Bildu g. Weiter de ke ! - MÄNNER IN DER FRÜHEN BILDUNG - GEW Saarland
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65. Jahrgang Zeitung “Erziehung und Wissenschaft im Saarland” des Landesverbandes der GEW im DGB MÄNNER IN DER FRÜHEN BILDUNG Bildun g. Weiter denken!
INHALT EDITORIAL Kopf verankerten Bild: „Bildung, gerade im rungshelfer an Schulen auf. Das Projekt „Clea- frühkindlichen Bereich, ist eben eher Frauen- ring-House-Unterricht“ mit Schwerpunkt auf Öffnungszeiten der sache“. den MINT-Fächern soll denn Lehrkräften als zeitsparendes, kostenloses Instrument die- Geschäftsstelle Einleitend zum Titelthema „Männer in der frühen Bildung“ gewährt uns Matthias Hauch, nen, den aktuellen Forschungsstand zum Mo. - Do.: 09.00 - 12.00 Uhr | 13.00 - 16.00 Uhr eigenen Unterrichtsfach themenbezogen ord- ein „Exot“ seines Berufes und Erzieher in der Fr.: 09.00 - 12.00 Uhr | 13.00 - 15.00 Uhr nen zu können, verständlich zusammenzufas- frühkindlichen Bildung einen Einblick in sei- Telefon: 0681 / 66830-0, sen und die Qualität relevanter Forschungser- nen Berufsalltag. Damit gehört Hauch, so Irm- Liebe Kolleginnen und Kollegen, gebnisse besser beurteilen zu können. Mit der Telefax: 0681 / 66830-17 gard Diewald in ihrer Dissertation: „Männlich- Behauptung, Intelligenz sei hochgradig ver- E-Mail: info@gew-saarland.de keiten im Wandel: Zur Regierung von Ge- allein die Tatsache, dass die EuWiS das The- erbt, räumt Prof. Dr. Christof Kuhbandner in Internet: http://www.gew.saarland schlecht in der deutschen und schwedischen ma „Männer in der frühen Bildung“ aufgreift, seinem Beitrag „Fataler Fehlschluss“ auf; der Debatte um ´Männer in Kitas´“ zu einer Grup- zeigt bereits, dass es sich hierbei nicht um Tenor lautet hier: Die richtige Förderung pe von nur 5 Prozent männlichen Arbeitskräf- eine Selbstverständlichkeit handelt, sondern macht´s! GEW-Service dass die Frage nach dem Anteil der Männer in ten im am stärksten segregierten, weiblich dominierten Berufsfeld innerhalb des Be- Der Beitrag „Wir wollen alles dafür tun, Beratungszeiten für den Kitas und anderen Einrichtungen früher Mitglieder in Rechtsfragen schäftigungssystems. Welchen interessanten dass Schule kein Tatort wird, sondern Schutz- Bildung besprechenswert ist. Weg Schweden beschreitet, um dieser „Femi- ort“ von Joachim Göres informiert über das Mo., Di. u. Do.: 08.30 - 16.30 Uhr, nisierung“ entgegenzuwirken, legt Frau Die- Konzept „Schule gegen sexuelle Gewalt“, wel- Mi.: 13.00 - 17.00 Uhr Männer wirken in der Erziehung von Kin- wald im Interview mit Vertretern der Koordi- ches bereits 2016 in NRW unter Mitwirkung dern sowohl im privaten als auch im öffentli- Landesstelle für Rechtsschutz nationsstelle „Chance Quereinstieg“ der ka- des unabhängigen Bildungsbeauftragen für chen Bereich wesentlich stärker mit als noch tholischen Hochschule für Sozialwesen in Ber- Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Gabriele Melles-Müller, vor zehn Jahren. Und auch, wenn der Anteil lin, dar. Die Situation in Grundschulen be- Johannes-Wilhelm Rörig, entwickelt wurde Tel.: 0681 / 66830-13, der Männer und männlichen Tageseltern 04 Thema: Männer in der frühen Bildung E-Mail: g.melles-mueller@gew-saarland.de Fr.: 13.00 - 16.00 Uhr unter Tel. (priv.): 0170 / 4151006 immer noch klein ist, so weiß das statistische Bundesamt von einem Anstieg von nur 3,6 Prozent im Jahr 2012 auf 5,2 Prozent im Jahr leuchtet Petra Siderowski in ihrem Artikel „Du, Fräulein Horst!“ In der Rubrik „Jugendhilfe und Soziale und welches bis Ende des Jahres in allen Bun- desländern – und damit auch im Saarland − gelten soll. Die Fachgruppe Gemeinschafts- schulen setzt uns in Kenntnis über die neues- 2018 zu berichten. Diese Entwicklung macht Arbeit“ spricht Matthias Römer die problema- Beratung für ten Ergebnisse der Gespräche mit der SPD- ein wenig Mut, ändert jedoch nichts an der tische Situation der Eingliederungshelfer bzw. Editorial 03 Gewerkschaft 17 Referendarinnen und Referendare Landtagsfraktion. n Tatsache, dass die vorherrschenden Rahmen- Schulassistenten mit der Frage: „Wer ist 17 Entlastungsstrategien jetzt! Max Hewer, Tel.: 0176 / 30456396 bedingungen für viele Männer (die Erzieher eigentlich verantwortlich für die schwierige Ich wünsche eine anregende Lektüre! Thema: Männer in der Fachgruppe Gemeinschaftsschulen im Gespräch mit der SPD-Landtagsfraktion E-Mail: m.hewer@gew-saarland.de werden wollen) noch zu wenig Anreiz bietet, Beschäftigungssituation der Eingliederungs- Judith Frankhäuser-Kandler frühen Bildung 04 um den Beruf tatsächlich zu ergreifen. Dies helfer?“ nochmals an (EuWiS berichtete be- 19 Bundesfachgruppenausschuss der Beratungsdienst für liegt zum einen in der zu geringen Bezahlung, reits im Okt. 2018) und zeigt erste Wege aus 04 Der Exot Sozialpädagogischen Berufe Auslandsaufenthalt von Lehrkräften aber auch im antiquierten, bei vielen noch im der prekären Beschäftigung für Eingliede- 05 Männlichkeit im Wandel? Rückblick auf die Sitzung Susanne Bleimehl Tel.: 0170 / 9655772 08 Du, Fräulein Horst! 20 Erstes Treffen des Arbeitskreises E-Mail: susannebleimehl@gmail.com ANZEIGE für Betriebsräte in der GEW Jugendhilfe & Soziale Arbeit 10 Bücher & Medien 21 Redaktionsschluss 05.04.2019 10 Wege aus der prekären 21 Zerstich die Blase... (Mai-Ausgabe) Beschäftigung Schlagworte und Wortschlager ins Visier Wer ist eigentlich verantwortlich für die genommen 06.05.2019 schwierige Beschäftigungssituation der (Juni-Ausgabe) Eingliederungshelfer*innen? 22 Konflikte bewältigen, Blockaden E-Mail: redaktion@gew-saarland.de Wir drucken für unser Leben gern überwinden Hochschule 12 22 Die Landwirtschaft als Problem 22 Eine Welt im Unterricht 12 Was kann Forschung zu gutem Unterricht beitragen? Konzepte, Ressourcen, Materialien Impressum Herausgeber Gewerkschaft Erziehung und Layout Schule 13 Zu guter Letzt ... 23 Wissenschaft (GEW) im DGB, Bärbel Detzen Landesverband Saarland, Geschäftsstelle: b.detzen@gew-saarland.de 13 Fataler Fehlschluss Mainzer Str. 84, 66121 Saarbrücken Tel.: 0681 / 66830-0, Fax: 0681 / 66830-17 Druck info@gew-saarland.de COD Büroservice GmbH 15 „Wir wollen alles dafür tun, dass Bleichstraße 22, 66111 Saarbrücken Schule kein Tatort wird, sondern Redaktion Matthias Römer Telefon: 0681 / 393530, info@cod.de Schutzort“ redaktion@gew-saarland.de Bildnachweis Bundesweite Initiative „Schule gegen Helmut Bieg, u.a. 123rf.com, GEW-Archiv, privat sexuelle Gewalt“ Thomas Bock, Judith Frankhäuser-Kandler, Titelfoto 123rf.com/©Cathy Yeulet 16 Prioritäten setzen Anna Haßdenteufel, Helmut Stoll Kommentar Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht Anzeigenverwaltung unbedingt die Meinung der GEW wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Andreas Sánchez Haselberger Gewähr übernommen. a.sanchez@gew-saarland.de COD Büroservice GmbH Mainzer Straße 35 66111 Saarbrücken EuWiS 03/2019 | 2 offset und digital Tel. 0681 39353-51 Fax 0681 6852301 print@cod.de www.cod.de
