Sommerausgabe - isso - Stadtmagazin für Gelsenkirchen
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#16 August / September 2016 eiterze ic h nen Zum mitnehmen! ! ew t Bit Sommerausgabe Stadtmagazin für Gelsenkirchen Opernchor des MiR . Stolpersteine . Im Gespräch: Franz Lehner . Brennnesselbutter . u.v.m.
am Anfang. Aus der Lese-Szene Die Gelsenkirchener Stadtbibliothek in Zahlen (im Jahr 2015) 1.209.532 251.084 Entleihungen Medien 372.751 695.968 Besucher/innen virtuelle Besucher (+103% zu 2014) 777 Veranstaltungen 173 für Erwachsene, 2988 336 für Kinder, Neuanmeldungen 268 Bibliotheksführungen Zentralbibliothek Online-Medien MedienMobil Medien: 3.667 Medien: 13.405 Besucher: 12.262 Medien: 112.466 Besucher: 5.522 Besucher: 130.109 Stadtteilbibliothek Buer Medien: 66.121 Besucher: 70.177 Kinderbibliothek Medien: 22.291 Stadtteilbibliothek Horst Stadtteilbibliothek Erle Medien: 17.217 Besucher: 46.144 Medien: 15.917 Besucher: 29.195 Besucher: 26.309 www.stadtbibliothek.gelsenkirchen.de
viel drin. 12 18 24 Dynamisches Kollektiv Wir sind das Ruhrgebiet Die Omma ihre Tüddeligkeit Der Opernchor des Musiktheaters im Revier im Gespräch mit Franz Lehner Daan Vermeulen über neuro-kognitiv veränderte Menschen 5 isso gemischt. 15 Abendmusik... 29 Aktuelles und Interessantes ... mit Leichenschmaus Über Aberglaube in Russland 8 Hier wohnte... 16 Ewiges Thema?? 32 isso lesenswert. Verlegung neuer Stolpersteine für Opfer der NS-Zeit Die Bundesstraße 224 und das Lesetipps für den Sommer Verkehrsproblem im Mittleren Ruhrgebiet 9 Wussten Sie schon... 21 Vom Lagerfeuer auf die Straße 34 Back To The Roots Zur Geschichte des Stadthafens Brennesseln Erzählfest in der Hauptstraße 10 Hürde genommen 22 Gewinnspiel 35 isso lecker. Stadt überzeugte mit Konzept der„Lernenden Stadt“ Mit der isso. gewinnen und erleben Kräftiges Sauerteigbrot aus Roggenvollkornmehl 11 Die Profis hinter den Kulissen 26 Wenn Götter spielen... 36 KulturKalender Ausbildung zum Veranstaltungstechniker ...hält das Leben in Deutschland an Was ist los in GE? Wo steppt der Bär? 42 Piacere maligno! Lothar Lange beim Lieblings-Italiener In eigener Sache Auf der Spur des Issogo! S ind auch Sie vom Fieber erfasst? Äußert es sich in nervösen Fingerbewegungen und unablässigem Handyblick, sind Sie neuerdings deutlich öfter zu Fuß unterwegs, reißen Sie regelrecht Blumenkübel herum. Da war doch gerade was... (!) Verzeihung, ich habe sie nicht gesehen. Tut mir leid um die Sahnetorte... Jetzt aber... Huch, stand hier schon immer eine Straßenbahn??? Kilometer herunter, unterteilen auch Sie Gelsenkirchen neuerdings Um es kurz zu machen: Unser Ausflug in die Gelsenkirchener in Pokéstops und Arenen, nennen Sie inzwischen mehr „Haustiere“ City förderte anfangs nur normale Taubsis, Mauzis, Ratzfatzs Ihr Eigen als der alte Zoohändler Ruhe damals im Bismarck-Hain? und Schlurpsis zutage, bis dann ganz plötzlich ... ES auftauchte, Dann steht die Diagnose fest: Pokémon Go! das vielleicht seltenste unter den legendären Pokémons: das Nein, wir von der isso.-Redaktion sind den bunten Virtuell-Tier- Issogo! Es verfügt über sagenhafte Fähigkeiten wie Adlerauge, chen aus Japan nicht verfallen, denn ganz ehrlich, als Magazinma- Geheimpower, Konzentrator, Wortgewalt, Rechtschreibung, chern fehlt uns die Zeit. Und in Gelsenkirchen kommen wir auch so Nachtschicht und Wülfing! Es setzt sich mühelos gegen deutlich genug herum. Kein Grund also, mit gesenktem Kopf durch Straßen stärkere Gegner durch und entwickelt sich bei guter Pflege zu... und Felder zu „zomben“, sprich: völlig abwesend vor Bäume und A und O bei diesem Spiel: zugreifen und nicht blöde sein. Laternenpfähle zu rennen. Aber da war es auch schon wieder weg. Entschwunden mit Doch andererseits... man muss doch alles mal probiert haben und einem Laut wie ungefähr „Ätsch“. Nicht mehr aufzufinden. wissen, wie‘s geht. Also Spiel runtergeladen und losgelegt. Auf in Nur ein Handy-Foto blieb als Beweis. Tja. Da helfen keine die City! Mal sehen. Hm, noch nichts in Sicht. Achtung, Hundehau- Flüche (und seien es auch japanische). Das Issogo bleibt wild fen. Also, hier in der Nähe müsste doch... Nein, lieber außen um den und ungezähmt. Und das ist vielleicht auch das Beste. Stadtmagazin für Gelsenkirchen isso. Verlag Redaktionsleitung: Mit Beiträgen von: Druck: © isso. Stadtmagazin für Gelsenkirchen, August / September 2016 Denise Klein, v.i.S.d.P. Dirk Pfarr, Martin Arnold, Proudly printed im Pott by Redaktionsschluss der Folge-Ausgabe: 18. September 2016. Veröffentlichun- Haldenstraße 80 Michael Voregger, Ursula Stratmann, Druckerei und Verlag Peter Pomp GmbH gen, die nicht ausdrücklich als Stellungnahme der isso.-Redaktion gekenn- 45881 Gelsenkirchen Redaktion: Roman Dell, Lothar Lange Bottrop, www.pomp.de zeichnet sind, stellen die persönliche Meinung des Verfassers dar. Für unver- Tel: 0209 / 49 79 68 Astrid Becker, Tobias Hauswurz, langt eingesandte Manuskripte kann keine Haftung übernommen werden. Jesse Krauß, Ralf Nattermann Glücksfee: Willi Sternenkleid Die Pomp GmbH ist lizensiert für info@isso-online.de Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Es gilt klimaneutrales Drucken. www.isso-online.de Gestaltung: Jesse Krauß Anzeigenredaktion: die Anzeigenpreisliste Nr. 1, Dezember 2014. Gerichtsstand ist Gelsenkirchen. fb.com/issomagazin Titelbild: Jesse Krauß anzeigen@isso-online.de Auflage: 10.000 Stck. Wir folgen der neuen alten Rechtschreibung. Freiheit statt Freizeit.
