Risiko X.0? - Risk Experts
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Ausgabe X Ihr Magazin für Chance und Wagnis von Risk Experts „Jeder muss sich Brennpunkt weiterentwickeln“ Dämmung Im Interview: Wolfgang Feller von der Agenda Austria über die Skills von morgen. Risiko X.0? Zwischen Chance und Risiko - Unter Wert und wozu Experten raten geschlagen Gebäude und Anlagen sind oft massiv unterversichert.
RISKANTE WELT EDITORIAL LIEBE LESERIN, FLUGZEUGABSTÜRZE: LIEBER LESER SICHER UNTERWEGS?! W ir haben viel positives nen Elements in der Regel nicht nur der langjährigen Erfahrung unserer Feedback für unse- ein System, sondern zum Beispiel die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ren Relaunch des Risk ganze Lieferkette. unseren Standorten in Wien, Kufstein, Reports erhalten, dafür Darüber hinaus sind uns die Berei- Warschau, Bratislava, Bukarest, Sofia 1:29 Mio. 14.000 danken wir Ihnen. Auch im zweiten che Brandschutz sowie Wertermitt- und Istanbul können wir Sie bestmög- Risk Report im neuen Design haben lung ein großes Anliegen. Auch dazu lich unterstützen. Gut ausgebildete wir Trends aufgegriffen, Interviews haben wir spannende Artikel und Fachleute vor Ort, ein Know-how-Pool zu spannenden Themen geführt und Expertentipps für Sie zusammenge- in Österreich und unsere webbasierte lautet das Risiko mit einem Jahre kann ein Mensch das Risiko aus verschiedenen Perspek- stellt. Zum Thema Wärmedämmung Experten-Software bieten Unterneh- Flugzeug abzustürzen. Das laut Berechnung der tiven beleuchtet. und Brandschutz haben wir übrigens men und Organisationen ein schnelles, Risiko, bei einem Blitzschlag International Air Transport Die Coverstory widmet sich den interessante Vorträge, deren Ankündi- kompetentes Netzwerk für ihre Risiko- Risiken und Chancen der Digitali- gungen Sie ebenfalls im Heft finden. management-Herausforderungen. zu sterben, ist mit 1:10,5 Mio. Association sierung – ein Thema, das viele von Wir hoffen, es ist wieder für jeden fast dreimal so hoch. unfallfrei fliegen. Ihnen bestimmt intensiv beschäftigt. von Ihnen die passende Story dabei Wir sind der Frage nachgegangen, wie und freuen uns über Anregungen. 19 0,003 Wenn Sie Fragen oder Projekte haben, sich Risiken verändern werden, wel- schreiben Sie uns unter che neu hinzukommen und wie man Ein starkes Team für Sie office@riskexperts.at, oder rufen Sie uns Flugzeugabstürze sich am besten darauf vorbereitet. an unter +43-1-713 50 96 und in gab es laut Tote kommen Denn in einer zunehmend vernetzten Mit der Kombination aus breitem und dringenden Fällen unter der 24-Stunden- Welt betrifft der Ausfall eines einzel- interdisziplinärem Know-how sowie Hotline +43-676 88 626 676. Aviation Safety im Flugzeug Network im Jahr auf 1 Milliarde 2016, bei knapp Reisekilometer. 38 Millionen Bei der Bahn Flügen in der sind es 0,4 und zivilen Luftfahrt beim Auto insgesamt. 2,9 Todesopfer. 325 Menschen kamen bei diesen Flugunfällen 94,7 % beträgt die Wahrschein- weltweit ums Leben. Zum lichkeit, eine Bruchlandung Vergleich: 25.500 Verkehrs- zu überleben, so eine tote gab es 2016 allein auf Statistik der National Trans- Europas Straßen. portation Safety Board. IMPRESSUM Herausgeber, Medieninhaber und Verleger: Risk Experts Risiko En- Erstellt unter Mitarbeit und aufgrund von Inputs des gesamten gineering GmbH, Schottenring 35/2, 1010 Wien, Für den Inhalt ver- Risk-Experts-Teams; Die Beiträge wurden sorgfältig ausgearbei- antwortlich: DI Gerhart Ebner, Geschäftsführender Gesellschafter, tet, dennoch können wir keine Haftung für Richtigkeit der Angaben Ing. Mag. Gerald Netal, MBA Dr. Michael Buser DI Gerhart Ebner Konzeption, redaktionelle Mitarbeit: Heidi Brukner, Mag. Daniel übernehmen. Alle verwendeten geschlechtsspezifischen Formu- Brandtmayer von Risk Experts Projektleitung und Redaktion: WEKA lierungen meinen die weibliche und männliche Form. Industrie Medien GmbH, Mag. Daniela Friedinger-Stefan, Dresdner Fotos: Weinkirn Straße 45, 1200 Wien, Grafik: www.alexanderaczel.com Druck: Kontakt für Feedback: media@riskexperts.at Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Wiener Straße 80, 3580 Horn Coverfoto: Alex Knight 2 3
PAMMESBERGER Change-Gespräch Risk Experts-Chef Gerhart Ebner (re.) und Bildungs- experte Wolfgang Feller sind sich einig: Arbeitnehmer und Unternehmen brauchen die Fähigkeit, weiterzulernen. INHALT AKTUELL STRATEGIE INTERN 6 Schadensmeldung 23 Dämmung birgt 29 Für Sie bewertet Das Bild des Monats zum ein Risiko Unsere aktuellen Buch- und Thema Risiko. Das Grenfell-Unglück in Veranstaltungstipps. London hat gezeigt: 8 Brandheiß Was ein Segen für den Klima- 30 Unsere Kunden Im Insolvenzrecht gelten schutz ist, kann sich als Rasche Reaktion macht sich neue, durch die EU Katastrophe für den Brand- bezahlt: Die LTC-GmbH setzte vorgegebene Spielregeln. schutz erweisen. von Risk Experts empfohlene Maßnahmen um und 10 Im digitalen Wandel 26 Unter Wert verhinderte größere Schäden. Industrie 4.0 bringt Chancen, geschlagen aber auch neue Risiken mit sich. Gebäude und Anlagen sind RUBRIK Wie Experten diese einschät- häufig unterversichert. 32 Ein Tag mit ... zen, und wie sich Industriebe- Grund dafür ist in den seltens- Risikomanager sind auch im Fotos: BF Innsbruck, Glenn Carstens Peters, Günther Peroutka triebe darauf vorbereiten. ten Fällen, dass man bei Ernstfall rasch zur Stelle: der Prämie sparen wollte. Wir haben den Leiter des RUBRIK Risk Experts-Notfallteams 19 Chance oder Risiko RUBRIK begleitet. Sind Daten tatsächlich 28 Riskanter Mittelstand das neue Öl und wie Die Basics der IT-Sicherheit 33 Risk Expert News steht es um die Sicherheit? sind bekannt, mehr aber oft Neue Vorträge und Personal- Die Antwort der Experten. nicht: Wie sich KMU vor Cyber- entwicklungen und warum Attacken schützen können. das Austria Gütesiegel auf RUBRIK Risk Experts setzt. 20 Ebner diskutiert Risk Experts-Gründer RUBRIK Gerhart Ebner spricht mit 34 Risiko einst und jetzt Wolfgang Feller von der Agrarflächen werden häufig Agenda Austria über nötige durch Naturkatastrophen Bildungsreformen und die zerstört, doch sie sind immer gefragten Skills von morgen. öfter versichert. 4 5
SCHADENSMELDUNG NATURGEWALT Eine Spur der Verwüstung zieht sich durch das Schweizer Dorf Bondo: Ende August hatte sich dort ein schwerer Bergsturz ereignet. E s handelte sich um einen Felssturz enormen Ausmaßes: Am 23. August waren vier Kubikmeter Gestein vom Piz Cengalo in der Schweiz ins Tal gekracht, eine Geröll- und Steinlawine hatte sogar das Dorf Bondo nahe der italienischen Grenze erreicht. Rund 100 Menschen mussten evakuiert werden, die Schäden an Straßen und Gebäuden waren enorm. Auch gab es Opfer des Bergstur- zes: Acht Wanderer wurden vermisst, die Suche nach ihnen blieb erfolglos. Eine Woche später erreichte neuerlich ein Bergsturz die Dörfer Bondo und Promon- togno. Diesmal gab es keine Opfer, jedoch waren Straßen unterbrochen. Auch wenn so große Felsstürze selten vorkommen, sind sich Experten einig: Der Klimawandel und der dadurch ausgelöste Gletscherschwund machen den Fels insta- bil, dies erhöht die Steinschlaggefahr in den Alpen. Foto: picturedesk.com 6 7