THEMA: MÄNNER IN DER FRÜHEN BILDUNG THEMA: MÄNNER IN DER FRÜHEN BILDUNG Der Exot Männlichkeit im Wandel? Männer in der frühen Bildung Frau Diewald hat im Rahmen ihres Disser- Darüber hinaus gibt es aktuell in beiden Län- schreibung der gesellschaftspolitischen Auf- Zu Beginn meiner Arbeit in einer Kita war tationsprojekts eine vergleichende Studie dern Bestrebungen die Anzahl männlicher Er- gabe der Gleichstellung in die vergeschlecht- ich etwas verunsichert, was ich an Reaktionen zwischen Deutschland und Schweden zum zieher zu erhöhen, die politische und gesell- lichte Subjektkonstruktion der Männer, die von Eltern und Kolleginnen zu erwarten habe. Thema ‚Männer in Kitas‘ durchgeführt und schaftliche Reichweite der Kampagnen sind sich für dieses Berufsfeld entschieden haben. Doch diese Bedenken wurden sehr schnell ihre Analyse in den Kontext wohlfahrtsstaat- jedoch sehr unterschiedlich. Diese wurden zu Helden einer sozialen niedergelegt, denn ich wurde von allen Perso- licher Regulierung bzw. Regierung gestellt. ‚Geschlechterrevolution‘. In den 1980er Jah- nen sehr freundlich und herzlich willkommen Was genau heißt „nicht ausreichend ren erfolgte dann eine Retraditionalisierung geheißen. Viele Eltern sagten, dass sie sehr qualifiziert“? von Männlichkeitsvorstellungen. Männer in froh darüber seien, dass ihre Kinder nun auch Um die Anzahl männlicher Vorschullehrer der Vorschule wurden nicht mehr als Helden eine männliche Bezugsperson im Kindergar- zu erhöhen, war es im Rahmen einer aktiven gefeiert, sondern vielmehr wurden in Abgren- tenalltag hätten. Anfangs, wie auch heute Fördermaßnahme möglich, Männern einen zung zu einer verweichlichten, fürsorgenden noch, wurde ich von Eltern und externen extra Leistungspunkt zu ihren Noten zu Männlichkeit ‚echte‘ Männer gefordert. Diese Fachkräften auf meine Berufswahl angespro- geben, wenn diese sich für die Ausbildung sollten einen Kontrapunkt zur feminisierten chen, welche sie als Bereicherung für die Kin- zum Vorschullehrer bewarben. Diese Maß- Vorschulwelt setzen. der im Kita-Alltag empfinden. In den fünf Jah- nahme führte zu einer Form der positiven Dis- ren, die ich nun in der jetzigen Kita arbeite, kriminierung und wurde Ende der 1970er Jah- gab es nur einmal ein Elternteil, welches re wieder abgeschafft. Ebenso wurde proble- anfangs nicht damit einverstanden war, dass matisiert, dass die Rekrutierung von Männern ich die Kinder auch bei der Toiletten-Situation zu einer Reproduktion tradierter Geschlech- begleite. Die Leitung stellte hier jedoch von in jungen Jahren meist viel Wert auf frühe gen des Hausmeisters erfordert hätte, kurzer- Irmgard Diewald, TU Darmstadt, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am terverhältnisse innerhalb der Vorschule führ- Institut für Sozialforschung im durch die Hans-Böckler-Stiftung geför- Anfang an klar, dass dies ebenso einer meiner finanzielle Eigenständigkeit gelegt wird, ent- hand ohne viel Aufwand ausgeführt werden. derten Projekt: "'Digitale Bohème' und Mitbestimmung. Informelles te. So haben zum Beispiel viele Männer Lei- Digitalisierungswissen im Großunternehmen als zukünftige Gestal- Arbeitsbereiche ist, wie auch der der weibli- scheiden sich wohl viele Männer, die diesen tungsressource für Betriebsräte" tungsaufgaben übernommen und sich weni- chen Mitarbeiter. Schlussendlich hat sich der Beruf gerne ausüben würden, dagegen. Oder Eine Anmerkung einer Kollegin ist mir stark ger um die Betreuung der Kinder gekümmert. Elternteil aber auch damit arrangiert und es sie suchen nach der Ausbildung Arbeitsplätze in Erinnerung geblieben, sie sagte zu mir: „Ich Frau Diewald, warum war für Sie der Ver- Dies stand jedoch dem Ziel entgegen, neue ist eine sehr positive Erziehungspartnerschaft im Heimbereich, da hier die Vergütung durch bin immer froh, wenn du bei schwierigen gleich zwischen Deutschland und Schweden ‚Rollenvorbilder‘ für die Kinder zu etablieren. entstanden. die Schichtzulagen aufgrund von Nacht- und Eltern mit dabei bist“. Infolgedessen habe ich von Interesse? Wochenenddiensten höher ausfällt. viele schwierige Situationen mit Erzieherin- In gängigen Wohlfahrtsstaatstheorien wer- Inwiefern haben sich die „Männlichkeits- Da Männer heute in der Erziehung der Kin- nen und Eltern beobachtet und festgestellt, den Deutschland und Schweden unterschied- und Geschlechtervorstellungen“ in Schwe- der viel stärker mitwirken als noch vor einigen Die alltägliche Arbeit in der Kita als Mann dass sich die Eltern und Verwandten mir lichen Typen zugeordnet. Deutschland wird den gewandelt und warum hat dieser Wan- Jahren, sollte auch die Quote der Männer in unterscheidet sich im Prinzip wenig von der gegenüber zurückhaltender und respektvoller dem konservativen Typus zugeordnet und del zu einem Einbruch des Männeranteils der frühkindlichen Bildung entsprechend der Frauen. Natürlich wird man bevorzugt um verhielten. Der respektvolle Umgang mitei- zeichnet sich durch ein 1,5-Verdiener-Modell von 10 % auf knapp 1 % geführt? höher sein, als sie es momentan ist. Leider Hilfe gebeten, wenn etwas Schweres trans- nander sollte nicht am Geschlecht orientiert, aus. Demgegenüber steht Schweden als sozi- Neben dem Auslaufen der politischen För- bieten die Rahmenbedingungen den meisten, portiert, Materialien repariert oder aufgebaut sondern eine Grundhaltung aller Menschen aldemokratischer Wohlfahrtsstaat mit einem dermaßnahmen lässt sich der Rückgang der die in Erwägung ziehen, diesen Beruf zu wäh- werden müssen. Da mir persönlich dies aber miteinander sein. n Zweiverdienermodell. Aus gleichstellungspoli- Männerquote in Vorschulen mit einer Retradi- len, wenig Anreiz. Das liegt vor allem an der Spaß macht, sehe ich darin kein Problem, son- tischer Sicht wird in dieser Gegenüberstellung tionalisierung von Geschlechtervorstellungen Bezahlung, aber auch an der Ausbildung, wel- dern eher eine Möglichkeit, wie ich mich Matthias Hauch oft die Vorbildrolle Schwedens hervorgeho- erklären. In den 1970er Jahren wurden in che erst im letzten der vier Ausbildungsjahre gruppenübergreifend und konstruktiv in die Erzieher ben. Schweden unter sozialdemokratischer Füh- eine Vergütung bietet. Da viele den Mann tägliche Arbeit einbringen kann. So kann man- rung verschiedene geschlechterpolitische Foto: de.123rf.com/©Graham Oliver noch als „Ernährer der Familie“ sehen und da che Tätigkeit, die beispielsweise das Beauftra- Außer Acht gelassen wird dabei, dass sich Maßnahmen verabschiedet. Geprägt wurde in auch in Schweden eine massive geschlechts- dieser Zeit die Begrifflichkeit ‚jämställdhet‘ Inwiefern sind die politische und gesell- spezifische Arbeitsmarktsegregation findet. (Gleichstellung) als gesellschaftspolitisches schaftliche Reichweite der aktuellen Kam- ANZEIGE Mit einer Frauenquote von etwa 95 % ist die Leitmotiv. Es wurde zum erklärten gesell- pagnen unterschiedlich? frühkindliche Bildung in beiden Ländern eines schaftsübergreifenden Ziel, geschlechtsspezi- Bis heute ist