S e i April/Mai/Juni 2020 - VKZ 21196 - Kreuzbund DV Mainz

Die Seite wird erstellt Amelie Dietrich
 
WEITER LESEN
S e i April/Mai/Juni 2020 - VKZ 21196 - Kreuzbund DV Mainz
Nr. 2/2020            April/Mai/Juni   2020         ISSN 1611-7565
                                                                     VKZ 21196

                                                   nsch !
                                             ut, Me
                                 Sei        g

KREUZBUND    Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft für Suchtkranke und Angehörige
S e i April/Mai/Juni 2020 - VKZ 21196 - Kreuzbund DV Mainz
IMPULS

 Liebe Leserinnen und Leser!

„Sei gut, Mensch!”
   Würden Sie von sich sagen, dass Sie       kreise, die Flüchtlinge unterstützen. All
ein „Gutmensch“ sind? Vermutlich             diese Menschen sind bereit, Anderen Gu-
nicht. Mindestens würden die meisten         tes zu tun, sich zu engagieren und dort zu
aber sagen, dass sie versuchen, gute         helfen, wo Hilfe benötigt wird. Sie wollen
Menschen zu sein. Was aber stört dann        etwas bewegen und sind auch bereit auf
am Wort „Gutmensch“? 2015 wurde es           die Straße zu gehen, um gegen Unrecht
immerhin zum Unwort des Jahres ge-           zu protestieren oder beispielsweise für
kürt. In der Begründung der Jury hieß        eine konsequente Klimapolitik zu kämp-
es, dass mit diesem Wort Toleranz und        fen. Sie sind gute Menschen, weil sie nicht
Hilfsbereitschaft als naives, dummes         bei sich stehen bleiben, sondern ihr Han-       Dr. Peter Neher
oder weltfremdes Helfersyndrom dif-          deln am Wohl anderer ausrichten.
famiert werden. Was aber ist schlecht
und weltfremd daran, tolerant und               Dies gilt auch für die vielen, die aus ih-   haben. Es geht ihm um den Menschen,
hilfsbereit zu sein?                         rer inneren Haltung und Überzeugung             nicht um dessen Leistung.
                                             heraus einen Beruf gewählt haben, sei es
   Unsere Gesellschaft wäre eine andere      in der Kinder-, Jugend- oder Altenhilfe,            Vor diesem Hintergrund will die Kam-
ohne die sorgenden Nachbarn, die sich        im Gesundheitswesen, in der Arbeit mit          pagne dazu ermutigen, das zu leben, was
um ältere Menschen nebenan kümmern;          und für behinderte, suchtkranke oder ob-        wir von Gott her sind: gut! „Sei gut,
ohne die ehrenamtlichen Bürgermeister,       dachlose Menschen.                              Mensch!“ lädt also dazu ein, genau das
die ihr Dorf mitgestalten wollen; ohne die                                                   aktiv zu leben, was in uns Gutes angelegt
Männer und Frauen, die sich in Selbsthil-        Was also ist nun gut? „Jesus antworte-      ist, d.h. Menschen beizustehen, die Un-
fegruppen engagieren; ohne die Helfer-       te: Warum nennst du mich gut? Niemand           terstützung brauchen, ganz konkret und
                                                            ist gut außer der eine Gott.“    auch politisch. Und sich entschieden ge-
                                                            (Mk 10,18) Danach ist es         gen Hass und Ausgrenzung zu wehren.
                                                            ein göttliches Merkmal, gut      Damit setzt die Kampagne ein Zeichen
                                                            zu sein. Nicht nur mit dieser    dafür, dass wir es nicht hinnehmen, dass
                                                            Aussage stellt Jesus unsere      „gutes Handeln“ herabgesetzt und diffa-
                                                            Maßstäbe geradezu auf den        miert wird.
                                                            Kopf. Dies wird auch im
                                                            Gleichnis von den Arbeitern          Die Kampagne will aber auch deutlich
                                                            im Weinberg (Vgl. Mt 20,1-       machen, dass wir als Gesellschaft das En-
                                                            16) deutlich: Ein Gutsbesit-     gagement und die „göttliche“ Perspekti-
                                                            zer wirbt im Laufe des Tages     ve brauchen, die darauf drängen, dass
                                                            unterschiedliche     Arbeiter    der Mensch im Mittelpunkt steht. Zum
                                                            an, damit diese in seinem        Glück gibt es viele gute Menschen, die
                                                            Weinberg arbeiten. Unab-         genau das verkörpern und leben. Gerade
                                                            hängig davon wie lange sie       vielfältige Gesellschaften wie unsere sind
                                                            gearbeitet haben, erhalten       darauf angewiesen, dass Menschen be-
                                                            am Abend alle den gleichen       reit sind, Verantwortung zu übernehmen
                                                            Lohn. Was in unserem Emp-        und tatkräftige Antworten auf die Frage
                                                            finden ungerecht wirken          geben, wie wir zusammenleben wollen –
                                                            mag, macht deutlich, dass        sei es in ihrer Freizeit oder in ihrem Beruf.
                                                            Gott zu allen Menschen gut       Nicht zuletzt deshalb dürfen wir es uns
                                                            sein will – unabhängig da-       nicht nehmen lassen, gute Menschen zu
                                                            von, ob einer nun das Glück      sein – und das Gutsein schon gar nicht
                                                            hatte, bei den ersten zu sein    schlecht reden zu lassen.
                                                            oder das Pech, erst am Ende
                                                            des Tages die Chance auf          Dr. Peter Neher, Präsident des Deutschen
                                                            eine Arbeit bekommen zu                                   Caritasverbandes
S e i April/Mai/Juni 2020 - VKZ 21196 - Kreuzbund DV Mainz
Zu dieser                                                        Z U D I E S E R A U S G A B E / I N H A LT

Ausgabe
                      Liebe Leserin, lieber Leser,

                       unsere demokratische Gesellschaft
                                                              Aus dem Inhalt                                    Seite
                       braucht das Engagement ihrer Bür-
                       gerinnen und Bürger, die sich in
                       guter Absicht für Andere einsetzen,
                                                              IMPULS	                                             U2
                       Probleme wahrnehmen, anpacken
                       und um menschenwürdige politi-
                       sche Lösungen ringen. Viele Hun-
                       derttausende engagieren sich ehren-    ZU DIESER AUSGABE                                    1
                       amtlich in der Altenhilfe, begleiten
Geflüchtete bei Behördengängen oder investieren ihre Zeit
in Bürgerinitiativen oder in der Selbsthilfe.
                                                              AUS DEM BUNDESVERBAND                               2-5
Dass diese Hilfe auf Unverständnis und Ablehnung stoßen
kann, haben die Debatten der vergangenen Jahre gezeigt.            Unsere Botschaft verständlich und
Menschen wurden als „Gutmenschen“ bezeichnet, um                    unterhaltsam verpacken
ihre Überzeugungen und ihr Handeln als naiv und welt-
fremd zu diffamieren. 2015 wurde „Gutmensch“ sogar                 Zur Veränderung motivieren
zum Unwort des Jahres.
                                                                   Kandidaturen für den Bundesvorstand
Einen deutlichen Akzent dagegen setzt der Deutsche Cari-
tasverband (DCV) mit seiner diesjährigen Kampagne „Sei
                                                                   Der Kreuzbund-Chat ist online
gut, Mensch!“. Wer Anderen Gutes tut und sein Handeln
auf das Gemeinwohl ausrichtet, darf nicht verunglimpft
werden. Helfen und solidarisch sein darf nicht zum Vorwurf
werden, fordert der DCV. „Deshalb müssen wir Menschen,        IM BLICKPUNKT:
die bereit sind Gutes zu tun, ermutigen und ihnen verstärkt
unsere Anerkennung aussprechen,“ so Dr. Peter Neher,          „SEI GUT, MENSCH!“                                 6-15
Präsident des DCV. Für den Zusammenhalt in der Gesell-
schaft braucht es dringend „Gutmenschen“, die Verant-              Ehrenamt muss auch Spaß machen
wortung für die Nächsten und die Gemeinschaft überneh-
men. Über die Hintergründe und Forderungen der Caritas-            Viele Facetten des Ehrenamtes
Kampagne haben wir mit Teresa Wieland gesprochen,
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des DCV in        Unverzichtbares ehrenamtliches Engagement
Berlin. (S. 6-7)
                                                                   Das Netz, das die Gesellschaft zusammenhält
Die meisten Menschen haben eine natürliche Neigung zu
helfen, sagt Dr. Stefan Klein, Physiker, Philosoph und Wis-        Ehrenamt schafft zwischenmenschliche
senschaftsautor. Anderen zu helfen aktiviert das Beloh-             Verbindungen
nungssystem im Gehirn. In seinem Buch „Der Sinn des
Gebens“ schreibt er, dass den Altruisten die Zukunft ge-           Warum engagiere ich mich im Kreuzbund?
hört. (S. 10-11) Über die Besonderheiten des ehrenamt­
lichen Engagements in der Sucht-Selbsthilfe spricht Jürgen         Wie Nächstenliebe Gesellschaften gestalten
Naundorff, Mitglied der erweiterten Geschäftsführung des            kann
Blauen Kreuzes in Deutschland (S.12-13) Und selbstver-
ständlich haben wir auch zwei Funktionstragende im
Kreuzbund, Marianne Leitsch und Michael Hülsen, gefragt,
warum sie sich für unseren Verband engagieren. (S.14-15)      HOBBY + FREIZEIT                                  16-17