gemischt. Botschaft der Liebe in liebloser Zeit Neue Philharmonie Westfalen läutet Jubiläumsspielzeit ein Die Emscher-Lippe-Halle – kürzlich noch Unterbringungsort für Geflüchtete, nun bald wieder Konzerthaus. Foto: ujesko von Tobias Hauswurz rung von Mahler 8. im Jahre 1910 beteiligt ich direkt dieses Stück im Kopf“, so Baumann gewesen sein, weshalb die Sinfonie auch den weiter. Zwar ist das Orchester der Neuen Beinamen „Sinfonie der Tausend“ trägt. Philharmonie Westfalen groß genug, ganz S eit September 2015 diente die 1000 werden es am 12. September nicht alleine geht es dann aber doch nicht: Der Emscher-Lippe-Halle als Notunterkunft sein, die Zahlen sind trotzdem beeindruckend: Universitätschor Essen und der Musikverein für Flüchtlinge, mittlerweile ist sie Die Bühne mehr als 600 Quadratmeter groß, Unna werden zusammen mit dem Opernchor wieder leer. Zur Wiedereröffnung geht am 12. ein 100-köpfiges Orchester, 300 Sängerin- des Musiktheaters auf der Bühne stehen. September eine der größten Produktionen nen und Sänger im Chor, acht Solostimmen über die Bühne, die die Halle je gesehen hat: – damit es trotzdem noch genug Platz für Mahler selbst bezeichnete seine Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 8. eine Orgel, fünf Harfen und ein Arsenal von Nr. 8 übrigens als „Botschaft der „Wenn man sich vorstellt, dass hier durch Schlaginstrumenten gibt, wird eine Tribüne Liebe in liebloser Zeit“. die Emscher-Lippe-Halle vor kurzem noch zusätzlich als Bühne genutzt. Irgendwie passend. Schicksale durchgegangen sind, ist das schon etwas Besonderes“, sagt Rasmus Baumann, „Es ist eigentlich das größte Stück, das man Generalmusikdirektor der Neuen Philharmo- aufführen kann“, sagt Baumann. Nicht jedes Montag, 12. September 2016, 19:30 Uhr nie Westfalen. Nicht nur die Spielstätte, auch Orchester könne das stemmen, weshalb die Emscher-Lippe-Halle, Adenauerallee 118, 45891 GE-Erle das Stück ist besonders: Über 1000 Mitwir- Sinfonie nur etwa alle 30 Jahre aufgeführt Dauer circa 90 min. Karten zwischen 11 und 32 Euro. kende sollen bei der gigantischen Urauffüh- werde. „Für unsere Jubiläumsspielzeit hatte www.emschertainment.de Global Art Paper 2 Freitag, 12. August, 19 Uhr, öffentliche Vernissage in der Kutschenwerkstatt D as Konzept, das der Künstler und Ausstel- lungsmacher Helmut Warnke erstmals 2012 im damaligen Kunstraum „inBEtween“ umsetzte, Und auch die Iranerin Ahang Nakhaei ist wieder mit von der Partie. Sie hatte zur ersten Global Art Paper 2012 nicht den Postweg gewählt, sondern ist einfach und zugleich innovativ: Über Facebook war persönlich aus dem Iran angereist – und ist bis nimmt er Kontakt zu Künstlern in aller Welt auf und heute geblieben. bittet sie um Einsendung von Arbeiten auf Papier. Die Vernissage an der Bochumer Straße 130 Mitte August nun startet die zweite Ausgabe wird gestaltet durch eine Performance von Markus der „Mail-in-Kunstausstellung“, diesmal in der Kut- Kiefer und David Sarazhynski (Violine). Der Ver- schenwerkstatt im Kreativ-Quartier Ückendorf. Die anstalter lädt dazu herzlich ein. Anschließend ist Arbeiten der teilnehmenden Künstler kommen die Ausstellung donnerstags und sonntags von 15 aus allen Himmelsrichtungen: Israel, Japan, Spa- bis 18 Uhr geöffnet. Unterstützt wird das Projekt nien, Schweiz, Marokko, Syrien, Polen, England... durch das Referat Kultur der Stadt Gelsenkirchen. 5
gemischt. Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen... Verdis Nabucco unter freiem Himmel Wer wird W Migradonna 2016? er kennt ihn nicht? Den Gefangenenchor aus der Verdi-Oper „Nabucco“. Die Geschichte um Liebe, Verrat und all ihre unheiligen Gefühlsschwestern aus dem Alten Testament wird nun unter dem freien Gelsenkirchener Himmel von 100 Ensemblemitgliedern der Festspiel- oper Prag im Schloss Horst aufgeführt. Am 13. August können sich dann die Freundinnen und Freunde der italienischen Oper die Geschichte der Einnahme D ie „Migradonna“ ist der Preis für starke Frauen im Ehren- amt, die sich für ein friedliches Zusammenleben enga- gieren und Brücken zwischen Menschen unterschiedlicher Jerusalems durch den Babylonierkönig Nebukadnezar (Nabucco) ansehen Herkunft schlagen. Sie stehen selten im Rampenlicht, sondern und -hören. „Nabucco“, Verdis erster großer Opernerfolg, machte ihn zu einem sind meist im Hintergrund tätig. Der seit 2008 vergebene international bekannten Komponisten. Die eindringliche Musik und den Ehrenamtspreis „Migradonna“ ehrt diese Frauen, die sich mit patriotischen Beiklang adaptierten die Italiener zur inoffiziellen Nationalhym- hohem persönlichem Einsatz ehrenamtlich in Vereinen, Initiati- ne, verglichen sie doch das Schicksal der Hebräer mit ihrer eigenen damaligen ven, Stiftungen u. ä. in Gelsenkirchen engagieren. politischen Lage. 1842 an der Mailänder Scala uraufgeführt, war „Nabucco“ so Am Freitag, 23. September 2016, wird die „Migradonna“ erfolgreich, dass die Oper im Kulturraum „die flora“ zum inzwischen neunten Male verge- in der darauffolgenden Samstag, 13. August 2016, 20 Uhr ben und ist erstmals auch mit einem kleinen Geldpreis dotiert. Spielzeit 57 Mal wiederholt Doch wer wird die „Migradonna 2016“? Noch bis zum Schloss Horst, Turfstraße 21, 45899 GE-Horst wurde. Mit dem grandio- Kosten: 44 € / 54 € / 59 € 2. September können hierfür Frauen vorgeschlagen werden. sen Triumph von „Nabuc- Inkl. Vorverkaufs- und Systemgebühren. Kennen Sie in Ihrem Umfeld eine „Migradonna“? Alle Infos und co“ begann die große Ära Ermäßigung: Kinder bis einschl. 16 J.: 10 € pro Karte Unterlagen finden Sie im Netz: der Verdi-Opern. www.schloss-horst.de www.migradonna.de © www.luettinghof.de © Hansi Hamsi © C.P.Seibel 9. Bismarcker Rocktage 4. Open-Air-Klassik-Nacht Erstes Sardellenfest 5. bis 7. August: kultur.gebiet CONSOL Fr 19. August: Schloss Lüttinghof Sa 20. August: Wissenschaftspark J ede Menge Musik bei freiem Eintritt an drei Tagen auf zwei Bühnen. Rund 30 regionale und überregionale Acts zeigen, was sie drauf haben: Rock, Pop, Metal, R asmus Baumann und die Neue Philharmonie Westfa- len präsentieren die deutsche Romantik mit Werken von Schubert, Schumann und Carl-Maria von Weber. Dazu I nterkulturelles Sommerfest für Familien, Vereine und Stadt rund um einen kleinen Fisch, der in den Küchen vieler Kulturen zu finden ist: die Sardelle (auch Anchovi, Hardrock, Punk, Blues, aber auch Singer/ Songwriter, gibt‘s erlesene Speisen und Getränke und einen Shuttle- Boquerones oder Hamsi). Besonderer Programmpunkt: Unplugged-Acts, eine Trommelgruppe und sogar ein Chor. service inklusive. Das kost‘ natürlich ‘n paar Ocken. Die Geschichte der kleinen Sardelle Hansi Hamsi! www.ikm-ge.de/bismarcker-rocktage www.luettinghof.de www.wipage.de 6
