KULTUR FÜR ALLE - KULTUR MIT ALLEN - Eine Momentaufnahme zur Diversitätsarbeit der städtischen Kultureinrichtungen in Oberhausen - Stadt Oberhausen
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KULTUR FÜR ALLE – KULTUR MIT ALLEN Eine Momentaufnahme zur Diversitätsarbeit der städtischen Kultureinrichtungen in Oberhausen Stadt Oberhausen Büro für Interkultur 1
2 4 Kultur für alle – Kultur mit allen INHALT von Apostolos Tsalastras 8 Vielfalt –Ja bitte! von Desbina Kallinikidou 12 Der Kulturschocker von Jens Brambusch 16 Oberhausen – international und vielfältig Büro für Interkultur 22 Diversität oder Universalismus? Internationale Kurzfilmtage Oberhausen 26 Ein Ort für die Kunst der Kulturen Ludwiggalerie Schloss Oberhausen 32 Vielfalt als menschenrechtliche Dimension – Erkenntnisse aus der Geschichte Gedenkhalle und Bunkermuseum 36 Universalität der Kunst Musikschule und Kulturbüro 40 Alte Akten, Staub und Diversität – passt das zusammen? Stadtarchiv 46 Willkommen - Welcome - Namaste - Hoşgeldiniz in der Bibliothek Stadtbibliothek 50 Was ist denn überhaupt das Problem? Theater Oberhausen 56 Der Einsatz für Vielfalt lohnt sich! Volkshochschule 60 Unsere Kulturpartner:innen – eine Momentaufnahme 62 Impressum 3
4 KULTUR FÜR Kultur gewährt Einblicke in die uns prägenden Werte, ermöglicht Selbstre- flexion und gesellschaftliche Auseinandersetzung, fördert die Talente der/ des Einzelnen und die Möglichkeiten der Selbstverwirklichung, eröffnet neue Sichtweisen auf ästhetische Ausdrucksformen, schafft und fördert Kreativität und hilft, Potenziale für die Bewältigung von Zukunftsaufgaben ALLE – zu entwickeln. Daher ist kulturelle Teilhabe unerlässlich, wenn man am ge- sellschaftlichen Leben teilhaben möchte. In der Tradition des großen Kulturpolitikers Hilmar Hoffmann haben die Kultureinrichtungen der Stadt Oberhausen das Ziel, allen Menschen in der Stadt eine Teilhabe am kulturellen Leben zu ermöglichen und ihnen entspre- chende Angebote zu machen. Dabei reicht es nicht aus, dass die Angebote KULTUR MIT grundsätzlich allen offenstehen, wenn dennoch zahlreiche Barrieren den Zugang verhindern. Und es ist völlig egal, ob es sich um klassische Zugangs- barrieren für Menschen mit körperlichen Einschränkungen handelt, oder ob es soziale, kulturelle oder andere Gründe gibt, die es Menschen erschweren, die Kulturangebote wahrzunehmen. Es gilt deshalb, vorhandene Barrieren abzubauen und zugleich alle zur kulturellen Teilhabe zu befähigen sowie ih- nen Lust darauf zu machen. ALLEN Dazu bedarf es Kultureinrichtungen, die durch ihre Bauweise und technische Ausstattung Zugangsbarrieren für Menschen mit Einschränkungen so weit wie möglich abbauen. Die Bauweise und Erscheinung der Kultureinrichtun- gen muss eine Offenheit ausstrahlen, die einlädt und neugierig macht. Das Personal in den Einrichtungen muss die gesellschaftlichen Verhältnisse wi- derspiegeln, die Stadtgesellschaft kennen und die unterschiedlichen Milieus und ihre Bedürfnisse verstehen können. Das angebotene Programm muss diese Bedürfnisse aufgreifen und die Themen verhandeln, die die (Stadt-) von Apostolos Tsalastras Gesellschaft bewegen. Dabei müssen Wege der Kommunikation gefunden werden, die möglichst alle Menschen in der Stadt erreichen und sich nicht auf die klassischen bildungsbürgerlichen Milieus und ihre Kommunikations- strukturen beschränken. In Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrech- In seinem Artikel „Der Kulturschocker“ macht Jens Brambusch deutlich, wie neu die Ideen und Vorstellungen waren, die Hilmar Hoffmann in den fünfzi- te heißt es: „Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der ger und sechziger Jahren in Oberhausen entwickelt und später in Frankfurt und weltweit in den Goethe-Instituten umgesetzt hat. Hilmar Hoffmann hat Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu damit eine Tradition begründet, die auch heute noch in der Oberhausener erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und des- Kultur gelebt wird. „Kultur für alle“ war damals eine bahnbrechende Forde- rung, wir erweitern sie heute um den Anspruch, als städtische Kultureinrich- sen Errungenschaften teilzuhaben.“ Kulturelle Teilhabe ist tungen nicht nur Kultur für alle machen zu wollen, sondern auch Kultur mit den unterschiedlichen Gruppen und Menschen in der Stadt. Und ganz ohne Grundlage für unsere demokratische Gesellschaftsstruktur, Zweifel ist auch das im Sinne Hilmar Hoffmanns. sie ist ein Menschenrecht. Dies verpflichtet uns als Gesell- Auf Grundlage dieser Gedanken ist es Oberhausen in einem gemeinschaft- schaft - und damit auch uns als Kommune -, Barrieren ab- lichen Prozess mit Unterstützung der Zukunftsakademie NRW (ZAK NRW) in den vergangenen Jahren gelungen, in allen städtischen Kultureinrichtungen zubauen und zu beseitigen, die den Zugang zu kulturellen Handlungskonzepte für Diversität zu erarbeiten und mit ihrer Umsetzung zu Angeboten einschränken oder erschweren. beginnen. Diesen Prozess beschreibt Desbina Kallinikidou in ihrem Beitrag „Diversität – ja bitte!“. 5
6 Eine besondere Herausforderung für die Kultur in Oberhausen besteht darin, An dieser Stelle muss ganz besonders hervorgehoben werden, dass alles, möglichst viele Menschen unterschiedlicher sozialer Lebenslagen zu erreichen was hier dargestellt wird, nicht ohne die vielen Kulturpartner:innen in der und ihnen den Zugang zu den Kultureinrichtungen und ihren Angeboten zu Stadt denkbar oder gar umsetzbar wäre. Aus diesem Grund werden die ermöglichen. Dies geschieht zum einen durch verschiedene kostenfreie oder aktivsten von ihnen in einer Übersicht genannt, die nicht als vollständig an- kostengünstige Angebote. Dabei stellen wir jedoch fest, dass nicht in erster zusehen ist. Vielmehr handelt es sich um eine Momentaufnahme, die einen Linie finanzielle Barrieren Menschen davon abhalten, Kulturangebote wahr- Überblick über die Oberhausener Kulturszene gibt. zunehmen. Die Barrieren sind vielfältig; deshalb ist in den vergangenen Jah- ren ein umfassendes Konzept der kulturellen Bildung entwickelt worden, das Neben den noch nicht umfassend geklärten Herausforderungen gilt es nun, zum Abbau sozialer Barrieren beitragen soll. Dabei handelt es sich um ein auch die inhaltliche Weiterentwicklung der Diversitätskonzepte einzuleiten. Gesamtkonzept, das in enger Zusammenarbeit der Kultureinrichtungen, der Dazu gehören etwa Qualifizierungskonzepte, die Weiterentwicklung der Mar- Oberhausener Schulen, der freien Szene und der Stadtgesellschaft Angebo- ketinginstrumente zur Ansprache verschiedener Zielgruppen und die verän- te insbesondere für Kinder und Jugendliche zur Verfügung stellt. Dadurch derte Ausgestaltung der Programme. wird sichergestellt, dass jungen Menschen schon sehr früh der Zugang zu Kunst, kultureller Vielfalt und kreativer Gestaltung ermöglicht wird. Bei der Zusammenstellung des Programms der jeweiligen Kultureinrichtung wird der ewige Konflikt zwischen Qualitätsanspruch und Breitenwirkung Dieses Magazin soll zeigen, welche wichtigen Schritte zu mehr Diversität nicht immer aufgelöst werden können. Auch bleibt der Konflikt zwischen in den letzten Jahren gemacht worden sind. Die Einblicke, die hier gegeben künstlerischer Freiheit und Zugang großer Teile der Bevölkerung zu Kunst- werden, sind so unterschiedlich wie die Kultureinrichtungen und Arbeits- werk, Programm, Themen und Form naturgemäß erhalten. Umso wichtiger felder selbst, aus denen sie stammen. So wird im Beitrag der Volkshoch- werden neue Kommunikationskonzepte, die helfen, Kunst erfolgreich zu ver- schule gezeigt, wie das Thema „Diversität“ sich durch alle Bereiche der mitteln, Menschen unterschiedlicher Milieus zu erreichen sowie sie für die Erwachsenenbildung