BRANDHEISS KURZMELDUNGEN Cyberangriffe EU bringt neue auf Finanzbranche mehren sich 65 Mrd. € stecken Europas Banken heuer in die Aufrüstung Spielregeln Attacken auf Finanzunternehmen werden immer häufiger und stel- ihrer IT-Infrastruktur. Die Deutsche Bundesbank bei Insolvenz len eine Gefahr für die weltweite Finanzstabilität dar, warnte kürzlich der Internationale Wäh- prüft sogar die Einführung von Hacker-Stresstests rungsfonds (IWF). Das Finanz- für Geldinstitute. Seit kurzem ist die neue Europäische system sei von relativ wenigen Insolvenzverordnung in Kraft. technischen Systemen abhängig. Sie klärt, wann welches Gericht zuständig ist. Deswegen hätten Cyberangriffe 250 Mrd. $ Und sie soll verhindern, dass, wer hier das Potenzial, das gesamte bis eine Billion $ betragen Weltfinanzsystem zu erschüttern. in Finanznöten steckt, sich etwa in England Schätzungen nach die Vor allem auch deshalb, weil sie günstig entschuldet. immer ausgeklügelter würden, so Schäden von Cyberatta- die IWF-Experten. cken auf Finanzinstitute. I IMMOBILIEN m Falle einer Insolvenz soll es jetzt mehr Klarheit geben: Mit 26. Juni 2017 ist die Reform der Europäi- Schweizer messen Blasenrisiko ganz genau schen Insolvenzverordnung in Kraft getreten, die zwar kein einheitliches Insolvenzrecht in den Mit- Die Schweizer Großbank UBS misst regelmäßig die Gefahr einer Immoblase in der Schweiz. gliedsländern vorsieht, aber Zuständigkeiten und die Im zweiten Quartal dieses Jahres ist diese Gefahr zwar nicht gestiegen, dennoch befindet gegenseitige Anerkennung von Verfahren besser regelt. sich der Immobilienblasenindex mit einem Wert von 1,38 Punkten weiter in der Risikozone. Denn ein zentrales Element der Verordnung ist es, dass in Ab zwei Punkten sprechen die Experten von einer Blase. Wachsend ist nach wie vor die jenem Land das Insolvenzverfahren eröffnet wird, in dem KSV1870-Experte Kluft zwischen Eigentums- und Mietwohnungsmarkt, denn die Kaufpreise ziehen weitaus das Unternehmen den Schwerpunkt seiner Tätigkeit hat. Dies soll das sogenannte Forum-Shopping verhindern. Hans-Georg Kantner: stärker an als die Mieten. „Es wurde nachgebessert, In England etwa seien die Richter historisch bedingt wo die seit 2002 geltende sehr liberal gewesen und hätten Unternehmensgruppen, Europäische Verordnung die nur den Holdingsitz in Großbritannien hatten, stets in der Praxis Mängel 15 Brexit-Etappen willkommen geheißen. „Nicht umsonst spricht man dort gezeigt hat.“ mit 15 Risiken von legal services“, sagt Hans-Georg Kantner, Insolven- zexperte des KSV1870. Sowohl Unternehmen als auch Schon zum Start bezeichnete Brexit- Privatpersonen sei es auf diese Weise gelungen, sich rela- Gläubiger einer Niederlassung betreffen, vermieden wer- Minister David Davis die Gespräche tiv günstig zu entschulden. Durch die neue COMI (Cen- den können, wenn der Verwalter diesen Gläubigern eine als die kompliziertesten Verhand- ter of Main Interest)-Bestimmung werde dies erschwert. Zusicherung gibt, sie so zu behandeln, als wäre ein solches lungen aller Zeiten. Und dies nicht Selbst echte Sitzverlegungen werden durch Wartefristen Verfahren eröffnet worden. Dies wird als „virtuelles Sekun- ohne Grund: Fabrice Montagne, einer nicht sofort wirksam: Für Unternehmen gilt auch nach därverfahren“ bezeichnet und spart Kosten. der Chefökonomen der Londoner Verlegung des Firmensitzes noch drei Monate lang das Investmentbank Barcleys, spricht Insolvenzrecht des bisher zuständigen Landes, für Privat- Mehr Infos bei Konzernen von 15 nötigen Etappen, jede ein- personen sechs Monate lang. Ist eine Zahlungsunfähigkeit zelne berge Gefahren. Ihm zufolge absehbar, kann also nicht mehr rasch der Unternehmens- Auch wird eine sogenannte Konzernkoordination ein- ist vom Soft Brexit, der auch nach oder Wohnsitz verlegt werden, um in eine vorteilhaftere geführt. Jede Konzerntochter bleibt zwar eine eigenstän- Austritt Großbritanniens aus der EU Illu: designed by freepik Rechtslage zu fallen. dige Insolvenzmasse, aber der Insolvenzverwalter erhält für beide Seiten wenig ändert, über In manchen Fällen aber kann ein Pleiteunternehmen zumindest die Möglichkeit, sich über die Finanzen der den Hard Exit (eine Einigung über ein Foto: Petra Spiola sehr wohl von der Europäischen Insolvenzverordnung pro- Tochter zu informieren. privilegiertes Verhältnis scheitert) fitieren. So ist es nun möglich, dass der Hauptverwalter In Summe wurde laut Kantner also nachgebessert, wo bis hin zum Crash Exit alles möglich. eines Verfahrens mit Gläubigern in anderen Ländern Ver- die seit 2002 geltende Europäische Insolvenzverordnung in Letzterer wäre ein ökonomischer einbarungen trifft, sodass Sekundärverfahren, die nur die der Praxis Mängel gezeigt hat. Kollaps Großbritanniens. 8 9
COVER RISIKEN IM DIGITALEN WANDEL Industrie 4.0 bedeutet die Chance, Produktion in Europa zu halten und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Gleichzeitig aber bringt die Digitalisierung neue Risiken mit sich. Denn die Schäden, die Sicherheitslücken anrichten können, sind groß und betreffen die gesamte Supply Chain. Doch so wie auf die altbekannten Gefahren Brand oder Hochwasser kann man sich auch auf die neuen Risiken vorbereiten. Foto: Alex Knight 10 11
Ohne Scheuklappen Berndorf-Aufsichts- ratschef Norbert Zimmermann hält wenig von Vorgaben „Industrie 4.0 bietet uns die gewaltige an Mitarbeiter. „Viel Chance, industrielle Produktion wichtiger ist Acht- in Europa zu halten. Das Schlüsselkriterium samkeit.“ Um diese zu für die Bewältigung des schulen, werden im digitalen Wandels ist die Aus- und Unternehmen Cyber- Weiterbildung.“ Angriffe simuliert. Zu den altbekannten Risiken wie beispielsweise Feuer oder Hochwasser gesellen sich schließlich einige neue hinzu. Etwa kann der Kollaps einzelner Komponenten, der eine ganze Supply Chain stilllegt, auch mutwillig herbeige- führt worden sein. Schon jetzt ist Betriebsspionage durch Absaugen von Daten, indem Systeme gehackt werden, für kriminelle Elemente zu einer Art Sport geworden und der Datenhandel längst ein blühendes Geschäft. Die weitere Verbreitung von Cloud-Diensten kann diese Risken erhö- hen. Dazu kommt die Gefahr, dass den Unternehmen jene Fachkräfte, die für entsprechende Datensicherheit sorgen können, möglicherweise fehlen – sowie auch jene, die für D die Steuerung der digitalen Transformation sorgen. ie Zukunft exakt vorherzusagen, gelingt wohl Wenn Maschinen vernetzt sind und direkt miteinander keinem, auch einem Technologiekonzern wie kommunizieren, mag zwar menschliches Versagen sel- Schlüsselfaktor Datensicherheit Infineon nicht. Wie man dennoch voraus- tener vorkommen als in der Vergangenheit. Dafür aber schauend handelt, macht Infineon