gemischt. Momentan arbeite ich an mei- nem Studium Deutsch als Fremd- sprache, genauer an Methodik und Didaktik der Sprachvermittlung, sowie an der Unterrichtsvorberei- tung für einen Sprachkurs, den ich zweimal pro Woche für jeweils drei Stunden im Kulturzentrum Grend in Essen-Steele gebe. Aktuell unterrichte ich nur Schüler, die aus dem Irak und Syrien stammen. Es sind alles Männer, die in einem Camp untergebracht sind und es daher nicht leicht haben, ausgeruht und gut vorbereitet zu diesem Foto: Ralf Nattermann Unterrichtsangebot, übrigens auf freiwilliger Basis, zu erscheinen. Aber insbesondere zwei ausgebildete Handwerker geben sich trotz allem sehr viel Mühe und werden den vom Land NRW finanzierten Kurs sicherlich erfolgreich abschließen. Woran arbeiten Sie gerade, In nächster Zeit biete ich im Rahmen dieses Unterrichts auch einen Rundgang durch die Essener Innenstadt an, bei dem ich unter anderem Reintje Brenders? die Stadtbibliothek vorstellen werde. Diese Art der Begleitung ist auch sehr wichtig. Außerdem kümmere ich mich um ein Flüchtlingskind, einen Reintje Brenders, 40-jährige Belgierin aus Antwerpen, folgte 17-jährigen Schüler, der seit kurzem bei meinem Mann und mir in unserer ihrem deutschen Partner vor zehn Jahren nach Gelsenkirchen. Wohnung in der Gelsenkirchener Innenstadt wohnt. Er braucht viel Auf- Hier war sie unter anderem am Kunstmuseum tätig. Sie ist merksamkeit, die wir ihm auch geben, indem wir unser Leben mit ausgebildete Kunsthistorikerin und Pädagogin sowie Sängerin ihm teilen. Eine ganz neue Erfahrung für uns alle! und ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätig. © Stadterneuerung Gelsenkirchen © Jesse Krauß Schreie vom Balkon Jazz Jazz Jazz! Parcour in Ückendorf 1. Sept: André Wülfing liest Bukowski in der rosi 2. bis 4. September in der City Di 13. Sept., 14 Uhr: Carl-Mosterts-Park I Ich mag Hunde lieber als Menschen. Und Katzen lieber als Hunde. Und mich, besoffen in meiner Unterwäsche aus dem Fenster schauend, am liebsten von allen.“ – W enn Jazz-Papst Rolf Wagemann ruft, kommen sie alle: Über 20 Formationen mit mehr als 150 Musikern bringen bei den 29. Jazz-Tagen die Gelsenkirchener City zum swingen. S pringen, Klettern,Klimmen, Balancieren – die Sportart Parcour erfordert Kraft und gute Körperbeherrschung. Trainieren lässt sich das demnächst im Carl-Mosterts-Park an André Wülfing liest Lyrik und Prosa von Charles Bukowski, Wie jedes Jahr können die Besucher das umsonst-und-draußen- der Bergmannstraße in Ückendorf, sobald am 13. September dem genialen Taugenichts der amerikanischen Literatur. Festival durch den Kauf von Buttons (5 €) finanziell unterstützen. der zweite Bauabschnitt der Parkneugestaltung eröffnet wird. www.rosi-online.de www.jazz-rolf.de www.stadterneuerung-gelsenkirchen.de 7
unvergesslich. Hier wohnte... Verlegung neuer Stolpersteine für Opfer der NS-Zeit Donnerstag, 6. Oktober 2016 von Jesse Krauß Die Stolpersteine der Familien Meyer und Hirschhorn sowie Kurt Rosengarten an der Bismarckstraße 152. W enn der Kölner Künstler Gunter (Liebfrauenstraße 38), Zeugen Jehovas wie der Die Verlegungen am 6. Oktober 2016: Demnig zur Tat schreitet, macht zu Tode geprügelte Peter Heinen (Neuhüller er nicht viele Worte. Er tritt ganz Straße 27), Euthanasie-Opfer wie das Kind Ast- 10 Uhr Julius Less Im Quartiermeister 18 (Buer) 1 Stein zurück hinter den Schicksalen der Menschen, rid „Iri“ Steiner (Polsumer Straße 158) sowie für die er seit 1992 die sogenannten „Stolper- Menschen, die teils aus völlig willkürlichen 10:20 Uhr Familie Max Schloss steine“ verlegt, kleine beschriftete Messing- Gründen heraus verhaftet, misshandelt und Markenstraße 28 (Horst) 5 Steine tafeln, die, ins Straßenpflaster eingelassen, getötet wurden, wie etwa Michael Hojnacki die Lebensdaten von Opfern des Nationalso- (Steinfurthstraße 26), der sich des „Vergehens“ 10:40 Uhr Johann Eichenhauer Schlangenwallstraße 9 (Horst) 1 Stein zialismus wiedergeben. In der Regel liegen sie schuldig gemacht hatte, auf seiner Geige die vor der letzten frei gewählten Wohnstätte der polnische Nationalhymne gespielt zu haben. 11 Uhr Josef Wesener Menschen: Hier wohnte... Josefstraße 32 (Neustadt) 1 Stein D er Vernichtungsterror des Nazi-Regimes brachte Millionen Menschen den Tod. D ie Recherchen für die Gelsenkirchener Stolperstein-Verlegungen liegen bei Andreas Jordan vom Gelsenzentrum e.V. 11:20 Uhr Ehemalige jüdische Schüler des Grillo-Gymnasiums Hauptstraße 60 (Altstadt) 6 Steine Über 50.000 Steine hat Demnig bisher von (Interview in isso. #7 November 2015), der das Hand in Deutschland und zahlreichen anderen Projekt seit 2009 ehrenamtlich für unsere Stadt 12 Uhr Rudolf Littek europäischen Ländern verlegt. In Gelsenkirchen koordiniert. Frühzeitig muss er neue Verlegun- Liebfrauenstraße 38 (Schalke) 1 Stein war er erstmals 2009 zu Gast – inzwischen gen in Demnigs Büro anmelden, denn der Zeit- liegen 139 Steine in unserer Stadt und erinnern plan des Künstlers ist ein gutes Stück im Voraus 12:20 Uhr Ehepaar Siegfried und Rosalia Galliner Munckelstraße 5 (Altstadt) 2 Steine an Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirch- geplant; Wartezeiten sind unvermeidlich. ner, die zumeist in den Vernichtungslagern Für den 6. Oktober ist die Verlegung von 12:40 Uhr Familie Joseph umkamen, teils aber auch überlebten. Und es weiteren 22 Stolpersteinen an neun Verlege- Ringstraße 67 (Altstadt) 3 Steine sind nicht allein jüdische Menschen, die unter stellen vorgesehen. Jede Verlegung wird mit den Verfolgten die zahlenmäßig größte Gruppe einem kurzen Wortbeitrag zum Lebens- und 13 Uhr Ehepaar Selma und Walter Müller Ahstr. / Husemannstr. (Altstadt) 2 Steine ausmachen, sondern auch Sinti und Roma wie Leidensweg des jeweiligen Menschen beglei- die Familie Böhmer (Bergmannstraße 34), tet sowie – bei jüdischen Menschen – mit Im zeitlichen Ablauf sind Verschiebungen möglich, planen Homosexuelle wie Ernst Papies (Cranger Straße dem gesungenen „El male Rachamim“, dem Sie bitte jeweils ein Zeitfenster von +/- 15 Min. zu den 398), Widerstandskämpfer wie Fritz Rahkob hebräischen Totengebet. angegebenen Uhrzeiten ein. N och sind in Gelsenkirchen viele Schick- sale der NS-Zeit zu recherchieren und weitere Stolpersteine zu verlegen. Um dies zu ermöglichen, werden laufend Stolperstein- Paten gesucht, die die Kosten von 120 € pro Stein übernehmen. Darin enthalten sind Material- und Herstellungskosten sowie die Foto: Werner Neumann Anreise von Gunther Demnig. Informationen zu Patenschaften und zu noch unvergebenen Steinen gibt Andreas Jor- dan unter Tel: 0209 / 9994676 oder im Netz: Gunter Demnig (l.) und Andreas Jordan (Mitte) bei der ersten Gelsen- Die Steine werden bündig in das jeweilige Pflaster eingebettet. kirchener Stolperstein-Verlegung an der Markenstraße 19 in Horst. Stolpern soll man nur „mit dem Kopf und mit dem Herzen“. www.stolpersteine-gelsenkirchen.de 8
