Sinn ermöglichen - evangelisch-reformierte Landeskirche ...
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magnet Kirchenblatt für die Evangelisch-reformierten Kirchgemeinden beider Appenzell AZB 9100 Herisau Januar 2020 Nr.1 107. Jahrgang ften rg e n d e G emeinscha So nie P o te n z ia l der Diako Sinn ermöglichen Da s ite 15 m ehr auf Se
Biblische Betrachtung Der Gast ist König Jesus hielt sich in Betanien auf, im Hause Simons, der an einer schweren Hautkrankheit litt. Als er dort zu Tisch lag, kam eine Frau zu ihm mit einer Alabas- terflasche voll kostbarem Öl und goss es auf seinen Kopf. Die Jüngerinnen und Jünger sahen das und wurden är gerlich. Sie sagten: «Was soll diese Verschwendung? Das Öl hätte für viel Geld verkauft werden können, das dann den Armen gegeben werden könnte.» Da Jesus das merkte, sagte er zu ihnen: «Warum macht ihr die ser Frau Vorwürfe? Sie hat eine gute Tat für mich voll bracht.» Mt 26, 6–10 Jesus als Wanderprediger war zusammen mit seinen Freunden oft zu Gast in unterschiedlichsten Häusern. Als Mensch ohne festen Wohnsitz und ohne festes Ein- kommen war er angewiesen auf die Gastfreundschaft. Viele neutestamentliche Erzählungen berichten davon. So auch diese im Haus des kranken Simons. Und da kommt eine Frau, und setzt noch einen drauf auf die übliche Gastfreundschaft, die den Wanderern die staubigen Füsse wäscht, sie verköstigt und ihnen eine Unterkunft gewährt. Sie ist so richtig verschwen- derisch grosszügig. Denn der kostbar duftende Inhalt dieser Flasche mit Nardenöl hätte ihr gut und gerne als Altersvorsorge dienen können, entsprach doch ihr Wert dem Jahreslohn eines Arbeiters (umgerechnet Die Salbung Jesu etwa 21000 Franken). Doch sie salbt damit den Gast Quelle: Campingkirche, Freizeitcenter Oberrhein, via bibelwelt.de und greift eine alttestamentliche Tradition auf, in der es Könige waren, die mit dem kostbaren Öl bei ihrer Inthronisation gesalbt wurden. Kein Wunder, reagieren die Freunde entsetzt, was Ich finde sie ausgedrückt in der berühmten Erzählung hätte man damit nicht alles (Gutes) tun können! Doch von Tolstoi vom Schuster Martin. Jesus versprach, zu Jesus rechtfertigt diese Tat der Liebe und des Segens. ihm zu Gast zu kommen. Viele Menschen gingen ein Ich erinnere mich an einen mutigen Kollegen, der und aus an diesem Tag, Martin unterstützte sie alle auf selbst in einem Sabbatical die Erfahrung machte, als seine Weise. Aber Jesus kam nicht. Doch als es Nacht Obdachloser in Frankreich und Deutschland unter- wurde, da erschien er und sagte ihm, er sei ihm begeg- wegs zu sein. Er erlebte die existenzielle Notwendig- net in jeder einzelnen Person an diesem Tag. Und das keit von Gastfreundschaft, suchte sie bewusst auch heisst Gastfreundschaft: jeden Menschen so willkom- bei kirchlichen Institutionen und Kirchgemeinden, be- men heissen, als wäre es Christus selbst. Das Kost- kam sie oft, aber manchmal wurde sie ihm auch ver- barste, was wir zu geben haben, ist Liebe, so wie das wehrt. kostbare Öl des Fläschchens. Diese dürfen wir beden- Jesu Rechtfertigung dieser Frau lässt mich nachden- kenlos verschwenden. Und wenn wir dies tun, dann ist ken über eine gastfreundliche Kirche. Da sind zum ei- jeder Gast König! nen die kleinen gelebten Zeichen der Gastfreundlich- keit. Die Einladung zum Apéro nach jedem Gottes- Ich wünsche Ihnen ein Jahr mit guten Erfahrungen als dienst. Die immer offenen Kirchentüren, die auch dem Gastgebende und als Gast in und ausserhalb der Kirche. fremden Gast einen Moment der Stille schenken. Die Geselligkeit bei vielen Anlässen. Eine Kultur, die die Annette Spitzenberg, Pfarrerin in Reute-Oberegg Menschen, die kommen, willkommen heisst. Ich wün- sche mir von mir und auch von den Menschen, die die Kirche gestalten, die Haltung dieser Frau. MAGNET Nr.1/2020 2
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser Eine Geschichte im Alten Testament erzählt wie ein älter geworde Impressum ner Herr von Dreien besucht wurde. Es war in der Hitze des Kirchenblatt für die Evan- Tages, er döste vor seinem Zelt aber im Schatten. Als er die Drei gelisch-reformierten Kirch- gemeinden beider Appenzell auf sich zukommen sah, sprang er auf und nötigte sie, seine Gast (erscheint monatlich) freundschaft entgegen zu nehmen. Er schlachtete ein Kitz; seine Carlos Ferrer, Mitglied der Herausgegeben im Auftrag der Synode der Evangelisch- Frau, auch im hohen Alter, bereitete ein Festmahl vor. Während Redaktionskommission reformierten Landeskirche des Essens versprechen die Gäste dem Paar: Ihr werdet Eltern beider Appenzell werden. Der Kindersegen war ihnen bis dahin verweigert worden. Redaktionskommission Carlos Ferrer, Grub-Eggersriet Eine andere Geschichte erzählt von dem Neffen des Ersten. (cf); Judith Husistein, Stein (jh); Auch er bekommt Besuch, von zwei Männern. Er nimmt sie gast Isabelle Kürsteiner, Walzenhau- sen (iks); Jonathan Németh, freundlich auf, in sein Stadthaus. Bald kommen aber die Nach St.Gallen (jn); Annette Spitzen- barn und wollen, dass er die Fremden hinausschickt. Das will berg, Reute-Oberegg (as); er nicht und bietet ihnen dafür die eigenen Töchter an, was die Karin Steffen, Schachen bei Reute (ks); Lars Syring, Präs., Nachbarn nicht wollen. Sie werden gewalttätig und verlangen, Bühler (sy) dass die fremden Gäste ausgeliefert werden. Auf wunderbare Redaktion Weise entkommen die Fremden mitsamt der Familie, die Stadt Heinz Mauch-Züger (hmz) Steinbruggen aber bekommt die Vergeltung Gottes zu spüren.1 9063 Stein Gastfreundschaft liegt nah am Herzen unserer Religion. Das Tel. 071 278 74 87 Fax 071 278 74 88 Gleichnis vom barmherzigen Samariter und die Warngeschichte magnet@ref-arai.ch von den Geissen und Schafen2 unterstreichen dies in bildhafter Magnet-Download Sprache. Darin sind sich die beiden Testamente einig. Wer die www.ref-arai.ch Produktion Gastfreundschaft missachtet, vergeht sich an Gottes Gnade. Appenzeller Druckerei AG, Vertieft wird das Bild der Gastfreundschaft durch den Kontext, 9100 Herisau was sie beinhaltet. Essen, Trinken, Obdach, Teilhabe an all dem Adressänderungen melden Sie bitte direkt der örtlichen Besten was vorhanden ist. Ein Gastgeber sieht zu, dass den Gästen Kirchgemeinde nichts fehlt. Dies unterstrich Jesus, als er die Füsse seiner Jünger WEMF wusch, am Abend des letzten Abendmahls. Beglaubigte Auflage 3250 Gastgeber oder -geberin zu sein, heisst dienen, den Gast hinein Magnet online www.magnet.jetzt zu lassen in das Allerheiligste was man besitzt und ihn zu bewir ten. Wenn nötig so zu beschenken, dass er weiterreisen kann. Diesen Magnet widmen wir einerseits der Kultur der Gast freundschaft in unseren Kirchen. Ihren Stellenwert, ihrer Wichtig keit, ihrer zentraler Lage in unserem Kirche-Sein. Anderseits stellen wir das Diakoniekonzept der Kirche und dessen geplante Umsetzung vor. Eine Kirche, die sich auf Christus beruft, öffnet nicht nur ihre Türen für die, die zu ihr kommen. Sie sucht gastfreundliche und dienende Strukturen aufzubauen und aufrecht zu halten. Nicht der Zufall, sondern die Regel schafft die Kultur. Eine dienende Kirche3, eine dienende Führung, eine dienende, von Gott geliebte, Truppe. Das ist der konkrete Sinn unseres Glaubens. Einander zu dienen, dass Keine und Keiner verloren oder ausser acht geht. Titelbild: Kirche – offener 1 Genesis 18–19 Erfahrungsraum. 2 Lukas 10, Matthäus 25 Illustration: Jonathan Németh 3 Auch «diakonische Kirche» genannt 3 MAGNET Nr.1/2020