die schwedische Debatte zu der am stärksten geschlechtsspezifisch segre- fische Ungleichheiten abzubauen sowie ver- Männern in der Vorschule geprägt von den gierten weiblich dominierten Berufsfelder geschlechtlichte Machtstrukturen aufzulösen. Auseinandersetzungen in den 1970er und innerhalb des Beschäftigungssystems. Interes- 1980er Jahren. So sind zwei zentrale Argu- sant war für mich zudem, dass in Schweden Im Fokus dieser geschlechterpolitischen mente gegen eine verstärkte Rekrutierung schon in den 1970er Jahren eine Kampagne Ausrichtung stand insbesondere die verstärk- von Männern, dass dies bereits versucht wur- zur Erhöhung der Anzahl männlicher Erzieher te Rekrutierung von Frauen in den Arbeits- de und nicht erfolgreich war, sowie der Ver- durchgeführt wurde. Unter anderem ermög- markt. Um dies bewerkstelligen zu können, weis auf die Gefahr der Reproduktion tradier- lichte eine Quotenregelung auch Männern, erfolgte unter anderem ein massiver Ausbau ter Geschlechterstereotype, welche eine ge- die nicht ausreichend qualifiziert waren, den der Kinderbetreuung. Auf geschlechterpoliti- schlechtsspezifische Hierarchisierung impli- Einstieg in das Berufsfeld. In der Folge ließ sich scher Ebene wurden jedoch nicht nur verge- zieren. Erst mit dem Amtsantritt der Gleich- ein deutlicher Anstieg des Anteils männlicher schlechtlichte Rollenerwartungen an Frauen stellungsministerin Maria Arnholm (2013- Erzieher auf ca. 10 % erkennen. in Frage gestellt, sondern ebenso Männlich- 2014) wurde die Thematik auf politischer Ebe- keitskonstruktionen, in der Verknüpfung von ne in Schweden wieder forciert. In den 1980er Jahren erfolgte aufgrund sich Männern und Care-Arbeit, einer Neuaushand- wandelnder Männlichkeits- und Geschlechter- lung unterzogen. Mit dem Eintritt in das Im Gegensatz dazu wird in Deutschland seit vorstellungen ein Rückgang auf knapp 1 %. Berufsfeld der Vorschule erfolgte eine Ein- einigen Jahren eine intensive politische und EuWiS 03/2019 | 5
THEMA: MÄNNER IN DER FRÜHEN BILDUNG THEMA: MÄNNER IN DER FRÜHEN BILDUNG gesellschaftliche Debatte zu Männern in Kitas ses Vorhaben vor dem Hintergrund ihrer Stu- eine Fokussierung auf Sorgearbeit sowie bungen und die damit verbundenen Ungleich- lichtem Wissen und die damit einhergehende Ausrichtung des Programms bricht und kon- geführt. In beiden Ländern lassen sich unter- die ein und gibt es ähnliche Diskussionen in Wohlfahrtspolitik zu erkennen ist, fällt der ele- heitsverhältnisse sowie Macht- und Herr- Geschlechtermachtordnung wird zu einem Teil struktivistisches Geschlechterwissen wirk- schiedliche Ausgangspunkte erkennen. Wäh- Schweden? mentarpädagogische Bereich in Schweden schaftsverhältnisse zu reproduzieren. Um mit der akademischen Ausbildung der Erzieher*in- mächtig wird. rend sich die Kampagne in Deutschland zu Be- seit 1996 in den Zuständigkeitsbereich des Bil- Mecheril zu sprechen, geht es darum Acht- nen. ginn deutlich in gleichstellungspolitischen Aus Perspektive meiner Forschungsergeb- dungsministeriums. Dies führte unter ande- samkeit für Differenzen zu entwickeln ohne Deutlich wurde im Rahmen meiner Arbeit, Auseinandersetzungen verortet hat, findet nisse fällt mir insbesondere die Verschiebung rem dazu, dass die schwedischen Kinderta- Identitätsdenken zu fixieren. Zum Ziel wird Nicht unberücksichtigt bleiben dürfen an dass in der Auseinandersetzung zu Männern sich in Schweden vor allem der Verweis auf von Problematisierungen, die die Debatte geseinrichtungen mittlerweile als Vorschule damit, dass in der Frage angesprochene Span- dieser Stelle länderspezifische Eigenheiten. in Kitas ganz unterschiedliche Positionen ein- einen drohenden Fachkräftemangel und da- ermöglichen, auf. Viel deutlicher als zu Beginn (förskolan) bezeichnet werden. Ebenso wurde nungsfeld zwischen Differenzfixiertheit und Aufgrund divergierender hegemonialer Sag- genommen werden können. Aus einer dis- mit arbeitsmarktpolitische Argumentations- der Auseinandersetzung um Männer in Kitas ein nationaler Lehrplan für die Vorschule ent- Differenzblindheit, welches die Debatte auch barkeiten, folgt der Umgang mit (Geschlech- kurstheoretischen Perspektive lässt sich damit muster als Legitimationsstrategie der Kampa- stehen nun ökonomische Veränderungen und wickelt und es erfolgte eine Akademisierung maßgeblich formt, sichtbar zu machen und ter-)differenzen jenseits identitärer Zuschrei- festhalten, dass es nicht die eine Wahrheit gne. Gleichzeitig wird die Rekrutierung von damit einhergehende arbeitsmarktpolitische der Ausbildung. Im Moment gibt es eine Kam- einen produktiven Umgang mit diesem zu fin- bungen in beiden Ländern unterschiedlichen gibt, sondern viele unterschiedliche Wahrhei- Männern aus Gleichstellungssicht kritisch dis- Herausforderungen im Fokus. Gleichzeitig pagne der schwedischen Schulbehörde zur den. Regelhaftigkeiten. So hat die Auseinanderset- ten, die mit einer diskursiven Aushandlung kutiert, da es dem Ziel tradierte Geschlechter- bleiben mit der Verortung im BMFSFJ gleich- Rekrutierung von Vorschullehrer*innen. Die zung mit vergeschlechtlichen Machtstruktu- und Kämpfen um Sagbarkeiten einhergehen. muster aufzubrechen entgegensteht. Dem- stellungspolitische Zielsetzungen bestehen. Debatte um Männer in der Vorschule hat auf Der Logik der schwedischen Debatte fol- ren in Schweden eine viel längere Historizität Das macht die Debatte zu Männern in Kitas zu entgegen steht die zumeist identitätspoliti- Damit wird ein Raum geschaffen, indem es so- politischer Ebene in Schweden jedoch deut- gend, sehe ich daran anschließend und die Veränderung von Geschlechterver- etwas Unabschliessbarem, indem Geschlech- sche Ausrichtung deutscher Gleichstellungs- wohl möglich ist, vergeschlechtlichte Arbeits- lich an Bedeutung verloren. Dies lässt sich ins- geschlechtsneutrale Professionalität und die hältnissen wird als zentrale gesellschaftliche terverhältnisse immer wieder neu ausgehan- politik. Damit wird die Forderung nach (mehr) marktstrukturen aufzubrechen, als auch besondere auf den Regierungswechsel 2014 Frage nach Differenz nicht als etwas sich Querschnittsaufgabe gesehen. Im Gegensatz delt werden. n Männern qua biologischen Geschlechts in Geschlechterverhältnisse (neu) auszuhan- hin zu einer Minderheitsregierung der Sozial- gegenseitig ausschließendes, sondern viel- dazu ist in Deutschland die Frage nach Vielen Dank für das Interview. Deutschland auf politischer Ebene zu etwas deln. demokraten und der Grünen zurückführen. mehr in Verflechtung zueinander. Die Reflexi- Geschlechterungleichheiten ein viel stärker Im Herbst 2018 erschien die Publikation von Irmgard Sagbarem und gesellschaftlich erwünschten, on von (Geschlechter-)differenzen und die umkämpftes Feld, was sich aktuell unter Diewald: Männlichkeiten im Wandel. während die Forderung in Schweden auf- Gleichzeitig geht es mit der Verknüpfung Meiner Einschätzung nach sollte in der diesen zugrundliegenden heteronormativen anderem in