wissenswert. Wussten Sie schon... . . . dass die erste im Stadthafen gelöschte Ladung 200 Tonnen Zucker waren? von Dirk Pfarr, Heimatbund Gelsenkirchen e.V. Ankunft des Motorseglers „Elisabeth“ im Industriehafen am 13. Juli 1914 Bild: Sammlung Volker Bruckmann A m 9. November 1911 stimmte die Stadtverordneten-Ver- sammlung fast einstimmig für den Bau eines Stadthafens in Gelsenkirchen. Man versprach sich davon eine Belebung der heimischen Industrie. Den Entwurf des neuen Hafens legte die Stadtverwaltung vor. Der Ausbau sah zwei Hafenbecken vor: einen Industrie- und einen Handelshafen. Dafür wurde ein Betrag in Höhe von 6 Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Der für den Hafenausbau erforderliche Grund und Boden in einer Größenordnung von 112 Hektar konnte größtenteils einvernehmlich erworben werden. Es handelte sich um das Grundstück des ehemaligen „Haus Goor“. Schwierigkeiten gab es nur beim Erwerb zweier größerer Parzellen, welche im Besitz der Bergwerks-Gesellschaft „Hibernia“ waren, die auf dem Gelände ursprünglich eine Doppelschachtanlage errichten wollte. Eine Lösung erfolgte durch die Stadt mittels Parzellentausch. Am 23. August 1912 erfolgte der erste Spatenstich. Planung und Oberbauleitung befanden sich in den Händen des Gelsenkirchener Blick auf Stadthafen, Kanal und Schleuse in den ersten Jahren. Stadtbaurats Miether. Die Arbeiten wurden von der „Vereinigten Eisenbahn-, Bau- und Be- triebsgesellschaft“ ausgeführt. Nasser Fließsand und steinharter Mer- gel erschwerten die Arbeiten. Etwa 600.000 Kubikmeter Bodenmasse waren zu bewegen. Dieses taten überwiegend italienische Gastarbeiter – solche gab es auch schon zu jener Zeit. Die Inbetriebnahme sollte gleichzeitig mit der Eröffnung des seit 1906 in Bau befindlichen Rhein-Herne-Kanals am 1. April 1914 erfolgen. Zur Einweihung kam es jedoch erst am 10. Juli 1914. An dieser nahm die Be- völkerung zahlreich teil. Schon drei Tage später, nämlich am 13. Juli 1914, ging als erstes Schiff der Motorsegler „Elisabeth“ vor Anker und löschte im Industriehafen die Ladung von 200 Tonnen Zucker. Mit dieser ersten Entladung hatten sich die Wünsche der Gelsenkirchener Unternehmer- schaft endlich erfüllt: Die aufstrebende Industriestadt war zur Hafenstadt geworden und über das Kanalnetz sowie die natürlichen Wasserwege Nah am Hafenmund befand sich die Hafenschenke, ein auf zahlreichen Ansichtskarten direkt mit dem offenen dieser Zeit verewigtes Ausflugslokal. Die Fotos auf dieser Karte stammen aus dem Atelier des Meer verbunden. www.heimatbund-gelsenkirchen.de Gelsenkirchener Fotografen Max Majer. Bild: Sammlung Oliver Raitmayr 9
nachhaltig. Blick in eine mögliche Zukunftsstadt – das von Jesse Krauß illustrierte Wimmelbild ist im aGEnda-Büro an der Von-Oven-Straße kostenfrei erhältlich. Hürde genommen Stadt überzeugte mit Konzept der „Lernenden Stadt“ von Denise Klein W ie wollen wir in Zukunft mitein- zu bilden, sondern interdisziplinär gemeinsam ander leben? Wie wollen wir die für eine Sache zu arbeiten. Das sind die Ingredi- Solidarität in unserer Stadtgesell- enzen für eine verheißungsvolle Kehrtwende im schaft stärken und die Herausforderungen Bildungssektor, der alle Generationen einschlie- einer sich immer schneller drehenden Welt ßen soll. „Wir wollen ja eine Veränderung der gemeinsam meistern? Die Gelsenkirchener Stadtgesellschaft, wir wollen damit breite Kreise Antwort darauf lautet: mit der Lernenden erreichen und das ständige Engagement der Stadt. Klingt abstrakt, doch hinter dieser Menschen hier in Gelsenkirchen nutzen. Das ist Oberbürgermeister Frank Baranowski, Stadtdirektor Dr. Manfred Beck, Werner Rybarski und Anna Konrad vom agenda21-Büro (v.l.). Formulierung verbergen sich ganz konkrete ein enormes Potenzial“, erklärt Manfred Beck. Foto: Stadt Gelsenkirchen Ideen, die zum Teil schon in den letzten Jah- ren aktiv angegangen wurden. Gelsenkirchen hat die nächste Hürde im vom Bundesministerium für Bildung und D ass die erst kürzlich vergebene Auszei- chung für „herausragende Bildung für nachhaltige Entwicklung“ durch das Bundes- mitentscheidend beigetragen habe. „Hier ist es uns gelungen, eine gemeinsame Basis zu Forschung und von der UNESCO ausgelobten ministerium für Bildung und Forschung und entwickeln, die von über 110 Organisationen Wettbewerb „Zukunftsstadt 2030+“ genom- der UNESCO-Kommission die Initiatoren für der Stadtgesellschaft mitgetragen wird. Sie men und geht nun in die 2. Phase. 200.000 € Bildung und Beteiligung weiter bestärkt, ist klar. wird nun als Präambel der Vision 2030+ vor- stehen nun zur Umsetzung der geplanten Doch neben diesen durchaus schönen Bestäti- ausgestellt und ist ein starkes Bekenntnis zur Maßnahmen zur Verfügung. Überzeugt hatte gungen guter Arbeit ist der lange Atem weiterhin nachhaltigen Stadtentwicklung, zur Partizipa- die Jury zum einen die bisher in der Stadt gefragt. Gelsenkirchen hat seine Hausaufga- tion und damit zur Zukunftsstadt 2030+ als umgesetzen Ziele und Projekte zu „Bildung für ben schon im Voraus gemacht und keine Zeit lernende Stadt“, so Manfred Beck. Verstärkt nachhaltige Entwicklung“ (BNE). verschwendet. Während der Bewerbungsphase und zeitnah will man nun „Sport und Bildung“ wurden in der Stadt schon Konferenzen und in den Fokus nehmen und auch auf den As- D ie Freude ist groß bei Stadtdirektor Dr. Manfred Beck und dem aGEnda21-Team Maßnahmen entwickelt und ausprobiert. „Wir warten nicht ab. Die Zeit haben wir gar pekt der Wissenschaftsregion setzen. mit Werner Rybarski, Anna Konrad und Kira Fink, haben sie doch an die Idee und Wichtigkeit des Nachhaltigkeitsgedankens für die Stadt- nicht“, erklärt Werner Rybarski. Wichtig sei nicht nur die konzeptionelle Reißbrettarbeit, sondern vor allem das Hineintragen des Gedankens in die W agen wir einen kühnen Blick in die Zukunft der Lernenden Stadt, speziell auf deren finanzielle Ausstattung. Hat sich gesellschaft immer geglaubt. „Zukunft ist nie Gesellschaft. Trial and Error, ausprobieren, sich Gelsenkirchen nun für die zweite Phase vorhersehbar, umso wichtiger ist es, diese aktiv herantasten, was gebraucht wird, was gewollt ist. „Planungs- und Umsetzungskonzept“ des zu gestalten“, so aGEnda21-Leiter Rybarski. Für Übergestülptes funktionere nicht, die Menschen Wettbewerbs mit 19 weiteren Kommunen ihn bietet Gelsenkirchen die optimalen Rahmen- müssen die Idee mittragen, so Rybarski. durchgesetzt, könnte der Zuschlag für die 3. bedingungen für ein Gelingen einer lernenden Gelsenkirchen habe starke Multiplika- Phase „Umsetzung der Vision in Real-Laboren“ Stadt. Ehrenamt, Netzwerke, der toren, betont Manfred Beck die Kraft und durchaus erreicht werden. Und damit flösse Wunsch und Wille, über den Langatmigkeit einiger Bürgerinnen und eine Million Euro nach Gelsenkirchen. Das Tellerrand hinauszublicken Bürger. Daher ist er sich auch sicher, dass zum wäre mit Sicherheit nachhaltig. und keine Fürstentümer Erreichen der zweiten Stufe die „Gelsenkir- chener Erklärung zur Zukunftsstadt 2030+“ www.agenda21.info