zieht und dort gelebt wird. Die Stadtbibliothek hat Kulturangebote zu interessieren und zu begeistern. Dabei reicht es nicht aus, hierzu ein Konzept, das die Bibliotheken in den Stadtteilen mit unterschied- Soziale Medien zu nutzen, vielmehr müssen Zugänge zu den verschiedenen lichen Schwerpunkten einbezieht. Die Ludwiggalerie nutzt ihre wechseln- Bevölkerungsgruppen gefunden und auch langfristig gepflegt werden. den Ausstellungen dazu, ein diverses Publikum anzusprechen, angefangen bei verschiedenen Berufsgruppen bis hin zu Führungen für demenzkranke „Kultur für alle – Kultur mit allen“, wie sie in Oberhausen verstanden wird, Menschen. Der Beitrag von Clemens Heinrichs aus der Gedenkhalle spricht bedeutet immer auch die Anregung zur gemeinsamen Kunst-Produktion und wichtige historische Aspekte im Zusammenhang mit Diversität, Antirassis- die Förderung und Entwicklung von Talenten. Dies hat mit Sicherheit etwas mus und Demokratie sowie ihrer Vermittlung an. mit dem Gesamtkonzept kultureller Bildung zu tun, geht aber weit darüber hinaus. Insbesondere in Verbindung mit der Frage der Diversität entsteht Das Stadtarchiv geht neue Wege, um nicht nur die Migrationsgeschichte hier eine ganz neue Herausforderung, die auch die Frage nach einer Über- der Stadt zu dokumentieren, sondern auch die Geschichte aus Sicht der prüfung der Künstler:innenförderung aufwirft. Braucht es nicht auch Ele- Migrant:innen selbst. Im Beitrag von Ella Steinmann aus dem Theater Ober- mente, die künstlerische Aktivitäten und Kunstformen fördern helfen, die hausen wird anhand eines sehr konkreten Beispiels gezeigt, wie künst- bisher unentdeckt geblieben sind, weil sie sich nicht im bildungs- und kul- lerische Arbeit sich gestalten kann, wenn sie die Prinzipien der Diversität turaffinen Milieu abgespielt haben? ernst nimmt. Und Lars Gass erläutert, wie sich die Anforderungen und der Anspruch von Diversität bei den Internationalen Kurzfilmtagen, die dieses Thema immer als ihr Kernthema angesehen haben, aktuell widerspiegeln. Im Diese und viele weitere Fragen werden in Zu- Beitrag der Musikschule und des Kulturbüros werden zahlreiche Beispiele genannt, welche Maßnahmen ergriffen werden, um mit Musik, Kunst und Kultur kunft zu beantworten sein. Diversität und Teil- ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Der Artikel „Oberhausen - inter- habe bleiben eine stetige Aufgabe, die immer national und vielfältig“ aus dem Büro für Interkultur macht deutlich, welchen wichtigen Beitrag die internationale Arbeit zum Thema „Diversität“ leistet. wieder überprüft werden muss und deren Um- Diese Beiträge geben Einblicke und wollen damit die Diskussion über das setzung nur gemeinsam erreicht werden kann. Thema „Diversität“ auf einer praktischen und konstruktiven Ebene anregen und bereichern. Die Kultureinrichtungen sind an einem Dialog interessiert, um ihre Angebote gemeinsam mit allen, die sich an diesem Dialog beteiligen, Ich lade alle dazu ein, diesen Prozess mitein- weiterentwickeln zu können. ander zu gestalten! 7
VIE 8 Diversität ist ein zentrales Thema in einer demokratischen Gesellschaft, ein Thema, das sehr eng mit den Menschenrechten ver- bunden ist und dadurch eine herausragende Bedeutung hat. LFA DER WEG VON DER INTERKULTUR ZUR DIVERSITÄT Die Angebote der städtischen Kultureinrich- tungen sind grundsätzlich für alle Bürger:innen Zu dieser Zeit wurde in Oberhausen das Büro für Interkultur als Stabsstelle beim Kulturde- zernenten Apostolos Tsalastras gegründet. Hier sind verschiedene städtische Aufgaben ange- LT – offen und zugänglich. Trotzdem stellen wir fest, siedelt, die interkulturelle Kompetenz erfordern: dass manche Bevölkerungsgruppen sie kaum die internationalen Beziehungen der Stadt, die oder gar nicht nutzen. Das trifft zum Beispiel internationalen Jugendbegegnungen MULTI, auf Menschen mit Migrationshintergrund zu. In die Jugendkunstschule sowie die kommunale Oberhausen leben etwa 25 Prozent Menschen, Europaarbeit. Das Team im Büro für Interkul- die wir „Migrant:innen“ nennen, also die im Aus- tur organisiert interkulturelle und internatio- land geboren wurden, nach 1955 eingewandert nale Projekte und ist Ansprechpartner für die sind oder einen im Ausland geborenen und nach Themen Interkultur und Diversität. In diesem 1955 eingewanderten Elternteil haben. In der Zusammenhang unterstützt das Büro für Inter- von Desbina Kallinikidou Gruppe der Kinder und Jugendlichen ist dieser kultur die städtischen Kultureinrichtungen in der Anteil höher. Die aktiven Nutzer:innen der städ- Entwicklung des Themas Vielfalt und Diversität, tischen Kultureinrichtungen spiegeln diesen pro- berät, vernetzt und begleitet verschiedene städ- zentualen Anteil an der Bevölkerung nicht wider. tische und nicht-städtische Akteur:innen. JA Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen Die Kultureinrichtungen der Stadt Oberhausen den einzelnen Einrichtungen, denn die Volks- haben sich schon früh auf den Weg gemacht, hochschule beispielsweise erreicht durch ihre ihre Angebote für Menschen mit nicht-deut- Sprach- und Integrationskurse einen höheren scher Herkunft zu öffnen und bestehende Anteil der Migrant:innen als andere. Gleiches gilt Barrieren abzubauen. Dies geschah mit beson- für diejenigen Einrichtungen, die mit Schüler:in- derem Nachdruck in den Jahren 2008 bis 2010 nengruppen arbeiten. im Rahmen der Erarbeitung eines Kommunalen Integrationskonzepts für die Stadt Oberhausen. Die Teilhabe aller am kulturellen Leben ist von Gemeinsam mit dem Integrationsrat, freien größter Bedeutung. Durch Kultur lebt eine offe- und kirchlichen Einrichtungen sowie weiteren ne demokratische Gesellschaft, indem sie alle Akteuren aus Politik und Verwaltung wurde ein Interessen der Bevölkerung berücksichtigt und erstes „Interkulturelles Handlungskonzept für indem Akzeptanz, demokratische Partizipation, die Kultureinrichtungen der Stadt Oberhausen“ BIT Gerechtigkeit und Chancengleichheit in ihr ge- verfasst mit der Verpflichtung, dass in der Folge lebt werden. Die gleichberechtigte Teilhabe ist individuelle interkulturelle Handlungskonzepte in Artikel 27 der Allgemeinen Menschenrechte mit konkreten Maßnahmen in jeder einzelnen verankert, wonach jeder Mensch das Recht hat, Einrichtung entstehen sollten. „am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen Aus heutiger Sicht muss gesagt werden, dass und am wissenschaftlichen Fortschritt und des- eine solche Entwicklung ein komplizierter sen Errungenschaften teilzuhaben.“ Auf diesen Prozess ist, denn sie erfordert eine intensive Vorstellungen und Werten basiert die Idee der Auseinandersetzung mit dem eigenen Personal, interkulturellen Öffnung. dem Programm, dem Publikum sowie Partner:in- nen. Begleitet von einer ebenso erforderlichen Die interkulturelle Öffnung der Kultureinrich- Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kann sie nicht TE! tungen war eine Weiterentwicklung der bis ohne weiteres aus eigenen Kräften realisiert dahin vorherrschenden Vorstellung von der werden. Daher ist es nachvollziehbar, dass die Integration aller Minderheiten in die Kultur der Kultureinrichtungen in den darauffolgenden deutschen Mehrheitsgesellschaft. Mark Terkes- Jahren viele interkulturelle Erfahrungen und sidis beschreibt das Konzept der Interkultur in Projekte machten, aber keine tiefgreifenden seinem 2010 erschienenen Buch „Interkultur“ strukturellen Veränderungen auf diesem Gebiet als Gegenentwurf zur Integration. Er vertritt stattfinden konnten. ein neues Verständnis von Kultur, sieht es am ehesten in städtischen Zentren vertreten und plädiert für die „kulturelle Barrierefreiheit“ aller 9 Institutionen in einer von Migration und Globali- sierung geprägten Welt.