öffentlichen antifeministischen Das Interview erschien auf der Website der Koordinati- onsstelle ‚Chance Quereinstieg‘ bzw. der Koordinati- grund divergierender Geschlechtervorstellun- von Arbeit und Geschlecht nicht mehr nur um Debatte um die Aufwertung des elementarpä- Strukturen werden somit zu einem Teil und antigenderistischen Diskursen deutlich onsstelle ‚Männer in Kitas‘. Die Koordinationsstellen gen nur bedingt sagbar ist. die Rekrutierung von Männern in einen soge- dagogischen Bereichs stärker die Frage nach geschlechtsneutraler Professionalität. In der zeigt. Gleichzeitig scheint es schwierig gleich- werden von der Katholischen Hochschule für Sozialwe- sen in Berlin getragen. Gemeinsam mit nannten ‚Frauenberuf‘, vielmehr erfolgt eine der Wirkmächtigkeit von Geschlecht disku- schwedischen Debatte lässt sich immer wie- stellungspolitische Programmatiken jenseits Vertreter*innen aus Politik, Wissenschaft und Praxis Trotz der Unterschiede in der politischen (neue) Aushandlung vergeschlechtlichter tiert werden. So stellt sich zum Beispiel die der der Verweis auf eine reflexive Erzieher- einer identitätspolitischen Ausrichtung zu arbeitet die Koordinationsstelle daran, neue Zielgrup- und gesellschaftlichen Auseinandersetzung Care-Arbeit. Hieraus resultiert eine Verknüp- Frage, warum der Bereich per se als weiblich männlichkeit und, gedacht in einer Zweige- platzieren. So lässt sich in der Namensgebung pen für den Beruf des Erziehers/der Erzieherin zu gewinnen und sie nachhaltig an das Arbeitsfeld zu bin- weisen die Debatten in beiden Ländern deut- fung zwischen individuellen und strukturellen verstanden wird und welche Ausschlussme- schlechtlichkeit, auch Weiblichkeit finden. Mit ‚Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas‘ den. Mehr Informationen findet man unter liche Parallelen auf. Festhalten lässt sich für Momenten, die sich in den unterschiedlichen chanismen mit dieser vergeschlechtlichten dem Eintreten in das Berufsfeld wird es zum eine klare identitäre Ausrichtung des Pro- https://www.chance-quereinstieg.de. beide eine Verschränkung divergierender, teil- Zielsetzungen, die im Rahmen des Bundesmo- Differenzsetzung einhergehen. Gleichzeitig Ziel eigenes Geschlechterwissen zu reflektie- gramms erkennen, während die Frage nach Wir bedanken uns herzlich für die Genehmigung zum Nachdruck. weise widersprüchlicher Zielsetzungen. Ne- dellprogramms verfolgt werden, widerspie- finde ich es spannend, Möglichkeiten zu dis- ren und damit Tradierungen entgegen zu wir- der Hervorbringung und Machtwirkung von ben der Frage nach vergeschlechtlichten Per- geln. Dabei sollte aus Gleichstellungsperspek- kutieren, die den Eintritt in den elementarpä- ken. Die Problematisierung von vergeschlecht- Differenz gerade mit der identitätspolitischen sonalstrukturen rückt der elementarpädago- tive, die insbesondere auch auf den Abbau dagogischen Bereich unabhängig von Ge- gische Bereich als gleichstellungspolitische der Benachteiligung von Frauen zielt, die his- schlecht erlauben. So findet sich in der schwe- ANZEIGE Arena in den Fokus. So ist die Kampagne in torische Gewordenheit vergeschlechtlichter dischen Debatte aus politisch-pädagogischer Deutschland zum Beispiel eng verbunden mit Arbeitsmarktstrukturen nicht aus dem Blick Sicht auf Ebene des Personals und der Organi- der Zielsetzung genderpädagogische Elemen- geraten. sationsstrukturen immer wieder die Forde- te im Kitabereich zu etablieren. rung nach einer geschlechtsneutralen Profes- In den Fokus rücken damit gesellschaftliche sionalität, die das Berufsfeld unabhängig von Aus der Perspektive der Koordinationsstelle Erwartungen und Normierungen, was sich ja vergeschlechtlichten Zuschreibungen attraktiv ‚Männer in Kitas‘ ergeben sich für eine auch in den Zielen der gesellschaftlichen Auf- für unterschiedlichste Personengruppen Gleichstellungspolitik, die einerseits Frauen wertung von (professioneller) Sorgearbeit so- gestalten soll. und Männer adressiert und andererseits wie der Frage nach einer gender- und diversi- die verhältnismäßig geringe Attraktivität tätsbewussten Öffnung des Bereichs wider- Frau Diewald, sie plädieren einerseits für für die Beschäftigten der professionellen spiegelt. Eine verbesserte berufliche Entloh- die Berücksichtigung der historischen Sorgearbeit (insbesondere Frauen), als auch nung alleine scheint dabei nicht per se zu Gewordenheit vergeschlechtlichter Arbeits- das Wegbrechen traditionell männlich kon- einer permanenten Steigerung des Männer- marktstrukturen und andererseits für eine notierter Arbeitsplätze berücksichtigt, zwei anteils zu führen. So erhalten zum Beispiel geschlechtsneutrale Professionalität. Ist das wichtige strategische Ziele: Vorschullehrer*innen in Schweden mit durch- nicht ein Widerspruch? Das Feld der früh- a) die gesellschaftliche Aufwertung profes- schnittlich 27.000 Kronen in etwa ein schwe- kindlichen Bildung ist doch historisch sioneller Sorgearbeit (inklusive der Ele- disches Durchschnittsgehalt. Spannend ist, betrachtet, hochgradig vergeschlechtlicht. mentarpädagogik) und wie in den Interviews immer wieder betont Bedarf es nicht eher der Strategie, gewach- b) die Etablierung einer gender- und diver- wurde, dass in der gesellschaftlichen Wahr- sene Differenzstrukturen anzuerkennen sitätsbewussten Öffnung der professio- nehmung das Gehalt deutlich geringer einge- bzw. empirisch im Feld zu rekonstruieren, nellen Sorgearbeit hin zu neuen Perso- schätzt wird, als der tatsächliche Lohn für Vor- und das von Paul Mecheril in einem ande- nengruppen, die bisher im Sektor unter- schullehrer*innen ist. ren Kontext beschriebene Spannungsver- repräsentiert sind. hältnis zu berücksichtigen, dass zwischen Mit dem Bundesmodellprogramm ‚Quer- Anzumerken sind an dieser Stelle die unter- Differenzfixiertheit einerseits und Diffe- einstieg – Männer und Frauen in Kitas‘ wird schiedlichen Ausrichtungen und Zuständigkei- renzblindheit andererseits liegt? aktuell in Deutschland versucht, bundesweit ten des elementarpädagogischen Bereichs in Ich plädiere auch nicht für eine De-Thema- eine vergütete, geschlechtersensible und Deutschland und Schweden. Während in tisierung von Geschlecht, ganz im Gegenteil, erwachsenengerechte Ausbildung zu etablie- Deutschland die Zuständigkeit der Kinderbe- die Herausforderung ist ja gerade (verge- ren. Diese soll aber auch zur Aufwertung des treuung beim Bundesministerium für Familie, schlechtlichte) Differenzen aufzuzeigen und Berufsfeldes beitragen. Wie schätzen Sie die- Senioren, Frauen und Jugend liegt und damit zu thematisieren, ohne identitäre Zuschrei- EuWiS 03/2019 | 6