perspektivisch. Ausbildung zum Veranstaltungstechniker von Tobias Hauswurz W ährend der Künstler auf der Bühne seinen Applaus bekommt, sorgen Veranstal- tungstechniker für einen reibungslosen Ablauf. einher gehe auch der immer wichti- ger gewordene Sicherheitsaspekt. „Wenn jemand über Ihnen eine Box aufhängt, sollte er Sie kommen zuerst und gehen zuletzt – aber das auch können“, so Hasenkox weiter. erst, wenn alles abgebaut ist. Joshua Goller ist seit neuestem einer von ihnen, seine Ausbildung hat der 21-Jährige bei der Stadt Gelsenkirchen absolviert. E iner, der das jetzt kann, ist Joshua Goller. Der 21-Jährige hat die Ausbildung bei der Stadt absolviert und darf sich seit einigen Azubi Joschua Goller – Schritt für Schritt zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik Fotos: Emschertainment Wochen Fachkraft für Veranstaltungstechnik S ie haben alles mal gemacht. Die Azubis der Stadt Gelsenkirchen durchlaufen Stationen im Musiktheater, beim Veranstalter Emschertain- nennen. Die Highlights der Ausbildung waren für ihn die großen Events: „Biathlon auf Schal- ke oder das Blind-Date-Festival – solche Veran- J oshua Goller will sich jetzt erstmal vom Prüfungsstress erholen und fährt zwei ment und dem Technikverleiher Stage Systems. staltungen sind am anstrengendsten, machen Monate mit dem Fahrrad durch Schweden. „Angehende Veranstaltungstechniker sollen aber auch am meisten Spaß“, sagt Goller. „Danach werde ich als Freiberufler in den Job dadurch die ganze Bandbreite des Jobs kennen- Die Ausbildung lieferte Joshua Goller nicht einsteigen“, sagt Goller. Für die Branche nichts lernen“, sagt Emschertainment-Geschäftsführer nur die praktischen Fähigkeiten. Gerade für Ungewöhnliches. Weil sich der Bedarf an Fach- Professor Dr. Helmut Hasenkox. „Sei es Atze große Veranstaltungen ist auch theoretisch kräften von Veranstaltung zu Veranstaltung Schröder in der Emscher-Lippe-Halle, Nach- fundiertes Wissen unabdingbar: Für seine stark unterscheidet, arbeiten nicht wenige wuchskabarett in der Kaue oder eine Oper im Abschlussarbeit musste er eine Veranstal- Veranstaltungstechniker freiberuflich. Für Musiktheater – in der Ausbildung ist alles dabei.“ tung genau unter die Lupe nehmen. Von der viele ein gutes Geschäftsmodell. Hasenkox: Seit 2001 müssen Veranstaltungen ab einer Stromversorgung über Ton und Licht bis hin „Der Markt ist mittlerweile zwar gesättigt, mit gewissen Größe von ausgebildeten Fachkräften zu Bühnenaufbauten und Sicherheitsvorkeh- ein wenig Bereitschaft zu Mobilität sind die begleitet werden. Seitdem bietet die Stadt die rungen analysierte Goller auf 17 Seiten einen Jobaussichten aber nach wie vor gut.“ Verbundausbildung an. Wo früher viel „lear- Auftritt von Autor Frank Goosen im Hans- ning by doing“ an der Tagesordnung gewesen Sachs-Haus. „Die fachliche Kompetenz ist in Jetzt informieren! sei, professionalisiere sich die Branche seitdem der Branche heute höher, als es jemals der Fall Aktuell bildet die Stadt sechs Veranstaltungstechniker zusehends, weiß Hasenkox: „Bei Veranstaltern war“, sagt Professor Dr. Hasenkox, der auch aus. Die Bewerbungsphase für weitere Azubi-Stellen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkir- läuft noch bis zum 30. September. Alle Infos unter: sachkundige Leute unverzichtbar sind.“ Damit chen lehrt. ausbildung.gelsenkirchen.de 11
musikalisch. Dynamisches Kollektiv mit tragender Rolle Der Opernchor des Musiktheaters im Revier von Denise Klein / mit Fotos von Ralf Nattermann 12
Ewa Stachurska Sergey Fomenko Oliver Aigner Charles E. J. Moulton Silvia Oelschläger „Noch einmal,bitte!“ A lexander Eberle sitzt am Klavier und ist noch nicht ganz zufrieden mit dem eben Gehörten. Man probt Mahlers 8. Symphonie. Die Damen und Herren, die auf Stühlen sit- zen, blättern in ihren Noten auf dem Ständer Jerzy Kwika Jan Ciesielski Apostolos Kanaris vor ihnen. An den Stühlen lehnen Taschen, auf dem Boden stehen Wasserflaschen, liegen Federmäppchen; ein bisschen, wie wir es noch haben schon als Solisten gearbeitet und tun Tenor Georg Hansen, der seit mittlerweile 19 aus der Schule kennen. Sänger, die sitzen? dies oft noch parallel zu ihrer Arbeit am Haus. Jahren im MiR-Chor singt, sieht das ähnlich. Vor „Ja, das sind ja alles professionelle Sängerin- Den Zahn, dass das Singen im Chor doch nicht allem sei man als Chorsänger auch wertge- nen und Sänger. Die können auch im Sitzen befriedigend sein kann, ziehen mir Katrin Stösel schätzt: „Wir stehen doch auf der Bühne und tun singen“, erklärt Chordirektor Eberle. Und und Georg Hansen mit mildem und nachsich- das, was wir tun wollen. Nämlich singen“, zeigt sitzen sollen sie, muss das Chorensemble doch tigem Lächeln. „Wir haben fast alle solistisch er sich durchaus zufrieden. Für Katrin Stösel stundenlang üben, üben, üben. Rund acht gearbeitet. Aber diese Unsicherheit, immer nur ist das sichere Schiff „Chor“ vor allem auch für Stunden arbeiten sie täglich. befristete Verträge zu bekommen, macht das die Familienplanung wichtig. „Wenn Du wegen alles nicht leichter“, öffnet die Sopranistin den wechselnder Engagements immer umziehen D er Chor des Musiktheaters im Revier ist eine feste Truppe von ausgebildeten Sän- Blick in die unbekannte Welt des hochkulturellen Musikbetriebs. Seit Februar 2015 ist sie am Haus musst, kann das ziemlich einsam werden.“ gerinnen und Sängern. Die meisten von ihnen und froh über die Festanstellung. „Es gibt in der Branche nur begrenzt Jobs“, beschreibt sie und erzählt I hr Kollege Georg Hansen kam eigentlich als Solist an das Musiktheater im Revier. Der in Kanada geborene dänische Tenor studierte am von ihrem bisherigen Weg Königlichen Konservatorium Kopenhagen Kla- im Jungen Ensemble am rinette und Gesang und wechselte Anfang 1980 Theater Aachen, ihrer Zeit zum Gesangstudium an die Depaul-University in Kiel und ihrer Arbeit für in Chicago. Nach seiner Zeit als Mitglied der den WDR Rundfunkchor. Opernschule der Lyric Opera Chicago folgten Die in Thüringen geborene Engagements als Solist an den Theatern in Hei- Sopranistin Katrin Stösel delberg, Pforzheim, Oberhausen und Rostock. studierte an der Hochschule 1998 kam er nach Gelsenkirchen, wo er unter für Musik und Tanz in Köln anderem in „Hello Dolly“ die Partie des Corne- Gesang und Gesangspädago- lius Hackl, den Dr. Cajus im Falstaff oder Grog gik. Für sie ist der Chor eine in „Die Großherzogin von Gerolstein“ sang. Für Art Ersatzfamilie geworden. ihn ist die Chorarbeit von besonderer Heraus- „Wir sind schon eine Ein- forderung. „Jeder Sänger muss bestens vorbe- heit, das mag ich besonders reitet zur Probe kommen. Es wirkt sich schnell an der Chorarbeit.“ auf das Gesamte aus, wenn jemand seinen Teil Katrin Stösel (Sopran) und Georg Hansen (Tenor) im Interview. nicht beherrscht“, so Georg Hansen. Die Gruppe weise eine spezielle Dynamik auf, denn gut sein könne man nur miteinander. „Jeder muss auf sich achten, anders funktioniert das nicht.“ 13