Tiefgreifende Veränderungen kamen in dieser Zeit von außen auf die gesamte Gesellschaft durch den starken Zuzug geflohener Menschen In der Kultur ist Diversität in erster Linie durch die Ansprüche an Demokratie, Teilhabe, Men- schenrechte, Antirassismus und Antidiskriminie- 10 Vorstellung von Kultur als „Hochkultur“. Tradi- tion, Moderne und alternative Kunst und Kultur sieht er als gleichberechtigt an und berück- 2021 haben sich die Diversitätsbeauftragten darauf verständigt, ihre Arbeit in einem Magazin vorzustellen. Lange wurde darüber diskutiert, in den Jahren 2014 und 2015 zu, was wiederum rung von Bedeutung. Es bringt viele Vorteile mit sichtigt dabei auch die Kulturen der damaligen für wen diese Informationen von Interesse sein viele neue Herausforderungen für die Kultur- sich, die Teilhabe ausgegrenzter Bevölkerungs- Gastarbeiter:innen. könnten. Ohne Zweifel hat das Thema Diversi- einrichtungen brachte. Das war der Fall, weil gruppen im Rahmen von Vielfalt und Diversität tät in den vergangenen Jahren weltweit in der sich die Zusammensetzung der migrantischen zu betrachten. Hoffmanns Blick auf die soziale Herkunft ist öffentlichen Diskussion an Bedeutung gewon- Bevölkerung in kurzer Zeit stark veränderte und weiterhin sehr hilfreich, denn auch die deutsche nen, was sich in Bewegungen wie #MeToo, Black neue Aufgaben hinzukamen, die kurzfristig zu Wenn wir von Diversität sprechen, berücksich- Bevölkerung in Oberhausen bestand in der Mi- Lives Matter oder in den vielen Aktivitäten zur erledigen waren, wie etwa die Bereitstellung von tigen wir, dass die menschliche Persönlichkeit lieustudie von 2009 mehrheitlich aus Menschen, Akzeptanz queerer Menschen, die eine breite Sprachkursen für geflohene Menschen und die viele Dimensionen hat. Das sind nach einem deren soziale Lage der unteren Mittelschicht Öffentlichkeit erreichen, widerspiegelt. Auseinandersetzung mit Flucht und Migration in gängigen Modell (Living Diversity) in erster Linie sowie der Unterschicht zugeordnet wird. Das verschiedenen Veranstaltungen. So fanden im die Dimensionen Geschlecht, Alter, soziale Her- ist die Hälfte der Bevölkerung. Und auch das ist Die Oberhausener Kultureinrichtungen möchten Jahr 2016 zwei Kulturkonferenzen zum Thema kunft, nationale Herkunft/Ethnie, geistige und eine Bevölkerungsgruppe, die im Verhältnis zu in diesem Magazin einen Einblick in ihre Arbeit „Kultur mit geflohenen Menschen“ statt, die körperliche Fähigkeiten und sexuelle Orientie- ihrem Bevölkerungsanteil in den Kultureinrich- zum Thema Vielfalt und Diversität geben, um zum Ziel hatten, die kreativen Kräfte im Bereich rung. Es kommen auf weiteren Ebenen Religion/ tungen unterrepräsentiert ist. Der Ansatz der darüber mit interessierten Bürger:innen, Besu- Kunst und Kultur zu vernetzen und zu bündeln, Weltanschauung, Aussehen/Auftreten, Einkom- Diversität ermöglicht es, das besser berücksich- cher:innen, Teilnehmer:innen und anderen Ver- um konkrete Angebote machen zu können, noch men, Familienstand, Ausbildung etc. hinzu. tigen zu können und nicht nur in den Merkmalen treter:innen der Öffentlichkeit in den Austausch bevor voll funktionsfähige städtische Hilfs- und Indem wir diese Dimensionen insgesamt im migrantisch/nicht-migrantisch zu denken, was zu kommen. Unterstützungsstrukturen aufgebaut waren. In Blick haben, werden wir der Tatsache gerecht, viel zu kurz gegriffen wäre. dieser Phase, in der besonders viele Initiativen, dass nicht nur der Faktor Migrationshintergrund Dies ist umso wichtiger, da es sich um eine Vereine und Freiwillige aktiv wurden, waren die eine Barriere bilden kann. Je nach Situation und In den vergangenen Jahren hat es viele Bemü- gesamtstädtische Entwicklung handelt, die seit Kulturangebote für viele geflohene Menschen Rahmenbedingungen können auch alle anderen hungen gegeben, Menschen mit Behinderung dem Wirken Hilmar Hoffmanns in Oberhausen eine willkommene Möglichkeit, ihren neuen Dimensionen wie Geschlecht, Alter, soziale Her- stärker in die bestehenden Strukturen einzubin- verfolgt wird, mit dem Ziel, nicht nur Kultur für Wohnort zu erkunden und erste Kontakte zu kunft etc. Gründe für Ausgrenzung sein. Dabei den. Dabei sind die Begriffe Integration/Inter- alle zu machen, sondern auch Kultur mit allen. knüpfen. Beispiele aus dieser Zeit sind die Pro- kann die Kombination mehrerer Merkmale auch kultur in Bezug auf Menschen mit Migrations- Diesen Leitgedanken verfolgen die städtischen jekte „Space Wide Open“ an der Ludwiggalerie zur Überschneidung verschiedener Diskrimi- hintergrund gebräuchlich, während der Begriff Kultureinrichtungen; und sie sind dabei immer Schloss Oberhausen, oder „Freiheit leuchtet“ nierungsformen bei einer Person führen. Damit Inklusion im Zusammenhang mit Menschen mit wieder auf der Suche nach den richtigen Mitteln der Objektkünstlerin Simone Kamm. ergibt sich, dass wir Themen wie Gleichstellung Behinderung benutzt wird. Da es bei der Diversi- und Wegen. Es war ein Glücksfall für die Stadt Oberhausen, der Geschlechter, Inklusion von Menschen mit tätsentwicklung um die Inklusion der verschie- dass sie 2018 von der Zukunftsakademie des Behinderung, Interkultur etc. nicht vollkommen denen Gruppen geht, bleibt abzuwarten, welcher Die Kultureinrichtungen der Stadt Oberhausen Landes NRW die Möglichkeit erhielt, ein Mo- getrennt voneinander betrachten dürfen. Begriff sich in Zukunft durchsetzen wird. haben die Herausforderungen einer immer viel- dellprojekt mit dem Titel „Zukunft in Vielfalt“ Die Welt verändert sich und die Kultureinrich- fältiger werdenden Gesellschaft angenommen durchzuführen. Die Zukunftsakademie führte Ein weiterer Aspekt, der dafür spricht im Sinne tungen in ihr. und in den vergangenen Jahren vieles in Sachen zunächst eine Bestandsaufnahme zur interkul- der Diversität vorzugehen, besteht darin, dass Diversität und Inklusion erreicht. Gleichzeitig turellen Arbeit in den Kultureinrichtungen durch, wir dadurch auch die Vielfältigkeit der migranti- Mit Hilfe der Zukunftsakademie NRW und dem muss jedoch festgehalten werden, dass es sich bot Workshops und kollegiale Beratung an und schen Bevölkerung berücksichtigen. Menschen von ihr beauftragten Institut für soziale Inno- lediglich um eines von vielen Zwischenzielen schon