Seite 6-12 Verdichten muss sozialer werden - Mieterverband

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Seite 6-12 Verdichten muss sozialer werden - Mieterverband
Mieten + Wohnen   Nr. 4, September 2020              www.mieterverband.ch

                                           Verdichten muss
                                           sozialer werden
                                           Seite 6–12
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Editorial                                                 Inhaltsverzeichnis

                                                          Aktuell Die Argumente der SVP
Liebe Leser*innen                                           sind scheinheilig            3
                                                          Politik Das Mietrecht muss
                                                            mehr Schutz bieten           5
                                                          Zürich Ein Familienquartier
                                                            soll verdichtet werden       6
                                                          Interview Gabriela Debrunner
Vielleicht sind Sie jetzt grad über ein Sternchen           zu sozialer Verdichtung     10
gestolpert.
     Das könnte Ihnen im M+W künftig noch ein             Abstimmung Unterstützung
paar Mal passieren. Denn der MV hat entschie-
­den, in seiner Kommunikation ab sofort nicht
                                                            für bezahlbaren Wohnraum 13
 mehr nur Männer und Frauen anzusprechen,                 Gärtnern mit nichts Samen
 sondern auch Menschen, die sich keiner dieser
 beiden Kategorien zuordnen. Dies aus dem                   selber gewinnen             14
 einfachen Grund, dass der MV für alle da ist.
 Die Verwendung des Sternchens ist dabei
                                                          Haushalt Das sind die umwelt-
 nur eine von vielen Möglichkeiten, dies sprach-            freundlichsten Drucker      17
 lich umzusetzen.
     Ich musste mich beim Schreiben und Redi-             Miettipp So klappt der Umzug
 gieren der Texte anfänglich etwas an die neue
 Schreibweise gewöhnen, aber mittlerweile
                                                            einwandfrei                 18
 geht es fast automatisch. Das gilt auch für das          Hotline Was bedeutet
 Lesen: Schon nach kurzem merkt man es
 nicht einmal mehr. Gelesen wird das Sternchen              die Saldoklausel?           21
 übrigens, indem an seiner Stelle eine kurze
 Pause gemacht wird: «Mieter - innen».
                                                          Rechtsberatung Hier erhalten
     Inhaltlich richtet diese Ausgabe ihren Fokus           Sie Auskunft                23
 auf das Thema Verdichten. Die Geschichte von
 Esther Banz über die Zürcher Siedlung Beck-
 hammer zeigt exemplarisch, wie mit Verdich-
 tung zwar die Umwelt geschont wird, wie da-
 durch aber gleichzeitig die Menschen verdrängt
 und ganze Nachbarschaften kaputtgemacht                  Herausgeber                                 Stämpfli AG, Bern
                                                          Mieterinnen- und Mieterverband              Beglaubigte Auflage
 werden. Dabei ginge Verdichtung auch anders,             Deutschschweiz                              126 556 Exemplare
 sozialer. Im Interview führt die Geografin                                                           Erscheinen
                                                          Redaktion                                   6-mal pro Jahr
 Gabriela Debrunner aus, welche konkreten                 Andrea Bauer                                Abonnementspreis
 Möglichkeiten die Gemeinden hätten, Ver­                 m+w@mieterverband.ch                        Fr. 40.–/Jahr
 dichtung sozialer zu gestalten.                          Administration und ­Adressverwaltung        Inserate und Beilagen
                                                          Mieterinnen- und Mieterverband              Judith Joss,
     Ausserdem finden Sie in diesem Heft einen            Deutschschweiz                              judith.joss@mieterverband.ch
 weiteren Beitrag aus unserer Serie «Gärtnern             Bäckerstrasse 52, 8004 Zürich               T 043 243 40 40
 mit nichts». Diesmal gibt Ihnen Sabine Reber             T 043 243 40 40
                                                          info@mieterverband.ch
 Tipps, wie Sie aus Ihren Pflanzen Samen ge-              www.mieterverband.ch
 winnen und nächstes Jahr wiederverwenden                 Mitarbeit
 können. Und in unserem neusten Miettipp                  Walter Angst, Esther Banz, Christian
                                                          Dandrès, Ernst Feurer, Urs Geiser, Fabian
 erfahren Sie von unserem Rechtsberater Fabian            Gloor, Stefan Hartmann, Sabine Reber,
 Gloor, wie Sie Ihren nächsten Wohnungs-                  Patric Sandri, Reto Schlatter, Carlo
 wechsel nervenschonend gestalten können.                 Sommaruga, Michael Töngi
                                                          Gestaltungskonzept
                                                          Hubertus Design GmbH, Zürich
   Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre!                   Layout                                      www.facebook.com/Mieterverband
   Andrea Bauer                                           Atelier Bläuer, Joel Kaiser, Bern
                                                          Titelbild
                                                          Reto Schlatter, Zürich
                                                          Druck                                       Gedruckt in der Schweiz

Mieten + Wohnen                   Nr. 4, September 2020                                                                                2
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Aktuell                              Text von Michael Töngi

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Im Parlament lehnt die SVP konsequent jede Verbesserung zugunsten der Mietenden ab und unterstützt jeden Angriff auf das Mietrecht – oder lanciert
ihn gleich selber.

                                  Wohnungen
                               sind nicht Joghurts

Bei der Kündigungsinitiative argumentiert
die SVP mit knappem Wohnraum und
steigenden Mieten. Das ist scheinheilig
und schlichtweg falsch.

Mieten + Wohnen                      Nr. 4, September 2020                                                                                       3
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Jetzt setzt die Propaganda wieder ein. Kurz vor der Abstim-        Kommentar
mung über die Kündigungsinitiative entdeckt die SVP das
Thema Wohnen: Ohne ihre Initiative werde der Wohnraum
knapp und die Mieten würden steigen, lautet eines ihrer Haupt-
                                                                   Die Krise bringt neue
argumente. Nicht zum ersten Mal setzt die SVP damit für einen
Abstimmungserfolg auf die Nöte der Mieter*innen. So war es
                                                                   Herausforderungen
bereits beim Raumplanungsgesetz oder bei Abstimmungen zu
Energiefragen.