Patricia Pallmer Georg Hansen Wiltrud Maria Gödde Beyong Il Yun Olga Gorodetskaia Katrin Stösel I nsgesamt 25 Sängerinnen und Sänger bilden den Chor des MiR. „Ich arbeite sehr gerne mit einem festen Chor zusammen“, erzählt Chordirektor Alexander Eberle, der von 1999 bis Dezember 2015 als Chordirektor am Esse- ner Aalto-Theater arbeitete. Er leitet seit April dieses Jahres kommissarisch den Chor und den Extrachor, nachdem sein Vorgänger Christian Jeub an die Uni Koblenz-Landau wechselte. Ist einmal mehr Chor auf der Bühne gefragt, gibt es den Extrachor, der sich aus Studierenden des Seong-Yun Cheon Artavazd Zakaryan Gabriele Ernesti Fachs Gesang zusammensetzt. Für Alexander Eberle ist der Beruf des Chor- sängers ein spannender: „Es ist unglaublich S o speziell die einzelnen Charaktere eines Chors auch seien, so unterschiedlich sei auch jede Aufführung, merkt Katrin Stösel an. dem Rechnung trägt. „Wenn man einen guten Regisseur hat, kann man großartige Charaktere spielen. Auch als Chorsängerin“, erzählt Katrin abwechslungsreich, und wenn ausgebildete und solistisch erfahrene Sänger zusammen singen, ist es wie eine Ballettchoreographie. Sie müssen „Jedes Publikum hat andere Energien, die wir Stösel, die mit Lust und Leidenschaft an ihren aufeinander hören und immer das Zusammen- auf der Bühne zu spüren bekommen. Dieses Rollen arbeitet und der die Stringenz einer spiel beachten. Das verlangt viel Disziplin.“ Wechselspiel aus dem, was wir Künstler auf der Figur, sei sie auch noch so klein, wichtig ist. „Es Bühne geben, und dem, wie das Publikum das aufnimmt, ist unbeschreiblich.“ Dass die Inter- aktion mit dem Publikum auch manchmal we- kann schon vorkommen, dass man mit dem Re- gisseur über seine Figur diskutiert. Man macht sich eben Gedanken zu dieser Rolle.“ Dieser D erzeit bereitet sich der Chor auf die kommende Spielzeit vor, probt unter anderem den „Florentinerhut“ oder „Die lusti- niger gut laufen kann, zeigte für sie der Auftritt Trend, den Chor weniger als schmückendes Bei- gen Witwen von Windsor“ nach der Komödie in der Veltins-Arena, als man vor Fußballfans werk auf die Bühne zu holen, sondern aktiv mit von Shakespeare. Es gibt also eine Menge die Show „Kennst Du den Mythos“ zum 111. Rollen zu versehen, macht aus vielen Inszenie- zu tun. Und derweil der Sommer in vollem Geburtstag des Fußballvereins aufführte. „Das rungen ein zu beobachtendes spannendes Trei- Gange ist, gönnen wir dem Chor auch eine Publikum haben wir nicht wirklich bekommen“, ben. Wer kennt das nicht, wenn man – warum Verschnaufpause und sind gespannt auf die erinnert sie sich, und Georg Hansen ergänzt: auch immer – an einer Nebenfigur hängenbleibt kommende Spielzeit. „Man merkte, dass die Zuhörer nicht so viel mit und sie immer wieder in den Fokus nimmt? der Musik anfangen konnten.“ Eindeutig eine Frage der richti- gen Zielgruppe, und die ist mit den „normalen“ MiR-Gängern meist klar erreicht. A ls besonders attraktiven Aspekt ihres Berufs sehen beide das theatrale Moment. Schauspiel gehört zu jeder klassischen Gesangsausbildung dazu, weshalb die Tendenz zu mehr Einbezug der Choris- ten in die Bühnenhandlung Auf der Probenbühne im Musiktheater sorgt Chordirektor Alexander Eberle für den richtigen Takt. www.musiktheater-im-revier.de 14
lebendig. E ine Festivität auf einem Friedhof? Mit Speis & Trank, Musik & Tanz? Fröhlich und ausgelassen?! Sie denken jetzt viel- leicht, das geht nicht: Doch! Bereits im Jahr 2015 machten sich Teilnehmer/innen einer Tagung mit dem Titel „Gib mir ein bisschen Tod“, die unter dem Dach des Bildungszentrums stattfand, auf die Suche nach neuen Erinnerungsformen. Als Fazit sollte eine Reihe ins Leben gerufen werden, die sich solchen neuen Möglichkeiten widmet. D r. Zuzanna Hanussek, Pfarrerin und Gerontologin beim Referat Altern des Ev. Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid, Anja Herzberg, Programmbereichsleiterin für Kul- turelle Bildung und stellvertretende Leiterin der Abendmusik VHS Gelsenkirchen sowie Martina Mail vom Ge- nerationennetz Gelsenkirchen e. V. legten dazu ein kleines Programm auf. Die erste Veranstal- tung wird am Samstag, den 3. September 2016, 19 Uhr, in der Kapelle auf dem Katholischen Altstadtfriedhof an der Kirchstraße stattfinden, die den Veranstalterinnen neben weiterer Unter- mit Leichenschmaus stützung von der St. Augustinus Gelsenkirchen Samstag, 3. September 2016 , 19 Uhr GmbH zur Verfügung gestellt wird. Nach einem kurzen Impulsreferat werden die überregional bekannten Frauen von „Blasfemin“ ebenso zur M it dem Format „Abendmu- sik und Leichenschmaus“ auf dem katholischen Altstadtfriedhof musikalischen Untermalung des Abends beitra- möchten die Initiatorinnen gerne von Astrid Becker / Foto: Ralf Nattermann gen wie ein an klassischer türkischer Musik ori- auf Tour gehen, ob am Kanal an Stellen, entierter Chor und der „Baikalchor“, der in Tracht an denen Menschen ertranken, auf einem mit russischem Liedgut aufwartet. Bei schönem weiteren Gelsenkirchener Friedhof oder auch bei Diese Vereinigung unterstütze sehr aktiv die Wetter soll auch vor der Kapelle die Möglichkeit den unbedachten Toten. Die Veranstalterinnen sogenannten „Ruhe-Steine“ (siehe Infobox) zur Gestaltung des Festes bestehen. Für den kuli- planen, mindestens zweimal im Jahr einen derar- sowie die Steine für die ermordeten Kinder, be- narischen Genuss wird ebenso gesorgt werden. tigen Abendschmaus anzubieten. Die Friedhöfe treibe die Gräberpflege und sei auch bei dieser sollen dabei wieder als Orte des Lebens Veranstaltung ein wichtiger Stützpfeiler. entdeckt werden, denn, so das Trio, es sollte Zu erwähnen wäre noch, so Anja Herzberg, Ruhesteine selbstverständlich sein, sich auch dort auf dass es durchaus schon ein Umdenken bei Immer mehr Menschen können für den Boden zu setzen, zu essen und zu trin- der Gedenkkultur gebe. Dieses Umdenken sei ihr Begräbnis nicht mehr vorsorgen. ken und sich zu unterhalten. So wie es frü- sowohl auf den Friedhöfen durch eine neue Art Am Ende bleibt für sie eine Stätte ohne her auf den Kirchhöfen der Fall war, als diese der Grabgestaltung, aber auch durch Projekte, Grabstein, deren Kosten das Ordnungsamt die Toten noch ganz in der Gemeinschaft die sich Friedhofsgärtner schon für Kindergar- begleicht. So verlieren diese Menschen aus Armut ihre zwischen Kirche und Dorf bargen. Damit ist tenkinder überlegten, erkennbar. „Wie stelle ich Namen, und mit dem Namen schwindet auch die Erinnerung. längerfristig auch die Rückeroberung des mir mein Grab vor?