Schlafen - Juli 2021 Prävention und Gesundheitsförderung Magazin P&G - Prävention und Gesundheitsförderung Kanton ...

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Schlafen - Juli 2021 Prävention und Gesundheitsförderung Magazin P&G - Prävention und Gesundheitsförderung Kanton ...
Kanton Zürich
         Gesundheitsdirektion

        Magazin P&G
         Prävention und Gesundheitsförderung

        Juli 2021

       Schlafen
       Tipps für einen besseren Schlaf  –  S. 10

Wieso brauchen                Wettbewerbsvorteil               Suizidalität bei
wir Schlaf?  –  S. 4          erholte Mitarbeitende  –  S. 8   Jugendlichen  –  S. 18
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Schwerpunkt: Schlaf                                   Liebe Leserin, lieber Leser
 4	Während wir schlafen …

8	Wettbewerbsvorteil                                                               Schlaf ist etwas sehr Individuelles.
       ausgeruhte Mitarbeitende                                                     Manche von uns brauchen viel davon,
10     Tipps für besseren Schlaf                                                   manche weniger. Manchen fällt es
                                                                                    leicht einzuschlafen, andere brauchen
12     Macht Lärm krank?                                                            dazu Routinen und Rituale. Doch Schlaf
                                                             ist auch etwas Gesellschaftliches. So wird unser Schlaf durch
14     Essay                                                 unsere Umgebung, unsere Wohnsituation und durch unsere
       Vom Leben und Altern                                  Arbeits- und Schulzeiten beeinflusst. Vor allem aber ist Schlaf
                                                             – da ist sich die Wissenschaft einig – eine wichtige Ressource
16	
   Auf einen Blick
                                                             für unsere physische und psychische Gesundheit.
       Kurzmeldungen
18	
   Suizidprävention                                          Umso wünschenswerter ist es, dass wir regelmässig und genü-
       Suizidalität bei Jugendlichen                         gend schlafen können. Am besten in einer lärmarmen Umge-
22	
   Active City                                               bung und gerne auch mal tagsüber, sofern es unsere beruflichen
       Sport für alle                                        und privaten Verpflichtungen erlauben. Erfahren Sie in dieser
24	
   Interview                                                 Ausgabe, wie Schlaf und Gesundheit zusammenhängen – und
       LGBTQ-Menschen fördern                                was wir für einen besseren Schlaf tun können. Persönlich, als
                                                             Arbeitgebende, aber auch als Gesellschaft.

                                                             Weiter beschäftigt uns auf den folgenden Seiten die Suizidprä-
                                                             vention bei Jugendlichen, welche in dieser herausfordernden
Impressum                                                    Corona-Zeit besonders beachtet werden sollte. Ganz besonders
                                                             freut mich auch der Gastbeitrag von Prof. Dr. Andreas Kruse,
                                                             der am Präventionstag im vergangenen Februar ein mitreissen-
                                                             des Referat über gesundes Altern hielt.
             Institut für Epidemiologie,
Magazin P &G
            Biostatistik und Prävention
Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich
                                                             Mehr soll an dieser Stelle aber nicht vorweggenommen werden –
Herausgegeben vom: Institut für Epidemiologie,
Biostatistik und Prävention (EBPI) der Universität Zürich,   ich wünsche Ihnen eine erweckende Lektüre!
Abteilung Prävention und Gesundheitsförderung
im Auftrag der: Gesundheitsdirektion Kanton Zürich

Erscheinungsweise: zweimal jährlich                          Sibylle Brunner
Bestellung des Magazins: EBPI, Abteilung Prävention
und Gesundheitsförderung, Kanton Zürich,
                                                             Beauftragte des Kantons Zürich
Hirschengraben 84, 8001 Zürich,                              für Prävention und Gesundheitsförderung
Tel. 044 634 46 29, praevention@ebpi.uzh.ch,
www.gesundheitsfoerderung-zh.ch

Redaktionsleitung: Sibylle Brunner, Abteilungsleiterin,
EBPI, Abt. Prävention und Gesundheitsförderung,
Beauftragte des Kantons Zürich für Prävention und
Gesundheits­förderung
Redaktion: Nina Hodel, EBPI, Abt. Prävention und
Gesundheitsförderung, Tel. 044 634 46 33,
nina.hodel@uzh.ch; Maja Sidler, EBPI, Abt. Prävention
und Gesundheitsförderung, Tel. 044 634 46 60,
maja.sidler@uzh.ch
Auflage: 4’400 Exemplare
Layout: Crafft AG, Zürich
Druck: Schellenberg Druck AG, Pfäffikon

Artikel aus dem Magazin P&G können ohne ausdrückliche
Genehmigung der Redaktion übernommen werden, sind
aber vollständig abzudrucken und mit dem Quellen­
hinweis «Prävention und Gesundheitsförderung Kanton
                                                                                                                               Coverbild: Stocksy (2); Foto: zVg

Zürich» zu kennzeichnen. Davon ausgenommen sind
Beiträge, die mit einem Copyright-Vermerk versehen
sind. Die Verwendung von Bildern und Illustrationen ist
immer vorgängig mit der Redaktion zu klären.
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                                                                   1. SEPTEMBER

                                                                   BGM für junge Arbeitnehmende
                                                                   An der nationalen BGM-Tagung wird diskutiert, welche Massnahmen und
                                                                   Rahmenbedingungen junge Arbeitnehmende brauchen. Wie kann die langfris-
                                                                   tige Leistungsfähigkeit, die Motivation und insbesondere die Gesundheit der
                                                                   jüngeren Mitarbeitenden aktiv und kontinuierlich gefördert werden, ohne dabei
                                                                   die jungen Arbeitnehmenden zu überfordern?

                    5. JUNI – 28. AUGUST                           Zeit / Ort: 9.20 bis 16.30 Uhr, Kursaal Bern, Anmeldung bis 20. August unter bgm-tagung.ch
                                                                   Veranstalter: Gesundheitsförderung Schweiz in Kooperation mit der Suva und dem Staatssekretariat
                    Züri Wandertrophy                              für Wirtschaft, SECO

                    Während mehrerer Wochen gilt
                    es, ausgewählte Aussichtspunkte im
                    Kanton zu besuchen. Bei jedem
                    Wanderziel können Sie Ihre Ankunft             4. SEPTEMBER

                    digital bestätigen. Ende September             Aufwachsen von Kindern und
                    nehmen alle Teilnehmenden an einer
                    grossen Preisverleihung teil. Schöne           Jugendlichen fördern
                    Wanderwege und einmalige Aussich-
                    ten im Kanton erwarten Sie!                    An der Fachtagung erhalten die Teilnehmenden einen Überblick über die Mög-
                                                                   lichkeiten kommunaler Kinder- und Jugendförderung und über die heutigen
                    Zeit / Ort: Individuell wählbar, ausgewählte   Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen. In Workshops lernen sie Methoden
                    Wandervorschläge, kostenlos                    und Instrumente für die (Weiter-)Entwicklung der Kinder- und Jugendför-
                    Veranstalter: Zürcher Wanderwege
                    und Zürcher Kantonalbank,
                                                                   derung kennen. Die Fachtagung richtet sich an Personen mit strategischer
                    zuercher-wanderwege.ch/trophy                  Verantwortung im Bereich Kind und Jugend.
                                                                   Zeit / Ort: 9.45 bis 16.30 Uhr, FHNW Soziale Arbeit, Von Roll-Strasse 10, Olten, ab Fr. 160.–,
                                                                   Anmeldung bis 27. August unter tagung-kjf.ch
                                                                   Veranstalter: Fachhochschule Nordwestschweiz, FHNW

                    16. SEPTEMBER

                    Corona –                                          29. NOVEMBER
                    Sprungbrett zu                                    Spielen und Spielendenschutz
                    mehr Innovation?!
                                                                                                               Poker, Roulette, Sportwetten und Spiel­
                    Ortsunabhängige Kommunikations-
                                                                                                               automaten faszinieren sowohl offline
                    formen, Contact-Tracing, Impf­
                                                                                                               wie auch digital. Wie kann ein wirksamer
                    organisation oder -zertifizierung, neue
                                                                                                               Spielerschutz gewährleistet werden?
                    Standards in der Forschung und
                                                                                                               Welchen Beitrag können Präventions- und
                    zahlreiche weitere Fortschritte sind
                                                                                                               Behandlungsangebote, aber auch Anbieter
                    geprägt durch die aktuelle digitale
                                                                                                               leisten? Und welche Möglichkeiten gibt es
                    Dynamik der Pandemie. Was lernen
                                                                                                               für Betroffene und Angehörige? Gemeinsam
                    wir aus diesen Erfahrungen? Wie
                                                                                                               mit dem Zentrum für Spielsucht und an-
                    retten wir sie hinüber in die «neue,
                                                                                                               dere Verhaltenssüchte, das sein 10-jähriges
                    normale» Zeit? Die Trendtage Ge-
                                                                                                               Wirken feiert, nimmt sich das Forum P&G
                    sundheit Luzern suchen Antworten
                                                                                                               dieser Fragen an.
                    auf diese und weitere Fragen.
                    Zeit / Ort: 12.30 Uhr bis 18.15 Uhr,
                                                                      Zeit / Ort: Ab 17 Uhr im Zentrum Liebfrauen, Weinbergstr. 36, Zürich, weitere Informationen
                    online, kostenlos, mit Anmeldung unter
                                                                      und Anmeldung ab Herbst unter gesundheitsfoerderung-zh.ch
                    trendtage-gesundheit.ch
                                                                      Veranstalter: Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich,
                    Veranstalter: Forum Gesundheit Luzern
                                                                      Tel. 044 634 46 29, info@gesundheitsfoerderung-­zh.ch
Fotos: iStock (2)

