Schlafen - Juli 2021 Prävention und Gesundheitsförderung Magazin P&G - Prävention und Gesundheitsförderung Kanton ...
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Kanton Zürich Gesundheitsdirektion Magazin P&G Prävention und Gesundheitsförderung Juli 2021 Schlafen Tipps für einen besseren Schlaf – S. 10 Wieso brauchen Wettbewerbsvorteil Suizidalität bei wir Schlaf? – S. 4 erholte Mitarbeitende – S. 8 Jugendlichen – S. 18
Schwerpunkt: Schlaf Liebe Leserin, lieber Leser 4 Während wir schlafen … 8 Wettbewerbsvorteil Schlaf ist etwas sehr Individuelles. ausgeruhte Mitarbeitende Manche von uns brauchen viel davon, 10 Tipps für besseren Schlaf manche weniger. Manchen fällt es leicht einzuschlafen, andere brauchen 12 Macht Lärm krank? dazu Routinen und Rituale. Doch Schlaf ist auch etwas Gesellschaftliches. So wird unser Schlaf durch 14 Essay unsere Umgebung, unsere Wohnsituation und durch unsere Vom Leben und Altern Arbeits- und Schulzeiten beeinflusst. Vor allem aber ist Schlaf – da ist sich die Wissenschaft einig – eine wichtige Ressource 16 Auf einen Blick für unsere physische und psychische Gesundheit. Kurzmeldungen 18 Suizidprävention Umso wünschenswerter ist es, dass wir regelmässig und genü- Suizidalität bei Jugendlichen gend schlafen können. Am besten in einer lärmarmen Umge- 22 Active City bung und gerne auch mal tagsüber, sofern es unsere beruflichen Sport für alle und privaten Verpflichtungen erlauben. Erfahren Sie in dieser 24 Interview Ausgabe, wie Schlaf und Gesundheit zusammenhängen – und LGBTQ-Menschen fördern was wir für einen besseren Schlaf tun können. Persönlich, als Arbeitgebende, aber auch als Gesellschaft. Weiter beschäftigt uns auf den folgenden Seiten die Suizidprä- vention bei Jugendlichen, welche in dieser herausfordernden Impressum Corona-Zeit besonders beachtet werden sollte. Ganz besonders freut mich auch der Gastbeitrag von Prof. Dr. Andreas Kruse, der am Präventionstag im vergangenen Februar ein mitreissen- des Referat über gesundes Altern hielt. Institut für Epidemiologie, Magazin P &G Biostatistik und Prävention Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich Mehr soll an dieser Stelle aber nicht vorweggenommen werden – Herausgegeben vom: Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention (EBPI) der Universität Zürich, ich wünsche Ihnen eine erweckende Lektüre! Abteilung Prävention und Gesundheitsförderung im Auftrag der: Gesundheitsdirektion Kanton Zürich Erscheinungsweise: zweimal jährlich Sibylle Brunner Bestellung des Magazins: EBPI, Abteilung Prävention und Gesundheitsförderung, Kanton Zürich, Beauftragte des Kantons Zürich Hirschengraben 84, 8001 Zürich, für Prävention und Gesundheitsförderung Tel. 044 634 46 29, praevention@ebpi.uzh.ch, www.gesundheitsfoerderung-zh.ch Redaktionsleitung: Sibylle Brunner, Abteilungsleiterin, EBPI, Abt. Prävention und Gesundheitsförderung, Beauftragte des Kantons Zürich für Prävention und Gesundheitsförderung Redaktion: Nina Hodel, EBPI, Abt. Prävention und Gesundheitsförderung, Tel. 044 634 46 33, nina.hodel@uzh.ch; Maja Sidler, EBPI, Abt. Prävention und Gesundheitsförderung, Tel. 044 634 46 60, maja.sidler@uzh.ch Auflage: 4’400 Exemplare Layout: Crafft AG, Zürich Druck: Schellenberg Druck AG, Pfäffikon Artikel aus dem Magazin P&G können ohne ausdrückliche Genehmigung der Redaktion übernommen werden, sind aber vollständig abzudrucken und mit dem Quellen hinweis «Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Coverbild: Stocksy (2); Foto: zVg Zürich» zu kennzeichnen. Davon ausgenommen sind Beiträge, die mit einem Copyright-Vermerk versehen sind. Die Verwendung von Bildern und Illustrationen ist immer vorgängig mit der Redaktion zu klären.
Veranstaltungen Kurzmeldungen Fünf Termine die Sie sich merken müssen: 1. SEPTEMBER BGM für junge Arbeitnehmende An der nationalen BGM-Tagung wird diskutiert, welche Massnahmen und Rahmenbedingungen junge Arbeitnehmende brauchen. Wie kann die langfris- tige Leistungsfähigkeit, die Motivation und insbesondere die Gesundheit der jüngeren Mitarbeitenden aktiv und kontinuierlich gefördert werden, ohne dabei die jungen Arbeitnehmenden zu überfordern? 5. JUNI – 28. AUGUST Zeit / Ort: 9.20 bis 16.30 Uhr, Kursaal Bern, Anmeldung bis 20. August unter bgm-tagung.ch Veranstalter: Gesundheitsförderung Schweiz in Kooperation mit der Suva und dem Staatssekretariat Züri Wandertrophy für Wirtschaft, SECO Während mehrerer Wochen gilt es, ausgewählte Aussichtspunkte im Kanton zu besuchen. Bei jedem Wanderziel können Sie Ihre Ankunft 4. SEPTEMBER digital bestätigen. Ende September Aufwachsen von Kindern und nehmen alle Teilnehmenden an einer grossen Preisverleihung teil. Schöne Jugendlichen fördern Wanderwege und einmalige Aussich- ten im Kanton erwarten Sie! An der Fachtagung erhalten die Teilnehmenden einen Überblick über die Mög- lichkeiten kommunaler Kinder- und Jugendförderung und über die heutigen Zeit / Ort: Individuell wählbar, ausgewählte Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen. In Workshops lernen sie Methoden Wandervorschläge, kostenlos und Instrumente für die (Weiter-)Entwicklung der Kinder- und Jugendför- Veranstalter: Zürcher Wanderwege und Zürcher Kantonalbank, derung kennen. Die Fachtagung richtet sich an Personen mit strategischer zuercher-wanderwege.ch/trophy Verantwortung im Bereich Kind und Jugend. Zeit / Ort: 9.45 bis 16.30 Uhr, FHNW Soziale Arbeit, Von Roll-Strasse 10, Olten, ab Fr. 160.–, Anmeldung bis 27. August unter tagung-kjf.ch Veranstalter: Fachhochschule Nordwestschweiz, FHNW 16. SEPTEMBER Corona – 29. NOVEMBER Sprungbrett zu Spielen und Spielendenschutz mehr Innovation?! Poker, Roulette, Sportwetten und Spiel Ortsunabhängige Kommunikations- automaten faszinieren sowohl offline formen, Contact-Tracing, Impf wie auch digital. Wie kann ein wirksamer organisation oder -zertifizierung, neue Spielerschutz gewährleistet werden? Standards in der Forschung und Welchen Beitrag können Präventions- und zahlreiche weitere Fortschritte sind Behandlungsangebote, aber auch Anbieter geprägt durch die aktuelle digitale leisten? Und welche Möglichkeiten gibt es Dynamik der Pandemie. Was lernen für Betroffene und Angehörige? Gemeinsam wir aus diesen Erfahrungen? Wie mit dem Zentrum für Spielsucht und an- retten wir sie hinüber in die «neue, dere Verhaltenssüchte, das sein 10-jähriges normale» Zeit? Die Trendtage Ge- Wirken feiert, nimmt sich das Forum P&G sundheit Luzern suchen Antworten dieser Fragen an. auf diese und weitere Fragen. Zeit / Ort: 12.30 Uhr bis 18.15 Uhr, Zeit / Ort: Ab 17 Uhr im Zentrum Liebfrauen, Weinbergstr. 36, Zürich, weitere Informationen online, kostenlos, mit Anmeldung unter und Anmeldung ab Herbst unter gesundheitsfoerderung-zh.ch trendtage-gesundheit.ch Veranstalter: Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich, Veranstalter: Forum Gesundheit Luzern Tel. 044 634 46 29, info@gesundheitsfoerderung-zh.ch Fotos: iStock (2) Magazin P&G, Juli 2021 – 3