   SVP interessiert sich nicht für die Mietenden
    Im Alltag dagegen interessiert sich die Partei kaum für die
Mietenden. Im Gegenteil: Im eidgenössischen Parlament lehnt
sie konsequent jede Verbesserung zu deren Gunsten ab und
unterstützt jeden Angriff auf das Mietrecht – oder lanciert ihn
grad selber. So war sie Anfang Jahr gegen die Wohninitiative. Im   Die Auswirkungen der Covid-19-Krise auf den
Communiqué zur Parolenfassung hielt sie fest, es gebe bereits      Immobilienmarkt sind vielfältig. Zunächst
zu viele leere Wohnungen – von steigenden Mieten wollte die        einmal gibt es unmittelbare Auswirkungen.
Partei damals nichts gemerkt haben. Selbst die minimale Auf-       Einerseits Schwierigkeiten bei der Bezahlung
stockung des Fonds de Roulement – der Hilfe für Wohnbau­           der Miete von Wohnungsmieter*innen, die
genossenschaften – verwarf sie. Dagegen unterstützt sie höhere     einen Einkommensrückgang nach einer
Renditen für Vermieter*innen, will den Preisschutz im Miet-        Arbeitszeitverkürzung oder, noch gravierender,
wesen in Gebieten ohne Wohnungsnot komplett abschaffen             den Verlust des Arbeitsplatzes zu beklagen
und verweigert sich konsequent allen Massnahmen, mit denen         haben (siehe Text rechte Seite). Anderseits die
der Renditehunger der Immobilienkonzerne im Zaum gehalten          Frage der Mietreduktion für Gewerbetrei-
werden könnte. So sehen die realpolitischen Taten der SVP aus.     bende, die ihre Tätigkeit während des Shut-
                                                                   downs einstellen mussten. Das Parlament hat
   Argumente sind falsch                                           in der Sache der Geschäftsmieten noch keinen
    Die Argumentation kommt aber nicht nur aus einer Ecke,         endgültigen Entscheid getroffen. Falls es sich
die misstrauisch macht. Sie ist auch schlicht falsch. Natürlich    weigert, auf die Nöte der Gewerbetreibenden
gibt es einen Zusammenhang zwischen der Nachfrage nach             einzugehen, werden wir zusammen mit
Wohnungen und der Mietpreisentwicklung. Doch es sind wei-          unseren Verbündeten weitere Schritte prüfen.
tere Faktoren entscheidend: Können die Wohnbaugenossen-                Es gibt auch die indirekten Folgen, die sich
schaften bauen oder erstellen vor allem renditeorientierte Im-     jetzt allmählich abzeichnen. Aufgrund des
mobilienfonds Wohnungen? Werden Luxussanierungen erlaubt           Rückgangs der Migration im Zusammenhang
oder wird ihnen ein Riegel geschoben? Wie gut ist der Schutz       mit der Schliessung der Grenzen ist die Nach-
der Mieter*innen ausgebaut? Und vor allem: Ist die Leerwoh-        frage nach Wohnraum rückläufig. Gleich-
nungsquote auch dort hoch, wo die Menschen leben wollen?           zeitig erleben wir in den Grossstädten, wie
Dies ist offensichtlich momentan nicht der Fall – sonst würden     Wohnungen, die früher über Internetplatt-
die Mietzinse bei steigendem Leerstand nicht weiter ansteigen.     formen wie Airbnb für den Tourismus genutzt
Der Mietwohnungsmarkt ist eben nicht der Joghurtmarkt.             wurden, auf den lokalen Wohnungsmarkt
Wir alle müssen wohnen können. Wir können nicht so locker in       zurückkehren. Gegenwärtig gilt dies für
eine neue Wohnung wechseln, wie wir die Joghurtmarke aus­          500 Wohneinheiten in Zürich und 400 in Genf.
tauschen, wenn das bevorzugte Milchprodukt plötzlich teurer        Darüber hinaus wird es aufgrund des Verlusts
wird.                                                              von Arbeitsplätzen und der Ausweitung des
    Kommt hinzu: Ob bei einer Annahme der Kündigungsinitia-        Homeoffice zu einem erheblichen Leerstand
tive weniger Menschen in die Schweiz kommen, steht in den          bei Geschäftsräumen kommen. Bei einigen der
Sternen. Die Befürworter*innen sagen selber, die Wirtschaft        Räumlichkeitenhandelt es sich um ehemalige
könnte auch weiterhin Arbeitskräfte im Ausland rekrutieren.        Wohnungen, die jetzt wieder zu Wohnraum
Die Zuwanderung hängt in erster Linie von der Wirtschaftsent-      werden könnten. Jetzt ist der Zeitpunkt, um
wicklung ab – mit oder ohne Personenfreizügigkeit. Was sich        über kantonale Vorschläge zur stärkeren Regu-
aber ändern wird: Die SVP will neu mit Kontingenten arbeiten       lierung der Internetplattformen nachzudenken
und der Aufenthaltsstatus der Menschen, die in die Schweiz         und zu prüfen, wie leerstehende Liegen-
kommen, würde verschlechtert. Das hat Auswirkungen auf ihre        schaften wieder in Wohnungen umgewandelt
Rechte als Arbeitnehmer*innen, aber auch im Bereich des Woh-       werden können.
nens. Wer mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus eine Woh-             Die Krise bringt auch neue Heraus­for­de­-
nung mietet, wird sich gegen Missbräuche weniger gut wehren        rungen.
können.
                                                                      Carlo Sommaruga, Präsident MV Schweiz

Mieten + Wohnen                      Nr. 4, September 2020                                                        4
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Politik                           Text von Christian Dandrès

Probezeit statt Rauswurf

Das Mietrecht muss Mieter*innen, die vorübergehend
ihre Miete nicht zahlen können, besser schützen.
Die Pandemie hat nicht nur eine Gesund-

                                                                                                                                           Foto: 123rf
heitskrise ausgelöst, sondern auch eine
Wirtschafts- und Finanzkrise. Viele der
Beschäftigten sind gegenwärtig von Kurz-
arbeit betroffen, die Arbeitslosenquote
ist stark angestiegen und die Situation auf
dem Arbeitsmarkt bleibt angespannt.
Die Corona-Krise hat uns deutlich vor
Augen geführt, wie viele Menschen in der
Schweiz in prekären Verhältnissen oder
in Armut leben.

   Unerbittliches Mietrecht
    Im Vergleich mit dem Arbeitsrecht
bietet das Mietrecht im Prinzip mehr
Schutz. Anders als Arbeitnehmende
können sich Mieter*innen gegen Miss-
bräuche vonseiten der Vermieterschaft
wehren. Während im Falle einer Ent­             Juni gilt wieder die herkömmliche Frist      Wir müssen darum der Tatsache gerecht
lassung höchstens ein Schadenersatz in          von 30 Tagen.                                werden, dass Mieter*innen vorüberge-
der Höhe von durchschnittlich zwei                                                           hend ihre Zahlungsfähigkeit verlieren.
oder drei Monatsgehältern ausbezahlt                Risiko von Kündigungen
wird, kann eine bereits erfolgte Kündi-            Die Krise ist jedoch nicht vorbei – in       Änderung auf Bundesebene
gung angefochten und nachträglich               wirtschaftlichen Belangen zeichnet sie           Zusammen mit anderen Unterzeich-
als unwirksam erklärt werden.                   sich sogar erst ab. Das Risiko ist deshalb   nenden habe ich im Nationalrat einen
    Dieser Schutz gilt allerdings nicht für     gross, dass Zahlungsverzugskündigungen       Vorstoss eingereicht, der auf eine ent-
Kündigungen, die wegen der Nichtzah-            zunehmen werden. Es sei daran erinnert,      sprechende Änderung des Mietrechts ab-
lung der Miete erfolgt sind. Hier ist das       dass es in der Schweiz möglich ist, eine     zielt. Wer innerhalb von zwei Monaten
Mietrecht unerbittlich: Ist der Mieter mit      Wohnung räumen zu lassen, auch wenn          nach einer Kündigung die Miete wieder
seiner Miete in Verzug, kann die Vermie-        die Bewohner*innen keine Anschluss­          regelmässig bezahlt, soll für weitere sechs
terin eine Zahlungsfrist von 30 Tagen an-       lösung haben.                                Monate probeweise in der Wohnung
setzen und ihm die Kündigung androhen.             Ob ein Mietvertrag, der nach einer        bleiben dürfen respektive ein Geschäfts-
Zahlt er innerhalb dieser Frist nicht, kann     Zahlungsverzugskündigung aufgelöst           lokal weiter mieten können. Nach Ablauf
sie den Mietvertrag mit einer Frist von         wurde, wieder in Kraft gesetzt wird, hängt   der sechs Monate soll die Kündigung
mindestens 30 Tagen auf das nächste             heute allein vom guten Willen der Ver­       hinfällig und der Mietvertrag wieder in
Monatsende kündigen.                            mieterschaft ab. Glücklicherweise lassen     Kraft gesetzt werden, solange es keine
    Angesichts der Covid-19-Krise ver­          sich mit verantwortungsbewussten Ver-        weiteren Zahlungsrückstände gibt. Mit
längerte der Bundesrat im März kurz-            mieter*innen oft Lösungen finden. Aber       dieser Änderung würde die Härte des
zeitig die Frist bei Zahlungsrückständen        nicht alle sind verantwortungsbewusst.       Mietrechts etwas gemildert, gleichzeitig
für Wohn- und Geschäftsmieten von 30            Vielmehr nutzen einige den mangelnden        würden die finanziellen Interessen der
auf 90 Tage. Die Fristverlängerung galt         Schutz des Mietrechts aus, um unlieb-        Vermieterschaft gewahrt.
aber lediglich für Mieten, die zwischen         same Mietparteien loszuwerden und die
dem 13. März und dem 31. Mai 2020 fällig        Miete bei der Neuvermietung zu erhöhen.         Christian Dandrès ist Nationalrat (SP,
waren (Mieten für April und Mai). Seit          Die gegenwärtige Krise wird andauern.           GE) und Vorstandsmitglied MV Schweiz

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Foto: Reto Schlatter
Zürich            Text von Esther Banz

            Im Familienparadies nistet
            sich das Profit-Virus ein

Zürich will verdichten, massvoll und umsichtig.
Ein Bauvorhaben im gut durchmischten, lebendigen
Allenmoos-Quartier zeigt aber exemplarisch, dass
es mehr als gute Vorsätze braucht, um nicht nur die
Umwelt, sondern auch die Menschen zu schonen.
Mieten + Wohnen   Nr. 4, September 2020               6
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Kommentar von Walter Angst

                                                                    Stadtplanung
                                                                    braucht Zähne

