REPORT - Handwerkskammer Karlsruhe

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REPORT - Handwerkskammer Karlsruhe
REPORT
                                 Katharina Koch
                                     Fleischerin

Reife braucht
Zeit. Und                       Über 130 Berufe,
                           die glücklich machen.                                                                       Magazin der Handwerkskammer Karlsruhe   2022/2023
                                      Mal drüber
eine gute                          nachgedacht?

Ausbildung.
Wir wissen, was wir tun.

                                                   REPORT | Magazin der Handwerkskammer Karlsruhe 2022/2023

                                                                                                              Bionik       Maurermeisterin   Julia   Schäfer    Innovationen
                                                                                                              Rheingold      Interview mit Bundesfinanzminister Christian Lindner
                           HWK-KARLSRUHE.DE
                               HANDWERK.DE                                                                       Nationalpark      Schmuckmuseum Pforzheim         Firmenporträts
REPORT - Handwerkskammer Karlsruhe
Werner Will
                                    Stuckateur

Denker, Fühler,                 Über 130 Berufe,
                           die glücklich machen.
                                      Mal drüber
                                                                              Zusammen
Macher? Alles                      nachgedacht?
                                                                              sind wir stark:
in einem!
                                                                                                                                                                   Joachim Wohlfeil, Präsident, und
                                                                                                                                                                   Walter Bantleon, Hauptgeschäfts­führer
Wir wissen, was wir tun.                                                      Das Handwerk als Stabilitätsanker                                                    der Hand­werks­­­kammer Karlsruhe.

                                                                                         ONLINE-MAGAZIN                    Der Eingangssatz für das Vorwort unseres Magazins – er scheint sich zu wiederholen. Auch
                                                                                              Mehr Infos, Texte,           bei Veröffentlichung des REPORT 2022/2023 muss man feststellen: Ein weiteres turbulen-
                                                                                            Fotos und Filme zu             tes Jahr liegt hinter dem Handwerk. Die Flutkatastrophe im Sommer 2021 erschüttert ganz
                                                                                        den einzelnen Themen               Deutschland, die Corona-Pandemie bestimmt nach wie vor den Alltag, der Angriff Russlands
                                                                                           von REPORT gibt es              auf die Ukraine bringt für Millionen Menschen Leid und macht viele Menschen sprachlos.
                                                                                             in unserem neuen              Eine Welt im 21. Jahrhundert aus den Fugen – so der Eindruck.
                                                                                         Online-Magazin unter:
                                                                                   www.hwk-karlsruhe.de/report             Das Handwerk zeigt in diesen schwierigen Zeiten, wie wichtig es für Gesellschaft und Wirt-
                                                                                                                           schaft ist. Die Betriebe mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben unter schwie-
                                                                                                                           rigsten Bedingungen weitergearbeitet. Die Hilfs- und Unterstützungsangebote für die Be-
                                                                                                                           troffenen in den Überschwemmungsgebieten oder für die Flüchtenden aus der Ukraine
                                                                                                                           sind beispielgebend. Solidarität in einer Wertegemeinschaft, das ist der Ausgangspunkt, um
                                                                                                                           Herausforderungen und Krisen gemeinsam meistern zu können.

                                                                                                                           Und Aufgaben stehen wahrlich genügend an: Wir brauchen qualifizierte Handwerkerinnen
                                                                                                                           und Handwerker, damit die großen Zukunftsprojekte der Politik umgesetzt werden können.
                                                                                                                           Die Klima-, Energie- und Verkehrswende wird nur mit den mittelständischen Betrieben un-
                                                                                                                           seres Wirtschaftszweiges realisiert werden können, um nur ein Handlungsfeld zu benennen.
                                                                                    QR-Code mit dem Mobiltelefon mit
                                                                                    entsprechender Gratissoftware/App      Das Handwerk macht das Morgen!
                                                                                abfotografieren. Sie werden automatisch
                                                                                 zu den hinterlegten Inhalten gesteuert.   Die Handwerkskammer Karlsruhe lädt zu einem Streifzug durch ihr Kammergebiet ein:
                                                                                                                           Reportagen, Interviews, Statistiken – von allem ist etwas dabei. Wir wünschen gute Unter-
                                                                                                                           haltung bei der Lektüre des REPORT 2022/2023 und verbleiben mit freundlichen Grüßen.

                                                                                                                           Joachim Wohlfeil					                                         Walter Bantleon
                                                   Titelfoto: Julia Schäfer

                           HWK-KARLSRUHE.DE
                               HANDWERK.DE                                                                                                                                                 report | Handwerkskammer Karlsruhe   3
REPORT - Handwerkskammer Karlsruhe
Inhalt

                                  Welterbe Baden-Baden
                                                                3   Editorial                                  32          Mit Kelle und Kosmetik
                                                                                                                           Porträt: Julia Schäfer
                                                                6   Den wilden Wald entdecken: Nationalpark                                                                                                      Bionik
                                                                                                               34          Firmenporträt: Pfeifferschmiede
                                                               10   Vergangener Glanz – glänzende Zukunft:
                                                                    Baden-Baden                                36          Lernen von den Schmetterlingen

                                                               16   Ausbildungsbilanz 2021                     42          Südwest-„Tatorte“ aus Baden-Baden

                                                               18   Firmenporträt: Mikrowerkzeuge von Zecha    46          Innovation und Handwerk
                                                                                                                                                                                                                 Bundesfinanzminister
                                                                                                                                                                                                                 Christian Lindner
                                                               20   Betriebe im Kammerbezirk                   48          Neue Webseiten

                                                               22   Gold aus dem Rhein                         50          Firmenporträt: Mühle „Decker+Mönch“

                                                               26   Notizen aus der Handwerkskammer:           52          Spazierwanderwege
                                                                    Höhepunkte 2021 und 2022
                                                                                                               56          Neues aus der Bildungsakademie
                                                               28   Firmenporträt: Flechtmanufaktur Katz
                                                                                                               59          Organigramm und Impressum
                                                               30   Interview mit dem Bundesfinanzminister
                                                                    Christian Lindner                          60          Goldener Boden für Schmuck und Design –
                                                                                                                           Schmuckmuseum Pforzheim
                                Innovationsforscherin
                                Marion A. Weissenberger-Eibl

Nationalparkzentrum

4        report | Handwerkskammer Karlsruhe                                                                   Fotos: Baden-Baden Kur&Tourismus GmbH, Franz Wamhof, Achim Birnbaum Architektur Fotografie, KIT,                          Schmuckmuseum   5
                                                                                                              Janine Schmitz, photothek.de, Winfried Reinhardt
REPORT - Handwerkskammer Karlsruhe
Die Bäume scheinen
                                                                                                        das Besucherzentrum
                                                                                                        zu streicheln.

                                                                                       Z    um krönenden Abschluss gelangt man im Besucherzentrum
                                                                                            für den Nationalpark Schwarzwald auf einen schräg stehenden,
                                                                                       mehr als 30 Meter hohen Aussichtsturm. Von diesem Skywalk aus
                                                                                       schweift der Blick über Hügel und Wipfel weit hinaus in den Na-
                                                                                       tionalpark – und man begegnet den umgebenden Baumkronen auf
                                                                                       Augenhöhe. „Das ist ein grandioses Erlebnis“, ist der baden-württem-
                                                                                       bergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der Eröffnung
                                                                                       begeistert. „Mitten im Wald, wie sie das reingefriemelt haben, da
                                                                                       kann man nur größte Bewunderung haben.“ Er meint damit aber
                                                                                       nicht nur den abschließenden Skywalk, sondern das Besucherzen-
                                                                                       trum in seiner Gänze. Schon wer es betritt, bekommt das Gefühl, er
                                                                                       steht im Wald. Denn hinter einer Fensterfront erstreckt sich wie zum
                                                                                       Greifen nah der Nationalpark Schwarzwald.

                                                                                       Unter dem Motto „Eine Spur wilder“ wird dort auf einer Fläche von
                                                                                       10.000 Hektar der Natur ihren Lauf gelassen. Bäume kommen,
                                                                                       Bäume vergehen: Im Nationalpark Schwarzwald zwischen Baden-
                                                                                       Baden und Freudenstadt geschieht dies, ohne dass der Mensch
                                                                                       eingreift. Wenn ein Baum abstirbt und fällt, wird er liegen gelassen.
                                                                                       Totholz ist dann neuer Lebensraum – zum Beispiel für Ameisen und
                                                                                       Schmetterlinge. Das 2021 eröffnete Besucherzentrum für den Na-
                                                                                       tionalpark macht diesen Lauf der Natur architektonisch und inhaltlich
                                                                                       auf eindrucksvolle Weise sicht- und erfahrbar.

                                                                                       Dies beginnt mit dem Gebäude selbst. Gelegen auf einer Höhe von
                                                                                       900 Metern am Pass Ruhestein bei Baiersbronn, scheint es sich an
                                                                                       einen leicht abfallenden Hügel zu kleben. Der Gebäudekomplex mit
                                                                                       einer Nutzfläche von rund 3.000 Quadratmetern besteht aus acht
                                                                                       riegelförmigen Baukörpern, die jeweils um die 60 Meter lang sind.
                                                                                       Diese Riegel sind übereinandergeschichtet und quer sowie längs
                                                                                       miteinander verschachtelt. Das Besucherzentrum sieht daher aus
                                                                                       wie umgefallene Baumstämme nach einem Windwurf.

    Den wilden Wald
                                         Neues Besucherzentrum für den
                                         Nationalpark Schwarzwald / Gebäude
                                         präsentiert sich mit spektakulärer

    entdecken
                                         Architektur / Handwerkliche Meisterleistung
                                         ermöglichte den Bau / In Baden-
                                         Württembergs erstem Nationalpark wird
                                         der Natur ihren Lauf gelassen

6   report | Handwerkskammer Karlsruhe                                                                                           report | Handwerkskammer Karlsruhe   7
REPORT - Handwerkskammer Karlsruhe
Naturzonen mit vielen
                                                                                                                                                                                                      Details sind im Besucher-
                                                                                                                                                                                                      zentrum zu entdecken.

