 7 Abschn. 7.5) und schlägt sich in einer Vielzahl ma der folgenden Ausführungen. von Vereinbarungen zur Kostenabgrenzung so- Das DRG-Fallpauschalensystem ist in sei- wie in neuen Regeln zur Abrechnung und Bud- nen Ursprüngen ein ärztlich dominiertes Sys- getbestimmung nieder. tem, in dem aber sukzessive pflegerische As- Sowohl die Pflegepersonaluntergrenzen als pekte integriert wurden, so z. B. durch die auch die künftigen Bestimmungsgrößen für das Einführung eines Scores für aufwendige Pfle- Pflegebudget werfen tiefgreifende Fragen der gefälle und Zusatzentgelte für Pflegegrade (sie- Abbildung pflegerischer Leistungen auf (sie- he 7 Abschn. 7.2). Bedeutsamer aber waren die he 7 Abschn. 7.6). Es zeigt sich ein erheblicher flankierenden Maßnahmen zur Sicherung der Nachholbedarf bei der elektronischen Erfas- Pflegequalität, so z. B. die externe Qualitätssi- sung von Pflegebedarf und Pflegeleistungen, cherung zum Dekubitus, das Pflegestellen-För- ohne die eine sinnvolle Weiterentwicklung der derprogramm und die Personalvorgaben (siehe Qualitätssicherung und des Vergütungssystems 7 Abschn. 7.3). Personalvorgaben existieren in- nicht möglich sein wird (siehe 7 Abschn. 7.7). zwischen teils als Anhaltszahlen, teils als Unter- Die künftige Systematik wird auf einer besse- grenzen an mehreren Stellen in der gesetzlichen ren digitalen Erfassung pflegerischer Leistun- Pflege- und in der gesetzlichen Krankenversi- gen aufbauen müssen (siehe 7 Abschn. 7.8). cherung. Die Pflegepersonaluntergrenzen für die Krankenhauspflege im Gefolge des zweiten 7.2 Abbildung der Pflege im DRG- Pflegegipfels sind der zurzeit bedeutsamste Ansatz zur Sicherung der Pflegequalität. Ih- System re Umsetzung ist hoch konfliktär und musste nach anhaltendem Widerstand der Deutschen 7.2.1 DRG: Gruppenbildung Krankenhausgesellschaft (DKG) auf dem Wege nach Maßgabe ärztlicher Kategorien 3 Drittes Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versor- gung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drit- tes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) vom 23.12.2016 Das DRG-System ist ein medizinisch- (BGBl. I S. 3191–3220). ökonomisches Klassifikationssystem, das von
7.2 Abbildung der Pflege im DRG-System 115 7 Ärzten entwickelt wurde. Folglich bilden Der PKMS ist nach wie vor Gegenstand die Kategorien primär ärztliche Leistungen heftiger Auseinandersetzungen innerhalb des ab. Das pflegerische Leistungsgeschehen in Deutschen Pflegerates (DPR) sowie zwischen Krankenhäusern hingegen bleibt weitgehend Krankenhäusern und Krankenkassen. Der unbeachtet. So berücksichtigt das DRG-Sys- PKMS war eine Lösung der mangelnden tem den medizinischen Schweregrad eines Berücksichtigung besonders schwerer Kran- Krankenhausfalles, nicht aber den Pflegebedarf kenhausfälle. Dies aber wurde von großen eines Patienten und den daraus resultierenden Teilen der pflegerischen Interessenvertretung Pflegeaufwand eines Falles. Dies ist insofern als unzureichende Antwort auf die insgesamt relevant, als der Pflegeaufwand für Patien- problematische Pflegesituation angesehen. ten bei gleicher medizinischer Diagnose und Schließlich erfasst der PKMS nicht einmal 5 % Behandlung aufgrund pflegerischer Kriterien der Krankenhausfälle – bei erheblichem Er- erheblich variieren kann (Thomas et al. 2014; fassungsaufwand. In der Tat war das Ziel der Simon 2008; Eberl et al. 2005; Fischer 1999, PKMS-Einführung die Berücksichtigung be- 2002). Pflege war lange überhaupt nicht erlös- sonders schwerer Fälle im DRG-System, um relevant im DRG-System und ist es nach wie für die betroffenen Patientengruppen eine ne- vor wenig. Die Folgen sind massive Einspa- gative Risikoselektion auszuschließen. Man rungen in der Krankenhauspflege seit Beginn hilft diesen Gruppen nicht mit einem Kode, des DRG-Systems, die in dem derzeit ange- der quasi bei allen Krankenhausfällen kodier- prangerten „Pflegenotstand“ gipfeln (obwohl bar ist, da dann gerade die differenzierende es den schon vor der DRG-Einführung gab). Wirkung verloren geht. Neben der unzureichenden Berücksichtigung Von Krankenhausseite wird der PKMS we- von Pflege im DRG-System fehlt es darüber hi- gen seines bürokratischen Aufwands kritisch naus an der Transparenz über Pflegeleistungen gesehen. Die Lobbyaktivitäten der DKG zur im Krankenhaus. Abschaffung des PKMS haben ihren Grund jedoch vor allem durch die Auseinander- setzungen im Rahmen der Rechnungsprü- 7.2.2 PKMS: Zusatzentgelt fung. Da eine PKMS-Kodierung über 1.000 € für aufwendige Pflegefälle zusätzlich erbringt (bei Kleinkindern, Kin- dern und Jugendlichen bis über 6.000 €, sie- Die Abbildung schwerer Pflegefälle war eines he 7 Abschn. 7.5.3), wurde auf Kassenseite der der wesentlichen Ergebnisse des ersten Pfle- Nachweis der einzelnen Aktivitäten in großem gegipfels und erfolgte als „Pflegekomplexmaß- Umfang überprüft (z. B.: „Waren wirklich zwei nahmen-Score (PKMS)“. Personen bei der Umbettung anwesend?“). Die Der PKMS ist eine Art Einzelleistungs- Kampagnen der DKG gegen den PKMS führ- erfassung pflegerischer Leistungen, wobei die ten schließlich zu einer Regelung im Pfle- Leistungen mit Punkten bewertet sind. Hohe gepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG)4 , die von Punktzahlen führen im DRG-System zu einer den Spitzenverbandspartnern einvernehmliche zusätzlichen Vergütung bei Fällen mit hohem Vorschläge für zu streichende Prozeduren ein- Pflegeaufwand, beispielsweise bei Patienten mit forderte.5 Da der PKMS nach Einführung Querschnittslähmung. Da ein solch hoher Pfle- des Pflegebudgets vermeintlich nicht mehr geaufwand in allen Fallgruppen auftreten kann, erlösrelevant sei, könne künftig verzichtba- erfolgt die Vergütung in Form eines Zusatz- entgelts. Ziel des PKMS ist die Identifizierung und adäquate Vergütung von hohem Pflegeauf- 4 Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflege- wand bei bestimmten Patientengruppen, um zu personal-Stärkungsgesetz – PpSG) vom 11.12.2018 vermeiden, dass diese Patienten von den Kran- (BGBl. I S. 2394–2422). kenhäusern abgewiesen werden. 5 Vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 9 KHEntgG.