Schwerpunkt Während wir schlafen … Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend. Aber wieso brauchen wir den Schlaf? Und wie beeinflusst er unsere Gesundheit? Text: Christian Baumann 4 – Magazin P&G, Juli 2021
Schwerpunkt S chlaf ist eine biologische Funktion, welche uns allen bestens bekannt ist. Oftmals, aber nicht immer ist der Schlaf mit positiven Gefühlen assoziiert. Geschlafen wird im weichen und warmen Bett, fernab von Trubel, in einem selber gestalteten Umfeld und vielleicht neben einem besonders geliebten Menschen. Wer gut geschlafen hat, ist am nächsten Tag eher ausgeruht und fit für den Tag. Neuere Forschung weist darauf hin, dass ein guter, ausreichend langer und regelmässiger Schlaf ausserdem die Leistungsfähigkeit fördert, was sich Spitzensportler häufig zunutze ma- chen. Wer zu schlecht, zu kurz und zu unregelmässig schläft, wird nicht nur müder und schläfriger, sondern auch langsamer, fehleranfälliger und risikofreudiger. Lernen wird ebenfalls im Schlaf verstärkt, indem das Gedächtnis für gelernte Inhalte konsolidiert wird. Schlaf als Gesundheitsvorsorge Aus medizinischer Sicht ist es aber insbesondere be- deutsam, dass Schlaf und Gesundheit markant auf einander einwirken. Wer krank ist, schläft häufiger schlechter. Andererseits wirkt sich ein schlechter, zu kurzer oder zu unregelmässiger Schlaf auf die Gesund- heit aus. Es mehren sich die Zeichen in der Wissen- schaft, dass verschiedene neurologische, psychiatri- sche und körperliche Erkrankungen durch einen Schlafmangel zumindest begünstigt werden können. Ein wichtiges und zunehmend gut erforschtes Gebiet ist diesbezüglich der Zusammenhang zwischen unge- nügendem Schlaf und neurodegenerativen Erkrankun- gen wie der Alzheimer-Demenz oder der Parkinson-Er- krankung. Es bestehen zunehmend Hinweise, dass ein verminderter Tiefschlaf über verschiedene diskutierte Mechanismen die Ablagerung von Eiweissen im Gehirn begünstigt, was mit Demenz oder Parkinson-Sympto- men einhergehen kann. Auch für andere Erkrankungen bestehen deutliche Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen ungenü- gendem Schlaf und Erkrankung, wenngleich vielfach Broschüre «Gut geschlafen?» In unserer Broschüre «Gut geschlafen?» finden Sie Tipps für einen guten Schlaf und erfahren, was Sie bei Schlafproblemen tun können. Die Broschüre ist eine Ergänzung zum Flyer «Schlaf- und Beruhigungsmittel: Abhängigkeit vermeiden». Beide stehen auf unserer Web- site als Download bereit und können im Kanton Zürich kostenlos bestellt werden. → gesundheitsfoerderung-zh.ch/schlafhygiene → gesundheitsfoerderung-zh.ch/schlafmittel Foto: Stocksy Magazin P&G, Juli 2021 – 5
Schwerpunkt die genauere Ursache noch nicht bekannt ist. So gibt es effektiv sein könnte. Umgekehrt weist das Aufholen von beispielsweise Studien, die ungenügenden oder unre- Schlaf am Wochenende (was nur teilweise möglich ist) gelmässigen Schlaf mit Übergewicht, Diabetes, anderen darauf hin, dass unter der Woche zu wenig geschlafen Stoffwechselerkrankungen, Störungen des Immunsys- wurde – der regelmässige Schlaf drückt sich also auch tems, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankun- in der Schlafdauer aus. Optimal ist eine Schlafdauer, gen oder auch Erkrankungen des Kindes wie das ADHS welche am Morgen den Wecker nicht erfordert. (Attention Deficit and Hyperacti- Selbstverständlich gehören zu vity Syndrome) assoziieren. den schlafhygienischen Prinzi Aus diesem Grund wird Schlaf «Schlaf ist wichtig pien auch Empfehlungen zur Um- zunehmend als wichtige zusätz- gebung des Schlafes. Geschlafen liche Säule für eine gute Gesund- für eine gute werden soll, wenn man müde ist, heitsvorsorge angesehen, nebst Gesundheits- in ruhiger, nicht zu warmer und der Ernährung und der Bewe- dunkler Umgebung – und im Bett. gung, also dem Sport. Optimaler- vorsorge.» Letzteres soll im Übrigen nur für weise wird auf alle drei Kompo- (Bei-)Schlaf verwendet werden, nenten gleichermassen geachtet, wobei sich Schlaf, Fernsehen im Bett mit wiederholtem leichtem Einnicken Ernährung und Sport durchaus auch gegenseitig beein- ist einem guten Schlaf beispielsweise nicht förderlich. flussen. Tägliche Bewegung und eine gesunde Ernäh- Auch potenziell ständige Störquellen wie Blaulicht-emit- rung fördern beispielsweise einen guten Schlaf, und tierende Geräte mit beispielsweise aufdringlichen so ein guter Schlaf verbessert die sportliche Leistungs zialen Medien oder der Versuchung zu Binge-Watching fähigkeit. sollten wenn möglich aus dem Bett verbannt werden. Weitere Tipps zur Schlafhygiene auf Seite 10. Schlafhygiene Aus diesen Überlegungen zeichnet sich bereits ab, Aus schlafmedizinischer Sicht bestehen daher Empfeh- dass die 24-Stunden-Gesellschaft des 21. Jahrhunderts lungen, welche wir unter dem Prädikat «Schlafhygie- ne» sowohl gesunden als auch kranken Personen ans Herz legen: Nebst dem oben bereits angedeuteten ge- sunden Lebenswandel mit ausgewogener Ernährung und regelmässigem Sport (jedoch nicht exzessiv in den Stunden vor dem Schlafengehen) umfassen solche Empfehlungen auch gezielt den Umgang mit und die Rahmenbedingungen für den Schlaf. Empfohlen wer- den regelmässige und ausreichende Bettzeiten. Täglich variierende Bett- und Aufstehzeiten können von unse- rer inneren Uhr nicht gut verarbeitet werden und die Tagesbefindlichkeit erheblich einschränken. Ausser- dem wird seit vielen Jahren der Zusammenhang zwi- schen stark unregelmässigem Schlaf bei Schichtarbeit und Krebserkrankungen diskutiert, insbesondere dem Brustkrebs bei Frauen. Nebst der Regelmässigkeit des Schlafes ist es wichtig, dass nicht zu wenig geschlafen wird. Allgemein gültige Empfehlungen für die Schlafdauer können nicht abge- geben werden, da sich das Schlafbedürfnis von Person zu Person unterscheidet und im Alter langsam ab- nimmt. Dennoch gibt es gute Hinweise, dass jüngere Menschen um die 20 bis 30 Jahre im Durchschnitt etwa 9 Stunden, ältere Personen um die 60 bis 70 Jahre etwa 7,5 Stunden Schlaf benötigen. Diese Zahlen liegen klar über den wiederholt ermittelten Schlafzeiten in der Bevölkerung. Viele Menschen können mit dem entspre- chend vermuteten Schlafmangel gut umgehen und De- fizite weitgehend, aber nicht vollständig kompensieren, wogegen andere mit dem gleichen Schlafmangel bereits erhebliche Symptome wie Tagesschläfrigkeit entwi- ckeln können. Man kann für sich selber beispielsweise in den Ferien abschätzen, wie gross das Schlafbedürfnis Ist die Schlafdauer optimal, braucht es morgens keinen Wecker. Foto: Stocksy 6 – Magazin P&G, Juli 2021