                                                                                                                                                Magazin P&G, Juli 2021 – 3
Schlafen - Juli 2021 Prävention und Gesundheitsförderung Magazin P&G - Prävention und Gesundheitsförderung Kanton ...
Schwerpunkt

                             Während wir
                              schlafen …
                    Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend.
                  Aber wieso brauchen wir den Schlaf? Und wie beeinflusst
                                    er unsere Gesundheit?
                                      Text: Christian Baumann

4 – Magazin P&G, Juli 2021
Schlafen - Juli 2021 Prävention und Gesundheitsförderung Magazin P&G - Prävention und Gesundheitsförderung Kanton ...
Schwerpunkt

                S
                         chlaf ist eine biologische Funktion, welche uns
                         allen bestens bekannt ist. Oftmals, aber nicht
                         immer ist der Schlaf mit positiven Gefühlen
                assoziiert. Geschlafen wird im weichen und warmen
                Bett, fernab von Trubel, in einem selber gestalteten
                Umfeld und vielleicht neben einem besonders geliebten
                Menschen. Wer gut geschlafen hat, ist am nächsten Tag
                eher ausgeruht und fit für den Tag. Neuere Forschung
                weist darauf hin, dass ein guter, ausreichend langer und
                regelmässiger Schlaf ausserdem die Leistungsfähigkeit
                fördert, was sich Spitzensportler häufig zunutze ma-
                chen. Wer zu schlecht, zu kurz und zu unregelmässig
                schläft, wird nicht nur müder und schläfriger, sondern
                auch langsamer, fehleranfälliger und risikofreudiger.
                Lernen wird ebenfalls im Schlaf verstärkt, indem das
                Gedächtnis für gelernte Inhalte konsolidiert wird.

                Schlaf als Gesundheitsvorsorge
                Aus medizinischer Sicht ist es aber insbesondere be-
                deutsam, dass Schlaf und Gesundheit markant auf­
                einander einwirken. Wer krank ist, schläft häufiger
                schlechter. Andererseits wirkt sich ein schlechter, zu
                kurzer oder zu unregelmässiger Schlaf auf die Gesund-
                heit aus. Es mehren sich die Zeichen in der Wissen-
                schaft, dass verschiedene neurologische, psychiatri-
                sche und körperliche Erkrankungen durch einen
                Schlafmangel zumindest begünstigt werden können.
                Ein wichtiges und zunehmend gut erforschtes Gebiet
                ist diesbezüglich der Zusammenhang zwischen unge-
                nügendem Schlaf und neurodegenerativen Erkrankun-
                gen wie der Alzheimer-Demenz oder der Parkinson-Er-
                krankung. Es bestehen zunehmend Hinweise, dass ein
                verminderter Tiefschlaf über verschiedene diskutierte
                Mechanismen die Ablagerung von Eiweissen im Gehirn
                begünstigt, was mit Demenz oder Parkinson-Sympto-
                men einhergehen kann.
                   Auch für andere Erkrankungen bestehen deutliche
                Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen ungenü-
                gendem Schlaf und Erkrankung, wenngleich vielfach

                  Broschüre
                  «Gut geschlafen?»
                  In unserer Broschüre «Gut geschlafen?» finden
                  Sie Tipps für einen guten Schlaf und erfahren,
                  was Sie bei Schlafproblemen tun können.
                  Die Broschüre ist eine Ergänzung zum Flyer
                  «Schlaf- und Beruhigungsmittel: Abhängigkeit
                  vermeiden». Beide stehen auf unserer Web-
                  site als Download bereit und können im Kanton
                  Zürich kostenlos bestellt werden.

                  → gesundheitsfoerderung-zh.ch/schlafhygiene
                  → gesundheitsfoerderung-zh.ch/schlafmittel
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                                                  Magazin P&G, Juli 2021 – 5
Schlafen - Juli 2021 Prävention und Gesundheitsförderung Magazin P&G - Prävention und Gesundheitsförderung Kanton ...
Schwerpunkt

        die genauere Ursache noch nicht bekannt ist. So gibt es      effektiv sein könnte. Umgekehrt weist das Aufholen von
        beispielsweise Studien, die ungenügenden oder unre-          Schlaf am Wochenende (was nur teilweise möglich ist)
        gelmässigen Schlaf mit Übergewicht, Diabetes, anderen        darauf hin, dass unter der Woche zu wenig geschlafen
        Stoffwechselerkrankungen, Störungen des Immunsys-            wurde – der regelmässige Schlaf drückt sich also auch
        tems, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankun-           in der Schlafdauer aus. Optimal ist eine Schlafdauer,
        gen oder auch Erkrankungen des Kindes wie das ADHS           welche am Morgen den Wecker nicht erfordert.
        (Attention Deficit and Hyperacti-                                                      Selbstverständlich gehören zu
        vity Syndrome) assoziieren.                                                         den schlafhygienischen Prinzi­
           Aus diesem Grund wird Schlaf         «Schlaf ist wichtig                         pien auch Empfehlungen zur Um-
        zunehmend als wichtige zusätz-                                                      gebung des Schlafes. Geschlafen
        liche Säule für eine gute Gesund-
                                                  für eine gute                             werden soll, wenn man müde ist,
        heitsvorsorge angesehen, nebst            Gesundheits-                              in ruhiger, nicht zu warmer und
        der Ernährung und der Bewe-                                                         dunkler Umgebung – und im Bett.
        gung, also dem Sport. Optimaler-           vorsorge.»                               Letzteres soll im Übrigen nur für
        weise wird auf alle drei Kompo-                                                     (Bei-)Schlaf verwendet werden,
        nenten gleichermassen geachtet, wobei sich Schlaf,           Fernsehen im Bett mit wiederholtem leichtem Einnicken
        Ernährung und Sport durchaus auch gegenseitig beein-         ist einem guten Schlaf beispielsweise nicht förderlich.
        flussen. Tägliche Bewegung und eine gesunde Ernäh-           Auch potenziell ständige Störquellen wie Blaulicht-emit-
        rung fördern beispielsweise einen guten Schlaf, und          tierende Geräte mit beispielsweise aufdringlichen so­
        ein guter Schlaf verbessert die sportliche Leistungs­        zialen Medien oder der Versuchung zu Binge-Watching
        fähigkeit.                                                   sollten wenn möglich aus dem Bett verbannt werden.
                                                                     Weitere Tipps zur Schlafhygiene auf Seite 10.
        Schlafhygiene                                                    Aus diesen Überlegungen zeichnet sich bereits ab,
        Aus schlafmedizinischer Sicht bestehen daher Empfeh-         dass die 24-Stunden-Gesellschaft des 21. Jahrhunderts
        lungen, welche wir unter dem Prädikat «Schlafhygie-
        ne» sowohl gesunden als auch kranken Personen ans
        Herz legen: Nebst dem oben bereits angedeuteten ge-
        sunden Lebenswandel mit ausgewogener Ernährung
        und regelmässigem Sport (jedoch nicht exzessiv in den
        Stunden vor dem Schlafengehen) umfassen solche
        Empfehlungen auch gezielt den Umgang mit und die
        Rahmenbedingungen für den Schlaf. Empfohlen wer-
        den regelmässige und ausreichende Bettzeiten. Täglich
        variierende Bett- und Aufstehzeiten können von unse-
        rer inneren Uhr nicht gut verarbeitet werden und die
        Tagesbefindlichkeit erheblich einschränken. Ausser-
        dem wird seit vielen Jahren der Zusammenhang zwi-
        schen stark unregelmässigem Schlaf bei Schichtarbeit
        und Krebserkrankungen diskutiert, insbesondere dem
        Brustkrebs bei Frauen.
            Nebst der Regelmässigkeit des Schlafes ist es wichtig,
        dass nicht zu wenig geschlafen wird. Allgemein gültige
        Empfehlungen für die Schlafdauer können nicht abge-
        geben werden, da sich das Schlafbedürfnis von Person
        zu Person unterscheidet und im Alter langsam ab-
        nimmt. Dennoch gibt es gute Hinweise, dass jüngere
        Menschen um die 20 bis 30 Jahre im Durchschnitt etwa
        9 Stunden, ältere Personen um die 60 bis 70 Jahre etwa
        7,5 Stunden Schlaf benötigen. Diese Zahlen liegen klar
        über den wiederholt ermittelten Schlafzeiten in der
        Bevölkerung. Viele Menschen können mit dem entspre-
        chend vermuteten Schlafmangel gut umgehen und De-
        fizite weitgehend, aber nicht vollständig kompensieren,
        wogegen andere mit dem gleichen Schlafmangel bereits
        erhebliche Symptome wie Tagesschläfrigkeit entwi-
        ckeln können. Man kann für sich selber beispielsweise
        in den Ferien abschätzen, wie gross das Schlafbedürfnis      Ist die Schlafdauer optimal, braucht es morgens keinen Wecker.
                                                                                                                                      Foto: Stocksy