116 Kapitel 7 Reformschwerpunkt Pflege: Pflegepersonaluntergrenzen und DRG-Pflege-Split rer Dokumentationsaufwand vermieden wer- doch nicht mehr. Ein Vorschlag für eine Nach- den. folgeregelung für den PKMS findet sich in Absehbar scheiterten die diesbezüglichen 7 Abschn. 7.6.3. Verhandlungen zwischen DKG und GKV und es kam kein gemeinsamer Vorschlag bis zum 28.02.2019 zustande. Der Weg, die Schieds- 7.2.3 Zusatzentgelte stelle nach § 18a Abs. 6 KHG anzurufen, wurde von keinem der Spitzenverbandspart- für Pflegegrade ner beschritten. Es sei bei dieser Gelegenheit auf diese skurrile neue Gesetzeskonstruktion Ergebnis des zweiten Pflegegipfels war die der „zuarbeitenden Selbstverwaltung“ hinge- Nutzung der Pflegegrade aus der Pflegever- wiesen: Die Selbstverwaltungspartner sollen sicherung als Zusatzentgelt im DRG-System. verhandeln, können auch die Schiedsstelle be- Die Pflegegrade (in Verbindung mit der Ver- mühen; das Verhandlungsergebnis war dann weildauer) waren in Form der Zusatzentgel- aber nichts anderes als ein Vorschlag für das te ZE162 und ZE162 im DRG-System 2018 7 obrigkeitsstaatlich entscheidende Deutsche In- erstmals erlösrelevant. Da fast 90 % der zu- stitut für Medizinische Dokumentation und In- sätzlichen Kosten im Bereich der Pflegemodule formation (DIMDI). anfallen, stellte sich die Frage, ob die Wei- Der GKV-Spitzenverband vertrat die Mei- terführung dieser Zusatzentgelte bei Ausglie- nung, dass der PKMS keinesfalls ersatzlos ge- derung der Pflegepersonalkosten noch sinn- strichen werden solle, und zwar aus mehreren voll ist. Im Sinne einer zunächst konservati- Gründen: ven Weiterentwicklung des DRG-Systems (sie- 1. Das Institut für das Entgeltsystem im Kran- he 7 Abschn. 7.5.3) wurden die Zusatzentgelte kenhaus (InEK) konnte zeigen, dass der auch im DRG-System 2020 erhalten, obwohl PKMS auch nach Ausgliederung der Pfle- die Höhe von 18 € bzw. 34 € eigentlich kein Zu- gekosten maßgebliche DRG-Erlösbestand- satzentgelt mehr rechtfertigt. Prinzipiell bleibt teile triggert (Erklärung: Pflegeaufwendige es ein kluger Weg, vorhandene Daten zum Pfle- Fälle haben auch einen höheren Sachkos- gebedarf in der Krankenhausvergütung zu nut- tenanteil bei Verbandskosten.). zen – sei es im DRG-System oder aber auch 2. Eine Identifizierung pflegeaufwendiger Fäl- bei einer künftigen Bemessung des Pflegebud- le ist notwendiger Bestandteil bei der Ri- gets. sikoadjustierung im Zusammenhang mit Pflegepersonaluntergrenzen und beim Pfle- gepersonalquotienten. 7.3 Flankierende Maßnahmen 3. Da absehbar ist, dass das Selbstkostenprin- zip beim Pflegebudget nicht auf Dauer Be- 7.3.1 Externe stationäre stand haben wird, ergibt sich die Notwen- Qualitätssicherung – Pflege: digkeit, weiterhin unterschiedlichen Pflege- aufwand „sichtbar“ zu machen. Dekubitusprophylaxe Allerdings führt das diesbezügliche Zusatzent- Das DRG-System wurde im Laufe der Jahre gelt nur noch zu Erlösen, die rund ein Viertel um ein differenziertes System externer Quali- des Volumens vor der Pflegeausgliederung be- tätssicherung ergänzt, das derzeit 271 Indikato- tragen (siehe 7 Abschn. 7.5.3, . Tab. 7.6). ren zu rund 30 Leistungsbereichen erfasst (mit Noch ist keine Lösung gefunden. Das BMG starkem Schwerpunkt auf chirurgischen Leis- hat den Selbstverhandlungspartnern im Ju- tungen). Pflegerische Aspekte wurden ledig- ni 2019 mitgeteilt, dass der PKMS für das lich im Qualitätssicherungsverfahren „Pflege: Jahr 2020 beibehalten wird – für 2021 je- Dekubitusprophylaxe“ abgebildet, das im Jahr
7.3 Flankierende Maßnahmen 117 7 2004 eingeführt wurde; 2007 wurde eine Risi- len bestätigten ein Volumen von 13.600 Pflege- koadjustierung implementiert und 2013 wurde vollzeitkräften im Förderzeitraum.8 das Dokumentationsverfahren erheblich ver- Mit dem Krankenhausstrukturgesetz einfacht. So erfolgt die Datenerfassung seitdem (KHSG)9 wurde ein zweites Pflegestellen-För- weitgehend automatisiert über die im Kran- derprogramm eingerichtet. Im Zeitraum von kenhaus vorhandenen Abrechnungsdaten nach 2016 bis 2018 wurden rund 660 Mio. € für § 21 KHEntgG.6 die Stärkung der unmittelbaren Patientenver- sorgung auf bettenführenden Stationen zur Verfügung gestellt. Das vorläufige Ergebnis 7.3.2 Pflegestellen- des zweiten Förderprogramms war eher er- Förderprogramme nüchternd, da in den Förderjahren 2016 bis 2018 lediglich 339 Mio. € verausgabt wurden und damit nur die Hälfte der insgesamt zur Jenseits der Qualitätssicherung reagierte die Verfügung stehenden Mittel. Das endgültige Politik im Rahmen des ersten Pflegegipfels auf Ergebnis des zweiten Förderprogramms steht den Stellenabbau in der Krankenhauspflege in erst im Juni 2020 fest. den Jahren 1997 bis 2007 und legte ein Pro- Mit dem PpSG ist die Weiterentwicklung gramm zur Förderung von Neueinstellungen und der Ausbau des Pflegestellen-Förderpro- oder Aufstockungen vorhandener Teilzeitstel- gramms gesetzlich verankert worden. Bereits len in der Pflege auf. Dieses sogenannte ers- ab dem Jahr 2019 wird jede zusätzliche und te Pflegesonderprogramm wurde mit Inkraft- jede aufgestockte Pflegekraft am Bett unabhän- treten des Krankenhausfinanzierungsreform- gig von einer Obergrenze vollständig durch die gesetzes (KHRG7 ) zum 01.01.2009 eingeführt Kostenträger finanziert. Der bisherige Eigen- (Laufzeit bis 2011). In diesem Zeitraum wur- anteil der Krankenhäuser von 10 % sowie die den die durch Neueinstellung oder Aufsto- bisherige Begrenzung auf 0,15 % des Kranken- ckung zusätzlich entstehenden Personalkosten hausbudgets entfallen. Dies kann als Einstieg zu 90 % durch die Krankenkassen gefördert. in die ebenfalls mit dem PpSG beschlossene Für die Förderung neuer bzw. aufgestockter und ab dem Jahr 2020 geltende Selbstkosten- Pflegestellen war es möglich, jährlich bis zu deckung im Bereich der Pflegepersonalkosten 0,48 % des Krankenhausbudgets (Gesamtbe- bewertet werden. trag nach § 4 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG) zu- sätzlich zu vereinbaren. Im Rahmen des ersten Pflegesonderprogramms sind für ca. 15.300 zu- 7.3.3 Personalvorgaben im Bereich sätzliche Vollkräfte im Pflegedienst insgesamt ca. 1,1 Mrd. € von den Krankenkassen an die Pflege im Krankenhaus Krankenhäuser geflossen. Die Nachweise über die tatsächlich geschaffenen zusätzlichen Stel- Eine weitere, das DRG-Vergütungssystem flan- kierende Maßnahme zur Qualitätssicherung in der Pflege im Krankenhaus ist die Festsetzung von Personalvorgaben (siehe . Tab. 7.1). Es gibt 6 Vgl. Abschlussbericht des Instituts für angewandte derzeit acht gesetzliche Aufträge in der gesetzli- Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheits- wesen GmbH (AQUA) (2016): Weiterentwicklung der 8 Risikoadjustierung für den Leistungsbereich Pfle- Vgl. Abschlussbericht des GKV-Spitzenverbandes an ge: Dekubitusprophylaxe, abrufbar auf www.aqua- das Bundesministerium für Gesundheit (2013) zum institut.de. Pflegesonderprogramm für die Förderjahre 2009 bis 7 Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der 2011, abrufbar auf www.gkv-spitzenverband.de. 9 Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 (Kran- Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhaus- kenhausfinanzierungsreformgesetz – KHRG) vom versorgung (Krankenhausstrukturgesetz – KHSG) 17.03.2009 (BGBl. I S. 534–549). vom 10.12.2015 (BGBl. I S. 2229–2253).