“ sei so ein Projektthema. Der Gelsenkirchener Ruhe-Steine e.V. tritt für eine Trauer- in die Peripherie abgedrängten Raumes Z und Sterbekultur ein, welche die Würde des Einzelnen über Friedhof geplant, diesen Ort müssten die uzanna Hanussek, Martina Mail und Anja sein Ableben hinaus bewahrt. Durch das Setzen von „Ruhe- Menschen sich wieder aneignen. Herzberg planen für das kommende Steinen“, in die jeweils der Name eines Verstorbenen graviert Jahr auch eine Fortsetzung der Tagungsidee ist, wird die Erinnerung an diese Menschen wachgehalten. und wird durch Gelsendienste gepflegt. D Das Begräbnisfeld befindet sich auf dem Hauptfriehof in Buer en Geschäftsführer der Vereinigung „Gib mir ein bisschen Tod“. Dazu wird es unter der Friedhofsgärtner, Herrn And- reas Mäsing, haben die drei Frauen auch anderem eine Exkursion zum „Museum für Sepulkralkultur“ in Kassel geben, das sich mit www.ruhesteine-ev.de für diese Reihe wieder mit ins Boot geholt. Bestattungsgebräuchen weltweit beschäftigt. 15
öffentlich. Ewiges Thema?? Die Bundesstraße 224 und das Verkehrsproblem im Mittleren Ruhrgebiet ein Appell von Martin Arnold E s ist und bleibt wohl noch einige Jahre ein die durch Velbert bis Ratingen zur A3 reicht, großes Ärgernis: Auf der Bundesstraße B sodass eine neue Transitautobahn für den 224, die durch Gelsenkirchen als Autobahn Fernverkehr von Hamburg/Bremen Richtung A52 von Scholven/Hassel bis Buer-West verläuft, Aachen/Belgien entsteht. stehen bis Essen täglich viele Autos im Stau. Das Diese Pläne wurden bereits vor mehr als 40 kostet unnötig Treibstoff, aber auch Arbeits- und Jahren ausgedacht, als Umweltbewusstsein und Lebenszeit. Mehr Schadstoffe und Lärm durch Nachhaltigkeitsziele erst in den Kinderschuhen Bremsen und Anfahren beeinträchtigen die steckten. Dass der Bundesverkehrsminister sie Gesundheit und Lebensqualität vieler Menschen, jetzt immer noch verfolgt, stimmt überein mit die in der Umgebung wohnen. Als wenn das nicht einem Webfehler des BVWP-Entwurfs: Entgegen reichen würde: Die Staus sind hochgradig schädlich den Richtlinien wurde er bisher nicht mit dem für die Natur und für‘s Klima. Messstationen bestä- Umweltministerium abgestimmt, Ministerin tigen, dass die Grenzwerte überschritten wurden. Barbara Hendricks protestierte heftig. Die EU hat einigen Städten wie Essen und Gladbeck Es ist daher nicht ausgemacht, ob die Pläne schon erhebliche Strafzahlungen angedroht. so bleiben werden. Denn auch verkehrspo- litisch ist klar: Neue Straßen erzeugen neuen Wie lässt sich das Stau-Problem Was tun? Verkehr, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis nachhaltig lösen? neue Staus dieselben Schwierigkeiten erzeugen D ie Städte haben an einigen Stellen Tempo 50 vorgeschrieben sowie LKW-Fahrverbote erlas- sen. Das bringt schon was, es genügt aber nicht. wie vorher, nur mit noch größeren Verkehrs- zahlen und noch mehr Abgasgiften und Lärm. Auch wenn es direkt an der Autobahn durch V erkehrswissenschaftler sagen: Wenn der Ver- kehr um 10% abnimmt, sind die Staus weg. Der NRW-Verkehrsminister hat selbst Vorschläge Zurzeit erarbeitet der Bundesverkehrsminister Lärmschutz leiser wird – in der Ferne nimmt der der Bürgerinitiativen aufgegriffen, die Verkehrs- einen neuen Plan für den Verkehr der nächsten Lärm zu. Was zu hören ist und wo die Lebensqua- lage durch andere Maßnahmen als Autobahnbau Jahrzehnte, genannt Bundesverkehrswegeplan, lität gemindert wird, hängt dann stark von der zu verbessern. Sie sind wirksam, weil die Staus abgekürzt BVWP. Es geht um den Bau von Au- Windrichtung ab. zum größten Teil durch Pendlerverkehr verur- tostraßen, Schienenwegen und Wasserstraßen. Seit 40 Jahren gibt es auch Bürgerinitiati- sacht werden: Ab 2019 soll die S-Bahn zwischen Der Planentwurf sieht den Neu- und Ausbau von ven, die diese Pläne zu verhindern suchen. Sie Gladbeck-West und Essen im Viertelstundentakt 1500 Asphaltwegen bundesweit vor. Wenn ihm schafften es, dass in Gladbeck 2012 bei einem fahren, das ist fest eingeplant. Ein neuer breiter gefolgt wird, wird die A52 auf der B224-Trasse Ratsbürgerentscheid die Mehrheit gegen den Au- Radschnellweg zwischen Gladbeck und Essen ohne nach Süden weitergebaut durch Gladbeck, durch tobahnbau stimmte. Viele sind empört, dass sich Ampeln ist bereits in Planung. Neben weiteren ein „Hochleistungsautobahnkreuz“ mit der A2 der Landesverkehrsminister nicht daran gehalten Maßnahmen soll der Bahnhof Gladbeck-Ost mit verbunden, weiter durch Bottrop mit der A42 und die Planung trotzdem vorangetrieben hat dem Busbahnhof zusammengelegt werden, sodass und anschließend durch Essen mit der A40 ver- mit dem Ergebnis, dass der Gladbecker Stadtrat viele problemlos umsteigen können und dann Bus knüpft sowie weitergeführt nach Süden zur A44, dem Bau zustimmte. und Bahn für den Weg zur Arbeit nutzen. 16
ruhrig. Die Bürgerinitiativen haben ein Aktionsbünd- nis gebildet: „A52 war gestern – JETZT: Wege für morgen!“ und ein „B224-Entlastungspaket“ mit weiteren wirksamen Maßnahmen zur Stauvermei- dung vorgelegt. Sie haben außerdem den BVWP- Entwurf, in dem die einzelnen Autobahnstücke dargestellt sind, genau geprüft und bei der A52 horrende Fehler festgestellt. So wurden bei der Er- mittlung der Wirtschaftlichkeit die 96,4 Millionen Euro für das Hochleistungsautobahnkreuz nicht berücksichtigt und für die Strecke durch Gladbeck nur 380 Meter Tunnel berechnet anstelle der 1,5 km, die der Stadt versprochen wurden. Wenn diese beiden Fehler korrigiert werden, erweisen sich beide Stücke als unwirtschaftlich und dürfen deshalb gar nicht gebaut werden. Außerdem wür- den nach Berechnungen der Straßenbauer trotz der Stauvermeidung die Schadstoffe im Falle des Autobahnbaus zunehmen: pro Jahr um mehr als 200 kg krankmachenden Feinstaub und mehr als 8 Tonnen giftiges Stickstoffoxid. Unsere Rechte auf körperliche Unversehrtheit sind stark! E in Dortmunder Bürger erreichte durch Gerichtsentscheid, dass die A40 durch diese Stadt nicht als Autobahn geführt wird, sondern als Bundesstraße B1 mit Tempo 50, weil es genügend Ausweichstrecken für den Fernverkehr gibt. Eine ähnliche Klage haben im Juni 2016 Gladbecker Bürger eingereicht, damit durch die Stadt Tempo 50 verpflichtend wird, was den Ver- kehr fließen lässt und die Lärm- und Schadstoff- Belastung erheblich senkt. Das Aktionsbündnis, in dem die Initiativen Die Trinkhalle Dieter Tölle an der Bergmannstraße: „Wir sind Nahversorger mit diversen Artikeln wie Kartof- mit Umweltverbänden und der Kirche zusam- feln, Eiern, Zwiebeln, Schreibwaren, Getränken, Eis oder Tabakwaren.