Övs news - Supervision am Land 1/2018 - ÖVS

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Övs news - Supervision am Land 1/2018 - ÖVS
övs news
Sponsoring Post-Nr. SP 02Z030448 S

                                     österreichische vereinigung für supervision und coaching   1/2018

                                     Supervision
                                     am Land
Övs news - Supervision am Land 1/2018 - ÖVS
Editorial
                      Liebe Kollegin, lieber Kollege!

                      Das Jahr 2018 hat für die ÖVS stürmisch           Tagesordnung sind im Mittelteil der News
                      ­begonnen. Die seit fast einem Vierteljahr-       (herausnehmbar). Wer sich noch nicht
                       hundert laufende Auseinandersetzung mit          angemeldet hat, möge dies bitte jetzt tun!
                       den ­Lebens- und Sozialberatern hat über            Die immer wieder nachgefragte „Burn-
                       die Weihnachtszeit einen ersten Höhepunkt        Out-Uhr“ wurde ein wenig aktualisiert und
                       erreicht als alle burgenländischen Super­        neu aufgelegt. Ein Exemplar liegt dieser
                       visorinnen und Supervisoren am 24.12.2017        Nummer bei. Gegen einen Unkostenbeitrag
                       (Ankunft des Briefes) von der Wirtschafts-       können diese über die Geschäftsstelle
                       kammer Burgenland aufgefordert wurden,           angefordert werden.
                       bis zum 05. Jänner 2018 eine Unterlassungs-
                       erklärung (keine weitere Ausübung von Su-
                       pervision ohne Gewerbeschein) abzugeben.
                       Im Jänner und Februar gab es dann Anzei-                      Mit kollegialen Grüßen
                       gen an einzelne Mitglieder und im März die                       Wolfgang Knopf
                       Auf­forderung des „Schutzverband[s] gegen
                       unlauteren Wettbewerb“ an die ÖVS „Förde-
                       rung einer unzulässigen Gewerbeausübung“
                       einzustellen und „falsche Information über
                       die Rechtslage“ zu unterlassen. Die Position
                       der ÖVS ist seit 1997 – der bekannte Brief des
                       BM für Wirtschaft – unverändert: Supervision     Bitte auch den Flyer der Veranstaltung
                       kann auch ohne Gewerbeschein ausgeübt            „Abgründe  …“ beachten!
                       werden. Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit
                       wird hier eine juristische Klärung herbeige-
                       führt werden.
                           Die Notwendigkeit eines Berufsverbands         Bitte vormerken:
                       wird hier wieder ersichtlich. Das oberste          24. ordentliche Generalversammlung der ÖVS
                       Gremium, die Generalversammlung, tagt im           27./28. April 2018
                       April in Salzburg. Wir werden dort relevante       Freitag, 16 Uhr bis Samstag, 16 Uhr
                       Themen zu behandeln haben: externe wie             Parkhotel Brunauer, 5020 Salzburg
                       interne Strukturthemen! Einladung und

Inhalt                  4    Eine Frage der Kultur.
                             7 Anmerkungen zur Supervision
                                                                        20 Mit Supervision Geld verdienen – eine
                                                                           Frage der Einstellung?
                             auf dem Land                                   Karin Altendorfer
                             Barbara Tobler
                                                                        25 Veranstaltungen
                        8    Ja Peperl, bist des du?
                                                                        25 Impressum
                             Supervision im ländlichen Kontext
                             Manfred Stattler                           25 Nachruf Dr. Hans Eppelsheimer

                        11   Supervision in der Provinz Südtirol        26 Datenschutz-Grundverordnung
                             Inge Tutzer                                    Günther Fisslthaler
                                                                                                                       Coverfoto: fotolia

                                                                        27 Aufgeblättert
                        17 „Abgründe – Beratungsprozesse
                           im Banne extremer Dynamiken“                 28 Willkommen – Neue ÖVS-Mitglieder
                             Jochen Sauer
                                                                        28 Publiziert

2   ÖVS news 1/2018   Themenschwerpunkt Supervision am Land
Övs news - Supervision am Land 1/2018 - ÖVS
fokussiert

                Supervision – ein urbanes Beratungsformat
                Wolfgang Knopf

                D
                        er Fokus dieser ÖVS News ist dem Thema      Rahmenbedingungen unter denen Supervision
                        „Supervision am Land“ gewidmet. In          stattfindet, berichten die Beiträge von Barbara
                        der ÖVS-Mitgliederbefragung von 2012        Tobler, Manfred Stattler und Inge Tutzer. Wie
                waren 66 Prozent der Supervisorinnen und            wenig sich für die Supervisorinnen und Super-
                Supervisoren vorwiegend im städtischen Raum         visoren praktisch wie theoretisch verändert
                tätig. Barbara Tobler startet mit diesem Befund     hat, zeigt der Beitrag der 2013 verstorbenen
                ihre sieben Anmerkungen zu diesem Thema.            Kollegin Inge Tutzer, die 1996 als eine der
                Werfen wir einen Blick auf die aktuelle ÖVS-        ersten einen Beitrag zu diesem Thema in der
                Statistik mit der Frage, wie sich die Mitglieder    Zeitschrift OSC publiziert hat. (Ein Dankeschön
                regional verteilen, so zeigt sich, dass mit Aus-    an den Springerverlag für die Erlaubnis des
                nahme von Niederösterreich (dürfte geogra-          Abdrucks.) Supervision am Land ist anders,
                fisch wie historisch ein Sonderfall sein; St Pöl-   Supervisorinnen und Supervisoren sind – ob
                ten als jüngste Bundeshauptstadt) Burgenland        sie es wollen oder nicht – in die Dynamiken
                und Vorarlberg immer eine zum Teil deutliche        des gesellschaftlichen Lebens eingebunden,
                Mehrheit der Supervisorinnen und Superviso-         persönlich und historisch mit ihren Familien(-
                ren in den Bundeshauptstädten angesiedelt ist       Geschichten) bekannt. Berufliches und Privates
                und von dort aus das umliegende Einzugsge-          überschneiden sich oft, die erforderliche pro-
                biet beraterisch betreuen.                          fessionelle Distanz ist eine Herausforderung.
                    Von den rund 1.300 ÖVS-Mitgliedern sind         Manfred Stattler gibt darüber in seiner For-
Foto: fotolia

                zurzeit 472 mit ihrer Adresse nicht in den          schungsarbeit einen eindrücklichen Einblick:
                Bundeshauptstädten wohnhaft, sondern am             „Die Zugehörigkeit zum ländlich-dörflichen
                „Land“. Von deren Arbeitserfahrungen, den           Sozialsystem verschließt und öffnet Türen.“

                                                                               Themenschwerpunkt Supervision am Land   ÖVS news 1/2018   3
Övs news - Supervision am Land 1/2018 - ÖVS
fokussiert

Eine Frage der Kultur: 7 Anmerkungen zur
Supervision auf dem Land
Von Barbara Tobler

                        1
                             Die Österreichische Vereinigung für Su-         der Supervision liefert der zweite Unter­   titel:
                             pervision (ÖVS) führte 2012 eine Mitglie-      „Unmittelbar, lebendig, öffentlich, erfüllt“. Wie
                             derbefragung durch (ÖVS 2012). Eine der         er im Folgenden sein Weggehen aus Ber-
                        Fragen bezog sich auf die räumliche Umge-            lin ­
                                                                                 „hinaus“ und die Ansiedelung als Super­
                        bung, in der Supervision stattfindet, also auf       visor ­außerhalb des Berliner Speckgürtels be-
                        den ruralen oder städtischen Raum. 66 % der          schreibt, liest sich wie eine Erfolgsgeschichte
                        Befragten waren demnach vorwiegend in einer          und ist es wohl auch. In seinem Bericht sind
                        Großstadt tätig (ab 100.000 Einwohner), 18 %         wesentliche Momente der Supervision auf dem
                        in einer Kleinstadt (ab 10.000 Einwohner) und        Land angesprochen.
                        16 % im ländlichen Raum, in Orten mit weniger        ■■ Supervision auf dem Land ist anders.
                        als 10.000 Einwohnern. Supervision kann man          ■■ SupervisandInnen entscheiden sich eher
                        also als eine städtische Profession bezeichnen.         für einen Supervisor, der auf dem Land
Barbara Tobler MSc,
                        Jedenfalls wird sie vorwiegend im urbanen Be-           lebt und nicht aus der Stadt anreist.
Supervisorin, Lehrsu-
                        reich ausgeübt.                                      ■■ Der Supervisor, die Supervisorin wird als
pervisorin und Coach,
lebt im Burgenland.         Was sind die Gründe dafür? Wird auf dem             Person wahrgenommen.
                        Land weniger oder anders gearbeitet? Und             ■■ Begegnungen zwischen Supervisor und
                        was bedeutet das für die Supervision? Gibt es           SupervisandInnen finden auch außerhalb
                        einen Unterschied zwischen Supervision in der           des Supervisionssettings statt.
                        Stadt und Supervision im ländlichen Raum?            ■■ Supervisorischer und öffentlicher Ruf über-
                        Zur Frage, wie ein Supervisionswunsch den/              schneiden sich.
                        die SupervisorIn findet, ergab eine frühere