Schwerpunkt zunehmend Gefahr läuft, die Ressource Schlaf über Gebühren zu strapazieren. Das Arbeitsethos in vielen Unternehmungen verlangt – aus schlafmedizinischer Sicht durchaus zu Unrecht – zunehmend, dass Arbeit- nehmer auch in Nachtstunden und am Wochenende erreichbar sind und E-Mails beantworten. Die zuneh- mende Digitalisierung unserer Gesellschaft macht aber auch vor dem Privaten nicht halt, mit einem erheblichen Teil von Mitmenschen, welche sowohl auf der Strasse wie auch nachts im Bett vor den kleinen Bildschirmen festkleben und Zeichen einer parallelen Welt harren, welche solcherart nicht nur den Schlaf, sondern auch den Kontakt zur Umwelt deprivieren. Interessanterweise ist die Digitalisierung nicht nur Feind, sondern möglicherweise in Zukunft auch zuneh- Schlaf im Jugendalter mend Freund eines guten Schlafes. Bereits jetzt sind viele Smart Devices mit mehr schlecht als recht vali- Schlaf ist während sämtlicher Lebensphasen eine dierten Applikationen verfügbar, welche den Schlaf der Grundstützen der psychischen und physischen Ge- messen, in Neudeutsch «tracken» sollen. Sofern solche sundheit. So auch in der Adoleszenz. Der Schlaf ist dabei wichtig für die Gehirnentwicklung und unterstützt Messungen einzig dazu dienen, ein Bewusstsein für die sozialen, kognitiven und emotionalen Entwick einen guten und ausreichenden Schlaf zu schärfen, ist lungsschritte in der Jugendzeit. dagegen nichts einzuwenden. Die exzessive Beschäfti- gung mit dem Schlaf kann allerdings gegenteilige Wir- • Aufgrund biologischer Prozesse verändert sich der kungen entfalten, indem die Angst vor einem ungenü- Schlaf-Wach-Rhythmus, sodass viele Jugendliche zu gend bemessenen Schlaf die Qualität von ebendiesem «Nachteulen» werden. Zudem wird der Schlafdruck dann tatsächlich mindern kann. Demgegenüber haben während des Wachseins langsamer aufgebaut als im neuere Entwicklungen wie mobile Geräte, welche den Kindesalter, wodurch Jugendliche länger und später Schlaf nicht nur messen, sondern zusätzlich personali- wach sein können. Die Kombination dieser biologi- siert verändern können, ein grosses Potenzial, wenn sie schen Veränderungen führt bei vielen Jugendlichen wissenschaftlich gut getestet und eingeführt werden. zu späteren Schlafenszeiten. Als Beispiel sei an dieser Stelle das von uns verfolgte • Die ideale Schlafdauer verändert sich im Vergleich Projekt SleepLoop der Hochschulmedizin Zürich ge- zur Kindheit nicht – sie liegt im Durchschnitt bei nannt, welches mit einem Kopfband den Schlaf indivi- ungefähr neun Stunden. duell und zu medizinischen Zwecken verbessern soll. • Die Aufwachzeit bleibt aufgrund des frühen Schul Diese und andere Entwicklungen zeigen, dass die Zu- beginns meist unverändert. Durch die gleichzeitige kunft des Schlafes unter Umständen spannender wird, Verschiebung der abendlichen Schlafenszeiten als manche von uns vermutet hätten. ist chronischer Schlafmangel im Jugendalter häufig. • Schlaf und psychische Störungen stehen in engem, bidirektionalem Zusammenhang. Schlechte Schlaf- qualität beeinflusst die psychische Gesundheit und umgekehrt führen psychische Störungen zu schlech- tem Schlaf. Die Behandlung von Schlafproblemen bei Jugendlichen verbessert deswegen nicht nur den Schlaf per se, sondern beeinflusst auch das Wohl befinden auf positive Art und Weise. Prof. Dr. med. Christian Baumann • Ein ernsthaft gestörter Schlaf ist allgemein eines Leitender Arzt der häufigsten Symptome bei psychischen Krisen. Klinik für Neurologie, UniversitätsSpital Zürich Was weniger intuitiv ist, ist die Tatsache, dass bei christian.baumann@usz.ch neurologie.usz.ch einigen Krankheitsbildern die Schlafprobleme schon vor dem Auftreten der Erkrankung beginnen und ein Prädiktor für zukünftige psychische Erkrankungen sein können. Besserer Schlaf allein wird eine psy chische Erkrankung natürlich nicht heilen, aber die Problematik auf lange Sicht verbessern. Autorinnen: Dr. Leila Tarokh, Chiara Fontanellaz-Castiglione und Salome Wild Foto: zVg Magazin P&G, Juli 2021 – 7
Schwerpunkt Wettbewerbsvorteil ausgeruhte Mitarbeitende Dass Unternehmen in die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden investieren, ist heutzutage weit verbreitet. Erholung und Schlaf stehen dabei aber selten im Fokus – zu Unrecht. Text: Reto Etterli I n unserer hektischen Leistungs- und weil dadurch der natürliche Tag-Nacht- ein regelmässiger Wach-Schlaf-Rhyth- 24-Stunden-Gesellschaft wird der Rhythmus durcheinandergerät. mus zentral. Die Schlafdauer ist indivi- Schlaf oft wie ein verzichtbarer Wer viel arbeitet und wenig schläft, duell und hat im letzten Jahrhundert in Luxus vernachlässigt. Mit Folgen: Jeder wird noch heute als Ikone unserer Leis- den industrialisierten Ländern um rund dritte Erwachsene in der Schweiz hat tungsgesellschaft gefeiert. Dennoch ist 2,5 Stunden auf weniger als 7 Stunden Schlafprobleme. Fakt ist: Mitarbeitende ein Umdenken beobachtbar, denn seitens pro Nacht abgenommen. (Während der mit Schlafdefiziten verunfallen häufiger, der Schlafforschung ist erwiesen: Unter Homeoffice-Pflicht zeichnete sich ein sind öfter krank und leisten weniger. Be- fünf Stunden Schlaf sind für jede und positiver Gegentrend ab.) Chronisch sonders belastet sind Arbeitnehmende, jeden auf Dauer zu wenig. Damit wir uns übermüdet zu sein, ist heute verbreitet – die Schicht- und Nachtarbeit leisten, erholt fühlen, sind Qualität, Dauer und viele kennen es gar nicht mehr anders. Das ist fatal, denn wer übermüdet unter- wegs ist, gefährdet seine Sicherheit, Ge- sundheit, neigt eher zu risikoreichem Powernaps bieten kurzzeitige Erholungsinseln. sowie unethischem Verhalten und trägt zum volkswirtschaftlichen Produktivi- tätsverlust bei. Demnach müssten Unter- nehmen ein grosses Interesse an aus Angebote der Suva Die Suva berät und unterstützt Unternehmen, ob Suva-versichert oder nicht, mit massgeschneider- ten Kampagnen und Präventions- angeboten zum Thema Schlaf. Die beiden Module «Gut schlafen – sicherer und gesünder leben» und «Schichtarbeit – sicherer und gesünder gestalten» können als Workshop gebucht werden. → suva.ch/praeventionsmodule Foto: iStock 8 – Magazin P&G, Juli 2021