Technolo- können Systemfehler oder ganz einfach das Versagen ein- Was können Unternehmen nun tun, um sich auf diese neuen gies Austria aber vor: So werden im „Pilotraum zelner Teile zu Schäden bis hin zur Betriebsunterbrechung Risken einzustellen und Vorsorge zu treffen? Gerald Netal, Industrie 4.0“, dem neuesten Reinraum am Standort Villach, führen. „Je komplexer das System, desto mehr nicht ent- Geschäftsführer von Risk Experts, rät zum Aufbau bestimm- bereits zahlreiche digitale Anwendungen in Echtzeit umge- deckte Bugs enthält es. Deshalb bekommen wir ja auch lau- ter Strukturen, die genau festlegen, wer Zugriff zu welchen setzt. Auch hat man im Pilotraum reichlich Sensorik verbaut, fend Systemupdates“, illustriert es Zimmermann. Daten hat oder wem sie weitergegeben werden. „Es wird mir die es ermöglicht, genau nachzuverfolgen, wie Big Data- die dritte oder auch siebente Firewall wenig nützen, wenn Anwendungen zum Beispiel die Energieeffizienz erhöhen Je komplexer, desto anfälliger die Struktur dahinter nicht auf Sicherheit ausgerichtet ist.“ und die Qualität der Produkte verbessern. Dadurch kann Ganz ähnlich sehen Fraunhofer Austria-Chef Sihn Infineon an einzelnen Schrauben drehen, um laufend nach- Allerdings gibt es Unterschiede, was die einzelnen Formen und Berndorf-Aufsichtsratsboss Zimmermann den Schlüs- zubessern und sammelt vor allem Erfahrung für künftige von Digitalisierung betrifft. Vor allem dort, wo es stark in sel in erhöhter Sensibilität für das Sicherheitsproblem, das Entwicklungen. Richtung Vernetzung geht, sind die Risiken groß – etwa durch Entwicklungen wie die Flexibilisierung der Arbeits- Tatsächlich braucht, wer auf künftige Entwicklungen bei connected cars oder Internet of Things (IoT): „Wenn welt zusätzlich verstärkt wird. Zum Beispiel lauern in der Foto: Lukas Ilgner/Verlagsgruppe News/picturedesk.com vorbereitet sein will, weder im Kaffeesud zu lesen noch zur hier einzelne Komponenten versagen, sind ganze Lkw- Verwendung eigener Laptops, Tablets oder Smartphones Kartenlegerin zu gehen. Es zeichnet sich bereits seit gerau- Züge oder Produktionslinien betroffen“, warnt Wilfried von Mitarbeitern – Stichwort „bring your own device“ – mer Zeit ab, dass Daten und Vernetzung eine zunehmende Sihn, Geschäftsführer von Fraunhofer Austria. Entwick- Gefahren. Ebenso im Transportieren von Laptops oder Rolle spielen werden. „Die Digitalisierung ist eine Evolution lungen wie künstliche Intelligenz oder Data Analysis hält auch nur USB-Sticks, wie Zimmermann aus eigener und keine Revolution. Die Entwicklungen verlaufen schritt- Sihn hingegen für weniger fehleranfällig. Denn sie dien- schmerzlicher Erfahrung weiß: „Ich hatte einmal auf Rei- weise und nicht von heute auf morgen“, sagt denn auch Hans ten in erster Linie dazu, menschliche Entscheidungen zu sen meinen USB-Stick verloren, der jede Menge wichtige Truppe, Industrie 4.0-Projektkoordinator bei Infineon Tech- unterstützen und zu verbessern. Korrespondenzen enthielt. Seither verschlüssele ich alles.“ Hans Truppe, nologies Austria. Und Truppe ist mit dieser Ansicht nicht In Summe allerdings steige mit jeder Weiterentwick- Gerade solche Erfahrungen seien daher lehrreich und Industrie 4.0-Projekt- alleine. Auch für Norbert Zimmermann, Aufsichtsrats-Vorsit- lung oder auch Neuentwicklung einer Technologie das laut Zimmermann letztlich wirksamer als strikte firmen- koordinator bei Infineon zender der Berndorf-Gruppe, ist Digitalisierung „nichts, was Risiko: „Wenn ich heute mit dem Porsche 300 km/h fahre, interne Vorgaben für die Nutzung von mobilen Geräten: plötzlich daherkommt oder das Datum 2020 hätte“. Umso ist das Risiko natürlich um ein Vielfaches höher als 1970, als „Vorgaben basieren stets auf den Informationen von ges- Foto: pix.at wichtiger ist es daher, den Umgang mit den neuen Risiken so der VW Käfer eine Höchstgeschwindigkeit von 105 km/h tern. Die nächste Gefahr lauert immer schon um die Ecke“, rasch als möglich zu lernen. Denn diese sehen in der Smart erreichte“, sagt Sihn. Sich dieser erhöhten Risiken bewusst sagt Zimmermann. Daher komme es ganz einfach auf die Factory anders aus als in der Fabrik der 80er- oder 90er-Jahre. zu werden, sei das Um und Auf in einer digitalen Welt. Achtsamkeit jedes Einzelnen an. 12 13
COVER Um diese zu schulen, werden bei den Unternehmen der ken wie Brand oder Hochwasser nicht anders. „Beim ersten Experten-Tipp Berndorf-Gruppe, zu denen Berndorf Band ebenso gehört Mal sind wir unter Wasser gestanden, beim zweiten Mal Experten-Tipp wie der Ölfeldausrüster Schoeller-Bleckmann, Angriffe hatten wir nur noch wenig Wasser und beim dritten Mal auf die Datensicherheit übrigens simuliert. Auf diese Weise sind wir verschont geblieben“, zieht Zimmermann den Ver- wird getestet, wie die Organisationen reagieren. Treten gleich. Und er stimmt damit einer Einschätzung von Risk Schwachstellen auf, können diese identifiziert und rasch Experts-Geschäftsführer Netal zu (siehe Expertentipp): An behoben werden. der Herangehensweise im Risikomanagement ändert sich auch in stärker vernetzten Zeiten wenig. Neu sind aber Fehlertoleranz muss stimmen manche Risiken selbst. Wichtig ist hierfür laut Zimmermann, dass die Fehlertole- Zusammenarbeit mit Unis ranz im Unternehmen stimmt. Schließlich gilt es, mit den neuen Gefahren erst umgehen zu lernen. Das war bei Risi- Den Umgang damit zu lernen und vor allem das Risiko so weit es geht zu minimieren, gilt es auch bei der zweiten gro- ßen Digitalisierungsgefahr, nämlich über zu wenige Fach- Fünf große Trends kräfte zu verfügen. Der Waschmittelkonzern Henkel CEE in Zeiten von Industrie 4.0 setzt zu diesem Zweck auf Kooperation mit Universitäten und Fachhochschulen. „Wir sind hier stark im Mindset der Studierenden verankert und mit der WU Wien verbindet ENTKOPPELUNG: Durch die Digitalisie- uns neben einem Corporate Sponsorship auch eine enge rung werden Raum und Zeit entkoppelt. Internet Zusammenarbeit bei internationalen, speziell auf Osteuropa of Things etwa ermöglicht die Steuerung von ausgerichteten Lehrgängen“, sagt Henkel CEE-Präsident Maschinen ohne menschliches Zutun, Entwick- Günter Thumser. Bei manchen Ausbildungsprogrammen Risk Experts-Geschäftsführer Gerald Netal lungen wie Augmented Reality die Fernwartung war der Konzern, der von Wien aus seine Osteuropa-Akti- Fraunhofer Austria Geschäftsführer Wilfried verrät, worauf es in einer digitalisierten Welt von Anlagen. vitäten steuert, auch Mitinitiator. Ebenso halten Henkel- Sihn sieht das A und O im Bewusstsein im Risikomanagement ankommt. Experten Vorlesungen, bieten Betriebsbesuche und Praktika darüber, dass die Risiken mehr werden. KÜNSTLICHE INTELLIGENZ: Spätestens an und haben auch schon so manche wissenschaftliche Arbeit unterstützt. „Das hilft uns, das Interesse von talen- D B seit das von IBM entwickelte System Watson ie Digitalisierung ändert wenig an den Instru- 2011 in der Quizsendung „Jeopardy!