THEMA: MÄNNER IN DER FRÜHEN BILDUNG THEMA: MÄNNER IN DER FRÜHEN BILDUNG Du, Fräulein Horst! Informationsmessen, auf denen das Projekt präsent ist, werden deshalb typische Vorurtei- le über die Tätigkeit als Grundschullehrkraft explizit aufgegriffen und mit den tatsächlichen In den Grundschulen ist das Verhältnis von Forschungsbefunde lassen die Aussagen zu, Anforderungen des Studiums und des Berufs Lehrerinnen zu Lehrern in einem Missverhält- dass das Fehlen von Männern stereotype Rol- kontrastiert. Dass neben dem pädagogischen nis. Im Saarland sind es laut Statistischem lenbilder bei Schülerinnen und Schülern be- Auftrag der Grundschullehrkräfte auch fach- Jahrbuch 85 % Grundschullehrerinnen in den fördert. Schülerinnen und Schüler in der lich sowie fachdidaktisch anspruchsvolle Auf- Grundschulen und ein dementsprechend Grundschule wünschen sich allerdings nach gaben stehen, kommt in der öffentlichen geringer Prozentsatz von männlichen Lehrern. eigener Aussage nicht mehr Männer, bzw. Wahrnehmung oftmals zu kurz. Vor möglichen negativen Folgen einer soge- begreifen das Missverhältnis nicht als Nach- Unterricht in der Grundschule ist didaktisch nannten Feminisierung der Grundschule wird teil. und methodisch höchst anspruchsvoll, da die in zahlreichen Publikationen immer wieder Kinder sehr unterschiedliche Kompetenzen gewarnt. Im Blick hat man dabei vor allem die Zwei Forschungsbefunde zum Zusammen- und Lernstände mitbringen. Diese Heteroge- Jungen in der Primarstufe. hang zwischen Leistungen und Geschlechter- nität gilt es einerseits aufzugreifen und die verhältnis lassen zumindest erahnen, welche Kinder individuell zu fördern und sie gleichzei- Dieses Verhältnis war früher einmal anders. Fragen in Zukunft interessant werden könn- tig zu einer Lern- gruppe zusammenzuführen. Waren in den 60er-Jahren noch ca. 60 % der ten: Die Berliner ELEMENT-Studie und eine damaligen Grund- und Hauptschullehrer Studie unter Berücksichtigung der Daten der An der Universität Bremen und auch in männlich, änderte sich dieses Verhältnis stark, IGLU-Studie. In beiden Studien wurde die anderen Bundesländern existieren ähnliche bis in den 90er-Jahren nur noch 40 % Männer kognitive Entwicklung der Kinder untersucht, Projekte. So setzt man in Bremen auch auf ein an den Grundschulen vertreten waren. Mitt- nicht die allgemein psychologische Entwick- Kooperationsprojekt zwischen Hochschule lerweile gibt es Bundesländer, in denen der lung. Die Ergebnisse lesen sich wie folgt: Mäd- und Land: ‚Männer in die Grundschule‘. Anteil nahe an den 10 % kratzt, z. B. Bremen. chen zeigen ein besseres Leseverständnis, Der Anteil männlicher Erzieher in Kindergär- wenn an der Schule insgesamt mehr Lehrerin- Männerquote in der Grundschule – Warum ten, eine ähnlich weibliche Berufsdomäne, be- nen waren. Im Fach Mathematik hatten Jun- nicht? wegt sich bundesweit übrigens zwischen 3 % gen etwas bessere Noten, wenn an der Schule Im öffentlichen Dienst gilt in Deutschland und 5 %. mehr Lehrer unterrichteten. Zurecht wird eine relative Quotenregelung. In Bereichen, in jedoch an der ELEMENT-Studie kritisiert, dass denen Frauen unterrepräsentiert sind, wer- Doch: ist die Tatsache, dass in der Grund- nicht genau erhoben wurde, welches Kind den bei gleicher Qualifikation Frauen bevor- schule überwiegend Frauen unterrichten, nun genau wie lange von einem Lehrer oder zugt bis eine bestimmte Frauenquote erreicht eine Ursache für vermeintliche Benachteili- einer Lehrerin unterrichtet wurde. Auch die ist. Diese dient dazu die tatsächliche Benach- gung von Jungen im Schulsystem, vor allem in auf den IGLU-Daten von 2010 basierende Stu- teiligung von Frauen, insbesondere auch in der Grundschule? Sind die im Vergleich die erlaubt nicht den Schluss, dass Jungen Führungspositionen zu beseitigen. Das Einhal- schlechteren Leistungen von Jungen, z. B. im oder Mädchen bessere Leistungen zeigen und ten einer Quote bei Einstellungsverfahren Lesen insgesamt so einfach zu erklären? Kön- bessere Noten haben, wenn sie von einer birgt Probleme, dennoch könnte eine vorü- nen Lehrerinnen vielleicht schlechter mit Lehrkraft des gleichen Geschlechts unterrich- bergehende Männerquote bei der Einstellung typisch männlichem Verhalten umgehen, tet werden. von Grundschullehrern zur Folge haben, dass geben sie den Jungen in den Klassen zu wenig Lehrer in der Grundschule häufiger anzutref- Orientierung? Taugen Frauen in jeder Bezie- fen sind. Das Erreichen einer Männerquote hung als Rollenvorbilder für Jungen und Mäd- Männer in der Grundschule und sahen nur den Fachlehrer als echten Leh- Das Vorhandensein der gesamten Band- Männer in die Grundschule scheitert jedoch derzeit an einem Mangel an chen? Und über allem steht die Frage, warum Die wenigen Männer, die an den Grund- rer und in der Mehrheit als anzustrebenden breite unterschiedlicher männlicher (und Verschiedene Kampagnen in mehreren qualifizierten Bewerbern, sowohl weiblichen sich immer noch so wenige Männer dafür ent- schulen tätig sind, befinden sich in der Positi- Beruf. weiblicher) Lehrpersönlichkeiten befördert Bundesländern haben es zum Ziel, junge Män- als auch männlichen. Motivationskampagnen scheiden, Grundschullehrer zu werden? on von Exoten, die nicht zuletzt durch den den Abbau geschlechtsstereotyper Zuschrei- ner (wieder) für den Beruf des Grundschulleh- und die Schaffung attraktiverer Arbeitsbedin- öffentlichen Diskurs, aber auch durch Grundschullehrer geben den Kindern sicher bungen. Dies wiederum ermöglicht den Schü- rers zu interessieren. An der Universität Ham- gungen, vor allem eine entsprechende Entloh- Die Forschungslage zum Zusammenhang geschlechtsspezifische Zuschreibungen von andere Anreize als Lehrerinnen. Grundschul- lerinnen und Schülern an den Grundschulen, burg gibt es z. B. dazu das Projekt »MäGs – nung für den Beruf des Grundschullehrers zwischen dem Männeranteil in den Grund- Schulleiterinnen und Schulleitern, Kolleginnen kinder sollten erleben dürfen, dass sowohl ihr eigenes Verhaltensrepertoire zu erweitern Männer und Grundschule«, das sich mit der sind deshalb das Gebot der Stunde, um hier schulen und einer Benachteiligung von Jun- und Kollegen, Eltern und nicht zuletzt von Männer wie Frauen sich um die Sorgen und und ihre Interessen auch unabhängig von tra- Frage beschäftigt, warum nur wenige junge eine Änderung herbeizuführen. Traurig gen ist nicht üppig. Direkte Korrelationen sind Schülerinnen und Schülern einem Druck aus- Nöte und um Lernen von Kindern kümmern ditionellen Männlichkeits- und Weiblichkeits- Männer das Grundschullehramt für sich in genug, dass diese Forderungen erst in der schwierig zu verorten und auch angesichts der gesetzt sind, der die alltäglichen Interaktionen können und kümmern, denn das Vorbild wirkt bildern zu erkunden. Bei dem derzeit geringen Betracht ziehen. Die Antwort darauf findet Öffentlichkeit diskutiert werden, wenn es gilt, komplexen Situation unwahrscheinlich. Mäd- in der Schule prägt und bestimmt. Männer nachhaltig auf Söhne und Töchter. Oft fehlt es Männeranteil spiegelt sich das Verhältnis der sich oftmals in den oben angesprochenen fal- mehr Männer für den Beruf zu begeistern. chen hatten in der Vergangenheit und haben stehen in der Grundschule – wenn sie denn den Jungen aber auch den Mädchen in den Geschlechter innerhalb