bald wurde deutlich, dass es nun an der mit Migrationshintergrund sind nicht nur im Hin- vation ist es den Kultureinrichtungen in Ober- handelt. Die folgenden Beiträge haben das Ziel, Zeit war, die Idee von der interkulturellen Öff- blick auf ihre nationale Herkunft unterschied- hausen 2018 gelungen, einige Schritte voranzu- anhand von Beispielen, die nur einen sehr klei- nung zu erweitern, einen neuen Weg einzuschla- lich, sondern auch hinsichtlich ihrer sozialen kommen. Nach einleitenden Workshops für die nen Ausschnitt aus der gesamten Arbeit zeigen, gen und die Frage der Teilhabe am kulturellen Herkunft, Bildung, Religion, Sprache, Werte etc. Leiterinnen und Leiter der Kultureinrichtungen Einblicke in die geleistete Arbeit zu geben. Dabei Leben in Zusammenhang mit der gesellschaftli- Das hat erstmals die Sinusstudie von 2009 sehr wurde in jedem Institut ein:e Diversitätsbeauf- werden auch Perspektiven für die kommenden chen Vielfalt zu sehen und „diversitätsorientier- deutlich gezeigt. Sie identifizierte in der Ober- tragte:r benannt, der/die Ansprechpartner:in Jahre aufgezeigt, denn es handelt sich um einen te Handlungskonzepte“ zu erarbeiten. hausener Bevölkerung folgende Milieus bei den für das Thema Diversität ist. So konnten in den fortwährenden Prozess zur kulturellen Öffnung Migrant:innen: traditionelles Arbeitermilieu (23,6 %), Jahren 2019 bis 2020 schließlich die Stadt- und Teilhabe aller Menschen in Oberhausen. WAS IST DIVERSITÄT? hedonistisch-subkulturelles Milieu (20,1 %), bibliothek und die Volkshochschule, die Mu- Diversität wird oft mit Vielfalt gleichgesetzt, adaptives Integrationsmilieu (15,1 %), entwur- sikschule, das Kulturbüro, die Internationalen was allerdings viel zu kurz greift, denn Diversität zeltes Milieu (10 %), religiös-verwurzeltes Milieu Kurzfilmtage Oberhausen, das Theater Ober- beinhaltet den bewussten und wertschätzenden (9,1 %), statusorientiertes Milieu (8,2 %), multi- hausen, die Ludwiggalerie Schloss Oberhausen, Umgang mit Vielfalt. Der Begriff leitet sich vom kulturelle Performer (7,5 %), interkulturell-kos- die Gedenkhalle, das Stadtarchiv und das Büro englischen Diversity Management ab, stammt mopolitisches Milieu (6,3 %). Es wäre sicherlich für Interkultur jeweils ein eigenes Diversitäts- aus der Wirtschaft und Personalentwicklung, interessant zu erfahren, ob es in den vergange- konzept in den politischen Gremien der Stadt wo es um den Nutzen und die Wirtschaftlich- nen Jahren hier Verschiebung gegeben hat. vorstellen. Die Konzepte sind so unterschiedlich keit vielfältig zusammengesetzter Teams geht. So können beispielsweise eine deutsche und wie die Betätigungsfelder und Angebote der Dieser Ansatz wird schon seit Jahren in großen eine arabische Lehrerin sehr viele Gemeinsam- verschiedenen Einrichtungen, verfolgen jedoch und insbesondere in multinationalen Konzernen keiten haben, wie z. B. Geschlecht, Alter, soziale alle das Ziel, sich noch stärker als bisher für verfolgt. Herkunft aus der Mittelschicht, Ausbildung, Menschen zu öffnen, die in ihren Einrichtungen Beruf, Weltanschauung, geistige und körperliche unterrepräsentiert sind oder nicht angemessen Fähigkeiten, sexuelle Orientierung, die sie auf- berücksichtigt werden. Entscheidend dabei ist, grund eines ähnlichen Herkunftsmilieus stärker dass der Wille und die Bereitschaft zum Enga- miteinander verbinden als mit den meisten gement für eine noch stärkere Öffnung auf allen ihrer Landsleute. Ebenen der Verwaltungshierarchie vorhanden sind, angefangen beim Kulturdezernenten über Der Blick auf die Milieus greift den Aspekt der die Leitungen der Kultureinrichtungen bis zu den sozialen Herkunft auf, der schon in den Gedan- Mitarbeitenden. Es steht außer Zweifel, dass der Desbina Kallinikidou, Ansprech- ken und Vorstellungen von Hilmar Hoffmann und Prozess zur Diversitätsorientierung nur gelingen partnerin für Internationale Be- seinem Konzept „Kultur für alle“ im Vordergrund kann, wenn er von der Führungsebene gewollt ziehungen, Europa und Diversität stand. Hilmar Hoffmann hat nach seinen Erfah- ist. Ebenso steht fest, dass er nur gemeinsam im Büro für Interkultur rungen als Leiter der Volkshochschule und Kul- mit allen Mitarbeitenden in praktisches Handeln turdezernent der Stadt Oberhausen in den 70er umgesetzt werden kann, sonst bleiben auch die 11 Jahren einen neuen Kulturbegriff entwickelt, der besten Konzepte kraftlose Papiertiger. umfassender ist als die bis dahin bestehende
Foto: Archiv der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 12 Hilmar Hoffmann überlegt lange. Sein Blick ist konzentriert, Stille lastet zentnerschwer über seiner Antwort, die wie ein Resümee kulturellen Lebens. Für Hoffmann war Kultur „kein absoluter Wert, der an sich selbst gemes- sen werden kann, sondern nur an den gesell- seiner jahrzehntelangen Arbeit wirkt. „Das schaftlichen Entwicklungen, die sie bewirkt Projekt ‚Kultur für alle‘ ist immer noch ein oder deren Bedingungen ihre Entfaltung utopisches. Es ist noch längst nicht eingelöst unterworfen ist“. und ich sage heute: ‚Kultur für alle‘ ist eine Prognose und keine Retrospektive. Das heißt, Die Erkenntnisse, die Hoffmann zu einem wir müssen, was mit den Steuergeldern aller radikalen Wandel in der Kulturpolitik auf- aufgebracht wird, nämlich kulturelle Infra- rufen ließ, hatte er in Oberhausen gesammelt, struktur, allen Menschen zugänglich machen der Stadt, in der er nach dem Krieg eine neue - um ihrer selbst willen. Es gibt bis heute keine Heimat fand, sie prägte und sie auf die Welt- überzeugende Darstellung dessen, was Kul- karte des internationalen Films hob. turpolitik dazu beitragen kann, dass wir im nächsten Jahrhundert eine friedliche Zukunft Wer war dieser Mann, der in der Bonner Repu- gewinnen.“ blik die Kulturpolitik maßgeblich beeinflusste, ganz im Sinne des damaligen Bundeskanzlers Das Interview gibt Hoffmann im Jahr 2015, da Willy Brandt und dessen Maxime „Mehr De- ist er bereits fast 90 Jahre alt. Dass Hoffmanns mokratie wagen“? Forderung nach „Kultur für alle“ noch nicht umgesetzt ist, empfindet er aber nicht als Hilmar Hoffmann wird am 25. August 1925 als Scheitern, sondern als stete Herausforderung. jüngster von drei Söhnen in Bremen geboren. Denn er weiß: „Zukunft ist ein kulturelles Die Ehe der Eltern zerbricht am erstarkenden Programm“. Nationalsozialismus. Der Vater ist beken- nender Marxist, die Mutter eine begeisterte Hoffmann sitzt in einem ehemaligen Forst- Anhängerin Hitlers. 