Auf der nächsten Bundesdelegiertenversammlung wird ein
neuer Bundesvorstand gewählt, wir stellen Ihnen die Kan-
didatin und die Kandidaten vor. (S.4) Auch die Leitungen      PERSÖNLICHE GESCHICHTEN	                            18
der Arbeitsbereiche und die Mitglieder der Finanzkommis-
sion werden gewählt.
                                                              AUS DEN DIÖZESANVERBÄNDEN                         19-24
Über die Aktivitäten der Kreuzbund-Untergliederungen le-
sen Sie in der Rubrik „Aus den Diözesanverbänden“. Und
Neuigkeiten rund um das Thema „Sucht“ gibt es unter
„Passiert – Notiert“.                                         PASSIERT – NOTIERT                                25-32
Viele gute Lesemomente, neue Erkenntnisse und ein frohes
Osterfest wünscht Ihnen
                                                              TERMINVORSCHAU / IMPRESSUM                          U3
Ihre Gunhild Ahmann
S e i April/Mai/Juni 2020 - VKZ 21196 - Kreuzbund DV Mainz
AUS DEM BUNDESVERBAND

Unsere Botschaft verständlich und
unterhaltsam verpacken
W      ie die Kreuzbund-Gruppen Kontak-
       te zu Rundfunksendern herstellen
können und welche Anforderungen sich
daraus für die Öffentlichkeitsarbeit erge-
ben, haben die 20 Teilnehmenden des
Bundesseminars „Wir sind auf Sendung –
Der Kreuzbund in Funk und Fernsehen“
vom 14. bis 16. Februar 2020 in Köln dis-
kutiert. Die Leitung des Seminars hatten
Peter Kirianczyk (siehe Foto unten rechts),
freiberuflicher Videojournalist aus Hal-
tern, und Gunhild Ahmann, Referentin
für Öffentlichkeitsarbeit des Kreuzbund-
Bundesverbandes und nebenberufliche
Rundfunkredakteurin.

   Zuerst berichteten die Teilnehmenden
von ihren bisherigen Erfahrungen mit Ra-         Das Sportschau-Studio war Teil der Besichtigung des WDR-Funkhauses in Köln
dio und Fernsehen, die sich teilweise auf
die Nutzung beschränkten. Am Samstag-
morgen stellte Gunhild Ahmann dann in               det. Es gilt das Gebot der Staatsferne        2.	Staatlich und aus Steuergeldern finan-
einem Grundlagenvortrag das Rundfunk-               und der politischen und wirtschaftli-             ziert werden die Deutsche Welle
system in Deutschland, seine Entstehung             chen Unabhängigkeit. Der Grundver-                (deutschsprachiger Sender für das
und Entwicklung vor. Es gibt drei Organi-           sorgungsauftrag umfasst die Säulen                Ausland) und der Deutschlandfunk.
sationsformen des Rundfunks:                        Information, Bildung, Kultur und Un-
                                                    terhaltung. Der öffentlich-rechtliche         3.	Privatrechtlichen Rundfunk gibt es seit
1.	
   Der öffentlich-rechtliche Rundfunk               Rundfunk finanziert sich über Rund-               1984 mit dem Sendestart von RTL und
   wurde nach dem 2. Weltkrieg von den              funkbeiträge.                                     Sat1. Sie finanzieren sich ausschließ-
   alliierten Besatzungsmächten gegrün-                                                               lich über Werbung.

                                                                                                     Im nächsten Schritt haben wir die we-
                                                                                                  sentlichen Unterschiede zwischen den
                                                                                                  Printmedien und Hörfunk bzw. Fernse-
                                                                                                  hen erarbeitet. So begegnen Fernsehzu-
                                                                                                  schauer Menschen mit Bild und Stimme,
                                                                                                  einschließlich Mimik und Gestik. Im Ge-
                                                                                                  gensatz zum Lesen können sie das Tempo
                                                                                                  der Informationsaufnahme nicht selbst
                                                                                                  bestimmen und müssen der Geschwin-
                                                                                                  digkeit folgen, mit der Text und Bild ver-
                                                                                                  mittelt werden. Auch haben Fernsehzu-
                                                                                                  schauer keinen Überblick über den ge-
                                                                                                  samten Beitrag, sind also abhängig von
                                                                                                  der Sendezeit.

                                                                                                     Was bedeutet das jetzt für unsere
                                                                                                  Öffentlichkeitsarbeit im Rundfunk? Wir
                                                                                                  brauchen einen „Aufhänger“, einen
                                                                                                  Anknüpfungspunkt, der den Anlass für
Interwiew-Training mit Stehtisch, Mikrofon und Kamera                                             den gewünschten Beitrag liefert, z.B. die

2	                                                                                                                WEGGEFÄHRTE        2/2020
S e i April/Mai/Juni 2020 - VKZ 21196 - Kreuzbund DV Mainz
AUS DEM BUNDESVERBAND

„Aktionswoche Alkohol“, der neue Dro-       August 2020 an der Rheinkniebrücke in        Seminarleitung und die Teilnehmenden
genbericht der Bundesregierung, das so-     Düsseldorf von 11 bis 22 Uhr das erste       mitgebracht hatten. Am Sonntagmorgen
genannte Komasaufen u.Ä. Grundsätzlich      alkoholfreie Open-Air-Festival in Deutsch-   schlossen wir das Seminar mit einem klei-
gilt: Wenn wir uns an einen Sender wen-     land.                                        nen Interviewtraining ab. Auf alle mögli-
den, sollte das immer im Zusammenhang                                                    chen Fragen rund um die Themen
mit einem konkreten Thema stehen. Da-          Am Samstagnachmittag stand eine ca.       „Sucht“ und „Sucht-Selbsthilfe“ galt es,
bei sind möglichst aktuelle Zahlen mitzu-   zweistündige Führung durch das WDR-          verständliche und prägnante Antworten
liefern, die man im „Jahrbuch Sucht“        Funkhaus in Köln auf dem Programm.           zu finden. Und das vor der Kamera von
oder auf der Internetseite der Deutschen    Dabei erfuhren wir u.a., dass der WDR als    Peter Kirianczyk…
Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS)      größte Landesrundfunkanstalt über 4000
findet.                                     Mitarbeitende hat und ca. 25 Prozent des        Es war übrigens sehr angenehm, dass
                                            Programms für „Das Erste“ produziert.        niemand das „obligatorische Eisessen“
   Anschlleßend haben die Teilnehmen-       Neben den Studios für verschiedene Sen-      am Samstagabend vermisst hat….Der
den in Kleingruppen eine möglichst öf-      dungen erhielten wir auch interessante       Spaziergang zum Kölner Dom und über
fentlichkeitswirksame Veranstaltung ent-    Einblicke in das Hörspielstudio.             die Hohenzollernbrücke auf die andere
wickelt. Norbert Werner und Klaus Kuh-                                                   Rheinseite war viel schöner!
len aus Düsseldorf konnten dabei eine          Am Freitag- und Samstagabend haben
Idee präsentieren, die sie bereits umset-   wir uns mehrere Fernseh- und Radiobei-                                Gunhild Ahmann,
zen: Sie organisieren am Samstag, 15.       träge angesehen und angehört, die die                Referentin für Öffentlichkeitsarbeit

Zur Veränderung motivieren
S  o lautete das Thema der Multiplikato-
   ren-Tagung „Junger Kreuzbund“ vom
14. bis 16. Februar 2020 in Hamburg. 16
Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
hatten sich zur jährlichen Tagung im St.
Ansgar-Haus zusammengefunden.

    Die Teilnehmenden haben sich zu mo-
tivierenden Gesprächstechniken und Hal-
tungen informiert und gemeinsam deren
Relevanz für den Arbeitsbereich der jun-
gen Selbsthilfe überprüft.

   In Übungen zu dritt oder zu viert
konnten Techniken des verstehenden Zu-
hörens ausprobiert werden; Abwägungs-
prozesse (Pro- und Contra-Argumente)
sollten den „Hilfesuchenden“ in einer
möglichst zieloffenen und akzeptieren-
den Atmosphäre unterstützen; Ermuti-
gung und Zuversicht sollte das Selbstver-
trauen und die Veränderungsmotivation
des vielleicht noch zweifelnden oder zö-
gerlichen „Hilfesuchenden“ stärken.         gige oft überfordert fühlen, sich für den    tierten Haltung. Manche – besonders
                                            Rest ihres Lebens einer umfassenden          junge – Gruppen funktionieren sehr gut
   Menschen ohne gefestigte Abstinenz-      Suchtmittelabstinenz zu verschreiben.        suchtbegleitend, wenn auch oft zu dem
motivation mit einer akzeptierenden                                                      Preis einer erhöhten Fluktuation der Mit-
zieloffenen Haltung zu begegnen, ist für       Eine Gruppe braucht hinsichtlich ihrer    glieder. Wie gut das viele Wege nach Rom
Gruppen eine nicht immer zu stemmen-        Ziele und Haltungen eine weitgehend          führen.
de Herausforderung. Viele junge Grup-       gemeinsame Übereinkunft, um zu funkti-
pen funktionieren jedoch bereits nach       onieren. Die meisten Gruppen arbeiten          Marianne Holthaus, Suchtreferentin des
diesem Prinzip, zumal sich junge Abhän-     erfolgreich mit einer klar abstinenzorien-              Kreuzbund-Bundesverbandes

WEGGEFÄHRTE        2/2020	                                                                                                        3
S e i April/Mai/Juni 2020 - VKZ 21196 - Kreuzbund DV Mainz
AUS DEM BUNDESVERBAND

Kandidaturen für den Bundesvorstand
Auf der nächsten Bundesdelegiertenversammlung wird der neue Bundesvorstand des Kreuzbundes gewählt. Er besteht aus
fünf Personen: Ein(e) Bundesvorsitzende(r), drei stellvertretende Bundesvorsitzende und dem Geistlichen Beirat, der von der
Bischofskonferenz ernannt und deshalb nicht gewählt wird. Er ist gleichzeitig Leiter des Arbeitsbereichs „Seelsorge“. Hier
werden die Personen vorgestellt, die bis jetzt für den Bundesvorstand kandidieren. Weitere Kandidaten können sich noch bis
zur Wahl melden.