“ Foto: © Ruhr Tourismus GmbH/ Reinaldo Coddou menarbeiten, hofft nicht ohne Grund, dass das umstrittene Autobahnprojekt endlich fallen Bitte einmal gemischte Kultur! gelassen wird. Zur Verbesserung der Lage können fast alle Verkehrsteilnehmer/innen beitragen: Mehr das Fahrrad nutzen, Fahrgemeinschaften bilden und, auch wenn es zunächst umständlich 20. August: 1. Tag der Trinkhallen bietet Überraschendes erscheint, statt des Autos, das Platz für vier Per- sonen auf der Straße beansprucht, mal Bus und Bahn probieren – und möglichst dabei bleiben. Probieren wir es aus! T rinkhallen sind Ikonen der regionalen Identität im Ruhrgebiet. Als ‚Dorfplatz der Großstadt‘ ist kaum ein anderer Ort Die Gelsenkirchener Teilnehmerbuden: Consol Kiosk Gülün Kiosk Roadstop Robergstraße 4, Feldmarkstraße 135, so eng mit der Geschichte und den Men- 45889 GE-Bismarck 45883 GE-Feldmark Foto: Herbert Sauerwein Dr. Martin Arnold aus Essen schen des Ruhrgebiets verbunden wie die Trinkhalle. Grund genug, die Trinkhallen- Erzbahnbude Kiosk am Starenkasten war bis 2010 am Berufskolleg Hinter Behmers Hof, Arnoldstraße 8 Essen-West als Berufsschulpfar- kultur einen Tag lang im gesamten Ruhr 45886 GE-Üdorf 45883 GE-Feldmark rer tätig. Seit langem engagiert gebiet zu feiern: am 1. Tag der Trinkhallen.“ er sich für Frieden, Gerechtigkeit Mit diesen Worten führt die Ruhr Tou- Kiosk Dahlke Trinkhalle Dieter Tölle und die Umwelt. Seit die Pläne Pawikerstraße 2, Bergmannstraße 160, rismus GmbH ein neuartiges Kulturevent für eine neue Transitautobahn durch Wohngebiete des 45896 GE-Hassel 45886 GE-Üdorf Reviers vorgelegt wurden, setzt er sich zusammen mit im kleinen Maßstab ein. Am 20. August anderen in Bürgerinitiativen Engagierten für bessere, 2016 werden Kioske im ganzen Revier Kiosk Haubennestel Trinkhalle Morbach nachhaltige Verkehrslösungen im Ruhrgebiet ein. Der als Begegnungsorte gefeiert. Unter dem Florastraße 103, Rembrandtstraße 48, Vater von vier erwachsenen Kindern ist zweiter Vorsit- Motto „Kumpels, Klümpchen & Kultur“ 45888 GE-Bulmke 45883 GE-Feldmark zender des Fördervereins Mobilität~Werk~Stadt und bieten 50 ausgewählte Buden ihren initiierte mit anderen zusammen anlässlich der neuen Kiosk Pilavci Berliner Autobahn-Planung das Aktionsbündnis „A52 Kunden von 16 bis 22 Uhr ein Kulturpro- Flachsstraße 17, war gestern – JETZT: Wege für morgen!“ gramm der besonderen Art. Livemusik, 45896 GE-Hassel Poetry Slam und Literatur, Kabarett und www.a52-war-gestern.de Kleinkunst, Physical Theatre und und und... www.tagdertrinkhallen.ruhr 17
im Gespräch. Wir sind das Ruhrgebiet Im Gespräch mit Franz Lehner von Michael Voregger D ie Autoren Franz Lehner und Hans-Peter Noll sehen im Ruhrgebiet kreative Menschen und die Zusammenarbeit über Stadtgrenzen nötig. Die eine hohe Wandlungskompetenz und eine große Bereitschaft zu Stichworte sind Digitalisierung, Industrie 4.0, Recycling, Erneuerbare Ener- Experimenten. Allerdings werden Innovationen immer wieder durch gien, Urbane Landwirtschaft und eine nachhaltige Stadt- und Regionalent- Schönfärberei und Fortschrittsangst verhindert. Sie verstehen ihr Buch wicklung. Franz Lehner und Hans-Peter Noll fordern eine breite Zukunfts- „Ruhr: Das Zukunftsprojekt“ als Anleitung für einen anderen Weg. debatte, mit der „ein Wandel zu einer Kultur des offenen, konstruktiven Demnach kann die Region ihre strukturellen Probleme nur lösen, wenn das und kreativen Umgangs mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts Ruhrgebiet eine Metropole des 21. Jahrhunderts wird. Diese Entwicklung ist angestoßen werden kann“. Michael Voregger hat mit Franz Lehner über sein ein anspruchsvolles Projekt und wird mehrere Dekaden benötigen. Dazu sind Buch und seine Hoffnungen für das Ruhrgebiet gesprochen. mv. Sie haben bereits vor einiger Zeit ein Buch über das Ruhrgebiet geschrieben. Warum nun die aktuelle Veröffentlichung? Franz Lehner: Das erste Buch war eine Analy- se dessen, was derzeit im Ruhrgebiet los ist. Ich habe dann mit meinem Kollegen Hans Peter Noll von RAG Montan Immobilien – er ist der Chef dort – in einem längeren Gespräch diskutiert, das man auch mal zeigen muss, wie es geht. Wir wollen also nicht darüber lästern, dass das Ruhrgebiet sich zwar eine Metropole nennt, aber in Wirklichkeit keine ist. Man muss überlegen, ob das Ruhrgebiet eine Metropole werden soll, und wenn ja wie. Wir sind der Meinung, dass es eine Metropole werden muss, wenn es seine Probleme bewältigen will. Wir haben versucht einen Weg aufzuzeigen. Das ist sozusagen ein Hardcore-Buch für die Metropole Ruhrgebiet. mv: Der Titel lautet „Ruhr: Das Zukunftsprojekt „Das Ruhrgebiet ist zwar groß, aber es ist deshalb noch lange – Von der eingebildeten zu wirklichen Metropole“. Einen Titel für ein Buch zu finden ist ja immer keine Metropole. Man lügt sich da gerne in die Tasche.“ schwierig. Warum dieser Titel? fl: Weil uns immer geärgert hat, dass in der Region überall „Metropole Ruhr“ geschrieben Titel, aber der Schwerpunkt liegt bei „Ruhr: Metropolen des letzten und vorletzten Jahrhun- wird. Das Ruhrgebiet ist zwar groß, aber es ist das Zukunftsprojekt“. Wir haben es konstruk- derts. Sie tragen die Probleme in sich, die auch wir deshalb noch lange keine Metropole. Man lügt tiv und nicht nur negativ benannt. haben – nämlich vor allem ökologische. Wenn das sich da gerne in die Tasche. Was mich ebenso Ruhrgebiet eine Metropole sein will, dann sollte stört, ist, dass viele sagen: „Wir sind Metro- mv: Was ist die Vision für das Ruhrgebiet und es sich als solche dadurch hervorheben, dass pole Ruhr“, aber dann tun sie nichts mehr. wie ist der Ausblick? sie die Probleme des 21. Jahrhunderts angeht Und denken, die anderen seien zu blöd, das zu und Lösungen anbietet. Wir müssen ökologisch merken. Statt zu überlegen: „Wie werden wir fl: Uns ist klar, dass das Ruhrgebiet keine nachhaltig werden – gerade in den Städten, und attraktiver?“ gehen sie auf ihren Trampelpfa- Metropole wie Paris oder London werden kann. wir müssen den schwierigen Wechsel in die Wis- den weiter. Das war der Hintergrund für den Das ist auch nicht interessant, denn das sind die sensgesellschaft bewerkstelligen. 18
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