1933, im Jahr der Machter- haus am Stadtrand von Frankfurt am Main, greifung, verlässt der Vater Deutschland. Nie in das er Anfang der 1970er Jahre gezogen wieder wird Hilmar Hoffmann etwas von ihm ist, direkt nachdem er Oberhausen verlassen hören. Die Mutter kümmert sich allein um die hat. Das Haus gleicht einem Museum. Gemäl- Erziehung der Kinder. Als Hoffmann elf Jahre de, Grafiken und Fotografien stapeln sich bis alt ist, übernimmt seine Mutter, gefördert unter das Dach, die meisten davon Geschenke durch einen NS-Gauleiter, die Leitung eines namhafter Künstler. Hinzu kommen etliche Kinderheims in Oberhausen. So verschlägt es Aktenordner mit fein säuberlich ausgeschnit- den Hanseaten Hoffmann an den Rand des tenen Filmkritiken aus Zeitungen. Auf einer Ruhrgebietes. Seine Brüder werden begeister- Kommode thronen Schallplatten, die der te Offiziere in Hitlers Armee. Als Jungvolkfüh- Mann mit den markant buschigen Augen- rer will Hilmar ihnen nacheifern. Er sucht die brauen drapiert hat wie Exponate. Da steht Anerkennung, die er zu Hause nicht findet. der Klassiker „Bookends“ des Duos Simon and DER KULTUR- Garfunkel neben der „Abbey Road“ von den Beatles. Musik, die dem einflussreichsten Kul- In „Generation Hitlerjugend“ be- turpolitiker Deutschlands viel bedeutet. schreibt Hoffmann später das Auf zwei Etagen beherbergen wuchtige Regale Gefühl der Eingebundenheit in tausende Bücher. Es sind mehr als 15.000 einer strengen Hierarchie, ein- SCHOCKER Exemplare. Weit mehr sogar. Aber bei 15.000 hat Hoffmann aufgehört zu zählen. Fünfzig gelullt durch einen gefühligen der Werke tragen seinen Namen auf dem Blut- und Boden-Mystizismus, Buchrücken, die Cover seiner wichtigsten Titel hängen gerahmt an der Wand. Darunter begeistert durch Nazirituale und sein letztes und persönlichstes Buch „Genera- tion Hitlerjugend“, in dem Hoffmann mit sich ihre heroisierende Überhöhung in von Jens Brambusch selbst schonungslos ins Gericht geht, sein be- Leni Riefenstahls Filmen. Er fühlt rühmtes „Taubenbuch“ und natürlich „Kultur für alle“. Das Buch, mit dem Hoffmann die sich als Teil einer „zusammenge- Kulturpolitik Deutschlands aufrüttelte und schweißten Lebensgemeinschaft neue Strukturen schuf. unter einer uns alle beschirmen- Hilmar Hoffmann war Deutschlands visionärster Kulturpo- „Kultur für alle“ ist nicht irgendein Buch, das den Fahne“, die es gegen „bol- litiker. Schon in den 70er Jahren forderte er „Kultur für alle“ Werk ist nicht weniger als Hoffmanns Vision von einem neuen Kulturbegriff in den verkrus- schewistischen und jüdischen und war damit seiner Zeit weit voraus. Kultur war für Hoff- teten Strukturen der noch jungen Bundesrepu- Verrat“ zu verteidigen gelte, bis blik, manifestiert auf 357 Seiten. Erschienen in den 70er Jahren hat das Buch bis heute nicht zum Heldentod. mann weit mehr als Museen-, Theater- und Opernbesuche, an Aktualität eingebüßt. Im Gegenteil. Es ist aktueller denn je. Immer noch sind weite Doch so weit kommt es nicht, Hoffmann ent- er sah in ihr den Schlüssel für ein friedliches Zusammen- Teile der Gesellschaft von der Kultur abge- koppelt. Oder fühlen sich nicht angesprochen. geht dem Heldentod. Wenn auch als einziger seiner ehemaligen Schulklasse in Oberhausen. leben der Kulturen. Hoffmanns wegweisende Erkenntnisse Hoffmann forderte bereits vor 50 Jahren den Abschied von der Vorherrschaft des Bildungs- 1944 gerät er in Frankreich in Kriegsgefangen- schaft. Durch einen Dokumentarfilm erfährt hatte er als Kulturdezernent der Stadt Oberhausen gewonnen. 13 bürgertums in der Kulturpolitik und wies den er dort von den Nazi-Verbrechen. Hoffmann Weg hin zur Öffnung und Erweiterung des ist schockiert. Im Herbst 1947 kehrt er zu
seiner Mutter nach Oberhausen zurück und findet Arbeit als Dolmetscher bei der briti- schen Rheinarmee. Dem Colonel gefällt der spruch des Manifests ist kein geringerer als die Schaffung eines neuen deutschen Kinos: „Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen.“ Das 14 Gerade im Kontext von Diversität – also, kurz gesagt, im Hinblick Er unterrichtet Filmtheorie und Kulturpolitik an den Universitäten von Bochum und Frank- furt, ist Honorarprofessor in Marburg und junge Mann. Er schickt ihn nach Wilton Park Manifest zeigt Wirkung. So wird als Folge die auf Geschlecht, Alter, Religion, Gastprofessor in Jerusalem und Tel Aviv. in Buckinghamshire, der Kaderschmiede für kulturelle staatliche Filmförderung ins Leben den demokratischen Neubeginn im befreiten gerufen. Bis 1970 leitet Hoffmann das Festival, soziale und nationale Herkunft, Als Hoffmann 1993 einen neuen Job in München Deutschland. Dort trifft Hoffmann den Philo- sophen Bertrand Russell. Eine Begegnung, die die letzten fünf Jahre in Oberhausen ist er zu- gleich Kultur- und Sozialdezernent der Stadt. Ausbildung, Einkommen, geistige angeboten bekommt, kann er nicht ablehnen. Die Aufgabe ist für ihn wie auf den Leib ge- sein Leben prägen soll. und körperliche Fähigkeiten sowie schneidert. Hoffmann wird Präsident des Goe- In dieser Zeit entwickelt Hoffmann einen the-Instituts, dessen Aufgaben die Förderung In dieser Phase erkennt Hoffmann, wie die neuen Kulturbegriff. „Das Ziel ist die Erziehung sexuelle Orientierung - erhalten der deutschen Sprache im Ausland, die Pflege Nazis Kunst und Kultur als Werkzeug miss- eines kritischen, urteilsfähigen Bürgers, der die Gedanken Hoffmanns noch- der internationalen kulturellen Zusammenar- braucht haben, wie Goethe, Hölderlin und imstande ist, durch einen permanenten Lern- beit sowie die Vermittlung eines umfassenden Wagner instrumentalisiert worden sind. Er prozess die Bedingungen seiner sozialen Exis- mal eine besondere Bedeutung. Deutschlandbildes durch Informationen über realisiert, wie raffiniert Filme zu Waffen des tenz zu erkennen und sich ihnen entsprechend Sie geben Orientierung und Im- das kulturelle, gesellschaftliche und politi- Antisemitismus werden konnten, wie Propa- zu verhalten.