Außerdem werden auf der Bundesdelegiertenversammlung die Arbeitsbereichsleitungen und die Finanzkommission gewählt.
Die neuen Arbeitsbereichsleitungen werden in der nächsten Ausgabe des WEGGEFÄHRTE ihre Pläne und Ziele für die kom-
menden drei Jahre erläutern.

                               Andrea Stollfuß                                Wohnort: Bonn
                                                                              Diözesanverband: Köln e.V.
                               Jahrgang: 1957                                 im Kreuzbund seit: 2000
                               Beruf/Tätigkeit: Krankenschwester-             Angestrebte Funktion:
                               Intensiv und Anästhesie a. D.                  Bundesvorsitzende

                               Rüdiger Blomeyer                              Wohnort: Osnabrück
                                                                             Diözesanverband: Osnabrück e.V.
                               Jahrgang: 1965                                im Kreuzbund seit: 2004
                               Beruf/Tätigkeit:                              Angestrebte Funktion:
                               Verwaltungsangestellter im Bischöflichen      Stellvertretender Bundesvorsitzender
                               Generalvikariat Osnabrück

                               Gerhard Iser                                   Wohnort: Heppenheim / Bergstraße
                                                                              Diözesanverband: Mainz
                               Jahrgang: 1962                                 im Kreuzbund seit: 1999
                               Beruf/Tätigkeit: Angestellter bei einem        Angestrebte Funktion:
                               Maschinenbauverband, dort zuständig für        Stellvertretender Bundesvorsitzender
                               Statistik und das Erstellen von grafischen
                               Aufbereitungen der Zahlen

                               Franz E. Kellermann                            Wohnort: München
                                                                              Diözesanverband: München u. Freising
                               Jahrgang: 1953                                 im Kreuzbund seit: 2003
                               Beruf/Tätigkeit: Versicherungskaufmann         Angestrebte Funktion:
                                                                              Stellvertretender Bundesvorsitzender

4	                                                                                                WEGGEFÄHRTE       2/2020
S e i April/Mai/Juni 2020 - VKZ 21196 - Kreuzbund DV Mainz
AUS DEM BUNDESVERBAND

Zur jährlichen Sitzung trafen sich am 29. Februar 2020 die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Diozesanverbände in der Bundesgeschäftsstelle
in Hamm. In einem regen Austausch über viele organisatorische und inhaltliche Themen wurden Arbeitsabläufe miteinander abgestimmt und Vorhaben
vorgestellt.

Der Kreuzbund-Chat ist online
A    m 11. Februar 2020 hat der Kreuz-
     bund-Chat seine Testphase beendet
und den öffentlichen Betrieb gestartet.
                                                     Dazu kommen teilweise noch beste-
                                                  hende Probleme bei der Registrierung
                                                  und beim technischen Ablauf des Chats –
                                                                                                     stützen und Hilfen bieten können, dass
                                                                                                     sie ihren Weg finden!

Wie zu erwarten, war die Beteiligung der          aber das sind Dinge, die sich beheben                 In den nächsten Wochen werden wir
Kreuzbund-Mitglieder sehr rege, alle wa-          lassen.                                            daran arbeiten, den Chat auch außerhalb
ren neugierig. Die gute Nachricht ist: Es                                                            des Kreuzbundes bekannter zu machen.
läuft gut! Allerdings hat sich nach dem              Trotzdem ist die Gesamtbilanz sehr              Damit erreichen wir auch jüngere Leute,
ersten Ansturm das Interesse etwas ge-            positiv. Es gab immer gute und anregen-            die sich orientieren wollen und Hilfe su-
legt. Bis auf einige treue Stammteilneh-          de Gespräche, auch wenn nur wenige                 chen. Und die können wir leisten!
mende haben wohl viele Gruppenmit-                Teilnehmende, sprich „der harte Kern“
glieder wenig Interesse, sich zusätzlich zu       anwesend waren, die Teilnahme am                     Alle Weggefährten, die sich beteiligen
ihrer Gruppe vor Ort noch online auszu-           Chat hat sich immer gelohnt, genau wie             möchten, sind herzlich willkommen, und
tauschen.                                         die Teilnahme am Gruppenabend vor                  zwar montags und dienstags von 19 bis 20
                                                  Ort.                                               Uhr und donnerstags von 11 bis 12 Uhr.
   Aus den Rückmeldungen der Grup-
pen, die bei mir angekommen sind, habe               Es gab auch tatsächlich schon Teilneh-             Ich bin überzeugt, dass dieses Projekt
ich den Eindruck gewonnen, die Haltung            mende „von außen“, einige von ihnen                ein Erfolg wird, die Erfahrungen der ers-
vieler Weggefährten beschränkt sich auf           sind jetzt auch regelmäßig dabei, was ich          ten Wochen stimmen mich optimistisch!
passive Zustimmung: „Ist ja ganz gut,             äußerst erfreulich finde. Damit steht auf
aber nichts für mich, brauche ich nicht,          jeden Fall fest, dass wir auch online die                                      Marie Bischoff,
interessiert mich nicht.“                         Betroffenen und Angehörigen gut unter-                      Steuerungsgruppe Kreuzbund-Chat

WEGGEFÄHRTE           2/2020	                                                                                                                     5
S e i April/Mai/Juni 2020 - VKZ 21196 - Kreuzbund DV Mainz
Nr. 2/2020            April/Mai/Juni   2020          ISSN 1611-7565
                                                                                                                                                                        VKZ 21196

       IM BLICKPUNKT

                                                                                                                                            Mensch!
                                                                                                                                         t,
                                                                                                                                   Sei gu

      Ehrenamt muss auch
      Spaß machen
     F   ür den Deutschen Caritasverband
         (DCV) ist ehrenamtlicher Einsatz
      enorm wichtig. Die Zahlen sind beein-
      druckend: 2016 hatte der Deutsche
      Caritasverband 340.000 ehrenamtliche
      Mitarbeitende und rund 659.000
      hauptamtliche Mitarbeitende. Das ent-
      spricht 14 Ehrenamtlichen pro Einrich-
      tung. Sie leisten rund 24 Millionen                                                         KREUZBUND    Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft für Suchtkranke und Angehörige

      Stunden ehrenamtliche Arbeit. Hinzu
      kommen noch rund 10.000 Menschen
      in den Bundesfreiwilligendiensten der
      Caritas. Dieses Engagement sollte ent-                                                    wortung zu übernehmen und sich für ein
      sprechend gewürdigt werden, Men-           Theresa Wieland                                gutes Miteinander einzusetzen, sei es im
        schen zum Ehrenamt ermutigt wer-                                                        Beruf oder im Ehrenamt. Wir leben in ei-
IM          den. Gunhild Ahmann hat sich mit         2015 war der Begriff „Gutmensch“           ner offenen und vielfältigen Gesellschaft,
              Teresa Wieland, Referentin für     das Unwort des Jahres, er wurde aber           die jeder mitgestalten kann – und das soll-
               Presse- und Öffentlichkeitsar-    schon Ende der 90er-Jahre herabwürdi-          ten möglichst viele Menschen auch tun,
     BL

                beit beim DCV in Berlin, über    gend gebraucht. Die negative Verwen-           denn wir bewirken nur etwas, wenn wir
     ICKPUN