7 118 . Tabelle 7.1 Personalvorgaben in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung Nr. Regelung, Rechtsgrundlage und Festsetzung Methodik Transparenz über Einhaltung Konsequenzen bei Nichtein- Regelungszeitraum haltung 1 Stationäre Altenpflege Landesebene: Tradierte Er- §§ 75 Abs. 3 und 84 Abs. 5 Nr. 2 Vereinbarung von Personalschlüsseln fahrungswerte SGB XI und Fachkraftquoten aus früheren ab 2002 Verhandlungen Einrichtungsebene: Auf Basis der Überprüfung durch Landesver- Kürzung der Pflegesätze Vereinbarung von einrichtungsbezo- Landesvorgaben bände der Pflegekassen; keine genen Personalschlüsseln Veröffentlichung § 113c SGB XI Weiterentwicklung: REFA-Methode zusätzlich seit 2016 wissenschaftliches Personalbemes- sungsverfahren 2 Pflege-Personalregelung (PPR) Gesetzliche Regelung im KHG (1990); Testläufe, Nachweis der PPR-Minuten in Budgetrückerstattung bei BPflV (1993) Festlegung der PPR durch Experten- Expertenein- den Budgetverhandlungen Nichtbesetzung vorab verein- ab 1993 gremium schätzungen barter Pflegestellen (Aussetzung 1996, Aufhebung 1997) 3 Pflegepersonaluntergrenzen Vereinbarung der PpUG; Perzentilansatz Nachweise gegenüber InEK Sanktionen für Nichteinhal- (PpUG) Nachweis- und Sanktionsregelungen auf Basis von Ist- und Kostenträgern: Monats- tung: Vergütungsabschläge § 137i SGB V durch DKG und GKV-Spitzenverband; Daten durchschnittswerte, Anzahl oder Fallzahlverringerung; erstmals ab 01.01.2019; ggf. BMG-Ersatzvornahme gerissener Schichten; ab 2020: Vergütungsabschläge bei Weiterentwicklung für 2020; jährlicher Erfüllungsgrad; Dar- Nichtmeldung ab 2021 jährlich Erweiterung um stellung in Qualitätsberichten neue pflegesensitive Bereiche 4 Pflegepersonalquotient (PpQ) Festsetzung der Untergrenze durch Perzentilansatz Jährliche Ermittlung und Ver- Sanktionen bei Unterschrei- Kapitel 7 Reformschwerpunkt Pflege: Pflegepersonaluntergrenzen und DRG-Pflege-Split § 137j SGB V BMG-Rechtsverordnung; öffentlichung der PpQ aller tung der PpQ-Untergrenze: ab 2020 Vereinbarung von Sanktionen durch Krankenhausstandorte durch Vergütungsabschläge oder DKG und GKV-Spitzenverband InEK Fallzahlverringerung
. Tabelle 7.1 (Fortsetzung) Nr. Regelung, Rechtsgrundlage und Festsetzung Methodik Transparenz über Einhaltung Konsequenzen bei Nichtein- Regelungszeitraum haltung 7.3 Flankierende Maßnahmen 5 Qualitätssicherungs-Richtlinie Richtlinie des G-BA Studien zu Per- Klärender Dialog: Berichte an Erfüllungsgrad der schichtbe- Früh- und Reifgeborene (QFR-RL) sonalvorgaben G-BA; zogenen Personalschlüssel: § 136 Abs. 1 SGB V (Leitlinien usw.); Strukturabfrage: Ergebnisse 2020 bis 2022 90 %, in 2023 ab 2006 Expertenemp- öffentlich und einrich- 95 % und ab 2024 100 %; fehlung durch tungsbezogen auf www. ggf. keine Vergütung Fachgruppe perinatalzentren.org 6 Hygieneförderprogramm Gesetzliche Regelung im § 23 Infekti- Expertenemp- Nachweis in Budgetverhand- Rückzahlungspflicht bei Nicht- § 4 Abs. 9 KHEntgG onsschutzgesetz (IfSG); Festsetzung fehlungen lungen, einstellung des vereinbarten 2013 bis 2019; Verlängerung bis durch KRINKO (KRINKO-Emp- jährlicher Bericht durch GKV- Personals 2022 (MDK-Reformgesetz) fehlung) Spitzenverband 7 Personalbedarf stationärer psych- BMG-Rechtsverordnung; Gesetzliche Re- Ab 2016 Nachweise über die Keine Sanktionen (ab 2016 iatrischer Krankenhäuser Nachweisvereinbarung durch DKG gelung auf Basis tatsächliche Stellenbesetzung mit Nachweisen sehr einge- (Psych-PV) und GKV-Spitzenverband von Experten- und die zweckentsprechende schränkte Konsequenzen bei (Nachweis §§ 9, 18 BPflV) empfehlungen Mittelverwendung zweckfremder Mittelverwen- 01.01.1991 dung) 8 Personalausstattung in Psychia- Richtlinie des G-BA Fortschreibung Darstellung in Qualitätsberich- Ggf. keine Vergütung trie und Psychosomatik (PPP) der Psych-PV ten; § 136a Abs. 2 SGB V Nachweise über zweckentspre- ab 01.01.2020 chende Mittelverwendung 119 Krankenhaus-Report 2020 7