“ Es sind Sätze wie Donnerhall, die sche Leben umfassen. Bis 2001 navigiert Hoff- ganda eingesetzt wurde, um eigenständiges Hoffmann bei seiner Antrittsrede als Kultur- pulse, wie die Herausforderungen mann erfolgreich das Goethe-Institut durch Denken auszuschalten. dezernent der Stadt Frankfurt fallen lässt. Dem einer immer vielfältiger werden- schwierige Zeiten. Erst mit Mitte 1980 legt er Ruf an den Main konnte er nicht widerstehen. alle Ämter nieder, zieht sich in das Forsthaus So etwas, beschließt Hoffmann, darf nie wieder In der Finanzmetropole werden ihm die Mittel den Gesellschaft angegangen am Frankfurter Stadtrand zurück, in das er geschehen. In Bildung und Kultur sieht er das wirksamste Mittel gegen Verblendung. Deshalb in Aussicht gestellt, das umzusetzen, was er in Oberhausen entwickelt hat. Sein Programm: werden können - und müssen. 1970 mit seiner Frau und den beiden Kindern gezogen ist, und widmet sich fortan verstärkt muss sie allen zugänglich sein. Hoffmann hat „Kultur für alle“. Hoffmann hat ein Vermächtnis dem Schreiben. Sein fünfzigstes Buch, das den Anspruch, dass Kultur nichts Elitäres sein wichtigste seiner Karriere, will er vollenden: darf, sondern der breiten Bevölkerung offenste- Hoffmann fordert den Abschied von der Vor- hinterlassen, das in Oberhausen, „Generation Hitlerjugend“. hen muss - ein zentraler Gedanke hinter dem herrschaft des Bildungsbürgertums in der Kul- aber auch in anderen Städten, Konzept der Volkshochschule. turpolitik und weist den Weg hin zur Öffnung Jeden Morgen, das berichtet später sein Sohn und Erweiterung des kulturellen Lebens. Er gepflegt wird. der Frankfurter Rundschau, schreibt Hoff- In Oberhausen wird Hoffmann 1951 der jüngs- betont, Kultur sei „kein absoluter Wert, der an mann mit großer Selbstdisziplin an dem Werk. te Direktor einer Volkshochschule in der sich selbst gemessen werden kann, sondern nur Was Hoffmann unter „Kultur für alle“ ver- Er steht früh auf, frühstückt und setzt sich Bundesrepublik. Mit gerade einmal 26 Jah- an den gesellschaftlichen Entwicklungen, die steht, demonstriert er zunächst in Frankfurt. an den Schreibtisch. Selbst, als er schon 90 ren. Hoffmann geht in seiner neuen Aufgabe sie bewirkt oder deren Bedingungen ihre Ent- Und beweist, dass es möglich ist. Er bewirkt, Jahre alt ist. Kultur sei „sein Lebenselixier“. vollkommen auf. Sein Arbeitstag umfasst 16 faltung unterworfen ist.“ dass der Eintritt in die Dauerausstellungen Man brauche sie, „um ein ganzer Mensch zu Stunden und mehr. 1953 begründet Hoffmann der Museen kostenlos ist und macht die werden“, hat Hoffmann in einem seiner letzten die „Internationalen Westdeutschen Kurzfilm- Für Hoffmann bedeutet „Kultur in der Stadt Buchmesse in der Öffentlichkeit präsenter. Interviews gesagt. Am 1. Juni 2018 verstarb tage“ in Oberhausen und hebt damit die Stadt daher, die Kommunikation zu fördern und Literatur findet nun nicht mehr nur auf dem Hilmar Hoffmann im Alter von 92 Jahren in im westlichen Ruhrgebiet auf die Weltkarte des damit der Vereinzelung entgegen zu wirken, Messegelände und auf Verlagspartys statt, Frankfurt. Als ganzer Mensch. Films. Film ist für Hoffmann mehr als Unter- Spielräume zu schaffen und damit ein Gegen- sondern auch in der Öffentlichkeit, wie etwa haltung. Film ist Politik. Kulturpolitik. Und so gewicht gegen die Zwänge des heutigen Lebens bei „Literatur im Römer“. Der Autor Claus- trägt das erste Festival auch das Motto „Kultur- zu setzen, die Reflexion herauszufordern und Jürgen Göpfert schreibt in der Biografie über film – Weg zur Bildung“. Gezeigt werden 45 damit bloße Anpassung und oberflächliche Ab- den ehemaligen Kulturdezernenten: „Kaum Filme aus der Bundesrepublik, Frankreich und lenkung zu überwinden.“ ein anderer Kulturpolitiker in Deutschland den Vereinigten Staaten. Beim vierten Festi- nach dem Zweiten Weltkrieg entfaltete eine val sind bereits 190 Filme aus 29 Ländern im Hoffman legt den Finger in die Wunde und solche Wirkungsmacht, hinterließ diese Spuren. Programm vertreten. Oberhausen wird zu einer scheut auch nicht davor zurück, auszuteilen. Vieles, das er anstieß, fand Nachahmer in Institution in der Branche. Viele Filme aus Den Frankfurter Ratsmitgliedern schleudert er anderen deutschen Kommunen.“ dem sogenannten Ostblock kann man nur hier entgegen: „Unsere Gesellschaft leidet unter ei- sehen. Ein Umstand, der zum raschen Aufstieg ner zu starken Ausrichtung auf wirtschaftliche Hoffmanns Lebenswerk ist das Frankfurter der Kurzfilmtage und zu ihrem Ruf als „Mekka Ziele, dies schränkt den kulturellen Bereich ein Museumsufer. Insgesamt gehen 15 Museen auf des Kurzfilms“ beiträgt. 1959 wird das Festival und verurteilt die Kultur zu einer Randerschei- seine Initiative zurück. Die Finanzmetropole umbenannt in „Westdeutsche Kurzfilmtage“. nung.“ Hoffmann versteht die „Demokratisie- Frankfurt giert damals nach Kultur und rung der Kultur“ als Abbau von Barrieren beim Anerkennung, Hoffmann stillt den Appetit. Größen des Films bekommen glänzende Augen, Zugang zum kulturellen Leben, er sieht die kul- Da Kultur aber nicht nur aus Museen besteht, wenn sie an Oberhausen denken. „Hier habe turelle Bildung als konstitutives Element der fördert Hoffmann ein Netz von Stadtteilbiblio- ich meine erste Zigarette geraucht. Hier habe Sozialisation an“. Als Bestandteil der „Kultu- theken, baut die Bürgerhäuser aus und grün- ich jahrelang jeden Film gesehen, mich alljähr- rellen Demokratie“ nennt er die Anerkennung det ein kommunales Kino, das heute im Film- lich gefreut auf die Tage in Oberhausen. Diese der Existenz unterschiedlicher Kulturen und museum integriert ist. Eben: Kultur für alle! Ereignisse waren für mich, für meinen Ent- deren Einbeziehung in die Kulturförderung. Er schluss Filme zu machen, wichtig“, sagt Filme- würdigt alternative Kulturformen, fordert die Hoffmann ist ein leidenschaftlicher Vorreiter macher Wim Wenders. Roman Polanski nennt Aufnahme neuer Bereiche wie Kino, Jazz und und Verfechter der Kultur in ihrer breitesten Oberhausen „eine wichtige Station meiner Vereinsarbeit in die Kulturförderung. Form. Nicht nur in Frankfurt, sondern in der Entwicklung zum Regisseur.