                die Caritas-Kampagne 2020        dung des Begriffs gibt es also schon län-      zusammen aktiv werden und damit auch
                unterhalten.                     ger. Die Flüchtlingssituation im Jahr 2015     die Politik auffordern, aktiv zu werden.
                                                 war dann jedoch der Auslöser, Toleranz
               WEGGEFÄHRTE: Wie ist es zu        und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv        Die Zahl der Menschen, die sich ehrenamt-
KT
              der Caritas-Kampagne „Sei gut,     und dumm darzustellen und eine helfen-         lich engagieren steigt. Fast 44 Prozent der
            Mensch!“ gekommen? Was ist der       de Haltung schlechtzureden. Zu Beginn          deutschen Wohnbevölkerung im Alter ab
          Hintergrund, und was ist die Absicht   kam diese Darstellung vielleicht aus dem       14 Jahren engagieren sich freiwillig (Frei-
      des DCV?                                   rechten politischen Spektrum. Allerdings       willigensurvey 2014 des Bundesfamilien-
                                                 ist diese bestimmte Begriffsdeutung ir-        ministeriums). Im Jahr 1999 waren es nur
      Teresa Wieland: In einer demokrati-        gendwann in den allgemeinen Sprachge-          34 Prozent. Wie erklären Sie sich diesen
      schen Gesellschaft stärkt das Engage-      brauch übergegangen – und das kann             Zuwachs?
      ment von Bürgerinnen und Bürgern den       und will die Caritas nicht hinnehmen und
      gesellschaftlichen Zusammenhalt und        stehenlassen.                                  Der Freiwilligensurvey wird tatsächlich nur
      ist deswegen von großer Bedeutung. Es                                                     alle fünf Jahre durchgeführt, die Zahlen
      ist eine ureigene Aufgabe der Caritas,     Wie können wir dieser negativen Bewer-         sind allerdings kritisch zu sehen, denn die
      sich für eine solidarische und demokra-    tung begegnen und Menschen, die Gutes          Fragestellungen und die Erhebungsme-
      tische Gesellschaft einzusetzen, in der    tun, ermutigen? Was setzt der Caritasver-      thoden haben sich zwischenzeitlich geän-
      freiwilliges Engagement auch wertge-       band dem entgegen?                             dert – die Definition des freiwilligen Enga-
      schätzt wird. Anderen Menschen zu hel-                                                    gements wurde weiter gefasst. Ein weite-
      fen darf nicht zum Vorwurf werden. Wir     Wir möchten grundsätzlich alle Menschen        rer Punkt: Diese Zahlen berücksichtigen
      wollen mit der Kampagne allen, die sich    einladen, aktiv zu werden und etwas Gu-        noch gar nicht das gesamte Engagement
      engagieren, den Rücken stärken. Wir        tes zu tun – und dafür braucht es gar nicht    für Geflüchtete und für den Klimaschutz,
      fordern alle dazu auf, im Sinne einer      so viel, denn es gibt viele unterschiedliche   das in den vergangenen Jahren entstan-
      christlichen Perspektive den Nächsten      Formen des Engagements, z.B. für Kinder,       den ist.
      in den Blick zu nehmen.                    ältere Menschen oder auf der politischen
                                                 Ebene. Allen, die sich freiwillig engagie-        Auf jeden Fall sind grundsätzlich viele
      Seit wann wird der Begriff „Gutmensch“     ren, möchten wir Rückhalt geben und ih-        Menschen bereit sich zu engagieren, das
      herabwürdigend gebraucht? Wie ist es Ih-   nen das Gefühl vermitteln, dass sie das        hat mehrere Gründe: Die Generation der
      rer Meinung nach dazu gekommen? Von        Richtige tun. Sie sollen spüren und erle-      Babyboomer geht inzwischen in Rente,
      welchen Gruppen und Organisationen         ben, dass sie richtig handeln. In unserer      und das sind gesundheitlich fitte und
      geht das aus, und was ist ihr Ziel?        Gesellschaft ist jeder aufgefordert, Verant-   auch gebildete Menschen, die häufig kei-

      6                                                                                                         WEGGEFÄHRTE                           2/2020
S e i April/Mai/Juni 2020 - VKZ 21196 - Kreuzbund DV Mainz
S E I G U T, M E N S C H !

ne finanziellen Sorgen haben. Hier gibt es    gen damit für eine eigene Dynamik. Sie         zu verändern und es einfacher und attrak-
ein großes Potenzial für bürgerschaftliches   wollen etwas bewegen. Wichtig ist dabei,       tiver zu machen, sich dafür einzusetzen.
Engagement.                                   dass sie sich auch ernst genommen füh-         Jeder soll etwas finden, für das er sich ein-
                                              len, ansonsten empfinden sie ihre ehren-       setzen kann. Von daher fordern wir Barrie-
   Wir können feststellen, dass das bür-      amtliche Tätigkeit nicht als erfüllend.        refreiheit, und zwar nicht nur im konkre-
gerschaftliche Engagement insgesamt                                                          ten Sinn, sondern auch sprachlich und
bunter und vielfältiger geworden ist. Die     Den höchsten Anteil freiwillig Engagierter     gedanklich. Denn es soll z.B. auch Mig-
Menschen passen es an ihre jeweilige Le-      finden wir in den Bereichen Sport und Be-      ranten möglich sein, sich zu engagieren –
bensrealität bzw. ihre Lebensentwürfe an.     wegung, gefolgt von Schule und Kinder-         trotz sprachlicher Hürden. Ehrenamtliche
Es gibt immer mehr temporäre Formen           garten sowie Kultur und Musik. Warum ist       wirken häufig wie Multiplikatoren, indem
des Engagements, die zu den Interessen        es so schwierig, Menschen zum Engage-          sie auch andere dazu bewegen und ihnen
der Menschen, zu den Themen, die sie          ment für die Sucht-Selbsthilfe zu bewegen?     dabei helfen aktiv zu werden.
bewegen, und zum jeweiligen Zeitpunkt         Und wie könnte der Kreuzbund dazu moti-
in ihre Lebenswelt passen. Dass sich je-      vieren?                                           Das Ehrenamt trägt auch dazu bei, an-
mand jahrzehntelang für einen Verein eh-                                                     dere Menschen zu verstehen – ihre Denk-
renamtlich einsetzt, wird dagegen immer       Bei der Suchtkrankheit spielt sicherlich die   und Verhaltensweisen, d.h. es erhöht die
seltener. Ursache dafür ist auch die zuneh-   Scham eine Rolle, hier ist noch viel Über-     Möglichkeiten, aus der eigenen „Filter­
mende berufliche Mobilität der Men-           zeugungsarbeit zu leisten, um die Sucht        blase“ herauszukommen. Es erweitert den
schen.                                        zu entstigmatisieren. Wichtig ist es sicher,   Horizont, auch mal die eigene „Komfort-
                                              dass sich suchtkranke Menschen darüber         zone“ zu verlassen und andere Menschen
Wie wichtig ist ehrenamtlicher Einsatz für    klarwerden, dass ihre Sucht sie zu dem         und ihre Lebenswirklichkeiten kennenzu-
die Gesellschaft? Warum brauchen wir frei-    Menschen gemacht hat, der sie jetzt sind.      lernen.
williges Engagement?                          Aus dem eigenen Erleben heraus und auf-
                                              grund der eigenen Erfahrungen ist das          Welche Rahmenbedingungen sind                        KT

                                                                                                                                         ICKPUN
Das Ehrenamt ist ganz wichtig für den Zu-     Verständnis für andere suchtkranke Men-        wichtig, um das Ehrenamt zu
sammenhalt in der Gesellschaft. Ehren-        schen ein anderes als bei professionellen      fördern? Wie kann die Politik
amtliche werden mit ihren Fähigkeiten,        Helfern bzw. Suchtberatern. Es gibt aber       das Ehrenamt schützen und
Kenntnissen und Erfahrungen anders aktiv      sicherlich auch Phasen, wo sie sich einge-     unterstützen?
als hauptamtliche Mitarbeiter. Sie bringen    stehen sollten, dass sie momentan ande-

                                                                                                                                       L
andere Interessen und Talente ein und sor-    ren nicht helfen können, um sich selbst zu     Die Caritas hat einige sozialpoli-

                                                                                                                                     B
                                                            schützen. Auch bei dem           tische Forderungen, manchmal                         IM
                                                            sehr ernsten Thema Sucht         genügen aber auch schon kleine
                                                            sollte das Ehrenamt nicht        Stellschrauben. Z.B. sollten engagier-
                                                            belasten, sondern Freude         te Menschen kostenlos den ÖPNV nutzen
                                                            bereiten – und das transpor-     können. Bei Hartz IV-Empfängern sollte
                                                            tieren die Ehrenamtlichen        die Aufwandsentschädigung nicht auf ihre
                                                            dann auch nach außen.            Leistungen angerechnet werden, denn
                                                                                             das Ehrenamt ist ja auch eine Form von
                                                            Personen mit hoher Bildung       Teilhabe an der Gesellschaft. Insgesamt
                                                            engagieren sich zu einem         darf sich das Ehrenamt nicht negativ aus-
                                                            höheren Anteil, Menschen         wirken, sondern es soll positiv erlebt wer-
                                                            auf dem Land mehr als in         den. Die Politik sollte hier entsprechende
                                                            städtischen Gebieten und         Signale setzen. Außerdem erwerben Eh-
                                                            Menschen aus Westdeutsch-        renamtliche viele Kompetenzen, das sollte
                                                            land mehr als in Ostdeutsch-     in der Ausbildung und im Studium auch
                                                            land, Menschen ohne Migra-       anerkannt werden.
                                                            tionshintergrund mehr als
                                                            Menschen mit Migrations-         Weitere Informationen:
                                                            hintergrund. Müssen wir das      Deutscher Caritasverband e.V.
                                                            so hinnehmen? Oder sollte        Kommunikation und Medien
                                                            man diese Tendenz aufhal-        Teresa Wieland, Referentin für Presse- und
                                                            ten – für den Zusammenhalt       Öffentlichkeitsarbeit
                                                            in der Gesellschaft? Wie         Reinhardtstr. 13, 10117 Berlin
                                                            könnte das gehen?                Tel. 030 / 28 444-784
                                                                                             Fax 030 / 28 444-755
                                                            Die Caritas hat immer den        E-Mail: teresa.wieland@caritas.de
                                                            Anspruch, die Gesellschaft       www.caritas.de

WEGGEFÄHRTE         2/2020	                                                                                                             7
S e i April/Mai/Juni 2020 - VKZ 21196 - Kreuzbund DV Mainz
IM BLICKPUNKT