“ zwei tierten jungen Leuten zu wecken“, berichtet Thumser. ei jeder technologischen Entwicklung ist die menten und Methoden, die das Risikomanage- menschliche Gegner schlug, ist klar: Selbstlernen- Wahrscheinlichkeit, dass die Risiken steigen, ment bei Bewertung und Steuerung von Risiken de Systeme sind auf dem Vormarsch. Arbeitsgruppe für Jobprofile groß. Ich vergleiche das gerne mit dem Auto- anwendet. Sehr wohl aber bringt sie eine inhaltliche fahren: Wenn ich heute mit dem Porsche 300 km/h Verschiebung der Risiken, die auch Auswirkung auf die NEUES ARBEITEN: Traditionelle Hier- Bei Infineon Technologies Austria wiederum werden die fahre, ist das Risiko natürlich um ein Vielfaches höher Analysetools im Risikomanagement haben wird. So wird archien verschwinden, unabhängig von Raum Veränderungen der Arbeitswelt in einer eigenen Arbeits- als 1970, als der VW Käfer eine Höchstgeschwindigkeit es nicht mehr nur um IT-Sicherheit gehen oder darum, und Zeit nimmt projektbezogene Arbeit zu, feste gruppe analysiert. Diese besteht aus Vorstand, Betriebs- von 105 km/h erreichte. eine noch stärkere Firewall zu installieren. Vielmehr steht Anstellungen werden weniger. Gefordert sind rat, Human Ressources-Abteilung und Fachexperten und Wie hoch das Risiko genau ist, hängt auch von der Art künftig die Informationssicherheit in seiner Gesamtheit Anpassungsfähigkeit und systemübergreifendes befasst sich vor allem mit den Anforderungen und Job- der Digitalisierung ab. Dort, wo es sehr stark Richtung im Mittelpunkt. Das heißt, Unternehmen müssen Struk- Denken. profilen der Zukunft. „Wir wollen die Prozesse proaktiv Vernetzung geht, ist es höher als bei Entwicklungen wie turen aufbauen, die genau festlegen, welche Daten wo mitgestalten und arbeiten für jede Gruppe, also vom Fer- künstlicher Intelligenz oder Data Analysis. Letztere die- gesammelt werden, und wer Zugriff hat. Unabhängig DESIGN THINKING: Produkte und Dienst- tigungsmitarbeiter über die Instandhaltung, den Ingeni- nen ja dazu, menschliche Entscheidungen zu unterstüt- davon, ob es sich um Daten von Kunden, aus der Ferti- leistungen werden viel stärker als bisher den eur und die Supportabteilung das mögliche Arbeitsbild der zen und zu verbessern. gung oder der F&E-Abteilung handelt – es wird überall Bedürfnissen der Menschen angepasst. Etwa kön- Zukunft aus“, schildert Infineon-Industrie 4.0-Projektko- Insgesamt aber werden Risiken durch die Digitalisie- mehr Sensibilität erforderlich sein. Auch bei der Auswahl nen intelligente Steuerungen die Energieeffizienz ordinator Truppe. So werde eruiert, welche Kompetenzen rung eine neue Dimension erreichen. Dessen müssen von Partnern wird man genau abwägen müssen, wen von Gebäuden optimieren und für die Bewohner erforderlich sein werden und mit welchen Maßnahmen wir uns bewusst werden. Diese Awareness ist das man in sein Netzwerk hineinlässt. ein angenehmes Umfeld schaffen. Infineon diese entwickeln kann. A und O. Erst dann, wenn ich mir des Risikos Eine weitere Veränderung betrifft den Arbeitsmarkt. In Solche Wege, wie sie Henkel CEE, Infineon Austria oder bewusst bin, kann ich reagieren und die entsprechen- jenen Branchen, wo die Digitalisierung rasch voran- DISRUPTION: In manchen Branchen bleibt auch die Berndorf-Gruppe gehen, helfen, die Risiken für das den Experten holen. Deren Risikoanalysen und schreitet, ist der War of Talents schon voll im Gange. Hier kein Stein auf dem anderen. Laut einer Studie eigene Unternehmen zu begrenzen. Eine nicht unbeträcht- Risikoberichte werden wohl umfassender sein als in Foto: Andreas Koerner wird einerseits die projektbezogene Freelance-Arbeit stei- von Cisco wird die digitale Disruption 40 Pro- liche Gefahr geht von der Digitalisierung aber auch für die der Vergangenheit. Denn Auslöser wie technisches gen, was eine Variabilisierung der Fixkosten mit all ihren Gesamtwirtschaft aus – zumindest, wenn man diversen Stu- Versagen ziehen bei starker Vernetzung verheerende Foto: Weinkirn zent der deutschen Unternehmen schwer treffen. Chancen und Risiken mit sich bringt. Andererseits wer- Viele müssen das gesamte Geschäftsmodell dien Glauben schenken darf: So spricht etwa A.T. Kearney Folgen nach sich. Und es wird auch mit viel krimi- den sich Unternehmen neue Benefits überlegen müssen, überdenken. neller Energie versucht, solche technischen Versagen um junge Talente anzuziehen und auch zu halten. Lesen Sie weiter auf Seite 18 herbeizuführen. 14 15
COVER ZUKUNFTSSZENARIEN LANGSAME im digitalen Zeitalter TRANSFORMATION Die Umstellung erfolgt aufgrund eines 01 INDUSTRIE 4.0 hohen Beharrungsvermögens langsam. Die Prognosen, welche Folgen die Digitalisierung für Gesellschaft und Arbeitsmarkt hat, FRONTRUNNER Im Jahr 2030 ist die Digitalisierung Viele Unternehmen haben Automatisierungs- gehen weit auseinander. Fest steht nur: Beide können von Gesellschaft und Industrie schritte gesetzt, jedoch vorsichtig. genauso gut profitieren wie an den Anforderungen scheitern. gelebte Realität. Die österreichische Wirtschaft hinkt im internationalen Vergleich nach. Die Produktion in Europa ist Erste Adaptierungen im Bildungssystem wettbewerbsfähig. wurden getroffen, es scheitert MILLIARDEN VERNETZTE MASCHINEN DIE BEDROHUNG DER JOBS IST HÖCHST Österreich ist industrielles Vorzeigeland. aber an der effektiven Umsetzung. UNTERSCHIEDLICH Die Politik hat für die entsprechenden 02 Gut ausgebildete Fachkräfte Bis 2020 werden laut Prognose der Unternehmensbera- Akademische Berufe 0,0 % Reformen im Bildungssystem gesorgt. sind Mangelware. tung Gartner weltweit 26 Milliarden Dinge im Internet vernetzt sein. Zählt man Laptops, PC und Smartphones Führungskräfte 0,8 % Die Wirtschaft floriert. Die Beschäftigung ist stabil dazu, deren Zahl 2020 bei rund 7 Milliarden liegen wird, Die Zahl der Jobs steigt. bis leicht sinkend. Techniker 3,5 % kommt Gartner auf 33 Milliarden. Das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen International Data Corpo- Land-/Forstwirtschaft 4,1 % ration (IDC) kommt auf fast die gleiche Zahl: 2020 sollen Bürokräfte 6,6 % FORSCHER 32 Milliarden Objekte mit dem Internet verbunden sein, HABEN und diese werden dann zehn Prozent der weltweiten Daten Dienstleistungsberufe 10,7 % JÜNGST VIER produzieren. Laut Gartner wird das Internet der Dinge Maschinenbediener 17,7 % SZENARIEN 2020 über viele Industriezweige hinweg einen Mehr- FÜR ÖSTERREICH Handwerker 18,7 % 2030 Quelle: Studie „Beschäftigung und Industrie 4.0“ erstellt von AIT, Wifo und Fraunhofer Austria im Auftrag des bmvit wert von 1,9 Billionen Dollar erzeugen. IDC sagt sogar SKIZZIERT: einen Ertrag von 8,9 Billionen Dollar voraus. Hilfsarbeitskräfte 30,3 % 04 03 DIGITALES SCHEITERN ÖSTERREICH IM DIGITALISIERUNGSINDEX DER EU AUF RANG 10 EFFIZIENZSTEIGERUNG Die durchgängige Digitalisierung Industrie 4.0 hat bis 2030 vor allem der der Industrie ist 2030 nach wie vor Connectivity Human Capital Use of Interest Integration Digitaler Digital Public Services Effizienzsteigerung gedient. Wunschtraum. Technologien 0,80 Im Vergleich zu heute wurde eine hohe Der Mangel an digitalen Kompetenzen ist groß. Automatisierung und Vernetzung und Polarisierung zwischen hochspezialisierter 0,70 dadurch große Effizienz in der Produktion erreicht. Facharbeit und kostengünstiger manueller Das Bildungssystem wurde unzureichend angepasst. Fertigung. 