120 Kapitel 7 Reformschwerpunkt Pflege: Pflegepersonaluntergrenzen und DRG-Pflege-Split chen Kranken- und Pflegeversicherung. Dabei zuhalten. Anderenfalls droht der Wegfall der folgen diese Aufträge unterschiedlichen me- Vergütung. thodischen Ansätzen und bergen verschiedene Personalvorgaben, die hingegen primär der konzeptionelle, methodische und empirische Personalbemessung und Budgetfindung die- Herausforderungen. . Tab. 7.1 gibt einen Über- nen, leiten aus normativ festgelegten Zeitwer- blick über diese Regelungen, ihren Regelungs- ten für differenzierte Patienten- oder Behand- zeitraum, die Art der Festsetzung der Personal- lungsgruppen eine erforderliche Personalaus- vorgaben und die gewählte Methodik sowie die stattung ab, die anschließend die Grundlage für Regelungen zu Transparenz und Konsequen- die Vereinbarung einer entsprechenden Vergü- zen bei Nichteinhaltung der Vorgaben. Es sei tung ist. Der organisatorische Bezug solcher darauf hingewiesen, dass neben diesen Vorga- Personalvorgaben ist dabei meist das gesam- ben auch in diversen Richtlinien des Gemeinsa- te Krankenhaus und nicht die einzelne Stati- men Bundesausschusses (G-BA) und in mehre- on. So ergab sich bei der Psych-PV aus der ren Komplexkodes Personalvorgaben enthalten Eingruppierung von stationären Patienten der sind. Diese sind aber in der Regel Mindestan- Psychiatrie ein erforderlicher Minutenwert je 7 forderungen an die beteiligten Berufsgruppen Berufsgruppe. Aus der Summe der Minuten- (z. B. Teamzusammensetzung in der ambulan- werte wurde dann die erforderliche Personal- ten spezialfachärztlichen Versorgung) und ent- bemessung für die gesamte Einrichtung abge- halten keine quantitativen Vorgaben. Sie blei- leitet, die die Grundlage für die Verhandlung ben im Folgenden außer Betracht. des Krankenhausbudgets war. Die Übersicht zeigt, dass es neben Perso- Eine wesentliche Überarbeitung der Rege- nalvorgaben, bei denen die Personalbemessung lungen zur Personalausstattung in der Psychia- und eine daraus abgeleitete Budgetfindung im trie erfolgte erst kürzlich mit der Personalaus- Vordergrund stehen (z. B. PPR und Psych- stattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richt- PV) auch Personalvorgaben mit einem Fokus linie (PPP-RL)11 des G-BA. Die größte Neue- auf Patientensicherheit (z. B. Pflegepersonalun- rung (und Konfliktpunkt zwischen DKG und tergrenzen und Qualitätssicherungs-Richtlinie GKV) ist, dass mit der PPP-RL aus den Werten Früh- und Reifgeborene (QFR-RL)) gibt. Die- eines Budgetbemessungsinstruments (Psych- se schreiben stations- und schichtgenaue Min- PV) eine Mindestvorgabe abgeleitet wurde, die destvorgaben für die Qualifikation und die An- nun verbindlich einzuhalten ist. Künftig ist die zahl des einzusetzenden Personals im Verhält- Behandlung von Patienten nur dann zulässig nis zur Patientenanzahl vor. So sieht die QFR- und vergütungsfähig, wenn die Mindestvor- RL für die Versorgung von intensivtherapie- gaben für die Berufsgruppen erfüllt sind. Bei pflichtigen Frühgeborenen unter 1.500 g Ge- Nichteinhaltung der Mindestvorgaben entfällt burtsgewicht in Perinatalzentren Level I oder der Vergütungsanspruch. Level II zu jeder Zeit einen Pflegepersonal- Einem anderen Ansatz folgt der Pflegeper- schlüssel von „1 : 1“ und für intensivüberwa- sonalquotient (§ 137j SGB V), der mit dem chungspflichtige Frühgeborene unter 1.500 g PpSG gesetzlich verankert wurde. Der Pflege- Geburtsgewicht von „1 : 2“ vor.10 In den Jah- personalquotient setzt im Sinne eines Ganz- ren 2020 bis 2022 ist ein Erfüllungsgrad von mindestens 90 %, im Jahr 2023 von mindestens 11 Richtlinie über die Ausstattung der stationären Ein- 95 % und ab dem Jahr 2024 von 100 % ein- richtungen der Psychiatrie und Psychosomatik mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeuti- schen Personal gemäß § 136a Abs. 2 Satz 1 SGB V (Personalausstattung Psychiatrie und Psychosoma- 10 Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgebo- tik-Richtlinie – PPP-RL): Erstfassung, G-BA-Beschluss rene (QFR-RL) in der Fassung vom 20.09.2005, letz- vom 19.09.2019. Der Beschluss tritt nach Veröffent- te Änderung vom 18.07.2019, in Kraft getreten am lichung im Bundesanzeiger zum 01.01.2020 in Kraft; 05.10.2019, abrufbar auf www.g-ba.de. abrufbar auf www.g-ba.de.