der Schülerschaft in schen Vorstellungen und fehlenden Informa- immer noch tatsächlich die besseren Noten. vorhanden sind – unter einer besonderen Familien an alltäglichen umfangreichen vor- den Grundschulkollegien nicht wider. Zur tionen über die Aufgaben und Anforderungen Eine andere Möglichkeit könnte in der Heute haben sie im Gegensatz zu früher auch Beobachtung durch die Eltern und Schüler, bildhaften Beziehungen mit Männern. Die Identitätsbildung förderlich sind jedoch unter- in diesem Beruf. Schulung von Quereinsteigern aus anderen höhere Bildungsabschlüsse. Ob diese auf Kos- auch aufgrund ihres Sonderstatus. Kinder, die nur mit einem Elternteil aufwach- schiedliche Rollenangebote durch Lehrerin- Lehrämtern liegen. Allerdings sind auch dort ten der Jungen gehen, ist jedoch eher frag- sen, wachsen fast immer mit der Mutter auf. nen sowie durch Lehrer. ›Weiblich‹ und ›fachlich eher wenig die Anteile der Frauen am sinken. Am Gymna- würdig. Auch ist unklar, ob die Dominanz der Die Vorbildfunktion, die durch die einseiti- Auch in vollständigen Familien ist die Zeit, die anspruchsvoll‹ – solch problematische und sium ist das Verhältnis noch ausgeglichen, Frauen in den Grundschulen eine Wirkung ge geschlechtliche Ausrichtung des Berufsbil- junge Kinder mit ihren Vätern verbringen, Es ist davon auszugehen, dass ein höherer auch abwertende Darstellungen des Grund- während es sich z. B. an den Gemeinschafts- hinsichtlich der Schülerleistungen im Allge- des eingenommen wird, prägt das Bild von durchschnittlich immer noch eher gering, weil Männeranteil die in den letzten Wochen dis- schullehramts finden sich, leider sogar in eini- schulen in den letzten Jahren in eine ähnliche meinen, aber auch hinsichtlich des Verhaltens der Rolle der Frau als fürsorgliche Kindererzie- Väter in den meisten Fällen mehr arbeiten als kutierte bessere Bezahlung von Grundschul- gen Berufsinformationsmaterialien und wer- Richtung wie an den Grundschulen bewegt. n einzelner verursacht. Sicherlich sind einige herin. Männliche Abiturienten bezeichneten Mütter. Mittlerweile weiß man, dass sich Kin- lehrerinnen und -lehrern erheblich positiv den daraus weiterverbreitet. Als Ausgangs- der Problemlagen von Jungen in den Schulen in einer Studie aus dem Jahr 2010 mehrheit- der ihre (Ersatz-)Rollenvorbilder auch aus den beschleunigt hätte. punkt in Veranstaltungen an Schulen und Petra Siderowski durch mehrere Faktoren zu erklären. Neuere lich das Grundschullehramt als ‚unmännlich‘ Medien beschaffen. Hochschulen, wie Tage der offenen Tür oder Foto: de.123rf.com/©olegdudko EuWiS 03/2019 | 8 EuWiS 03/2019 | 9
JUGENDHILFE & SOZIALE ARBEIT JUGENDHILFE & SOZIALE ARBEIT Wege aus der prekären Beschäftigung weg. Das ist der eigentliche Skandal, denn das ganze Betreuungssystem fußt auf der Verfüg- barkeit von Personen mit geringer Qualifizie- Bündelung der Hilfebedarfe und den Einsatz von einer Person für mehrere Schüler*innen. Damit können Vertretungseinsätze besser damit könnten auch die an den Modellver- such gebundenen Befristungen ggf. aufgeho- ben werden. Wer ist eigentlich verantwortlich für die schwierige Beschäftigungssituation der Eingliederungshelfer*innen? rung, damit diese auch weiterhin schlecht organisiert werden, die einzelnen Kräfte sind Bereits in der Oktoberausgabe haben wir welche Beeinträchtigungen vorliegen. Ur- Ein Schritt in die richtige Richtung. mit einem Interview auf die problematische sprünglich als eine rein pflegerische Hilfe, Angebote zur Weiterqualifizierung sind Situation der Eingliederungshelfer*innen oder zur Unterstützung bei alltäglichen Ver- indessen noch Mangelware. Hier sind auch oder auch Schulassistenten aufmerksam ge- richtungen bzw. zur Mobilitätsunterstützung die einzelnen Entscheidungsträger gefordert, macht: Keine Bezahlung, wenn das zu betreu- für behinderte Schüler und Schülerinnen ge- die beschäftigten Helfer, die eine Qualifizie- ende Kind krank ist, z. T. kein Lohn in den gro- dacht, finden wir mittlerweile 40 % der im rung wollen, z. B. bei einer parallelen Erzie- ßen Ferien und ein Status an den einzelnen Saarland tätigen Schulassistent*innenen an her*innenausbildung, wie sie ja berufsbeglei- Schulen, der einer geregelten Erwerbssituati- der Seite von Kindern und Jugendlichen mit so- tend angeboten wird, zu unterstützen. Es gibt on nur entfernt nachekommt. Das alles unter zial-emotionalen Beeinträchtigungen. Gebun- auch erste Curricula (bzw. auch Entwürfe ) zu dem Dach einer öffentlichen Institution und den an das Kind werden Zahlungen erst dann einer Grundqualifikation, wie bei den Beschäf- finanziert durch Steuergelder. fällig, wenn das Kind auch tatsächlich betreut tigten in der FGTS. Perspektiven müssen wird. Die Finanzierung ist also auf die Person geschaffen werden, um aus der Spirale der Doch was steckt eigentlich dahinter, wer und auf den Einzelfall bezogen. Schulassis- Deprofessionalisierung und der damit einher- bezahlt und wer ist Ansprechpartner für die tent*innen sind somit eng an den jeweiligen gehenden Dumpinglöhne herauszukommen. Schulassistenten? Die wichtigste Frage aber: Schüler bzw. die Schülerin gebunden. Wer verantwortet die schlechten Arbeitsbe- Bedauerlicherweise gibt es aus der Politik dingungen und warum sind diese so, wie sie Die Träger, wie Miteinander Leben Lernen keine deutlichen Signale hier für langfristige sind? Gibt es Wege aus dieser Situation und (MLL) oder unterschiedliche Verbände der Veränderungen zu sorgen. Es scheint so, als wie versuchen Träger, Möglichkeiten zu fin- Lebenshilfe können die Schulassistent*innen würde man die Augen vor den Folgen einer den? also gar nicht anders als prekär beschäftigen, solchen Entwicklung verschließen. So nutzt weil die notwendigen Mittel für eine Beschäf- der Ruf nach einer besseren Bildung und die Seit Jahren ist im Saarland eine schleichen- tigung im regulären Betrieb nicht von den Unterstützung multiprofessioneller Teams nur de, mittlerweile nicht mehr zu verleugnende, finanzierenden Institutionen zur Verfügung etwas, wenn auch dementsprechend für die Deprofessionalisierung im pädagogischen gestellt werden. Seit Jahren monieren zudem Beschäftigten gehandelt wird. Dass diese Bereich zu beobachten. Durch den Abbau Verbände und Gewerkschaften, dass die ge- nicht im Fokus der bisherigen Landesregie- zahlreicher Institutionen der Jugendhilfe (the- zahlten Sätze viel zu niedrig sind, um eine ech- rung stehen, darf angesichts der Zustände im rapeutische Schülerhilfen, Tagesgruppen, te Hilfe gemäß den gestiegenen Anforderun- saarländischen Bildungssystem vermutet wer- Horte), die insbesondere Kindern mit sozial- gen der vergangenen Jahre zu finanzieren. Die den. Darüber hinaus sind auch die sozialen emotionalen Problemlagen eine konstante Bindung an die tatsächlich vorhandene Zeit, und emotionalen Aspekte der unsicheren und durch Fachkräfte mit pädagogischer Aus- die das zu betreuende Kind in der Schule ver- Beschäftigungsmodelle