6 – Magazin P&G, Juli 2021
Schlafen - Juli 2021 Prävention und Gesundheitsförderung Magazin P&G - Prävention und Gesundheitsförderung Kanton ...
Schwerpunkt

            zunehmend Gefahr läuft, die Ressource Schlaf über
            Gebühren zu strapazieren. Das Arbeitsethos in vielen
            Unternehmungen verlangt – aus schlafmedizinischer
            Sicht durchaus zu Unrecht – zunehmend, dass Arbeit-
            nehmer auch in Nachtstunden und am Wochenende
            erreichbar sind und E-Mails beantworten. Die zuneh-
            mende Digitalisierung unserer Gesellschaft macht aber
            auch vor dem Privaten nicht halt, mit einem erheblichen
            Teil von Mitmenschen, welche sowohl auf der Strasse
            wie auch nachts im Bett vor den kleinen Bildschirmen
            festkleben und Zeichen einer parallelen Welt harren,
            welche solcherart nicht nur den Schlaf, sondern auch
            den Kontakt zur Umwelt deprivieren.
               Interessanterweise ist die Digitalisierung nicht nur
            Feind, sondern möglicherweise in Zukunft auch zuneh-      Schlaf im Jugend­alter
            mend Freund eines guten Schlafes. Bereits jetzt sind
            viele Smart Devices mit mehr schlecht als recht vali-     Schlaf ist während sämtlicher Lebensphasen eine
            dierten Applikationen verfügbar, welche den Schlaf        der Grundstützen der psychischen und physischen Ge-
            messen, in Neudeutsch «tracken» sollen. Sofern solche     sundheit. So auch in der Adoleszenz. Der Schlaf ist
                                                                      dabei wichtig für die Gehirnentwicklung und unterstützt
            Messungen einzig dazu dienen, ein Bewusstsein für
                                                                      die sozialen, kognitiven und emotionalen Entwick­
            einen guten und ausreichenden Schlaf zu schärfen, ist
                                                                      lungsschritte in der Jugendzeit.
            dagegen nichts einzuwenden. Die exzessive Beschäfti-
            gung mit dem Schlaf kann allerdings gegenteilige Wir-     • Aufgrund biologischer Prozesse verändert sich der
            kungen entfalten, indem die Angst vor einem ungenü-          Schlaf-Wach-Rhythmus, sodass viele Jugendliche zu
            gend bemessenen Schlaf die Qualität von ebendiesem           «Nachteulen» werden. Zudem wird der Schlafdruck
            dann tatsächlich mindern kann. Demgegenüber haben            während des Wachseins langsamer aufgebaut als im
            neuere Entwicklungen wie mobile Geräte, welche den           Kindesalter, wodurch Jugendliche länger und später
            Schlaf nicht nur messen, sondern zusätzlich personali-       wach sein können. Die Kombination dieser biologi-
            siert verändern können, ein grosses Potenzial, wenn sie      schen Veränderungen führt bei vielen Jugendlichen
            wissenschaftlich gut getestet und eingeführt werden.         zu späteren Schlafenszeiten.
            Als Beispiel sei an dieser Stelle das von uns verfolgte   • Die ideale Schlafdauer verändert sich im Vergleich
            Projekt SleepLoop der Hochschulmedizin Zürich ge-            zur Kindheit nicht – sie liegt im Durchschnitt bei
            nannt, welches mit einem Kopfband den Schlaf indivi-         ungefähr neun Stunden.
            duell und zu medizinischen Zwecken verbessern soll.       • Die Aufwachzeit bleibt aufgrund des frühen Schul­
            Diese und andere Entwicklungen zeigen, dass die Zu-          beginns meist unverändert. Durch die gleichzeitige
            kunft des Schlafes unter Umständen spannender wird,          Verschiebung der abendlichen Schlafenszeiten
            als manche von uns vermutet hätten.                          ist chronischer Schlafmangel im Jugendalter häufig.
                                                                      • Schlaf und psychische Störungen stehen in engem,
                                                                         bidirektionalem Zusammenhang. Schlechte Schlaf-
                                                                         qualität beeinflusst die psychische Gesundheit und
                                                                         umgekehrt führen psychische Störungen zu schlech-
                                                                         tem Schlaf. Die Behandlung von Schlafproblemen
                                                                         bei Jugendlichen verbessert deswegen nicht nur den
                                                                         Schlaf per se, sondern beeinflusst auch das Wohl­
                                                                         befinden auf positive Art und Weise.
            Prof. Dr. med. Christian Baumann                          • Ein ernsthaft gestörter Schlaf ist allgemein eines
            Leitender Arzt                                               der häufigsten Symptome bei psychischen Krisen.
            Klinik für Neurologie, UniversitätsSpital Zürich
                                                                         Was weniger intuitiv ist, ist die Tatsache, dass bei
            christian.baumann@usz.ch
            neurologie.usz.ch
                                                                         einigen Krankheitsbildern die Schlafprobleme schon
                                                                         vor dem Auftreten der Erkrankung beginnen und
                                                                         ein Prädiktor für zukünftige psychische Erkrankungen
                                                                         sein können. Besserer Schlaf allein wird eine psy­
                                                                         chische Erkrankung natürlich nicht heilen, aber die
                                                                         Problematik auf lange Sicht verbessern.

                                                                      Autorinnen: Dr. Leila Tarokh, Chiara Fontanellaz-Castiglione
                                                                      und Salome Wild
Foto: zVg

                                                                                                                    Magazin P&G, Juli 2021 – 7
Schlafen - Juli 2021 Prävention und Gesundheitsförderung Magazin P&G - Prävention und Gesundheitsförderung Kanton ...
Schwerpunkt

                 Wettbewerbsvorteil
                    ausgeruhte
                   Mitarbeitende
                 Dass Unternehmen in die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden
           investieren, ist heutzutage weit verbreitet. Erholung und Schlaf stehen
                           dabei aber selten im Fokus – zu Unrecht.
                                                           Text: Reto Etterli

I
    n unserer hektischen Leistungs- und     weil dadurch der natürliche Tag-Nacht-          ein regelmässiger Wach-Schlaf-Rhyth-
    24-Stunden-Gesellschaft wird der        Rhythmus durcheinandergerät.                    mus zentral. Die Schlafdauer ist indivi-
    Schlaf oft wie ein verzichtbarer           Wer viel arbeitet und wenig schläft,         duell und hat im letzten Jahrhundert in
Luxus vernachlässigt. Mit Folgen: Jeder     wird noch heute als Ikone unserer Leis-         den industrialisierten Ländern um rund
dritte Erwachsene in der Schweiz hat        tungsgesellschaft gefeiert. Dennoch ist         2,5 Stunden auf weniger als 7 Stunden
Schlafprobleme. Fakt ist: Mitarbeitende     ein Umdenken beobachtbar, denn seitens          pro Nacht abgenommen. (Während der
mit Schlafdefiziten verunfallen häufiger,   der Schlafforschung ist erwiesen: Unter         Homeoffice-Pflicht zeichnete sich ein
sind öfter krank und leisten weniger. Be-   fünf Stunden Schlaf sind für jede und           positiver Gegentrend ab.) Chronisch
sonders belastet sind Arbeitnehmende,       jeden auf Dauer zu wenig. Damit wir uns         übermüdet zu sein, ist heute verbreitet –
die Schicht- und Nachtarbeit leisten,       erholt fühlen, sind Qualität, Dauer und         viele kennen es gar nicht mehr anders.
                                                                                            Das ist fatal, denn wer übermüdet unter-
                                                                                            wegs ist, gefährdet seine Sicherheit, Ge-
                                                                                            sundheit, neigt eher zu risikoreichem
                                            Powernaps bieten kurzzeitige Erholungsinseln.
                                                                                            sowie unethischem Verhalten und trägt
                                                                                            zum volkswirtschaftlichen Produktivi-
                                                                                            tätsverlust bei. Demnach müssten Unter-
                                                                                            nehmen ein grosses Interesse an aus­

                                                                                             Angebote der Suva
                                                                                             Die Suva berät und unterstützt
                                                                                             Unternehmen, ob Suva-versichert
                                                                                             oder nicht, mit massgeschneider-
                                                                                             ten Kampagnen und Präven­tions-
                                                                                             angeboten zum Thema Schlaf. Die
                                                                                             beiden Module «Gut schlafen –
                                                                                             sicherer und gesünder leben» und
                                                                                             «Schichtarbeit – sicherer und
                                                                                             gesünder gestalten» können als
                                                                                             Workshop gebucht werden.