Thema Kirche in Bewegung? Immer noch wird in den Landeskirchen der Slogan «kleiner, älter, ärmer», der auf das Buch «Die Zukunft der Reformierten» von Jörg Stolz und Edmée Ballif zurückgeht, nicht nur rezipiert sondern fast schon meditiert. Manchmal scheinen insbesondere die eta- blierten Landeskirchen wie erstarrt zu sein vor dieser Perspektive. So sind sie darum besorgt, Finanzen, Strukturen, Status und Mitglieder zu halten. Gleich- zeitig wird die Säkularisierungstheorie in Kirche und Medien weiterhin als drohende Zukunftsvision her- aufbeschwört, die unter anderem den Untergang der Kirche prophezeit. Darin wird beschrieben, dass die Menschen immer säkularer werden, also diesseitig und weltlich orientiert und sich von «naiven» Glau- benssystemen emanzipiert haben. Dr. theol. Sabrina Müller ist die theologische In den Sozialwissenschaften hingegen wird gerade die Geschäftsführerin des Zentrums für Kirchen- Säkularisierungstheorie schon länger angezweifelt und entwicklung der Universität Zürich. Seit Herbst es erscheinen immer mehr Studien, welche andere 2015 befasst sie sich in ihrem Habilitationspro- Muster erkennen lassen. Die Menschen werden nicht jekt mit dem Thema «Religiöse Erfahrung als immer unempfänglicher für Spiritualität und Religion, Grundbegriff der Praktischen Theologie». sondern sie sind dafür wieder offener. Allerdings haben Vorher arbeitete sie während 6 Jahren in der sich die religiöse Praxis und Sinndeutungen individua- ev.-ref. Kirche Bäretswil als Pfarrerin und promo- lisiert und sie sind dadurch vielfältiger geworden. Die vierte zum Thema «Fresh expressions of Church». Menschen glauben nicht weniger, nur anders. Sie prak- tizieren ihren Glauben bei Gebet und Meditation, Pil- gern und Tanzen, in den Bergen und im Wald, jedoch nicht mehr automatisch in einem sonntäglichen Got- tesdienst in einem Kirchengebäude. Das Leben ist plu- ralistischer, individualisierter, erfahrungsorientierter und liquider geworden. Dies scheint in Spannung zu che in ihrer institutionellen Sozialform mit Selbstver- stehen zur historisch-gewachsenen Form von Kirche, trauen von sich sagen können: «zuverlässig, vertrau- wie sie sich in den Landeskirchen zeigt. ensvoll und präsent». Kirche als Institution wird von reformfreudigen Personen gerne kritisiert und die Ten- Drei kirchliche Sozialformen denz steigt, Kirche nur noch als Organisation zu verste- Landeskirchen haben verschiedene Sozialformen, sie hen. Dies zeigt sich zum Beispiel in der zunehmenden sind historisch gewachsene Institution, sie sind gleich- Professionalisierung, in der Hierarchisierung von Lei- zeitig Organisation, und theoretisch wären sie auch tungsstrukturen, in Strukturreformen und in einseiti- Bewegung. gen Konzepten von Kompetenzorientierung. Von Ver- In ihrer institutionell gewachsenen Form vermitteln tretern dieser Sozialform wird die flexiblere, zielge- Landeskirchen immer noch gesellschaftliche Sicher- richteter und besser organisier- und leitbare Seite von heit und Vertrauen, sie sind immer noch für viele Per- Kirche betont. Auch die organisationslogische Seite sonen ein Knotenpunkt in den entscheidenden Le- von Kirche ist notwendig, denn Strukturen, Funktio- bensphasen, sie sind gegeben und vertrauenswürdig, nen und Finanzen müssen geklärt, Gebäude verwaltet manchmal auch etwas verstaubt und unbeweglich, und Anstellungen gesetzeskonform getätigt werden. aber sie sind da. Ihr diakonisches und gesellschaftli- Der Slogan dieser Sozialform könnte folgendermassen ches Engagement wird geschätzt, die Kirche «tut Gu- lauten: «professionell, optimiert, zukunftsorientiert». tes», setzt sich für die ein, «die es nötig haben». Diese Was etwas weiter vom landeskirchlichen Verständ- Sozialform von Kirche, mit ihrer historisch gewachse- nis entfernt liegt, ist, dass Kirche auch Bewegung ist. nen Logik, einfach aufzugeben hiesse «das Kind mit Diese Sozialform geht in die Anfänge des Christentums dem Bad auszuschütten». Anders als der viel zitierte zurück, sie ist häufig selbstorganisiert und sie wurzelt Slogan «kleiner, älter, ärmer» vorschlägt, sollte die Kir- im gelebten Glauben von Individuen und Gemein- MAGNET Nr.1/2020 4
Thema Neues wagen ohne das Wesentliche in Form und Inhalt zu verlieren – eine doppelte Herausforderung der es sich zu stellen gilt. schaften, die auf Gottes Wirken vertrauen und durch Bild: hmz ihre Partizipation Kirche bilden (Mt 18,20). Kirche als Bewegung besteht aus vom Geist bewegten Menschen, die sich intrinsisch motiviert treffen, gemeinsam feiern und an Kirche partizipieren. In dieser Sozialform bildet das «Allgemeine Priestertum» den Kern von Kirche und ihre äussere Ausdrucksform, ihre Struktur und ihre Aktivitäten können, je nach Kontext, variieren. Die Sozialform von Kirche, Kirche als Bewegung ist liquide und kann sich je nach- dem kontextuell anders zeigen. Der Slogan hier könnte mit ihrer historisch gewachsenen folgendermassen auf den Punkt gebracht werden: «er- Logik, einfach aufzugeben fahrungsorientiert, partizipativ, geistbewegt». Innovative Kirchenentwicklung knüpft häufig am hiesse «das Kind mit dem Bad Bild von Kirche als Bewegung an. Dabei wird Kirche vom Kontext, etwa dem jeweiligen Sozialraum und den auszuschütten». Menschen, konkret deren Lebenssituationen her, ge- dacht und entwickelt. Kirche in diesem Denkhorizont wurzelt in der gelebten Theologie und Religion der Menschen und das Alltägliche und das Sakrale lassen sich nicht mehr so einfach trennen. Die Logik bei die- ser Sozialform besteht darin, dass sie weniger attrakti- onal funktioniert und Angebote und Gottesdienste kre- iert, sondern gemeinsam mit den Menschen zusam- men danach fragt, was es bedeutet, hier in diesem Kontext, in diesem Netzwerk, in dieser Peer-Group oder in dieser Nachbarschaft Kirche zu sein. 5 MAGNET Nr.1/2020