“ gesamten Bundesrepublik. Zwanzig Jahre Hoffmann ist seiner Zeit voraus. Weit voraus. prägt er die Kulturlandschaft Frankfurts - von Die Kurzfilmtage sind ein Festival für die neue Hoffmann versteht schon in den 1970er Jahren 1970 bis 1990. Auch als die Christdemokraten Generation der Filmschaffenden. Das polni- Kulturentwicklung als Prozess, an dem alle das Bürgermeisteramt bekleiden, darf Genos- sche, jugoslawische und kubanische Kino feiert Schichten der Gesellschaft, auch die Zuwan- se Hoffmann, ein leidenschaftlicher Sozial- hier Triumphe. In Oberhausen trifft sich die derer, aktiv an der Veränderung und Neu- demokrat, aufgrund seiner hervorragenden Avantgarde der Branche. Und so überrascht es gestaltung des kulturellen Lebens beteiligt Verdienste im Amt bleiben. Und auch als er nicht, dass im Jahr 1962 von Oberhausen aus sein sollten. Sätze, die auch heute, 50 Jahre den Sessel des Kulturdezernenten nach zwei die deutsche Filmszene erschüttert wird. Das später, aktueller denn je sind. Nicht zuletzt in Jahrzehnten verlässt, kommt Hoffmann, den 15 „Oberhausener Manifest“ ist eine Abrechnung Oberhausen, der Stadt, in der Hoffmann sein Freunde wegen seines markanten Äußeren mit und eine Abkehr von „Opas Kino“. Der An- Konzept entwickelte. gerne mit Goethe vergleichen, nicht zur Ruhe.
Büro für Interkultur 16 Teilnehmermerinnen der MULTI 2018, Fotos: Ant Palmer Oberhausen - international und vielfältig von Marc Grunenberg, Desbina Kallinikidou Als der erste Jugendaustausch mit England Das Büro für Interkultur beschäftigt sich [unter 1953 stattfand, waren die Wunden des Zweiten anderem auch] mit den internationalen Bezie- Weltkrieges noch überall sichtbar und die krie- hungen und Kontakten der Stadt Oberhausen. gerischen Auseinandersetzungen zwischen den Dabei handelt es sich zunächst einmal um die beiden Ländern schmerzhafte Erinnerungen im Beziehungen zu den Partnerstädten Middles- Gedächtnis der jungen Menschen, die sich nun brough (Großbritannien), Saporishja (Ukraine), „die Hand zur Versöhnung reichten“. Carbonia und Iglesias (Italien), Mersin (Türkei) und Tychy (Polen). Als der Oberbürgermeister von Middlesbrough, Ray Mallon, etwa 50 Jahre später gemeinsam Hinzu kommen viele andere Partner, die am mit seinem deutschen Amtskollegen Klaus Weh- internationalen Jugendaustausch MULTI teilneh- ling das Bunkermuseum besuchte, war er tief men, wie z. B. Marokko, Peru, China und die USA, bewegt. Denn er musste an seinen Onkel Fronzie oder die in einem (europäischen) Projekt mit der denken, der im Zweiten Weltkrieg als Soldat in Stadt Oberhausen zusammenarbeiten, wie Sisak Deutschland war. Und an die Fliegerangriffe auf (Kroatien), Thessaloniki (Griechenland), Madrid das Rheinland vom englischen Stützpunkt Thor- (Spanien). Es gibt zahlreiche weitere Kontakte, naby aus, den er oft mit seinem Vater besucht z.B. über das Goethe-Institut eine Anfrage und hatte. Er stellte sich vor, wie der junge Klaus in ein Besuch aus Kuba zur Kulturarbeit in Ober- dem Bunker saß, der jetzt ein Museum war, wäh- hausen, eine Anfrage und ein Besuch aus Südko- rend britische Bomber über ihn hinwegflogen. rea zum Strukturwandel, ein Fachaustausch zur Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Städte- Jugendarbeit mit Marokko. Und es gibt immer partnerschaften begründet, um die Verständi- wieder weitere Anfragen zur Begründung einer gung zwischen den Völkern Europas aufzubauen, Partnerschaft oder zur Projektzusammenarbeit den Frieden dauerhaft zu sichern und Kriege zu aus der ganzen Welt. verhindern. Der Leitgedanke dabei war und ist, dass Menschen, die sich kennen und verstehen, INTERNATIONALITÄT ALS MOTOR weniger anfällig sind für Hass und militärische FÜR ENTWICKLUNG Konflikte. England und vor allem auch Frankreich In einer globalisierten Welt ist es für eine moder- haben mit den Städtepartnerschaften die Ent- ne Stadt wichtig, international aufgestellt zu sein, Oberbürgermeister Daniel Schranz steht mit Unterstützung von Dolmetscher Boris Schwarzmann 17 wicklung der Demokratie im Nachkriegsdeutsch- denn die Prozesse in Wirtschaft, Wissenschaft, den Journalist:innen in Saporishja Rede und Antwort. Foto: Büro für Interkultur land vorangetrieben. Kultur und Politik sind international stark miteinander
verwoben. Das ist in der Pandemiesituation für alle Bürger:innen besonders spürbar geworden, als Die internationale Arbeit ist auf unterschied- lichen Ebenen sehr vielfältig, denn sie erstreckt 18 Bei internationalen Kontakten stellen wir auch fest, wie unterschiedlich der Umgang mit Min- MULTI OBERHAUSEN – EIN TREFFPUNKT FÜR JUGENDLICHE AUS ALLER WELT plötzlich spürbar wurde, wie sehr Lieferketten sich über alle Themenbereiche: von Kultur bis derheiten und Diversität bei den verschiedenen Die MULTI ist seit 1992 die internationale Ju- zur Herstellung verschiedener Produkte inter- Wirtschaftsförderung, von Umwelt bis Migration, Partner:innen ist. Wie sehr sind religiöse und gendbegegnung der Stadt Oberhausen. Sie ist national eng miteinander verwoben sind. Dass humanitäre Hilfe etc. Sie richtet sich an unter- ethnische Minderheiten akzeptiert und integ- über die Jahre kontinuierlich gewachsen und ist sich die Städte auf der wirtschaftlichen Ebene in schiedliche Gruppen, wie z. B. Politiker:innen, riert? Werden Menschen mit Behinderung be- heute mit 15 Partnerländern von fünf Kontinen- einem internationalen Wettbewerb zueinander (Verwaltungs-)Fachleute, Jugendliche, Schü- rücksichtigt? Mit einem Tabu ist vielerorts nach ten die größte multilaterale Jugendbegegnung befinden und gegeneinander konkurrieren, war ler:innen, Künstler:innen, Akteur:innen aus der wie vor sexuelle Diversität belegt. auf kommunaler Ebene deutschlandweit. den meisten Bürger:innen durch die Diskussionen Zivilgesellschaft, Vertreter:innen aus der Wirt- Die MULTI verbindet durch ihr Konzept der in- um Abwanderung und Ansiedlung von Arbeits- schaft etc. Sie beschäftigt sich mit der politi- Bei der Vorbereitung und Durchführung von tensiven Begegnung junger Menschen aus aller plätzen schon wiederholt deutlich geworden. schen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen internationalen Besuchen, Begegnungen, Welt eine Vielzahl von Diversitätsmerkmalen. Situation, den Vorstellungen, Wünschen und Konferenzen, Workshops etc. ist ein Merkmal Bei der MULTI treffen sich Jugendliche unter- In den vergangenen Jahren hat die kommunale Erfordernissen der internationalen Partner:in- immer