7.4 Pflegepersonaluntergrenzen 121 7 hausansatzes die Anzahl der Pflegevollkräfte Krankenhaus“ zurück, die 2015 vom damali- ins Verhältnis zu dem am Krankenhausstand- gen Bundesminister für Gesundheit, Hermann ort erbrachten Pflegeaufwand und wird jähr- Gröhe, einberufen wurde. Gesetzlich verankert lich, erstmals im Jahr 2020, vom InEK ermittelt. wurden die Pflegepersonaluntergrenzen mit Die Personalvorgabe erfolgt über die Festle- Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung gung einer Untergrenze durch eine Rechtsver- der epidemiologischen Überwachung über- ordnung des BMG.12 Krankenhausstandorte, tragbarer Krankheiten14 im Juli 2017 (§ 137i an denen im Verhältnis zum Pflegeaufwand zu SGB V). Der gesetzliche Auftrag an die Selbst- wenig Pflegepersonal beschäftigt wurde, wer- verwaltungspartner GKV-Spitzenverband und den sanktioniert.13 Darüber hinaus erfolgt ei- DKG lautete, innerhalb eines Jahres pflegesen- ne Veröffentlichung der Pflegepersonalquoti- sitive Bereiche in Krankenhäusern festzulegen enten aller Krankenhausstandorte. Auch wenn und Pflegepersonaluntergrenzen zu vereinba- bei diesem Ansatz nicht die schicht- und sta- ren, die ab dem 01.01.2019 verbindlich gelten. tionsbezogene Sicherstellung der Patientensi- An der Ausarbeitung und Festlegung waren cherheit im Vordergrund steht, bietet der Pfle- der DPR, Vertreter der Gewerkschaften und gepersonalquotient doch einen niedrigschwel- Arbeitgeberverbände, Patientenvertreter sowie ligen und bürokratiearmen Überblick über das wissenschaftliche Fachgesellschaften (AWMF) Verhältnis aus Pflegepersonal und dem Pfle- qualifiziert zu beteiligen. Über die Festlegung geaufwand der betreuten Patienten. Allerdings von Pflegepersonaluntergrenzen hinaus sollten kann auch bezweifelt werden, dass der Pflege- zahlreiche weitere Vereinbarungen getroffen personalquotient zu einem wirkmächtigen Ins- werden, u. a. zur Nachweisführung und Vergü- trument wird, da die Rechtsverordnung mit tung bzw. Sanktionierung bei Nichteinhaltung Zustimmung des Bundesrates erfolgen muss. der Pflegepersonaluntergrenzen. Mit dem PpSG wurden die Pflegepersonal- untergrenzen als Qualitätssicherungsmaßnah- 7.4 Pflegepersonaluntergrenzen me bestätigt. Die für 2019 festgelegten Pfle- gepersonaluntergrenzen sollen mit Wirkung 7.4.1 Gesetzgebung infolge der ab 2020 auf Basis einer umfassenden, reprä- sentativen Datenerhebung evaluiert und ange- Pflegeexpertenkommission passt werden. Dabei soll der heterogene Pfle- geaufwand von Patienten bei der Festlegung Eine der aktuellsten Maßnahmen, die flankie- der Pflegepersonaluntergrenzen berücksichtigt rend zum G-DRG-System implementiert wur- werden, indem nach der Pflegelast differenzier- den, um die pflegerische Versorgung in Kran- te Schweregradgruppen unterschieden werden kenhäusern zu verbessern, sind Pflegeperso- (Risikoadjustierung). Weiter sieht das PpSG naluntergrenzen für sogenannte pflegesensitive vor, dass erstmals ab 2021 jährlich weitere pfle- Bereiche. Ihre Einführung geht auf die Arbeit gesensitive Bereiche in Krankenhäusern festge- der Expertenkommission „Pflegepersonal im legt und für diese Pflegepersonaluntergrenzen vereinbart werden sollen. Weitere gesetzliche 12 Bei Redaktionsschluss stand die Rechtsverordnung Initiativen sehen vor, dass die Nachweisverein- des BMG zur Festlegung der Untergrenze für den barung jährlich angepasst und die Sanktions- Pflegepersonalquotienten und der näheren Ausge- staltung der Veröffentlichung der Pflegepersonal- vereinbarung um weitere Sanktionstatbestände quotienten der Krankenhäuser (§ 137j Abs. 2 Satz 1 erweitert werden sollen.15 . Tab. 7.2 gibt einen SGB V) noch aus. 13 DKG und GKV-Spitzenverband haben hierzu am 14 Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen 31.07.2019 eine Vereinbarung nach § 137j Abs. 2 Überwachung übertragbarer Krankheiten vom Satz 2 SGB V (Pflegepersonalquotient-Sanktions- 17.07.2017 (BGBl I S. 2615–2639). Vereinbarung) geschlossen; abrufbar auf www.gkv- 15 Der gesetzliche Auftrag zur jährlichen Fortschrei- spitzenverband.de. bung der PpUG-Nachweis-Vereinbarung gemäß
122 Kapitel 7 Reformschwerpunkt Pflege: Pflegepersonaluntergrenzen und DRG-Pflege-Split . Tabelle 7.2 Übersicht der gesetzlichen beauftragten Vereinbarungen bzw. Rechtsverordnungen gemäß § 137i SGB V (Stand: 12.11.2019) Nr. Datum Vereinbarung/Verordnung Festlegung durch 1 05.10.2018 Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV 2019) BMG-Ersatzvornahme 2 28.11.2018 PpUG-Nachweis-Vereinbarung Vereinbarung 3 30.11.2018 Fortschreibung der Vereinbarung über die Übermittlung Vereinbarung von Daten nach § 21 Abs. 4 und Abs. 5 KHEntgG 2019 für das Datenjahr 2018 4 26.03.2019 PpUG-Sanktions-Vereinbarung Schiedsstelle 5 28.10.2019 Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV 2020) BMG-Ersatzvornahme 7 12.11.2019 Fortschreibung der PpUG-Nachweis-Vereinbarung für 2020 Vereinbarung 8 in Arbeit Fortschreibung der PpUG-Sanktions-Vereinbarung Vereinbarung 7 9 Frist: 01.01.2020 Festlegung weiterer pflegesensitiver Bereiche für 2021 BMG-Ersatzvornahme Krankenhaus-Report 2020 Überblick über die bereits in Kraft getretenen gie, Herzchirurgie, Kardiologie, Unfallchirur- Vereinbarungen und Verordnungen. gie und Intensivmedizin. Die Auswahl dieser Bereiche basierte maßgeblich auf den Ergeb- nissen des vom BMG beauftragten Gutachtens 7.4.2 Methodische Fragen des Hamburg Center for Health Economics der Festlegung von (Schreyögg und Milstein 2016a, 2016b).16 Aus- gehend von den Abrechnungsdaten der Kran- Pflegepersonaluntergrenzen kenhäuser und den Angaben der Krankenhäu- ser in den Qualitätsberichten wurde für ins- Die Festlegung von Pflegepersonaluntergren- gesamt 15 medizinische Fachabteilungen der zen in pflegesensitiven Bereichen ist von einer Zusammenhang zwischen den pflegesensitiven Vielzahl definitorischer, konzeptioneller und Ergebnisindikatoren (PSEI) und der Personal- methodischer Herausforderungen geprägt. Die belastungszahl der Pflegekräfte untersucht. An- erste Herausforderung liegt in der Festlegung gesichts der verzerrten Datengrundlage kann der Bereiche. Für die erstmalige Vereinbarung das Ergebnis des Gutachtens kritisiert werden. von Pflegepersonaluntergrenzen für das Jahr Dennoch war es aufgrund mangelnder Alter- 2019 konnten sich die Selbstverwaltungspart- nativen handlungsleitend für die Selbstverwal- ner auf sechs pflegesensitive Bereiche in Kran- tungspartner und das BMG. kenhäusern verständigen: Geriatrie, Neurolo- 16 Weitere von den Selbstverwaltungspartnern ver- § 137i Abs. 4 Satz 2 SGB V wurde mit dem Gesetz wendete Quellen für die Auswahl pflegesensitiver für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung Bereiche waren Auswertungen des Beschwerdema- (GSAV) vom 09.08.2019 verankert. Der gesetzliche nagements der Krankenkassen und der CIRS-Syste- Auftrag zur Fortschreibung der PpUG-Sanktions- me (Critical Incident Reporting System) der Kran- Vereinbarung gemäß § 137i Abs. 1 Satz 10 SGB V kenhäuser sowie eine Studie des IGES-Instituts (Nä- ist im Gesetzentwurf der Bundesregierung für das her et al. 2018). Die vom IGES-Institut im Rahmen Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen der Studie befragten Pflegeexperten stuften zudem (MDK-Reformgesetz) vom 23.09.2019 (Drucksache noch die Bereiche „Innere Medizin“ und „Chirurgie“ 19/13397) vorgesehen. als pflegesensitiv ein.