0,60 Digitale Kompetenzen sind in den einzelnen Die Arbeitslosigkeit steigt, die Qualifizierung Bildungsschichten unterschiedlich verankert. lässt zu wünschen übrig. 0,50 Industriebetrieben fehlt es an Kreativität für neue Know-how fließt in andere Länder ab. 0,40 Dienstleistungen und Innovationen. Gewinner gibt es nur Das globale Wirtschaftswachstum stagniert, in einzelnen Nischen. 0,30 Österreich hält in der Industrie gut Schritt. Weniger Qualifizierte sind vom 0,20 Beschäftigungsabbau stark betroffen. 0,10 0,00 Die Zahl der Internetnutzer liegt in Österreich aktuell bei 82 Prozent, um einen DK FI SE NL LU BE UK IE EE AT DE MT LT ES PT EU FR SI CZ LV SK HU CY PL HR IT EL BG RO Prozentpunkt höher als 2016. Langsam nehmen die digitalen Kompetenzen zu. 65 Prozent verfügen zumindest über Grundkompetenzen, der EU-Schnitt liegt bei 56 Prozent. 16 17
DIALOG CHANCE ODER RISIKO Die spektakulärsten Fehlprognosen in der IT-Welt von 44 Prozent aller Jobs, die in Österreich durch die Digita- lisierung bedroht sein könnten. Das IHS nennt mit neun Pro- zent zwar einen geringeren Wert, aber auch dieser ist für die Volkswirtschaft wohl ein Problem. Ähnlich düstere Vorher- DATEN ALS RESSOURCE sagen wurden für Deutschland und andere Länder getätigt. Daten gelten als der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Darin sind sich die Experten einig. Doch auch hierbei handelt sich um ein Risiko, das sich Doch wo große Chancen sind, lauern auch Gefahren. minimieren lässt – vorausgesetzt, es werden die richtigen Strategien angewandt. Eine kürzlich erschienene Studie, die das Austrian Institute of Technology (AIT), das Wirt- schaftsforschungsinstitut (WIFO) und Fraunhofer Austria Research gemeinsam im Auftrag des Bundesministeriums Für Jürgen Pol- Heimo Gruber, für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) durch- terauer, CEO der Dia- Risikomanager und logschmiede, eine der führten, entwarf vier Szenarien für das Jahr 2030: Sie rei- Daten-Experte bei bekanntesten öster- „Ich denke, dass es weltweit chen vom „Industrie 4.0 Frontrunner“, über die „langsame reichischen Dialog- Risk Experts: „Die Transformation“, zum Szenario, bei dem Industrie 4.0 der Versuchung, aus einen Markt für vielleicht fünf reinen Effizienzsteigerung dient, bis hin zum „digitalen agenturen, kann man Daten vieles ablei- Computer gibt.“ Scheitern“ (siehe Grafik). Bei den drei letzteren sind die mit Hilfe von Daten „effizient kommu- ten zu wollen, ist Das prognostizierte Thomas Watson, Chairman von Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt alles andere als rosig, natürlich groß.“ nizieren und Spams IBM, im Jahre 1943. Später verhalf ausgerechnet IBM beim Szenario Frontrunner hingegen entsteht unterm Strich vermeiden“. dem PC zum Durchbruch. sogar ein Beschäftigungswachstum. Und das Autorenteam der Studie ist ebenso wie Truppe von Infineon Austria über- „Apple ist bereits tot.“ zeugt, dass ein Schlüssel zur Erreichung dieses Szenarios Dies meinte Nathan Myhrvold, ehemaliger Microsoft in der Aus- und Weiterbildung liegt. Dann gelingt es, genü- CTO im Jahr 1997. Totgesagte leben bekanntlich länger. gend „beste Köpfe“ zu gewinnen, die systemorientiert, fle- CHANCE: RISIKO: „Finanzsysteme werden xibel und interdisziplinär arbeiten, dann bietet Industrie 4.0 „Durch Daten viel „Technikgläubigkeit ist laut Truppe sogar „die gewaltige Chance, Industrieproduk- kollabieren, Kernkraftwerke tion in Europa zu halten und zu stärken“. zielgerichteter agieren“ mitunter zu groß“ außer Kontrolle geraten.“ J A Dies sind nur einige Folgen, die laut Vorhersagen durch ürgen Polterauer arbeitet täglich mit Daten, diese uch Heimo Gruber, Risikomanager bei Risk Experts, das Jahr-2000-Problem, auch Millennium-Bug genannt, „Wir arbeiten eng mit bedeuten für ihn schlichtweg Transparenz. Sie ermög- schätzt Daten – ob als Marketinginstrument oder als ausgelöst werden sollten. Ob dank der hohen Investiti- Fachhochschulen lichten es, „das richtige Angebot zur richtigen Zeit für „wunderbaren Fundus für Analysen“. Das Problem onen von Unternehmen in die Systemumstellung oder und Universitäten den richtigen Adressaten zu erstellen“, sagt der Gründer sei aber, dass die Daten nicht immer authentisch und daraus nicht – die Katastrophen blieben aus. zusammen. Das hilft, und CEO der Agentur Dialogschmiede. gezogene Schlüsse nicht immer plausibel sind. das Interesse von Gerade im B2B-Bereich eröffneten Daten die Chance, So sieht Gruber eines der größten Risiken darin, aus „In zwei Jahren wird das talentierten jungen viel zielgerichteter zu kommunizieren. „Ich vermeide richtigen Daten ein „unzulässiges“ Ergebnis abzuliefern: Spam-Problem gelöst sein.“ Leuten an Henkel zu Spams“, so Polterauer. Dafür brauche es vorab eine Selektion „Manchmal werden Daten kombiniert, die nicht zu kombi- Das versprach Bill Gates im Jahr 2004. Leider machen wecken.“ von Daten. Ein einmaliger Aufwand, den sich viele Unter- nieren sind, oder es wird ein Mittelwert errechnet, wo das Spams nach wie vor bis zu 90 Prozent des weltweiten nehmen dem Dialogschmiede-Chef zufolge ersparen wollen: statistisch nicht zulässig ist“, nennt er Beispiele. Denn: „Die Mailverkehrs aus. „Sie sagen sich, warum soll ich 50 herausfiltern, wenn ich Technikgläubigkeit – was der Computer errechnet, muss meine Information auch an 500 senden kann. Dabei kann ich richtig sein – ist mitunter groß.“ Er könne aber die Versu- „500 Dollar zahlt keiner.“ durch Selektion z. B. zu einer Veranstaltung nur die Kunden chung, aus Daten vieles ableiten zu wollen, verstehen. Wich- Dieser Ansicht war Microsoft-Chef Steve Ballmer 2007, einladen, die wirklich interessiert sind. Jene, die nur wegen tig sei, letztlich den gesunden Menschenverstand zu nutzen nachdem Apple sein erstes iPhone vorgestellt hatte. des Buffets kommen, schließe ich von vornherein aus.“ und die aus großen Datenmengen errechneten Erkenntnisse Auch glaubte er, dass es Business-Nutzer nicht anspreche, Dass die Sammlung von Daten auch Gefahren mit einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Fotos: Katharina Axmann, Thomas Topf da ihnen die Tastatur fehlen werde. sich bringt, will Polterauer nicht verschweigen. Die größte Mehr Fluch als Segen können Daten außerdem dann bestehe dann, wenn Daten in falsche, etwa totalitäre Hände sein, wenn sie in falsche Hände geraten – und dies sei bei Fotos: Hemut Mitter, Pixabay „Von Facebook wird in fünf bis gerieten. In Summe sieht er die Nutzung von Daten aber standortbezogenen Daten von Warentransporten, die abge- sechs Jahren kein Mensch mehr Günter Thumser, „völlig unaufgeregt“ und damit so, wie es in vielen Teilen fangen werden können, oder möglichen Schwachstellen im der Welt üblich sei: „Nur in Mitteleuropa ist man so para- IT-System leicht der Fall. „Wer hier nicht immer am neuesten reden.“ Präsident von Hen- noid, was Daten anbelangt“, sagt Polterauer. Positiv emp- Stand der Technik ist, macht sich verwundbar“, warnt Gru- So lautete die Prognose von Zukunftsforscher Matthias kel CEE ist ebenso von den Chancen findet er die neue Datenschutzgrundverordnung der EU ber. Und je komplexer das System, desto größer der Schaden. Horx im Jahr 2010. Auch wenn er diese Aussage später der Digitalisierung (DSGVO), die im Mai 2018 in Kraft tritt: Durch die hohen Zum Beispiel führte beim Containerschiff-Riesen Moeller- relativierte, lag er wohl nicht ganz richtig. überzeugt. Strafen entstünde Bewusstsein für den Wert von Daten. Maersk kürzlich ein Hackerangriff zu massiven Problemen. 18 19