                                                                            3
                        Mitgliederbefragung von 2004: „Sind die Emp-              Vieles davon stimmt mit meinen Super-
                        fehlungen von KlientInnen und KollegInnen in              visionserfahrungen im ländlichen Raum
                        der Großstadt fast gleichbedeutend und der                des Burgenlandes überein. Es ist der
                        persönliche Ruf weniger wichtig, ändert sich        Raum, in dem ich als Großstädterin seit vielen
                        dies in der Kleinstadt und im ländlichen Be-        Jahren lebe und arbeite und der Ort der aktu-
                        reich: der persönliche Ruf und die Empfehlun-       ellen Untersuchung1.
                        gen durch KundInnen werden wichtiger, die               Die geographische Lage des Burgenlandes
                        Bedeutung der Empfehlung durch KollegInnen          als östlichstes Bundesland Österreichs, sein
                        nimmt ab“ (Knopf 2005, 7). Insgesamt rangier-       Wandel vom Grenzland im Osten zum Tor in
                        ten Empfehlungen und allgemeine Bekanntheit         den Westen sowie seine dörflichen Struktu-
                        weit vor der ÖVS-Mitgliedschaft.                    ren und das Fehlen großer Städte sind Cha-
                                                                            rakteristika. Bereits 1986 konstatierte Angela

                        2
                                 Eine Durchsicht der Fachliteratur zum      Gotthardt-Lorenz: „Die unterschiedlichen Wel-
                                 Thema Stadt – Land in Bezug auf Super­     ten Österreichs bestimmen auch die Sozial­
                                 vision zeigt nur wenige Ergebnisse.        organisationen und die Supervisionskreise“
                         Nando Belardi (2006, 319f) verweist in der Nut-    (Gotthardt-Lorenz 1986, 45). „Die (…) Bundes­
                         zung von Supervision auf ein „West-Ost- und ein    länder bieten ein wohl buntes, jedoch von
                         Stadt-Land-Gefälle“. Das Journal Super­   vision   Wien abgekoppeltes Bild“ (Gotthardt-Lorenz
                        der Deutschen Gesellschaft für Supervision          1986, 48). Das Auftraggebersystem und das
                         DGSv behandelt 2013 den Schwerpunkt Region,        Beratungssystem, verkörpert durch die/den
                        darunter ein Bericht aus „dem Leben eines           Supervisor/in sowie das System der Supervi-
                         Brandenburger Landsupervisors“ von Peter           sandInnen wird in einem kleinen Bundesland
                        Lothar Schmidt Lauritsen (2013). Der erste          wie dem Burgenland durchkreuzt von einer
                        ­Untertitel lautet: „Auf dem Land ist Supervision
                                                                                                                                            foto: Franz Pfluegl

                        anders.“ Diese Aussage begründet sich durch
                                                                            1 Dieser Artikel basiert auf meiner Masterarbeit „Die Beson-
                         seine Erfahrungen als Großstädter mit beruf­
                                                                            derheiten des Burgenlandes in der Arbeitswelt und ihre
                         licher ­Erfahrung in großen Städten und kleinen    ­Wirkung als kultureller Kontext auf die Supervision in Orga-
                         Dörfern. Eine Präzisierung des Andersseins          nisationen“, Wien 2014.

4   ÖVS news 1/2018     Themenschwerpunkt Supervision am Land
Övs news - Supervision am Land 1/2018 - ÖVS
fokussiert

                                                                   4
                Mehrzahl anderer Systeme. D.h. der Auftrag-               Eigene Erkundungen und Beobach-
                geber/die Auftraggeberin (als Person) kennt die           tungen führten zu folgender Arbeitshy-
                Supervisorin/den Supervisor oft aus anderen               pothese: Es ist nicht egal, wo und wie
                Kontexten. Das Verhältnis zwischen Supervi-        Supervision stattfindet, in welchen kulturellen
                sor/in und SupervisandInnen ist ein kollegiales,   Kontext sie eingebettet ist. Oder anders ge-
                ein freundschaftliches, ein berufliches; es gibt   sagt: Supervisionsrelevante Kontexte, „die im
                Beziehungen über Dritte und Vierte, aber auch      Außen liegen, aber unmittelbar die persönlich
                das Gegenteil kann der Fall sein. Gerade das       erlebten Arbeits- und damit zusammenhän-
                Wissen über das persönliche Umfeld, das Her-       genden Kommunikationsprozesse betreffen“
                kommen, den familiären oder politischen Hin-       (Gotthardt-Lorenz et al. 2009, 365), müssen
                tergrund kann das Zustandekommen einer su-         verstanden werden, nicht erst wenn, sondern
                pervisorischen Arbeitsbeziehung stören, sogar      besser, bevor Supervision überhaupt zustande
                verhindern. „Nähe“ und „Distanz“ spielen also      kommt. Das bedeutet auch, dass Institutionen
                eine Rolle beim Zustandekommen einer Super-        und Organisationen, der Bereich, mit dem die
                visionsbeziehung.                                  Supervision vorrangig befasst ist, innerhalb ge-
                    Wie ist dieses Anderssein zu verstehen?        sellschaftlicher Kulturen existieren, von denen
                Einen Zugang bietet der Blick auf den kultu-       sie ebenso beeinflusst sind, wie sie mit ihrer
                rellen Kontext dieser Begriffe. Er ermöglicht,     eigenen Kultur auf die sie umgebende Gesell-
               „über die einzelnen Personen hinweg, die einem      schaft zurückwirken (Ehmer 2009, 20).
                gegenüberstehen, zu beobachten, zu verstehen           Daraus ergibt sich die Frage, wie sich die
                und sich selbst zu orientieren, ohne ihnen per-    Besonderheiten des Burgenlandes in der Ar-
foto:fotolia

                sönliche Eigenschaften, Charakteristika und        beitswelt zeigen und wie sie als kultureller
                Etiketten zuschreiben zu müssen“ (Ehmer            Kontext auf die Supervision in Organisationen
                2009, 16f.).                                       wirken. In einer Untersuchung wurden Perso-

                                                                              Themenschwerpunkt Supervision am Land   ÖVS news 1/2018   5
Övs news - Supervision am Land 1/2018 - ÖVS
fokussiert

                      nen, die in unterschiedlichen Organisationen       Kommunikation (ebda. 94) und Kommunika-
                      für das Management der Supervision zuständig       tionsstrukturen (ebda. 101). Mit den Autoren
                      waren, interviewt. Die Auswertung und Diskus-      lässt sich übereinstimmend feststellen, dass
                      sion der Daten zeigten folgendes Ergebnis:         soziale Kontrolle im Dorf und im vorliegenden
                                                                         Falle in den stadtferneren Gebieten des Mittel-

                      5
                             Das von Belardi angesprochene Stadt-        und Südburgenlandes auch gegenwärtig und
                             Land-Gefälle in der Supervision ver-        hartnäckiger als im Nordburgenland stattfindet.
                             bindet sich im Burgenland mit einer         Das könnte ein Erklärungsversuch dafür sein,
                      Nord-Süd-Differenz. Die Nähe der nördlichen        warum SupervisandInnen, die aus diesen Re-
                      Bezirke des Burgenlandes zur Großstadt Wien        gionen stammen und dort arbeiten, der Super-
                      und der daraus resultierende Unterschied zum       vision gegenüber skeptisch eingestellt sind. Der
                      Mittel- und Südburgenland werden in Exper-         supervisorische Rahmen, in dem alles gesagt
                      tengesprächen und Interviews eindeutig, ve-        werden kann und alles seinen Platz hat, ent-
                      hement und nicht nur die Supervision betref-       spricht nicht dem Rahmen, innerhalb dessen
                      fend formuliert. „Welten“, „Universen“ trennen     sie leben. Die Supervisorin, der Supervisor, die
                      diese Regionen voneinander, was bei einer Ge-      Supervision geraten hier in eine Konkurrenz
                      samtgröße des Burgenlandes von 3.962 km²           zum dörflichen System, in dem – unreflektiert
                      erstaunlich scheint. Menschen im Norden des       – andere Formen der Kommunikation wirken.
                      Burgenlandes sind und waren in Richtung der       Auch dörfliche Kultur „wird in einem Soziali-
                      Städte Wien und Bratislava orientiert. In den      sationsprozess erlernt und entwickelt und ist
                      stadtfernen Dörfern, vor allem des Mittel- und     damit Ergebnis einer Interaktionsgeschichte“
                      Südburgenlandes wirkt bäuerlich-dörfliches         (Ehmer 2009, 20).
                      Denken nach. „Die bäuerliche Geschichte von            Das Verhalten von Menschen in Dörfern
                      Dörfern ließ eine spezifische Sozialform ‚Dorf‘    und ihr Bewusstsein gegenüber Veränderun-
                      entstehen, die von ihrer Konstruktion her eine     gen äußerer Lebensbedingungen vollziehen
                      solche Hartnäckigkeit zeigt, daß sie noch heute    sich nicht in allen Faktoren im Gleichklang mit
                      in Grundzügen vorherrscht“, konstatierten          der Entwicklung der Verhältnisse. Brüggemann
                      Brüggemann und Riehle in ihrem Forschungs-         und Riehle (1986, 10) zitieren Poppingas Be-
                      bericht in einem deutschen Dorf (Brüggemann,       griff einer anderen „historischen Zerfallszeit“
                                                                                                                            foto:fotolia