                                                                                                                                                    Informationen werden lebendig

                                                                                                                                                    Die Dauerausstellung für Jung und Alt beschreibt den Kreislauf von
                                                                                                                                                    Werden und Vergehen bis unter die Erde. Dafür werden sowohl
                                                                                                                                                    traditionelle Darstellungsweisen als auch modernste digitale Vermitt-
                                                                                                                                                    lungsformen eingesetzt. Naturszenen mit fast unzähligen Details zu
                                                                                                                                                    Bäumen und anderen Pflanzen sowie Tieren sind dargestellt – es
                                                                                                                                                    gibt unglaublich viel zu entdecken. Dabei werden diese Dioramen
                                                                                                                                                    etwa mit ausgestopften Luchsen und Spechten von Informationen
                                                                                                                                                    über Touchscreens ergänzt. Die Seiten scheinen beim Umblättern
                                                                                                                                                    regelrecht zum Leben zu erwachen. An etlichen weiteren Stellen                Informationen
                                                                                                                                                    gibt es Möglichkeiten, Dinge anzufassen und aktiv zu erleben. Ein             Das neue Besucherzentrum und der auf rund 900 Metern Hö-
                                                                                                                                                    Flugsimulator erlaubt es den Besuchern sogar, wie ein Raubvogel               he liegende Ruhestein sind ideale Startpunkte für eine Erkun-
                                                                                                                                                    über dem Nationalpark zu kreisen. Die nachgebildeten Landschaften             dung des Nationalparks Schwarzwald. Der Nationalpark bietet
                                                                                                                                                    sind zudem nicht immer gleich. Die Lichtverhältnisse ändern sich, so          allerhand für Erwachsene und Familien mit Kindern, von Er-
                                                                                                                                                    dass der Eindruck verschiedener Tages- und Nachtzeiten entsteht.              lebnispfaden und Wanderwegen zum „Selbstentdecken“ über
                                                                                                                                                    Untermalt ist der Rundgang von typischen Waldgeräuschen, wie dem              geführte Touren durch die wilde Schönheit des Schwarzwalds
                                                                                                                                                    Knarzen von Bäumen und Vogelgezwitscher. Die Ausstellung führt                bis hin zu Übernachtungen im Trekking-Camp.
                                                                                                                                                    schließlich zu einem Gebäudeteil, das in die Erde gebaut wurde. Hier          Das Nationalparkzentrum Ruhestein ist sowohl mit dem öffent-
    Der Bau rückte möglichst nah an den Wald heran.                                                                                                 zeigt sie die Tier- und Pflanzenwelt im Erdreich.                             lichen Nahverkehr als auch mit dem Pkw gut zu erreichen. Es
                                                                                                                                                                                                                                  liegt etwa eine Stunde von Rust entfernt an der L87 zwischen
                                                                                                                                                    Heimat seltener Tiere                                                         Freudenstadt und Baden-Baden direkt an der Kreuzung, die
                                                                                                                                                                                                                                  nach Baiersbronn führt. Es wird auch von mehreren Regio-Bus-
                                                                                                                                                    Spätestens wenn sie zum Abschluss auf dem Skywalk stehen und                  linien angefahren.
                                                                                                                                                    die Aussicht auf den Schwarzwald genießen, dürfte sich bei vielen             nationalpark-schwarzwald.de
                                                                                                                                                    Besuchern Bewunderung vor der Natur einstellen. Zum 1. Januar
    Handwerker schüttelten den Kopf                                          in die Natur einzugreifen. „Wir wollten viel Baumbestand erhalten      2014 wurde der Nationalpark Schwarzwald als Baden-Württembergs
                                                                             und sind möglichst dicht an Bäume herangerückt“, erklären die Ar-      erster und bislang einziger Nationalpark gegründet. Unter anderem
    Um diesen Effekt zu erzielen, war auch eine handwerkliche Meister-       chitekten Jörg Sturm und Susanne Wartzeck. Gebäudenahe Bäume           der Dreizehenspecht und der schnellste Vogel der Welt, der Wan-
    leistung nötig. Der architektonische Blickfang besteht aus Holz und      wurden teilweise eingerüstet, damit sie nicht den Bautätigkeiten zum   derfalke, sind hier ebenso zu Hause wie die kleinste Eule Europas,
    Stahl. Unter anderem 1.150 Kubikmeter Brettsperrholz, mehr als 200       Opfer fallen mussten. Zeitweilig bog man sogar im Wege stehende        der Sperlingskauz. Auch der vom Aussterben bedrohte Auerhahn
    Kubikmeter Brettschichtholz und 300 Tonnen Stahl wurden verbaut          Baumkronen per Seilwinde beiseite, damit ein riesiger Kran hindurch    findet sich hier noch. Bäume, die in Wirtschaftswäldern meist nur
    sowie rund vier Millionen Ankernägel vernagelt. 630.000 handgefer-       Bauteile zu den Arbeitern schweben lassen konnte. Manche Hand-         ein Drittel ihres natürlichen Alters erreichen, dürfen im Nationalpark
    tigte Fichtenschindeln aus heimischen Wäldern bedecken die Fas-          werker hätten aufgrund des Aufwands den Kopf geschüttelt, erinnert     mehrere hunderte Jahre alt werden – bis sie Platz machen für die
    saden. Äußerst komplex waren die Anforderungen beim Tragwerk, das        sich die Leiterin des Besucherzentrums, Ursula Pütz.                   nachfolgende Generation. Der Nationalpark ist aber nicht nur Heimat
    auf hohe Wind-, Erdbeben- und Schneelasten sowie „Baumwurf“ und                                                                                 und Raum für Tiere und Pflanzen, sondern auch für die Menschen.
    hohe Luftfeuchtigkeit ausgelegt ist. Um solche Belastungen abzufe-       Heute führte das 2021 eröffnete Zentrum die Waldwildnis der            Gäste können Wandern, Radfahren, Wintersport betreiben oder ein-
    dern, sind die Gebäuderiegel dort, wo sie aufeinanderliegen, beweglich   Umgebung quasi in ihrem Innern fort. Dies geschieht zum einen          fach nur aus der Hektik des Alltags eintauchen in die Ruhe der Natur.
    mit Brückenfugen auf Wälzlagern gelagert. Damit die gesamte Kons-        dadurch, dass Holz unter anderen auch für das große Foyer sowie        „Wir möchten die Besucher gerne mit unserer Begeisterung für die
    truktion überhaupt an den Hang mitten im Wald gelangen konnte,           Vortrags- und Schulungsräume der alles dominierende Ausstattungs-      Wildnis anstecken“, erklärt Ursula Pütz. „Und wir hoffen, dass die
    waren aufwendige Vermessungen und millimetergenaue Präzision in          gegenstand ist. Auf diese Weise passend „eingekleidet“ präsentiert     Leute dann auch ein stückweit achtsamer mit der Natur umgehen,
    der Produktion und Montage sperriger Bauteile nötig.                     das Besucherzentrum aber vor allem mit einem Kino und einer            wenn sie bei uns wieder herausgehen.“ Wer sich darüber hinaus
                                                                             Dauer- sowie Wechselausstellungen den Wald quasi zum Anfassen.         noch mit dem Gebäude selbst und seiner Entstehung befasst, dürfte
    Dabei gingen Planer und Arbeiter sowohl mit Vorsicht als auch mit        Die Besucherinnen und Besucher können sehen und erleben, was           dazu noch einen gehörigen Respekt vor dem Handwerk mit nach
    ungewöhnlichen Methoden vor. Während der rund vier Jahre dau-            passiert, wenn Natur Natur sein darf. Zudem sind komplexe ökolo-       Hause nehmen.
    ernden Bauarbeiten war die oberste Vorgabe, so wenig wie möglich         gische Zusammenhänge allgemeinverständlich dargestellt.                                                                      Christoph Ertz ¬

8     report | Handwerkskammer Karlsruhe                                                                                                            Fotos: Daniel Müller, Dirk Altenkirch, Karlsruhe; Achim Birnbaum, Stuttgart                           report | Handwerkskammer Karlsruhe   9
REPORT - Handwerkskammer Karlsruhe
Vergangener Glanz –
                                            glänzende Zukunft
                                              Baden-Baden setzt große Hoffnungen auf den „Welterbe“-Titel

10   report | Handwerkskammer Karlsruhe                                              report | Handwerkskammer Karlsruhe   11
REPORT - Handwerkskammer Karlsruhe
Ob Lichtentaler
                                                                                                                                                      Allee, Museum
                                                                                                                                                      Frieder Burda
                                                                                                                                                      oder Brenners
                                                                                                                                                      Park-Hotel:
                                                                                                                                                      Baden-Badens
                                                                                                                                                      mondänes Erbe
                                                                                                                                                      ist ein Pfund für
                                                                                                                                                      die Zukunft.

     S     ommerhauptstadt Europas, Spielerparadies, elegantes Kurbad,
           architektonisches Juwel und eine einmalige Naturschönheit –
     Baden-Baden zählte im 19. und auch noch 20. Jahrhundert zu den
                                                                                der Hochkaräter zu nennen, „im alten Schmuckkästchen, das nicht
                                                                                verstauben dürfte“, wie es die ehemalige Baden-Badener Oberbür-
                                                                                germeisterin Margret Mergen formulierte.
     Stätten, die sich heute mit dem Label „Sehnsuchtsort“ schmücken
     könnten. Versnobt, überaltert und irgendwie aus dem Zeitrahmen ge-         Ideen, die kostbaren Erbstücke zukunftsträchtig einzusetzen, gab es
     fallen, nahmen gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts dagegen             schon vor Jahrzehnten, als der Freundeskreis Lichtentaler Allee den
     Kritiker die Kurstadt mit ihren rund 55.000 Einwohnern wahr. Zwar          Denkanstoß „Welterbe“ gab. Die Flaniermeile aus dem 19. Jahrhun-
     polierten die Kulturglanzlichter Festspielhaus und Museum Frieder          dert hatte jedoch als Solitär keine echte Chance im Wettlauf um den
     Burda das Image kräftig auf, doch der entscheidende Impetus in Sa-         Titel. Aufbauend auf dem Erbe aus der Römerzeit entwickelte sich
     chen Tourismus, Handel und Gewerbe fehlte. Die vom ehemaligen              die Idee, mit dem Gesamtpaket „Heilung und Kultur” die Aufnahme
     Ministerpräsidenten Lothar Späth einst liebevoll-ironische als teure       in das UNESCO-Welterbe zu beantragen – und zwar nicht allein, son-
     „Kurtisane an der Oos“ titulierte Stadt hatte es versäumt, mit ihren       dern im Verbund mit zehn weiteren traditionsreichen Bäderkurorten
     ererbten Pfunden zu wuchern.                                               Europas. Als „Great Spa Towns of Europe“ setzen sich neben Baden-
                                                                                Baden die deutschen Kurstädte Bad Ems und Bad Kissingen für
     Dieses Erbe hat es in sich: Ein wunderbar erhaltenes Stadtbild,            Erhalt und Ausbau des „Spa“-Faktors ein. Dazu kommen Baden
     der Kurpark mit der Lichtentaler Allee, die römischen Badruinen,           bei Wien in Österreich, Spa in Belgien, Franzensbad, Karlsbad und
     Friedrichsbad und Caracalla-Therme, Kurhaus und Theater, Kloster           Marienbad in der Tschechischen Republik, Vichy in Frankreich,
     Lichtental, Stiftskirche, Trinkhalle, Brenners Park-Hotel, um nur einige   Montecatini Terme in Italien und City of Bath in Großbritannien.