DIALOG EBNER DISKUTIERT: „JEDER MUSS SICH Wolfgang Feller, Bildungsexperte der WEITERENTWICKELN“ Agenda Austria: „Als Arbeitnehmer ist es wichtig, sich die Fähigkeit des Weiter- lernens anzueignen.“ Schon jetzt bleibt am Arbeitsmarkt kein Stein auf dem anderen, die Digitalisierung beschleunigt den Wandel. Risk Experts-Gründer Gerhart Ebner diskutiert mit Wolfgang Feller, Bildungsexperte des Think Tanks „Agenda Austria“, über die künftig gefragten Skills sowie darüber, wie sich Arbeitnehmer und Unternehmen auf die Veränderungen am besten vorbereiten. W ie wird die zunehmende Di- EBNER: In unserem Umfeld beob- zelnes Unternehmen, sondern vor allem gitalisierung die Arbeits- achten wir ebenso, dass soziale Kompe- volkswirtschaftlich. Wie sehen Sie das? welt verändern? Werden die tenzen und Flexibilität immer wichtiger FELLER: Hierzu gibt es auch Unter- Unternehmen auch in Zukunft jene werden. Wir beschäftigen uns auch des- suchungen, zum Beispiel sagt eine Fachkräfte finden, die sie benötigen, halb so intensiv mit der Frage der Aus- Umfrage der Boston Consulting Group und wie soll das Bildungssystem auf die bildung, weil wir gerade als Berater vor- für die nächsten Jahre einen immer geänderten Anforderungen reagieren? ausdenken wollen. Wir haben uns – stärker werdenden Mangel an IT-Fach- Diese Fragen beschäftigten Risk Ex- angelehnt an den voestalpine-Leitsatz kräften vorher. Im Jahr 2025 sollen in perts-Geschäftsführer Gerhart Ebner. „one step ahead“ – das Ziel gesetzt, Deutschland ungefähr 120.000 Uni- Aus diesem Grund hat er Agenda Aus- immer zwei bis drei steps ahead zu den- Absolventen von IT-Fächern wie Com- tria-Bildungsexperten Wolfgang Feller ken. Allerdings habe ich größte Beden- puterengineering und dergleichen zum Gespräch geladen. ken, ob wir heute die richtigen Leute fehlen. Dabei ist die mangelnde Anzie- ausbilden, die wir in zehn oder 15 Jah- hungskraft dieser Studienrichtungen GERHART EBNER: War es für Sie ren brauchen werden, nicht nur als ein- seit Jahren bekannt. überraschend, als Sie unsere Einla- dung zum Interview bekamen, dass wir uns als Risikomanager dem Thema Wolfgang Feller: „Es ist aus unserer Sicht sehr vernünftig, Bildung nähern? sich als Unternehmen mit dem Thema Bildung zu WOLFGANG FELLER: Nein, es ist befassen. Wer es nicht tut, wird auf der Strecke bleiben.“ EBNER: Einziger, wenn auch zu risikieren „take a chance“, was den Problemlösungsfähigkeiten besitzt aus unserer Sicht sehr vernünftig, schwacher Trost mag sein, dass es sich Kern der Sache viel besser trifft. und darüber hinaus noch in der Lage sich mit dem Thema zu befassen. Wer um kein rein österreichisches oder FELLER: Das ist ein gutes Stich- ist, sich Gedanken über das Unter- es nicht tut, wird auf der Strecke blei- deutsches Phänomen handelt. wort, wenn es darum geht, was in der nehmen als Ganzes zu machen, ist ben. Wir haben uns als Agenda Aust- FELLER: Das Problem haben viele Schule verändert werden muss. Der- das mindestens genauso viel wert wie ria den Kompetenzbedarf der Firmen Länder, es kommt aber darauf an, zeit werden Lehrpläne erstellt, Schul- die Fachkenntnis an sich. Denn was angeschaut, vor allem hinsichtlich wie rasch sie reagieren und wie ver- bücher produziert und der gesamte nützt mir Wissen über Materialien, der Digitalisierung, die im Grunde ja änderungsbereit sie sind. Und hier Schulbetrieb ist auf Sicherheit ausge- wenn diese sich ständig ändern. Kurz eine Fortsetzung der Automatisierung nimmt Österreich – wie übrigens auch richtet. Doch eine Weiterentwicklung gesagt: Fachkenntnisse sind weniger durch eine stärkere Vernetzung, durch Deutschland – keinen Spitzenplatz der sogenannten Paukerschule bedeu- wichtig als zu wissen, woher ich sie Monitoring etc. bedeutet. Hier haben ein. Vor allem Frauen sind nur schwer tet weg von starren Strukturen und mir hole. sich vier Bereiche herauskristallisiert, für die sogenannten MINT-Fächer zu mehr Projektarbeit, Gruppenarbei- FELLER: Ein großes, für den Staat die die Unternehmen als besonders gewinnen. Es existiert nach wie vor ein ten sowie Aufgaben, die nicht mit nur sehr teures Problem sind auch jene 15 wichtig für die Zukunft ansehen. Das Gendergap, der bereits bei der früh- einem Lösungsweg zu meistern sind. bis 20 Prozent der jungen Leute, die ist die klassische Fachkompetenz, dann Im Gespräch. kindlichen Erziehung beginnt. Bewertet wird nicht, wer dem vorge- jedes Jahr das Schulsystem verlassen die IT-Kompetenz, aber genauso viel Wolfgang Feller (li.) und EBNER: Hier muss wohl im Schul- gebenen Weg am besten nachkommt, und dann den Einstieg ins Arbeitsle- Fotos: Günther Peroutka Bedeutung werden einerseits sozialen Gerhart Ebner über system angesetzt werden. Als Risikoma- sondern bewertet werden Kreativität ben nicht schaffen. Kompetenzen wie etwa Teamfähigkeit gefragte Fähigkeiten wie nager haben wir den Eindruck, dieses und Problemlösungsfähigkeit. EBNER: Ich denke, 15 bis 20 Pro- sowie andererseits Selbstkompetenzen Flexibilität, Offenheit und ist zu sehr auf Sicherheit ausgerichtet. EBNER: Kreativität und Flexibili- zent Bildungsverlierer ist noch opti- zugeschrieben, also der Fähigkeit sich Selbstorganisation Die altbewährte Vorgangsweise gilt als tät sind für uns sehr wichtige Kriterien mistisch geschätzt. Welche Bildungs- weiterzubilden, Flexibilität, Offenheit sicher. Ich bevorzuge den amerikani- bei der Einstellung von Mitarbeitern. aufgabe kommt Ihrer Ansicht nach oder Selbstorganisation. schen Zugang. Die Amerikaner sagen Wenn jemand anpassungsfähig ist, Unternehmen zu? 20 21