Thema Die Kirche der Zukunft braucht jedoch diesen bewegten, chaotischen und erfahrungsorientierten Teil von Kirche. Ebenso zentral wie die institutionelle und organisatori- tive Repräsentantinnen und Repräsentanten wahr- und sche Sozialform von Kirche ist die bewegte. Ihr wird in ernst zu nehmen, damit sie selbst zu einem konstituti- den gängigen landeskirchlichen Überlegungen eher ven Teil kirchlicher und theologischer Praxis werden. wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Vielleicht, weil sie Denn in einer spätmodernen Gesellschaft hängt die nicht gut kontrollier- und organisierbar ist, weil sie vor- Plausibilität des Evangeliums von der Authentizität der schnell einer theologischen Richtung zugeordnet wird Menschen ab, die daran partizipieren. Das Evangelium oder weil das Kirche-Sein seit vielen Jahrhunderten wird so weniger durch die Predigt als vielmehr durch den Pfarrpersonen übertragen war. Oder vielleicht das gelebte Leben kommuniziert. auch einfach darum, weil es nicht dem nüchternen, Eine kirchliche Sozialform alleine kann und wird nicht kognitiv-orientierten reformierten Selbstbewusstsein genügen, um dem Auftrag der Kirche, die kontextuelle entspricht. Kommunikation des Evangeliums, gerecht zu werden. Die Kirche der Zukunft braucht jedoch diesen be- Alle ihre Sozialformen müssen in Prozessen von Kir- wegten, chaotischen und erfahrungsorientierten Teil chenentwicklung integriert und reflektiert werden und von Kirche. In ihm wird das Lebensgefühl einer spät- allen Sozialformen müssen Raum und Ressourcen zur modernen, liquiden und erfahrungsorientierten Gesell- Verfügung stehen. schaft gespiegelt und transformiert. Denn heute muss Dr. Sabrina Müller Religion und Theologie persönlich erlebt werden: in individueller Praxis, in gemeinschaftlichen hermeneu- tischen Prozessen und im alltäglichen Leben. Diese gelebte Theologie gilt es zu stärken und ihre Verortung in der Lebensrealität der Menschen herauszustellen. Ihre Gestalt ist nicht Antwortsicherheit, «sondern fra- Die Menschen glauben nicht gende Existenz zwischen Anfechtung und Gewiss- heit».1 Diese Form der Theologie ist eine prozessuale, weniger, nur anders. welche auf persönlichen und gemeinschaftlichen (Kon- tingenz)Erfahrungen beruht und dem Wandel der Le- bensumstände und des Kontextes unterworfen ist. Sobald diese theologische Dimension miteinbezo- gen wird, kann Kirche nicht auf Institution, Organisa- tion oder auf Gottesdienst und das kirchliche Engage- ment nicht mehr auf Freiwilligenarbeit reduziert wer- den. Denn der Freiwilligenarbeit der Kirche, anders als bei anderen sozial-karitativen Tätigkeiten, wohnt ein geistliches Moment inne, welches sich im Horizont von Theologie und «Allgemeinem Priestertum» be- wegt. Denn das Selbstverständnis und Selbstbewusst- sein verändert sich, wenn die «Aufgabe» von Kirche als Menschen darin gesehen wird, Theologie zu trei- ben und zu leben. Dann kommt nicht nur dem Feiern und Dienen, sondern auch der gelebten Theologie des 1 Henning LUTHER (1992), S. 23. «Allgemeinen Priestertums» eine zentrale Stellung zu,2 2 Für die hier ausgeführten Reflexionen zur «Gelebten Theologie» in der es darum geht Menschen als theologieproduk- vgl. Müller (2019). MAGNET Nr.1/2020 6
Thema Die katholische Pfarrkirche St. Maria in Weggis am Vierwaldstät- tersee. Daheim in fremder Kirche Kirchen prägen unsere Dorfbilder und in Städten mit offener, festlicher Ausstrahlung thront die Kirche überragen Kathedralen oft majestätisch die anderen mit der leuchtend roten Turmspitze etwas erhöht mit- Gebäude. Jede hat ihr eigenes Gesicht und jeder Kir- ten im Dorf. Umrahmt von Blumenrabatten, Bäumen chenraum seine ganz eigene Atmosphäre. In man- und einem gepflegten Friedhof strahlt sie Offenheit chen fühlen wir uns wohl, andere empfinden wir als und Gastlichkeit aus. Hier ist die Kirche ein wichtiger überladen, düster oder nüchtern. Für mich war un- Teil des Gemeindelebens. Kaum ein Grossanlass, der sere Dorfkirche immer die schönste weit und breit. nicht mit einem feierlichen Festgottesdienst beginnt. Hell und freundlich, perfekt in den Proportionen und Da heisst der Priester nicht Herr Pfarrer, sondern Emi- von ganz besonderer Ausstrahlung. lio. Er kennt die Menschen in seiner Gemeinde mit Vornamen und predigt je nach Anlass sogar im Sennen- In dieser Kirche haben schon meine Vorfahren Taufen, chutteli. Und dass Ökumene in dieser mehrheitlich Hochzeiten und Abschiede gefeiert. Von meiner eige- katholischen Gegend ganz selbstverständlich gelebt nen Taufe bis zum Abschied meiner Eltern und Hoch- wird, beeindruckte uns. Ob bei der Trauung unserer zeiten unserer Kinder – unsere Kirche bot dafür stets reformierten Tochter mit ihrem katholischen Mann einen würdigen Rahmen. Die wohl schönste Tätigkeit oder der Taufe unserer Grosskinder: Der gut 70jährige meines Arbeitslebens genoss ich als langjährige Mes- Priester war offen für alle Ideen. Er legte Wert auf die merin in «meiner Kirche». Der Kontakt mit den ver- Anliegen der jungen Familie, achtete die Unterschiede schiedensten Pfarrpersonen, Organistinnen und Gäs- der Konfessionen ohne zu werten. Unkompliziert und ten, ob bei kirchlichen Anlässen oder Konzerten, war mit Freude willigte er in den Wunsch des Brautpaares berührend und bereichernd. Alle Menschen mit Ach- ein, die Kommunionsfeier – das Abendmahl – gemein- tung und Freundlichkeit zu behandeln, individuelle sam zu gestalten. So verteilten sowohl Braut als auch Anliegen ernst zu nehmen, besondere Wünsche zu Bräutigam die Hostie – das Brot – an alle Gäste. Fein- erfüllen und den schönen Raum jedem Anlass entspre- fühlig machte der Priester unsere Tochter darauf auf- chend würdevoll vorzubereiten und zu schmücken, merksam, dass sie statt der für Katholiken üblichen machte mir grosse Freude. Nie hätte ich gedacht, dass Worte «Der Leib Christi» bei der Austeilung der Hostie mich eine andere Kirche in ähnlichem Rahmen anspre- «Das Brot des Lebens» sagen könnte. Auch bei den Tau- chen könnte. fen spürten wir diese Offenheit. Lieder, Gebete und sogar das Glaubensbekenntnis passte der Priester so an, Das Brot des Lebens dass sich alle angesprochen fühlten. Kein Wunder, dass Bis eine unserer Töchter in der Zentralschweiz eine auch Familien mit kleinen und grösseren Kindern so- neue Heimat fand. Die stattliche katholische Pfarrkir- wie Menschen anderer Konfessionen den Weg in die- che St. Maria in Weggis am Vierwaldstättersee wirkte ses Gotteshaus finden, das so selbstverständlich ins auf mich wie eine etwas reichere Verwandte unserer Dorfgeschehen eingebunden ist. Es ist schön, sich auch Steiner Kirche. Schlicht gestaltet, lichtdurchflutet und in fremden Kirchen daheim zu fühlen. Judith Husistein 7 MAGNET Nr.1/2020
Thema Sich einlassen – loslassen – zupacken Wer Trainings und Coachings anbietet, der weiss, Veränderung behagt uns nicht. Mittlerweile leben wir dass Veränderungen auf zwei Arten möglich sind. in einer Zeit, wo Veränderung praktisch zum Alltag ge- Zum Einen kann man über den Kopf Ideen und Argu- worden ist. Ist es verwunderlich, wenn Menschen aus- mente «einpflanzen oder anregen» und zum Anderen brennen, ihre Orientierung verlieren oder sich in Um- kann man einfach anders handeln und damit die Ver- gebungen zurückziehen, wo es klare Ordnungen und änderung einleiten. Diese scheinbar simple Aus- damit Wegweisungen gibt? Die Religionen selber ha- gangslage beinhaltet alles, was unser Leben im All- ben ja diesen Ruf der Bewahrung. Deshalb erscheinen tag bestimmt. sie vielen Menschen noch als Hort der Sicherheit, an- deren hingegen als rückständig und überholt. Um bei der «simplen Ausgangslage» zu bleiben, kön- nen wir die Menschen mal in solche einteilen, die sich Loslassen gerne alles zuerst mal gründlich überlegen und abwä- Der christliche Glaube basiert auf Veränderung. Der gen. Sie werden gerne als Theoretiker bezeichnet. Pa- Provinzler Jesus (kann aus Nazareth etwas Gutes kom- piertiger ist ein anderer Begriff. Diese Leute verortet men? Joh. 1.46) sprach praktisch nur von