12     report | Handwerkskammer Karlsruhe                                                                                                                                 report | Handwerkskammer Karlsruhe   13
REPORT - Handwerkskammer Karlsruhe
„In anderen Städten sind häufig nur einige wenige Attraktionen zu
                                                                                                                                                       besichtigen“, stellt Waggershauser klar. „In Baden-Baden kann bei
                                                                                                                                                       Spaziergängen die ganze Stadt erlebbar werden, Geschichte und
                                                                                                                                                       Geschichten bieten viele Anreize, die Stadt entwickelt sich von der
                                                                                                                                                       Kulisse zur Bühne.“ Für das von Corona gebeutelte Hotel- und Gas-
                                                                                                                                                       tronomiegewerbe sieht sie ermutigende Ansätze. Urlaubsbuchungen
                                                                                                                                                       gingen vermehrt aus den nordischen Ländern ein, aber auch aus der
                                                                                                                                                       Schweiz. Deutlich zugenommen hat laut Waggershauser auch der An-
                                                                                                                                                       teil der Wohnmobil-Touristen.

                                                                                                                                                       Während asiatische Gäste nur vereinzelt registriert würden, haben die
                                                                                                                                                       Amerikaner Deutschland und auch Baden-Baden wiederentdeckt – nicht
                                                                                                                                                       zuletzt aus Sicherheitsgründen. Gemeinsam wollen die elf Städte aus
                                                                                                                                                       sieben Ländern aufbauend auf ihren europäischen Gemeinsamkeiten
                                                                                                                                                       Marketingstrategien entwickeln, um das gemeinsame Erbe lebendig
                                                                                                                                                       zu erhalten und auszubauen.
                                                                                                                                                                                                            Irene Schröder ¬
                                                                                                                                                       baden-baden.de

                                                                                                                                                                                                                                                                           Unter anderem mit der historischen Trinkhalle
                                                                                                                                                                                                                                                                           und dem Friedrichsbad bietet Baden-Baden
                                                                                                                                                                                                                                                                           unvergessliche Eindrücke.

     Vorbild für die Partner                                                   im chinesischen Fuzhou bei der UNESCO-Welterbekommission die
                                                                               Entscheidung, die „Great Spa Towns of Europe“ in den erlauchten
     „Unendlich viel Arbeit“ lag bereits hinter Stadtplanerin Lisa Poetschki   Kreis aufzunehmen.
     und ihrem kleinen Team von der Stabsstelle Welterbe und Stadtge-
     staltung, als im Januar 2019 das 1.500 Seiten starke Antragsdossier       Der in Baden-Baden entwickelte Managementplan soll auch den übri-
     bei der UNESCO eingereicht wurde. Fast zehn Jahre zuvor hatte der         gen Städten als Orientierungshilfe für ihre Projekte im Straßen- oder
     damalige Oberbürgermeister Wolfgang Gerstner bei einer Tagung im          Tiefbau dienen – immer das kostbare Erbe im Blick, das allerdings bei
     Palais Biron die Federführung für das gemeinsame Projekt übernom-         den Partnern doch teilweise weniger üppig ausfällt als an der Oos,
     men und damit auch die Stadtentwicklung auf einen neuen Kurs              wo Kultur, Natur, Gesundheit und Unterhaltung in fast einmaliger
     gesetzt. Der von der Stabsstelle ausgearbeitete Managementplan            Konzentration ineinandergreifen.
     stellt die Weichen für eine konsequent am historischen Erbe aus-
     gerichtete Stadtentwicklung – für die seit 1985 in der Stadtverwal-       Als werbeträchtiges „Gütezeichen“ wertet denn auch Tourismus-
     tung tätige Poetschki ein Herzensprojekt. „Ich war von Anfang an von      chefin Nora Waggershauser den Welterbetitel. Die Kriterien habe
     dieser außergewöhnlichen Stadt fasziniert“, erzählt sie und nennt         die Stadt eigentlich schon immer erfüllt, meint sie und berichtet
     als ein Beispiel das Villengebiet, dessen Wertigkeit in die Antragstel-   schmunzelnd, dass unmittelbar nach Bekanntwerden der Auszeich-
     lung einbezogen wurde. Wie ein roter Faden ziehe sich die Arbeit          nung Besucher der Tourist-Info den verdutzten Mitarbeiterinnen zu
     der Stabsstelle durch die lange Zeit der Vorbereitung – und wird          ihrem Erfolg gratuliert hätten. Nachhaltiger Qualitätstourismus soll
     in Zukunft keineswegs weniger werden, denn am 24. Juli 2021 fiel          künftig noch mehr Gäste nach Baden-Baden locken.

14     report | Handwerkskammer Karlsruhe                                                                                                              Fotos: Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden; Baden-Baden Kur&Tourismus GmbH, Museum Frieder Burda, Brenners Park-Hotel                         report | Handwerkskammer Karlsruhe   15
REPORT - Handwerkskammer Karlsruhe
Beginner 2021, verteilt auf Berufsgruppen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Beginner 2021
                                                                                                                                     Beginner 2018, neue Lehrverhältnisse: 2.526                                                               997
                                                                                                                                                                                                                Beginner 2018

                                                                                                                                                 1.044
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            1000

                                                                                                                                                     511
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             800

                                                                                                                                                                                                                                    394
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             600
                                                                                                                                       447

                                                                                                                                                                                               296                                                                                             256
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             400
                                                                                                                                                                                                          175           185
                                                                                                                                                                                                                                                              128                                                      136
                                                                                                                                                              147                   142
                                                                                                                                                                                                                                                                                    94
                                                                                                                                                                                                                                                                        35                                                         35
                                                              1782
                                                                                                                                                                         40                                                                                                                                22                                                200
                                                                           1573                                                      Bauberufe   Metall/   Holzberufe Bekleidung Nahrungs- Gesundheit kfm. Berufe    Sonstige      Bau    Metall u. Elektro   Holz   Bekleidung   Nahrung   Gesundheit   Sonstiges   kfm.Berufe   Werker
                                                                                                                                                 Elektro                          mittel               Handwerk

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                0

                                                  918

                                                                     707                705         684         721
                                                                                  561

                                     341                354
                                                                                              274         263         278
                                            143

                                                                                                                                                                                                                                regionalen Berufsmessen, der Ausfall der Schulbesuche der Ausbil-                                          immer – vorzeitig abgebrochen werden. Nicht alle Abbrüche gehen
                                                                                                                                                                                                                                dungsbotschafter und nicht realisierbare Betriebspraktika oder Werk-                                       dem Handwerk verloren, auch eine neue Berufswahl kann zum
                                                                                                                                                                                                                                stattcamps erleichterten die Berufswahlentscheidungsprozesse der                                           Handwerk führen. Dennoch: Sowohl für den Ausbildungsbetrieb,
                                                                                                                                                                                                                                Jugendlichen in den letzten beiden Jahren nicht. Digitale Angebote                                         als auch für die Jugendlichen ist ein Abbruch mit großen Belastun-

     Zahl der neuen
                                                                                                                                                                                                                                konnten diese Lücke nicht füllen.                                                                          gen verbunden. Die Ausbildungsberater und Mediatoren der Kam-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           mer beraten und helfen, um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden.
                                                                                                                                                                                                                                Land fördert neue Projekte                                                                                 Unter den 2.370 neuen Auszubildenden im letzten Jahr waren 151
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Personen aus den Asylzugangsstaaten Afghanistan, Eritrea, Gambia,

     Ausbildungsverträge stabil
                                                                                                                                                                                                                                Mit dem Förderprogramm „Berufsausbildung 4.0“ hat das ba-                                                  Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien.
                                                                                                                                                                                                                                den-württembergische Wirtschaftsministerium inzwischen darauf
                                                                                                                                   1000                                                                                         reagiert, dass sich zuletzt in Baden-Württemberg weniger Jugendli-                                         Junge Frauen weiter die Minderheit
                                                                                                                                                                                                                                che800
                                                                                                                                                                                                                                    für eine berufliche Ausbildung entschieden haben. Geförderter
                                                                                                                                                                                                                                Projektträger in Höhe von 70.600 Euro ist auch die Handwerks-                                              Das Handwerk ist nach wie vor eine Männerdomäne: Nur 17,4
                                                                     800                                                                                                                                                           700 Karlsruhe. Bei den Projekten im Kammerbezirk Karlsruhe
                                                                                                                                                                                                                                kammer                                                                                                     Prozent (412) der neuen Auszubildenden 2021 im Kammerbezirk
     Ausbildungsbilanz 2021: Mehr als 6.000 junge Menschen in Ausbildung                                                                                                                                                        geht es unter anderem um die Weiterentwicklung und Erprobung                                               waren weiblich. Was nicht bedeutet, dass sich nicht auch junge
                                                                                                                                                                                                                                   600
                                                                                                                                                                                                                                einer Online-Werkstatt zu einer hybriden Maßnahme.                                                         Frauen in den eher technikaffinen Gewerken immer wieder gut
                                                                                                                                     600                                                                                                                                                                                                   beweisen. Über den „Girls Day“ oder die Ausbildungsberater an
                                                                                                                                                                                                                                Mit 500
                                                                                                                                                                                                                                    Abitur ins Handwerk                                                                                    allen Kammerstandorten werden gerade auch Mädchen motiviert,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           einen Karriereweg im Handwerk in ihre Berufswahlüberlegungen