7.4 Pflegepersonaluntergrenzen 123 7 Eine weitere Herausforderung ist die Festle- zen betreffen den unterschiedlichen Pflegeauf- gung der Grenzwerte, da Studien zum Zusam- wand von Patienten und die unterschiedli- menhang von Personalausstattung und Ergeb- chen Qualifikationsniveaus von Pflegekräften, nisqualität fehlten. Es wurde deshalb die rein den zeitlichen und organisatorischen Bezug der statistische Methode des sogenannten Perzen- Untergrenzen und die Regelungen dazu, wann tilansatzes gewählt, bei dem der Grenzwert auf Untergrenzen als eingehalten bzw. nicht ein- Basis der Verteilung von erhobenen Ist-Daten gehalten gelten. Diese Herausforderungen wer- erfolgt – im Falle der Pflegepersonaluntergren- den im Folgenden kurz erläutert. ze auf Basis des 25 %-Perzentils. Krankenhäu- ser, deren Pflegepersonal-Patienten-Verhältnis 2Heterogenität des Pflegeaufwands im unteren Quartil der Verteilung liegt, müssen von Patienten ihr Verhältnis von Pflegepersonal zu Patienten Nicht alle Patienten haben denselben Pflege- mindestens bis zum Erreichen des vorgegebe- aufwand. Vielmehr variiert der Pflegeaufwand nen Grenzwertes verbessern. Dies kann zum von Patienten zum Teil erheblich, sowohl zwi- einen durch die Aufstockung des Pflegeper- schen unterschiedlichen Patientengruppen als sonals und zum anderen durch die Reduzie- auch über den Zeitverlauf des Krankenhaus- rung von Patientenzahlen erreicht werden. Der aufenthaltes. So ist z. B. der Pflegeaufwand ei- Vor- und Nachteil zugleich beim Perzentilan- nes frisch operierten Patienten in den ersten satz ist die Nähe zum Status quo. Aus wis- Tagen nach der Operation höher als in den senschaftlichen Studien oder REFA-Erhebun- Tagen kurz vor der Entlassung aus dem Kran- gen abgeleitete Personalvorgaben bergen die kenhaus. Für die Umsetzung einer geeigneten Gefahr, dass sie so weit von der tatsächlichen Risikoadjustierung des Pflegeaufwands von Pa- bzw. realistisch umsetzbaren Personalausstat- tienten wurde das InEK beauftragt, den patien- tung entfernt sind, dass lange Übergangsfristen tenindividuellen Pflegeaufwand aus den Pfle- (Beispiel: QFR-RL) oder sogar eine Außerkraft- gepersonalkostenanteilen der G-DRG-Fallpau- setzung (Beispiel: PPR) die Folge sein können. schalen abzuleiten. Das Ergebnis war ein soge- Allerdings kann beim Perzentilansatz das Ge- nannter Pflegelast-Katalog19 , der für jede DRG samtniveau der erhobenen Ist-Daten – vergli- die Pflegelast pro Verweildauertag und addi- chen mit der Einschätzung von Experten, Po- tive Komponenten in Form eines Relativge- litikern oder Einzelpersonen – inadäquat sein wichts enthält, differenziert für Normal- und und einen als kritisch eingeschätzten Status quo Intensivstationen sowie für die Versorgung von manifestieren.17 Erwachsenen und Kindern. Im Rahmen einer Für die erstmalige Vereinbarung von vom BMG moderierten Einigung sollten drei Pflegepersonaluntergrenzen wurde die Wirt- Schweregradgruppen mit jeweils vergleichba- schaftsprüfungsgesellschaft KPMG AG mit der rer Pflegelast gebildet werden. Mangels signi- Datenerhebung und Auswertung beauftragt.18 fikanter Daten konnten jedoch keine differen- Mit Inkrafttreten des PpSG wurde das InEK zierten Grenzwerte für die Jahre 2019 und 2020 mit diesen Aufgaben betraut. festgelegt werden. Weitere zentrale Herausforderungen bei der Festlegung von Pflegepersonaluntergren- 2Qualifikationsmix des Pflegepersonals Eine ähnliche Herausforderung zeigt sich auch 17 Vgl. hierzu auch die Diskussion „Personaluntergren- auf der Seite des Pflegepersonals: Nicht alle zen versus Personalanhaltszahlen“ in 7 Abschn. 7.3.3. Pflegekräfte haben dasselbe Qualifikationsni- 18 Vgl. KPMG-Abschlussbericht: Studie zur Pflegeperso- veau. Die Verordnungen für die Jahre 2019 und nalausstattung und „Pflegelast“ in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern im Auftrag des GKV- 19 Spitzenverbandes und der Deutschen Krankenhaus- Vgl. InEK: Katalog zur Risikoadjustierung für Pfle- gesellschaft vom 24.09.2018 (Friedrich et al. 2018), geaufwand (Pflegelast-Katalog) – Version 0.99 vom abrufbar auf www.gkv-spitzenverband.de. 29.03.2018, abrufbar auf www.g-drg.de.