Veränderung. man gerne in die Verwaltungen und das mittlere Ma- Die einzige Konstante war bei ihm das Vertrauen in die nagement von grossen Unternehmen. lebensschöpfende Kraft und daraus die Solidarität un- Und dann sind da diejenigen, die einfach zupacken. ter jenen, die auf diese Kraft vertrauen. «Naivlinge al- Das sind die Macher, welche zuerst mal durch ihr Han- lesamt!», sagten schon damals die Realisten. Also die- deln klare Bedingungen schaffen. Diese Leute finden jenigen, die das Sagen hatten und bestimmten, was ihren Platz als sogenannte Leader in der Wirtschaft und sich gehörte und was nicht. Die Naivlinge jedoch erleb- in der Politik. Es sind die Helden der Gegenwart auf ten Dinge, die sie sich nicht haben vorstellen können. den Titelseiten der entsprechenden Magazine und Die Prägung war so stark, dass nach dem Verlust des Zeitschriften. Anführers der Funke weitersprang und diese Men- schen in Bewegung brachte. Sie wollten das Erlebte Sich einlassen und diesen Lebensstil teilen und fanden immer wieder Mit der Umsetzung des Diakoniekonzeptes geschieht Menschen, die sich davon anstecken liessen. ebenfalls Veränderung. Es geschieht jedoch nicht so Bis dann die Phase kam, wo die Anerkennung gege- viel, was es nicht schon einmal gegeben hätte. Da wir ben war und der Einfluss regierungsmässig gesichert Menschen uns zwar gerne flexibel, dynamisch und in- schien. Damit begann dann die Zeit der Bewahrung novativ geben, lässt man sich oft täuschen, dass wir uns und der Sammlung. Es begann die Zeit der Bewertung eigentlich nicht gerne verändern wollen. Die Hirnfor- und Ausscheidung und es begann die Zeit, wo Ge- schung der vergangenen Jahre hat deutlich gemacht, schichten zwischen zwei Buchdeckeln zur verbindli- dass das Gebilde unter unserem Haaransatz die Ten- chen Lehre wurden. denz hat, so rasch wie möglich Routinen zu entwickeln, Veränderung wurde in dieser Zeit immer mehr sus- also so eine Art Automatisierung zu erreichen. Alle, die pekt. Gruppierungen, die Veränderungen forderten, Autofahren gelernt haben, kennen das auch gefühlsmä- gerieten ins Abseits bis hin zur Verfolgung und die Ge- ssig sehr gut. Und so geht es mit eigentlich allem, das schichte des Christentums wurde zur Politik der Wahr- wir lernen müssen. heits- und Machthaber. Von der Entwicklung her macht das natürlich Sinn. Gegenwärtig begehen wir Reformationsjubiläen. Sie Über je mehr Automatismen wir verfügen, desto ruhi- stehen für die Rückbesinnung auf die Anfänge, wo ger und gezielter können wir handeln und desto mehr eben Veränderung geschah und Menschen völlig neue können wir die Situation so kontrollieren, dass Gefah- Perspektiven für sich entdeckten. Und sie stehen für ren minimiert werden. Alle Situationen, wo wir mer- uns Heutigen für das Scheitern dieser Reformationen, ken, dass unsere Routine nicht greift, wirken stressig weil sich selbstverständlich mit der Rückbesinnung so- auf uns. Wir verbrauchen unverhältnismässig viel fort wieder Menschen zusammenfanden, welche nicht Energie und wir erleben uns als nicht wirkungsvoll – genug hatten mit dem, was die Reformatoren anstreb- bis wir dann den richtigen Ausgang im Bahnhof Zürich ten. Es waren die neuen Naivlinge, die in die Schran- gefunden haben, oder den richtigen Bus, die gesuchte ken gewiesen werden mussten, wie beispielsweise die Adresse undundund. Täufer. MAGNET Nr.1/2020 8
Thema Es läuft eigentlich immer gleich ab. Doch die Umstände ändern seinen Atem zu achten war mal ganz und gar keine sich, wir verändern uns – Veränderung geschieht bereits. Es gilt kirchliche Angelegenheit. Im Tanzschritt durch den mit einem grundsätzlich Ja sich auf den Weg zu machen und Chor zu schreiten, erscheint noch heute einigen sus- kritisch den Weg immer wieder neu zu suchen. Bild: hmz pekt. Sich gemeinsam mit einem Bibeltext auseinander zu setzen und dabei die Zwischentöne in den verschie- denen Ansichten zu entdecken, ist frömmlerisch. Poli- Veränderung ist gefährlich. Veränderung ist immer ge- tische Ansichten im Kirchenraum zur Diskussion zu fährlich, vor allem dann, wenn das was ist, bequem stellen und dabei Qualitäten zu orten «goht gar nöd». und vorteilhaft ist. Wir sprechen dann davon «dass der Mit Kindern zu kochen, einfach so, das ist billige Be- Leidensdruck noch zu klein sei». Erst wenn dieser Lei- triebsamkeit. Mit Erwachsenen und Kindern gemein- densdruck ein gewisses Mass überschreitet, sind wir sam einen Film anschauen oder eine Geschichte hören, bereit, uns zu verändern. Reaktiv also, nicht aktiv. keine ausdrücklich «christliche» Geschichte, ist Anbie- Wenn wir heute Veränderung wollen, dann müssen wir derung. damit rechnen, dass sich da wieder Leute ins Zentrum Das alles geschieht bei uns schon. Und die Reaktio- schieben, die wir nicht vorgesehen haben. Und dann? nen sind typisch. Laut werden auch hier immer die Gegner. Es hat sie zu allen Zeiten gegeben, diejenigen, Zupacken die gewusst haben, was recht und richtig ist. Auch in Die Umsetzung des Diakoniekonzeptes ist nicht revo- Sachen Religion und Glaube. lutionär. Es ist eine Reaktion auf sich verändernde ge- sellschaftliche Verhältnisse. Weniger Mitglieder, weni- Kann denn aus unseren Kirchgemeinden etwas ger Mittel. Wir können jammern. Das können auch Gutes kommen? «die Kirchlichen» gut. Und wir können uns zusammen- Es gibt viel mehr Lebendigkeit, als wir uns vorstellen tun und miteinander darüber nachdenken, was wir können. Sie wohnt einfach nicht immer dort, wo wir verändern könnten. Und wir können ganz einfach an- sie gerne hätten. Eine Kirche, die sich verändert, weil ders handeln und sehen, was das für Wirkungen hat. der Leidensdruck tatsächlich zunimmt, erhält die Weil der Mensch sich nicht gerne ändert, ist meistens Chance anders zu werden. Anders ist eben nicht so wie die negative Rückmeldung das Indiz dafür, dass wir et- jetzt. Und vielleicht ist anders eine ganz interessante was Neues, noch Unbekanntes getan haben. und motivierende Sache. Und vielleicht tut es gut, auch Das ist an vielen Orten bereits geschehen. In den laut auszusprechen, wie es NICHT werden sollte. Da- Kirchgemeinden im Appenzellerland gab es immer mit am Ende von Schönengrund bis Reute-Oberegg wieder Profis und Laien, die neue Wege gegangen sind. Gutes erhalten und Gutes neu versucht wird. Packen Auf Kissen im Kreis zu sitzen, still zu werden und auf wir es an. Heinz Mauch-Züger 9 MAGNET Nr.1/2020