      Viele Facetten des Ehrenamtes
      J eder will eigentlich ein guter Mensch
        sein. Aber hinter der Aufforderung
      „Sei gut, Mensch!” steckt eine politi-
                                                                                                  besserung der Löhne und der Arbeitsbe-
                                                                                                  dingungen in der Pflege zum Beispiel.

      sche Botschaft. Sie ist eine Reaktion                                                          Andere sind kleine Änderungen, die
      auf gesellschaftliche Entwicklungen,                                                        einen bedeutenden Unterschied machen
      die uns nicht gleichgültig sind. Wenn                                                       würden. Hartz IV-Empfängerinnen und
      beispielsweise ehrenamtliche Bürger-                                                        -Empfängern sollte zum Beispiel die Auf-
      meisterinnen und Bürgermeister zu-                                                          wandsentschädigung, die sie möglicher-
      rücktreten, weil sie immer häufiger mit                                                     weise für ein freiwilliges Engagement er-
      Stalking und Beschimpfungen bedroht                                                         halten, im SGB II und im SGB XII nicht als
      werden und die Zahl rechtsextremer                                                          Erwerbseinnahme angerechnet werden.
      Gewalttaten zunimmt, sehe ich dies
      mit Sorge.                                                                                      Wichtig sind hierbei auch die Freiwilli-
                                                                                                  gendienste. Alle, die einen freiwilligen
          Wir wissen, dass freiwilliges und beruf-   Dr. Peter Neher                              Dienst leisten wollen, sollten das auch tun
      liches Engagement für den Zusammen-                                                         können. Dazu aber müssen die Mittel be-
      halt einer Gesellschaft eine wesentliche                                                    reitgestellt werden. Warum ihnen nicht
         Grundlage ist und diesen gleichzeitig       nung einer Demo; für einen Ausflug mit       auch kostenlose ÖPNV-Fahrten ermögli-
IM          befördert. Gesellschaftlicher Zu-        einer geflüchteten Familie. Man kann sich    chen? Eine relativ niederschwellige Forde-
               sammenhalt ist auf das solidari-      auch engagieren und Anderen helfen,          rung, die in den sozialen Netzwerken un-
                 sche Handeln eines Jeden ange-      wenn man selbst Hilfe erfahren hat, wenn     ter dem Hashtag „Freie Fahrt für Freiwilli-
     BL

                  wiesen: Umsorgende Nach-           man nur wenig deutsch spricht oder           ge“ Karriere macht. Für die Engagierten
     ICKPUN

                   barn, junge Frauen und Män-       wenn man eine Behinderung hat.               wäre das ein willkommenes Zeichen der
                   ner im Freiwilligendienst,                                                     Anerkennung. Oder eine Anrechnung auf
                   Menschen, die Berufe wie Pfle-       Die Gesellschaft und insbesondere         Studienvoraussetzungen und ein einheit-
                  ger, Sozialarbeiter oder Men-      auch wir Wohlfahrtsverbände sind auf         liches Taschengeld von 400 € monatlich?
KT
                schenrechtsanwalt wählen und         diese verschiedenen Formen von Engage-       Die Beschlüsse dazu wären jedenfalls hilf-
              mit Begeisterung ausüben, Trainer      ment angewiesen. Laut einer Erhebung         reicher als die Debatte um einen Pflicht-
           im Sportverein, Jugendliche, die frei-    zum Thema „Ehrenamt bei der Caritas“,        dienst.
      tags auf der Straße ihr Recht auf einen        die im Jahr 2018 durchgeführt wurde,
      zukunftsfähigen Planeten einfordern –          ging in den Jahren zuvor beinahe 50 Pro-        In puncto Ermutigung und Anerken-
      alle diese Menschen handeln solidarisch,       zent der von uns geleisteten Arbeit im       nung müssen auch wir besser werden.
      sie zeigen: Die Anderen sind mir nicht         Bereich Migration auf Ehrenamtliche zu-      Indem wir den Zugang zum Engagement
      egal. Und sie übernehmen Verantwor-            rück. Im Bereich Hospiz war es rund ein      vereinfachen, zum Beispiel über digitale
      tung für ein gutes Miteinander.                Drittel. Etwa 340.000 Menschen enga-         Angebote. Der Caritasverband der Diöze-
                                                     gieren sich ehrenamtlich bei der Caritas.    se Osnabrück zeigt mit seiner „Anpacker-
          Meine kurze Aufzählung hat keinen          Ohne diese Menschen wäre unsere Arbeit       App“, wie das gehen kann. Wir müssen
      Anspruch auf Vollständigkeit. Denn, und        nicht zu bewältigen.                         Wege finden, um mehr junge Menschen
      das ist eine wichtige Botschaft unserer                                                     und mehr Menschen mit Migrationshin-
      Kampagne, Engagement kann viele For-              Engagierte verdienen Ermutigung und       tergrund für ein Engagement bei uns zu
      men annehmen. Die pensionierte Lehre-          Anerkennung. Das gilt für Ehrenamtliche      gewinnen. Und wir müssen unsere Ehren-
      rin, die einmal in der Woche benachtei-        genauso wie für Menschen, die sich für       amtlichen besser begleiten. Sie leisten un-
      ligten Kindern Nachhilfeunterricht gibt,       Berufe entscheiden, bei denen die Ande-      heimlich viel – ihr Einsatz fordert aber
      oder der Kollege, der sich in der kommu-       ren im Mittelpunkt stehen. Hier komme        auch sehr viel von ihnen ab. Wir dürfen sie
      nalen Flüchtlingshilfe engagiert, sind ver-    ich zur ersten politischen Dimension unse-   damit nicht alleine lassen.
      mutlich Bilder, die manchen von uns in         rer Kampagne: Wir wollen, dass die Rah-
      den Sinn kommen, wenn wir an ein Eh-           menbedingungen für freiwilliges Engage-         Aber müssen wir ausgerechnet mit
      renamt denken. Aber freiwilliges Engage-       ment und für die Menschen, die soziale       dem Begriff „Gutmensch“ für diese Bot-
      ment geht auch, wenn man wenig Zeit            Verantwortung übernehmen und entspre-        schaften und Forderungen werben? Das
      zur Verfügung hat oder ein wenig plan-         chende Tätigkeiten ausüben, verbessert       geht ja gar nicht, werden die einen sa-
      bares Leben – zum Beispiel als Studentin       werden. Dafür kann an verschiedenen          gen. Schließlich wurde er 2015 zum Un-
      oder Student. Man kann sich nämlich            Stellschrauben gedreht werden. Manche        wort des Jahres gewählt. Wir meinen
      auch punktuell engagieren: Für die Pla-        sind ein größeres Unterfangen – die Ver-     aber, dass er sich gerade deshalb beson-

      8                                                                                                          WEGGEFÄHRTE         2/2020
S E I G U T, M E N S C H !

ders gut als Motto für unsere Kampagne       beleidigt und verunglimpft. Im Bistum        vergangenen Jahr veröffentlichte Umfra-
eignet. Denn wir wollen und dürfen die       Essen hat der Caritasverband deshalb be-     ge „Kommunal“ ergeben hat.
Deutungshoheit darüber, was „gut“ ist        reits im Jahr 2016 ein Programm aufge-
und was „gute Menschen“ sind, nicht          setzt, das Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter        Wir wehren uns dagegen, dass helfen
denen überlassen, die den Begriff lächer-    und Ehrenamtliche dafür wappnet, auf         und solidarisch sein, zum Vorwurf wird.
lich und verächtlich machen. Es gibt in      „Hate Speech” zu reagieren.                  Vermutlich wäre es zu ehrgeizig, wollten
Deutschland – wie übrigens in Europa                                                      wir mit unserer Kampagne den Begriff
und weltweit – immer lauter werdende,            Es sind aber bei weitem nicht nur wir    „Gutmensch“ umdrehen und zum Kom-
menschenverachtende und intolerante          bei der Caritas von der Verrohung be-        pliment werden lassen. Es wäre aber
Gruppen und Organisationen. Von ihnen        stimmter Debatten und einem insgesamt        schon viel gewonnen, wenn er nicht mehr
ernten viele Menschen, die sich bei uns      zunehmend aggressiven Klima betroffen.       als Beleidigung verstanden würde. Wenn
insbesondere in der Flüchtlingshilfe enga-   Ein kurzer Blick in die sozialen Medien      diejenigen, die ihn in den Mund nehmen,
gieren, Unverständnis und Ablehnung.         reicht, um sich davon ein Bild zu machen.    einen Moment innehalten und sich fra-
Ehrenamtliche berichten von den „locke-      Leider bleiben die Angriffe und Anfein-      gen, was daran verwerflich sein soll, ein
ren Sprüchen“, die beim Friseur oder am      dungen oft nicht virtuell, wie einige Vor-   guter Mensch zu sein.
Bierstand beim Schützenfest fallen. „War-    fälle in jüngster Vergangenheit gezeigt
um machst Du das eigentlich?“, heißt es      haben. In jeder zwölften Kommune in           Statement von Dr. Peter Neher, Präsident
dann – „Du bist ganz schön blöd und          Deutschland wurde schon mal ein Mitar-           des Deutschen Caritasverbandes, zum
naiv“, schwingt in der Frage mit. Ehren-     beiter der Verwaltung oder ein Gemein-              Auftakt der Jahreskampagne 2020
amtliche wurden und werden vielerorts        derat körperlich angegriffen, wie die im