beklagenswert. Gera- bildung durchgeführte Betreuung, Unterstüt- bringt, und keine (ausreichende) Pauschale, de das Herstellen von Beziehungskontinuität zung und Hilfe anbieten konnten und der die jeweils für ein Kind jeweils bezahlt wird, durch langfristige Zuordnungen festangestell- parallelen Etablierung der FGTS, deren Arbeit führt zu den beklagten Beschäftigungsmodel- ter Kräfte und eine damit verbundene Plan- sowohl in der Professionalisierung als auch im len. Würden z. B. auf der Grundlage einer fun- barkeit würde auch den betreuten Kindern Personalschlüssel nicht mit den etablierten dierten Bedarfsermittlung, die sowohl die in- und Jugendlichen zugute kommen. Jugendhilfeangeboten vergleichbar ist, wurde dividuellen Unterstützungsbedarfe der Schü- die Qualität der Betreuung unter dem Spar- ler*innen als auch die Situation im schuli- Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack, wenn diktat der Landesregierung aber auch der schen Umfeld berücksichtigen, angemessene die öffentliche Hand Steuergelder dazu ver- kommunalen Träger und Geldgeber über Jah- Pauschalen über den gesamten Betreuungs- zu multiprofessionellen Teams könnte, wenn bezahlt werden können und keine Möglichkei- nicht mehr an die Betreuung eines Kindes wendet, Beschäftigte bewusst im Niedriglohn- re hinweg systematisch abgebaut. zeitraum gezahlt werden, könnten einige der sie ehrlich geführt wird, eine Chance sein, ten haben, sich in anderen Arbeitsfeldern zu gebunden, sondern Teil des Pools, die dann im sektor zu erhalten, um damit ureigene Aufga- prekär Beschäftigten in reguläre Arbeitsver- auch angelernte Assistent*innen in die Teams bewähren. günstigsten Fall auch dauerhaft angestellt ben zu erfüllen. n Effekt dieser Entwicklung ist eine Verlage- hältnisse überwechseln. mit aufzunehmen und z. B. mit pflegerischen werden könnten. Dieses Modell sagt jedoch rung der Tätigkeiten auf andere Institutionen und unterstützenden Tätigkeiten zu betrauen. Doch welche anderen Möglichkeiten gibt noch nichts aus zur Höhe der Entlohnung, und eine Verschiebung weg von der pädagogi- Dabei wird den Schulassistenten einiges es, eine Betreuung beeinträchtigter Kinder macht auch keine Angaben über eine gefor- schen Arbeit auch hin zu einem System von zugemutet. Auch wenn sie prinzipiell nicht für Viele der im Bereich Eingliederungshelfer*in- und Jugendlicher in der Schule sicherzustel- derte Qualifikation, sichert aber zumindest Helferinnen und Helfern, die angesichts der den pädagogischen Bereich zuständig sind, nen arbeitenden Kräfte würden sich gerne len, ohne dabei solche Beschäftigungssitua- eine lückenlose Bezahlung über einen Anforderungen, die im professionellen wird Ihnen implizit eine Reihe von pädagogi- weiterqualifizieren, bzw. mehr Tätigkeiten tionen im Bildungsbereich zu schaffen? Es bestimmten definierten Zeitraum ab. Umfeld Schule an sie gestellt werden, aber schen Aufgaben aufgebürdet. Viele Lehrerin- übernehmen. Jedoch ist ab einem bestimm- bleibt zunächst immer wieder der Ruf nach auch in Bezug auf die Möglichkeiten, die sie nen und Lehrer sehen die Schulassistenten oft ten Tätigkeitsspektrum der Nachweis qualifi- einer Veränderung der gesetzlichen Rahmen- Im Regionalverband Saarbrücken wird seit haben, kapitulieren müssten, aber dennoch in der Verantwortung für ein ‚funktionieren- zierter Berufsausbildungen bzw. Studiengänge bedingungen. zwei Jahren ein Infrastrukturmodell erprobt, unter höchst prekären Bedingungen versu- des‘ Kind, welches den Unterricht der ande- notwendig. Auch daraus ergeben sich in den welches einzelnen Schulen ein bestimmtes chen, das Beste für die ihnen anvertrauten ren nicht allzu sehr beeinträchtigt. Schulab- letzten Jahren neue Fragen hinsichtlich der Andere Strukturveränderungen wiederum Budget zur Verfügung stellt, durch das eine Kinder und Jugendlichen zu leisten. hängig ist auch die Integration im Schulteam Verantwortung gegenüber den unter schlech- werden bereits erprobt und versprechen Anzahl von Helfern*innen bezahlt werden Matthias Römer nicht immer optimal; vor dem Hintergrund im ten Bedingungen Beschäftigten. Doch die zumindest teilweise Verbesserungen, aller- kann, die allen zur Verfügung stehen, quasi Eingliederungshelfer*innen, oder auch Schul- Schulgeschehen zu den Mitarbeitern zu gehö- Finanziers, dazu zählt zuletzt auch das Sozial- dings immer noch auf niedrigem Niveau. Das auch eine Poollösung. Dieses führt dazu, dass Foto: GEW-Archiv/©Christian von Polentz/transitfoto.de assistent*innen, werden entweder über das ren, deren fachspezifische Qualifikation am ministerium, sind gar nicht an einer Weiter- sog. „Poolen“ der Hilfen (auch im Bundesteil- reguläre Beschäftigungsverhältnisse entste- Landesamt für Soziales oder über die zustän- geringsten ist und die genau das auch immer qualifikation der Betroffenen interessiert, habegesetz (BTHG) als eine Form der Schulin- hen können. Die Verstetigung des Modells ist digen Jugendämter finanziert, je nachdem wieder zu spüren bekommen. Die Diskussion bricht ihnen dann doch die billige Arbeitskraft tegrationshilfe vorgesehen) ermöglicht die für das Schuljahr 2019/2020 vorgesehen, EuWiS 03/2019 | 10 EuWiS 03/2019 | 11
HOCHSCHULE SCHULE Was kann Forschung zu gutem Fataler Fehlschluss Unterricht beitragen? Intelligenz sei hochgradig vererbt, be- haupten Forscher immer wieder, Kinder und Eltern müssten sich damit abfinden. Doch Ob Selbstreguliertes Lernen, Forschendes tatsächlich haben die Gene kaum einen Ef- Lernen oder digitale Lernumgebungen: Wenn fekt – es kommt auf die richtige Förderung Lehrerinnen und Lehrer ihren Unterricht zeit- an. gemäß und effektiv gestalten möchten, müs- sen sie immer wieder entscheiden, welcher Manchmal macht ein einziges Wort einen Ansatz wann sinnvoll ist. Meist greifen sie großen Unterschied. Carol Dweck, eine der dabei auf persönliche Erfahrungen oder ihre weltweit führenden Forscherinnen auf dem Intuition zurück oder finden Unterstützung in Gebiet der Lernmotivation, erzählt dazu auf der Fachliteratur, bei Fortbildungen, im Inter- Vorträgen gerne von einer Schule in Chicago, net oder bei Kolleginnen und Kollegen. auf der Schüler nach einer schlechten Leis- tung anstatt der Note „nicht bestanden“ die Zu vielen ganz konkreten Fragen des Unter- Note „noch nicht bestanden“ bekommen. Ein richts liefert auch die Bildungsforschung minimaler Unterschied, mit großer Wirkung. längst hilfreiche Antworten. Indem Wissen- Das „noch“ transportiert nämlich etwas, das schaftlerinnen und Wissenschaftlerinnen de- sich in zahlreichen Studien mit Hunderttau- tailliert untersuchen, unter welchen Bedin- senden von Schülern als einer der zentralen gungen Unterricht effektiv sein kann – zum Motoren für Lernen und Leistung erwiesen Beispiel in welcher Altersgruppe und mit wel- Zu diesen Themen bereitet das Clearing House Unterricht aktuelle Forschungsbefunde auf. hat: die Überzeugung, dass jeder prinzipiell zu cher Unterstützung der Lehrkraft Schülerin- guten Leistungen