                      Riehle 1986, 17). Dies trifft auf das Burgen-      und meinen damit wohl das, was Schein als die
                      land zu. Die Besonderheit des Burgenlandes         dritte Ebene der Unternehmenskultur identifi-
                      als „Land der Dörfer“ zeigt sich in Formen der     ziert: „unbewußte (sic!), für selbstverständlich

6   ÖVS news 1/2018   Themenschwerpunkt Supervision am Land
Övs news - Supervision am Land 1/2018 - ÖVS
fokussiert

                                                     7
gehaltene Überzeugungen, Wahrnehmungen,                    „Beziehung zählt“. Diese Kurzformel steht
Gedanken und Gefühle“ (Schein 2010, 31). „Die              in dieser Untersuchung für die Kultur des
soziale Organisation des Dorfes drückt Bauern              Dorfes. Am konkreten Beispiel des Bur-
und Nichtbauern im Dorf ihren Stempel auf, sie       genlandes bedeutet dies, dass in einem „Land
nötigt auch Nichtbauern die Einhaltung ihrer         der Dörfer“ dörfliches, ja bäuerliches Denken
Regeln ab (Brüggemann, Riehle 1986, 17). Die         und Handeln anhaltend wirksam ist, während
dörfliche, bäuerliche Kultur, folgt man Morgan,      das Land längst einen Strukturwandel voll-
prägt über die in dieser Kultur lebenden und         zogen hat. Die Supervision als reflexives Be-
sie produzierenden Menschen hinaus ihren Le-         ratungsformat befindet sich in diesem Span-
bensraum, das Dorf, und darüber hinaus Orga-         nungsfeld der unterschiedlichen Denkweisen
nisationen, die in diesem Umfeld angesiedelt         zwischen Ablehnung und Akzeptanz.
sind. Seien es die Menschen, die in ihnen tätig          Wenn zu Beginn festgestellt wurde, es sei
sind oder sie leiten, seien es ihre Kundinnen        nicht egal, wo Supervision stattfindet, so kann
und Kunden, Klientinnen und Klienten, – es           abschließend und bestätigend gesagt werden:
ist eben nicht egal, im Rahmen welcher Kultur        Es lohnt sich, über die Erforschung des orga-
sich ihr Leben und Arbeiten abspielt.                nisationalen Umfeldes hinaus den geographi-
    Wenn nun das Burgenland als „einst länd-         sche, historischen und gesellschaftlichen Kon-
lich geprägtes Land (…) eine Region mit diver-       text, die Kultur im Blick zu haben. Das gilt für
sifizierter Wirtschaftsstruktur“ geworden ist        SupervisorInnen, die in der Region leben, wo
(Krajasits 2009, 75), lässt sich aus dem bis-        sie arbeiten, um im „Mittendrin“ Nähe und Di-
her Gesagten schließen, dass dieser Weg eines        stanz in ihren Dynamiken wahrzunehmen, das
Kulturwandels mit den Begleiterscheinungen           gilt aber auch für diejenigen, die von außen
gepflastert ist, wie sie in der Literatur genannt    kommen, um diese Dynamiken zu erkennen
und in den Gesprächen und Interviews geäu-           und zu verstehen.
ßert wurden: Widerstand, Verharren und Angst
als extremer Form der Ablehnung, Missver-
ständnis und Enttäuschung aufgrund mangeln-
den Verstehens, aber auch Projekte bedachten
Zusammenführens von traditioneller Kultur
                                                     Literaturangaben:
mit neuen Strukturen.
                                                     Belardi, N. (2006): Supervision und Praxisberatung. In:

6
                                                     Steine­bach, C. (Hrsg.): Handbuch Psychologische Beratung.
        Daraus lassen sich folgende Thesen ab-
                                                     Klett – Cotta: Stuttgart, 310-319
        leiten:
           Das Burgenland hat in den letzten         Brüggemann, B., Riehle, R. (1986): Das Dorf. Über die Moder-
                                                     nisierung einer Idylle. Campus: Frankfurt/New York
Jahrzehnten den Wandel von einer bäuerlich
strukturierten Region zu einer Region mit di-        Ehmer, S. (2009): Supervision als Kultur der Interkulturalität.
                                                     In: Goeschel, D., Ehmer, S. (2009): Interkulturelle Perspekti-
versifizierter Wirtschaftsstruktur erlebt. Der       ven in Supervision und Coaching. Intercultural Perspektives
damit verbundene Kulturwandel vollzieht sich         in Supervision and Coaching. Kassel university press: Kassel,
zeitverzögert und in unterschiedlicher Form.         16-25
Das bäuerliche Denken in Beziehungen erweist         Gotthardt-Lorenz, A. (1986): Ein Versuch, Supervision in
sich als hartnäckiger, als die wirtschaftliche Re-   Österreich, ihre Entstehung und heutige Situation zu ent-
alität vermuten ließe.                               schlüsseln. In: Supervision 1986 (10), 43-55

   Die untersuchten Organisationen im Burgen-        Gotthardt-Lorenz, A., Hausinger, B., Sauer, J. (2009): Die
land vollziehen je nach Aufgabe und Struktur         supervisorische Forschungskompetenz. In: Pühl, H. (2009):
                                                     Handbuch der Supervision 3. Grundlagen – Praxis – Perspek-
den Kulturwandel in unterschiedlichem Tempo          tiven. Leutner: Berlin, 362-380
und auf unterschiedliche Weise.
                                                     Knopf, W. (2005): ÖVS MITGLIEDER BEFRAGUNG 2004. DIE
   Supervision als ein städtisches Beratungsfor-
                                                     ERGEBNISSE. In: ÖVS news 2/05 – Beilage, 2-12
mat mit reflexivem Charakter findet in solchen
Organisationen Platz und Wertschätzung, die          Krajasits, C. (2009): Ein Land in Bewegung – Zukunft denken.
                                                     In: Gerbavsits, M., Pehm, G. (Hrsg.) (2009): Zukunft beginnt
selbst „städtische“ Merkmale in ihrer Kultur         nach dem Tellerrand. © edition lex liszt 12: Oberwart, 73-84
aufweisen. Organisationen, deren Kultur in
                                                     Morgan, G. (2002): Bilder der Organisationen. Klett-Cotta:
einem Wandlungsprozess begriffen ist, begeg-         Stuttgart
nen der Supervision reserviert bis ablehnend.
                                                     ÖVS (2012): www.oevs.or.at/wp-content/uploads/2013/01/
Um als Beitrag zur Professionalisierung und
Qualitätssicherung erkannt zu werden, bedarf         Oevs_Mitgliederbefragung_2012.pdf.
es Beziehungsarbeit und Ausdauer seitens der         Schein, E., (2010): Organisationskultur.The Ed Schein Corpo-
AkteurInnen in der Supervision. Dies gilt auch       rate Culture Survival Guide. EHP – Organisation
für Organisationen, die aus unterschiedlichen        Schmidt Lauritsen, P. L. (2013): Aus dem Leben eines Branden-
Gründen (Angst, Widerstand) ablehnen.                burger Landsupervisors. In: Journal Supervision 3/2013, 11

                                                                    Themenschwerpunkt Supervision am Land              ÖVS news 1/2018   7
Övs news - Supervision am Land 1/2018 - ÖVS
fokussiert

Ja Peperl, bist des du?
Supervision im ländlichen Kontext
Ein Forschungsbericht von Manfred Stattler, Supervisor im Waldviertel