     D
                                                                                                                                                                                                                                    400
            ie Ausbildungsbilanz in den vier Landkreisen Calw, Karlsruhe,                                                             400 wurden am Stichtag 31.12. des
                                                                                                          0,5 Prozent entspricht. Insgesamt                                                                                     Der Anteil von Jugendlichen mit Abitur und Fachhochschulreife                                              einzubeziehen.
            Rastatt und dem Enzkreis sowie in den drei Städten Baden-                                     letzten Jahres 6.035 junge Menschen im Kammerbezirk ausgebildet.                                                      legte in den letzten Jahren kontinuierlich zu: 15,1 Prozent der                                            Die Liste der zahlenmäßig stärksten Berufe wird im Berichtsjahr bei
                                                                                                                                                                                                                                    300
     Baden, Karlsruhe und Pforzheim liest sich für das Jahr 2021 relativ                                  Das Ausbildungsgeschehen war im zweiten Jahr durch die Restrik-                                                       Neuverträge stellen Jugendliche mit höherem Bildungsabschluss,                                             den Ausbildungs-Beginnern deutlich angeführt von den Kraftfahr-
     stabil. 2.370 junge Frauen und Männer haben im vergangenen Jahr                                      tionen der Corona-Pandemie  200
                                                                                                                                       beeinflusst. Gerade die in der Vergan-                                                   mit 200
                                                                                                                                                                                                                                    mittlerem Bildungsabschluss fanden 44,1 Prozent den Weg ins                                            zeugmechatronikern (347), gefolgt von den Anlagenmechanikern
     eine Ausbildung im Handwerk im Kammerbezirk Karlsruhe begon-                                         genheit zahlreich durchgeführten Berufsorientierungsmaßnahmen                                                         Handwerk. Ein wichtiges Thema ist nach wie vor, dass viele Aus-                                            (250), den Friseuren (129), Elektronikern (119), Zimmerern (118)
     nen – das waren zwölf mehr als im Jahr 2020, was einem Plus von                                      konnten nicht wie gewohnt angeboten werden: Der Wegfall von                                                           bildungsverhältnisse
                                                                                                                                                                                                                                    100              (11,8 Prozent) – aus welchen Gründen auch                                             und Tischlern (113).
                                                                                                                                         0
                                                                                                                                                                                                                                          0
16     report | Handwerkskammer Karlsruhe                                                                                                                                                                                       Fotos: iStock_Geber86; iStock_Yozayo                                                                                                                report | Handwerkskammer Karlsruhe   17
REPORT - Handwerkskammer Karlsruhe
Reiner Kirschner (links) und Stefan                                           FIRMENPO R T R Ä T
                                                                                                                                                   Zecha leiten das Unternehmen.

                                                                                                                                                   messer herrschen völlig andere Bedingungen als bei herkömmlichen       entscheidet immer noch“, stimmen Kirschner und Zecha überein.
                                                                                                                                                   Dimensionen“, betonen Zecha und Kirschner. Solche Werkzeuge            „Nur so sind die Maschinen perfekt eingerichtet.“ Trotz allem tech-
                                                                                                                                                   herzustellen, verlange ein Höchstmaß an Kompetenz – „denn die          nischen Fortschritt – wie zu den Zeiten von James Watt ist das
                                                                                                                                                   Geometrien normalgroßer Werkzeuge können nicht einfach in den          Können des Menschen noch immer ein wesentlicher Faktor. Auch
                                                                                                                                                   Mikrobereich herunterskaliert werden“. Wie hoch dabei die Qual-        das macht die Firma Zecha deutlich.
                                                                                                                                                   ität im Umgang mit kleinsten Dingen ist, hat Zecha 2020 an ei-                                                           Christoph Ertz ¬
                                                                                                                                                   nem zwar allgegenwärtigen und dennoch ungewöhnlichen Objekt            zecha.de
                                                                                                                                                   demonstriert – einem menschlichen Haar. Darauf gelang es dem
                                                                                                                                                   Winzlings-Produzenten, einen Schriftzug einzufräsen. Der dünnste
                                                                                                                                                   Fräser, den das Unternehmen herstellt, ist sogar nur etwa ein Zehn-
                                                                                                                                                   tel so dick wie ein Haar. Für seinen Ideenreichtum hat Zecha den              Fertigung im μ-Bereich: Mit
                                                                                                                                                   „Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg 2021“ erhalten, den            hochpräzisen Maschinen entstehen
                                                                                                                                                   „Dr. Rudolf-Eberle-Preis“. Das Landes-Wirtschaftsministerium wür-             die Mikrowerkzeuge.
                                                                                                                                                   digte die Weiterentwicklung von Werkzeugen mit Diamantbeschich-
                                                                                                                                                   tungen, die durch eine Laserbearbeitung außergewöhnlich lange
                                                                                                                                                   verwendet werden können. „Zum Beispiel in der Bearbeitung von

     Werkzeuge – dünner als
                                                                                                                                                   Kupfer erlangen unsere Kunden damit eine um den Faktor 400
                                                                                                                                                   verlängerte Standzeit“, erläutert Zecha, der auch Vorsitzender des
                                                                                                                                                   Fachverbands Präzisionswerkzeuge im Branchenverband VDMA ist.

                                                                                                                                                   Ursprung aus einem Kinderzimmer heraus

     menschliches Haar                                                                                                                             Angefangen hat sein Unternehmen einst im wahrsten Sinne des
                                                                                                                                                   Wortes aus einer Kinderstube heraus. Stefan Zechas Vater Erwin
                                                                                                                                                   erkannte in den 1960er Jahren die Vorteile von Hartmetall, weil er
                                                                                                                                                   als Werkzeugmachermeister viel für die Uhrenindustrie arbeitete. Sie
                                                                                                                                                   setzte schon damals geschliffene Teile aus Hartmetall ein. „Anfangs
                                                                                                                                                   fand die Produktion in der Wohnung meiner Eltern statt, sogar die
     Die einfallsreiche Zecha Hartmetall-Werkzeugfabrikation ist Träger des
                                                                                                                                                   Kinderstube wurde dafür ausgeräumt“, erinnert sich Zecha. Seit 1995
     „Landes-Innovationspreises 2021“                                                                                                              leitet er das Familienunternehmen, Reiner Kirschner nahm er für die
                                                                                                                                                   Geschäftsführung dazu, „weil er sich in der Stanztechnik am besten
                                                                                                                                                   auskannte“. Inzwischen steht schon die nächste Generation in den

     A       ls sich im 18. Jahrhundert der schottische Erfinder James Watt
             (1736-1819) daran machte, seinen Traum von der Dampf-
     maschine zu verwirklichen, stand er unter anderem vor dem Pro-
                                                                              oft nicht mehr sieht. Und genau in dieser Verbindung von hart und
                                                                              winzig ist Zecha erfolgreich unternehmerisch tätig.
                                                                                                                                                   Startlöchern, berichten die Firmenchefs. Zechas Sohn studiert nach
                                                                                                                                                   einer dualen Ausbildung im Unternehmen Internationales Manage-
                                                                                                                                                   ment und Entrepreneurship, die Tochter Kirschners ist nach einem
     blem: Wer kann die Zylinder der Maschine so exakt gießen und aus-        In Königsbach-Stein am Nordrand des Schwarzwalds leiten er und       Abschluss als „Bachelor of Science“ bereits im Bereich Forschung
     bohren, dass sich darin ein vom Wasserdampf angetriebener Kolben         sein geschäftsführender Mitgesellschafter Reiner Kirschner ein Un-   und Entwicklung tätig.
     ohne Reibung hin und her bewegt? Etliche Metallarbeiter waren mit        ternehmen, das zu den Pionieren und Trendsettern im Bereich der
     der Konstruktion schon gescheitert, ehe es der Eisenhüttenbesitzer       Mikrozerspanungs-, Stanz- und Umformwerkzeuge zählt: die Zecha       Nur 800 Meter vom Ursprung entfernt ver fügt Zecha heute in
     John Wilkinson schließlich schaffte. Doch laut der Fachzeitschrift       Hartmetall-Werkzeugfabrikation GmbH. Neben Hartmetall entstehen      Königsbach-Stein über einen modernen Firmensitz, in Schwäbisch
     „MM MaschinenMarkt“ dauerte dieses Ausbohren fast einen Monat.           die Werkzeuge heutzutage vor allem mit Diamantbeschichtung und       Gmünd steht ein weiteres Werk und hinzu kommt eine Minderheits-
     Heute drehen, fräsen oder bohren sich moderne Werkzeuge durch            aus dem ebenfalls ultraharten Schneidstoff CBN (Kubisches Bor-       beteiligung an der „Zecha Precision Tools“ in Indien. Insgesamt
     alle Arten von Materialien in Sekundenschnelle und in höchster           nitrid). Für Kunden aus der Medizin-, Dental- und Uhren-Industrie    beschäftigt der Mittelständler in Deutschland rund 200 Mitarbeiter.
     Präzision. Ein Werkstoff, der diese Entwicklung wesentlich ermöglicht    oder im Werkzeug- und Formenbau fertigt Zecha Mikrowerkzeuge         Wer einen Blick in die Produktion in Königsbach-Stein werfen darf,
     hat, ist Hartmetall. Entwickelt vor allem von der Firma Krupp in den     für alle möglichen Arten der Zerspanung und Umformung. Damit         sieht hochmoderne CNC-Werkzeugmaschinen, High-End-Mess- und
     1920er Jahren ist die Legierung aus Metall und Keramik fast so hart      lassen sich Stahl, Aluminium oder Kunststoff mit minimalen Durch-    Prüftechnologien. Etwa 80 Prozent dieser Präzisions-Maschinen
     wie Diamant. „Bauteile aus Hartmetall sind enorm verschleißfest, ex-     messern im µ-Bereich unter anderem bohren, stanzen oder mit Ge-      stammen aus der Schweiz, die neben Deutschland auch zu den
     trem langlebig und sehr individuell einsetzbar“, erklärt Stefan Zecha.   winden versehen. Die Werkzeuge werden etwa in der Produktion         Hauptabsatzmärkten gehört. Der Beobachter erkennt zudem, wie
     Außerdem hat Hartmetall stark dazu beigetragen, dass Werkzeuge           von Steckern, Elektroden, Uhrwerken oder Implantaten verwendet.      Mitarbeiter immer wieder Teile aus den Maschinen herausgreifen
     inzwischen so klein sein können, dass man sie mit bloßem Auge            „Beim Einsatz von Fräsern mit wenigen Zehntel-Millimetern Durch-     und regelrecht unter die Lupe nehmen. „Der Kopf vor der Maschine