                                                                                             → suva.ch/praeventionsmodule
                                                                                                                                        Foto: iStock

8 – Magazin P&G, Juli 2021
Schlafen - Juli 2021 Prävention und Gesundheitsförderung Magazin P&G - Prävention und Gesundheitsförderung Kanton ...
Schwerpunkt

            geschlafenen Mitarbeitenden haben.             Regulierungen: Telefon- und E-Mail-Zeiten
            Wünschen sie sich doch sicherheitsbe-          festlegen, Mailserver über Nacht und am      Praxisbeispiel
            wusste, gesunde und leistungsfähige            Wochenende ausschalten
            Mitarbeitende.                                 Flexible Arbeitszeiten: Wo möglich sinn-     Am Hauptsitz von Sonova in Stäfa
                                                           voll, weil dadurch die Mitarbeitenden die    werden verschiedene betriebliche
            Erholung dient allen                           Arbeit mit ihrem Chronotyp (Morgen- /        Massnahmen zur Förderung der
            Punkto Sicherheit: Laut Untersuchungen         Abend-Typ) vereinbaren können                Erholung umgesetzt. Die verschie-
                                                                                                        denen Teams des Hörlösungsan-
            der Suva haben übermüdete Menschen             Technische Massnahmen: Lichtverhältnis-
                                                                                                        bieters arbeiten teils rund um die
            ein fast doppelt so hohes Risiko für Be-       se dem circadianen Rhythmus anpassen,
                                                                                                        Uhr und über verschiedene Zeit-
            rufs- und Freizeitunfälle. Wer übermü-         für eine angenehme Temperatur und            zonen hinweg. Erholung und Schlaf
            det ein Fahrzeug lenkt, setzt sich sogar       genügend Frischluft sorgen                   sind daher zentrale Themen. Mit
            einem 7- bis 8-fach höheren Risiko zu          Ruheräume: Die erholsame und leistungs-      der Zeitumstellung im Herbst 2019
            verunfallen aus. Schlafmangel beein-           steigernde Wirkung von Powernapping          wurde das Präventionsmodul «Gut
            trächtigt unsere Wahrnehmung, Gefah-           ist belegt; Kultur schaffen, dass Vorge-     schlafen – sicherer und gesünder
            reneinschätzung, Reaktionszeit, motori-        setzte und Mitarbeitende Ruheräume           leben» von der Suva (siehe Infobox
            schen Fähigkeiten und unser Risikover-         auch nutzen                                  linke Seite) durchgeführt. Dazu
            halten, wie dies unter Alkohol der Fall ist.      Auf der anderen Seite ist es auch sinn-   wurde die Belegschaft im Vorfeld
            So wirken bereits 17 Stunden ohne Schlaf       voll, auf der personenbezogenen Ebene        mit einem Plakataushang sen­
                                                                                                        sibilisiert, und die Mitarbeitenden
            wie 0,5 Promille Alkohol im Blut, ent-         (Mitarbeitende) schlafförderliche Mass-
                                                                                                        haben an einem Schlafquiz
            sprechend 24 Stunden wie 1,0 Promille!         nahmen umzusetzen.
                                                                                                        teilgenommen. Verena Meier,
            Punkto Gesundheit: Die Liste möglicher         Sensibilisierung: Über Wichtigkeit von
                                                                                                        BGM-Verantwortliche bei Sonova,
            gesundheitlicher Folgen von anhalten-          Schlaf und Tipps für eine gute Schlaf-       empfiehlt das Quiz als Einstieg:
            dem Schlafmangel ist lange (siehe Arti-        hygiene aufklären                            «Es regt zum Reflektieren über
            kel Seite 5). Die gute Botschaft: 80 Pro-      Präventive Angebote: Ressourcen stärken      das eigene Schlafverhalten an und
            zent aller Schlafprobleme können durch         mit Achtsamkeits- und Entspannungs-          schafft einen Zugang zu einem
            Befolgen einfacher Schlaftipps (siehe          trainings                                    sonst eher privaten Thema.»
            Seite 10) gelöst werden.                          Die Umsetzung im Alltag liegt dann in     Nebst Quiz und Plakaten wurde
            Punkto Performance: Es ist belegt, dass        der Eigenverantwortung der Mitarbei-         auch der dazugehörige Work-
            ausgeruhte Menschen motivierter, pro-          tenden.                                      shop durchgeführt. Während des
                                                                                                        Workshops erfahren die Teilneh-
            duktiver, konzentrierter, und belastba-           Zahlreiche Firmengrössen wie Goog-
                                                                                                        menden, wie wichtig ein erholsa-
            rer sind. Die US-Denkfabrik Rand Cor-          le und Co., aber auch Schweizer KMU,
                                                                                                        mer Schlaf für ihre Sicherheit
            poration hat analysiert, welche Kosten         haben die Wichtigkeit und das Potenzial      und Gesundheit ist. Sie lernen
            unausgeschlafene Angestellte verursa-          erholter Mitarbeitenden erkannt und set-     ihre persönliche Schlafsitua-
            chen. Der Schweizer Studienleiter Marco        zen entsprechende Massnahmen um. Es          tion einschätzen und erhalten
            Hafner, der für Rand im britischen Cam-        wäre wünschenswert, wenn künftig alle        schlafförderliche Tipps zur
            bridge forscht, hat seine Berechnungen         Unternehmen dem Thema Schlaf die             Optimierung ihrer Schlafhygiene.
            auf die Schweiz übertragen. Er schätzt:        nötige Aufmerksamkeit schenken und           Bei einer anderen Gelegenheit
            Schweizer Unternehmen verlieren pro            in den Wettbewerbsvorteil «ausgeruhte        wurde ein Fahrsimulator der
            Jahr bis zu 4,5 Millionen Arbeitstage.         Mitarbeitende» investieren würden.           Fachstelle «Am Steuer Nie»
            Denn jemand, der weniger als 6 Stunden                                                      aufgestellt. An diesem konnten
                                                                                                        Mitarbeitende in nüchternem
            pro Nacht schläft, verliert pro Jahr etwa
                                                                                                        und ausgeschlafenem Zustand
            5 bis 10 Arbeitstage im Vergleich zu je-
                                                                                                        erleben, wie sich Müdigkeit,
            mandem, der zwischen 7 und 9 Stunden                                                        Alkohol und andere Substanzen
            schläft. Der Schweizer Volkswirtschaft                                                      auf die Fahrtüchtigkeit auswir-
            entgehen pro Jahr somit zwischen 5 und                                                      ken. Auch nach der Corona-Pan-
            8 Milliarden Franken.                                                                       demie will Sonova weiter für
                                                           Reto Etterli
                                                                                                        das Thema Erholung und Schlaf
                                                           Arbeitspsychologe MSc FHNW
            Was Unternehmen tun können                     Präventionsberater Suva
                                                                                                        sensibilisieren und den Schlaf-
            Es ist deshalb ratsam, dass sich Firmen        Reto.Etterli@suva.ch                         Workshop erneut durchführen.
            des Themas Schlaf annehmen. Sie kön-                                                        «Denn Schlaf zu thematisieren,
            nen einerseits bei den betrieblichen Ver-                                                   ermöglicht auch, über psychische
                                                                                                        Gesundheit zu sprechen», er-
            hältnissen ansetzen, das heisst für Ar-
                                                                                                        gänzt Verena Meier.
            beitsbedingungen und ein Klima sorgen,
            die nicht zu schlaflosen Nächten führen.
                                                                                                        Fahrsimulator unter
            Führung: Gesunde Führungskultur för-
                                                                                                        → amsteuernie.ch
            dern, Vorgesetzte für Themen wie Schlaf
            sensibilisieren
Foto: zVg

                                                                                                                            Magazin P&G, Juli 2021 – 9
Schlafen - Juli 2021 Prävention und Gesundheitsförderung Magazin P&G - Prävention und Gesundheitsförderung Kanton ...
Schwerpunkt

                           Besser
                          schlafen                                   Elektronische Geräte
                                                                     Der nahezu unendliche Strom an Nach-
                                                                     richten, besonders in sozialen Medien,
                                                                     kann zu einer sogenannten «fear
                                                                     of missing out», also zur Angst, etwas
                Praktische Tipps zum Ausprobieren                    zu verpassen, führen. Schalten Sie
                                                                     elektronische Geräte daher rechtzeitig
                                                                     vor dem Schlafengehen aus. Wirklich
                                 Text: Christine Blume
                                                                     Wichtiges werden Sie auch am
                                                                     nächsten Tag erfahren.
Ernährung
Ein/e Schweizer/in trinkt pro Jahr
durchschnittlich mehr als 1000 Tassen
Kaffee. Zu spät und zu viel davon
kann jedoch den Schlaf stören. Auch
Alkohol und schwer verdauliche
Speisen am Abend sind dem Schlaf
eher wenig zuträglich. Die letzte
Hauptmahlzeit sollte daher nicht zu
knapp vor dem Zubettgehen ein­
genommen werden.

              Homeoffice
              Gerade im Homeoffice sind Arbeit und
              Freizeit oft nur schwer trennbar, und es
              passiert leicht, dass wir den Arbeits­     Bewegung / Natur
              alltag «mit ins Bett nehmen». Um dies zu   Körperliche Bewegung und viel natürliches
              verhindern, sollten Arbeiten und Schla-    Tageslicht geben der inneren Uhr eine gute
              fen möglichst gut getrennt werden, zum     Orientierung. Dadurch helfen Sie uns, am
              Beispiel durch eine räumliche Tren-        Abend schnell ein- und gut durchzuschlafen.
              nung und durch den Wechsel zwischen        Versuchen Sie, mindestens dreissig Minuten
              Arbeits- und Freizeitkleidung.             pro Tag unter freiem Himmel zu verbringen.