                          D
                                  ie eigene Supervisionspraxis am Land      vor. Die Prämisse des Ländlichen wirkt dabei
                                  und die unterschiedlichen Erfahrung be-   wie ein Brennglas, das manche Phänomene
                                  freundeter KollegInnen mit Super­vision   vergrößert und besonders hervortreten lässt.
                          in Stadt und Land sind der Ausgangspunkt für          Qualitative Unterschiede zeigen sich am
                          die Frage nach den besonderen Bedingungen         ehesten dort, wo SupervisorInnen dem länd-
                          und Herausforderungen für die steigende Zahl      lichen Sozialgefüge angehören und öffentlich
                          von SupervisorInnen, die in ländlichen Regi-      wahrnehmbar verschiedene Funktionen und
                          onen arbeiten. (vgl. ÖVS-Mitgliederbefragung      Rollen ausüben.
                          2004, 2012)                                           Die bloße alltägliche Bekanntschaft mit
                              Die Forschung zum Thema wurde im Rah-         SupervisandInnen aus außersupervisorischen
                          men des Universitätslehrgangs „Supervision        Zusammenhängen wird von den Interview-
                          und Coaching“ des Postgraduate Center der         partnerInnen zwar als Besonderheit im Unter-
Manfred Stattler
                          Universität Wien vorwiegend in der ländlichen     schied zur Stadt bemerkt, jedoch weitgehend
MSc möchte den fach-
lichen Austausch zur      Peripherie durchgeführt, da angenommen            als unproblematisch beschrieben. Das dürfte
Supervision am Land       wurde, dass in entlegenen ländlichen Gebie-       einer allgegenwärtigen sozialen Realität im
fördern                   ten landspezifische Besonderheiten deutlicher     peripher ländlichen Raum entsprechen. Die
manfred.stattler@aon.at   hervortreten müssten. ExpertInnengespräche        Mehrzahl der beruflich Arbeitenden trifft ihre
                          wurden mit SupervisorInnen einzeln, in der        Geschäfts- oder KooperationspartnerInnen
                          Gruppe und in Form teilstrukturierter Inter-      auch außerhalb des Berufs beim Einkauf, im
                          views geführt. Die Interviews wurden nach der     Chor, in Vereinen, zivilgesellschaftlichen Initi-
                          Methode der Konversationsanalyse (vgl. Buch-      ativen etc.
                          holz 2005) ausgewertet.                               Verunsicherung und Angst auf Seiten der
                                                                            SupervisorInnen zeigen sich vor allem in jenen
                          Supervision – eine urbane Disziplin?              Bereichen, in denen mit der außersuperviso-
                          Die ökonomische und politische Macht geht         rischen Bekanntschaft familiäre Aspekte be-
                          weltweit von den urbanen Zentren aus und die      troffen sind und/oder der Ruf der SupervisorIn
                          Geschichte – auch die des ländlichen Raumes       gefährdet sein könnte.
                          – wurde und wird in den Städten geschrieben.          Die relativ höhere Abhängigkeit vom
                          So auch die Geschichte der Supervision, die im    „(guten) Ruf“ der am Land tätigen Super­
                          Wesentlichen eine urbane ist. Die Wissensbil-     visorInnen in der Auftragsakquise wurde be-
                          dung und -vermittlung erfolgt aus einer städ-     reits in der ÖVS-Mitgliederbefragung 2012
                          tisch geprägten Perspektive, weitgehend ohne      deutlich. Die Ergebnisse meiner Untersuchung
                          Bezugnahme auf den ländlichen Raum und            bestätigen die Vorannahme, dass der Ruf von
                          seine allfälligen besonderen Bedingungen.         SupervisorInnen am Land nicht allein durch
                                                                            den supervisorischen Kontext sondern trans-
                          Ergebnisse der Untersuchung                       funktional geprägt wird. Die Reputation einer
                          Nach den Ergebnissen der Untersuchung un-         SupervisorIn hängt nicht allein vom beruflichen
                          terscheidet sich Supervision am Land nicht        Erfolg ab. Darüber hinaus sind die soziale und
                          grundsätzlich von jener in der Stadt. Dennoch     familiäre Stellung und das öffentlich sichtbare
                          zeigen sich markante Unterschiede zwischen        Einlösen professionsbezogener und allgemei-
                          Stadt und Land vor allem darin, dass Abhän-       ner gesellschaftlicher Erwartungen bedeutsam.
                          gigkeiten und Verflechtungen aller am Super-
                          visionsprozess Beteiligten am Land höher, un-     Überschneidungen von Supervision mit
                          mittelbarer und direkter sind.                    familiären Bezügen
                                                                                                                                foto: Christian Dusek

                              Überwiegend sind es quantitative Unter-       Besonders deutlich treten Überlagerungen
                          schiede zum Referenzraum Stadt. Soziale Nähe      von unterschiedlichen Funktions- und Rol-
                          zwischen SupervisorIn und supervidierter Or-      lenerfordernissen und damit einhergehende
                          ganisation bzw. deren Mitglieder ist kein Spe-    Widersprüche und Herausforderungen für die
                          zifikum des Landes, kommt hier aber häufiger      supervisorische Rollengestaltung bei jenen Su-

8   ÖVS news 1/2018       Themenschwerpunkt Supervision am Land
fokussiert

                pervisorInnen hervor, die mit ihren Herkunfts-
                familien in den jeweiligen dörflich-ländlichen
                Sozialstrukturen verankert sind.
                    In den Überlagerungen kommen kulturge-
                bundene Unterschiede zum Tragen und wir-
                ken als spezifisch ländlich wahrgenommen in
                Supervisionsprozesse hinein. Die philosophi-
                schen, theoretischen und methodologischen
                Grundlagen der Supervision bauen auf indi-
                vidualisierenden Konzepten von Identität auf.
                In ländlich-bäuerlich geprägten Gesellschaften
                sind die Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen
                Gruppen oder Schichten, vor allem aber die
                familiäre Zugehörigkeit hoch bedeutsam. Der
                oder die Einzelne wird vorrangig über diese
                Einbindungen identifiziert. Formen des Auf-
                kommens kollektiver Identitätsformationen,
                in denen die SupervisorInnen vordergründig
                als RepräsentantInnen ihrer Familien erschei-
                nen, können Supervisionsprozesse nachhaltig
                beeinflussen, wie das Beispiel eines Kollegen
                zeigt: Eine Supervision wurde beendet, da
                der Schutz der sozialen Ordnung, wonach ein
                männlicher Repräsentant einer höher gestell-
                ten Bauernfamilie nicht mit Frauen über deren
                Pflegetätigkeit sprechen kann, prioritär verfolgt
                wurde – selbst um den Preis des Scheiterns der
                Supervision.
                    Öffentlich wahrnehmbare außersuper-
                visorische Funktionen und Rollen entfalten
                Wechselwirkungen mit Funktion und Rolle als
                SupervisorIn, wobei die Einhaltung kulturell
                relevanter Regeln vorwiegend mit den Mecha-
                nismen sozialer Kontrolle durchgesetzt wird.
                    Scham und Beschämung treten als zentrale
                Elemente der Ausübung und Durchsetzung so-          einehmen und Ausschließen von Dritten wer-
                zialer Kontrolle in allen geführten Interviews      den Verunsicherung und Angst gebunden und
                hervor. Das Beschämungsrisiko aller am Su-          in Arbeitsfähigkeit auf Grundlage gegenseitigen
                pervisionsprozess Beteiligten steigt mit dem        Vertrauens übergeführt.
                Ausmaß und der Beschaffenheit der Vorbe-                Diskretion – vor allem auf Seiten der Su-
                kanntheit der InteraktionspartnerInnen einer        pervisorIn – wird unter diesen ländlichen Vor-
                Supervision.                                        aussetzungen zu einer zentralen Bedingung für
                    In den Interviews tritt nahezu deckungs-        Supervision und zur Herausforderung, da sie
                gleich eine besondere Form möglicher oder           dem „ländlichen Offenheitsgebot“ (vgl. Brügge-
                drohender Beschämung hervor, die als dop-           mann/Riehle, 1986) widerspricht. Diskretion
                pelte Beschämung charakterisiert werden             muss vorausgesetzt werden können und muss
                kann. In der Widersprüchlichkeit von supervi-       sich in heiklen Situationen drohender Beschä-
                sorisch und familiär bedingten Rollenerwartun-      mung in der Supervision „beweisen“.
                gen können SupervisorInnen als solche und als
                Angehörige ihrer Familien beschämt werden.          Die Zugehörigkeit zum ländlich-dörflichen
                Sie treffen dabei auf ein ebenfalls doppeltes Be-   Sozialsystem verschließt und öffnet Türen
                schämungsrisiko ihrer SupervisandInnen, die         An „spezifisch ländliches Material“ dürften
                als professionell Handelnde und vor deren und       vor allem SupervisorInnen herankommen, die
                der Familie der SupervisorIn beschämt werden        selbst über entsprechende Vorerfahrungen ver-
                können.                                             fügen. Eine Qualität ist die Einbindung der Su-
                    Auf diese besondere Weise kann nur be-          pervisorIn in das ländliche Sozialsystem jeden-
Foto: fotolia

                schämt werden, wer in dörflich-ländliche So-        falls dort, wo sie die Anschlussfähigkeit von Su-
                zialstrukturen eingebunden ist. Durch das           pervisandInnen an das Unterstützungssystem
                Feststellen von Gemeinsamkeiten, das Her-           Supervision befördert. Indem SupervisorInnen

