Sonografisch navigierte Elektromyografie des Larynx

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Sonografisch navigierte Elektromyografie des Larynx
Sonografisch navigierte Elektromyografie des
                                    Larynx

                                    Dissertation

                      Zur Erlangung des akademischen Grades

                            doctor medicinae (Dr. med.)

                   vorgelegt dem Rat der Medizinischen Fakultät

                       der Friedrich-Schiller-Universität Jena

von Anne Naumann

geboren am 30.06.1989 in Freiberg

                                                                  1
Sonografisch navigierte Elektromyografie des Larynx
Gutachter

1. Prof. Dr. Orlando Guntinas-Lichius

2. Prof. Dr. Hans-Joachim Mentzel

3. apl. Prof. Dr. Andreas Müller

Tag der öffentlichen Verteidigung: 27.07.2021

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Sonografisch navigierte Elektromyografie des Larynx
Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................................3

Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................................5

Zusammenfassung............................................................................................................................6

1. Einleitung ........................................................................................................................................8

    1.1 Larynxanatomie ................................................................................................................................... 8

    1.2 Neuromuskuläre Funktionsstörungen des Larynx ................................................................ 9

    1.3 Larynx-EMG ........................................................................................................................................ 12

        1.3.1 Anwendung und Material ..................................................................................................... 12

        1.3.2 Durchführung ............................................................................................................................ 14

        1.3.3 Auswertung ................................................................................................................................ 16

    1.4 Larynxsonografie .............................................................................................................................. 18

        1.4.1 Anwendungsgebiete und Limitierungen ........................................................................ 18

        1.4.2 Untersuchungstechnik und Sono-Anatomie .................................................................. 20

    1.5 Sonografisch gestützte Punktion ................................................................................................ 22

2. Ziele der Arbeit .......................................................................................................................... 26

3. Material und Methoden .......................................................................................................... 27

    3.1 Studienteilnehmer ........................................................................................................................... 27

    3.2 Untersuchungsablauf ...................................................................................................................... 27

    3.3 LEMG ..................................................................................................................................................... 29

    3.4 Sono-Navigation................................................................................................................................ 29
    3.5. Statistische Auswertung ............................................................................................................... 30

4. Ergebnisse ................................................................................................................................... 31

    4.1 Patienteneigenschaften .................................................................................................................. 31

    4.2 Sonografie vor EMG-Untersuchung ........................................................................................... 33

    4.3 Untersuchungszeiten ...................................................................................................................... 35

    4.4 Ergebnisse des navigierten LEMGs ........................................................................................... 40

    4.5 Ausgewählte Patientenbeispiele ................................................................................................ 43

        4.5.1 Patient 18 .................................................................................................................................... 43

        4.5.2 Patient 3 ....................................................................................................................................... 46
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Sonografisch navigierte Elektromyografie des Larynx
5. Diskussion ................................................................................................................................... 49

    5.1 Orientierende Sonografie vor der LEMG ................................................................................. 50

    5.2 Untersuchungszeiten ...................................................................................................................... 52

    5.3 Ergebnisse der navigierten LEMG.............................................................................................. 53

    5.4 Patientenbeispiele............................................................................................................................ 60

        5.4.1 Patient 18 .................................................................................................................................... 60

        5.4.2 Patient 3 ....................................................................................................................................... 61

    5.5 Stellenwert der navigierten Sonografie zur Unterstützung der LEMG ....................... 62

    5.6 Methodenkritik.................................................................................................................................. 66

6. Schlussfolgerungen .................................................................................................................. 69

7. Literatur- und Quellenverzeichnis ..................................................................................... 71

8. Anhang .......................................................................................................................................... 79

Lebenslauf ........................................................................................................................................ 82

Danksagung ..................................................................................................................................... 83

Ehrenwörtliche Erklärung ......................................................................................................... 84

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Sonografisch navigierte Elektromyografie des Larynx
Abkürzungsverzeichnis

  A.        Arteria

  Abb.      Abbildung

  CAP       Musculus cricoarytenoideus posterior

  CT        Musculus cricothyroideus

  EMG       Elektromyografie

  Geschl.   Geschlecht

  IQR       Interquartilabstand

  LEMG      Larynxelektromyografie

  Lig.      Ligamentum

  Ligg.     Ligamenta

  M.        Musculus

  männl.    männlich

  Mm.       Musculi

  N.        Nervus

  NLR       Nervus laryngeus recurrens

  NLS       Nervus laryngeus superior

  Nr.       Nummer

  Rr.       Rami

  TA        Musculus thyroarytenoideus
  V.        Vena

  weibl.    weiblich

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Sonografisch navigierte Elektromyografie des Larynx
Zusammenfassung