10 – Magazin P&G, Juli 2021
Schwerpunkt

Einschlafprobleme                                  Abendrituale
Vielen Menschen fällt es abends nicht              Abendrituale signalisieren dem Körper,
leicht einzuschlafen. Oft lässt sich das           dass es langsam Zeit wird, sich auf
Karussell der Gedanken und Sorgen                  die Nacht einzustellen. Dabei gibt es kein
nur schwer anhalten. Wenn man innert               Patentrezept. Ob ein warmes Bad, ein
zwanzig Minuten nicht einschlafen kann,            gutes Buch oder eine Tasse heisse Milch
sollte man nicht im Bett liegen bleiben,           mit Honig – tun Sie etwas, was Sie
sondern aufstehen und erst wieder ins              entspannt und Ihnen guttut.
Bett gehen, wenn man sich müde genug
fühlt, um schnell einzuschlafen.

                                                                                             Chronotyp
                                                                                             Ob Frühaufsteher oder
                                                                                             Nachteule, wir haben
                                                                                             alle eine individuelle und
                                                                                             biologische Präferenz
                                                                                             für ein «Schlaffenster».
                                                                                             Wenn äussere Umstände
                                                                                             wie flexible Arbeitszeiten
                                                                                             es erlauben, kann es einen
                                                                                             gesunden Schlaf unter­
                                                                                             stützen, die Termingestal-
                                                                                             tung an die Bedürfnisse
                                                                                             des Körpers anzupassen.

                                                                                                    Mittagsschlaf
                                                                                                    Am frühen Nachmittag
                                                                                                    erleben einige Menschen
                                                                                                    ein kleines «Energie-
                                                                                                    tief». Dann kann ein kurzer
                                                                                                    Powernap sinnvoll sein.
                                                                                                    Dieser sollte jedoch
                                                                                                    nicht länger als zwanzig
                                                                                                    Minuten dauern. Sonst
                                                                                                    kann es sein, dass das
                                                                                                    Einschlafen am Abend
                                                                                                    umso schwerer fällt.
                                                                                                                                      Illustration: iStock; Foto: Michael Brauer

                 Stress und ständige
                 Erreichbarkeit
                 Ständige Erreichbarkeit, Termindruck und Alltags-
                 sorgen machen es vielen Menschen schwer, am
                 Abend in einen stabilen und erholsamen Schlaf zu
                 finden. Entspannungs-, Achtsamkeits- oder                         Dr. Christine Blume
                 Meditationsübungen können helfen, den Stress                      Psychologin und Postdoktorandin
                 gezielt zu reduzieren, und dadurch auch den                       Zentrum für Chronobiologie, Universität Basel
                 Schlaf verbessern.                                                christine.blume@upk.ch

                                                                                                        Magazin P&G, Juli 2021 – 11
Schwerpunkt

                                  Macht Lärm
                                    krank?
                 Lärm stört nicht nur unseren Schlaf, sondern beeinflusst auch
                unsere Gesundheit. Wie genau, erklärt uns Umweltepidemiologe
                                   Martin Röösli im Gespräch.
                                                             Interview: Nina Hodel

                         Strassenlärm kann Erkrankungen der Herzkranzgefässe mitverursachen.

Herr Röösli, nicht alle fühlen                   subjektive Empfinden spielt aber keine        Welche konkreten Zusammen-
sich durch Lärm gestört. Heisst                  entscheidende Rolle für die Gesundheit.       hänge zwischen Lärm und
das, dass auch nicht alle die                    Es gibt beispielsweise einen Zusammen-        Gesundheit gibt es?
gesundheitlichen Auswirkungen                    hang zwischen Diabetes und Lärmbelas-         Die Evidenz ist stark, dass Strassenlärm
von Lärm spüren?                                 tung – auch wenn der Lärm subjektiv als       Erkrankungen der Herzkranzgefässe
Es gibt tatsächlich sehr unterschiedliche        nicht störend wahrgenommen wird.              mitverursacht. So sind z. B. rund 500
subjektive Belästigungsempfinden und             Lärm ist deshalb kein Toleranzproblem,        der jährlichen Herz-Kreislauf-Todesfälle
Sensitivitäten. Bei unseren Umfragen             sondern betrifft uns alle. Und er ist nach    in der Schweiz unter anderen auch auf
zeigt sich oft, dass es Menschen gibt, die       der Luftverschmutzung aktuell der             den Faktor Lärm zurückzuführen. Wei-
                                                                                                                                          Fotos: Keystone / Gaëtan Bally, zVg

sich trotz hohem Umgebungslärm nicht             zweitgrösste Umweltfaktor, der auf un-        ter konnten wir aufzeigen, dass Lärm die
belästigt fühlen. Andere fühlen sich             sere Gesundheit einwirkt.                     metabolische sowie die mentale Gesund-
schon von geringem Lärm gestört. Das                                                           heit beeinträchtigt. Beispielsweise er-

12 – Magazin P&G, Juli 2021
Schwerpunkt

höht sich bei Strassen- und Fluglärmbe-                                                  dacht, am besten schon in der Raumpla-
lastung das Risiko, an einer Depres­sion                                                 nung oder dann sicherlich in der Gebäu-
zu erkranken. Bei einer aktuell laufenden                                                deplanung. So lassen sich Gebäude und
Studie zeigen sich zudem Hinweise dar-                                                   Räume so ausrichten, dass die Schlaf-
auf, dass Kinder, die starkem Lärm expo-                                                 zimmer einer möglichst tiefen Lärmbe-
niert sind, reduzierte kognitive Fähigkei-                                               lastung ausgesetzt sind.
ten aufweisen und Lärm bei Jugendlichen                                                     Nebst den Grenzwerten sind zudem
zu Hyperaktivität führt. Und nicht zu-                                                   die Massnahmen an der Quelle sehr
letzt stört Lärm unseren Schlaf.                                                         wichtig: Tempobeschränkung, leichtere
                                                                                         Autos, lärmarme Reifen und Strassenbe-
Was schadet uns mehr:                                                                    läge. So liesse sich die Lärmbelästigung
Lärm während des Tages oder                                                              um bis zu zehn Dezibel reduzieren. Das
während der Nacht?                            «Lärmreduzierende                          mag nach einer kleinen Zahl klingen,
Das ist schwierig zu sagen. Rein vom                                                     aber zehn Dezibel entsprechen zehnmal
Mechanismus her gehen wir davon aus,
                                                 Massnahmen                              weniger Schallenergie, die losgelassen
dass der Lärm in der Nacht aber schädli-           bereits in                            wird, was sich mit zehnmal weniger Ver-
cher ist, da er dann nicht nur einen                                                     kehr vergleichen lässt. Von solchen Mass-
Stressfaktor darstellt, sondern auch Aus-        der Planung                             nahmen profitieren deshalb alle. Zweite
wirkungen auf den Schlaf hat. Schlechter         mitzudenken,                            Prioritäten haben Massnahmen auf dem
Schlaf wirkt sich wiederum negativ auf                                                   Ausbreitungsweg wie Schallschutzfens-
die kardiometabolische sowie die men-             lohnt sich.»                           ter oder Lärmschutzwände. Aber gerade
tale Gesundheit aus.                                        Martin Röösli                Lärmschutzwände verändern den Sied-
                                                                                         lungsraum häufig nachteilig.
In der Schweiz gibt es für
die Lärmbelastung Grenzwerte.                                                            Prof. Dr. Martin Röösli
                                                                                         Leiter der Einheit Umwelt und Gesundheit am
Hat Lärm nur dann einen
                                                                                         Schweizerischen Tropen- und Public-Health-
Einfluss, wenn die Belastung                 Zusätzlich spielt aber auch die Bausub­     Institut (Swiss TPH)
oberhalb dieses Wertes liegt?                stanz eine Rolle: Neuere und teurere
Dosis-Wirkungs-Beziehungen verlaufen         Gebäude sind oftmals besser isoliert und
in der Regel linear. Grenzwerte sind da-     ausgestattet, etwa mit automatisierten
her keine Werte, unterhalb derer keine       Fenstern, die sich erst nach dem Start
Effekte mehr nachgewiesen werden kön-        des letzten Flugzeugs öffnen und von
nen. Sie gewährleisten einen Mindest-        selbst wieder schliessen, bevor der erste
schutz der Bevölkerung. Aber es ist          Jet am Morgen startet.
wichtig, dass man ganz grundsätzlich
versucht, Lärm zu reduzieren. Oftmals        Welche Herausforderungen
wird die Effektivität von Massnahmen –       kommen in Sachen Lärmschutz
etwa die Einführung einer 30er-Zone –        künftig auf uns zu?
daran gemessen, wie viele Haushalte von      Es gibt einen Trend zur Verdichtung
der Einführung profitieren würden. Man       von Siedlungen; ebenso der Trend zur
misst dann, welche Haushalte aktuell         24-Stunden-Gesellschaft. Beide Ent-
über dem Grenzwert liegen und wägt die       wicklungen bergen im Hinblick auf die
Einführung der Tempobeschränkung             Lärmbelastung natürlich ein Konflikt-
anhand dieser Zahl ab. Aus wissen-           potenzial. Zudem – und das ist jetzt sehr
schaftlicher Sicht profitieren aber nicht    subjektiv – nehme ich wahr, dass die          Fachstelle Lärmschutz
nur die Haushalte, die oberhalb des          Rücksichtnahme in der Gesellschaft im-
                                                                                           Bei Anliegen rund um die Lärmbe-
Grenzwertes liegen, sondern alle, die in     mer weniger wird, gerade in Städten, wo
                                                                                           lastung und den Schallschutz an
Hörweite der Strasse leben.                  verschiedene Bedürfnisse zu verschiede-
                                                                                           Veranstaltungen im Kanton Zürich
                                             nen Uhrzeiten aufeinandertreffen. Diese       berät und informiert die kantonale
Wer ist besonders von                        Entwicklungen akzentuieren das Lärm-          Fachstelle Lärmschutz. Aktuelle
Lärm betroffen?                              problem in Zukunft eher.                      Erkenntnisse zum Thema werden
Beim Verkehrslärm sind Gesellschafts-                                                      im Newsletter «Infoservice
schichten mit tieferen Einkommen stär-       Welche Empfehlungen                           Lärmschutz» und auf der Website
ker betroffen. Dies liegt an den wirt-       leiten sich aus all diesen                    publiziert.
schaftlichen Möglichkeiten, da Woh­  -       Erkenntnissen ab?
nungen an lärmexponierten Stellen oft        Idealerweise werden lärmreduzierende          → zh.ch/laerm
günstiger sind als an ruhigeren Orten.       Massnahmen so früh wie möglich mitge-