124 Kapitel 7 Reformschwerpunkt Pflege: Pflegepersonaluntergrenzen und DRG-Pflege-Split 2020 sehen vor, dass in erster Linie Pflege- und eine Nachtschicht festgelegt? Werden Vor- fachkräfte mit mindestens dreijähriger Berufs- gaben für Schichten an Werktagen von sol- ausbildung maßgeblich für die Einhaltung der chen für Wochenendtage unterschieden? Für Pflegepersonaluntergrenzen sind. Bis zu einem die ersten beiden Jahre wurde im Rahmen bestimmten Umfang können darüber hinaus der Rechtsverordnung ein Zweischichtenmo- auch anteilig weitere Pflegekräfte berücksich- dell ohne Wochentag- und Wochenend-Diffe- tigt werden. renzierung festgelegt. 2Organisatorischer Bezug von 2Einhaltung von Pflegepersonaluntergrenzen Pflegepersonaluntergrenzen Während das Gesetz Pflegepersonaluntergren- Schließlich galt es eine Regelung zur Frage der zen für pflegesensitive Bereiche vorschreibt, Einhaltung bzw. Nichteinhaltung und Sank- fehlt es an einer organisatorischen Verortung tionierung von Pflegepersonaluntergrenzen zu des Begriffs. Die ärztliche Patientenversorgung vereinbaren. Die adäquate Lösung aus Sicht in deutschen Krankenhäuser ist traditionell des Patienten ist die hundertprozentige Einhal- 7 in medizinischen Fachabteilungen organisiert, tung der Grenzwerte in allen Schichten. Als deren Bezeichnungen und Differenzierungs- Einstiegslösung hat das BMG allerdings die grad sich an der Weiterbildungsordnung für Einhaltung der Grenzwerte im Monatsdurch- Ärzte20 orientieren. Die pflegerische Patienten- schnitt vorgegeben, was die Saldierung von versorgung hingegen ist in Stationen organi- über- und unterbesetzten Schichten erlaubt. siert, die zunehmend interdisziplinär, d. h. mit Die Anzahl der gerissenen Schichten muss al- Patienten von verschiedenen Fachabteilungen, lerdings ebenfalls mitgeteilt werden. belegt sind. Aus Gründen des Patientenschut- zes müssen die Pflegepersonaluntergrenzen für Stationen festgelegt werden, zu denen es je- 7.4.3 Pflegepersonaluntergrenzen doch im deutschen Krankenhauswesen keiner- für 2019 und 2020 lei Festlegungen und Statistiken gibt. Kranken- kassen erhalten beispielsweise im Rahmen der Die Verhandlungen der Selbstverwaltungspart- Abrechnung lediglich Angaben zur Abteilung ner über die Pflegepersonaluntergrenzen für – nicht zu den Stationen, auf denen der Pa- das Jahr 2019 gestalteten sich schwierig und tient versorgt worden ist. In einem hier nicht führten letztlich zur Ablehnung eines vom näher beschriebenen Prozess erhält das InEK BMG moderierten Kompromisses durch den Informationen zu den „pflegesensitiven“ Sta- DKG-Vorstand. Damit waren die Verhandlun- tionen, für die die Grenzwerte anzuwenden gen der Selbstverwaltungspartner gescheitert sind. und das BMG erließ die Pflegepersonalunter- grenzen per Rechtsverordnung (Pflegeperso- 2Zeitlicher Bezug von naluntergrenzen-Verordnung (PpUGV)21 für Pflegepersonaluntergrenzen das Jahr 2019 vom 05.10.2018). Inhaltlich setz- Eine weitere Entscheidung lag in dem zeitli- te diese PpUGV weitgehend die Vorarbeiten chen Bezug von Pflegepersonaluntergrenzen: von GKV-Spitzenverband und DKG aus den Werden Pflegepersonaluntergrenzen differen- Verhandlungen um, traf aber in den bis zu- ziert für jede Schicht eines üblichen Drei- letzt strittigen Verhandlungspunkten die aus- Schicht-Modells (Früh-, Spät- und Nacht- stehenden Entscheidungen. Die entscheidende schicht) oder nur differenziert für eine Tages- Abweichung von den empirischen Ergebnis- 20 Vgl. BÄK: (Muster-)Weiterbildungsordnung 2018 21 vom 16.11.2018, abrufbar auf Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) www.bundesaerztekammer.de. vom 05.10.2018 (BGBl. I S. 1632–1645).
7.4 Pflegepersonaluntergrenzen 125 7 sen der KPMG-Datenerhebung waren weniger gestellte, anästhesietechnische Assistentin- strenge Vorgaben für die Intensivstationen. nen und Assistenten und Notfallsanitäter Um der Weiterentwicklung und Auswei- erweitert. tung der Pflegepersonaluntergrenzen eine si- 4 Es wird eine bundeseinheitliche Definition chere Basis zu bereiten, wurde die Erhebung von Stationen normiert. und Auswertung der notwendigen Daten expli- 4 Die Aufgreifkriterien zur Identifikation von zit durch das PpSG geregelt und dem InEK als pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäu- Aufgabe übertragen. Ende Januar 2019 wurden sern werden geschärft. für eine Stichprobe knapp 800 Krankenhäuser 4 Es werden Regelungen dazu festgelegt, un- gezogen, die dann bis Ende Mai 2019 stations- ter welchen Bedingungen Personalverlage- und schichtgenaue Daten zur Pflegepersonal- rungen aus nicht-pflegesensitiven in pfle- ausstattung und Patientenbelegung zu liefern gesensitive Bereiche als unzulässig gelten. hatten. Insgesamt lagen über 23.000 verwertba- Die Ermittlung unzulässiger Personalverla- re Daten vor. gerungen erfolgt jährlich durch das InEK. Obwohl in den intensiven Verhandlungen 4 Auch für das Jahr 2020 gilt eine Übergangs- der Selbstverwaltungspartner über Pflegeper- regelung für das erste Quartal 2020 für die sonaluntergrenzen für das Jahr 2020 wieder vier neu geregelten Bereiche (Herzchirur- eine weitgehend geeinte Kompromisslösung er- gie, Neurologie, Neurologische Schlagan- arbeitet werden konnte, lehnte der DKG-Vor- falleinheit, Neurologische Frührehabilitati- stand die Personalgrenzwerte erneut ab: Die on). vom InEK ermittelten Werte für die Untergren- zen in den zwei Schweregradklassen der Inten- . Tab. 7.3 gibt einen Überblick über die Pfle- sivmedizin und im Bereich Neurologie seien gepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Be- zu streng.22 Insgesamt schienen die Verhand- reichen gemäß den Rechtsverordnungen für lungen jedoch vorrangig an der grundsätz- die Jahre 2019 und 2020. lich ablehnenden Haltung der Krankenhaus- Neben der Überprüfung und Weiterent- vertreter gegenüber dem Instrument der Pfle- wicklung der bestehenden Pflegepersonalun- gepersonaluntergrenzen gescheitert zu sein.23 tergrenzen sieht das PpSG auch die jährliche Auch für das Jahr 2020 war damit das BMG Festlegung weiterer pflegesensitiver Bereiche gefordert, die Pflegepersonaluntergrenzen per und Pflegepersonaluntergrenzen vor, erstmals Rechtsverordnung festzulegen (Pflegepersonal- mit Wirkung für das Jahr 2021. Während sich untergrenzen-Verordnung (PpUGV) für das die Vertreter der Kostenträger für die Innere Jahr 2020 vom 28.10.2019).24 Sie enthält die fol- Medizin und die Chirurgie als neue pflegesen- genden Neuerungen im Vergleich zur Rechts- sitive Bereiche sowie für eine explizite Berück- verordnung aus dem Jahr 2018: sichtigung rein pädiatrischer Versorgungsbe- 4 Die Qualifikationsgruppen von Pflegehilfs- reiche einsetzten, schwieg dazu die DKG zu- kräften, die anteilig berücksichtigt werden nächst und lehnte schließlich Mitte Oktober können, werden um medizinische Fachan- 2019 die Vereinbarung neuer Bereiche gänzlich ab. In der Folge wird das BMG auch zu diesem 22 Vgl. Pressemitteilung der DKG vom 02.09.2019 „GKV- Punkt eine Ersatzvornahme erlassen müssen.25 Spitzenverband gefährdet Versorgung durch Maxi- Anders als bei der Festlegung von Pfle- malforderungen“, abrufbar auf www.dkgev.de. 23 Vgl. Gemeinsame Pressekonferenz von DPR, gepersonaluntergrenzen gelang den Selbstver- ver.di und DKG am 13.08.2019 zum Pflege- waltungspartnern eine Einigung über die Rege- personalbemessungsinstrument: Hochwertige lungen zur Nachweisführung sowie über deren Patientenversorgung und attraktive Arbeitsbedin- Fortschreibung für das Jahr 2020. Bezüglich der gungen sind die Zielsetzung, abrufbar auf www. dkgev.de. 24 25 Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) Bei Redaktionsschluss stand diese Rechtsverord- vom 28.10.2019 (BGBl. I S. 1492–1507). nung des BMG noch aus.