Gerade erst erfuhr die Beckhammer-Siedlung im Zürcher Allen-        Am 30. November 2016 hat der Stadtzürcher
 moos-Quartier einen kurzen Moment des Glamours und der             Gemeinderat die neue Bau- und Zonenord-
 medialen Beachtung. Grund dafür waren Dreharbeiten für             nung (BZO 2016) verabschiedet. Es gab zwar
 einen biografischen Film über den Schriftsteller Martin Suter,     Gegenstimmen. Von einem Referendum sprach
 der seine ersten Lebensjahre in dieser zentral und doch ver-       aber niemand. Dabei war damals schon klar,
 steckt gelegenen Wohnsiedlung zwischen Milchbuck und Oer-          dass mit dieser BZO Quartiere wie das Allen-
 likon verbrachte. Sieben Reihen mit je drei aneinander gebauten    moos Investoren zum Frass vorgeworfen
 6-Familien-Häusern stehen hier umgeben von Rasenflächen            werden.
 parallel nebeneinander, quer dazu vier weitere Doppel-Mehr-            Die Beckhammer-Parzelle, auf der die
­familienhäuser.                                                    Violanta AG ihren Neubau plant, hatte schon
                                                                    vor der mit der BZO 2016 vollzogenen Um­
   Familienquartier in gefragtem Gebiet                             zonung von der dreistöckigen Wohnzone in die
    «Der Beckhammer», wie die Leute ihr Zuhause nennen,             neue Wohnzone 4b eine Ausnützungsreserve
wurde 1947 gebaut. Brigit Hogg, die in der gut durchmischten        von rund 25 Prozent. Mit der BZO wurde diese
Siedlung aufgewachsen ist und viele Jahre später ins Quartier       Reserve auf 50 Prozent erhöht. Die zulässige
zurückkehrte, sagt: «Es war immer schon eine angenehme,             Geschossfläche ist damit 50 Prozent höher –
familiäre Stimmung in dieser Siedlung. Sie grenzt an einen ver-     und die Zahl der Wohnungen kann von
kehrsfreien Weg, einen Sportplatz und einen grossen Spielplatz.     18 Familien- auf 58 Kleinwohnungen erhöht
Das Quartier lebt.» Seit 1948 hat das Allenmoos-Quartier sein       werden.
eigenes Schulhaus, geplant und errichtet worden sei es nicht            Wilhelm Natrup, oberster Raumplaner
zuletzt wegen der vielen Kinder im Beckhammer, weiss Hogg.          des Kantons Zürich, nennt solche Gebiete
Die ruhige, inzwischen über 70-jährige grüne Siedlung könnte        «Wild-und-West-Zonen» (NZZ, 30. Juni 2020).
vom Aussehen her einer Genossenschaft gehören. Aber es sind         Weil die Zonierung «einigen Spielraum» zu-
private Eigentümer*innen, die eines oder mehrere der rund           lasse, komme es in diesen Wohnquartieren zu
30 Mehrfamilien-Wohnhäuser besitzen – so ist es fast im             einer «ungeordneten Nachverdichtung», die in
ganzen Quartier: Nur eine einzige Baugenossenschaft ist im          der Bevölkerung oft Missmut erzeuge.
Allenmoos vertreten. Das stellt jetzt, wo im grossen Stil baulich       Wer nicht bereit ist, Grundeigentümer zu
verdichtet werden darf in der Stadt, eine grosse Gefahr dar für     verpflichten, «mit dem Bauen einen Beitrag
das Familienparadies: Die privaten Besitzer*innen können            zum Gemeinwohl zu leisten» (Natrup), plant
abreissen und gewinnbringend neu bauen – oder ihre Häuser           ohne Plan. An diesem fehlenden Biss scheitert
zu guten Preisen verkaufen. Abreissen und neu bauen lohnt sich      die Zürcher Stadtplanung.
jetzt so richtig. Kommt dazu, dass sich das Quartier in einem           Das muss sich ändern. In den Genuss zu-
zunehmend gefragten Gebiet befindet, wie der Stadtentwick-          sätzlicher Nutzungsrechte sollen Eigentümer
lungsexperte Philipp Klaus sagt: «Das Allenmoos ist von seiner      nur kommen, wenn sie bezahlbaren Wohnraum
Lage her zum Wohnen und damit für Bauinvestitionen interes-         schaffen. Für Gebiete wie das Allenmoos ist
sant, weil die Arbeitsplatzzentren Oerlikon und Zürich-West         den Eigentümern zudem die Pflicht aufzuer-
mit ÖV gut zu erreichen sind und der Autobahnanschluss direkt       legen, einen Gestaltungsplan öffentlich
vor der Tür liegt.»                                                 aufzulegen.
                                                                        Mit dem kommunalen Richtplan plant die
   58 Kleinwohnungen geplant                                        Stadt Zürich zurzeit den nächsten Verdich-
   Den Beckhammer 21, 23 und 25 trifft es als Erstes. Die Bau-      tungsschritt. Was wir mit der BZO 2016 ver-
gespanne stehen schon seit Juni. Den Bewohner*innen der             passt haben, muss der Richtplan zwingend ein-
achtzehn 3- und 4,5-Zimmer-Wohnungen hat die Verwaltung –           lösen. Sonst braucht es ihn nicht.

Mieten + Wohnen                    Nr. 4, September 2020                                                        7
Seite 6-12 Verdichten muss sozialer werden - Mieterverband
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                                                                                                                                     sich zu wehren: Sie lancierte zu-
                                                                                                                                     sammen mit Betroffenen und Anwoh-
                                                                                                                                     nerinnen und Anwohnern eine Peti-
                                                                                                                                     tion gegen den Abriss der Häuser.
                                                                                                                                     Ende Juni begannen sie, im Quartier
                                                                                                                                     und der Umgebung Unterschriften zu
                                                                                                                                     sammeln, mit mehreren Standakti-
                                                                                                                                     onen und von Tür zu Tür gehend. Nach
                                                                                                                                     nur zweieinhalb Wochen hatten 981
                                                                                                                                     Personen die Petition unterzeichnet,
                                                                                                                                     auch Martin Suter. «Jetzt wissen alle
            Fast tausend Personen haben Brigit Hoggs          Familie Ryf vor einem der Baugespanne, die                             im Beckhammer und darüber hinaus,
            Petition gegen den Abriss der Häuser im           schon seit Juni auf beiden Seiten des Häuser-                          was hier passiert», sagt Hogg kämpfe-
            Beckhammer unterzeichnet.                         blocks stehen.                                                         risch. Sie adressierte die Petition an
                                                                                                                                     Stadtrat André Odermatt, Vorsteher
            Zanella Partner Immobilien AG – auf               hinter dem Projekt haben gute Chancen,                                 des Hochbaudepartements. Es sei ihr
            Ende des kommenden März gekündigt,                dass ihr Renditeprojekt bewilligt wird,                                bewusst, dass die Mietrechte begrenzt
            im Auftrag der Besitzerin Violanta, einer         unser kapitalfreundliches Miet-, Bau-                                  sind, schrieb sie im Begleitschreiben,
            Immobilien-AG. Im Baugesuch wird er-              und Bodenrecht machts möglich. Dank                                    und äusserte ihre Hoffnung, dass die
            sichtlich, was geplant ist: 58 Kleinwoh-          der Verdichtungspolitik der Stadt werden                               Stadt dennoch eine Möglichkeit finde,
            nungen, nicht eine einzige Familienwoh-           die Aktionär*innen im Allenmoos-Quar-                                  die Häuser zu erhalten. Etwa, indem
            nung soll es geben. Die Kinder müssen             tier mit ihrem Neubau über die Jahre                                   sie mit einer städtischen Stiftung oder
            die kinderfreundliche Siedlung verlassen.         gerechnet wohl Millionen verdienen                                     einem anderen gemeinnützigen Bau-
            Und überhaupt alle, denn die neuen Ren-           können, denn sie dürfen ein zusätzliches                               träger dem Besitzer die drei Häuser
            ditewohnungen werden nicht für die                Stockwerk in die Höhe bauen. Und sie                                   abkauft. Mit diesem Ziel lancieren Be-
            Menschen geplant, die jetzt und teils             haben keine Skrupel, wenige Altbau-                                    troffene mit der Unterstützung von
            schon sehr lange im gut durchmischten             Familienwohnungen durch viele Klein-                                   weiteren Leuten im Quartier nun eine
            Quartier leben. Von der Kündigung sind            wohnungen für Einzelpersonen zu                                        weitere Petition zuhanden von Daniel
            auch alte Menschen betroffen, die seit            ersetzen, mitten im Familienparadies.                                  Leupi, Vorsteher des Finanzdeparte-
            fünfzig Jahren da leben.                          Philipp Klaus nimmt an, dass in nächster                               ments und zuständig für die Liegen-
                                                              Zukunft vermehrt so gebaut werden wird:                                schaften der Stadt. Patrick Ryf, der mit
               Millionengewinne dank Verdichtung              «Mit solchen Kleinwohnungen und                                        seiner Familie die Wohnungskündi-
            An einem heissen Augustabend versam-              zunehmend auch mit Mikrowohnungen                                      gung erhalten hat, sagt dazu: «Die
            meln sich im Beckhammer Betroffene                mit sehr wenig Fläche, aber hohem                                      Stadt hat von den Stimmberechtigten
            unter einer mächtigen Blutbuche. Der              Standard, lässt sich gut Profit machen.»                               den Auftrag erhalten, den Anteil der
            Mieter Patrick Ryf und die Mieterin Karin                                                                                gemeinnützigen Mietwohnungen auf
            Landolt erzählen kurz den Stand der                   Betroffene lancieren Petition                                      einen Drittel am Gesamtbestand zu
            Dinge: Fast alle haben die Kündigung              Was im Beckhammer geplant wird, könnte                                 erhöhen – hier bietet sich ihr vielleicht
            angefochten, sie hoffen, dass sie als miss-       der Anfang vom Ende dieses familien-                                   die Möglichkeit, dem Ziel einen
            bräuchlich deklariert wird. Oder dass sie         freundlichen, sozial stark vernetzten                                  kleinen Schritt näher zu kommen.»
            und die anderen Mieter*innen wenigs-              Allenmoos-Quartiers sein. Das be-
            tens eine lange Erstreckung der Kündi-            fürchten im Quartier viele, weiss Brigit                                  Was heisst «massvolle Verdichtung»?
            gungsfrist erhalten. Das Baugesuch für            Hogg: «Wenn dieses Bauvorhaben be-                                         Etwas Hoffnung hat man im Quar-
            den Neubau ist noch in Prüfung beim               willigt wird, ist das wie ein Präjudiz. Wir                            tier auch auf eine Ablehnung des
            Hochbaudepartement der Stadt. Gekün-              fragen uns: Wer ist als Nächstes dran?»                                Baugesuchs. Aber ein Baugesuch wird
            digt hat ihnen die Verwaltung auf Vorrat,            Die pensionierte Ärztin schuf für sich                              nicht auf sozialräumliche Kriterien
            was nicht per se illegal ist. Und die Leute       und alle im Quartier ein Ventil für ihre                               hin überprüft, wie Fabian Korn vom