18     report | Handwerkskammer Karlsruhe                                                                                                          Fotos: Zecha                                                                                                    report | Handwerkskammer Karlsruhe   19
D       ie Zahl der Handwerksbetriebe im Bezirk der Handwerkskam-
                                                                                                                                                                                                                           mer Karlsruhe hat zum ersten Mal die Marke von 20.000
                                                                                                                                                                                                                   übersprungen. In den vier Land- und Stadtkreisen des Kammerbe-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    ohne Zulassungsvoraussetzung für das Berichtsjahr insgesamt
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    1.279 Eintragungen und 880 Löschungen ablesen, ein positiver
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Saldo von 399 Betrieben im Berichtsjahr. Im zulassungspflichtigen
                                                                                                                                                                                                                   zirks, den Landkreisen Karlsruhe, Rastatt, Calw und dem Enzkreis                                 Handwerk der Anlage A mit 12.939 Betrieben gab es im gleichen
                                                                                                                                                                                                                   sowie den drei Städten Baden-Baden, Karlsruhe und Pforzheim,                                     Erfassungszeitraum 732 Eintragungen und 787 Löschungen.
                                                                                                                                                                                                                   stehen den privaten und gewerblichen Kunden des Handwerks so-
                                                                                                                                                                                                                   wie der öffentlichen Hand exakt 20.029 Betriebe mit ihren hand-                                  Jeder fünfte Betriebsinhaber älter als 60
                                                                                                                                                                                                                   werklichen Produkten und Dienstleistungen zur Verfügung. Das sind
                                                                                                                                                                                                                   344 mehr als im Vorjahr.                                                                         Gerade im zulassungspflichtigen Handwerk, das im Durchschnitt
                                                                                                                                                                                                                   Das Handwerk ist in mehr als 140 Berufen sprichwörtlich von A                                    mehr Beschäftige hat als das zulassungsfreie Handwerk, wird deut-
                                                                                                                                                                                                                   bis Z vertreten, beginnend bei den Anlagen- bis hin zu den Zwei-                                 lich, dass nicht jeder Betrieb sofort einen Nachfolger findet. Jeder
                                                                                                                                                                                                                   radmechanikern. Die Betriebe erwirtschafteten im Jahr 2021 ein                                   fünfte Betriebsinhaber der Anlage A ist älter als 60 Jahre. Damit
                                                                                                                                                                                                                   Umsatzvolumen von 15,7 Milliarden Euro, die Beschäftigung blieb                                  stehen allein im zulassungspflichtigen Handwerk im Bezirk der
                                                                                                                                                                                                                   mit 119.000 Personen stabil.                                                                     Handwerkskammer Karlsruhe in den nächsten Jahren über 2.500
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Betriebe zur Übergabe an. Förderprogramme, wie die Meister-
                                                                                                                                                                                                                   Spitzenreiter Friseure                                                                           gründungsprämie durch die Landesregierung, oder die Beratungs-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    angebote der Handwerkskammer, sind hier wichtige Instrumente,
                                                                                                                                                                                                                   Im zulassungspflichtigen Handwerk der Anlage A – hier erfordert die                              um die Gründung und die Fortführung der Handwerksbetriebe zu
                                                                                                                                                                                                                   selbstständige Ausübung eines Handwerks entweder die entspre-                                    ermöglichen. Wichtig ist es auch, ein unternehmerfreundliches Um-
                                                                                                                                                                                                                   chende Meisterprüfung oder ein äquivalenter Hochschulabschluss                                   feld mit wenigen bürokratischen Hürden und einfachen Normen
                                                                                                                                                                                                                   – sind 12.939 Betriebe eingetragen. Im zulassungsfreien Handwerk                                 und Stellschrauben zu schaffen, so dass grundsätzlich mehr Lust
                                                                                                                                                                                                                   sind es 5.115 Betriebe und im handwerksähnlichen Gewerbe 1.975                                   auf eine Existenzgründung im Handwerk gemacht wird.

     Betriebe knacken die
                                                                                                                                                                                                                   Betriebe. Spitzenreiter bei den Betriebszahlen im Kammerbezirk
                                                                                                                                                                                                                   sind die Friseure (1.700), gefolgt von den Kosmetikern (1.588). Die
                                                                                                                                                                                                                   Gebäudereiniger sind mit 1.467 Betrieben in der Handwerksrolle
                                                                                                                                                                                                                   eingetragen, die Elektrotechniker mit 1.217.

     20.000er Marke                                                                                                                                                                                                Zulassungsfreie Gewerke mit den meisten Gründungen

                                                                                                                                                                                                                   Die stärksten Gründungsbewegungen finden nach wie vor in den
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Info
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Der Bezirk der Handwerkskammer Karlsruhe umfasst die
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         vier Landkreise Calw, Enzkreis, Karlsruhe sowie Rastatt und
                                                                                                                                                                                                                   Gewerken ohne Zulassungsvoraussetzungen statt. In den entspre-                                        die drei Städte Baden-Baden, Karlsruhe und Pforzheim.
     Allerdings gilt vielfach: Nachfolger dringend gesucht                                                                                                                                                         chenden Rollenverzeichnissen lassen sich bei 7.090 Betrieben

     Betriebe im Kammerbezirk                                                                                                                                                                                      Berufsgruppen

                                                                                                                                                     Anlage A         Anlage B1     Anlage B2           Gesamt                                                                                                                                            Anlage A           Anlage B1        Anlage B2         Gesamt
                                                                                                                   6.348

                                                                                                                                                                                                                                                                     5.477
                                                                                                                                                                                                                                                 4.810                                                                                                                            5.125
                                                                                             4.305                                                                                                                                       4.477
                                                                                                                                                                                                                     3.880
                                                                                     3.335
                                                       2.743                                                                                                                2.882                                                                                                                                                                                    3.114
                                                                                                                                                                                                        2.361
                                                               1.995                                                                         1.630     1.931                                                                                                                                  1.673                                                         2.166
                                  1.838                                                                                                                                             1.627
                                                                                                     1.384
                                                                       1.093                                                                                                                                                                                                                                             1.149                                                                                  1.228
                       730                 665                                                               659           848                                  667                                                                                                          809        816                                                         705                                             997
      435                                                                                                                        563                                                        506                                    414                   390                                          498                        559
            237                                  240                           287                                                     219                            284                         228                                                          277                                           341   310
                  58                                                                                                                                                                                                         183                                                   48                                                    43   103                            42               218          13

         Baden-Baden                       Rastatt               Stadt Karlsruhe             Landkreis Karlsruhe                 Pforzheim                      Enzkreis                     Calw                     Bau- und Ausbau              Elektro u. Metall           Holzgewerbe                  Bekleidung                 Lebensmittel         Gesundheit, Pflege               Glas, Papier, Sonstige

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Stand: 31.12.21

20    report | Handwerkskammer Karlsruhe                                                                                                                                                            Foto: xxxxxx                                                                                                                                                                  report | Handwerkskammer Karlsruhe        21
W       as für ein Tagewerk im Jahr 1852 am Rhein bei Karlsruhe:
                                                                                                                        In neun Arbeitsstunden wurden in mühevoller Handarbeit
                                                                                                                täglich vier Tonnen Sand gewaschen. Die tägliche Ausbeute: ein
                                                                                                                einziges Gramm Gold. Ein karges Ergebnis, sollte man denken, doch
                                                                                                                andere historische Aufzeichnungen liefern folgende Daten: Für nur
                                                                                                                ein einziges Gramm Gold mussten sogar 300 Tonnen Sand und Kies
                                                                                                                gewaschen werden.

                                                                                                                Kein Wunder, dass um das Rheingold viele Mythen ranken. Das
                                                                                                                Nibelungenlied mit dem versteckten Schatz im Rhein ist das
                                                                                                                berühmteste Beispiel dafür. Die Suche nach dem märchenhaften
                                                                                                                Schatz. Doch in der Realität ist es sehr aufwändig, das Gold aus
                                                                                                                dem Rhein zu gewinnen. Rheingold kommt im Flusssand nur in
                                                                                                                sehr geringen Konzentrationen vor. Große Nuggets gibt es nicht.
                                                                                                                Im Sand des Rheins findet man winzigste Goldflitter, die kleiner

     Gold aus dem Rhein
                                                                                                                als einen Millimeter sind. Die kleinen Partikel zu gewinnen, ist
                                                                                                                sehr viel schwieriger, als grobes und körniges Gold zu waschen.
                                                                                                                Anfänglich liegt das Gold noch nicht in reiner Form im Konzentrat
                                                                                                                vor, sondern ist vermischt mit vielen anderen schweren und meist
                                                                                         Gold zu waschen, ist   typisch schwarzen Mineralen. Die Qualität dieses ersten Konzen-
                                                                                         äußerst mühevoll.      trats kann variieren. Oft sind nur wenige Goldflitter darin enthalten.
     Das sagenumwobene Rheingold ist Thema einer Ausstellung im Badischen Landesmuseum                          Wie viele Gebirgflüsse führt der Rhein natürlich Gold mit sich. Meist
                                                                                                                in Flusswindungen im Sand sind die kleinen Flitter versteckt, die
     in Karlsruhe                                                                                               die Menschen seit Jahrhunderten mühsam dem Fluss entreißen
                                                                                                                wollen. Bis heute ist Goldwaschen ein Hobby für manche moderne
                                                                                                                Schatzsucher geblieben.