DIALOG BRANDSCHUTZ FELLER: Lebenslanges Lernen ist oft noch mehr Schlagwort als Realität. DÄMMUNG BIRGT EIN RISIKO Hier muss einerseits mehr Freude an der Weiterbildung bei den Arbeitneh- mern geweckt werden. Andererseits braucht es mehr Konzepte der ler- Nachhaltigkeit liegt im Trend – und damit eine effektive Dämmung von Gebäuden. Doch das birgt Gerhart Ebner: „Wir auch Gefahren, wie das Unglück im Londoner Grenfell Tower gezeigt hat. Soll sich der Segen für den beobachten, dass die Routine- Klimaschutz nicht als Katastrophe für den Brandschutz erweisen, ist Expertenwissen gefragt. tätigkeiten immer weniger V werden, die Denkarbeit hin- iele der heute gerne verwendeten WärmeDämm- Brandschutz steht auf drei Säulen, erklärt Arthur Eisenbeiss, gegen nimmt beständig zu.“ VerbundSysteme (WDVS) sind zwar ein Segen Geschäftsführer der BVS – Brandverhütungsstelle für OÖ: für den Klimaschutz, doch eine Katastrophe Die erste Säule ist der bauliche Brandschutz – die Konzeption nenden Organisationen. Ein Beispiel für den Brandschutz. Die damit verbundenen eines Gebäudes, Fluchtwege, die Ausführung von Brandab- hierfür ist Google. Dort hat man die Brandgefahren und Sicherheitsrisiken stellen schnitten, Baustoffklassifizierungen usw. Die zweite Säule zeitlichen und räumlichen Gelegen- eine Herausforderung für Planer und im Fall des Falles die ist der anlagentechnische Brandschutz – beispielsweise heiten geschaffen, die zur Kommuni- Rettungskräfte dar. Doch Expertenwissen kann die Gefah- Sprinkleranlagen, Brandmeldeanlagen, etc. Und die dritte kation und zur Kreativität einladen. ren erheblich eindämmen. Säule stellt der organisatorische Brand- Auch eine gewisse Fehlertoleranz ist Michael Buser, Risk Experts-Ge- schutz dar, wie Bestellung von Brand- wichtig, damit man sich neue Wege schäftsführer und Fachmann für Brand- schutzbeauftragten, Freihalten von einzuschlagen traut. Das hat auch viel schutz, findet klare Worte: „Wir sind kei- Fluchtwegen oder etwa Einsatzplänen mit Risikofreude zu tun. nesfalls gegen Dämmung, sondern un- für die Feuerwehr. EBNER: Bei uns im Unternehmen terstützen im Gegenteil jede Initiative, Alle drei Säulen müssen tragfähig spielt Weiterbildung eine große Rolle. die dem Klimaschutz dient. Allerdings sein, damit Brandkatastrophen verhin- Wir haben zum Beispiel jedes Jahr Gerhart Ebner: sollte man mit Sachverstand dämmen. dert werden können. Im baulichen „Neue Technolo- eine zweitägige Kickoff-Veranstaltung Das heißt, die richtigen Materialien und Brandschutz muss berücksichtigt wer- gien haben his- mit interessanten Keynote-Speakern. nicht immer die billigsten einsetzen.“ den, wie sich die Dämmung im Fassa- torisch immer Das kommt bei den Mitarbeitern sehr manche Arbeits- So ist Mineralwolle nicht nur ein denbereich auf das Brandverhalten gut an. Doch was ist mit jenen Unter- plätze gekostet, seit Jahrzehnten erprobtes Material für auswirkt. nehmen, die sich die Investition in aber gleichzeitig die Dämmung, die Brandgefahr ist bei Wer mit brennbaren Baustoffen Mitarbeiter sowie in Space für Kommu- neue Arbeitsplätze ihr auch deutlich niedriger. Allerdings beispielsweise ein Einfamilienhaus iso- nikation und Kreativität nicht leisten geschaffen.“ ist sie teurer als ein Dämmmaterial aus liert, „der kann durchaus an die 2000 können? Werden diese von den größe- geschäumtem Kunststoff. Leider grei- Liter Rohöl in Form von geschäumtem ren, finanzkräftigeren abgehängt? fen in der Praxis viele Bauherren zum Kunststoff auf die Fassade aufbrin- FELLER: Ich denke, in Zukunft nichtet, aber gleichzeitig andere neu betreuen zu lassen. Um sich den Ände- günstigsten Material, sagt Buser. Und gen“, sagt Eisenbeiss. Dieser Tatsache wird die Frage nicht sein, wer es sich geschaffen. Was denken Sie über die rungen als Arbeitnehmer anzupassen, entflammt der Dämmstoff erst einmal, und der damit verbundenen Gefahr leisten kann, sondern Unternehmen Auswirkungen der Digitalisierung auf ist es wichtig, sich die Fähigkeit zum „dann breitet sich der Brand sehr rasch aus und ist auch für sind sich viele Bauherren nicht bewusst. Es gibt zwar neue werden sich Weiterbildung leisten den Arbeitsmarkt insgesamt? Weiterlernen anzueignen. die Feuerwehr nahezu unbeherrschbar. Das hat zuletzt der Trends, etwa die Verwendung von natürlichen Dämmstof- müssen. Sehen Sie sich Beispiele wie FELLER: Hierzu gibt es höchst unter- EBNER: Bei mir hat schon seiner- Hochhausbrand in London gezeigt“. fen wie Hanf, Schafwolle, Kokosfasern, etc. statt Kunststoff. Nokia oder Kodak an. Hier wurde es schiedliche Prognosen. Die einen spre- zeit ein Professor an der Universität Auch in Österreich hat es – wenn auch nicht in so gro- Doch auch diese Materialien sind brennbar und stellen verabsäumt, dass sich einst gute Orga- chen davon, das bis zu 50 Prozent der gesagt, die Routinearbeit wird zurück- ßem Ausmaß – schon Brände auf dem Weg über Fassade und somit brandschutztechnisch keine Alternative dar. nisationen weiterentwickeln. Jobs verschwinden könnten, das IHS gehen, die Denkarbeit mehr werden. Dämmung gegeben. „Wir müssen danach trachten, dass bei EBNER: Ich bin ja grundsätzlich hat das relativiert und spricht von elf Das Problem ist nur, dass die Leute ihre der Anbringung von brennbaren Wärmedämmverbundsys- Die Vorschriften Foto: Fotolia.de/ Ingo Bartussek Optimist. Daher sehe ich Industrie bis zwölf Prozent. Tatsache ist, dass sol- Routinearbeit behalten und das Den- temen (WDVS) an Bauwerken eine strenge Qualitätssiche- 4.0 positiv. Es handelt sich ja auch um che Entwicklungen sehr schwer vor- ken abgeben wollen. Das beobachten rung eingehalten wird“, warnt Otto Widetschek, Präsident Natürlich kommen hier die Bauvorschriften ins Spiel: Ein keine völlig neue Entwicklung. Auto- auszusehen sind und immer auch in wir auch heute: Die Routinetätigkeiten des Brandschutzforums Austria und Branddirektor der Gebäude muss grundsätzlich so beschaffen sein, dass sich die matisierung, Vernetzung etc. gibt es politische Entscheidungen eingebettet werden immer weniger, die Denkar- Stadt Graz a.D. „Am besten wäre natürlich die Verwendung Bewohner oder Nutzer im Brandfall selbst retten können. schon länger, die einen sind darin wei- sind. Zum Beispiel wird die Abschaf- beit hingegen nimmt stetig zu. Wir sind von nicht brennbaren Dämmstoffen“, so der Experte weiter, Bei den geltenden Regulativen geht man bei Gebäuden von ter, andere noch nicht ganz so weit. fung des Pflegeregresses Arbeitsplätze daher überzeugt: Diejenigen, die die „denn dann könnte die immer aktueller werdende Achilles- einem baulichen Fluchtweg sowie zusätzlich von einem zwei- Neue Technologien haben historisch schaffen, weil viele nun eher die Mittel richtigen Algorithmen haben, werden ferse der Feuerwehr bei Fassadenbränden weitgehend ent- ten Rettungsweg (z. B. Rettungsgeräte der Feuerwehr) oder immer manche Arbeitsplätze ver- haben, Pflegebedürftige professionell die Nase vorne haben. schärft werden.“ einem weiteren baulichen Fluchtweg (abhängig von den 22 23