            Mieten + Wohnen                     Nr. 4, September 2020                                                                                                            8
Seite 6-12 Verdichten muss sozialer werden - Mieterverband
Hochbaudepartement der Stadt Zürich                Woher kommt das Geld?

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erklärt: «Es muss in erster Linie bauliche          Das Bauprojekt wirft nicht nur hin-
Vorschriften erfüllen, zu denen auch die       sichtlich seiner Wirkung auf das gesamte
Ausnutzungsziffer am jeweiligen Standort       Allenmoos-Quartier grosse Fragen auf,
gehört. Diese sagt, wie gross die Brutto-      sondern auch, was seine Finanzierung be-
geschossfläche im Verhältnis zur Grund-        trifft. Andreas Steiner, der das Baugesuch
stückfläche bei einer maximal vorgege-         im Namen seiner Immobilien-AG Virtus
benen Anzahl von Geschossen sein darf.»        eingereicht hat, wirkt wie ein Phantom.
Geregelt werden diese und weitere für die      Ruft man auf die Telefonnummer der
Verdichtung relevanten Parameter über          Firma an, zeigt sich: Diese ist ungültig.
die Bau- und Zonenordnung (BZO).               An der Geschäftsadresse in Küsnacht ZH       Steiners Briefkasten in Küsnacht: Die fünf
2016 hat die Stadt Zürich die BZO zuletzt      gibt es keine Klingel für die Firma. Ihr     AGs sind alle auf seinen Namen eingetragen.
grossflächig überarbeitet. Man führte          Name steht zwar auf einem Briefkasten,
dabei unter anderem eine neue Bauzone          aber der dient auch als Postempfänger für
namens W4b ein, mit der man in «ver-           die weiteren vier AGs, die allesamt auf
dichtungssensibleren Gebieten» eine            Andreas Steiner aus Alpthal an dieser Ad-
«massvolle Verdichtung» ermöglichen            resse im Zürcher Handelsregister einge-
wollte, die sich «stärker an den beste-        tragen sind (und bei denen er alleiniger
                                                                                                        Intransparente Immobilien-AGs
henden Bebauungs- und Freiraumstruk-           Zeichnungsberechtigter ist). Merkwürdig
                                                                                                        Der Neubau im Beckhammer
turen und an den typischen Quartier-           ist, dass Steiner das Baugesuch nicht im              wird gemäss Baugesuch um die
merkmalen orientiert.» Der Beckhammer          Namen seiner Violanta AG eingereicht                  11,5 Millionen Franken kosten –
befindet sich in einer solchen Zone. Die       hat, denn sie ist laut Grundbuch die Be-              woher kommen die Eigenmittel
Betonung der typischen Quartiermerk-           sitzerin der drei bestehenden Häuser.                 dafür? Man weiss es nicht, denn es
male macht Hoffnung. Aber am Schluss           Im Baugesuch für den Neubau ist auch                  gibt hierzulande kein Gesetz, das
könnte auch die grosse Enttäuschung            – als einzige Kontaktmöglichkeit, abge-               zu dieser Transparenz verpflichtet.
                                                                                                     Transparency International Schweiz
stehen, weil die Bauzonenordnung eben          sehen vom Briefkasten in Küsnacht – eine              warnte bereits vor zwei Jahren in
tatsächlich nur Bauliches und nicht            Violanta-Mailadresse angegeben. Eine                  einem Bericht vor eklatanten Geld-
Sozialräumliches regelt. So heisst «typi-      Anfrage dort bleibt selbstverständlich                wäscherei-Schlupflöchern im Im-
sche Quartiermerkmale» für diesen              unbeantwortet. Auch weitere Versuche,                 mobiliensektor hier im Land. Die
Ort beispielsweise: Es braucht auch            Andreas Steiner zu erreichen, scheitern               Schweiz hinke einmal mehr inter­
weiterhin grosse Grünflächen zwischen          – etwa via den Architekten des geplanten              nationalen Mindeststandards hin-
                                                                                                     terher. So sind zwar die Banken
den Häusern. Und nicht: Die da ge-             Neubaus, Yves Guggenheim, oder über
                                                                                                     mittlerweile verpflichtet sicherzu-
planten Wohnbauprojekte müssen zur             die bisherige und die aktuelle Verwaltung             stellen, dass die von ihnen verwalte-
guten Durchmischung des Quartiers              der Wohnhäuser. Das passt zu den Erfah-               ten Gelder sauberer Herkunft sind
beitragen und bezahlbar sein.                  rungen, die auch die Mieter*innen im                  – nicht so Anwält*innen, Notar*
    Die gut gemeinten Verdichtungs-            Beckhammer 21, 23 und 25 gemacht                      innen und Makler*innen, die im
Weichmacher werden also kaum verhin-           haben: Sie haben schlicht keine Ahnung,               Immobiliensektor tätig sind. Trans­
                                                                                                     parency verlangt, dass das
dern, dass sich im Familienparadies ein        wer das Geld für die Miete einsackt, das
                                                                                                     Geldwäschereigesetz ausgeweitet
erstes Profit-Virus einnistet. Oder wie        sie Monat für Monat bezahlen. Wenigs-                 wird, insbesondere auch auf den
Niggi Scherr, langjähriger MV-Zürich-          tens in Küsnacht müsste man Andreas                   Kauf und Verkauf von Immobilien.
Geschäftsleiter und Gemeinderat (AL),          Steiner doch sehen, im Haus, an dem der               Damit müssten die in einen Immo-
der weiterhin engagiert für die Interessen     Briefkasten befestigt ist. Fehlanzeige.               bilienverkauf Involvierten eine
der Mieter*innen kämpft, sagt: «Leere          Zwei hier lebende Mieter sagen überein-               Sorgfalts- und Meldepflicht zur
Worte: Was mit der Zonierung angestrebt        stimmend: «Herrn Steiner habe ich noch                Verhinderung von Geldwäscherei
                                                                                                     wahrnehmen. Auch die Lex Koller
wurde, wird vorliegend offensichtlich          nie gesehen.» Und das Büro im Keller                  soll entsprechend verschärft werden
verfehlt. Der Stadtrat hat zwar das            wirke stets unbenutzt, ein geliefertes                – eine Forderung, für die die SP-
Problem erkannt, aber keine wirkungs-          Paket habe lange an die Türe gelehnt da-              Nationalrätin Jacqueline Badran
volle Therapie entwickelt.»                    rauf gewartet, abgeholt zu werden.                    schon länger kämpft.