Schwerpunkt geschlafenen Mitarbeitenden haben. Regulierungen: Telefon- und E-Mail-Zeiten Wünschen sie sich doch sicherheitsbe- festlegen, Mailserver über Nacht und am Praxisbeispiel wusste, gesunde und leistungsfähige Wochenende ausschalten Mitarbeitende. Flexible Arbeitszeiten: Wo möglich sinn- Am Hauptsitz von Sonova in Stäfa voll, weil dadurch die Mitarbeitenden die werden verschiedene betriebliche Erholung dient allen Arbeit mit ihrem Chronotyp (Morgen- / Massnahmen zur Förderung der Punkto Sicherheit: Laut Untersuchungen Abend-Typ) vereinbaren können Erholung umgesetzt. Die verschie- denen Teams des Hörlösungsan- der Suva haben übermüdete Menschen Technische Massnahmen: Lichtverhältnis- bieters arbeiten teils rund um die ein fast doppelt so hohes Risiko für Be- se dem circadianen Rhythmus anpassen, Uhr und über verschiedene Zeit- rufs- und Freizeitunfälle. Wer übermü- für eine angenehme Temperatur und zonen hinweg. Erholung und Schlaf det ein Fahrzeug lenkt, setzt sich sogar genügend Frischluft sorgen sind daher zentrale Themen. Mit einem 7- bis 8-fach höheren Risiko zu Ruheräume: Die erholsame und leistungs- der Zeitumstellung im Herbst 2019 verunfallen aus. Schlafmangel beein- steigernde Wirkung von Powernapping wurde das Präventionsmodul «Gut trächtigt unsere Wahrnehmung, Gefah- ist belegt; Kultur schaffen, dass Vorge- schlafen – sicherer und gesünder reneinschätzung, Reaktionszeit, motori- setzte und Mitarbeitende Ruheräume leben» von der Suva (siehe Infobox schen Fähigkeiten und unser Risikover- auch nutzen linke Seite) durchgeführt. Dazu halten, wie dies unter Alkohol der Fall ist. Auf der anderen Seite ist es auch sinn- wurde die Belegschaft im Vorfeld So wirken bereits 17 Stunden ohne Schlaf voll, auf der personenbezogenen Ebene mit einem Plakataushang sen sibilisiert, und die Mitarbeitenden wie 0,5 Promille Alkohol im Blut, ent- (Mitarbeitende) schlafförderliche Mass- haben an einem Schlafquiz sprechend 24 Stunden wie 1,0 Promille! nahmen umzusetzen. teilgenommen. Verena Meier, Punkto Gesundheit: Die Liste möglicher Sensibilisierung: Über Wichtigkeit von BGM-Verantwortliche bei Sonova, gesundheitlicher Folgen von anhalten- Schlaf und Tipps für eine gute Schlaf- empfiehlt das Quiz als Einstieg: dem Schlafmangel ist lange (siehe Arti- hygiene aufklären «Es regt zum Reflektieren über kel Seite 5). Die gute Botschaft: 80 Pro- Präventive Angebote: Ressourcen stärken das eigene Schlafverhalten an und zent aller Schlafprobleme können durch mit Achtsamkeits- und Entspannungs- schafft einen Zugang zu einem Befolgen einfacher Schlaftipps (siehe trainings sonst eher privaten Thema.» Seite 10) gelöst werden. Die Umsetzung im Alltag liegt dann in Nebst Quiz und Plakaten wurde Punkto Performance: Es ist belegt, dass der Eigenverantwortung der Mitarbei- auch der dazugehörige Work- ausgeruhte Menschen motivierter, pro- tenden. shop durchgeführt. Während des Workshops erfahren die Teilneh- duktiver, konzentrierter, und belastba- Zahlreiche Firmengrössen wie Goog- menden, wie wichtig ein erholsa- rer sind. Die US-Denkfabrik Rand Cor- le und Co., aber auch Schweizer KMU, mer Schlaf für ihre Sicherheit poration hat analysiert, welche Kosten haben die Wichtigkeit und das Potenzial und Gesundheit ist. Sie lernen unausgeschlafene Angestellte verursa- erholter Mitarbeitenden erkannt und set- ihre persönliche Schlafsitua- chen. Der Schweizer Studienleiter Marco zen entsprechende Massnahmen um. Es tion einschätzen und erhalten Hafner, der für Rand im britischen Cam- wäre wünschenswert, wenn künftig alle schlafförderliche Tipps zur bridge forscht, hat seine Berechnungen Unternehmen dem Thema Schlaf die Optimierung ihrer Schlafhygiene. auf die Schweiz übertragen. Er schätzt: nötige Aufmerksamkeit schenken und Bei einer anderen Gelegenheit Schweizer Unternehmen verlieren pro in den Wettbewerbsvorteil «ausgeruhte wurde ein Fahrsimulator der Jahr bis zu 4,5 Millionen Arbeitstage. Mitarbeitende» investieren würden. Fachstelle «Am Steuer Nie» Denn jemand, der weniger als 6 Stunden aufgestellt. An diesem konnten Mitarbeitende in nüchternem pro Nacht schläft, verliert pro Jahr etwa und ausgeschlafenem Zustand 5 bis 10 Arbeitstage im Vergleich zu je- erleben, wie sich Müdigkeit, mandem, der zwischen 7 und 9 Stunden Alkohol und andere Substanzen schläft. Der Schweizer Volkswirtschaft auf die Fahrtüchtigkeit auswir- entgehen pro Jahr somit zwischen 5 und ken. Auch nach der Corona-Pan- 8 Milliarden Franken. demie will Sonova weiter für Reto Etterli das Thema Erholung und Schlaf Arbeitspsychologe MSc FHNW Was Unternehmen tun können Präventionsberater Suva sensibilisieren und den Schlaf- Es ist deshalb ratsam, dass sich Firmen Reto.Etterli@suva.ch Workshop erneut durchführen. des Themas Schlaf annehmen. Sie kön- «Denn Schlaf zu thematisieren, nen einerseits bei den betrieblichen Ver- ermöglicht auch, über psychische Gesundheit zu sprechen», er- hältnissen ansetzen, das heisst für Ar- gänzt Verena Meier. beitsbedingungen und ein Klima sorgen, die nicht zu schlaflosen Nächten führen. Fahrsimulator unter Führung: Gesunde Führungskultur för- → amsteuernie.ch dern, Vorgesetzte für Themen wie Schlaf sensibilisieren Foto: zVg Magazin P&G, Juli 2021 – 9
Schwerpunkt Besser schlafen Elektronische Geräte Der nahezu unendliche Strom an Nach- richten, besonders in sozialen Medien, kann zu einer sogenannten «fear of missing out», also zur Angst, etwas Praktische Tipps zum Ausprobieren zu verpassen, führen. Schalten Sie elektronische Geräte daher rechtzeitig vor dem Schlafengehen aus. Wirklich Text: Christine Blume Wichtiges werden Sie auch am nächsten Tag erfahren. Ernährung Ein/e Schweizer/in trinkt pro Jahr durchschnittlich mehr als 1000 Tassen Kaffee. Zu spät und zu viel davon kann jedoch den Schlaf stören. Auch Alkohol und schwer verdauliche Speisen am Abend sind dem Schlaf eher wenig zuträglich. Die letzte Hauptmahlzeit sollte daher nicht zu knapp vor dem Zubettgehen ein genommen werden. Homeoffice Gerade im Homeoffice sind Arbeit und Freizeit oft nur schwer trennbar, und es passiert leicht, dass wir den Arbeits Bewegung / Natur alltag «mit ins Bett nehmen». Um dies zu Körperliche Bewegung und viel natürliches verhindern, sollten Arbeiten und Schla- Tageslicht geben der inneren Uhr eine gute fen möglichst gut getrennt werden, zum Orientierung. Dadurch helfen Sie uns, am Beispiel durch eine räumliche Tren- Abend schnell ein- und gut durchzuschlafen. nung und durch den Wechsel zwischen Versuchen Sie, mindestens dreissig Minuten Arbeits- und Freizeitkleidung. pro Tag unter freiem Himmel zu verbringen. 10 – Magazin P&G, Juli 2021