                                                                                                             Magazin P&G, Juli 2021 – 13
Essay

E
         ntwicklung bezeichnet die in allen Lebenspha-
         sen auftretenden, nachhaltigen Veränderungen
         des Erlebens und Verhaltens; Entwicklung ist
als ein über den gesamten Lebenslauf offener (dyna­

                                                            Vom Leben
mischer) Prozess zu begreifen, wobei sich Offenheit
auf neue Erlebnisse und Erfahrungen bezieht. Verän-
derungen vollziehen sich dabei auf unterschiedlichen
Entwicklungsdimensionen (der körperlichen, der

                                                               und
seelischen, der geistigen Dimension), folgen unter-
schiedlichen Entwicklungsgesetzen und weisen in
unterschiedliche Richtungen. Altern bezeichnet den
kontinuierlichen Gestaltwandel des Körpers über den
gesamten Lebenslauf. Wir sind nicht ab einem bestimm-
ten Zeitpunkt in unserer Biografie «alt» (auch wenn wir
uns vielleicht ab einem bestimmten Zeitpunkt alt füh-
len), sondern wir altern von der Konzeption bis zum
                                                              Altern
Tod. Die Hervorhebung des kontinuierlichen Gestalt-            Text: Andreas Kruse
wandels ist deswegen so wichtig, weil wir in diesen
kreativ eingreifen können: durch Gesundheitsför­
derung, durch Prävention. Die in früheren Lebens­
abschnitten geleistete Investition in körperliche Ge-
sundheit und Aktivität wirkt sich positiv auf den
Alternsprozess, also den Gestaltwandel in späteren
Lebensphasen aus: Bestimmte Formen und Grade von
Verletzlichkeit bleiben aus oder aber treten deutlich
später auf, bestimmte Formen und Grade von Anpas-
sungs- und Widerstandsfähigkeit sind mit höherer
Wahrscheinlichkeit erkennbar. Es lohnt sich also, in
Gesundheit und Aktivität zu investieren, und zwar
«von Kindesbeinen an».
   Veränderungen im Altern lassen sich – in einer ersten
Näherung – drei unterschiedlichen Dimensionen zuord-
nen. In der physiologisch-biologischen Dimension sind
mit zunehmendem Alter eher Verringerungen der
Anpassungs- und Erholungsfähigkeit wie auch der Leis-
tungskapazität des Organismus erkennbar: Diese äußß-
ern sich in einer erhöhten Verletzlichkeit oder An­-
fälligkeit des alten Menschen für Erkrankungen. In der
psychologischen Dimension finden sich sowohl Gewin-
ne als auch Verluste: Gewinne sind vor allem in jenen
seelisch-geistigen Funktionen zu beobachten, die auf
Erfahrung und Wissen sowie auf der gelungenen Aus-
einandersetzung mit Entwicklungsaufgaben in frühe-
ren Lebensjahren beruhen; hier kann auch von einer
Differenzierung der Persönlichkeit gesprochen werden.
Verluste treten eher in Bereichen auf, die an die Umstel-
lungsfähigkeit von Nervenzellverbänden gebunden
sind, wie zum Beispiel das Kurzzeitgedächtnis oder die
hohe Geschwindigkeit im Denken. In der sozialen Di-
mension ist mit Altern auf der einen Seite der Verlust
bedeutsamer sozialer Rollen verbunden. Auf der ande-
ren Seite bedeutet in unserer Gesellschaft das Ausschei-
den aus dem Beruf für nicht wenige Menschen eine
«späte Freiheit». Sie können nun etwas Neues versu-
chen, sich neuen Aufgaben und Möglichkeiten zuwen-
den und dabei einmal mehr ihre schöpferischen Poten-
ziale wahrnehmen.

14 – Magazin P&G, Juli 2021
Essay

                Ein bedeutendes Merkmal seelisch-geistiger Entwick-       deren Verwirklichung zu reflektieren. Die Fähigkeit zur
                lung bildet die Selbstregulation der Person, das heisst   Selbstregulation ist zum einen als das Ergebnis bishe-
                deren Fähigkeit, Ziele zu definieren und Emotionen,       riger, zum anderen als Grundlage für die weitere see-
                Gedanken und Handlungen auf die Zielverwirklichung        lisch-geistige Entwicklung zu verstehen.
                zu konzentrieren, wobei Zieldefinition und Zielver-          Einen wichtigen Aspekt unseres Lebens bildet das
                wirklichung auch mit den gegebenen Situations- und        persönlich sinnerfüllte Engagement; dieses kann sich pri-
                Umweltbedingungen abzugleichen sind. In dem Masse,        mär oder sogar allein auf die persönliche Lebensgestal-
                in dem es der Person gelingt, (a) ihre eigene Lebensge-   tung beziehen, dieses kann aber auch auf andere Men-
                staltung auch an Werte, Ziele und Absichten zu knüpfen    schen bzw. auf die Gesellschaft als Ganzes gerichtet
                und ihre Ressourcen produktiv in deren Verwirkli-         sein. In ersterem Falle ist die Sorge der Person für sich
                chung, mithin in die bewusste Lebensgestaltung ein-       und um sich selbst angesprochen, in letzterem Falle ihre
                zubringen und (b) dabei immer wieder zu einem             produktive Sorge für andere und um andere Menschen.
                Gleichgewicht zwischen ihren Bedürfnissen und Wer-        Gerade dieses letztgenannte Engagement – Sorge für
                ten einerseits, den aktuell gegebenen Lebens- und Um-     und um andere Menschen – ist für ein umfassendes
                weltbedingungen andererseits zu finden, schafft sie       Verständnis der inneren und äusseren Situation alter
                eine bedeutende Grundlage für die weitere see-            Menschen wichtig. Was die innere Situation angeht, so
                lisch-geistige Entwicklung. In diesem Zusammenhang        lässt sich feststellen, dass jene alten Menschen, die
                ist auch produktive, wahrhaftige Kommunikation mit        davon überzeugt sind, eine Aufgabe zu haben, vielfach
                anderen Menschen wichtig: Denn sie hilft, über die ei-    eine hohe Lebenszufriedenheit und ein ausgeprägtes
                genen Entwicklungsmöglichkeiten und die Wege zu           Sinnerleben zeigen. Gerade das persönliche Engage-
                                                                          ment für junge Menschen vermittelt die Überzeugung,
                                                                          einen bedeutenden Platz in der Gesellschaft einzuneh-
                                                                          men und selbst dann Spuren in dieser zu hinterlassen,
                                                                          wenn man physisch nicht mehr existiert. Mit Blick auf
                                                                          die äussere Situation vermittelt die praktizierte Sorge
                                                                          um und für andere Menschen Wege zur Integration und
                                                                          zur Teilhabe, die ihrerseits positiv auf die innere Situ-
                                                                          ation wirken: Denn Integration und Teilhabe sind zen-
                                                                          trale Bedingungen für das Erleben von Bezogenheit,
                                                                          welches für Lebenszufriedenheit und Sinnerleben, ja
                                                                          sogar für Glücksgefühle von grosser Bedeutung ist.