Mieten + Wohnen                  Nr. 4, September 2020                                                                                    9
Seite 6-12 Verdichten muss sozialer werden - Mieterverband
Interview           Text von Andrea Bauer

       «Wir müssen Verdichtung
       gezielter steuern»

       In der Umsetzung geschieht Verdichtung oft zu
       Ungunsten der Menschen. Dabei hätten die Gemein-
       den Möglichkeiten, um eine sozialere Verdichtung
       zu fördern, sagt die Geografin Gabriela Debrunner.
                                                                 Foto: Reto Schlatter

Mieten + Wohnen     Nr. 4, September 2020                   10
Frau Debrunner, was meinen wir ei-                und wir haben es vor allem mit institutio-    Wohnung innerhalb der Stadt zu finden.
gentlich, wenn wir von Verdichten                    nellen Eigentümerschaften wie Versiche-       Die Verdichtung im Bestand verdrängt
sprechen?                                            rungen, Pensionskassen oder Fonds zu          aber nicht nur eine bestehende Mieter-
   Ich arbeite mit der Definition «mehr              tun. Sie investieren dort, wo die Nach-       schaft, sondern sie zerstört auch eine
Bewohner*innen innerhalb einer Ge-                   frage gross ist und die Risiken tief. Wenn    Nachbarschaft, ein gewachsenes Quar-
meindegrenze». Nur wenn tatsächlich                  ich als Investorin in Zürich einen Ersatz-    tier. Bei dieser Art von Verdichtung spielt
mehr Leute auf gleicher Fläche leben,                neubau erstelle, ist das zwar kurzfristig     die soziale Dimension eine zentrale Rolle:
werden auch weniger Ressourcen pro                   teuer, aber langfristig auch sehr lukrativ.   Führt Verdichtung – obwohl ein politisch
Kopf verbraucht – Energie, Boden,                    Ich kann an gleicher Stelle zwei oder drei    gut gemeinter ökologischer Gedanke –
Wohnraum. Und das ist das eigentliche                Stöcke mehr bauen und finde immer             zu einer Verdrängung der bestehenden
Ziel der Verdichtung.                                Abnehmer*innen dafür. Mache ich das           Bewohnerschaft, können sich zuneh-
                                                     Gleiche im Jura, weiss ich nicht, ob ich      mend nur noch bestimmte Einkommens-
    Es scheint, als würde vor allem dort             die Wohnungen aufgrund der geringeren         klassen eine Wohnung in der Stadt
verdichtet, wo es bereits dicht ist. Ist Ver-        Nachfrage wegbringe.                          leisten. Je stärker die Verdichtung im Be-
dichten ein städtisches Phänomen?                                                                  stand zunimmt, desto schneller gehen
    Rein rechtlich gesehen nicht. Das        Verdichten scheint ein Geschäftsmodell                alte Liegenschaften mit potenziell tie-
Raumplanungsgesetz verpflichtet sowohl   zu sein …                                                 feren Mieten verloren. Die unteren und
städtische als auch ländliche Gemeinden      Ja, Verdichtung stellt ein grosses In-                mittleren Einkommensschichten tragen
dazu. Es gibt aber Unterschiede darin,   vestitionspotenzial dar. Das sieht man                    so die negativen ökonomischen Konse-
wie verdichtet wird. In einer ländlichen auch daran, dass immer mehr Ersatzneu-                    quenzen der Verdichtung. Sie können es
Gemeinde geschieht dies eher über die    bauten erstellt werden. In der Stadt Zü-                  sich nicht mehr leisten, am Stadtleben
Umwandlung von Einfamilienhäusern        rich hat sich deren Anzahl im Eigentum                    teilzuhaben. Die Folge ist, dass die soziale
oder über Anbauten auf Privatgrund. In   von institutionellen Eigentümerschaften                   Akzeptanz der breiten Bevölkerung für
der Stadt dagegen wird vor allem über Er-seit 2006 vervierfacht. Allerdings muss                   Verdichtungsmassnahmen je länger, je
satzneubauten oder Aufstockungen ver-    man dazu sagen, dass sie nicht von selber                 mehr schwindet. Dessen müssen sich die
dichtet, weil es dort immer weniger      draufgekommen sind zu verdichten. Es                      Gemeinden bewusst sein.
leerstehende Freiflächen wie Industrie-  gibt eine politische Auflage, die sagt, dass
brachen oder unbebaute Parzellen gibt.   sie innerhalb des Stadtgebiets verdichtet                     Weshalb werden die sozialen Aspekte
                                         bauen müssen. Das Bauen auf der                           von Verdichtung noch so wenig
   Warum wird in der Stadt anders        «grünen Wiese» ist grösstenteils vorbei.                  thematisiert?
verdichtet als auf dem Land?             Was bleibt, ist die Verdichtung über Er-                      In der Wissenschaft ging man dieser
   Weil die Eigentumsverhältnisse anders satzneubau, Erneuerung oder Sanierung.                    Dimension des Verdichtens lange aus
sind. In der Stadt leben über 60 Prozent Diese sogenannte Verdichtung im Be-                       dem Weg, weil sie schlechter messbar ist
der Bewohner*innen in Mietwohnungen, stand wird in der Schweiz immer zent-                         als die ökologische oder die ökonomi-
                                         raler. Die Auflagen dabei sind sehr gering.               sche. Ein weiteres Problem ist, dass die
                                         Die Art und Weise, wie verdichtet wird,                   Politik bis anhin Verdichtung grundsätz-
                                         verändert sich dadurch gerade markant.                    lich als positiv betrachtet hat egal wie
                                                                                                   sie stattfindet. Folglich findet auch kein
                                                          Macht das Raumplanungsgesetz keine       Diskurs darüber statt, was sozial, ökolo-
                                                     Vorgaben dazu, wie genau verdichtet           gisch oder ökonomisch nachhaltige
                                                     werden soll?                                  Verdichtung bedeutet und wie man die
Gabriela Debrunner doktoriert und
lehrt am Lehrstuhl für Raumentwick-                       Im Gesetz steht einzig, dass Bund,       drei Dimensionen bei der Umsetzung
lung und Planung der Universität Bern.               Kantone und Gemeinden zu einer «Sied-         aufeinander abstimmen kann.
In ihrer Doktorarbeit untersucht sie, wie            lungsentwicklung nach innen unter
Schweizer Gemeinden mit der Heraus-                  Berücksichtigung einer angemessenen               Inwiefern könnten die Gemeinden zu
forderung der Umsetzung der Innenent-                Wohnqualität» beitragen müssen. Was           einer sozialeren Verdichtung beitragen?
wicklung umgehen und welche boden-                   mit «Siedlungsentwicklung nach innen»             Das Eigentum ist der zentrale Bau-
politischen Strategien sie dabei zur
Stärkung der sozialen Nachhaltigkeits-
                                                     oder «Wohnqualität» aber genau gemeint        stein des Schweizer Wirtschaftssystems.
dimension (u. a. preisgünstiger Wohn-                ist, bleibt den Kantonen und Gemeinden        Solange Eigentümerschaften nach ei-
raum, soziale Durchmischung, Zusam-                  überlassen.                                   genem Gutdünken über die Nutzung und
menhalt) anwenden. Dabei geht es                                                                   Verteilung ihres Bodens verfügen können,
insbesondere um Fragen des Eigentums,                   Verdichten im Bestand bedeutet meist,      werden sie von diesem Recht vollumfäng-
der Bodenpolitik und der Governance,                 dass einer bestehenden Mieterschaft ge-       lich Gebrauch machen und mehrheitlich
also der Art und Weise, wie die Gemein-
den ihre Zuständigkeiten und Befug-
                                                     kündigt wird. Was sind die Folgen davon?      zu Ungunsten sozialer Aspekte ver-
nisse wahrnehmen und diese auf die                      Der Verdrängungseffekt ist sehr gross.     dichten. Rein rechtlich gesehen ist daran
Interessen privater und anderer öffentli-            Besonders ältere und einkommens-              auch nichts auszusetzen. Die einzige
cher Akteure abstimmen.                              schwache Leute haben Mühe, eine neue          Möglichkeit der Gemeinden ist eine wirk-