22    report | Handwerkskammer Karlsruhe                                                                                                                   report | Handwerkskammer Karlsruhe   23
Wer fündig wurde, hat noch lange kein         und Maximilian II. Sie sind als Kunst- und     gold bis heute in kleinen Auflagen geprägt     land, Frankreich und der Schweiz werden
     reines Gold. Zuerst ist nämlich eine um-      Anlageobjekte begehrt und selten, da die       werden. Eine Auswahl der schönsten Prägun-     im Zeitraum Her bs t 2022 bis Sommer
     fangreiche Reinigung des entdeckten Ma-       Gewinnung des Rheingoldes schon immer          gen aus den Beständen des Münzkabinetts        2023 Ausstellungen zur Geschichte dieses
     terials er forderlich, denn bevor man das     sehr arbeitsintensiv und teuer war und im      im Landesmuseum ist in einer Präsentation      europäischen Flusses zeigen. Die Ausstel-
     Gold schmelzen und daraus Medaillen           Laufe der Jahrhunder te nur wenige Kilo-       zu sehen. Daneben dokumentieren his-           lungsreihe steht unter der Schirmherrschaft
     fertigen kann, müssen die unerwünschten       gramm verarbeitet wurden.                      torische Gerätschaften, Materialproben und     der trinationalen Oberrheinkonferenz.
     schwarzen Minerale entfernt werden. Seit                                                     Bilddokumente den mühsamen Prozess des
     1674 sind Münzen und Medaillen bekannt,       Das Badische Landesmuseum in Karlsruhe         Goldwaschens, wie er über Jahrhunderte         Lebendiger Mythos
     die als Rheingoldmünzen gekennzeichnet        widmet der Faszination Rheingold eine Aus-     entlang des Rheins üblich war. Mit dieser
     waren. Ihre Prägung war den Kur fürsten       stellung vom 24. September 2022 bis zum        Studioausstellung „Rheingold“ beteiligt sich   Die Mannheimer Firma Deutsche Rohstoff
     und Königen vorbehalten. Bekannt sind         10. September 2023. Der Glanz des Goldes       das Badische Landesmuseum an der Aus-          AG hat in den vergangenen Jahren mehrere
     unter anderem die Rheingolddukaten der        aus dem Rhein hat sich in etlichen Medaillen   stellungsreihe „Der Rhein des Netzwerks        hundert Medaillen aus Rheingold beispiels-
     bayerischen Könige Maximilian I., Ludwig I.   und Münzen erhalten, die aus dem Rhein-        Museen“. Über 30 Museen aus Deutsch-           weise mit dem Motiv „Worms“ prägen lassen.
                                                                                                                                                 Die Medaillen sind oft schnell vergriffen, da
                                                                                                                                                 es sich um seltene Sammlerstücke handelt.
                                                                                                                                                 Das Gewicht der Medaille beträgt eine Viertel
                                                                                                                                                 Feinunze, bei einem natürlichen Feingehalt
     „Das Goldwaschen bei Carlsruhe“ hat Johann Michael Volz Anfang des 19. Jahrhunderts in diesem Bild festgehalten.                            von 946. Das Gold für die Medaille wurde
                                                                                                                                                 aktuell aus den Sedimenten des Rheins
                                                                                                                                                 gewonnen und in aufwändiger Handarbeit
                                                                                                                                                 gewaschen. Das Material besteht übrigens
                                                                                                                                                 zu 95 Prozent aus Gold und fünf Prozent Sil-
                                                                                                                                                 ber. Das Silber ist natürlicher Bestandteil des
                                                                                                                                                 Rheingolds.

                                                                                                                                                 Die Motive der Medaillen wurden in Zusam-
                                                                                                                                                 menarbeit mit dem vielfach international
                                                                                                                                                 preisgekrönten Medailleur Victor Huster aus
                                                                                                                                                 Baden-Baden erarbeitet. Eine Darstellung er-
                                                                                                                                                 zählt von den Legenden der Nibelungen, der
                                                                                                                                                 Stadt Worms und von Drachen. Der Mythos
                                                                                                                                                 Rheingold lebt.
                                                                                                                                                                      Horst Koppelstätter ¬

                                                                                                                                                 Badisches Landesmuseum
                                                                                                                                                 goldlegenden.de

                                                                                                                                                     Informationen
                                                                                                                                                     Der Verband von Museen aus Frank-
                                                                                                                                                     reich, Deutschland und der Schweiz
                                                                                                                                                     arbeitet projektbezogen zusammen.
                                                                                                                                                     Etwa alle vier Jahre regt das Netz-
                                                                                                                                                     werk die teilnehmenden Institutio-
                                                                                                                                                     nen an, Projekte und Ausstellungen
                                                                                                                                                     zu einem gemeinsamen Oberthema
                                                                                                                                                     zu realisieren. Natur, Geschichte,
                                                                                                                                                     Technik, Kultur oder Kunst bilden
                                                                                                                                                     die Grundlagen.

                                                                                                                                                 Fotos: iStock_jmoor17, Jörg Reichert; Badisches Landesmuseum Herder
24     report | Handwerkskammer Karlsruhe                                                                                                        Stadtarchiv Karlsruhe; zu Goldmünze: Letzte offizielle Prägung einer Münze
                                                                                                                                                 aus Rheingold in Baden: Rheingold-Dukat, Großherzogtum Baden, Münzstätte
                                                                                                                                                                                                                              report | Handwerkskammer Karlsruhe   25
                                                                                                                                                 Karlsruhe, 1854, Badisches Landesmuseum © Badisches Landesmuseum
Notizen aus der
                                                                                                                                                                        Eine kleine Überraschung
                                                                                                                                                                          zum Geburtstag und zur
                                                                                                                                                                       Verabschiedung: Gerd Lutz
                                                                                                                                                                   erhält den „Handwerker“, eine
                                                                                                                                                                   Skulptur der Majolika von Jana

     Handwerkskammer
                                                                                                                                                                       Grzimek (von links: Walter
                                                                                                                                                                     Bantleon, Wolfgang Schmitt,
                                                                                                                                                                     Gerd Lutz, Joachim Wohlfeil,
                                                                                                                                                                        Brigitte Dorwarth-Walter).

     Veranstaltungshöhepunkte 2021 und 2022
                                                                                                                                                     September 2021                                                          werkskammer Karlsruhe unter www.hwk-karlsruhe.
                                                                                                                                                                                                                             de/indiko werden die Preisträgerfirmen in kurzen
                                                                                                                                                     Zum 55. Mal wurden Sachverständige unter anderem zur Erstattung         Filmen vorgestellt.
                                                                                                                                                     von Gutachten öffentlich bestellt und vereidigt. Bei der Handwerks-
                                                                                                                                                     kammer Karlsruhe sind im Berichtsjahr insgesamt 151 Sachverständi-      Februar 2022
                                                                                                                                                     ge in 34 zulassungspflichtigen und zehn zulassungsfreien Handwer-
                                                                                                                                                     ken sowie einem handwerksähnlichen Gewerbe bestellt.                    Die Handwerkskammer Karlsruhe hat mit Walter Bantleon seit dem
                                                                                                                                                                                                                             1. Februar 2022 einen neuen Hauptgeschäftsführer. Der vormalige
                                                                                                                                                     November 2021                                                           Amtsinhaber, Gerd Lutz, wechselte zum 31. Januar 2022 nach fast
                                                                                                                                                                                                                             30-jähriger Tätigkeit an der Spitze der Handwerkskammer in den
                                                                                                                                                     Am 20. November 2021 sollte in der Schwarzwaldhalle Karlsruhe           Ruhestand. Bantleon ist Volljurist und verantwortete 17 Jahre bei
                                                                                                                                                     die traditionelle Meisterfeier der Handwerkskammer stattfinden.         der Handwerkskammer Karlsruhe als Leiter den Bereich Recht und
                                                                                                                                                     Doch vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Pandemie               Handwerksrolle.
                                                                                                                                                     musste die Großveranstaltung ausfallen. Im Jahr 2021 haben im
                                                                                                                                                     Bezirk 368 Prüflinge in 17 Berufen ihre Meisterprüfung bestanden.       Mai 2022
                                                                                                                                                     Die vier stärksten Handwerke sind mit 76 Kraftfahrzeugtechnikern,
                                                                                                                                                     62 Augenoptikern, 49 Elektrotechnikern und 23 Feinwerkmecha-            Der Wonnemonat Mai meinte es gut mit den Veranstaltern der 31.
                                                                                                                                                     nikern vertreten.                                                       Badischen Meile: Bei optimalen Bedingungen nahmen 4.000 Läufe-
                                                                                                                                                     Beim Leistungswettbewerb des Deutschen Handwerks „Profis leis-          rinnen und Läufer auf der 8,9 Kilometer langen Strecke teil, darunter
                                                                                                                                                     ten was“ (PLW) werden jedes Jahr die besten Nachwuchshandwer-           auch 43 Sportlerinnen und Sportler an der eigens ausgeschriebenen
                                                                                                                                                     ker gekürt. Insgesamt gab es im Berichtsjahr 64 erste, zweite und       Handwerkerwertung. Mit einer beachtlichen Zeit von 33 Minuten
                                                                                                                                                     dritte Kammersiegerinnen und -sieger im Bezirk der Handwerks-           und 17 Sekunden gelang dem Zweiradmechatroniker Franz Clever
                                                                                                                                                     kammer Karlsruhe. In der nächsten Stufe, beim Landesentscheid,          der Sprung an die Spitze, dicht gefolgt von Anders Hespeler und
                                                                                                                                                     schafften es sieben Wettbewerbsteilnehmer aus dem Kammerbe-             Raphael Zimmer. Bei den Frauen hatte die Augenoptikermeisterin
                                                                                                                                                     zirk an die Spitze. Zum 70. Mal wurden dann in Berlin die Bundes-       Sandra Reinard die Nase vorn, zweite wurde Anke Schmerler und
                                                                                                                                                     siegerinnen und Bundessieger ermittelt, qualifiziert hatten sich auch   dritte Christina Heil. Die Handwerkskammer Karlsruhe beteiligt sich
                                                                                                                                                     die sieben ersten Landessieger aus dem Kammerbezirk. Ganz nach          bereits seit vielen Jahren an der Laufveranstaltung.
                                                                                                                                                     oben auf das Siegerpodest schaffte es Santa Caterina Schiestel          Geballte Wirtschaftsberatungskompetenz in Karlsruhe: Zwei Tage
                                                                                                                                                     aus Karlsruhe, die in der Firma von Johanna Kronthaler eine Ausbil-     lang tauschten sich 80 Beraterinnen und Berater der Handwerksor-
                                                                                                                                                     dung als Holzblasinstrumentenmacherin absolvierte. Tolle zweite         ganisation bei einer Tagung unter anderem über das Thema „Selbst-
                                                                                                                                                     Plätze gab es für die Friseurin Lisa Difflipp und den Uhrmacher         organisation im Mittelstand“ aus.
                                                                                                                                                     Adam Schellenberger. Ebenfalls zweite auf Bundesebene wurde
                                                                             Klappern fürs Handwerk bei der Badischen Meile.                         die Goldschmiedin Nora Heuschmann im Wettbewerb „Die Gute               Juni 2022
                                                                                                                                                     Form im Handwerk“.
                                                                                                                                                                                                                             „AusbildungsSTARS 2022“ – das war die Überschrift einer kleinen
     August 2021                                                                                                                                     Dezember 2021                                                           Feierstunde im Tollhaus Karlsruhe. Die Handwerkskammer Karls-
                                                                                                                                                                                                                             ruhe ehrte Unternehmen für vorbildliche und kontinuierliche Aus-
     Am 24. August verstirbt der Ehrenpräsident der Handwerkskammer          in der Vollversammlung der Handwerkskammer Karlsruhe ein. Im Jahr       Das Landesprojekt „INDIKO“ steht für innovative, digitale Ge-           bildung. Geladen waren 20 Betriebe aus dem gesamten Kammer-
     Karlsruhe, Harro Leverkus. Der in Karlsruhe geborene Maler- und         1994 wurde Leverkus zum Präsidenten gewählt. In seiner Amtszeit         schäftsmodelle und Kooperationsansätze. Für die er folgreiche           bezirk. Urkunden und Preise gab es auch für die Siegerinnen und
     Lackierermeister gründete im Jahr 1957 in Karlsruhe-Grötzingen ein      wurden das Hauptverwaltungsgebäude am Friedrichsplatz generalsa-        Bewältigung des Struktur wandels wurden landesweit Betriebe             Sieger des Leistungswettbewerbs des Deutschen Handwerks 2021
     Malerunternehmen, das er sukzessive ausbaute. Leverkus stand von        niert und zahlreiche Modernisierungsarbeiten an der Bildungsakade-      ermittelt, darunter aus dem Kammerbezirk Karlsruhe: der Elektro-        „Profis leisten was“ (PLW). Mit dem Werner-Stober-Preis für gute
     1973 bis 1991 an der Spitze der Maler- und Lackiererinnung Karlsruhe.   mie durchgeführt. Für sein großes ehrenamtliches und soziales Engage-   betrieb Seeger, die Firma Frischmann-Marzipan GmbH und das              Leistung im praktischen Teil der Gesellenprüfung wurden außerdem 20
     Für das gesamte Handwerk im Kammerbezirk setzte er sich seit 1974       ment erhielt er unter anderem das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.       Unternehmen Schröder Metallbau. Auf der Homepage der Hand-              Gesellinnen und Gesellen ausgezeichnet.