Schwerpunkt Einschlafprobleme Abendrituale Vielen Menschen fällt es abends nicht Abendrituale signalisieren dem Körper, leicht einzuschlafen. Oft lässt sich das dass es langsam Zeit wird, sich auf Karussell der Gedanken und Sorgen die Nacht einzustellen. Dabei gibt es kein nur schwer anhalten. Wenn man innert Patentrezept. Ob ein warmes Bad, ein zwanzig Minuten nicht einschlafen kann, gutes Buch oder eine Tasse heisse Milch sollte man nicht im Bett liegen bleiben, mit Honig – tun Sie etwas, was Sie sondern aufstehen und erst wieder ins entspannt und Ihnen guttut. Bett gehen, wenn man sich müde genug fühlt, um schnell einzuschlafen. Chronotyp Ob Frühaufsteher oder Nachteule, wir haben alle eine individuelle und biologische Präferenz für ein «Schlaffenster». Wenn äussere Umstände wie flexible Arbeitszeiten es erlauben, kann es einen gesunden Schlaf unter stützen, die Termingestal- tung an die Bedürfnisse des Körpers anzupassen. Mittagsschlaf Am frühen Nachmittag erleben einige Menschen ein kleines «Energie- tief». Dann kann ein kurzer Powernap sinnvoll sein. Dieser sollte jedoch nicht länger als zwanzig Minuten dauern. Sonst kann es sein, dass das Einschlafen am Abend umso schwerer fällt. Illustration: iStock; Foto: Michael Brauer Stress und ständige Erreichbarkeit Ständige Erreichbarkeit, Termindruck und Alltags- sorgen machen es vielen Menschen schwer, am Abend in einen stabilen und erholsamen Schlaf zu finden. Entspannungs-, Achtsamkeits- oder Dr. Christine Blume Meditationsübungen können helfen, den Stress Psychologin und Postdoktorandin gezielt zu reduzieren, und dadurch auch den Zentrum für Chronobiologie, Universität Basel Schlaf verbessern. christine.blume@upk.ch Magazin P&G, Juli 2021 – 11
Schwerpunkt Macht Lärm krank? Lärm stört nicht nur unseren Schlaf, sondern beeinflusst auch unsere Gesundheit. Wie genau, erklärt uns Umweltepidemiologe Martin Röösli im Gespräch. Interview: Nina Hodel Strassenlärm kann Erkrankungen der Herzkranzgefässe mitverursachen. Herr Röösli, nicht alle fühlen subjektive Empfinden spielt aber keine Welche konkreten Zusammen- sich durch Lärm gestört. Heisst entscheidende Rolle für die Gesundheit. hänge zwischen Lärm und das, dass auch nicht alle die Es gibt beispielsweise einen Zusammen- Gesundheit gibt es? gesundheitlichen Auswirkungen hang zwischen Diabetes und Lärmbelas- Die Evidenz ist stark, dass Strassenlärm von Lärm spüren? tung – auch wenn der Lärm subjektiv als Erkrankungen der Herzkranzgefässe Es gibt tatsächlich sehr unterschiedliche nicht störend wahrgenommen wird. mitverursacht. So sind z. B. rund 500 subjektive Belästigungsempfinden und Lärm ist deshalb kein Toleranzproblem, der jährlichen Herz-Kreislauf-Todesfälle Sensitivitäten. Bei unseren Umfragen sondern betrifft uns alle. Und er ist nach in der Schweiz unter anderen auch auf zeigt sich oft, dass es Menschen gibt, die der Luftverschmutzung aktuell der den Faktor Lärm zurückzuführen. Wei- Fotos: Keystone / Gaëtan Bally, zVg sich trotz hohem Umgebungslärm nicht zweitgrösste Umweltfaktor, der auf un- ter konnten wir aufzeigen, dass Lärm die belästigt fühlen. Andere fühlen sich sere Gesundheit einwirkt. metabolische sowie die mentale Gesund- schon von geringem Lärm gestört. Das heit beeinträchtigt. Beispielsweise er- 12 – Magazin P&G, Juli 2021
Schwerpunkt höht sich bei Strassen- und Fluglärmbe- dacht, am besten schon in der Raumpla- lastung das Risiko, an einer Depression nung oder dann sicherlich in der Gebäu- zu erkranken. Bei einer aktuell laufenden deplanung. So lassen sich Gebäude und Studie zeigen sich zudem Hinweise dar- Räume so ausrichten, dass die Schlaf- auf, dass Kinder, die starkem Lärm expo- zimmer einer möglichst tiefen Lärmbe- niert sind, reduzierte kognitive Fähigkei- lastung ausgesetzt sind. ten aufweisen und Lärm bei Jugendlichen Nebst den Grenzwerten sind zudem zu Hyperaktivität führt. Und nicht zu- die Massnahmen an der Quelle sehr letzt stört Lärm unseren Schlaf. wichtig: Tempobeschränkung, leichtere Autos, lärmarme Reifen und Strassenbe- Was schadet uns mehr: läge. So liesse sich die Lärmbelästigung Lärm während des Tages oder um bis zu zehn Dezibel reduzieren. Das während der Nacht? «Lärmreduzierende mag nach einer kleinen Zahl klingen, Das ist schwierig zu sagen. Rein vom aber zehn Dezibel entsprechen zehnmal Mechanismus her gehen wir davon aus, Massnahmen weniger Schallenergie, die losgelassen dass der Lärm in der Nacht aber schädli- bereits in wird, was sich mit zehnmal weniger Ver- cher ist, da er dann nicht nur einen kehr vergleichen lässt. Von solchen Mass- Stressfaktor darstellt, sondern auch Aus- der Planung nahmen profitieren deshalb alle. Zweite wirkungen auf den Schlaf hat. Schlechter mitzudenken, Prioritäten haben Massnahmen auf dem Schlaf wirkt sich wiederum negativ auf Ausbreitungsweg wie Schallschutzfens- die kardiometabolische sowie die men- lohnt sich.» ter oder Lärmschutzwände. Aber gerade tale Gesundheit aus. Martin Röösli Lärmschutzwände verändern den Sied- lungsraum häufig nachteilig. In der Schweiz gibt es für die Lärmbelastung Grenzwerte. Prof. Dr. Martin Röösli Leiter der Einheit Umwelt und Gesundheit am Hat Lärm nur dann einen Schweizerischen Tropen- und Public-Health- Einfluss, wenn die Belastung Zusätzlich spielt aber auch die Bausub Institut (Swiss TPH) oberhalb dieses Wertes liegt? stanz eine Rolle: Neuere und teurere Dosis-Wirkungs-Beziehungen verlaufen Gebäude sind oftmals besser isoliert und in der Regel linear. Grenzwerte sind da- ausgestattet, etwa mit automatisierten her keine Werte, unterhalb derer keine Fenstern, die sich erst nach dem Start Effekte mehr nachgewiesen werden kön- des letzten Flugzeugs öffnen und von nen. Sie gewährleisten einen Mindest- selbst wieder schliessen, bevor der erste schutz der Bevölkerung. Aber es ist Jet am Morgen startet. wichtig, dass man ganz grundsätzlich versucht, Lärm zu reduzieren. Oftmals Welche Herausforderungen wird die Effektivität von Massnahmen – kommen in Sachen Lärmschutz etwa die Einführung einer 30er-Zone – künftig auf uns zu? daran gemessen, wie viele Haushalte von Es gibt einen Trend zur Verdichtung der Einführung profitieren würden. Man von Siedlungen; ebenso der Trend zur misst dann, welche Haushalte aktuell 24-Stunden-Gesellschaft. Beide Ent- über dem Grenzwert liegen und wägt die wicklungen bergen im Hinblick auf die Einführung der Tempobeschränkung Lärmbelastung natürlich ein Konflikt- anhand dieser Zahl ab. Aus wissen- potenzial. Zudem – und das ist jetzt sehr schaftlicher Sicht profitieren aber nicht subjektiv – nehme ich wahr, dass die Fachstelle Lärmschutz nur die Haushalte, die oberhalb des Rücksichtnahme in der Gesellschaft im- Bei Anliegen rund um die Lärmbe- Grenzwertes liegen, sondern alle, die in mer weniger wird, gerade in Städten, wo lastung und den Schallschutz an Hörweite der Strasse leben. verschiedene Bedürfnisse zu verschiede- Veranstaltungen im Kanton Zürich nen Uhrzeiten aufeinandertreffen. Diese berät und informiert die kantonale Wer ist besonders von Entwicklungen akzentuieren das Lärm- Fachstelle Lärmschutz. Aktuelle Lärm betroffen? problem in Zukunft eher. Erkenntnisse zum Thema werden Beim Verkehrslärm sind Gesellschafts- im Newsletter «Infoservice schichten mit tieferen Einkommen stär- Welche Empfehlungen Lärmschutz» und auf der Website ker betroffen. Dies liegt an den wirt- leiten sich aus all diesen publiziert. schaftlichen Möglichkeiten, da Woh - Erkenntnissen ab? nungen an lärmexponierten Stellen oft Idealerweise werden lärmreduzierende → zh.ch/laerm günstiger sind als an ruhigeren Orten. Massnahmen so früh wie möglich mitge- Magazin P&G, Juli 2021 – 13
Essay E ntwicklung bezeichnet die in allen Lebenspha- sen auftretenden, nachhaltigen Veränderungen des Erlebens und Verhaltens; Entwicklung ist als ein über den gesamten Lebenslauf offener (dyna Vom Leben mischer) Prozess zu begreifen, wobei sich Offenheit auf neue Erlebnisse und Erfahrungen bezieht. Verän- derungen vollziehen sich dabei auf unterschiedlichen Entwicklungsdimensionen (der körperlichen, der und seelischen, der geistigen Dimension), folgen unter- schiedlichen Entwicklungsgesetzen und weisen in unterschiedliche Richtungen. Altern bezeichnet den kontinuierlichen Gestaltwandel des Körpers über den gesamten Lebenslauf. Wir sind nicht ab einem bestimm- ten Zeitpunkt in unserer Biografie «alt» (auch wenn wir uns vielleicht ab einem bestimmten Zeitpunkt alt füh- len), sondern wir altern von der Konzeption bis zum Altern Tod. Die Hervorhebung des kontinuierlichen Gestalt- Text: Andreas Kruse wandels ist deswegen so wichtig, weil wir in diesen kreativ eingreifen können: durch Gesundheitsför derung, durch Prävention. Die in früheren Lebens abschnitten geleistete Investition in körperliche Ge- sundheit und Aktivität wirkt sich positiv auf den Alternsprozess, also den Gestaltwandel in späteren Lebensphasen aus: Bestimmte Formen und Grade von Verletzlichkeit bleiben aus oder aber treten deutlich später auf, bestimmte Formen und Grade von Anpas- sungs- und Widerstandsfähigkeit sind mit höherer Wahrscheinlichkeit erkennbar. Es lohnt sich also, in Gesundheit und Aktivität zu investieren, und zwar «von Kindesbeinen an». Veränderungen im Altern lassen sich – in einer ersten Näherung – drei unterschiedlichen Dimensionen zuord- nen. In der physiologisch-biologischen Dimension sind mit zunehmendem Alter eher Verringerungen der Anpassungs- und Erholungsfähigkeit wie auch der Leis- tungskapazität des Organismus erkennbar: Diese äußß- ern sich in einer erhöhten Verletzlichkeit oder An- fälligkeit des alten Menschen für Erkrankungen. In der psychologischen Dimension finden sich sowohl Gewin- ne als auch Verluste: Gewinne sind vor allem in jenen seelisch-geistigen Funktionen zu beobachten, die auf Erfahrung und Wissen sowie auf der gelungenen Aus- einandersetzung mit Entwicklungsaufgaben in frühe- ren Lebensjahren beruhen; hier kann auch von einer Differenzierung der Persönlichkeit gesprochen werden. Verluste treten eher in Bereichen auf, die an die Umstel- lungsfähigkeit von Nervenzellverbänden gebunden sind, wie zum Beispiel das Kurzzeitgedächtnis oder die hohe Geschwindigkeit im Denken. In der sozialen Di- mension ist mit Altern auf der einen Seite der Verlust bedeutsamer sozialer Rollen verbunden. Auf der ande- ren Seite bedeutet in unserer Gesellschaft das Ausschei- den aus dem Beruf für nicht wenige Menschen eine «späte Freiheit». Sie können nun etwas Neues versu- chen, sich neuen Aufgaben und Möglichkeiten zuwen- den und dabei einmal mehr ihre schöpferischen Poten- ziale wahrnehmen. 14 – Magazin P&G, Juli 2021
Essay Ein bedeutendes Merkmal seelisch-geistiger Entwick- deren Verwirklichung zu reflektieren. Die Fähigkeit zur lung bildet die Selbstregulation der Person, das heisst Selbstregulation ist zum einen als das Ergebnis bishe- deren Fähigkeit, Ziele zu definieren und Emotionen, riger, zum anderen als Grundlage für die weitere see- Gedanken und Handlungen auf die Zielverwirklichung lisch-geistige Entwicklung zu verstehen. zu konzentrieren, wobei Zieldefinition und Zielver- Einen wichtigen Aspekt unseres Lebens bildet das wirklichung auch mit den gegebenen Situations- und persönlich sinnerfüllte Engagement; dieses kann sich pri- Umweltbedingungen abzugleichen sind. In dem Masse, mär oder sogar allein auf die persönliche Lebensgestal- in dem es der Person gelingt, (a) ihre eigene Lebensge- tung beziehen, dieses kann aber auch auf andere Men- staltung auch an Werte, Ziele und Absichten zu knüpfen schen bzw. auf die Gesellschaft als Ganzes gerichtet und ihre Ressourcen produktiv in deren Verwirkli- sein. In ersterem Falle ist die Sorge der Person für sich chung, mithin in die bewusste Lebensgestaltung ein- und um sich selbst angesprochen, in letzterem Falle ihre zubringen und (b) dabei immer wieder zu einem produktive Sorge für andere und um andere Menschen. Gleichgewicht zwischen ihren Bedürfnissen und Wer- Gerade dieses letztgenannte Engagement – Sorge für ten einerseits, den aktuell gegebenen Lebens- und Um- und um andere Menschen – ist für ein umfassendes weltbedingungen andererseits zu finden, schafft sie Verständnis der inneren und äusseren Situation alter eine bedeutende Grundlage für die weitere see- Menschen wichtig. Was die innere Situation angeht, so lisch-geistige Entwicklung. In diesem Zusammenhang lässt sich feststellen, dass jene alten Menschen, die ist auch produktive, wahrhaftige Kommunikation mit davon überzeugt sind, eine Aufgabe zu