Mieten + Wohnen                        Nr. 4, September 2020                                                                                    11
same und aktive Bodenpolitik – über                   Ja. Denkbar wäre sogar, eine Zone     oder dass sie das Ziel der Verdichtung als
das Planungsrecht, die Wohnungspolitik             zum Schutz vor Neubauten einzuführen.    Ganzes verfehlen, wenn sie nicht im
oder das Mietrecht.                                Eine dritte Möglichkeit wäre das Aushan- Sinne der Eigentümerschaft verdichten.
                                                   deln von Verträgen mit Investoren, in    Diese haben eine starke Veto-Position
    Welche konkreten Instrumente gibt es?          Form von Baurechts- oder städtebauli-    und können Verdichtungsprojekte ver-
    Es gibt finanzielle Möglichkeiten, den         chen Verträgen, in welchen Gemeinden     hindern oder blockieren, wenn sie nicht
gemeinnützigen Wohnungsbau stärker                 soziale Forderungen stellen. Das kann    einverstanden sind. Am einfachsten ist es
zu fördern, etwa über zinslose Darlehen,           so geschehen, dass bei Ersatzneubau      bei der Unterstützung für den gemein-
Subventionen an gemeinnützige Wohn-                temporäre Ersatzwohnungen für die Be-    nützigen Wohnungsbau. Dafür sind auch
bauträger oder die Gründung von städti-            wohner*innen zur Verfügung gestellt      Liberale zu haben, weil es nicht direkt in
schen Stiftungen zugunsten des preis-              werden müssen, dass ältere Personen be-  die Eigentumsfreiheit eingreift. Was zu-
günstigen Wohnungsbaus. Ein anderer                sondere Unterstützung erhalten oder      nehmend gemacht wird, sind Verträge
Weg führt über die Zonenplanung: Die               dass ein gewisser Prozentsatz der neuen  zwischen Gemeinde und Investoren.
Gemeinden können den Investoren über               Wohnungen für das preisgünstige Seg-     Auch Landkäufe durch die Gemeinde
das Baureglement vorschreiben, ob und                                                       nehmen zu. Schwieriger ist es mit den
                                                   ment reserviert wird. So wird es bereits in
wie genau sie beim Verdichten soziale              der Zusammenarbeit mit Genossen-         baurechtlichen Massnahmen, weil diese
Kriterien erfüllen müssen. Über eine               schaften gemacht, es wäre aber auch mit  flächendeckend für alle Eigentums-
Sondernutzungsplanung kann eine Stadt              Privaten möglich. Und viertens kann die  formen und Bauprojekte gelten. Die
ausserdem Vorgaben für ein Areal ma-               Gemeinde selber Eigentümerin werden      Interessen sind entsprechend unter-
chen. Zum Beispiel zum Einkommens-                 und auf ihrem Land sozial verdichten.    schiedlich und es ist politisch schwie-
level der Bewohner*innen, zum Anteil                                                        riger, sich auf «sozialere» Instrumente zu
preisgünstiges Wohnen oder zu einer                   Findet man für diese Instrumente      einigen. Wir werden aber je länger, je
etappierten Bauweise.                              politische Mehrheiten?                   weniger darum herumkommen, im Be-
                                                      Viele Stadtregierungen haben Angst.   stand Zonen differenzierter zu be-
   Über die Zonenplanung können so                 Entweder dass die Investoren abspringen, stimmen und Verdichtung gezielter
konkrete Vorgaben gemacht werden?                  wenn sie ihnen zu viele Auflagen machen, zu steuern.

«Die einzige Möglichkeit der Gemeinden ist eine aktive Bodenpolitik – über Planungsrecht, Wohnungspolitik oder Mietrecht», sagt Gabriela Debrunner.

                                                                                                                                                      Foto: Reto Schlatter

Mieten + Wohnen                      Nr. 4, September 2020                                                                                       12
Abstimmung                       Text von Andrea Bauer

Anliegen werden breit unterstützt
Die Umfrage zur Wohninitiative zeigt: Eine grosse Mehrheit der
Stimmbevölkerung findet die Mieten zu hoch und befürwortet
Massnahmen zur Förderung des bezahlbaren Wohnraums.

Frauen und junge Erwachsene sagten             gestimmt, damit es mehr preisgünstigen             Viel Unterstützung für Fördermassnahmen
häufiger Ja zur Initiative «Mehr bezahl-       Wohnraum gebe. Weitere Argumente, die               Unabhängig von der Initiative «Mehr
bare Wohnungen» als Männer und ältere          die Stimmberechtigten überzeugt hatten,         bezahlbare Wohnungen» befürwortet die
Personen. Dass die Jüngeren eher Ja            waren die verstärkte Förderung des              Stimmbevölkerung ganz allgemein Mass-
sagten, hat allerdings auch damit zu tun,      gemeinnützigen Wohnungsbaus und                 nahmen zur Förderung von preisgüns-
dass sie sich eher dem politisch linken        der Kampf gegen Spekulation.                    tigem Wohnraum. Von den acht zur Beur-
Lager zuordnen als ältere. Denn rund                                                           teilung vorgelegten Massnahmen zur
neun von zehn Urnengänger*innen, die               Wohnkosten zu hoch                          Senkung der Wohnkosten fanden alle eine
sich auf dem politischen Spektrum links            Beachtliche 90 Prozent der Stimm-           Mehrheit. Die grösste Zustimmung fand
einordnen, stimmten für die Vorlage.           bürger*innen betrachten die Wohnkosten          mit gut 80 Prozent der Vorschlag, die Ver-
   Zu diesen Erkenntnissen kommt eine          in der Schweiz zumindest teilweise als zu       gabe von Subventionen bei energetischen
detaillierte Analyse der Abstimmung über       hoch. Als effizientes Mittel zur Senkung        Sanierungen an die Bedingung zu knüpfen,
die Wohninitiative vom 9. Februar 2020.        erachtet eine Mehrheit die verstärkte För-      dass die Mieterschaft in der Wohnung
Die Umfrage wurde vom Bundesamt für            derung von preisgünstigen Wohnungen.            bleiben kann. Ebenso hoch ist die Zustim-
Wohnungswesen (BWO) in Auftrag ge-                 Die Befragten unterstützen mehrheit-        mung zu einer Beschränkung der Mieter-
geben und im Juli veröffentlicht. Neben        lich eine Wohnungspolitik, die den ge-          höhung bei einem Wechsel der Mieter-
den demografischen Faktoren wurde un-          meinnützigen Wohnraum fördert, weil sie         schaft. Dabei wird das erste Instrument vor
tersucht, welche Argumente die Stimm-          diesem einen preisdämpfenden Effekt             allem im ländlichen Raum unterstützt, das
berechtigten überzeugten, wie sie den          auf den Wohnungsmarkt zuschreibt.               zweite dagegen eher im städtischen.
Wohnungsmarkt und die Wohnungs­                    Allerdings scheint die Meinung weit             Ebenfalls deutlich unterstützt werden
politik in der Schweiz einschätzen und         verbreitet, dass oft nicht die richtigen Per-   zinsgünstige Darlehen und Bürgschaften
wie sie die verschiedenen Ansätze zur          sonen und Haushalte von gemein­nützigen         der öffentlichen Hand für Anbieter ge-
Förderung des preisgünstigen Woh-              Wohnungen profitieren. Eine Mehrheit            meinnütziger Wohnungen sowie die Op-
nungsbaus beurteilen.                          will deshalb, dass solche Wohnungen an          tion für Gemeinden und Kantone, bei Ein-
                                               Einkommens- und Vermögenslimiten ge-            zonungen eine Quote für preisgünstige
   Betroffenheit massgebend                    bunden sind, und wünscht eine Vergabe           und gemeinnützige Bauten fest­zulegen.
    Eine massgebende Rolle beim Ent-           an spezifische Bevölkerungsgruppen wie             Die Studie sowie eine Zusammenfassung sind über
scheid spielte die persönliche Betroffen-      ältere Personen oder Familien.                     die Website des BWO abrufbar: www.bwo.admin.ch
heit. So nahmen Personen, die in einer der
dichtbesiedelten Kernstädte der Schweiz
leben, die Vorlage bedeutend häufiger
an als solche, die in einer ländlichen Ge-
meinde wohnen. Entscheidend waren
auch die Eigentumsverhältnisse: Mie-
ter*innen stimmten deutlich häufiger Ja
als Eigentümer*innen. Besonders häufig –
nämlich zu 80 Prozent – sagten diejenigen
Mieter*innen Ja, die angaben, die Höhe
der Miete schränke sie finanziell ein.
    Und auch Personen, die sich mindes-
tens fünfmal erfolglos für eine Wohnung
beworben hatten, legten besonders oft
                                                                                                                                                     Foto: MV Schweiz

ein Ja in die Urne.
    Nach den Argumenten befragt, gaben
die meisten Befragten an, sie hätten Ja

Mieten + Wohnen                  Nr. 4, September 2020                                                                                          13
Gärtnern mit nichts   Text von Sabine Reber

       Samen selber gewinnen

       Fast alle Pflanzen lassen sich einfach vermehren.
       Man muss nur die Samen gewinnen, sie trocknen
       und an einem dunklen, trockenen Ort aufbewahren.
                                                                Foto: zVg