wieder auffällig und fordert besondere schiedlicher Ethnien, kultureller Hintergründe Ebene immer mehr an Bedeutung gewonnen. nen und berücksichtigt diese bei allen ihren Beachtung: die Verteilung der Geschlechter. und Religionen. Sie kommen aus verschiedenen Denn es steht fest, dass die großen Themen Vorhaben. Ganz augenfällig ist dies bei der Besetzung von sozialen Schichten und verfügen nicht alle über unserer Zeit, wie Digitalisierung, Arbeit, Kli- Delegationen, denn nach wie vor sind es vorwie- den gleichen Grad an Bildung. Im direkten Mit- ma, Mobilität, Verkehr, Sicherheit, Demokratie, Im Dialog mit den Partner:innen erfolgt die Ver- gend Männer, die international reisen und ihre einander der Jugendlichen spielen Faktoren wie Migration und Integration, weitgehend auf der ständigung, welche Themen bearbeitet werden, Stadt, ihre Gruppe im Ausland repräsentieren. Geschlecht, sexuelle Orientierung und Freizeit- lokalen Ebene bearbeitet und umgesetzt werden. welche Zielgruppen angesprochen werden, welche Darüber hinaus ist in einigen Situationen ein verhalten eine zentrale Rolle in den zwischen- Das muss jedoch in einem europäischen oder Ziele angestrebt und welche Projekte gemeinsam unterschiedliches Rollenverständnis im Umgang menschlichen Begegnungen - und es sind genau globalen Zusammenhang geschehen, wenn die umgesetzt werden. miteinander deutlich spürbar. Das macht sich diese zahlreichen Ebenen der Diversität, die Bemühungen nachhaltig sein sollen. Regeln und in der geschlechterspezifischen Rollenzuteilung während des Programms einer MULTI inhalt- Gesetze hierzu werden zwar auf übergeordneten INTERNATIONALE KONTAKTE – SPANNENDE von männlichen und weiblichen Teilnehmenden lich in all ihren Facetten bearbeitet werden. Die Ebenen gemacht, umgesetzt werden die meisten WERKSTATT FÜR DIVERSITÄT, DIALOG UND bemerkbar. Auseinandersetzung mit diesen Themenfeldern von ihnen jedoch dort, wo die Menschen leben: VERSTÄNDIGUNG findet dabei sowohl in Einzelkontakten direkt in den Städten und Gemeinden. Zudem stellt Internationale Arbeit heißt nicht, dass alle zwischen den Gastgeschwistern, in Kleingruppen sich in den letzten Jahren immer mehr heraus, Vorstellungen und Wünsche des Gegenübers an einzelnen Aktionstagen sowie in der Gesamt- dass dort, wo es auf der zwischenstaatlichen uneingeschränkt akzeptiert werden. Vielmehr gruppe statt. Ebene Spannungen und Meinungsverschieden- geht es darum, Formen des Dialogs zu finden, in heiten gibt, Stichwort „Urban Democracy“, die denen der eigene Standpunkt deutlich gemacht kommunale Ebene und die Zivilgesellschaft und auch erklärt werden kann. Wenn muslimi- gefragt sind, Kontakte zu Städten und Gemein- sche Gäste kein Schweinefleisch essen, ist das den und ihren Bürger:innen in anderen Ländern fraglos zu akzeptieren. Wenn Witze auf Kosten Oberbürgermeister Klaus Wehling und Bürgermeister Guiseppe Casti weihen aufzubauen, um den Dialog zu pflegen, eine homosexueller Menschen gemacht werden, ist die Via Oberhausen in Carbonia ein. Foto: Büro für Interkultur Verständigung und eine Verbesserung der zwi- das nicht unwidersprochen hinzunehmen, auch schenstaatlichen Beziehungen zu erreichen. wenn es die Harmonie in der Beziehung zu den Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass die internationalen Partner:innen stören mag. Es Bürger:innen vor Ort die Sichtweisen der Men- sind viele weitere Beispiele zu nennen, in denen schen anderer Länder und Städte kennenlernen, es unterschiedlich Sichtweisen gibt. Dabei ist es internationale Prozesse verstehen und darüber oft erhellend, eine andere Sichtweise kennen- auch die Möglichkeit erhalten, Einfluss auf diese zulernen und die eigene Einstellung zu hinter- Situationen und Prozesse zu nehmen. Das kann fragen. Ein Beispiel hierfür ist die weitgehende im Rahmen internationaler kommunaler Zusam- Bürgerbeteiligung, die in Oberhausen praktiziert menarbeit, z. B. in einem deutsch-ukrainischen wird. Auch wenn sie für uns ein hohes Gut ist, Projekt zum Thema Zivilgesellschaft, der Fall müssen wir z. B. die Meinung unserer ukraini- sein – ein Thema, das zentral ist für die Demo- schen Partner:innen akzeptieren, die sehr deut- kratieentwicklung. Dies trifft im EU-Projekt EPIC lich darauf hinweisen, dass sich dadurch für die (European Platform for Integrating Cities) zu, in gesamte Stadt wichtige Entwicklungen zeitlich dem Akteur:innen aus Oberhausen gemeinsam verzögern oder von einer Minderheit verhindert mit Kolleg:innen aus acht weiteren europäischen werden können. Solche Rückmeldungen sind Ländern an der Entwicklung einer gemeinsamen Denkanstöße, die zur Weiterentwicklung des Migrations- und Integrationspolitik arbeiten. Und Bestehenden führen können. es ist in einem Corona-Hilfsprojekt für die mol- dawische Stadt Drochia der Fall, in dem Ärzte DIVERSITÄT - NICHT NUR BEI UNS aus Oberhausen ihr medizinisches Know-how an Bei internationalen Kontakten ist das Thema ihre moldawischen Kolleg:innen weitergeben. Diversität immer wieder präsent. Der Kontakt und die direkte Begegnung ermöglichen es, die MIT EMPATHIE UND KOMMUNIKATION Vorstellung, die über ein Land, eine Stadt, eine ZUM ERFOLG Gruppe von Menschen vorherrscht, zu ver- Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit ändern. Der direkte Kontakt zwingt uns zudem Menschen aus unterschiedlichen Ländern und dazu, festzustellen, wie divers andere Städte Städten ist es erforderlich, einen guten Kontakt und Menschen sind. Das geschieht z. B., wenn zu den jeweiligen Partner:innen aufzubauen und eine Stadtverordnete mit indischen Wurzeln die diesen kontinuierlich zu pflegen. Das setzt zu- englische Partnerstadt repräsentiert oder die nächst voraus, dass sich die Partner kennen und Jugendlichen aus Kalifornien asiatischer Her- eine gemeinsame Sprache für ihre Kommunika- kunft sind. Die Begegnung mit Jugendlichen aus tion finden. Dabei geht es immer auch darum, der türkischen Partnerstadt Mersin hat schon die unterschiedlichen Mentalitäten, Werte, Vor- vielen die Augen dafür geöffnet, wie vielfältig die stellungen, Arbeitsweisen und Ziele der Partner türkische Gesellschaft ist. 19 kennenzulernen und sich mit ihnen auf dieser Basis zu verständigen.
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