                                                                          Prof. Dr. Andreas Kruse
                                                                          Direktor Institut für Gerontologie,
                                                                          Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg
                                                                          andreas.kruse@gero.uni-heidelberg.de

                                                                            Die Gesundheit stärken
                                                                            Auf der Website gesund-zh.ch finden sich
                                                                            vielfältige Informationen sowie eine kunter-
                                                                            bunte Palette an Angeboten, mit denen ältere
                                                                            Menschen ihre Gesundheit stärken können.
                                                                            Die Website wurde im Rahmen des kantonalen
                                                                            Aktionsprogrammes Alter entwickelt. Das
                                                                            Programm fördert Massnahmen in den Berei-
                                                                            chen psychische Gesundheit, Ernährung und
                                                                            Bewegung mit dem Ziel, die Lebensqualität
                                                                            der älteren Bevölkerung im Kanton Zürich zu
                                                                            stärken.

                                                                            → gesund-zh.ch
Foto: Stocksy

                                                                                                                   Magazin P&G, Juli 2021 – 15
Auf einen Blick

BETREUENDE ANGEHÖRIGE                                       BEWEGUNG

Entlastung                                                  Die Schweiz entdecken
für betreuende                                              Der Verein Zürcher Wanderwege lädt dazu ein, den Kanton
Angehörige                                                  Zürich über die offiziellen Wanderwege zu erkunden. Aber
                                                            auch über die Kantonsgrenzen hinaus gibt es entlang
Menschen, die ein krankes oder betagtes Familienmitglied    den gelbbeschilderten Wege so einiges zu sehen. Deshalb
betreuen, sind oft grossen Belastungen ausgesetzt. Im       publiziert der Verein in regelmässigen Abständen eine
Kurs «Heb dir Sorg» lernen betreuende Angehörige, wie       Broschüre mit schweizweiten Wandervorschlägen, die das
Sie im Alltag ihr Wohlbefinden stärken, Kraft tanken und    ganze Jahr hindurch absolviert werden können. Die Wan­
zu mehr innerer Ruhe finden können. Auch der Erfah-         derleiterinnen und -leiter begleiten dabei fachkundig.
rungsaustausch mit anderen Kursteilnehmenden kommt
nicht zu kurz. Der Kurs beginnt im September. Er findet     → Broschüre bestellen: zkb.ch/wanderprogramm
online statt und ist kostenlos.                             → Verein Zürcher Wanderwege: zuercher-wanderwege.ch

Betreuende Angehörige haben oft zu wenig Zeit, um sich
über Entlastungsangebote zu informieren und Antworten
auf wichtige Fragen zu finden. Das Schweizerische Rote      GEFÄHRLICHER MISCHKONSUM
Kreuz hat eine neue Website für Menschen aufgeschaltet,
die ein Familienmitglied betreuen. betreuen.redcross.ch     Factsheet bestellen
bietet Informationen über Entlastungsangebote im
Kanton und nimmt Themen auf wie Verunsicherung und          In der Schweiz sind in den vergangenen Monaten mehrere
Herausforderung, Verantwortung und Fürsorge, Belas-         Jugendliche gestorben, weil sie Medikamente gemischt
tung und Entlastung, Vorsorge und Finanzierung sowie        mit Alkohol, Cannabis oder anderen Medikamenten und
Abschied und Tod. Die Website ist in Zusammenarbeit mit     Drogen missbräuchlich eingenommen haben. Das Fact­
betreuenden Angehörigen entstanden und enthält auch         sheet der Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich
Erfahrungsberichte.                                         informiert Eltern und Jugendliche kurz und verständlich
                                                            über die Risiken und zeigt, wie Jugendliche
                                                            sich schützen können. Eltern erhalten
                                                                                                                      In der Schweiz sind Jugendliche

Auch in der Broschüre «Mir selber und anderen Gutes
                                                                                                                      gestorben, weil sie Medikamente
                                                                                                                      als Drogen verwendet haben.

tun» geht es darum, dass betreuende Angehörige gut für      Hinweise darüber, was sie tun können. Das
sich selbst sorgen. Nur dann können sie auch ihre nahe-     Factsheet eignet sich auch zur Thematisie-
stehende Person gut unterstützen. Die neue Broschüre        rung im Unterricht. Es kann im Kanton

                                                                                                                                                                                                                                                                 Bild: zVg
                                                                                                                Factsheet November 2020: Für Jugendliche
                                                                                                                                                                        und ihre Eltern

                                                                                                                Medikamente als Drogen

gibt betreuenden Angehörigen Anregungen zur Stärkung        Zürich kostenlos bestellt werden. Gerne            In den vergangenen Monaten sind
                                                                                                                                                 Jugendliche gestorben, weil sie
                                                                                                               als Drogen benutzten und gleichzeitig
                                                                                                                                                     andere
                                                                                                                                                                                 Medikamente
                                                                                                               es wichtig, diese Fakten und Empfehlungen Suchtmittel einnahmen. Darum ist
                                                                                                                                                          zu kennen:

                                                            können Sie auch grössere Mengen zur
                                                                                                               Um welche Medikamente geht es?

des Wohlbefindens.
                                                                                                              Es geht um starke Schmerz- und Hustenmittel                                  Schwarzmarkt: Keine Kontrolle
                                                                                                                                                            (auf Opiatbasis), re-          Auch wenn man die Medikamente von
                                                                                                              zeptpflichtige Schlaf- und Beruhigungsmittel                                                                           Freunden bekommt: Sie
                                                                                                                                                           sowie Medikamente               stammen häufig vom Schwarzmarkt, denn
                                                                                                              zur Behandlung von ADHS*. Werden                                                                                         in der Apotheke kann
                                                                                                                                                    diese Medikamente einge-               man sie ohne ärztliches Rezept nicht
                                                                                                              nommen, ohne dass eine Ärztin/ein Arzt                                                                             kaufen. Auf dem Schwarz-
                                                                                                                                                      sie verschrieben hat, sind          markt gibt es keine Qualitätskontrolle.
                                                                                                              damit grosse Risiken verbunden.                                                                                      Kriminelle Organisationen

                                                            Verteilung bestellen.
                                                                                                                                                                                          fälschen Medikamente. Die Packung und/oder
                                                                                                                                                                                                                                           die Tablette sehen
                                                                                                              Warum ist der Mischkonsum so                                                echt aus, aber es kann etwas völlig anderes
                                                                                                                                                                 riskant?                                                              drin sein. Zum Beispiel
                                                                                                             Wenn diese Medikamente gleichzeitig                                          ein komplett anderer Wirkstoff, gefährliche
                                                                                                                                                   mit Alkohol, Cannabis oder                                                         Zusatzstoffe oder eine
                                                                                                             anderen Drogen eingenommen werden,                                           viel zu hohe Dosierung.
                                                                                                                                                    beeinflussen sich die Sub-
                                                                                                             stanzen im Körper (Wechselwirkungen).
                                                                                                                                                     Diese Wechselwirkungen
                                                                                                             haben bereits in mehreren Fällen zum Tod
                                                                                                                                                      geführt.

                                                                                                             Neuer Trend?                                                                                 Erfahre auf der Rückseite,
                                                                                                            Im Jahr 2018 haben gut 4 % der 15-Jährigen
                                                                                                                                                                                                          wie du dich schützen

→ Informationen Kurs: gesund-zh.ch
                                                                                                                                                        angegeben, schon ein-
                                                                                                            mal Medikamente als Rauschmittel probiert
                                                                                                            meisten 15-Jährigen machen das also nicht.
                                                                                                                                                          zu haben. Die aller-                            kannst.
                                                                                                                                                       Aber: Der Wert hat sich
                                                                                                            zwischen 2014 und 2018 deutlich erhöht.

                                                            → suchtpraevention-zh.ch/factsheet
                                                                                                            * Werden ADHS-Medikamente zur Behandlung

→ Website SRK: betreuen.redcross.ch
                                                                                                            eingenommen, besteht keine relevante        eines diagnostizierten ADHS
                                                                                                                                                 Suchtgefahr.

→B
  roschüre bestellen: gesundheitsfoerderung-zh.ch/flyer-
 angehoerige

                                                            PSYCHISCHE GESUNDHEIT

                                                            Material für Schulen
                                                            Mit der Kampagne «Wie geht’s dir?» setzen wir uns für
                                                            die Stärkung der psychischen Gesundheit ein. Für Schulen
                                                            der Sek I und Sek II hält die Kampagne gleich mehrere
                                                            Angebote bereit: praxisnahe Unterrichtsmaterialien für
                                                            beide Schulstufen, eine Karte mit den Notfallnummern
                                                            für Jugendliche im Kanton Zürich, Plakate und Flyer
                                                                                                                                                                                                                                                                             Fotos: iStock, oneinchpunch / stock.adobe.com

                                                            sowie eine App zum Führen eines
                                                            Emotionen-Tagebuchs. Alle Angebote
                                                            können im Kanton Zürich kostenlos
                                                            genutzt werden.