                                                                                Themenschwerpunkt Supervision am Land   ÖVS news 1/2018   9
fokussiert

                                 mit Aufgaben konfrontiert werden, die den oft     ländlichen Raumes als Austragungsort von Su-
                                 schmalen Grat zwischen Beruf und Privatem         pervision mit entsprechender Berücksichtigung
                                 betreffen („ich kenne das eh alles bei Ihnen      in den supervisorischen Ausbildungscurricula
                                 zu Hause, habe ich doch Jahre hindurch Ihre       zu begegnen. Die Anregung von Inge Tutzer:
                                 Großeltern gepflegt“), können sie als Rollen-     „in den Ausbildungslehrgängen müsste mehr
                                 modell zu einem reflektierenden Umgang mit        an diesem Aspekt der geographisch-kulturel-
                                 spezifisch ländlichen arbeitsweltlichen Heraus-   len Feldkompetenz gearbeitet werden,“ (Tutzer
                                 forderungen beitragen.                            1996, 261) hat nichts an Aktualität verloren.
                                     Andererseits werden auf Abstinenz und         Die profunde Kenntnis kultureller Eigenheiten
                                 Übertragung basierende Deutungen superviso-       und gängiger Interaktionsformen bestimmter,
                                 rischer Phänomene tendenziell in den Hinter-      als Austragungsort von Supervision in Betracht
                                 grund treten, je höher und umfassender eine       stehender ländlicher Räume und eine entspre-
                                 Vorbekanntheit der SupervisorIn bei supervi-      chende Ausrichtung des professionellen super-
                                 sionsrelevanten Organisationen und deren Mit-     visorischen Handelns könnten die notwendige
                                 gliedern ist. Aber auch in der Stadt gerät, wie   Verständigungsarbeit zwischen Angehörigen
                                 eine InterviewpartnerIn bemerkt, ein strenger     ländlicher Lebens- und Arbeitswelten und der
                                 Abstinenzbegriff zum Mythos. Geschlechter-        Supervision als Profession begünstigen.
                                 und institutionelle Zugehörigkeit – um nur zwei
                                 Beispiele zu nennen – sind Vorgaben, denen
                                 sich SupervisorInnen auch unter urbanen Vor-
                                 aussetzungen nicht entziehen können.              Literatur
                                     Zu der möglichst umfassenden Analyse          Bergmann, J.R (1994): Ethnomethodologische Konversati-
                                 aller Vorbedingungen einer Supervision wird       onsanalyse. Bereitgestellt von der TU Chemnitz, Herunter-
                                 unter ländlichen Vorzeichen die Analyse des       geladen: 05.01.2016
                                 eigenen „Rufes“ als SupervisorIn und gegebe-      Brüggemann, B; Riehle, R (1986): Das Dorf. Über die Moder-
                                 nenfalls als Zugehörige/r zum dörflich-ländli-    nisierung einer Idylle. Campus Verlag Frankfurt/Main
                                 chen Sozialsystem in die Auftragsklärung und      Buchholz, M. B (2005): Konversationsanalyse, Folien 1-93,
                                 in die laufende Übertragungs- und Gegen-          Methoden der Qualitativen Forschung, Sigmund-Freud-Pri-
                                 übertragungsanalyse mit einzubeziehen sein.       vatuniversität, 10.12.2005
                                 Neben dem betriebsförmigen, sozialversiche-       Komlosy, A (2014): Arbeit. Eine globalhistorische Perspek-
                                 rungspfllichtigen Bild von Arbeit kommen in       tive. 13. bis 21. Jahrhundert. Promedia Verlag, Wien
                                 dörflich-bäuerlich geprägten Gesellschaften       ÖVS (2012): Mitgliederbefragung – Auswertung: Folie 11:
                                 auch ursprünglichere, hauswirtschaftlich ori-     Arbeitsausmaß, Folie 13a: Finanzielles/Umsatz, Folie 16:
                                 entierte Auffassungen von Arbeit zum Tragen       Ruraler und urbaner Raum, http://www.oevs.or.at/die-oevs/
                                                                                   nachlese/mitgliederbefragung-2012/ (Stand bzw. abgefragt:
                                 (vgl. Komlosy, 2014). SupervisorInnen sollten     15.02.2016)
                                 ihre Bilder von Arbeit, aber auch ihr Bild vom
                                                                                   Stattler, M (2017): Ja Peperl, bist des du? Supervision im
                                 Land ständig hinterfragen und reflektiert zum     ländlichen Kontext. Masterarbeit zur Erlangung des MSc
                                 Einsatz bringen.                                  Supervision und Coaching. Universität Wien
                                     Der klischeehaften Entwertung des Landes
                                                                                   Tutzer, I (1996): Supervision in der Provinz Südtirol. In: Orga-
                                 als rückständig, sprachlos und unreflektiert      nisationsberatung Supervision Clinical Management OSC
                                 wäre zunächst mit einer Spezifizierung des        Heft 3. Leske+Budrich, Opladen, 259-266

               Weiterbildung in Lehr- und Ausbildungssupervision
               Reflexive Konzepte für mehr Kompetenz.

                                                                                                             Institut für Lehr- und
               Astrid Hassler, Daniela Melone und Astrid Frischknecht.                                       Ausbildungssupervision
               24./25. Oktober und 29./30. November 2018 in Zürich (5 Min vom HB)

               Information: aeb.ch/weiterbildungen/weiterbildungen-beratung.html
               Anmeldung: lisa.lenherr@aeb.ch
WERBUNG

          10   ÖVS news 1/2018   Themenschwerpunkt Supervision am Land
fokussiert

                Supervision in der Provinz Südtirol
                Inge Tutzer, Bozen

                D
                        as Umfeld meiner Praxis ist die Provinz      nenschau wird zusätzlich dadurch unterstützt,
                        Südtirol. Rund 450.000 Bewohner leben        dass Südtirol wirtschaftlich eine „Insel der
                        in diesem ehemals österreichischen Ge-       Seligen“ ist. Diese Mischung macht aus dieser
                biet im Norden Italiens. Dreiviertel der Bevöl-      Provinz etwas Besonderes. Der Preis dafür ist
                kerung gehören zur deutschen Sprachgruppe.           eine kollektive Identität, die sich über Abgren-
                Ihr Selbstverständnis ist das einer ethnischen       zung und Ausgrenzung nach außen und über
                Minderheit im Staate und gleichzeitig das einer      Anpassung nach innen definiert. Die Zugehö-
                stolzen Mehrheit in der Provinz. Die Deutsch-        rigkeit zur Gruppe beschränkt die Entfaltungs-
                sprachigen geben politisch, wirtschaftlich und       möglichkeiten individueller Identität.
                kulturell den Ton an. Die italienischsprachigen          Wer hier „Heimat“ hat, gehört dazu und
                Bürger sowie eine kleine Gruppe von Ladi-            hat sozialen Schutz. Auf Dorfebene funktioniert
                nern rätoromanischer Sprache sind auf Pro-           noch teilweise verwandtschaftliche oder nach-
                vinzebene in der Minderheit. Die Hauptstadt          barschaftliche Hilfe in Not- oder Krisensituati-
                Bozen, mit 100.000 Einwohnern, ist hingegen          onen. Der begrenzte geographische Raum er-
                mehrheitlich italienischsprachig. Die bewusste       höht für den Einzelnen die Überschaubarkeit.
                Abgrenzung der Volksgruppen voneinander hat          Das Netzwerk der Bekanntheit, der Abhängig-
                eine lange politische Geschichte. Dadurch leben      keit und der sozialen Kontrolle ist hier enger
                die deutschen Südtiroler wie in einer Enklave.       und verflochtener als anderswo. Der Umgang
                Nach Norden hin von den deutschen Nachbarn           mit Verstrickungen im Beruf, im öffentlichen
                durch Grenzen getrennt, nach Süden hin durch         und privaten Leben ist so alltäglich wie selbst-
                eine sprachlich-kulturelle Grenze, die haupt-        verständlich. Die Verhaltensformen sind dabei
                sächlich in den Köpfen verläuft. Daraus folgt,       durch eine innere Zensur geregelt. Der Druck
                dass die deutsche Bevölkerung in vieler Hin-         zu Anpassung ist groß, das Risiko und der Auf-
                sicht in einer Art Nabelschau auf sich bezogen       wand, der Opportunität evtl. zu widerstehen,
                ist. Die Kultivierung der eigenen Besonderheit       ebenfalls.
                hat ihren Reiz und ihre Schattenseiten. In die-
                sem „Kokon“ findet auch supervisorische Ar-
                beit besondere Bedingungen vor.