26     report | Handwerkskammer Karlsruhe                                                                                                                                                                                                                              report | Handwerkskammer Karlsruhe   27
FIRMENPORTRÄT

                                                                                                                                                                                                      „Flechten kann
                                                                                                                                                                                                  man fast alles“, sagt
                                                                                                                                                                                                       Siegfried Katz.

                                                                                                                                                    Segment überholt. Elegante Flechtmöbel für Terrasse und Wohnraum
                                                                                                                                                    bilden einen Schwerpunkt, daneben die Restauration alter Stücke,
                                                                                                                                                    wie die berühmten Thonet-Freischwinger. Für Landesgartenschauen
                                                                                                                                                    und Messen entstehen luftige dreidimensionale Kunstwerke, aber
                                                                                                                                                    auch Wellness-Oasen bestellen beispielsweise geflochtene Kuppeln
                                                                                                                                                    für ihre Ruhebereiche. In enger Zusammenarbeit mit Architekten
                                                                                                                                                    lieferte die Manufaktur Balkone für nachhaltige Wohnbauprojekte,
                                                                                                                                                    und Ballonfahrer setzen immer noch auf Flechtkörbe für sanfte Lan-
                                                                                                                                                    dungen. Eine der bisher größten Herausforderungen war vor einigen
                                                                                                                                                    Jahren der Auftrag eines internationalen Bankers, seine Luxusyacht

     Vom Wäschekorb zur
                                                                                                                                                    mit einem Kopfteil für ein überdimensionales Ruhebett zu versehen
                                                                                                                                                    – inklusive Blattgoldauflage.

                                                                                                                                                    Kreativität gefordert

     Wellness-Oase
                                                                                                                                                    Derartige Extravaganzen sind natürlich nicht die Regel für den mo-
                                                                                                                                                    dernen Flechtwerkgestalter. Wer heute die Nachfolge der Korbflech-
                                                                                                                                                    ter antreten möchte, kann sich bei der Staatlichen Berufsfachschule
                                                                                                                                                    für Flechtwerkgestaltung in Lichtenfels zur dreijährigen Ausbildung
                                                                                                                                                    anmelden. Illusionen über plötzlichen Reichtum darf man sich dabei
                                                                                                                                                    nicht machen: „Flechten eignet sich gut als Zweitberuf für Individu-
     Die Flechtmanufaktur Katz in Nagold verbindet uraltes Handwerk mit modernem Lifestyle                                                          alisten mit manuellen Fähigkeiten, aber auch für Therapeuten etwa
                                                                                                                                                    in beschützenden Werkstätten. Flechten beruhigt und ist eigentlich
                                                                                                                                                    schon im Unbewussten angelegt. Deshalb geben wir auch immer
                                                                                                                                                    mal wieder Kurse für Kinder, die über die Handarbeit Konzentration
                                                                                                                                                    und Koordination verbessern.“ Immer mehr Frauen sind übrigens

     E    s könnte eine Frage für Günther Jauch & Co. sein: Welches
          Handwerk wird im Alten Testament bereits mehrfach erwähnt?
     Für Siegfried Katz besteht kein Zweifel an der Lösung: Flechten!
                                                                          dem Nil, um nur zwei Beispiele zu nennen. „Flechten bedeutet den
                                                                          Beginn der Zivilisation“, ist sich der Meister dieses uralten Handwerks
                                                                          sicher, das jetzt von „Flechtwerkgestaltern“ ausgeübt wird – immer
                                                                                                                                                    in diesem Handwerk tätig, das auch an die Kreativität hohe An-
                                                                                                                                                    sprüche stellen kann und in der Mode eine lange Geschichte in
                                                                                                                                                    Form von Schuhen, Handtaschen, Gürteln und Hüten hat. „Flechten
     Diese Überzeugung vertrat er als Bundesinnungsmeister denn auch      noch mit Herzblut und ohne Maschinen. Er selbst führt die Manu-           kann man fast alles, man muss es nur wollen“, weiß Siegfried Katz
     selbstbewusst bei der Verleihung der Auszeichnung des Flecht-        faktur im Nagolder Industriegebiet bereits in der dritten Generation      aus Erfahrung – nicht nur das aus dem Werkunterricht bekannte
     handwerks als immaterielles Weltkulturerbe vor einigen Jahren in     und hat im Familienbetrieb den fast unglaublichen Wandel dieses           Peddigrohr, sondern Papyrus, Bambus, Binsen, Stroh, Kunststoff,
     Berlin voller Engagement – nicht unbedingt zur Freude der Kollegen   Handwerks miterlebt und maßgeblich beeinflusst. „Als mein Groß-           Metall und, und, und. Ein Besuch in den Ausstellungsräumen der
     von Weberei und Keramik.                                             vater Mitte der 1920er Jahre seine Korbflechterei eröffnete, brachte      Flechtmanufaktur vermittelt einen Eindruck von der Vielfalt dieses
                                                                          er per Fahrrad vor allem Funktionskörbe zu den Kunden – Körbe für         auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sehr aktuellen alten
     Schließlich fertigten sich schon Adam und Eva nach dem Sündenfall    Wäsche, Babys, Obst- und Gemüsetransport.” Im Nagolder „Show-             Handwerks.
     einen Schurz an – ohne Webrahmen, Nadel und Faden oder gar           room“ gibt es natürlich auch noch Körbe der unterschiedlichsten                                                              Irene Schröder ¬
     Reißverschluss. Auch Moses trieb bekanntlich in einem Körbchen auf   Ausführung, aber längst hat die Dekoration die Funktion in diesem         katz-flecht.de

28     report | Handwerkskammer Karlsruhe                                                                                                           Fotos: Flechtmanufaktur Katz                                           report | Handwerkskammer Karlsruhe   29
I N T E R V I E W

     Freiräume für kleine
     und mittlere Betriebe
     Bundesfinanzminister Christian Lindner für REPORT über die Rolle und Zukunft des
     Handwerks, steuerliche Entlastungen, Zahlungsmoral der öffentlichen Hand und seine
     Kindheit in der Backstube

     M      it Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) über das
            Handwerk zu sprechen, ist ein Heimspiel für den obersten
     deutschen Liberalen. Lindner: „Ich selbst bin dem Handwerk seit
                                                                           Was sagt der Minister zur Frage der steuerlichen Belastung gerade
                                                                           für mittelständische Betriebe?