                                                                                                                                            KT
Unverzichtbares ehrenamtliches

                                                                                                                                   ICKPUN
Engagement

                                                                                                                                 L
„Ohne das ehrenamtliche Engagement           gen und Diensten wäre die Caritas            Stunden projektbezogen und

                                                                                                                               B
der Menschen in unseren Einrichtun-          in Deutschland nicht die Institution,        knapp 100.000 Stunden in                          IM
                                                      die wir heute kennen“, sagt         einmaligem Engagement. Hinzu
                                                      Caritas-Präsident Dr. Peter         kommen 10.000 Freiwilligendienst-
                                                      Neher zum Internationalen           leistende, die sich jedes Jahr in FSJ und
                                                      Tag des Ehrenamtes am 5.            BFD engagieren.
                                                      Dezember 2019. „Der Ein-
                                                      satz der vielen Menschen ist           „Die Motivation und Begeisterung
                                                      unverzichtbar für unsere Ar-        beispielsweise der Freiwilligendienstleis-
                                                      beit und den gesellschaftli-        tenden ist eine Kraftquelle für unsere Ar-
                                                      chen Zusammenhalt - daher           beit. Freiwillige und Ehrenamtliche soll-
                                                      möchte ich mich bei allen           ten daher ihr Engagement bei der Bewer-
                                                      Ehrenamtlichen herzlich be-         bung um eine Ausbildung oder einen
                                                      danken.“                            Studienplatz anerkannt bekommen.
                                                                                          Auch kostenlose und vergünstigte ÖPNV-
                                                          Die 2019 veröffentlichte        und Bahntickets wären eine Wertschät-
                                                       Ehrenamtserhebung der Cari-        zung“, so Neher.
                                                       tas macht dieses Engagement
                                                       konkret: Mehrere hundert­             Das Engagement und die Ehrenamtli-
                                                       tausend Ehrenamtliche enga-        chen selbst sind vielfältig: Die Engagier-
                                                       gierten sich 2016 bei der          ten sind alt, jung, berufstätig, in Rente,
                                                       Caritas, darunter 340.000          gehen zur Schule, studieren, leben mit
                                                       Ehrenamtliche direkt in den        einer Behinderung, haben einen Flucht-
                                                       Einrichtungen und Diensten         hintergrund oder wurden in Deutschland
                                                       der Caritas. Dabei wurden          geboren.
                                                       rund 22 Millionen Stunden
                                                       durch regelmäßiges Engage-               Aus: Pressemitteilung des Deutschen
                                                       ment erbracht, zwei Millionen      Caritasverbandes vom 5. Dezember 2019

WEGGEFÄHRTE        2/2020	                                                                                                        9
IM BLICKPUNKT

      Das Netz, das die Gesellschaft
      zusammenhält
     F    ür andere zu sorgen, schützt uns
          nicht nur vor Einsamkeit und Depres-
      sion. Vielmehr macht uns Selbstlosig-
                                                                                                    ren Menschen verbunden – und das wirkt
                                                                                                    lebensverlängernd.

      keit glücklicher und erfolgreicher – und                                                      In Ihrem Buch „Der Sinn des Gebens“
      beschert uns sogar ein längeres Leben.                                                        schreiben Sie, dass den Altruisten die
      Denn nicht nur Wettbewerb, sondern                                                            Zukunft gehört. Was genau meinen Sie
      auch Kooperation ist eine Triebkraft der                                                      damit? – Ist diese Einschätzung ange-
      Evolution. Menschliches Miteinander                                                           sichts der weltweiten Krisenherde nicht zu
      und das Wohlergehen anderer gehören                                                           schön, um wahr zu sein?
      zu unseren tiefsten Bedürfnissen – dar-
      über schreibt Stefan Klein in seinem                                                          Das ist eine längerfristige und bedeutsa-
      Buch „Der Sinn des Gebens. Warum                                                              me Entwicklung: Wir sind heute viel stär-
      Selbstlosigkeit in der Evolution siegt                                                        ker mit anderen Menschen vernetzt und
      und uns Egoismus nicht weiterbringt“         Dr. Stefan Klein                                 von anderen Menschen abhängig als
         (erschienen bei S. Fischer 2010).                                                          zum Beispiel die Generation unserer (Ur-)
IM                                                                                                  Großeltern. Unser Umfeld wird auch
                Dr. Stefan Klein, geboren          rieren unter bestimmten Umständen, zei-          durch unsere Mobilität und die sozialen
             1965 in München, ist Physiker,        gen also einen bedingten Altruismus, und         Medien immer größer, dadurch erweitert
     BL

               Philosoph und einer der erfolg-     weitere 20 Prozent haben die Einstellung,        sich auch unser Netz der Abhängigkei-
     ICKPUN

               reichsten Wissenschaftsauto-        dass die anderen etwas tun sollen.               ten. Das bedeutet, dass immer mehr
               ren deutscher Sprache. Er lebt                                                       Menschen einen Einfluss auf mein Leben
               in Berlin und ist Gastprofessor         Wir wissen relativ wenig darüber, was        haben. Das führt wiederum dazu, dass
              für Kulturwissenschaft an der        altruistische Menschen auszeichnet.              ich mich fair und großzügig verhalte.
KT
             dortigen Universität der Künste.      Grundsätzlich sind sie eher imstande, sich       Denn wir haben die Erfahrung gemacht,
            Gunhild Ahmann hat sich mit            in andere Menschen hineinzuversetzen.            dass es sich lohnt, in einer vernetzten Ge-
          dem Wissenschaftsjournalisten über       Und helfende Menschen sind angstfreier           sellschaft fair und großzügig zu sein. Die-
      Egoismus und Altruismus unterhalten.         als Egoisten, sie gehen mit vielen Dingen        se Entwicklung erweist sich als relativ sta-
                                                   gelassener und pragmatischer um.                 bil, wir stellen sie durch alle Zeiten und
      WEGGEFÄHRTE: Wie definieren Sie Altru-                                                        auf der ganzen Welt fest.
      ismus? Gibt es eine altruistische Persön-     Welche Bedeutung hat altruistisches Ver-
      lichkeit, also Menschen, die charakterlich   halten für die freiwilligen Helfer/-innen?          Das bedeutet aber nicht, dass alle
      eher zum Helfen neigen als andere?           Wie wirkt es sich aus? Wieso tut Helfen          Menschen Engel sind, sie haben auch
                                                   auch den Helfenden gut?                          hässliche Neigungen. Das zeigt sich zum
      Stefan Klein: Altruismus ist das Handeln                                                      Beispiel in der Ablehnung von Menschen
      zum Nutzen anderer auf eigene Kosten         Wir fühlen uns gut, wenn wir anderen             anderer Herkunft, Religion oder Hautfar-
      und ohne eine Gegenleistung. Dabei           Menschen helfen. Ähnlich wie bei gutem           be. Rechte Gruppierungen sprechen ge-
      kommt es nicht auf die Motivation an,        Essen, Sex oder auch Suchtmitteln wird           nau diese Eigenschaften bzw. die häufig
      sondern der Aufwand und die Ergebnisse       das Belohnungszentrum im Gehirn akti-            dahinterstehenden Ängste an und nut-
      stehen im Vordergrund. Die meisten           viert. Es fühlt sich einfach gut an, und das     zen das für ihre Zwecke aus.
      Menschen haben eine natürliche Nei-          ist nicht nur ein kurzfristiger Effekt. Altru-
      gung zu helfen. Dennoch gibt es natür-       istische Menschen sind langfristig zufrie-       Die Zahl der Menschen, die sich ehren-
      lich Unterschiede: Einige Menschen sind      dener und haben eine bessere psychische          amtlich engagieren steigt. Fast 44 Pro-
      von Natur aus altruistischer als andere.     und physische Gesundheit, das haben              zent der deutschen Wohnbevölkerung im
      Experimente haben gezeigt, dass die          internationale Studien ergeben. Im statis-       Alter ab 14 Jahren engagieren sich frei-
      meisten Menschen ihr Verhalten abhän-        tischen Mittel ist das ein relativ starker       willig (Freiwilligensurvey 2014 des Bun-
      gig machen vom Verhalten anderer. 60         Effekt, der sich auch auf die Sterblichkeit      dessozialministeriums). Im Jahr 1999 wa-
      Prozent der Menschen sind grundsätzlich      auswirkt. Altruistische Menschen haben           ren es nur 34 Prozent. Wie erklären Sie
      zur Kooperation bereit, denn sie profitie-   eine geringere Stressbelastung, sind             sich diesen Zuwachs? Was haben Men-
      ren ja unmittelbar davon, wenn es ihrer      angstfreier, fühlen sich weniger bedroht.        schen davon, sich ehrenamtlich zu enga-
      Gruppe besser geht. 20 Prozent koope-        Sie fühlen sich gebraucht und mit ande-          gieren?

     10                                                                                                            WEGGEFÄHRTE         2/2020
S E I G U T, M E N S C H !