BRANDSCHUTZ Gebäudeparametern) aus. Hinsichtlich Feuerwiderstand von Fassadenbrand Experten-Tipp Bauteilen bzw. des Tragwerkes von Gebäuden ist in den OIB- Leicht brennbare Experten-Tipp Dämmung sorgt für Richtlinien ein wesentliches Kriterium die Gebäudehöhe: Je rasche Ausbreitung höher ein Gebäude desto höher die Anforderungen an den der Flammen. Die Feuerwiderstand. „Die baulichen Vorschriften im Brandschutz Schäden sind hoch. sind neuerdings in Österreich im Gegensatz zu den Verfah- rensvorschriften praktisch einheitlich in den OIB-Richtlinien geregelt, was ein großer Fortschritt ist“, sagt Eisenbeiss. Bei einem Brand kann als Richtwert für die Ausbreitung des Feuers auf das darüber liegende Geschoß eine Zeit von ca. 15 Minuten angenommen werden. Auch bei einem reinen Betongebäude ohne Dämmung greift ein Brand alle 15 Minu- ten auf das nächsthöhere Geschoß über – meist an kritischen Punkten wie den Fenstern. Brandsperren verhindern Feuerübersprung Fassadensysteme müssen so gestaltet sein, dass sie keinen wesentlichen Beitrag zur vertikalen Brandweiterleitung leis- ten. Dies gilt für deren Konstruktion mit Hinterlüftungsspal- ten, die eine Kaminwirkung haben können, ebenso wie für brennbare Dämmmaterialien. Damit soll sichergestellt wer- den, dass eine Personenrettung bzw. ein effizienter Löschein- Michael Buser, Risk Experts-Geschäftsfüh- satz möglich ist. Grundsätzlich lautet die Regel so: Bis der im Wohnbau legale zweite Rettungsweg über Leitern Brandschutzforum Austria-Präsident Otto rer und und Brandschutz-Experte erklärt, einschließlich drei oberirdischen Geschoßen sind im Fassa- und Hubrettungsgeräte könne in vielen Fällen für die Feu- Widetschek nennt Möglichkeiten, die Achilles- worauf bei Gebäudedämmung zu achten ist. denbereich keine besonderen brandschutztechnischen Maß- erwehr nicht mehr garantiert werden. ferse für Feuerwehren zu entschärfen. nahmen erforderlich, ab vier Geschoßen sind „Brandriegel“ bzw. sogenannte „Brandsperren“ (für hinterlüftete Fassaden, Und was ist bei Neubauten? A B ktuelle Brandkatastrophen, bei denen die Wär- z. B. Holzfassaden) vorgeschrieben. Ab der Hochhausgrenze, randschützer und Feuerwehren leben heute mit medämmung von Gebäuden einen erheblichen also ab acht Geschoßen, sind nur nichtbrennbare Materialien Möglichst energieeffiziente und nachhaltige Gebäude lie- einem Paradoxon: Der im Sinne des Energiespa- Beitrag zur Brandausbreitung und somit zum erlaubt. Und ab 32 Metern muss bei Hochhäusern die Gefahr gen international im Trend – große Bürogebäude werden rens notwendige Energieausweis für Bauwerke Schadenausmaß beigetragen hat, zeigen den akuten des „Feuerübersprungs“ durch technische Maßnahmen wie heute in Österreich kaum mehr ohne Green Building-Zerti- hat sich in Bezug auf den Brandschutz als gefährlicher Handlungsbedarf. Rettungskräfte und auch automatische automatische Sprinkleranlagen o.ä. minimiert werden. fikate o.ä. errichtet. Dazu kommt ein Trend zu Hochhäusern Flop erwiesen, vor allem wenn man brennbare Dämmma- Löschanlagen waren bei der Brandbekämpfung häufig Besonders beachtet werden müssen bauliche Aspekte bei in den Ballungsräumen. Daraus folgt aber nicht automatisch terialien verwendet. Da organische Dämmstoffe billiger überfordert und konnten die Katastrophe nicht verhindern. hinterlüfteten Fassaden, über die ein Brand durch „Kamin- ein größeres Brandrisiko: „Werden die geltenden Vorschrif- sind, werden sie vielfach unkontrolliert eingesetzt. Und so Im Zusammenhang mit den hochgesteckten Zielen wirkung“ rasch nach oben gelangen kann: „Brandsperren“ ten eingehalten, sind auch Gebäude mit einer besonders haben sich Fassadenbrände als großes Problem des moder- im Bereich Klimaschutz wäre es sicherlich falsch, oder die Wahl einer belüfteten Fassade statt eines komplett effektiven Dämmung nicht grundsätzlich gefährlicher als nen Brandschutzes erwiesen und stellen eine Achillesferse die Anstrengungen im Bereich Wärmedämmung von hinterlüfteten Fassadensystems können hier helfen. andere“, sagt Eisenbeiss. „Allerdings gilt es einige Dinge zu für Feuerwehren dar. Gebäuden zu verringern. Allerdings ist bei der Wahl der Im Londoner Grenfell Tower wurden laut Medien- beachten. Beispielsweise ist gerade die Bauphase gefährlich, Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) sollen die Fassade Maßnahmen eine durch Sachverstand und Objektivität berichten eine brennbare Dämmung und eine hinterlüf- insbesondere wenn es sich um ein bestehendes und genütz- eines Gebäudes mit einer Art Thermohaut versehen und geprägte Abwägung von Vor- und Nachteilen gefragt, tete Fassadenbekleidung verwendet, was dazu führte, dass tes Gebäude handelt, das saniert wird.“ so übermäßigen Energieverlust verhindern. Leider hat die auch kritische Langzeitbetrachtungen und negative das Feuer rasch höher gelangte und überall brennbares Mate- Denn dann liegt die Dämmung, die später durch den man, um es salopp zu formulieren, mit diesen Maßnah- Sekundäreinflüsse berücksichtigt. rial vorfand. Das hätte zur Brandkatastrophe mit 80 Toten Verputz „geschützt“ wird, offen, bei einer Brandentstehung men den „Teufel mit Beelzebub“ ausgetrieben. Denn was Als Antwort auf die Frage, wie wirksame Wärmedäm- wesentlich beigetragen – allerdings sind die Ermittlungen im Fassadenbereich ist eine rasche Brandentwicklung und man an Heizkosten spart, wird auf der anderen Seite mit mung unter Erfüllung strenger Brandschutzanforderun- noch nicht abgeschlossen. Klar ist, dass die Behörden als -weiterleitung zu erwarten. Die Brandverhütungsstellen Brandschäden, zusätzlichen Todesfällen und einer Gefah- Fotos: BF Innsbruck, Sissi Furgler gen realisiert werden kann, lässt sich ein mehrstufiger Reaktion 600 Hochhäuser in Großbritannien mit ähnlichen sehen es als eine ihrer Aufgaben an, Bauherren und Planer renerhöhung für das Einsatzpersonal „erkauft“. Ansatz formulieren: Baumerkmalen untersuchen ließen und in 75 Fällen Mängel bei solchen Fragen zu unterstützen, so Eisenbeiss. Es gehe Wir müssen daher danach trachten, dass bei der Anbrin- ➤ Grundsatzforderung: Ausschließliche Verwendung feststellten. nicht darum, etwas zu verbieten, „sondern zu fragen, was gung von brennbaren WDVS eine strenge Qualitäts- nicht-brennbarer Dämmstoffe, Entsprechend wichtig ist also bei Dämmmaßnahmen will man erreichen, und wie kann man es auf eine Weise sicherung eingehalten wird. Dies ist vermutlich bei ➤ bei Verwendung von brennbaren Dämmstoffen auch die Sicherheit. Was man sich an Heizkosten spart, wird tun, dass die Sicherheit ungefähr gleich bleibt“. Pfusch am Bau ein frommer Wunsch. Am besten wäre Foto: Weinkirn strenge Anforderungen an die Bauausführung, sonst auf der anderen Seite mit Brandschäden, zusätzlichen Aus der Sicht des Brandschützers und der Feuerwehr die Verwendung von unbrennbaren Dämmstoffen, ➤ erweiterte Anforderungen aus Sicht von Brand- Todesfällen und einer Gefahrenerhöhung für das Einsatz- sind Dämmstoffe aus nicht brennbaren Materialien jeden- dann könnte die Achillesferse der Feuerwehr weitgehend schutzexperten. personal „erkauft“, warnt Experte Widetschek: Vor allem falls vorzuziehen, sagt Experte Buser. entschärft werden. 24 25
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