haben, vielfach anderen Menschen wichtig: Denn sie hilft, über die ei- eine hohe Lebenszufriedenheit und ein ausgeprägtes genen Entwicklungsmöglichkeiten und die Wege zu Sinnerleben zeigen. Gerade das persönliche Engage- ment für junge Menschen vermittelt die Überzeugung, einen bedeutenden Platz in der Gesellschaft einzuneh- men und selbst dann Spuren in dieser zu hinterlassen, wenn man physisch nicht mehr existiert. Mit Blick auf die äussere Situation vermittelt die praktizierte Sorge um und für andere Menschen Wege zur Integration und zur Teilhabe, die ihrerseits positiv auf die innere Situ- ation wirken: Denn Integration und Teilhabe sind zen- trale Bedingungen für das Erleben von Bezogenheit, welches für Lebenszufriedenheit und Sinnerleben, ja sogar für Glücksgefühle von grosser Bedeutung ist. Prof. Dr. Andreas Kruse Direktor Institut für Gerontologie, Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg andreas.kruse@gero.uni-heidelberg.de Die Gesundheit stärken Auf der Website gesund-zh.ch finden sich vielfältige Informationen sowie eine kunter- bunte Palette an Angeboten, mit denen ältere Menschen ihre Gesundheit stärken können. Die Website wurde im Rahmen des kantonalen Aktionsprogrammes Alter entwickelt. Das Programm fördert Massnahmen in den Berei- chen psychische Gesundheit, Ernährung und Bewegung mit dem Ziel, die Lebensqualität der älteren Bevölkerung im Kanton Zürich zu stärken. → gesund-zh.ch Foto: Stocksy Magazin P&G, Juli 2021 – 15
Auf einen Blick BETREUENDE ANGEHÖRIGE BEWEGUNG Entlastung Die Schweiz entdecken für betreuende Der Verein Zürcher Wanderwege lädt dazu ein, den Kanton Angehörige Zürich über die offiziellen Wanderwege zu erkunden. Aber auch über die Kantonsgrenzen hinaus gibt es entlang Menschen, die ein krankes oder betagtes Familienmitglied den gelbbeschilderten Wege so einiges zu sehen. Deshalb betreuen, sind oft grossen Belastungen ausgesetzt. Im publiziert der Verein in regelmässigen Abständen eine Kurs «Heb dir Sorg» lernen betreuende Angehörige, wie Broschüre mit schweizweiten Wandervorschlägen, die das Sie im Alltag ihr Wohlbefinden stärken, Kraft tanken und ganze Jahr hindurch absolviert werden können. Die Wan zu mehr innerer Ruhe finden können. Auch der Erfah- derleiterinnen und -leiter begleiten dabei fachkundig. rungsaustausch mit anderen Kursteilnehmenden kommt nicht zu kurz. Der Kurs beginnt im September. Er findet → Broschüre bestellen: zkb.ch/wanderprogramm online statt und ist kostenlos. → Verein Zürcher Wanderwege: zuercher-wanderwege.ch Betreuende Angehörige haben oft zu wenig Zeit, um sich über Entlastungsangebote zu informieren und Antworten auf wichtige Fragen zu finden. Das Schweizerische Rote GEFÄHRLICHER MISCHKONSUM Kreuz hat eine neue Website für Menschen aufgeschaltet, die ein Familienmitglied betreuen. betreuen.redcross.ch Factsheet bestellen bietet Informationen über Entlastungsangebote im Kanton und nimmt Themen auf wie Verunsicherung und In der Schweiz sind in den vergangenen Monaten mehrere Herausforderung, Verantwortung und Fürsorge, Belas- Jugendliche gestorben, weil sie Medikamente gemischt tung und Entlastung, Vorsorge und Finanzierung sowie mit Alkohol, Cannabis oder anderen Medikamenten und Abschied und Tod. Die Website ist in Zusammenarbeit mit Drogen missbräuchlich eingenommen haben. Das Fact betreuenden Angehörigen entstanden und enthält auch sheet der Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich Erfahrungsberichte. informiert Eltern und Jugendliche kurz und verständlich über die Risiken und zeigt, wie Jugendliche sich schützen können. Eltern erhalten In der Schweiz sind Jugendliche Auch in der Broschüre «Mir selber und anderen Gutes gestorben, weil sie Medikamente als Drogen verwendet haben. tun» geht es darum, dass betreuende Angehörige gut für Hinweise darüber, was sie tun können. Das sich selbst sorgen. Nur dann können sie auch ihre nahe- Factsheet eignet sich auch zur Thematisie- stehende Person gut unterstützen. Die neue Broschüre rung im Unterricht. Es kann im Kanton Bild: zVg Factsheet November 2020: Für Jugendliche und ihre Eltern Medikamente als Drogen gibt betreuenden Angehörigen Anregungen zur Stärkung Zürich kostenlos bestellt werden. Gerne In den vergangenen Monaten sind Jugendliche gestorben, weil sie als Drogen benutzten und gleichzeitig andere Medikamente es wichtig, diese Fakten und Empfehlungen Suchtmittel einnahmen. Darum ist zu kennen: können Sie auch grössere Mengen zur Um welche Medikamente geht es? des Wohlbefindens. Es geht um starke Schmerz- und Hustenmittel Schwarzmarkt: Keine Kontrolle (auf Opiatbasis), re- Auch wenn man die Medikamente von zeptpflichtige Schlaf- und Beruhigungsmittel Freunden bekommt: Sie sowie Medikamente stammen häufig vom Schwarzmarkt, denn zur Behandlung von ADHS*. Werden in der Apotheke kann diese Medikamente einge- man sie ohne ärztliches Rezept nicht nommen, ohne dass eine Ärztin/ein Arzt kaufen. Auf dem Schwarz- sie verschrieben hat, sind markt gibt es keine Qualitätskontrolle. damit grosse Risiken verbunden. Kriminelle Organisationen Verteilung bestellen. fälschen Medikamente. Die Packung und/oder die Tablette sehen Warum ist der Mischkonsum so echt aus, aber es kann etwas völlig anderes riskant? drin sein. Zum Beispiel Wenn diese Medikamente gleichzeitig ein komplett anderer Wirkstoff, gefährliche mit Alkohol, Cannabis oder Zusatzstoffe oder eine anderen Drogen eingenommen werden, viel zu hohe Dosierung. beeinflussen sich die Sub- stanzen im Körper (Wechselwirkungen). Diese Wechselwirkungen haben bereits in mehreren Fällen zum Tod geführt. Neuer Trend? Erfahre auf der Rückseite, Im Jahr 2018 haben gut 4 % der 15-Jährigen wie du dich schützen → Informationen Kurs: gesund-zh.ch angegeben, schon ein- mal Medikamente als Rauschmittel probiert meisten 15-Jährigen machen das also nicht. zu haben. Die aller- kannst. Aber: Der Wert hat sich zwischen 2014 und 2018 deutlich erhöht. → suchtpraevention-zh.ch/factsheet * Werden ADHS-Medikamente zur Behandlung → Website SRK: betreuen.redcross.ch eingenommen, besteht keine relevante eines diagnostizierten ADHS Suchtgefahr. →B roschüre bestellen: gesundheitsfoerderung-zh.ch/flyer- angehoerige PSYCHISCHE GESUNDHEIT Material für Schulen Mit der Kampagne «Wie geht’s dir?» setzen wir uns für die Stärkung der psychischen Gesundheit ein. Für Schulen der Sek I und Sek II hält die Kampagne gleich mehrere Angebote bereit: praxisnahe Unterrichtsmaterialien für beide Schulstufen, eine Karte mit den Notfallnummern für Jugendliche im Kanton Zürich, Plakate und Flyer Fotos: iStock, oneinchpunch / stock.adobe.com sowie eine App zum Führen eines Emotionen-Tagebuchs. Alle Angebote können im Kanton Zürich kostenlos genutzt werden. → gesundheitsfoerderung-zh.ch/pgkj 16 – Magazin P&G, Juli 2021