Dahinter stecken gesellschaftliche Verän-            Und welche Bedeutung hat ehrenamtli-                                                  ehrenamtliche Helfer/-innen unterschied-
derungen, wie z.B. die Bildungsexpansi-              cher Einsatz für die Gesellschaft?                                                    liche Aufgaben.
on und die gestiegene Thematisierung
des freiwilligen Engagements in Politik              Die Gesellschaft würde ohne das Ehren-                                                Welche Rahmenbedingungen sind wich-
und Öffentlichkeit. Im Jahr 2015 haben               amt nicht funktionieren – und das gilt für                                            tig, um das Ehrenamt zu fördern? Wie
wir dann einen weiteren Zuwachs an eh-               jede Gesellschaft. Das Ehrenamt bildet                                                kann die Politik das Ehrenamt unterstüt-
renamtlichem Einsatz in der Flüchtlings-             ein Netz, das die Gesellschaft zusammen-                                              zen, schützen und nicht etwa ausbeuten?
krise beobachtet. Grundsätzlich ist die              hält, denn der Staat kann nicht alle Un-
Erklärung dafür ziemlich einfach: Viele              terstützungsleistungen übernehmen.                                                    Ganz wichtig ist es, Anerkennung zu zei-
Menschen haben Zeit, haben keine wirt-                                                                                                     gen und ehrenamtlich tätige Menschen
schaftlichen Nöte, haben auch im höhe-                   Es stellt sich die Frage, ob der Staat                                            öffentlich zu würdigen. Damit schafft
ren Alter noch eine gute Gesundheit                  teilweise das Ehrenamt als willkommene                                                man Beispiele und sorgt dafür, dass Men-
und leben länger. Damit steigen auch                 Gelegenheit nutzt, sich aus bestimmten                                                schen sich gegenseitig wahrnehmen und
die Möglichkeiten und die Zeitspanne                 Bereichen zurückzuziehen. Das lässt sich                                              merken, wie viele sie sind. Es ist immer
sich ehrenamtlich zu engagieren. Außer-              nicht pauschal beantworten, man muss                                                  leichter, etwas in einer Gruppe zu tun.
dem ist ehrenamtliches Engagement an-                sich jeden Bereich genau ansehen. In den
steckend und findet Nachahmer.                       meisten Fällen haben professionelle und                                                  Die Kommunen können beispielswei-
                                                                                                                                           se Veranstaltungen als Plattformen an­

                       TO i c
                                                                                                                                           bieten, wo sich Ehrenamtliche begeg-

                         ✘
                       TO ic
                                                                                                                                           nen. In vielen Kommunen gibt es eine
                                                                                                                                           Ehrenamtskarte, damit haben die enga-

           nnon
                                                                                                                                           gierten Menschen z. B. freien Eintritt
                                                                                                                                           in Schwimmbäder oder Museen.

             on
                                                                                                                                           Aber nicht nur die Politik schafft                   KT

                                                                                                                                                                                       ICKPUN
                                                                                                                                           die Rahmenbedingungen, son-
                                                                                                                                           dern auch Unternehmen. Sie
                                                                                                                                           können z.B. ehrenamtlich täti-
                                                  but I like it!                                                                           ge Mitarbeitende freistellen.

                                                  but I like it!

                                                                                                                                                                                     L
                                                                                                                                           Heute wird der Begriff „Gut-

                                                                                                                                                                                   B
       Erstes alkohol- und drogenfreies                                                                                                    mensch“ oft herabwürdigend                           IM
       Erstes alkohol-
      Festival         und drogenfreies
               in Deutschland. Eintritt frei.
                                                                                                                                           gebraucht. Wie ist es Ihrer Mei-
                                                                                                                                           nung nach dazu gekommen? Wie
      Festival in Deutschland. Eintritt frei.                                                                                              können wir dieser negativen Bewertung

                15. August 2020                                                                                                            begegnen?

                15. August
                     11-22 Uhr 2020                                                                                                        Wer mit dem Begriff „Gutmensch“ ande-
                                                                                                                                           re Menschen herabwürdigt, zeigt die
                    11-22
         Caritas-Platz      Uhr
                       / Hubertusstraße                                                                                                    eigene Dummheit. Der Begriff hat eine
                                                                                                                                           bestimmte Funktion und wird von Grup-
         Caritas-Platz / Hubertusstraße
                   Düsseldorf
                      Line Up:
                                                                                                                                           pierungen gebraucht, die die Ängste der
                                                                                                                                           Menschen ausnutzen und davon profi­
         Bad Assumption                   Line Up: Japanese Junkfood                                                                       tieren.
         bilk 13                                   Joseph Boys
         Bad Assumption                            Japanese Junkfood                                                                           Ich plädiere dafür, den Spieß einfach
         Conyo                                     Kallen & Mainz
         bilk 13                                   Joseph Boys                                                                             umzudrehen und sich dazu zu bekennen,
         Emerald Edge                              Underdog Diva
         Conyo                                     Kallen & Mainz                                                                          ein guter Mensch zu sein. Indem wir den
         James‘ Mum                                tba...
         Emerald Edge                              Underdog Diva                                                                           Begriff umdenken, schaffen wir andere
                                                                                                                         • GRAFIK-DESIGN

         James‘ Mum                                tba...                                                                                  Vorbilder – das ist ja auch Ziel der Caritas-
                                                                                                                                           Jahreskampagne. Wir brauchen ein ge-
                                                                                                                  GRAFIK-DESIGN

                                                                                                                                           sellschaftliches Klima der Geduld und
        KREUZBUND                                                                                                                          Unbeirrbarkeit – denn wir wissen alle,
                                                                                                             H. •Schulte

                                                                                                                                           unsere Ressourcen sind eben nicht knapp.
        KREUZBUND
                                                                                                       Schulte

         Kreuzbund Kreisverband Düsseldorf e.v. Fachverband des Deutschen Caritasverbandes
                                                                                             Grafik: H.Grafik:

             Hubertusstraße 3, 40219 Düsseldorf, Mail: festival@kreuzbund-duesseldorf.de
                                                                                                                                           Weitere Informationen:
         Kreuzbund Kreisverband Düsseldorf e.v. Fachverband des Deutschen Caritasverbandes
             Hubertusstraße 3, 40219 Düsseldorf, Mail: festival@kreuzbund-duesseldorf.de                                                   www.stefanklein.info

WEGGEFÄHRTE           2/2020	                                                                                                                                                        11
IM BLICKPUNKT

      Ehrenamt schafft
      zwischenmenschliche Verbindungen
      S  chon mit 15 Jahren hat Jürgen
         Naundorff, Mitglied der erweiter-
      ten Geschäftsführung des Blauen
                                                                                                  am Tanzen zu haben und sich mehr zu
                                                                                                  bewegen. Es macht ihr Spaß, und sie hat
                                                                                                  das Gefühl: Ich tue etwas Gutes, etwas,
      Kreuzes in Deutschland (BKD), seine                                                         das sinnvoll ist.
      ersten Erfahrungen mit dem Ehrenamt
      gemacht. Er hatte bei einer zehntägi-                                                          Heute zählt meines Erachtens in vielen
      gen Sommerfreizeit mitgeholfen; da-                                                         Berufen Leistungsmaximierung und Er-
      bei waren 20 Jungen im Alter von 9 bis                                                      folg. Ich glaube, dass mehr Menschen als
      13 Jahren aus suchtbelasteten Familien                                                      früher begreifen, dass die Berufskarriere
      – halb Kind, halb Helfer packte er mit                                                      nicht alles ist. In ihrem sozialen Engage-
      an und organisierte Spiele u.Ä. Was er                                                      ment erfahren sie darüber hinaus etwas
      dort aus dem Leben der Jungen erfah-                                                        Sinnstiftendes, was sie heute häufig im
      ren hat, hat ihn nachhaltig beeinflusst                                                     Beruf nicht mehr so erleben.
      – und ihm den Weg in die berufliche           Jürgen Naundorff
        Sucht- und Selbsthilfe gewiesen.                                                          Den höchsten Anteil freiwillig Engagierter
IM         Gunhild Ahmann hat sich mit ihm                                                        finden wir in den Bereichen Sport und Be-
              unterhalten.                          station würde nicht gemacht, das Hoff-        wegung, gefolgt von Schule und Kinder-
                                                    nung weckende und Kraft spendende             garten sowie Kultur und Musik. Warum ist
     BL

                WEGGEFÄHRTE: Welche Bedeu-          Gespräch nicht geführt, die Spirale der       es so schwierig, Menschen zum Engage-
     ICKPUN