Thema Vom kirchlichen Tun Es geschah vor Jahren in einem Altersheim, das von meinem damaligen Arbeitgeber betreut wurde. Eine alte Frau war dem Sterben nahe, sie schien aber Angst vor dem Tod, insbesondere vor dem «Danach», zu haben. So kam sie nicht zur Ruhe. Bei früheren Begegnungen hatte sie mir von Kirchgängen erzählt und dass ihr Gespräche mit dem Pfarrer stets gut getan, ihr Klarheit vermittelt hätten. Das waren für sie Kraftmomente. So fragte ich die Frau eines Tages, als ich sie wieder einmal sah und spürte, dass die Angst und Not unter- schwellig immer noch da war, ob sie etwas dagegen hätte, wenn ich den Pfarrer um Rat fragen würde be- Später erfuhr ich, dass schon am anderen Tag der Pfar- treffend ihres Unwohlseins, wie sie es ausdrückte. So- rer ein langes Gespräch mit der alten Frau geführt fort, fast freudig, willigte sie ein. hatte. Daraufhin war der Stein für kurze Zeit wohl ihr ständiger Begleiter geworden, der Sicherheit vermit- telte. Es dauerte dann nicht mehr viele Tage, und sie schlief mit einer Gelassenheit und einer grossen Zuver- sicht auf eine gute Zukunft im «Danach» ein. Pfarrer und Schmeichelstein hatten ihr den Ab- schied von dieser Welt leichter und vor allem angstfrei gemacht. Immer wenn ich ähnliche Steine sehe, kommt mir diese Frau und das für mich so unkonventionelle Handeln des Pfarrers in den Sinn. Noch am gleichen Tag sprach ich beim das Altersheim betreuenden Pfarrer vor. Ich wusste nicht, wie er auf meine Bitte, ob er ein Mittel gegen die diffuse Angst hätte, reagierten würde. Eigentlich dachte ich an ent- sprechende Bibelstellen oder ein paar Zeilen. Er aber erzählte sofort von Schmeichelsteinen, die er in einer Werkstätte herstellen liess. Diese hätten schon in so manchen Situationen gut getröstet und sie seien gute Begleiter. Er gab mir sofort einen und ich brachte ihn der Frau. Für sie war es ein sehr wertvolles Geschenk, In schwierigen Situationen wünsche ich uns allen eine dass sie lange in ihrer Hand hielt. Der Stein, aber vor Person, die weiss, was für einen «Schmeichelstein» es allem, dass er vom Pfarrer kam, schien sie sehr zu be- dann gerade für uns benötigt und dass wir diesen auch ruhigen. Der Schmeichelstein strahlte wohl fast so et- bekommen. was wie Geborgenheit aus. Isabelle Kürsteiner Abb.: Begleitung und Ermutigung – kein Mittel ist da zu klein. quelle: shop arbes.ch MAGNET Nr.1/2020 10
Thema Kirche: Weil ich dich liebe Finden Sie die Kirche auch schön? Ich meine jetzt nicht nur die Kirche in Bühler, die nach der Innenre- novation strahlt. Ich meine die Kirche als Kirche. Also als Gemeinschaft der Heiligen. Auch als Verwal- tungsapparat. Gefällt sie Ihnen? Gut. Sicher. Sie haben Recht. Das ist eine komische Frage. Wie sollen Sie darauf antworten? Vielleicht ist Ihnen trotzdem spontan ein Gedanke durch den Kopf geschossen. Ich erzähle Ihnen, wie es mir mit Kirche geht. Ich liebe die Kirche. Dabei erinnere ich mich an meinen Seelsorgeprofes- sor, der eines Tages eine Vorlesung zum Thema «Liebe» mit denkwürdigen Worten begann: «Die Person, die ich am meisten liebe», sagte er, «ist meine Frau.» Dann machte er eine Pause. «Und die Person, über die ich mich am meisten ärgere, ist auch meine Frau.» Ich bin mir nicht mehr sicher. Vielleicht hat er sogar «die ich am meisten hasse» gesagt. Diesen Zwiespalt könne nur Nicht nur ich muss Kirche aushalten. Kirche muss auch mich aus- die Liebe aushalten, meinte er. Manchmal sind beide halten. Damals war ich 22 Jahre alt. Der schwarze Talar geborgt Gefühle sogar gleichzeitig da. und viel zu kurz. Neben mir der Mann, der mich gefördert hat Seine Worte haben mir damals Angst gemacht. Weil wie kein Zweiter: Mein Konfirmationspfarrer Wilfried Muthmann. ich mir noch kein realistisches Bild der Liebe machen Bild sy konnte. Oder wollte. Ich war damals frisch verliebt und konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich meine Freundin auch mit anderen Augen sehen Manchmal ärgere ich mich auch über Entscheidungen, könnte. die wir getroffen haben, ich nehme mich da gar nicht Inzwischen habe ich dazu gelernt. Kenne die Liebe aus. Vieles, was ich früher mal vehement verteidigt jetzt besser. Und, ja, ich liebe die Kirche. Ich finde Kir- habe, sehe ich inzwischen mit anderen Augen. Wir che wirklich toll. Überall, wo ich bisher war auf dieser verändern uns. Und Kirche verändert sich auch. Welt, waren schon Christenmenschen vor mir da und Am schlimmsten finde ich das ewige Gejammere. haben eine Kirche gebaut. Ich bin willkommen. Wo Irgendwo ist immer ein Haar in der Suppe. Irgendeinen auch immer ich bin, gehöre ich zu einer Gemeinschaft Grund zur schlechten Laune gibt es immer. Diese Un- von Menschen, die diesem Jesus seinen Gott glauben tergangsstimmung lähmt. Dabei haben wir doch ge- und ihm hinterher vertrauen. rade in unserer grossartigen Landeskirche im Appen- Ich bin in der Kirche gross geworden, habe mich seit zellerland alle Möglichkeiten, neues auszuprobieren. der Konfirmationszeit engagiert. Habe Menschen ge- Sicher. Kirche ist nicht perfekt. Ich bin es auch nicht. troffen, die mich gefördert und gefordert haben. Habe Paulus erinnert mich, dass wir den Schatz in irdenen Leitungserfahrungen gesammelt. Und dann auch mehr Gefässen haben (2. Kor 4, 7). Die Gefässe sind brüchig. und mehr die geistlichen Schätze kennen gelernt, die Der Schatz ist es nicht. Er bleibt Schatz auch ohne Ge- uns anvertraut sind. Ich weiss um die Kraft des Segens. fäss. Kirche ist eines der Gefässe. Und das Gejammere Ich erlebe, wie mich das Abendmahl verändert und mir zersetzt das Gefäss. Das geistliche Gesetz gilt: Worauf hilft, die Zwiespältigkeiten in mir drin zu akzeptieren. ich mich konzentriere, das wird stärker. Ich habe erfahren, dass mich mein Vertrauen nachts Deshalb versuche ich es anders: Ich freue mich über wärmt. Dass mein Glaube mich frei macht. Ich habe das, was uns anvertraut ist. Ich lobe überschwänglich. das Recht, ein anderer zu werden. Und werde die Und wenn ich meine, etwas oder jemanden kritisieren Liebe noch besser kennen lernen. zu müssen, dann direkt und liebevoll. Ohne zu verlet- Kirche hat mich aber auch schon masslos enttäuscht. zen. Ohne Stimmung zu machen. Ich rede nicht über Und verletzt. Vor allem die Funktionäre, die dem Ob- Leute, die nicht da sind. Und ich begrenze das Suhlen dachlosen aus Nazareth in Anzug und Krawatte folgen. in der eigenen Befindlichkeit. Sei’s drum. Niemand ist perfekt. Sie kennen die Ge- Ich liebe Kirche. Und Sie? schichte vom Splitter und vom Balken. Lars Syring 11 MAGNET Nr.1/2020
Thema Gastgeberin Kirche Mit der Umsetzung des Diakonie-Konzeptes von Veränderungen nutzen 2017 machen wir uns gemeinsam auf den Weg, uns Die diakonische Aufbauarbeit entwickelt sich mit dem stärker miteinander zu vernetzen und unsere Erfah- «Diakonie-Netz ARAI», den diakonischen Ansprech- rungen vermehrt zu teilen. partnern unserer Kirchgemeinden. Es bildet die Basis unseres Netzwerkes, es ist der Boden, auf dem der di- Konzepte sind teure Papiere für die Schublade. Das akonische Garten gedeihen soll. Nichts wird einfach so stimmt in vielen Fällen. Wir möchten es nicht so hal- eingeführt; alles, was geschieht, passiert in Absprache ten. Deshalb hat sich eine Arbeitsgruppe intensiv mit mit den Kirchgemeinden. Keine Gemeinde steht unter der Umsetzung beschäftigt und sich für die Beschaf- dem Druck, unbedingt etwas tun zu müssen. Gegen- fung von finanziellen Mitteln eingesetzt. Uns ist ein wärtig laufen einige Veränderungen in den Strukturen Zeitfenster von 3 Jahren geöffnet worden. Wir möchten und der Zusammenarbeit der Gemeinden. Diese Verän- es nützen für einen möglichst positiven Schritt der Lan- derungen sind die Folge der Entwicklung der vergange- deskirche in Zeiten der Veränderung. nen Jahre. Sie müssen geschehen, damit die einzelnen