Auf einen Blick ÄLTERE MENSCHEN Stürze vermindern Für ältere Menschen kann ein Sturz schwerwiegende Folgen haben und zum Verlust der Selbstständigkeit führen. Wie gelingt es, Stürze zu vermeiden? Antworten auf diese Frage gibt die neue Broschüre «Selbststän- dig bis ins hohe Alter». Die Broschüre richtet sich an Menschen 65+. Diese können anhand weniger Fragen selber einschätzen, wie hoch ihre Sturzge- fährdung ist. Eine Checkliste hilft, das Wohnumfeld auf Sturzgefahren zu überprüfen und Änderungen in Angriff KINDER UND JUGENDLICHE zu nehmen. In der Broschüre finden Weiterführung des Leserinnen und Leser ausserdem An- gaben über Trainingsmöglichkeiten im kantonalen Programms Kanton Zürich sowie Tipps für den Alltag, die helfen, Stürzen vorzubeugen. Auch in den Jahren 2021 bis 2024 werden in einem direktionsübergreifen- → Bestellung und Download: gesundheits- den Aktionsprogramm Angebote zur Stärkung der Gesundheit von Kindern foerderung-zh.ch/bfu-sturzpraevention und Jugendlichen unterstützt. Im Bereich Ernährung und Bewegung werden die bisherigen Angebote durch den Fokus auf Jugendliche erweitert. Dabei wird in der Umsetzung die Jugendförderung im ausserschulischen Bereich einbezogen. Neu unterstützen wir die offenen Turnhallen an Sams- BEWEGUNG tagabenden und mit dem Projekt «défivélo» wird das Velofahren gefördert. Im Bereich psychische Gesundheit bleiben Angebote zur Förderung der Männer Lebenskompetenzen aktuell. Ein Beispiel dafür ist das Programm «du-bist- du», siehe Interview auf der Rückseite dieses Magazins. Schulen werden gesundheit neu bei der Implementation des Programms «Denk-Wege» und eines fördern Programms zur Achtsamkeitsförderung unterstützt. Das niederschwellige Bewegungs- →A ngebote Ernährung und Bewegung: gesundheitsfoerderung-zh.ch/ebkj und Sportgruppenangebot «Men on →A ngebote psychische Gesundheit: gesundheitsfoerderung-zh.ch/pgkj the Move» richtet sich an Männer mittleren Alters, die bereits gesund- heitliche Nachteile erfahren (z. B. SUIZIDPRÄVENTION reduzierte Fitness oder Übergewicht). Im Vordergrund stehen der Spass Flyer mit und der Austausch mit Männern in ähnlichen Lebenssituationen. Der Notfalladressen Kurs dauert zwölf Wochen, umfasst Reden kann retten. Bewegungsübungen und vermittelt Der aktualisierte Flyer «Adressen für den Notfall» kurze Inputs zu gesundem Lebensstil. Sprich über Suizidgedanken. richtet sich an Menschen in Krisen und ihr Umfeld. In einer Pilotphase suchen wir lokale Er enthält alle wichtigen Notfalladressen im Kanton Partnerorganisationen, die mithelfen, Zürich sowie eine ablösbare Karte für das Porte- den Kurs in Zürcher Gemeinden und monnaie, auf der die Adressen ebenfalls vermerkt nsche n in Kr r isen Quartieren umzusetzen. Interessierte sen fü Für Me Umfeld und ihr sind. Im Kanton Zürich kann der Flyer kostenlos Adres otfall Organisationen und Gemeinden den N bestellt werden. Gerne können Sie auch grössere 1 können sich direkt melden bei Mengen zur Verteilung bestellen. katrin.gille@uzh.ch. → gesundheitsfoerderung-zh.ch/notfallkarte → gesundheitsfoerderung-zh.ch/mom Magazin P&G, Juli 2021 – 17
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Suizidprävention Suizidalität bei Jugendlichen Suizidalität gibt es auch im Jugendalter. Die Früherkennung von suizidalen Krisen, aber auch präventive Massnahmen nach einem Suizidversuch sind besonders zentral. Text: Martina Blaser I n der Schweiz sterben jährlich gegen 40 100 Jugendliche und junge Erwach- 35 sene unter 25 Jahren durch Suizid (BFS, 2017) – das sind weniger, als in äl- 30 teren Altersgruppen. Suizidversuche hin- gegen sind bei dieser Gruppe deutlich 25 häufiger als bei älteren Personen. Zwi- 20 schen 15 und 19 Jahren ist deren Anzahl besonders hoch (siehe Grafik). 15 Zudem berichten fast 10 Prozent aller Personen unter 25 Jahren von Suizid 10 gedanken (SGB, 2017). Die Corona-Krise 5 und die dazugehörigen Einschränkungen scheinen den Leidensdruck und die Sui- 0 zidalität bei Jugendlichen noch zu ver- 9 4 9 4 + 4 9 4 9 4 9 4 9 4 9 4 –7 –1 –1 –2 –7 –5 –2 –4 –5 –3 –3 –6 –4 –6 –8 85 70 10 15 75 20 25 55 35 45 30 50 80 40 60 65 stärken. Gregor Berger, Leitender Arzt des Notfalldienstes in der Klinik für Kin- Frauen Männer der und Jugendpsychiatrie und Psycho- Personen mit mutmasslichen Suizidversuchen und Hospitalisierung sowie Wohnsitz im therapie (KJPP) des Kantons Zürich, be- Kanton Zürich 2017 / 18 nach Geschlecht und Alter, Raten pro 10 000 Einwohner stätigt dies: «Besonders seit der zweiten Quelle: Zellweger, U. & Bopp, M. (2020). Analyse der Daten der Medizinischen Statistik Welle von Corona wird der Kinder- und der Krankenhäuser 2008–2018 bezüglich Suizidversuche im Kanton Zürich. Unveröffentlicht. Jugendpsychiatrische Notfalldienst des Kantons Zürich häufiger beansprucht. sert. In diesem Moment sehen sie keinen vention setzen wir seit 2015 Massnahmen Ähnliche Beobachtungen machten die anderen Ausweg als den Tod. Zudem wer- um mit dem Ziel, Suizide und Suizidver- Notfallangebote anderer Kantone.» den solche suizidalen Krisen bei Jugend- suche bei Menschen aller Altersgruppen Doch wie kommt es zu Suizidgedan- lichen manchmal nicht erkannt, sondern zu reduzieren. ken oder sogar zu einem Suizid(-versuch) als normale pubertäre Stimmungs- bei jungen Menschen? Meistens gibt es schwankungen missverstanden. Jugend- Suizidprävention im Schulalltag mehrere Ursachen. Bei Jugendlichen sind liche brauchen Hoffnung und Perspekti- Ein Programmfokus liegt im schulischen Bewältigungsstrategien und Ressourcen ven von aussen, damit sie lernen, dass Setting, und zwar auf der Prävention noch nicht so stark entwickelt wie bei Krisen auch wieder vorbeigehen und und auf der Früherkennung von Schüle- Erwachsenen. Jugendliche, die psychisch bewältigt werden können. Im Rahmen rinnen und Schülern mit erhöhtem Risi- stark leiden, können sich nicht vorstellen, des kantonalen direktionsübergreifen- ko für Suizidalität. Wir sensibilisieren dass sich ihre Situation je wieder verbes- den Schwerpunktprogramms Suizidprä- dafür, dass ein wertschätzendes Foto: Stocksy Magazin P&G, Juli 2021 – 19
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