     früher Kindheit verbunden. Meine ersten Lebensjahre habe ich          Lindner: Mit der Verlängerung der degressiven Afa erleichtern wir
     quasi in der Backstube verbracht – denn sowohl mein Großvater         Investitionen in neue Technologien – ein Superabschreibungsprogramm
     als auch mein Urgroßvater waren Bäcker.“ Das ist überzeugend. Der     für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung wird folgen, wenn es
     Mann weiß, wovon er spricht und wer ihn maßgeblich in seine heu-      im ökonomischen Umfeld den maximalen Effekt erzielen kann. Steuer-
     tige Position gebracht hat: der Mittelstand, Familienunternehmen,     erhöhungen sind mit mir als Finanzminister ausgeschlossen.                  Bundesfinanzminister Christian Lindner ist dem Handwerk seit der Kindheit verbunden.
     Handwerksfamilien.
                                                                           Wie schätzen Sie das Handwerk für den Erfolg der deutschen Wirt-
     Christian Lindner: Durch meine Betriebsbesuche in ganz Deutsch-       schaft ein?
     land kann ich mich immer wieder überzeugen: Im deutschen
     Handwerk treffen sich in einmaliger Weise Tradition und Innova-       Lindner: Das Handwerk ist eine zentrale Säule des Mittelstands und
     tion. Das Handwerk ist nicht nur national ein Wachstumstreiber,       Ausbilder Nummer 1. Es kann auf eine stolze Tradition in Deutsch-           mit hochrangigen Auszeichnungen und mehrjährigen Zuschüssen           Ansätze, insbesondere auch in den ländlichen Regionen. Wir wollen
     sondern auch international ein Wettbewerbsfaktor und Vorreiter für    land blicken. Wir Freie Demokraten wollen die rund eine Million             fördern. Ein Zentrum für digitale Berufsbildung soll berufsbildende   unseren Mittelstand und unsere Hidden Champions stärken! Damit
     technologischen Fortschritt. In einer wirtschaftlich herausfordern-   Handwerksbetriebe in Zeiten des Fachkräftemangels, der Digitali-            Schulen und ausbildende Betriebe in der Konzeption und Umsetz-        die Unternehmen nicht durch Erbgänge oder eine Substanzbesteuer-
     den Zeit, in der tiefgreifende Transformationen anstehen, muss        sierung und des Klimawandels fit für die Zukunft machen. Wir wol-           ung digitaler Ausbildungsangebote unterstützen. Schulen der beru-     ung gefährdet werden, lehnen wir eine Verschärfung der Erbschafts-
     dieser Vorteil immer wieder neu erarbeitet werden. Ich habe kei-      len Fesseln lösen und die Kräfte des Handwerks freisetzen – für             flichen Bildung wollen wir um kreative „MakerSpaces” und offene       teuer oder die Wiedereinführung der Vermögensteuer ab.
     nerlei Zweifel, dass das Know-how dafür im deutschen Handwerk         eine höhere Attraktivität, eine stärkere Wettbewerbsfähigkeit und           Werkstätten („FabLabs”) erweitern.
     vorhanden ist.                                                        Innovation.                                                                                                                                       Wie lässt sich die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand verbessern?
                                                                                                                                                       Welche Bedeutung haben aus Ihrer Sicht Familienunternehmen?
     Und was kann die Regierung beitragen?                                 Wie kann sich das Handwerk besser entwickeln?                                                                                                     Lindner: Wir wollen eine Zahlungsmoral-Offensive der öffentlichen
                                                                                                                                                       Lindner: Wir wollen insbesondere für kleine und mittlere Unterneh-    Hand. Zugleich fordern wir, die Vergabeschwellenwerte für 2020 und
     Lindner: Die Politik muss nun Freiräume schaffen, damit kleine und    Lindner: Wir Freie Demokraten fordern eine Exzellenzinitiative Be-          men von der Industrie über das Handwerk bis zum Handel auch in        2021 zu erhöhen, damit Investitionen schneller umgesetzt werden.
     mittlere Betriebe Luft für Investitionen und Innovationen bekommen.   rufliche Bildung, um die Attraktivität und Innovationskraft der be-         ländlichen Regionen Perspektiven schaffen. Voraussetzungen hier-      Investitionen der öffentlichen Hand haben in Krisenzeiten einen
     Das haben sich die Freien Demokraten auf mehreren Ebenen vorge-       ruflichen Aus- und Weiterbildung zu stärken. Um sich den Heraus-            für sind eine flächendeckend zukunftstaugliche digitale Infrastruk-   wichtigen Stabilisierungseffekt. Offene Rechnungen können Liqui-
     nommen: Mit der Abschaffung der EEG-Umlage und der temporären         forderungen der digitalen Arbeitswelt zu stellen, braucht das System        tur, leistungsfähige Verkehrswege und ein starkes duales Bildungs-    dität und Arbeitsplätze besonders im Mittelstand massiv gefährden.
     Reduzierung der Energiesteuer für Kraftstoffe werden Betriebskosten   der beruflichen Bildung ein Update. Ein bundesweiter Exzellenzwett-         system. Abwanderung, Überalterung und Fachkräftemangel setzen         Das wollen wir verhindern.
     gesenkt.                                                              bewerb soll die besten Ideen zur Zukunft der beruflichen Bildung            dem Mittelstand besonders hart zu. Deshalb brauchen wir moderne                                                    Horst Koppelstätter ¬

30     report | Handwerkskammer Karlsruhe                                                                                                              Foto: Bundesministerium der Finanzen/Photothek                                                                report | Handwerkskammer Karlsruhe   31
Mit Kelle und Kosmetik
     Maurermeisterin und Miss-Kandidatin: Julia Schäfer möchte Vorbild für junge Frauen sein

                                                                              damals ultraschüchtern“, erzählt die heute sehr selbstbewusst auf-
                                                                              tretende Meisterin. „Je mehr ich spürte, wie viel Freude mir dieses
                                                                              Handwerk machte, desto sicherer wurde ich.“ Inzwischen hat sie
                                                                              auch längst ihren Meister gemacht.

                                                                              Sie habe sich damals aber schon eine oder zwei Kolleginnen ge-
                                                                              wünscht, sagt sie. Mittlerweile hat sie einige – immer noch wenige –
                                                                              Nachfolgerinnen gefunden. „Frauen auf dem Bau müssen natürlich
                                                                              körperlich fit sein, aber extrem schwer ist die Arbeit dank moderner
                                                                              Geräte nicht mehr.“ Und wenn wirklich einmal eine Last zu schwer
                                                                              sein sollte, fällt ihr kein Zacken aus der Krone, beziehungsweise aus
                                                                              dem Helm, wenn sie einen Kollegen um Hilfe bittet.

                                                                              Maurermeisterin bei Miss-Wahl

                                                                              Apropos Krone: Die strebte Julia Schäfer vor zwei Jahren tatsächlich
                                                                              an – bei einem Mädelsabend entstand die Idee, bei der Wahl zur
                                                                              „Miss Baden-Württemberg” teilzunehmen. „Sehr interessant“, be-
                                                                              schreibt sie diesen Ausflug in die „Mädchenwelt“. Das professionelle
                                                                              Styling, das Training vor der Kamera und das gesamte Umfeld einer
                                                                              Miss-Wahl machten ihr viel Spaß, obwohl sie eigentlich sehr froh war,
                                                                              „nur“ Fünfte im Landesentscheid geworden zu sein. Als Siegerin im
                                                                              Miss-Germany-Finale hätte sie nämlich mindestens ein Jahr weder
                                                                              Mörtel noch Steine anrühren können, so viele Verpflichtungen wären
                                                                              mit dem Titelgewinn und dem Kampf um die „Miss Germany“-Krone

     B      evor Julia Schäfer morgens ins Geschäft geht, schminkt sich
            die 29-Jährige – ganz dezent. Eigentlich nicht ungewöhnlich,
     auf einer Baustelle sind Kajal oder Lippenstift aber doch eher selten.
                                                                              verbunden gewesen.

                                                                              Diese Erfahrung aus einer ganz anderen Welt wird der engagierten
     „Ich bin gerne Mädchen“, lacht die aparte junge Frau, die aber schon     Meisterin bei ihrem nächsten großen Projekt bestimmt von Nutzen
     seit ihrer Kindheit nie so ganz in das Mädchen-Schema passte. Die        sein. Um gerade jungen Frauen Einblick in ihr geliebtes Handwerk
     Baustelle war ihr liebster Spielplatz, nicht nur geduldet, sondern so-   zu geben, aber natürlich auch Hobby-Handwerkern Feinheiten wie
     gar ermuntert von ihren Eltern und den Mitarbeitern im elterlichen       das Verschalen einer Treppe zu demonstrieren, plant sie eine Serie
     Betrieb. „Ich durfte immer alles ausprobieren, aber auch daheim          von Kurzvideos auf YouTube.
     mit anpacken.”
                                                                              „Ich möchte damit anderen gern ein Vorbild sein, etwas Ungewöhn-
     In der Schule zählten Mathe und Physik zu ihren Lieblingsfächern,        liches anzugehen. Für mich wäre es auch leichter gewesen, wenn
     und irgendwann stand das Berufsziel Bauzeichnerin im Raum. Nach          ich in der Ausbildung eine Frau als Orientierungshilfe gehabt hätte“,
     dem Wirtschaftsabitur absolvierte sie auf Wunsch der Mutter aber         meint sie. Ein großes Vorbild hatte sie – allerdings aus einer anderen
     erst einmal eine Bürolehre („dann hast Du schon mal eine Basis“).        Branche – aber neben ihrer Mutter doch noch: „Meine Oma war für
     Die Lehrzeit im elterlichen Handwerksunternehmen machte ihr je-          ihre Zeit unheimlich emanzipiert und hat als Gastwirtin mehr als
     doch klar, dass sie „auf den Bau“, in die Praxis, gehörte. Mit Zustim-   ihren Mann gestanden.“ Und selbstverständlich ist die Oma „mega-
     mung der Familie begann sie eine Maurerlehre – eine Exotin in einer      stolz“ auf die Enkelin mit Meisterbrief.
     reinen Männergesellschaft, die sich durchbeißen musste. „Ich war                                                              Irene Schröder ¬

32     report | Handwerkskammer Karlsruhe                                                                                                              Fotos: Julia Schäfer   report | Handwerkskammer Karlsruhe   33
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