                 tung hat das ehrenamtliche         Vereinsamung vieler Menschen nicht            ment für die Sucht-Selbsthilfe zu bewe-
                 Engagement für die freiwilligen    durchbrochen! Viel Zwischenmenschli-          gen?
                 Helfer/-innen in der Sucht-        ches würde wegfallen. Berufliche Arbeit
                Selbsthilfe? Wieso tut Helfen       im sozialen Bereich wird immer mehr           Erst einmal gilt es festzuhalten, dass sich
KT
               auch den Helfenden gut?              „kostenoptimiert“. Wenn dann nicht z.B.       mindestens jeder sechste Besucher einer
                                                    der Ehrenamtliche mit seinem Akkordeon        Sucht-Selbsthilfegruppe auch in dieser
           Jürgen Naundorff: Erwartungsge-          ins Altenpflegeheim kommt und sich den        oder darüber hinaus ehrenamtlich enga-
      mäß hat es eine hohe Bedeutung! Ich           Pflegebedürftigen zuwendet, ihnen et-         giert. Da liegen wir deutschlandweit im
      will es konkret machen: Langjährig absti-     was vorspielt, fehlt etwas ganz wichtiges     fünfstelligen Bereich, was die absoluten
      nent lebende Suchtkranke sagen mir im-        Zwischenmenschliches, etwas Unbezahl-         Zahlen der Engagierten betrifft. Zugleich
      mer wieder „Ich werde ,geerdet’, wenn         bares! Da hilft dir jemand, nimmt sich für    arbeiten viele von ihnen bereits seit Jahr-
      ich der Gruppe mit noch ,nassen’ oder         dich Zeit, nicht selten ein Fremder bzw.      zehnten mit. Da muss das Engagement in
      gerade aus der Sucht ausgestiegenen           eine Fremde, einfach so, weil du ihm          der Sucht-Selbsthilfe ja etwas haben, dass
      Suchtkranken zusammen bin“. Und               wichtig bist.                                 die Leute so lange motiviert bleiben!
      Menschen, die – wie ich – selbst nicht
      suchtkrank wurden, aber mithelfen, hat        Die Zahl der Menschen, die sich ehren-           Dennoch ist Ihre Frage berechtigt. Eh-
      es vor Gleichgültigkeit und Überheblich-      amtlich engagieren steigt. Fast 44 Pro-       renamtliches Engagement zeigt sich in
      keit bewahrt. Sie haben tiefen Respekt        zent der deutschen Wohnbevölkerung im         unseren Sucht-Selbsthilfeverbänden häu-
      vor Suchtkranken, die schwere Brüche in       Alter ab 14 Jahren engagieren sich freiwil-   fig in Gruppenleitung bzw. –moderation,
      ihrer Biografie durchlitten haben und sich    lig (Freiwilligensurvey 2014 des Bundesfa-    Vereinsvorstandstätigkeiten und Netz-
      doch ein neues, befreites Leben aufbau-       milienministeriums). Im Jahr 1999 waren       werkarbeit, z.B. im Vorstellen der Gruppe
      en konnten. Es ist der stete Blick über den   es nur 34 Prozent. Wie erklären Sie sich      in der Suchtfachklinik. All das ist für viele
      persönlichen Tellerrand hinaus – im bes-      diesen Zuwachs?                               Menschen heutzutage wenig attraktiv.
      ten Sinne des Wortes ein Segen.                                                             Sie wollen sich kreativ, sportlich, flexibel,
                                                    Ich bin kein Soziologe, deshalb sind das      selbstbestimmt und zugleich im Team
      Wie wichtig ist ehrenamtlicher Einsatz für    nur fragmentarische Gedanken von mir.         engagieren. Und da haben wir einfach
      die Gesellschaft? Warum brauchen wir          Meine Tochter tanzt leidenschaftlich in       zurzeit noch nicht die passenden Ange-
      freiwilliges Engagement?                      einem Karnevalsverein und ist dort Trai-      bote, bis auf wenige Ausnahmen.
                                                    nerin. Sie macht das, weil sie dadurch
      Weil sonst vieles und viele auf der Strecke   ihre Talente und Gaben entfalten kann.        Personen mit hoher Bildung engagieren
      bleiben. Der Besuch auf der Entgiftungs-      Zugleich kann sie Kindern helfen, Freude      sich zu einem höheren Anteil, Menschen

     12                                                                                                          WEGGEFÄHRTE          2/2020
S E I G U T, M E N S C H !

                                                        „Vor Gott gilt kein Ansehen        Heute wird der Begriff „Gutmensch“ oft
                                                        der Person.“ (Römer 2,11) Was      herabwürdigend gebraucht. Wie ist es
                                                        heißt: Jeder ist gleich wertge-    Ihrer Meinung nach dazu gekommen?
                                                        schätzt, angenommen und            Von welchen Gruppen und Organisatio-
                                                        wichtig! Das soll neu erfahrbar    nen geht das aus, und was ist ihr Ziel?
                                                        werden. In mancher Selbsthil-
                                                        fegruppe spielt es aber dann       Als „Gutmenschen“ werden meines Wis-
                                                        doch eine große Rolle, wie lan-    sens diejenigen verunglimpft, die einfäl-
                                                        ge du abstinent bist und zur       tig, übertrieben und nervig irgendwie
                                                        Gruppe gehörst – oder ob du        helfen, auch wenn es eigentlich nichts
                                                        den Hut aufhast. Das ist ein       bringt oder nicht nötig ist. Wie es dazu
                                                        Jammer!                            kam und ob so eine Verunglimpfung von
                                                                                           Gruppen gesteuert wird, weiß ich nicht.
                                                        Welche Rahmenbedingungen           Ich weiß nur, dass es Menschen braucht,
                                                        sind wichtig, um das Ehrenamt      die Gutes im Sinn haben und es tun. Auch
                                                        zu fördern? Wie kann die Politik   auf die Gefahr hin, dass es negativ bewer-
                                                        das Ehrenamt schützen und          tet wird. Ich bin froh, dass ich in der
                                                        unterstützen?                      Sucht-Selbsthilfe viele Menschen kennen-
                                                                                           lernen durfte, die mir Gutes getan haben.
                                                        Meines Erachtens wird das Eh-      Das hat mich häufig maßgeblich ermu-
                                                        renamt – finanziell gesehen –      tigt.
                                                        schon gut gefördert. Ich habe
                                                        in Polen, Rumänien, Brasilien      Wie können wir dieser negativen Be-
                                                        und Russland punktuell Selbst-     wertung begegnen und Men-                          KT

                                                                                                                                     ICKPUN
                                                        hilfe unterstützt. Da sieht es     schen, die Gutes tun, ermutigen?
                                                        wesentlich schlechter aus.
auf dem Land mehr als in städtischen Ge-                                                   In dem wir Geschichten erzäh-
bieten und Menschen aus Westdeutsch-             Hier geht es für mich um noch Grund-      len! Geschichten von Men-
land mehr als in Ostdeutschland, Men-         sätzlicheres. Es braucht auf allen Ebenen    schen, die Gutes taten – und

                                                                                                                                   L
schen ohne Migrationshintergrund mehr         – Politik, Wirtschaft, Gesellschaft – ein    was es bewirkt hat. Die Sucht-

                                                                                                                                 B
als Menschen mit Migrationshintergrund.       Umdenken. Weg von dem „immer mehr,           Selbsthilfe ist voll davon. Ich fän-               IM
Müssen wir das so hinnehmen? Wäre es          immer schneller, größer, effektiver“, und    de es Klasse, wenn Menschen aus
für den Zusammenhalt in der Gesellschaft      ich darf dabei nicht zu kurz kommen. Es      dem Kreuzbund, aus dem Blauen
wichtig, diese Tendenz aufzuhalten? Und       braucht – wie der Jenaer Soziologe Hart-     Kreuz und den anderen Verbänden diese
wie könnte das gehen?                         mut Rosa betont – eine Abwendung von         Geschichten aufschreiben würden.
                                              der nun bereits Jahrhunderte andauern-
Das ist eine schwierige Frage. Hinnehmen      den Steigerungslogik. Eine gemeinsame           Nächstes Jahr feiern Sie Ihr großes Ju-
müssen wir erst mal gar nichts. Und ja, für   Neuausrichtung auf das Wesentliche, un-      biläum 125 Jahre Kreuzbund. Wäre das
den Zusammenhalt in der Gesellschaft          sere Menschengemeinschaft. Schon vor         nicht ein Anlass, Geschichten zu sammeln
wäre es wichtig, diese Tendenz aufzuhal-      zweieinhalb Jahrtausenden hat das der        von Menschen, die Gutes taten, dem
ten. Ich mache mal einen selbstkritischen     Prophet Jesaja in der Bibel sinngemäß an-    Kreuzbund ein Gesicht gaben? Kleine Ge-
Versuch.                                      gemahnt: „Gott hasst eure maximierten        schichten! Viele! Keiner wird besonders
                                              Fastenzeiten und Gottesdienste; was bei      herausgestellt. Alle Geschichten zusam-
   Ich als beruflich Engagierter in der       ihm zählt ist, ob ihr Hungernde speist,      men geben ein vielfältiges Bild von dem,
Sucht-Selbsthilfe habe den Ehrenamtli-        Waisen aufnehmt, Gefangene freilasst         was es heißt, ehrenamtlich im Kreuzbund
chen häufig sehr „Verkopftes“ zugemu-         und Obdachlosen eine Bleibe verschafft.“     mitzuhelfen. Was für ein Schatz!
tet: Vorträge, Arbeitsblätter usw. Viel zu    (Jesaja 58, 6+7)
wenig habe ich Anreize geschaffen, sich                                                    Weitere Informationen:
kreativ, praktisch und mit allen Sinnen          Das Ehrenamt wird am besten unter-        Jürgen Naundorff
einzubringen. Ich habe zu viel vorgetra-      stützt, wenn alle Ebenen umdenken. Wir       Hauptbereichsleitung Ideelles
gen und zu wenig mit ihnen gemacht.           sind nicht der Nabel der Welt! Wir sollen    Blaues Kreuz in Deutschland (BKD).e.V.
Für mich sind caritative bzw. diakonische     achthaben aufeinander und auf den von        Bundeszentrale
Mitmachprojekte ein Vorbild, in denen es      Gott uns anvertrauten Lebensraum. So         Schubertstr. 41, 42289 Wuppertal
keine Rolle spielt, wie gebildet du bist      wird uns gemeinsam noch mehr bewusst,        Tel. 0202 / 62003-0
und welche Biographie du hast. Jeder          wie bedeutend das ehrenamtliche Enga-        Mail: juergen.naundorff@blaues-kreuz.de
kann sich einbringen! Und es braucht          gement ist.                                  www.blaues-kreuz.de
das, was in der Bibel so beschrieben wird:

WEGGEFÄHRTE         2/2020	                                                                                                        13
Sie können auch lesen