                Wir und die anderen
                Hier wird man sozusagen in ein dichtes Netz
                hineingeboren. Es herrscht ein kollektives
                Übereinkommen, wer „wir“ und wer „die an-
                deren“ sind. „Wir“, das sind die deutschspra-
                chigen Südtiroler. Zu den „anderen“ gehören
                die deutschsprachigen Bewohner der Nach-
                barländer, die Italiener in der Provinz, dann
                die Italiener im restlichen Staatsgebiet und, als
                ganz Fremde, die Einwanderer. Diese Grenzen
                werden streng gezogen. Ebenso rigide sind die
                Zuschreibungen, welche die Verhaltensweisen
                und die Gruppenidentität bestimmen. Dass
                zwischen den Sprachgruppen da und dort doch
                Verbindungen entstehen, ist ein ungeplan-
                ter Störfaktor in diesem System. „Mischkultur“
                hat etwas mit Heimatverrat und Kulturverfall
                zu tun.
                    Südtirol hat in einem jahrzehntelangen
                Kampf dem Staat eine Autonomie abgerungen,
Foto: Pixabay

                die als Idealtyp gilt. Dieser zähe politische Pro-
                zess hat die deutschsprachige Volksgruppe zu-
                sammengeschweißt. Die selbstgenügsame In-

                                                                                Themenschwerpunkt Supervision am Land   ÖVS news 1/2018   11
fokussiert

                       Ein Patchwork von Geschichten und Rollen           Südtirol lassen sich jedoch die Besonderheiten
                       Ganz allgemein nimmt in unserer Gesellschaft       und Schwierigkeiten von Supervision in der
                       die Notwendigkeit zu, parallel mit vielen ver-     Provinz besonders akzentuiert aufzeigen. Die
                       schiedenen Rollen zu spielen und daraus            Bühne ist hier etwas kleiner und der Kostüm-
                       patch-workartig individuelle Identität zu kon-     wechsel geht schneller vor sich. Die Geschich-
                       struieren. In der Provinz findet dieser laufende   ten verflechten sich enger ineinander.
                       Rollenwechsel in der Hauptsache nicht an ver-          Dies möchte ich anhand meiner Erfahrung
                       schiedenen Orten und mit verschiedenen Men-        mit Rollen- und Funktionsvermischungen bei
                       schen statt. Er muss z.T. an denselben Schau-      mir als Supervisorin und bei den Supervisand/
                       plätzen und mit denselben Personen erfolgen.       innen beschreiben. Wenn ich in eine neue
                       Diese Tatsache hat für die Supervisionsarbeit      Gruppe komme, ist das kaum einmal eine Be-
                       in der eigenen Provinz besondere Bedeutung.        gegnung, in der ich ausschließlich in der Funk-
                           Supervisand/innen und Supervisor/innen         tion der Supervisorin „ankomme“. Mir folgen
                       bringen gleichermaßen eine Vielfalt von Rollen     Geschichten voraus. Meist verbinden mich mit
                       und Funktionen in den Beratungsprozess mit.        mehreren Teilnehmer/innen vorangegangene
                       Eine gemeinsame Analyse der vorhandenen            Begegnungen, die auch bei mir bereits vorhan-
                       Rollendiffusion ist oft der erste Schritt in der   dene Bilder hervorrufen. Die Vorgeschichten
                       Beratung, um Wege für Lösungen freizulegen.        spielen auf verschiedenen Ebenen:
                       Wenn die Berater/innen aus demselben geo-              Einerseits treffe ich auf Bekanntschaften
                       graphischen Umfeld kommen, haben sie eine          aus dem Kindergarten der eigenen Kinder;
                       genaue Kenntnis des lokalen „Geflechtes“. Dies     wir begegneten uns bereits auf einem priva-
                       ermöglicht es ihnen einerseits, schneller zu er-   ten Fest; wir kennen uns von einer Bürgerin-
                       kennen, was, warum und wie gespielt wird.          itiative; ich treffe auf ehemalige Berufskolleg/
                       Andererseits kann die eigene Verstricktheit        innen, auf den Ehemann einer Freundin; als
                       im Spiel den Blick auch unscharf machen. Mit       Ex-Mitschüler sehen wir uns in diesem Zu-
                       dieser Schwierigkeit müssen Supervisor/innen       sammenhang wieder, usw. Andererseits bin ich
                                                                                                                             Foto: Pixabay

                       besonders aufmerksam und differenziert um-         schon mit Personen, die von Supervisanden in
                       gehen. Dies gilt allgemein zwar auch für andere    einer Fallbesprechung eingebracht werden, als
                       regional begrenzte Lebensräume. Am Beispiel        Kind gemeinsam im Sandkasten gesessen.

12   ÖVS news 1/2018   Themenschwerpunkt Supervision am Land
fokussiert

Wenn ich z.B. an eine Südtiroler Schule komme,     such und Irrtum. Anderes durch die Einsicht,
habe ich mehrere Rollen in meinem Gepäck.          dass Supervision hier eben „anders“ geht als
Formal habe ich einen nebenberuflichen Auf-        in der hehren Theorie. Es braucht Flexibilität,
trag als externe Supervisorin angenommen.          im lokalen Raum mit einigen unlösbaren Wi-
Unter Lehrer/innen begleitet mich auf jeden        dersprüchen zu arbeiten. Dazu gehört als spe-
Fall mein ehemaliger Beruf als Mittelschul-        zifische Maßnahme auch die jeweils kritische
lehrerin. Mir gibt er Feldkompetenz, den Teil-     Selbsterforschung, welche Aufträge ich vor Ort
nehmern gibt er Identifikationsmöglichkeit.        annehmen kann, ohne zu sehr in den Verstri-
Etwas problematischer ist die Projektion, der      ckungen hängen zu bleiben. Es gibt Situatio-
ich durch meine momentane hauptberufliche          nen, in denen ich dies nicht leisten kann:
Tätigkeit als Mitarbeiterin am Pädagogischen           Eine Schule, in der es Fraktionskämpfe gibt,
Institut (eine Forschungs-, Fortbildungs- und      fragt um eine Konfliktmoderation an. Vor eini-
Servicestelle für die Südtiroler Schule) ausge-    ger Zeit war ich als Lehrerin dort selbst „Par-
setzt bin. In der Beratungsarbeit werde ich        tei“. Ich kann diese Aufgabe nicht übernehmen.
selbstverständlich auch als Vertreterin dieser         In einer Fallbesprechung berichtet ein Su-
anleitenden Institution identifiziert. In dieser   pervisand aufgebracht über eine spannungsge-
Funktion habe ich z.T. mit denselben Lehr-         ladene berufliche Auseinandersetzung. Plötz-
personen zu tun. Das Pädagogische Institut ist     lich wird mir klar, dass ein Mitglied aus meiner
zwar eine unabhängige Organisation; trotzdem       nächsten Verwandtschaft mitverwickelt sein
wird sie im Zweifelsfalle von vielen Lehrer/       muss. Ich spreche das an. Wir suchen gemein-
innen eher „auf der anderen Seite“ angesiedelt,    sam eine Ebene der Problembearbeitung, die
in der Nähe der amtlichen, weisungsgebenden        das Gespräch über die dritte Person ausspart.
Schulbehörde. Wo Widerstände dagegen vor-
handen sind, werde ich darin verstrickt. Su-       Alte Geschichten in aktuellen Beziehungen
pervisionsteilnehmer nehmen mich zuweilen          In den Gruppen- und Teamsupervisionen ist die
in einer widersprüchlichen Doppelrolle wahr.       Tatsache, dass auch die Teilnehmer/innen unter-
Einerseits werde ich als externe Supervisorin      einander mehr als nur Berufskolleg/innen sind,
geholt und gebraucht, um berufliche Belas-         ein besonderer, oft erschwerender Umstand. Die
tungen und Frustrationen zu verarbeiten. An-       Möglichkeit, sich außerhalb der Arbeit häufig in
dererseits komme ich in den Verdacht, nicht        anderen Beziehungsrollen zu begegnen, ist in
wirklich neutral zu sein.                          dem begrenzten geographischen Raum groß. Vor
     Wenn ich als Supervisorin arbeite, dann       und nach der Supervisionssitzung sind die Teil-
mache ich das auch als Mitglied der „Pionier-      nehmer/innen Nachbarn, Verwandte, Mitglieder
gruppe“ in Sachen Supervision im Lande (erste      desselben Vereins, Freund/innen, Gegner/innen
Supervisionsausbildungsgruppe in Südtirol und      im Gemeinderat, sie haben eine gemeinsame
Italien). Es geht also, parallel zur konkreten     Kindheitsgeschichte usw. Die Liste ließe sich
Arbeit, immer auch um ein Stück lokale Ein-        um unterschiedlichste Formen der außerberuf-
führung und Etablierung dieses Berufsbildes        lichen Verbindungen erweitern. Vorurteile und
an und für sich.                                   vorgeprägte Begegnungsmuster werden in den
     Was die private Seite angeht, kann ich noch   Arbeitsbereich und in die Supervision miteinge-
durch meine „Mischkulturfamilie“ den Supervi-      bracht. Weit zurückliegende Geschichten sind in
sand/innen ein Feld für Abgrenzung oder Iden-      die aktuellen Beziehungen verwoben. Oft ergibt
tifikation anbieten.                               es sich, dass die Beziehungen in und außerhalb
     Im lokalen Rahmen begegne ich überall die-    der Arbeit zusätzlich auf unterschiedlichen Hie-
sem Filz. Wie kann ich damit umgehen? Gibt         rarchie- oder Abhängigkeitsebenen sind:
es ein Ausweichen? Können bei all diesen Ver-          Zwei Arbeitskollegen begegnen sich im Be-
strickungen überhaupt tragfähige Beratungs-        trieb auf derselben Teamebene. Außerhalb hat
beziehungen entstehen? Wo bleibt die Neutra-       der eine als Bürgermeister dem Kollegen ge-
lität als unparteiische externe Begleiterin, wie   genüber eine Machtposition. Die Art und Weise,
es im Lehrbuch steht? Zu wenig waren diese         wie die beiden einen beruflichen Konflikt aus-
besonderen Bedingungen des Arbeitens vor Ort       tragen, ist davon mitbestimmt, dass der eine
Thema in der Ausbildung gewesen. Am Beginn         Kollege ein Ansuchen um eine Baugenehmi-
meiner Praxis glaubte ich, Aufträge mit solchen    gung in der Gemeinde aufliegen hat.
Verwicklungen ablehnen zu müssen, und fand             Das Private, Berufliche und Gesellschaft-
mich unerwartet bei der nächsten Gelegen-          liche liegt in Südtirol ganz dicht beieinander.
heit im Beziehungsgeflecht verstrickt wieder.      Das dichte Netz ist zusätzlich durch Machtbe-
Heute sehe ich eine Aufforderung darin, nach       ziehungen fixiert. Das macht es oft besonders
„lokalen“ Lösungen für dieses Dilemma zu su-       schwierig, an der Auflösung der Verstrickungen
chen. Manche Strategie ergibt sich durch Ver-      zu arbeiten.