126 Kapitel 7 Reformschwerpunkt Pflege: Pflegepersonaluntergrenzen und DRG-Pflege-Split . Tabelle 7.3 Übersicht der Pflegepersonaluntergrenzen gemäß PpUGV für das Jahr 2019 und das Jahr 2020 (Datenquelle: PpUGV 2019, 2020) PpUGV 2019 vom 05.10.2018 PpUGV 2020 vom 28.10.2019 Maximale Anzahl Maximaler Anteil Maximale Anzahl Maximaler Anteil von Patienten je von Pflegehilfs- von Patienten je von Pflegehilfs- Pflegekraft kräften Pflegekraft kräften (in %) (in %) Tag Nacht Tag Nacht Tag Nacht Tag Nacht Intensivmedizin 2,5 3,5 8 8 2,5 3,5 8 0 Geriatrie 10 20 20 40 10 20 15 20 Unfallchirurgie 10 20 10 15 10 20 10 15 Kardiologie 12 24 10 15 10 20 10 10 7 Neurologie – – – – 10 20 10 8 Neurol. Schlaganfall – – – – 3 5 0 0 Neurol. Frühreha – – – – 5 12 10 8 Herzchirurgie – – – – 7 15 5 0 Krankenhaus-Report 2020 Details sei verwiesen auf die PpUG-Nachweis- grenzen auf alle Bereiche eines Krankenhauses Vereinbarung.26 begegnen (siehe 7 Abschn. 7.4.5). Die ersten Nachweise der Krankenhäuser Keine Einigung konnte letztendlich über zeigen erstaunliche Entwicklungen: Während die Regelungen zu Sanktionen bei Nichtein- im ersten Quartal 2019 noch 12 % der gesam- haltung von Pflegepersonaluntergrenzen erzielt ten schicht- und stationsbezogenen Meldungen werden. Nachdem der Gesetzgeber zunächst eine Nichteinhaltung im Monatsdurchschnitt nur Vergütungsabschläge als Sanktionsform aufwiesen, verringerte sich diese Quote bis zum vorgesehen hatte, schaffte er – nicht zuletzt auf dritten Quartal 2019 auf 3 % – ein Rückgang Anregung des GKV-Spitzenverbandes – mit um 75 % innerhalb von neun Monaten! Es ist Inkrafttreten des PpSG die Möglichkeit, alter- schwer zu glauben, dass diese rasante Verbes- nativ zu Vergütungsabschlägen die Fallzahl an- serung der pflegerischen Versorgungssituation zupassen. Dieses Vorgehen ist nicht zuletzt vor in den betroffenen Krankenhäusern allein auf dem Hintergrund der Diskussion über die sta- eilig erfolgte Neueinstellungen von Pflegekräf- tionäre Fallzahl und damit letztlich auch über ten zurückzuführen ist, auch wenn dies die die Anzahl der Krankenhäuser in Deutsch- wünschenswerte Ursache wäre. Solchen Verla- land wünschenswert (Loos et al. 2019; Busse gerungseffekten, die mutmaßlich Grund für die und Berger 2018; Leber und Scheller-Kreinsen augenscheinlich rasante Verbesserung der Ver- 2018; SVR 2018). Die komplizierte Ausgestal- sorgungssituation in den betroffenen Kranken- tung von stations- und schichtbezogenen Fall- häusern sind, kann man nur mit einer konse- zahlreduktionen wurde schließlich in einem quenten Ausweitung von Pflegepersonalunter- Schiedsstellenverfahren entschieden.27 26 PpUG-Nachweis-Vereinbarung vom 28.11.2018 27 sowie vom 12.11.2019, abrufbar auf www.gkv- PpUG-Sanktions-Vereinbarung vom 26.03.2019, ab- spitzenverband.de. rufbar auf www.gkv-spitzenverband.de.
7.4 Pflegepersonaluntergrenzen 127 7 Subsystem 2 Finanzbuchhaltung PACS KIS Personal Belegungsstatistik ? Dienstplan 7:1 Belegung Pflegebedarf Dienstplan IST Krankenhaus-Report 2020 . Abb. 7.1 Schematische Darstellung der Informationssysteme in Krankenhäusern und der fehlenden Integration der Pflegepersonal- und Patientendaten 7.4.4 Pflegepersonaluntergrenzen tationsaufwand und Bürokratisierungsgrad bei als Digitalisierungsproblem der Umsetzung der Pflegepersonaluntergren- zen. Internationale Studien zum Digitalisie- rungsgrad in Krankenhäusern bestätigen dies. Die Diskussionen um Pflegepersonalun- So untersuchten Stephani et al. (2019) anhand tergrenzen haben über den Mangel an des sogenannten Electronic Medical Record Pflegekräften hinaus auch ein massives Adoption Model (EMRAM)28 den Digitalisie- Digitalisierungsdefizit in den deutschen Kran- rungsgrad in den deutschen Krankenhäusern kenhäusern aufgedeckt: In einem Großteil im internationalen Vergleich. der Krankenhäuser findet keine systematische Allerdings scheint in diesen Bereich nun Integration der Daten über die Pflegepersonal- Bewegung zu kommen, nicht zuletzt getrieben ausstattung und die Patientenbelegung auf den Stationen statt (. Abb. 7.1). 28 So wird die Patientenbelegung, aus deren Das EMRAM-Modell wurde 2005 von HIMSS Analy- tics in den USA entwickelt und ist mittlerweile in Datenpool sich grundsätzlich der individuelle vielen Ländern ein etabliertes Modell zur Bewertung Pflegebedarf bzw. Pflegeaufwand für eine be- des Digitalisierungsgrades von Krankenhäusern so- darfsgerechtere Personalplanung ableiten lie- wie zur politischen Steuerung der digitalen Trans- ße, meist völlig unabhängig von der Dienst- formation (Stephani et al. 2019). Das Modell stuft planung und Dokumentation der tatsächli- Krankenhäuser in sieben Digitalisierungsstufen ein. Dabei gilt: Je höher die Stufe eines Krankenhau- chen Personalausstattung dokumentiert. Zu- ses und damit auch der Punktwert eines Landes, dem sind die Dokumentationssysteme in den desto digitaler ist das Krankenhaus bzw. die Kran- Krankenhäusern immer noch häufig vollstän- kenhauslandschaft eines Landes. Die Ergebnisse von dig oder zumindest vorrangig papierbasiert, Stephani und Kollegen zeichnen ein düsteres Bild was eine Migration und Integration von Da- von der deutschen Krankenhauslandschaft: Mit ei- nem Punktwert von 2,3 liegen die deutschen Kran- ten erheblich erschwert bzw. unmöglich macht. kenhäuser weit unter dem EU-Durchschnitt von 3,6 Entsprechend hoch ist der seitens der Kranken- und den Krankenhäusern in den USA (5,0) und Sin- häuser und der Pflege bemängelte Dokumen- gapur (5,7).
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