fähig ist, weil Intelligenz nen und Schüler besser forschend lernen – , Auf der kostenfreien Plattform www.clea- Die Plattform wird kontinuierlich um neue nichts Angeborenes oder Festes ist, sondern liefern sie gleichzeitig wichtige Impulse, wie ringhouse-unterricht.de (https://www.clea- Kurzreviews ergänzt. Das Team des Clearing vielmehrerst durch bestimmte Lernerfahrun- Lehrkräfte auf dieser Basis Unterricht gestal- ringhouse.edu.tum.de) fasst das Clearing House Unterricht arbeitet derzeit an weiteren gen entsteht. Und diese kann man durch bes- ten können. House Unterricht diese einschlägigen Metaa- begleitenden Materialien und Fortbildungs- sere Lernstrategien, mehr Anstrengung oder Doch dieses Wissen kommt in der Praxis nalysen auf deutsch und innerhalb von weni- formaten. n besseren Unterricht erreichen. kaum an. Lehrkräfte haben in der Regel weder gen Seiten zusammen, berichtet die zentralen die zeitlichen Ressourcen noch die Expertise, Ergebnisse und schätzt die Studie nach me- Schlägt man aktuell eine Zeitung auf, findet aktuelle Forschung zu finden, zu verstehen und thodischen und wissenschaftlichen Kriterien man immer wieder Beiträge von Wissen- einzuordnen – zumal die Publikationen meis- ein. Ein kurzer Ausblick für die Unterrichtspra- schaftlern, in denen die gegenteilige Überzeu- tens kostenpflichtig sind. Mit dem Clearing xis und eine Einzelstudie, die eine Interventi- gung verbreitet wird – dass Intelligenz hoch- bar zeigen, dass die Intelligenz zu mindestens unterschiedliche Umwelteinflüsse erzeugt House Unterricht kann sich das nun ändern. on exemplarisch darstellt, runden das soge- Annika gradig vererbt sei. Aus diesem angeblichen 50 Prozent und im Erwachsenenalter sogar bis wird. Je unterschiedlicher die Gene und die Clearing Houses haben sich in verschiedenen nannte Kurzreview ab. Schneeweiss Einfluss der Gene werden bildungsbezogene zu 70 Prozent oder mehr vererbt sei. Ein jeweilige Umwelt sind, umso breiter die Streu- Disziplinen, besonders in der Medizin, etab- Editorial Managerin im Schlüsse gezogen: „Das Verständnis, dass die genauerer Blick hinter diese Studien eröffnet ung. Durch den Vergleich bestimmter Perso- Projekt Clearing House liert, um den aktuellen Forschungsstand the- Das Angebot richtet sich in erster Linie an Unterricht zuständig für DNA den wichtigsten Einfluss auf den Bil- allerdings eine Welt, in der nichts so ist, wie es nengruppen versucht man dann darauf zu menbezogen zu ordnen, verständlich zusam- Lehrerbildner aller Phasen: Mithilfe der Platt- die Redaktion und Dis- dungserfolg hat, kann Eltern helfen, die zunächst scheint, und in der sich offenbar schließen, welchen Anteil die Gene an der semination der Clearing menzufassen und anhand festgelegter Krite- form und dem Newsletter können sie sich re- House-Produkte Schwierigkeiten ihres Kindes zu akzeptieren“, selbst Fachexperten verirren. Der Begriff der Streuung haben. Etwa bei gemeinsam aufge- rien die Qualität relevanter Forschungsbefun- gelmäßig und unkompliziert über die aktuell schrieb der Genforscher Robert Plomin „Erblichkeit“ ist in dieser Welt sehr eigentüm- wachsenen Zwillingen: Streuen die IQ-Werte de zu beurteilen. Das Clearing House Unter- beste Forschung informieren. Die Kurzreviews Info zum Clearing House Unterricht: Das Clearing Hou- Anfang Oktober in der Zeit. 2015 behauptete lich definiert, ohne dass dies bei der Interpre- der Eineiigen weniger als die der Zweieiigen, se Unterricht wurde2015 an der TU München richt ist das erste seiner Art für die Bildungs- eignen sich zudem als Arbeitsmaterial oder Dis- gegründet und wird im Rahmen der Qualitätsoffensive er dort sogar: „zehn Prozent sind das, was tation der Ergebnisse beachtet und in der schließt man, das beruhe auf den Genen, weil wissenschaften, mit Schwerpunkt auf die kussionsgrundlage in der Aus- und Fortbildung Lehrerbildung vom Ministerium für Bildung und For- Lehrer aus einem Kind herausholen können“. Kommunikation nach außen kenntlich die Umwelt pro Zwillingspaar ja gleich war. MINT-Fächer der Sekundarstufe. Dabei konzen- von Lehrkräften und können auch als Podcast schung gefördert. Ziel des Projekts ist es, die aktuell Und die Intelligenzforscherin Elsbeth Stern gemacht wird. Um es vorweg zu nehmen: Der Fällt die Streuung zum Beispiel um 25 Prozent beste und verfügbare wissenschaftliche Evidenz zu trieren sich die Mitarbeiter auf sogenannte angehört werden. Mit diesem Service für die Themen des MINT-Unterrichts für die Lehrerbildung schrieb unlängst in der Zeitschrift Forschung Blick hinter diese Studien zeigt genau das geringer aus, wird daraus errechnet, dass 50 Metaanalysen. Diese haben den Vorteil, dass Lehrerbildung baut das Clearing House Unter- aufzubereiten. www.clearinghouse-unterricht.de und Lehre: „Ich halte sehr viele Vorträge vor Gegenteil – dass Gene in Wirklichkeit bei der Prozent der Streuung genetisch bedingt sind. sie alle verfügbaren und hochwertigen Studien richt eine erste wichtige Brücke, um den Gra- Foto: Astrid Eckert / TU München Lehrern und Lehrerinnen, und die akzeptieren Intelligenz kaum eine Rolle spielen. (Da sich zweieiige Zwillinge die Hälfte ihres zu einer bestimmten Fragestellung bündeln ben zwischen Bildungsforschung und Unter- inzwischen, dass angeborene Intelligenzun- Genmaterials teilen, wird zur Abschätzung der und deshalb relativ belastbar sind. richtshandeln von Lehrkräften zu schließen. terschiede existieren“. Diese sogenannten populationsgeneti- Geneffekte der Wert verdoppelt.) schen Studien halten diverse Überraschungen Solche Sätze haben eine fatale Wirkung auf bereit. Eine erste ist: Die Studien untersuchen Worauf also fußt eine solche angebliche Schüler, Eltern und Lehrkräfte. Demnach gar nicht, ob bestimmte Gene die Intelligenz „Erblichkeit“ von 50 Prozent? Sie stützt sich Die Aktiv werden wären schlechte Leistungen naturgegeben und müssten hingenommen werden. Anstatt zu versuchen etwas zu lernen, sollten die verringern oder erhöhen. Das wird erst in jün- gerer Zeit erforscht – mit ganz anderen Ergeb- nissen, wie wir noch sehen werden. Stattdes- auf nichts weiter als auf die Streuung von Intelligenzwerten in Gruppen. Schlussfolge- rungen über den Einfluss von Genen auf die Bildungsgewerkschaft betroffenen Kinder dann besser lernen, mit sen ermitteln die Studien, wie stark in einer Intelligenz von Individuen, beispielsweise von empfiehlt gegen Nazis ihrer Dummheit gut zu leben. In den entsprechenden Beiträgen wird auf umfangreiche Studien verwiesen, die schein- Gruppe die IQ-Werte von Individuen um den Mittelwert der Gruppe streuen – egal wo die- ser Mittelwert liegt. Die Annahme ist, dass die Streuung durch genetische Unterschiede und Schülern, oder auf die durchschnittliche Intel- ligenz einer Gruppe, lassen sich daraus grund- sätzlich nicht ziehen. Eben das ist aber der Aspekt, der Eltern, Lehrer oder Bildungsfor- EuWiS 03/2019 | 12 EuWiS 03/2019 | 13
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