Mieten + Wohnen       Nr. 4, September 2020                14
Eigenes Saatgut gewinnen ist bei ein­           aussäen. Sie keimen an Ort und Stelle.       glitschig und schwierig zu fassen und zu
jährigen Blumen und Gemüse mit                  Bei den Kapuzinern funktioniert das          reinigen sind. Im März, wenn ich die
grossen Samen besonders einfach. Auch           meistens nicht, weil diese Pflanzen kälte-   Tomaten und anderen Fruchtsamen säe,
die Samen von alten Tomatensorten               empfindlich sind. Sie sollten erst Mitte     zupfe ich einfach das Papier mit den
lassen sich mit den richtigen Kniffen pro-      Mai direkt ins Freiland gesät oder vorher    Samen in Fetzchen und verwende es wie
blemlos haltbar machen und im nächsten          im Gewächshaus respektive auf einem          die Saatbänder, die man kaufen kann. Das
Jahr wieder aussäen. Hier die besten            hellen Fenstersims herangezogen werden.      Papier zersetzt sich rasch und die Saat
Tricks, um eigenes Saatgut zu gewinnen.         Auch Sonnenblumen sollte man besser          geht problemlos auf – und ich habe dabei
                                                ab März in Töpfchen heranziehen, schon       viel Zeit und Mühe gespart. Besonders
   Samen trocknen                               nur wegen der Schnecken. Wenn die            bei den Tomaten sind viele Hybrid-
    Grundsätzlich lassen sich fast alle         Pflänzchen etwas grösser sind, haben sie     Sorten im Umlauf. Hier gilt es, die alten,
Pflanzen durch Samen vermehren. Jedoch          die besseren Überlebenschancen.              sortenechten Tomaten zu finden. Am
ist es bei modernen Hybrid-Züchtungen                                                        besten schaut ihr bei www.prospecierara.ch
so, dass das Resultat meist nicht sorten-           Erbsen und Bohnen aufbewahren            im Sortenkatalog nach. Dort sind unzäh-
echt ist oder dass die Saat gar nicht ge-           Ebenfalls getrocknet und aufbewahrt      lige gute Sorten aufgezählt, die ihr alle
deiht. Bei traditionellen Gemüse- und           werden können alle alten, traditionellen     problemlos selber weitervermehren
Blumensorten sowie bei Wildblumen               Sorten von Erbsen, Bohnen und Puff-          könnt.
lässt sich hingegen immer eigenes Saatgut       bohnen. Sie werden zeitig im Frühjahr
gewinnen und wieder aussäen. Besonders          in Gefässen vorgezogen. Einzig die Puff-        Geduld und Fingerspitzengefühl
einfach selber zu vermehren sind einige         bohnen kommen in milden Lagen ab             Sehr feine Samen wie beispielsweise
essbare Blumen wie Sonnenblumen,                Februar direkt aufs Beet. Die anderen    die von Broccoli oder Sellerie sind
Kapuzinerkresse, Ringelblumen oder              Bohnen hingegen vertragen keine Kälte.   schwieriger zu gewinnen, und die Arbeit
Malven. Sie alle haben grosse Samen, die        Auch die Erbsen gedeihen besser, wenn    ist da oftmals etwas kniffliger. Insbeson-
man leicht einsammeln und einfach               sie ab Januar in Töpfchen vorgezogen     dere die alten Sorten von Kohlgewächsen
handhaben kann. Die Samen werden                werden. Sie dürfen dann in milden Lagen  oder Salaten lassen sich durchaus selber
nach Sorten und wenn möglich auch nach          schon im März in den Garten. Erbsen und  vermehren, aber man braucht etwas Ge-
Farben getrennt in einem luftigen Sieb          Bohnen säen ist auch für Kinder gut ge-  duld und Fingerspitzengefühl. Hier gilt es
oder auf einem Teller getrocknet. Idealer-      eignet, weil die Samen so gross und leicht
                                                                                         einfach zu üben, bis man die richtigen
weise lässt man die Ernte an einem              zu handhaben sind.                       Kniffe herausgefunden hat. Und wenn es
dunklen, warmen, luftigen Ort trocknen.                                                  am Anfang nicht mit allen Pflanzen
Sobald die Samen komplett trocken sind,             Tomaten auf Klopapier trocknen       klappt, ist es auch nicht so schlimm – in
werden sie sortenweise in Briefumschläge            Kniffliger wird es mit Samen von     der Natur vermehrt sich auch nicht alles
aus Papier verpackt und angeschrieben.          Früchten, die im feuchten Fruchtfleisch gleich auf Anhieb. Aber die oben ge-
Die Umschläge kommen an einen                   liegen. Besonders bei den Tomaten        nannten essbaren Blüten sowie ein paar
dunklen, trockenen Ort. Sie können in           muss man wissen, wie vorgehen. In den    Erbsen und Bohnen und vielleicht die
einem nicht zu warmen Raum oder auch            meisten Anleitungen steht, die Samen     Lieblingstomate des Sommers solltet ihr
im Kühlschrank aufbewahrt werden.               müssten gut gewaschen und von jegli-     auf jeden Fall selber zu vermehren ver­
                                                chem Fruchtfleisch befreit werden. Das suchen. Schon nur weil es Spass macht zu
   Samen zum direkt Aussäen                     ist nicht falsch, jedoch eher mühsam.    sehen, wie die eigenen Pflänzchen heran-
   Manche Blumen bilden sehr viele              Seit einigen Jahren mache ich es deshalb wachsen! Und natürlich sind Samen von
Samen, die man direkt wieder im Garten          mit meinen alten Tomatensorten so, dass den Lieblingssorten aus dem eigenen
aussäen kann. Besonders beim Schlaf-            ich das Fruchtfleisch mitsamt den Samen Garten immer auch hübsche Mitbringsel
mohn und bei anderen Mohnsorten                 mit einem Messer herauskratze und auf und Geschenke. Die Papiercouverts
klappt das gut. In jeder einzelnen Kapsel       ein Stück Klopapier streiche. Oben auf   lassen sich ja auch liebevoll verzieren und
befinden sich Hunderte bis Tausende von         dem Papier schreibe ich dann gleich den nach Lust und Laune schön anschreiben.
Samen. Sobald sie reif sind, gehen die          Sortennamen drauf. Die Samen können
Kapseln oben auf. Man kann sie ab-              so ungesäubert ganz gut mitsamt dem             Zur Person
schneiden und die Samen wie mit einem           Papier trocknen und werden danach in            Sabine Reber ist freischaffende Autorin,
                                                                                             Pflanzenexpertin und Gartenberaterin.
Salzstreuer über das Beet streuen, in dem       einer Keksdose überwintert. Der Klo­         Alles über ihre Bücher und Auftritte auf
man nächstes Jahr gerne Mohnblumen              papiertrick funktioniert auch für Me-        www.sabinesgarten.ch. Tipps zum Gärtnern
hätte. Auch Ringelblumen, Borretsch,            lonen, Gurken, Kürbisse, Passionsfrüchte     mit nichts und Berg­blumengeschichten gibts
Malven und Stockrosen lassen sich direkt        und andere Samen, die schleimig und          in ihrem Blog auf www.hikesandherbs.ch.

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                                                                                                                tatkräftige Arbeitshilfen

  Für Nichtmitglieder und Mietende, die es eilig haben.                                                         beim Wohnungswechsel,
  Auf der Hotline beantworten FachjuristInnen Ihre mietrecht-                                                   beim Putzen, bei Räumungen,
                                                                                                                im Garten etc.
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                                                                                                                Glattbrugg 044 403 35 10           Zürich     044 271 49 00
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Mieten + Wohnen                                     Nr. 4, September 2020                                                                                                                                16
Haushalt                          Text von Stefan Hartmann, Topten

Wer zuhause arbeitet, kommt fast nicht um die Anschaffung
eines Druckers herum. Topten bietet eine aktuelle Liste mit
den umweltfreundlichsten Geräten.