Mit der Einstellung von Heinz Mauch-Züger durch Gemeinden eine Zukunft haben. Dahin gehört auch den Kirchenrat Mitte September 2019 hat dieser Ja ge- das Diakonie-Konzept. Es lässt auf strukturelle Anpas- sagt zu Schritten der Umsetzung des Konzeptes. Dieses sungen inhaltlich Anpassungen folgen. Das ist nur in Ja ist ein Nein zur Schubladisierung. Es ist ein Ja zu der gemeinsamen Zusammenarbeit möglich. Gefordert gemeinsamen Möglichkeiten als Kirchgemeinden und sind alle, die sich in der Kirche engagieren. Der Kir- als Kantonalkirche. chenrat ist überzeugt, dass auch inhaltlich gute Verän- derungen möglich sind und dass die typischen Gräben Umsetzungsziele unserer kirchlichen Landschaft genau so beharrlich Ziel eins: Die diakonische Arbeit unseres Kantons soll überwunden werden, wie seit alter Zeit die topografi- ein Gesicht, eine Identität erhalten. Unsere diakoni- schen. schen Mitarbeiter sollen gestärkt, unterstützt und ihr Iris Bruderer, Kirchenrätin umfangreiches Arbeitsfeld wahrgenommen werden. Eine diakonische Web-Plattform, verknüpft mit diako- nie.ch /Diakonie Schweiz, soll entstehen, um Informa- tionen auszutauschen. Nicht für die Schublade gedacht! Bild: hmz Ziel zwei: Die Freiwilligenarbeit unseres Kantons wird aktualisiert und ausgebaut. Freiwillige sollen in ihrer Tätigkeit geschult und begleitet werden. Die Öffent- lichkeit soll ihre Bedeutung und ihre Leistung anerken- nen und sie in ihrer Tätigkeit unterstützen. Unsere Kirche ist auf Freiwillige angewiesen, ihr Zusammen- halt soll gefördert werden. Ziel drei: Zwei regionale diakonische Pilot-Projekte, aus der Praxis für die Praxis, sollen die regionale Zu- sammenarbeit fördern und die Gemeinschaft stärken. Wir träumen von einer Beteiligungskirche, nicht von einer Angebotskirche. Ziel vier: Wir fördern die Koordination der diakoni- schen Tätigkeiten in unserer Landeskirche, wir tau- schen diakonische Projekte innerhalb der Kirchge- meinden aus. Wir pflegen den Kontakt zu Behörden und politischen Gremien. Wir verstehen uns als Brü- ckenbauer zwischen sozialen Gruppen, auch über die Kantonsgrenze hinaus. Ziel fünf: Die Diakonie-Stelle soll von einer Diakonie- Kommission begleitet und unterstützt werden. MAGNET Nr.1/2020 12
Weitblick n! Vormerke tesdienst und ein Konzert mit Andrew ate! Save the D Bond, der zu den erfolgreichsten Kin- derliedermachern und Musikern der Schweiz zählt. Die Festküche wird die Gäste kulinarisch verwöhnen. Ein zehnköpfiges Organisationsko- mitee mit Vertreterinnen und Vertre- tern aller beteiligen Kirchen ist seit ei- nem halben Jahr an der Arbeit und freut sich, dass der Appenzeller Kirchentag 2020 auf ein grosses Interesse stösst. Es ist dies der dritte ökumenische Appen- Unter dem Motto himmelwiit findet am dem Kirchentag wollen die beteiligten zeller Kirchentag nach Rehetobel Samstag, 16. Mai 2020, in Herisau der Kirchen ein Zeichen setzen und einla- (2013) und Appenzell (2002), der Men- Appenzeller Kirchentag 2020 statt. Er den, den Glauben zu teilen und mitein- schen im Appenzellerland über die wird von den reformierten und den ka- ander zu feiern. Konfessionsgrenzen hinaus zusammen- tholischen Kirchen beider Appenzell Programmschwerpunkte des Kir- bringt. zusammen mit den lokalen Freikirchen, chentags bilden Workshops sowohl für Für Informationen: Heidi Steffen, OK-Präsi- der Evangelisch-methodistischen Kir- Erwachsene als auch für Kinder, ein Po- dentin Appenzeller Kirchentag 2020, Tel. che und der Vineyard, veranstaltet. Mit diumsgespräch, ein Generationen-Got- 079 312 23 35, heidi.steffen@ref-herisau.ch Vorbereitung Weltgebetstag 2020 Die Weltgebetstagsliturgie für 2020 Ausrichtung des Weltgebetstages in Ih- 390 04 48; myrta.fischer@sunrise.ch. kommt von den Frauen aus Zimbabwe, rer Gemeinde gut informiert sind. Genaue Tagungsinformationen erhalten einem Binnenland im südöstlichen Teil Sie sind herzlich willkommen, mit uns Sie nach erfolgter Anmeldung. Die Kos- Afrikas. Wir hören von einer beeindru- vom regionalen Vorbereitungsteam ei- ten betragen einschliesslich Mittages- ckenden Landschaft mit Reservaten nen Tag mit vielen Anregungen, guten sen Fr. 70.–. (werden von den Kirch und Safarigebieten. Am besten bekannt Gesprächen und einer Abschlussfeier gemeinden übernommen!) Anmelde- sind wohl die Victoriafälle, ein nach der aktuellen WGT-Liturgie zu schluss ist der 8. Januar 2020. UNESCO-Weltnaturerbe. verbringen. Egal ob Sie in einer Vorbe- Die ehemalige britische Kolonie reitungsgruppe mitarbeiten oder ein- Alternative Südrhodesien wurde 1980 als Republik fach so mit dabei sein möchten, wir Die Alternativveranstaltung findet in Zimbabwe unabhängig. Vom guten Ruf freuen uns auf Sie! Lichtensteig am Samstag, 18. Januar als Musterland Afrikas ist nicht mehr 2020 von 9.00 bis ca. 16.00 Uhr im viel übrig, und auch infolge des Klima- Vorbereitungstreffen Saal des Untergeschosses in der evange- wandels verändern sich der Lebens- Zur Vorbereitung treffen wir uns in lischen Kirche statt. Anmeldung und raum und die Lebensumstände nicht St.Gallen wahlweise am Mittwoch, 22. Auskunft: Barbara Bretscher, Auli, zum Besseren. oder Donnerstag, 23. Januar 2020 von 9622 Krinau, Tel. 071 988 15 77; Die Frauen aus Zimbabwe haben ei- 9.00 bis 17.00 Uhr im reformierten b_bretscher@hotmail.com ne sehr eindrückliche Liturgie vorberei- Kirchgemeindehaus Lachen. Anmel- Die Kosten betragen einschliesslich tet. Sie erzählen von ihrem Leben, ih- dung und Auskunft: Myrta Fischer, Mittagessen Fr. 70.–. Anmeldeschluss ren Freuden und grossen Sorgen, poli- Oberstr. 281a, 9014 St.Gallen, Tel. 071 ist der 10. Januar 2020. tisch wie wirtschaftlich. Mit dem Titel der Liturgie zeigen sie uns, dass sie nicht resignieren, sondern voller Hoff- nung und Mut im Glauben «aufstehen, ihre Matte nehmen und ihren Weg ge- hen» wollen. Wir freuen uns, diese star- ken Gedanken der Frauen von Zimbab- we aufzunehmen und allen Menschen rund um den Erdball weiterzugeben. An unseren Vorbereitungstagungen zum Weltgebetstag erfahren Sie noch mehr über dieses beeindruckende Land und seine Bewohnerinnen. Auch mit der diesjährigen Liturgie, dem Bibeltext aus dem Johannesevangelium, den Bit- ten, Fürbitten und Liedern werden wir Sie bekanntmachen, so dass Sie zur 13 MAGNET Nr.1/2020