                                                              Themenschwerpunkt Supervision am Land   ÖVS news 1/2018   13
fokussiert

                       Als Supervisorin gut mit solchen Situationen     Diskretion – ein heikles Thema
                       umzugehen bedeutet für mich, auch gut für die    Vertrauen in die Diskretionsbereitschaft der
                       eigene Psychohygiene zu sorgen. Rezepte dazu     Teilnehmer ist generell eine absolut notwen-
                       habe ich noch keine gefunden. Ich versuche in    dige Basis für supervisorische Arbeit. Das ist
                       einem inneren Ritual, den „Funktionsmantel“      auch anderswo keine selbstverständlich gege-
                       der Supervisorin bewusst an- und abzulegen       bene Sache. In einem Land wie Südtirol, wo
                       und mir dabei gewahr zu werden, dass die         beinahe jeder jeden kennt, gibt es kaum Ano-
                       Supervisorin nur einen Teil meiner persönli-     nymität. Diskretion ist daher hierzulande ein
                       chen Identität ausmacht. Bei der Arbeit nehme    besonders heikles Thema. In den Supervisions-
                       ich viele Zuschreibungen und Projektionen auf    gruppen gehen die Teilnehmer sehr vorsichtig
                       mich, die in und außerhalb der Supervision       und zurückhaltend mit Offenheit und Risiko um.
                       entstehen. Ich versuche aufmerksam zu sein,      Die Skepsis gegenüber der Diskretion in der
                       wo diese auch meinerseits den Supervisand/       Gruppe hat z.T. auch gerechtfertigten Selbst-
                       innen gegenüber ins Spiel kommen. Die Sze-       schutzcharakter. Dieses delikate Thema, dem
                       nen aus der Arbeit „hinterlege“ ich am Ort des   ich in der Praxis begegne, stellt sich mir nun
                       Geschehens, um den Menschen außerhalb der        auch beim Schreiben als Problem. Wie kann
                       Supervision relativ unbelastet davon begegnen    ich von Bildern, Szenen, Sequenzen aus mei-
                       zu können. Der Umgang mit Rollenflexibilität     ner Praxis berichten, auch unter Verallgemei-
                       ist eine der besonderen Herausforderungen bei    nerung von Details, ohne dass Personen, Fälle
                       der Beratungsarbeit im eigenen Land. Klarheit,   und Orte von den Betroffenen, und nicht nur
                       Korrektheit und Transparenz auf Seiten der       von diesen, identifiziert werden können? Leicht
                       Supervisor/innen kann als Modell für Klient/     ist etwas überschaubar und zuzuordnen. Um
                       innen wirken.                                    Anonymität und Diskretion zu sichern, muss
                                                                        ich besonders markante Beispiele aussparen.

                                                                        Nur aus der Ferne sieht man klar
                                                                        In vielen Fällen meiner Praxis geht es darum,
                                                                        die Strukturen der Verstrickungen herauszuar-
                                                                        beiten, die das Handeln der Arbeitenden blo-
                                                                        ckieren. Das Setting der Supervision ermöglicht
                                                                        es, offene und verdeckte Abhängigkeiten reflek-
                                                                        tierter wahrzunehmen. Wenn die Akteure sich
                                                                        der verschiedenen Kostüme und Masken aus
                                                                        ihrem Rollenfundus bewusst werden, können
                                                                        sie sich besser für das jeweils passende Kleid
                                                                        entscheiden. Oft entsteht dadurch Freiheit zu
                                                                        neuen kreativen Kombinationen.
                                                                             In der Bearbeitung eines Konfliktthemas
                                                                        bleiben mir dabei manche Hintergründe oft
                                                                        unbekannt. Es ist häufig an der Atmosphäre
                                                                        oder an der Kommunikation, die auf der Stelle
                                                                        tritt, zu erahnen, dass es ein Tabu gibt, das
                                                                        nicht angesprochen werden kann. Manchmal
                                                                        erfahre ich nach Abschluss einer Sitzung, um
                                                                        was es eigentlich gegangen wäre. Es kann auch
                                                                        sein, dass allen in der Gruppe samt der Leiterin
                                                                        klar ist, dass es sich um einen auf die berufliche
                                                                        Ebene verschobenen Konflikt handelt, der auf
                                                                        der falschen Bühne vor dem falschen Publikum
                                                                        nicht aufgelöst werden kann. In solchen Situ-
                                                                        ationen geht es mir darum, meine Wahrneh-
                                                                        mung, dass anderes im Spiel ist, mitzuteilen.
                                                                        Ich weise die Teilnehmer auf die Eigenverant-
                                                                        wortung für den Grad ihrer Offenheit und Kon-
                                                                        fliktbereitschaft hin.
                                                                             Vorbehalte und Widerstand in der Super­
                                                                                                                             Foto: Pixabay

                                                                        vision beziehen sich häufig auf die Befürch-
                                                                        tung, dass Grenzen überrannt werden könn-
                                                                        ten und der eingeübte Umgang mit den Wi-

14   ÖVS news 1/2018   Themenschwerpunkt Supervision am Land
Einladung
24. ordentliche Generalversammlung der ÖVS
              27./28. April 2018

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wieder steht eine Generalversammlung bevor, und wieder haben wir viel produktive und
kooperative Arbeit hinter uns. Davon wollen wir berichten und das, was noch vor uns liegt,
vorstellen.

Leider gibt es auch Unerfreuliches zu berichten.

Unsere Versuche, die ständigen Auseinandersetzungen mit der Fachgruppe
„Personenbezogene Beratung“ in der WKO auf einem Verhandlungsweg zu klären, wurden
mehrfach zurückgewiesen. Nun wird seitens des „Schutzverbandes gegen unlauteren
Wettbewerb“ die Klage eingebracht werden.

Noch einmal, worum es geht: die Fachgruppe „Personenbezogene Beratung“ in der WKO
sieht Supervision als auf Lebens- und Sozialberatung aufbauendes Gewerbe, während die
Position der ÖVS Supervision gemäß der ministeriellen Definition von 1997 als freien Beruf
sieht.

Glücklicherweise haben wir uns bereits im Vorfeld juristische Beratung organisiert, und so ist
nun unser Rechtsanwalt in dieser Sache tätig.