Sauber gedruckt
Er kann mittlerweile viel, der Drucker:         «Blauer Engel»-Label nicht vorausgesetzt • Faxfunktion: Diese Funktion wird
kopieren, scannen oder Dokumente aus-           wird, zeichnen sich durch minimale             immer seltener benötigt, da heute ein
drucken. Doch auch er funktioniert leider       Standby-Verluste und einen tiefen Strom-       Dokument auch per E-Mail oder
nicht ohne Energie. Rund vier Millionen         verbrauch aus.                                 WhatsApp übermittelt werden kann.
Laser- und Tintenstrahldrucker sind in                                                         Geräte mit Faxfunktion brauchen
Haushalten und Büros hierzulande im                 Lohnende Tipps                             mehr Energie, da sie dauernd abruf­
Einsatz. Der Stromverbrauch der Drucker             Gerade bei einem Familiengerät lohnt       bereit sein müssen.
liegt bei rund 80 Millionen Kilowatt-           es sich, alle Haushaltsmitglieder in die
stunden (kWh) pro Jahr. Anders als              Geheimnisse des richtigen Handlings            Laser oder Tintenstrahl?
erwartet braucht aber nicht etwa das Aus-       einzuweihen – die Kinder müssen                Wer ein Gerät anschafft, hat die Wahl
drucken viel Strom – das macht gerade           bestimmt ständig Dokumente für die         zwischen einem Laserdrucker und einem
einmal zehn Prozent aus – vielmehr geht         Schule ausdrucken.                         Tintenstrahldrucker. Hier bestehen
der Grossteil im Standby-Modus ver-             • Doppelseitig: Drucken Sie, wenn          einige alte Vorurteile. Laserdrucker galten
loren. Es ist darum wichtig, ein Gerät              immer möglich, doppelseitig aus        lange Zeit als besonders kostspielig,
jeweils über eine Schalterleiste ganz vom           (Standardeinstellung «duplex»).        während Tintenstrahldrucker dafür als
Netz zu trennen.                                    Das spart Papier und damit Energie     laut empfunden wurden. Letztere waren
                                                    bei der Papierherstellung.             günstiger, aber auch langsamer. Auch
   Tiefe Umweltbelastung                        • Recyclingpapier: Es braucht in der       musste eine lange Trocknungsdauer der
    Das unabhängige Onlineportal                    Fabrikation bis zu dreimal weniger     Ausdrucke in Kauf genommen werden.
topten.ch hat das Dossier Drucker diesen            Energie und Wasser. Wenn es un­        Mittlerweile hat sich viel verändert. La-
Sommer auf den neusten Stand gebracht;              bedingt Frischfaserpapier sein muss,   serdrucker sind zwar in der Regel immer
die Liste enthält alle Produktedetails in-          achten Sie auf das FSC-Label (Holz     noch etwas kostspieliger in der Anschaf-
klusive Preise und Verkaufsgeschäfte.               aus nachhaltigem Anbau).               fung, dafür sind die laufenden Druck-
Topten berücksichtigt nur die energie-          • Einzelpatronen: Wählen Sie ein (Farb-) kosten wesentlich geringer. Beim Tinten-
sparenden Produkte, vor allem solche mit            Gerät mit Einzelpatronen, damit Sie    strahldrucker sind die Patronen häufig
dem deutschen Umweltlabel «Blauer                   nur die leeren Farbpatronen ersetzen   sehr teuer.
Engel». Sämtliche Geräte der Liste sind in          müssen statt die ganze Multipatrone
der Schweiz erhältlich.                             mit allen anderen noch halbvollen          Entsorgung
    «Geräte mit dem Blauen Engel                    Farben. Das ist nachhaltiger.              Sämtliche Altgeräte können übrigens
bringen einen wichtigen Mehrwert, weil          • Nachfüllen: Leere Patronen können        kostenlos in allen Verkaufsstellen von
sie eine geringere Belastung für Umwelt             an den Hersteller zurückgeschickt      Elektrogeräten oder in Wertstoffsammel-
und die Gesundheit darstellen», erklärt             oder bei einem Zweitanbieter neu auf- stellen entsorgt werden – auch ohne
Nadja Gross von Topten. Die Innenraum-              gefüllt werden.                        Neukauf!
belastung (Staub etc.) ist generell tiefer,     • Tintentank: Neuste Modelle, wie bei
die Konstruktion ist recyclinggerecht und           Epson, verfügen über einen Tintentank,     Direkter Link zur Liste:
die Anforderungen bei der Werkstoffaus-             bei dem man die Farbe selber nach-         www.topten.ch/private/products/printers_home

wahl (schadstoffarme Materialien) sind              füllen kann. Diese Geräte sind in der
streng. Die Geräte der Topten-Liste, auch           Anschaffung etwas teurer, danach aber
für Tintenstrahldrucker, bei denen das              im Unterhalt wesentlich günstiger.

Mieten + Wohnen                   Nr. 4, September 2020                                                                                  17
Miettipp          Text von Fabian Gloor

                                               Illustration: Patric Sandri

Mieten + Wohnen   Nr. 4, September 2020   18
Der neue Mietvertrag ist unterschrieben, der alte
gekündigt und der Zügeltag rückt näher. M+W
gibt Ihnen hilfreiche Tipps, wie Sie den Wohnungs­
wechsel reibungslos über die Bühne bringen.

                                   Kühler Kopf
                                 trotz Zügelstress

Beat Hunkeler wischt sich den Schweiss    reinigen. Verlangt ist ein gründlicher          Hunkeler will aber nichts dem Zufall
von der Stirn. Stundenlang hat er Kisten  Grossputz. Dazu gehört, dass Böden und      überlassen und hat deshalb beim örtli-
und Möbel geschleppt. Zum Glück hat er    Kacheln in Küche, Bad und WC feucht         chen Mieterinnen- und Mieterverband
für die Endreinigung das Reinigungsins-   aufgenommen, Schränke, Kühlschrank          eine Expertin angefordert. Sie wird bei
titut «Schmutz und Co.» engagiert. Dazu   und Backofen ausgewaschen, sanitäre An-     der Wohnungsabgabe dabei sein, ihm
verpflichtet wäre er nicht, er könnte die lagen gründlich gereinigt und die Fenster   Ratschläge erteilen und ein Protokoll er-
Wohnung auch selber putzen. Bei           geputzt werden.                             stellen. Einer erfolgreichen Wohnungs­
«Schmutz und Co.» ist Hunkeler aber in        Gewisse Liegenschaftsverwaltungen       abgabe steht also nichts mehr im Weg.
guten Händen. Wie es sich für ein vertrau-stellen allerdings extrem hohe Ansprüche.
enswürdiges Unternehmen gehört, hat       Sie verlangen etwa, dass die Fensterläden      Trend zu digitaler Wohnungsabgabe
die Firma vorher einen Vertreter vorbeige-geölt und das Dach des Wintergartens ge-        Da steht auch schon Priska Binggeli
schickt. Der hat sich die Wohnung ange-   reinigt werden. Das geht eindeutig zu       von der Liegenschaftsverwaltung vor der
schaut und einen detaillierten Kostenvor- weit. Gefährliche Putzarbeiten müssen       Tür. Es kann also losgehen. Bewaffnet mit
anschlag erstellt. Zusätzlich hat sich    Mietende nicht vornehmen. Auch andere       einem iPad tigert Binggeli durch die
Hunkeler eine schriftliche Abnahmega-     Arbeiten nicht, die den Beizug von Fach-    Wohnung und fotografiert damit akri-
                                          personen erfordern. Die Bestimmung in
rantie zusichern lassen. Damit verpflichtet                                           bisch sämtliche Räume und Einrich-
sich das Reinigungsinstitut, zum verein-  Hunkelers Mietvertrag, wonach die Tep-      tungsgegenstände. Mit dem Tablet-Stift
barten Preis so lange zu putzen, bis die  pichböden von einer spezialisierten Firma   erstellt sie ein digitales Abgabeprotokoll
Vermieterin nichts mehr auszusetzen hat.  zu reinigen sind, ist deshalb ungültig.     und notiert einzelne Mängel. Vor der
                                          Auch das Schamponieren des Teppichs,        Küchentür stutzt Binggeli und schaut sich
   Wie sauber muss es sein?               das der Mietvertrag vorsieht, kann Hun-     die untere Kante der Tür genauer an. Die
   Wie sauber eine Wohnung bei der Ab- keler selber erledigen.                        ist nämlich total ausgefranst. Da hat doch
gabe sein muss, ist im Gesetz nicht genau     Lässt die Sauberkeit zu wünschen        tatsächlich Hunkelers Bulldoge «Tyson»
definiert und sorgt immer wieder für      übrig, so muss die Vermieterin dem          die Tür angefressen. Bei einem solchen
Meinungsverschiedenheiten. Enthält der Mieter eine kurze Nachfrist von rund           Schaden spricht man von «übermässiger
Mietvertrag keine Bestimmungen zur        einem Tag einräumen, um nachzuputzen.       Abnutzung». Eine übermässige Abnut-
Reinigung, so sind die Wohnung und die Lässt der Mieter diese Frist ungenutzt         zung liegt bei Veränderungen der Miet-
dazu gehörenden Nebenräume wie Keller, verstreichen, darf die Vermieterin auf         sache vor, die durch einen nicht vertrags-
Estrich und Garage überall gründlich zu   seine Kosten putzen lassen.                 gemässen oder übermässigen Gebrauch

Mieten + Wohnen                   Nr. 4, September 2020                                                                       19
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