Weitblick Waldenserkirche unter neuer Leitung Neue Herausforderungen anpacken Eing. Ende August 2019 wurde Ales- ten evangelische Christen aus Immigra- sandra Trotta zur neuen Moderatora tionsländern dazu. Sie werden als (Kirchenratspräsidentin) gewählt. gleichwertige Mitglieder verstanden, Zum zweiten Mal übernahm damit die die Gemeinden bereichern. Ge- eine Frau die Leitung der Waldenser- meinsam gilt es herauszufinden, was kirche. Alessandra Trotta stammt aus Kirche-Sein unter diesen Voraussetzun- Sizilien, ist gelernte Juristin und gen bedeutet. Wie kann das traditionel- wurde zur Diakonin ordiniert. Sie ist le, fast militante «Waldenser-Sein» den Mitglied der assoziierten Methodis- neuen Umständen angepasst werden? tenkirche. Einige Jahre lang war sie Dieser Prozess verändert auch die Spiri- Direktorin des Sozialwerkes La Noce tualität der traditionellen Mitglieder. in Palermo. Schwerpunkte in den nächsten Jahren Die Waldenserkirche könnte für die eu- ropäischen reformierten Kirchen eine In den nächsten Jahren wird die kirch- «Laborfunktion» haben. Denn die Her- liche Seite der Waldenserkirche mehr ausforderungen an eine Minderheits- in den Fokus gerückt, damit neue Pers- kirche sind überall ähnlich. Die starke pektiven für das «Kirche sein in einer Präsenz in der Öffentlichkeit und die veränderten Gesellschaft» entwickelt Interaktion mit der Gesellschaft als Alessandra Trotta, die neue «Moderatora» werden können. Die neue Moderatora wichtiger Teil der Waldenserkirche der Waldenserkirche. Bild:zVg ist guten Mutes und will die grossen sind vorbildlich. Herausforderungen mit Vertrauen und Der eindrückliche diakonische Ein- lien weit verbreitete homophobe, frem- Engagement angehen, zusammen mit satz der Waldenserkirche wird zwar zu denfeindliche und rassistische Haltung. vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- einem grossen Teil aus dem «Otto per Dafür vernetzt sie sich mit anderen Be- tern ihrer Kirche. mille»-Geld finanziert. Auch bei diesen wegungen, die sich für eine offene Ge- Projekten wird aber «kirchliches» Geld sellschaft einsetzen. Sie hat sich zur benötigt. Zudem ist und bleibt das Aufgabe gesetzt, vor Ort präsent, sicht- kirchliche Leben unabdingbare Voraus- setzung für den Einsatz für die Letzten und hörbar zu sein. Allerdings sind die einzelnen Kirchgemeinden oft klein und Die Waldenser der Gesellschaft. Dieser Teil der Kirche haben nicht immer ausreichend Res- Die Waldenser sind eine protestantische Kirche, braucht weiterhin finanzielle Unter- sourcen zur Erfüllung dieses Auftrages. die gegenwärtig noch in Italien und einigen Län- stützung. Eine zusätzliche Schwierigkeit ist dern Südamerikas verbreitet ist. Ursprünglich als Die neugewählte Kirchenratspräsi- die sich verändernde Zusammenset- Gemeinschaft religiöser Laien Ende des 12. Jahr- dentin äusserte sich auch zu den zu- zung der Gemeinden: Die traditionel- hunderts durch den Lyoner Kaufmann Petrus künftigen Schwerpunktsfeldern der len jahrhundertealten Zugehörigkeiten Valdes in Südfrankreich gegründet, wurden Waldenserkirche. Diese weisen viele von Familien zur Waldenserkirche lö- die apostolischen Armutpredigenden «Walden- Ähnlichkeiten mit Aktivitäten der sen sich auf. Dafür stossen zunehmend ser», auch Arme von Lyon genannt, während schweizerischen Landeskirchen auf. neue Mitglieder, die einen langen Weg des Mittelalters von der katholischen Kirche aus- der spirituellen Suche zurückgelegt ha- geschlossen und als Häretiker durch die Inquisiti- Verkündigung und Diakonie ben, zu den Kirchgemeinden, die sie on verfolgt. Zum kirchlichen Leben gehören Ver- gastfreundlich aufnehmen. Die Bezeichnung Waldenser wurde im Piemont, kündigung und Diakonie. Das grosse Die Bedürfnisse dieser neuen Mit- in Savoyen, Frankreich, in der Schweiz und in den diakonische Wirken funktioniert sehr glieder sind unterschiedlich. Die einen Niederlanden oft zum Synonym nicht nur für Hä- gut und ist breit abgestützt durch die suchen mit protestantischem Hinter- retiker schlechthin, sondern von ihren Gegnern Beiträge aus der Mandatssteuer «Otto grund eine evangelische Kirche, andere mit Hexen, Zauberern, Magiern und Astrologen in per mille». Die Ausstrahlung gegen aus kommen mit schmerzlichen Erfahrun- Teufelsdiensten gleichgedeutet. sen in die Gesellschaft ist gross und gen aus evangelischen und katholi- Weltweit zählt die Evangelische Waldenserkir- wird wahrgenommen. Im kirchlichen schen Kirchen zu den Waldensern und che heute etwa 98 000 Mitglieder, davon allein Gemeindeleben gibt es grosse Heraus- suchen eine Möglichkeit, den Glauben 47 500 in Italien, wo sie seit 1979 mit den Metho- forderungen, wie zum Beispiel die authentisch zu leben. Deshalb stellt disten eine gemeinsame Kirche bilden, die Chiesa Überalterung. Veränderungen sind im sich bereits unter den italienischen Ge- Evangelica Valdese (englisch Union of the Metho- Gang, die zu Spannungen führen und meindegliedern die Frage, wie man ge- dist and Waldensian Churches). angegangen werden müssen. meinsam Kirche sein kann. Quelle: Wikipedia. Weitere Informationen: Die Waldenserkirche versteht sich Als neue Herausforderung kommen www.waldenser.ch als Gegenstimme gegen die auch in Ita- zu diesen italienischen Gemeinschaf- MAGNET Nr.1/2020 14
Weitblick Sorgende Gemeinschaften Das Potenzial der Diakonie Die sorgende Gemeinschaft ist eine heitswissenschaftler an der Universität Haltung, die auf gegenseitigem Ver- Graz. Der Staat habe die Aufgabe, die trauen basiert: Mehr als 100 diako- Grundversorgung sicherzustellen. Dies nisch Engagierte und Interessierte könnten sorgende Gemeinschaften fanden sich am 29. November in Biel nicht ersetzen. Sie hingegen schafften zu einer Fachtagung ein. Sie themati- Vertrauen und sozialen Zusammenhalt, sierte Potenziale von Diakonie und achteten die Würde jeder Person und Kirche für sorgende Gemeinschaften. ermöglichten es dem Leben, sich in al- leitner, sieht also voraus, nimmt an der len Dimensionen zu entfalten. All dies Wenn die Grenzen der sozialstaatlichen Sorge und dem Leiden anderer teil und könnten der Staat oder auch der Markt Leistungen sichtbar und solidarische übernimmt Verantwortung für sich und nur sehr schwer gewährleisten. Strukturen in der Gesellschaft schwä- andere. Stabil werde ein Sorgegeflecht Im Anschluss an die Referate tausch- cher werden, steigt die Bedeutung nah- dabei durch die Zutaten, durch einen ten sich die Teilnehmenden jeweils in räumlicher Unterstützungsnetzwerke kreativen Prozess des Hörens, der ge- Zirkeln nach Lebensphasen aus, um das wie etwa der «Sorgenden Gemeinschaf- meinsamen Kultur und des gemeinsa- Thema der sorgenden Gemeinschaften ten», englisch «Caring Communi- men Wissens und Erfahrens. aus persönlicher wie professioneller ties». Unter diesem Ansatz entstehen in Wegleitner verwies auf die politi- Perspektive zu diskutieren. Die sorgen- vielen Städten, Gemeinden und Quar- sche Dimension des Nachdenkens über den Gemeinschaften sind kein Konzept, tieren Bewegungen mit dem Ziel einer Care. Heute könne klar zwischen be- sondern eine Haltung, so Beat Maurer, neuen Sorgekultur im Nahraum, in der zahlter und unbezahlter Care-Arbeit Präsident der Konferenz Diakonie das Wohl aller im Zentrum steht, in der unterschieden werden – und damit zwi- Schweiz, zum Abschluss der Tagung. man füreinander sorgt, einander um- schen der Sicherheit, von Lohn und So- zialleistungen zu profitiere und der Un- Mehr Informationen: sorgt und gemeinsam Verantwortung Ergänzend zur Tagung hat die Diakonie trägt. Die nationale Fachtagung «Ge- sicherheit, dies nicht zu haben. Ist die Schweiz eine Themenseite zu Sorgenden meinsam Sorge tragen» der Diakonie Verantwortung fair verteilt? Lassen sich Gemeinschaften unter www.diakonie.ch/ Schweiz machte am 29. November im die Rahmenbedingungen ändern und sorgende-gemeinschaften freigeschaltet. Volkshaus Biel den Ansatz der «Sorgen- das Gemeinschaftsleben anpassen? Dort befinden