                       In diesem Sinne mit Entschlossenheit und Zuversicht

                                              Michaela Judy

 Anträge auf Aufnahme von Tagesordnungspunkten; Wahlvorschläge und Sachanträge zur Generalversammlung
 sind bis mindestens vier Wochen vor dem Termin der Generalversammlung beim Vorstand schriftlich einzu-
 reichen.
 Der Eingang von Anträgen wird auf der Homepage veröffentlicht. Auf Verlangen eines Mitglieds werden diesem
 die Anträge per Post oder E-Mail zugesandt.
 Bitte geben Sie Ihre Teilnahme bei der ÖVS-Geschäftsstelle (office@oevs.or.at) bekannt.

                                                        Themenschwerpunkt Supervision am Land   ÖVS news 1/2018   115
TAGESORDNUNG
                      der 24. ordentlichen Generalversammlung der ÖVS
                                        27./28.04.2018

                                     Ort: Salzburg
                 Parkhotel Brunauer Elisabethstrasse 45a, 5020 Salzburg

                      27.04.2018
                      16.00 – 19:00    24. ordentliche Generalversammlung: Eröffnung

                      1.   Feststellung der Beschlussfähigkeit
                      2.   Wahl der Antragsprüfungskommission
                      3.   Genehmigung des Protokolls GV-2017
                      4.   Genehmigung der Tagesordnung GV-2018
                      5.   Vorstellung der KandidatInnen zur Wahl des neuen Vorstands, Qualitätskommission
                      6.   Bericht der ANSE
                      7.   Berichte aus den Gremien
                           7.1. Bundesländerkonferenz und Bundesländergruppen
                           7.2. Konferenz der Ausbildungseinrichtungen
                           7.3. Qualitätskommission
                           7.4. Curriculum – Ausschuss
                           7.5. Ombudsstelle

                      20:00 – 22:00    Verabschiedung der ausscheidenden Funktionärinnen
                                       + Fortbildung NN

                      28.04.2018
                      09:00 – 16:00    24. ordentliche Generalversammlung (Fortsetzung)

                      8.   Berichte der Vorsitzenden und des Geschäftsführers
                      9.   Vorstellung, Diskussion und Abstimmung der (eingelangten) Anträge
                           9.1. Bericht der Antragskommission
                           9.2. Abstimmung weiterer Anträge
                           9.3. Festlegung der Wahlkommission
                      10. Finanzen I: Budget 2017
                          10.1. Bericht des Kassiers
                          10.2. Bericht der Rechnungsprüfer

116 ÖVS news 1/2018   Themenschwerpunkt Supervision am Land
11. Bundesländerstruktur Antrag
12. ÖVS und Organisationsberatung/Organisationsentwicklung
    Integration von OB in die ÖVS Antrag
13. Aktuelle Themen und Entwicklungen/laufende Projekte
    13.1. Internes Qualitätsmanagement (IQM) Antrag
    13.2. Vergütungsmodell neu: „Aufwandsentschädigung“ ab 2020
    13.3. Datenschutzverordnung – Auswirkungen auf Supervision/Coaching
    13.4. PR/IT
    13.5. Kooperation ACC Antrag
    13.6. Tagungen/Kongresse
14. Wahl
    14.1. Einsetzung der Wahlkommission
    14.2. Wahl des Vorstands
    14.3. Wahl der RechnungsprüferInnen für die 25. GV 2020
    14.4. Wahl der Mitglieder für die Qualitätskommission
15. Schwerpunktsetzung und Ausblick durch den neuen Vorstand
16. Finanzen II Budget 2018/19/20
    Vorstellung, Diskussion Budget 2018/19/20
17. Homepage
18. Allfälliges

ANTRÄGE:

TO 11: Bundesländerstruktur: Die Generalversammlung möge die Einsetzung
einer Arbeitsgruppe beschließen, die bis zur GV 2020 die zukünftige Struktur
der Bundesländer nach definierten Leitlinien erarbeitet und beschlussfähig
präsentiert.

TO 12: ÖVS und OB/OE: Die GV möge beschließen: Die ÖVS versteht sich
zusätzlich zu SVC auch als Plattform für OB/OE mit supervisorischer
Kompetenz und Haltung gemäß dem ÖVS-Kompetenzprofil. Die ÖVS
verpflichtet sich damit, zusätzlich Strukturen für die Qualitäts- und
Professionsentwicklung von OB/OE im o.a. Sinne zur Verfügung zu stellen.

TO 13.1: Antrag IQM internes Qualitätsmanagement: Im Zuge des internen
Qualitätsmanagements auf ÖVS-Mitgliederebene ist (bei gleichbleibender
Zahl der Arbeitseinheiten und im gleichbleibenden Zeitraum von 3 Jahren)
sowohl die Reflexion der eigenen Praxis nachzuweisen, als auch die fachliche
Weiterbildung („state of the art“). Das interne Qualitätsmanagement ist bei der
Geschäftsstelle der ÖVS zu dokumentieren.

TO 13.5: ACC/Coaching: Die Generalversammlung möge zustimmen, dass
eine Arbeitsgruppe bestehend aus VertreterInnen des ACC und der ÖVS
eingerichtet wird. Diese verfolgt die Ziele, ein gemeinsames Verständnis von
Coaching und auf dieser Basis eine engere Kooperation zwischen ÖVS & ACC
zu entwickeln.

                                       Themenschwerpunkt Supervision am Land      ÖVS news 1/2018   117
Wahlvorschlag für den ÖVS Vorstand 2018 – 2020:

                                     Vorsitzende Dr. Michaela Judy
                                     Lehrtrainerin der Supervisionsausbildung von ASYS (Arbeitskreis für systemische
                                     Sozialarbeit, Beratung und Supervision. Gruppentrainerin der Fachsektion
                                     Gruppendynamik/Dynamische Gruppentherapie im ÖAGG, Ausbildnerin für
                                     Gruppen­dynamik. Lehrgang „Innovationsmanagement“ am Bundesinstitut für
                                     Erwachsenenbildung St. Wolfgang, Strobl (1998). Akademische Bildungsmanagerin
                                     gem. Lehrgang universitären Charakters „Bildungsmanagement“ am
                                     Bundesinstitut für Erwachsenenbildung St. Wolfgang, Strobl (1995–97).
                                     Supervisorin nach TOPS/Berlin am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung
                                     St. Wolfgang, Strobl (1990–92). Lehrgang „Kulturelles Management“ am
                                     gleichnamigen Institut an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst
                                     (1980–82). Studium der Germanistik, Nebenfachstudien aus Geschichte,
                                     Theaterwissenschaft und Psychologie, Promotion 1984.

                                     stv. Vorsitzender MMag. Gerald Käfer-Schmid
                                     Psychologe & Soziologe, Lehrbeauftragter an mehreren (Fach-)Hochschulen
                                     in Österreich und Deutschland, langjährige Tätigkeit im Sport- und
                                     Eventmanagement, Mitarbeiter in einer psychiatrischen Rehaklinik (Schwerpunkt
                                     Burnout), Supervisor & Coach in freier Praxis, wissenschaftliche Projektarbeit v.a.
                                     zu den Themen Gesundheitsförderung und Evaluation.

                                     Kassier Wladimir Zalozieckyj-Sas,MBA
                                     Ausbildung: Psychologie, Betriebswirtschaft, Psychotherapie, OE, Supervision
                                     und Coaching. Erfahrung: Management in Non-Profit-Organisationen, Personal-
                                     und Führungskräfteentwicklung, diagnostische Verfahren wie Assessment und
                                     Development Center u.a. Aktiv als: selbständiger Organisationsberater, Supervisor
                                     und Coach. Position in ÖVS: Kassier 2004–2010 und wieder 2016–2018

                                     stv. Kassier Mag. Peter Derntl, MA
                                     Studium Wirtschaftspädagogik, Masterstudium Supervision und Coaching.
                                     ÖVS-zertifizierter Supervisor und Coach, Unternehmensberater; 16 Jahre
                                     Personalentwickler in der Industrie. 4 Jahre Personalleiter im Sozialunternehmen;
                                     12 Jahre Personalleiter im Krankenhaus. Fachhochschullektor für Führung,
                                     Personalmanagement, Sozialkompetenzen

                                     Schriftführerin Mag.a Patrizia Tonin, MSc
                                     Organisationsberaterin, Supervisorin und Trainerin, Studium der
                                     Kommunikationswissenschaften, Master in Coaching, Supervision und graduierte
                                     Gruppendynamikerin (ÖAGG). Über 15 Jahre Konzernerfahrung als Corporate
                                     Communications-, CSR- und PR-Managerin. Seit 2013 mit eigener Agentur TONIN
                                     COMMUNICATIONS tätig.

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