                                                            → gesundheitsfoerderung-zh.ch/pgkj

16 – Magazin P&G, Juli 2021
Auf einen Blick

                                                                                                                ÄLTERE MENSCHEN

                                                                                                                Stürze
                                                                                                                vermindern
                                                                                                                Für ältere Menschen kann ein
                                                                                                                Sturz schwerwiegende Folgen haben
                                                                                                                und zum Verlust der Selbstständigkeit
                                                                                                                führen. Wie gelingt es, Stürze zu
                                                                                                                vermeiden? Antworten auf diese Frage
                                                                                                                gibt die neue Broschüre «Selbststän-
                                                                                                                dig bis ins hohe Alter». Die Broschüre
                                                                                                                richtet sich an Menschen 65+. Diese
                                                                                                                können anhand weniger Fragen selber
                                                                                                                einschätzen, wie hoch ihre Sturzge-
                                                                                                                fährdung ist. Eine Checkliste hilft, das
                                                                                                                Wohnumfeld auf Sturzgefahren zu
                                                                                                                überprüfen und Änderungen in Angriff
KINDER UND JUGENDLICHE                                                                                          zu nehmen. In der Broschüre finden

Weiterführung des                                                                                               Leserinnen und Leser ausserdem An-
                                                                                                                gaben über Trainingsmöglichkeiten im
kantonalen Programms                                                                                            Kanton Zürich sowie Tipps für den
                                                                                                                Alltag, die helfen, Stürzen vorzubeugen.

Auch in den Jahren 2021 bis 2024 werden in einem direktionsübergreifen-                                         → Bestellung und Download: gesundheits-
den Aktionsprogramm Angebote zur Stärkung der Gesundheit von Kindern                                               foerderung-zh.ch/bfu-sturzpraevention
und Jugendlichen unterstützt. Im Bereich Ernährung und Bewegung
werden die bisherigen Angebote durch den Fokus auf Jugendliche erweitert.
Dabei wird in der Umsetzung die Jugendförderung im ausserschulischen
Bereich einbezogen. Neu unterstützen wir die offenen Turnhallen an Sams-                                        BEWEGUNG

tagabenden und mit dem Projekt «défivélo» wird das Velofahren gefördert.
Im Bereich psychische Gesundheit bleiben Angebote zur Förderung der                                             Männer­
Lebenskompetenzen aktuell. Ein Beispiel dafür ist das Programm «du-bist-
du», siehe Interview auf der Rückseite dieses Magazins. Schulen werden
                                                                                                                gesundheit
neu bei der Implementation des Programms «Denk-Wege» und eines                                                  fördern
Programms zur Achtsamkeitsförderung unterstützt.
                                                                                                                Das niederschwellige Bewegungs-
→A
  ngebote Ernährung und Bewegung: gesundheitsfoerderung-zh.ch/ebkj                                             und Sportgruppenangebot «Men on
→A
  ngebote psychische Gesundheit: gesundheitsfoerderung-zh.ch/pgkj                                              the Move» richtet sich an Männer
                                                                                                                mittleren Alters, die bereits gesund-
                                                                                                                heitliche Nachteile erfahren (z. B.
SUIZIDPRÄVENTION
                                                                                                                reduzierte Fitness oder Übergewicht).
                                                                                                                Im Vordergrund stehen der Spass
Flyer mit                                                                                                       und der Austausch mit Männern in
                                                                                                                ähnlichen Lebenssituationen. Der
Notfall­adressen                                                                                                Kurs dauert zwölf Wochen, umfasst
                                                                                                Reden kann
                                                                                                   retten.
                                                                                                                Bewegungsübungen und vermittelt
Der aktualisierte Flyer «Adressen für den Notfall»                                                              kurze Inputs zu gesundem Lebensstil.
                                                                                                Sprich über
                                                                                              Suizidgedanken.

richtet sich an Menschen in Krisen und ihr Umfeld.                                                              In einer Pilotphase suchen wir lokale
Er enthält alle wichtigen Notfalladressen im Kanton                                                             Partnerorganisationen, die mithelfen,
Zürich sowie eine ablösbare Karte für das Porte-                                                                den Kurs in Zürcher Gemeinden und
monnaie, auf der die Adressen ebenfalls vermerkt                     nsche
                                                                           n in Kr

                                                                             r
                                                                                   isen
                                                                                                                Quartieren umzusetzen. Interessierte
                                                                     sen fü
                                                               Für Me Umfeld
                                                               und ihr

sind. Im Kanton Zürich kann der Flyer kostenlos                 Adres otfall                                    Organisationen und Gemeinden
                                                                den N
bestellt werden. Gerne können Sie auch grössere                                           1
                                                                                                                können sich direkt melden bei
Mengen zur Verteilung bestellen.                                                                                katrin.gille@uzh.ch.

→ gesundheitsfoerderung-zh.ch/notfallkarte                                                                      → gesundheitsfoerderung-zh.ch/mom

                                                                                                                                 Magazin P&G, Juli 2021 – 17
18 – Magazin P&G, Juli 2021
Suizidprävention

                                           Suizidalität bei
                                            Jugendlichen
                               Suizidalität gibt es auch im Jugendalter. Die Früherkennung
                          von suizidalen Krisen, aber auch präventive Massnahmen nach einem
                                           Suizidversuch sind besonders zentral.
                                                                            Text: Martina Blaser

                I
                    n der Schweiz sterben jährlich gegen         40
                    100 Jugendliche und junge Erwach-
                                                                 35
                    sene unter 25 Jahren durch Suizid
                (BFS, 2017) – das sind weniger, als in äl-       30
                teren Altersgruppen. Suizidversuche hin-
                gegen sind bei dieser Gruppe deutlich            25
                häufiger als bei älteren Personen. Zwi-
                                                                 20
                schen 15 und 19 Jahren ist deren Anzahl
                besonders hoch (siehe Grafik).                    15
                   Zudem berichten fast 10 Prozent aller
                Personen unter 25 Jahren von Suizid­              10

                gedanken (SGB, 2017). Die Corona-Krise            5
                und die dazugehörigen Einschränkungen
                scheinen den Leidensdruck und die Sui-            0
                zidalität bei Jugendlichen noch zu ver-
                                                                         9

                                                                                                                                                              4

                                                                                                                                                              9

                                                                                                                                                              4

                                                                                                                                                                          +
                                                                         4

                                                                         9

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                                                                         4

                                                                         9

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                                                                                                                                                           –7
                                                                      –1

                                                                      –1

                                                                      –2

                                                                                                                                                           –7
                                                                      –5
                                                                      –2

                                                                      –4

                                                                      –5
                                                                      –3

                                                                      –3

                                                                      –6
                                                                      –4

                                                                      –6

                                                                                                                                                           –8

                                                                                                                                                                         85
                                                                                                                                                        70
                                                                   10

                                                                   15

                                                                                                                                                        75
                                                                   20

                                                                   25

                                                                   55
                                                                   35

                                                                   45
                                                                   30

                                                                   50

                                                                                                                                                        80
                                                                   40

                                                                   60

                                                                   65

                stärken. Gregor Berger, Leitender Arzt
                des Notfalldienstes in der Klinik für Kin-             Frauen          Männer
                der und Jugendpsychiatrie und Psycho-
                                                                   Personen mit mutmasslichen Suizidversuchen und Hospitalisierung sowie Wohnsitz im
                therapie (KJPP) des Kantons Zürich, be-            Kanton Zürich 2017 / 18 nach Geschlecht und Alter, Raten pro 10 000 Einwohner
                stätigt dies: «Besonders seit der zweiten
                                                                   Quelle: Zellweger, U. &  Bopp, M. (2020). Analyse der Daten der Medizinischen Statistik
                Welle von Corona wird der Kinder- und              der Krankenhäuser 2008–2018 bezüglich Suizidversuche im Kanton Zürich. Unveröffentlicht.
                Jugend­psychiatrische Notfalldienst des
                Kantons Zürich häufiger beansprucht.          sert. In diesem Moment sehen sie keinen                       vention setzen wir seit 2015 Massnahmen
                Ähnliche Beobachtungen machten die            anderen Ausweg als den Tod. Zudem wer-                        um mit dem Ziel, Suizide und Suizidver-
                Notfallangebote anderer Kantone.»             den solche suizidalen Krisen bei Jugend-                      suche bei Menschen aller Altersgruppen
                   Doch wie kommt es zu Suizidgedan-          lichen manchmal nicht erkannt, sondern                        zu reduzieren.
                ken oder sogar zu einem Suizid(-versuch)      als normale pubertäre Stimmungs-
                bei jungen Menschen? Meistens gibt es         schwankungen missverstanden. Jugend-                          Suizidprävention im Schulalltag
                mehrere Ursachen. Bei Jugendlichen sind       liche brauchen Hoffnung und Perspekti-                        Ein Programmfokus liegt im schulischen
                Bewältigungsstrategien und Ressourcen         ven von aussen, damit sie lernen, dass                        Setting, und zwar auf der Prävention
                noch nicht so stark entwickelt wie bei        Krisen auch wieder vorbeigehen und                            und auf der Früherkennung von Schüle-
                Erwachsenen. Jugendliche, die psychisch       bewältigt werden können. Im Rahmen                            rinnen und Schülern mit erhöhtem Risi-
                stark leiden, können sich nicht vorstellen,   des kantonalen direktionsübergreifen-                         ko für Suizidalität. Wir sensibilisieren
                dass sich ihre Situation je wieder verbes-    den Schwerpunktprogramms Suizidprä-                           dafür, dass ein wertschätzendes
Foto: Stocksy

                                                                                                                                                     Magazin P&G, Juli 2021 – 19
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