sich grundlegende Überlegun- den Gemeinschaften» zum Thema und Zu Quellen der Sorgen und deren gen zum Thema. Die Seite wird laufend er- fragte danach, wie sich diakonisch En- politische Dimensionen sprach Patrick gänzt und dient als Informationspool für Sor- gagierte und Kirchgemeinden darin Schluchter, Philosoph und Gesund- gende Gemeinschaften/Caring Communities. verantwortlich einbringen können. Dazu entfaltete die emeritierte Theologieprofessorin der Universität Neuenburg, Lytta Basset, Gedanken Ursula Steinhauser folgt auf Margrit Bürer zum Mitgefühl aus evangelisch-refor- Archäologie leitete sie erfolgreich das mierter Perspektive, von dem wir uns Seemuseum Kreuzlingen und hat sich aus der Distanz erfassen liessen, so Bas- berufsbegleitend in den Bereichen set. Aus der Distanz zu einer anderen Kommunikation, Sponsoring und Lea- Person können wir wahrnehmen, was dership weitergebildet. Sie verfügt über vorher nicht möglich war, um so einan- profunde Kenntnisse im projektbezoge- der im Mitgefühl näher zu kommen. nen Voranbringen kultureller Themen, Wer sich auf diese Weise sorgt, wendet ebenso über methodisch-didaktische sich zumindest zeitweise vom eigenen Fähigkeiten und Führungskompeten- Weg ab und erlebt trotz der Sorge, vom zen. Unbekannten vereinnahmt zu werden, Ursula Steinhauser wird die Stelle grosse Nähe. am 1. Juli 2020 antreten; auf diesen Klaus Wegleitner, Soziologe und Sor- AR – Die Trognerin Ursula Steinhauser Zeitpunkt hin wird Margrit Bürer, die geforscher an der Universität Graz, be- wird neue Leiterin des Ausserrhoder das Amt für Kultur während fast 14 Jah- trachtete im Anschluss die Entwicklung Amtes für Kultur. Die langjährige Kul- ren leitete, pensioniert. Eine Würdi- sorgender Gemeinschaften aus soziolo- turamtsleiterin Margrit Bürer wird auf gung von Margrit Bürer und ihrer vie- gischer Perspektive. «Care» definierte den 30. Juni 2020 hin pensioniert. len nachhaltigen und identitätsstiften- der Soziologieprofessor gemäss dem Ursula Steinhauser überzeugte im den Projekte für die Kultur in Appenzell deutschen Juristen und Theologen Tho- Auswahlverfahren sowohl als starke Ausserrhoden sowie ihres Engagements mas Klie als vorausschauende, anteil- und authentische Persönlichkeit wie in überregionalen und nationalen Gre- nehmende Verantwortungsübernahme auch durch ihre fundierten Fachkennt- mien wird im Rahmen ihrer Verab- für sich und andere. Fürsorge, so Weg- nisse. Seit Abschluss des Studiums der schiedung Mitte 2020 erfolgen. 15 MAGNET Nr.1/2020
Weitblick Kalender der Religionen 2020 In vielen Religionen gilt der Körper als ligiöse und zivile Feiertage – ein ideales ein wichtiger Träger der Beziehung der Werkzeug für die Zusammenarbeit in re- Gläubigen zum Göttlichen oder zum ligiös gemischten Teams und Klassen. Absoluten, nach dem sie streben. Um diese Beziehung zu stärken, kennen die Was ist der Kalender der Religionen? meisten Religionen bestimmte Körper- Der Kalender der Religionen listet die stellungen und symbolische Gesten – Daten der wichtigsten Feste und Feier- dies zum Beispiel im Gebet. tage auf und unterstützt so die Zusam- Eine wichtige Rolle spielen aber oft menarbeit in religiös gemischten Teams. auch Gesang und Tanz. Manche Traditi- Von Éditions Agora und IRAS COTIS on sieht im Körper aber auch ein Hin- gemeinsam erstellt, reicht er jeweils dernis. Dann gilt es, ihn durch verschie- von September bis Dezember des Folge- dene Formen der Askese zu beherr- jahres und eignet sich somit ideal als schen: Essensvorschriften, Fasten, spiri- Instrument für Schulen. Jährlich behan- Informationen und Bestellungen: www.kalender-der-religionen.ch tuelle Übungen, Meditation. Mit sol- delt er ein Thema und beleuchtet es www.iras-cotis.ch chen Praktiken soll der Körper gestützt monatlich im Hinblick auf unterschied- Telefon 078 819 93 67 und sein Band zum Göttlichen gesichert liche religiöse Traditionen. rafaela.estermann@iras-cotis.ch werden. In verschiedenen Traditionen wird der Körper für Riten bemalt oder Zusätzliches Angebot sogar mit Tätowierungen oder Hautrit- zungen versehen. So ist denn die Ritua- Ein persönlicher Code auf dem Kalen- der ermöglicht den Zugang zum ge- Unterwegs in Israel lisierung des menschlichen Körpers schützten Bereich auf der Websi- 12. bis 22. Oktober 2020 trotz unterschiedlicher Ausdrucksfor- te www.kalender-der-religionen.ch – Mit Ihnen nach Israel zu reisen, ist für men ein universales Phänomen. für Computer, Tablet und Smartphone. mich etwas Besonderes. Nach Israel, Der Kalender der Religionen themati- Dort findet sich eine grosse Auswahl an das damals Kanaan hiess, hat Er die Vä- siert den «Körper als Spiegel des Heili- Begleitmaterial zu Themen wie religiö- ter gebracht, Abraham, Isaak und Jakob. gen» in grossformatigen Bildern und se Feiertage, sakrale Architektur, Pil- In Israel haben die Propheten geredet. kurzen Begleittexten. Während 16 Mo- gern, sakrale Objekte sowie Gebet und In diesem Land ist unser Herr, Jesus naten (September 2019 bis Dezember Meditation. Eine Chance für Lehrperso- Christus, geboren, der Heiland der 2020) zeigen Monatsraster rund 150 re- nen für die Erarbeitung der Themen. Welt, und hat sein Leben im Gehorsam zum Vater im Himmel gelebt. Dort ist Kommunikation des Evangeliums Er auch gestorben, von den Toten aufer- standen und von dort in den Himmel gefahren. Aus Israel kommt zu grossen Was heißt «Kommunikation Das Evangelium ist weder Besitz Teilen die Bibel. Diese Landschaft zu des Evangeliums»? noch zeitloser Container sehen, zu spüren und zu erleben, Leu- Die Formel «Kommunikation des Evan- Wechselseitige Kommunikation heißt: ten aus Seinem Volk zu begegnen und geliums» geht auf Ernst Lange zurück, das Evangelium ist kein Besitz. Wir ha- dort mit Ihnen aus der Bibel zu lesen, der damit die dialogische Struktur von ben es nicht, sondern es ergreift uns, darauf freue ich mich. Botschaft und Hörenden, von Bibel und immer wieder neu. Es ist kein Vor- Pfr. Florian Sonderegger Kultur sowie von christlicher Gemein- sprung: Nur wer es mit anderen teilt, de und Gesellschaft entfaltete. Nach entdeckt es neu. Und Evangelium ist Infos, Reiseprogramm und Anmeldung: online via abstravel.ch/ Christian Grethlein kommunizierte Je- kein zeitloser Container. Es verschafft anmeldung-sonderegger sus das Reich Gottes durch Lehren und sich in jeder Kultur und Generation, in oder an ABS Travel, Oberdorfstrasse 1, Lernen, gemeinschaftliches Feiern so- jedem Volk oder Milieu sein Gehör. 9213 Hauptwil, Telefon 071 422 45 45 wie Helfen. Das Evangelium nimmt Platz in Kirche und Diakonie Aus dieser Selbstdurchsetzung des Evangeliums lebt die Gemeinde Jesu: Sie wirkt als Zeichen der Zukunft Got- tes. An ihr entsteht die Diakonie: Sie verschreibt sich in Anwaltschaft der Ge- rechtigkeit Gottes. In ihr strahlt die Freude des Glaubens auf: Sie will Got- tes Lob in der Schöpfung ausbreiten. Quelle: midi, evangelische Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und dia- konische Profilbildung. Infos: www.mi-di.de MAGNET Nr.1/2020 16
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