Die Elektromyografie des Larynx gilt als hilfreiches diagnostisches Verfahren zur
Prognoseabschätzung und Therapieplanung bei Rekurrensparesen. In der klinischen
Routine kommt die LEMG jedoch bisher wenig zum Einsatz, da vor allem das korrekte
Platzieren der Nadelelektrode Probleme bereiten kann und die Untersuchung vom
Patienten oft als unangenehm empfunden wird. Ein sonografisches Navigationssystem
könnte die LEMG unterstützen und die Lernkurve verbessern.

Ziel der Studie war es zu untersuchen, inwieweit die gleichzeitige Anwendung beider
Methoden praktikabel war und ob dadurch die Durchführung und die Qualität der LEMG
verbessert werden konnte.

Dazu erfolgten am SRH Waldklinikum Gera im Rahmen einer Stimmlippenparese-
Sprechstunde 20 Patientenuntersuchungen mit 56 einzeln evaluierten Muskeln an 10
weiblichen und 9 männlichen Probanden durch immer die gleiche Untersucherin.

Es wurde zunächst eine orientierende Sonografie des vorderen Halses durchgeführt, um
die für die LEMG wichtigen Landmarken (Schildknorpel, Ringknorpel, Arytenoidknorpel,
Trachea, Schilddrüse, M. thyroarytenoideus und M. cricothyroideus) aufzusuchen.
Anschließend erfolgte die navigationsgestützte Punktion des M. thyroarytenoideus und
des M. cricothyroideus sowie die Ableitung des EMG-Signals. Der gesamte Ablauf wurde
videoaufgezeichnet und nachfolgend durch die Untersucherin sowie zwei weitere Ärzte
evaluiert. Außerdem wurde die Dauer einzelner Untersuchungsschritte und das
Auftreten von Störungen der Navigationsfunktion analysiert.

Mittels orientierender Sonografie vor der EMG-Untersuchung konnten bei allen
Probanden die genannten Landmarken zu 100% visualisiert werden. Die Dauer der
einzelnen Untersuchungsschritte wurde für alle Patienten erfasst und der jeweilige
Median ermittelt. So betrug die mediane Dauer der orientierenden Sonografie vor LEMG
1:36 Minuten, der Median der Gesamtuntersuchung eines Kehlkopfmuskels 1:55
Minuten und der aller vier Muskeln 7:58 Minuten. Der Vergleich einzelner
Patientensubgruppen zeigte, dass Frauen eine statistisch signifikant          längere
Gesamtuntersuchungsdauer eines Kehlkopfmuskels als Männer hatten. Für Patienten
mit vorangegangener Hals-Operation wurde für die orientierende Sonografie vor LEMG
signifikant länger benötigt als für Probanden ohne vorherige Eingriffe. Die Auswertung
des Punktionserfolges der Kehlkopfmuskeln ergab bei 55% der Muskeln ein adäquates

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Sonografisch navigierte Elektromyografie des Larynx
EMG-Signal und eine nach sonografischen Kriterien erfolgreiche Muskelpunktion. 23%
der Versuche erreichten nicht den Zielmuskel und bei 22% der Punktionen konnte keine
sichere Aussage getroffen werden. Störungen der Navigationsfunktion traten bei 30%
der Untersuchungen auf, 70% der Versuche verliefen mit zufriedenstellender Funktion
des elektromagnetischen Trackings.

Zusammenfassend konnte sich durch die orientierende Sonografie vor der eigentlichen
EMG-Untersuchung ein guter Überblick über die anatomischen Verhältnisse verschafft
werden, sodass die Durchführung dieses Untersuchungsschrittes aus Sicht dieser Arbeit
weiterzuempfehlen ist. Die erfasste Dauer einzelner Untersuchungsschritte vermittelte
einen Eindruck vom zeitlichen Rahmen der Untersuchung und lieferte Hinweise zu
möglichen Einflussfaktoren auf die Anwendung der neuen Methode. Die navigierte
LEMG unterscheidet sich im Wesentlichen von der herkömmlichen Untersuchung durch
die gleichzeitige Koordinierung der Sonografie und der Platzierung der Nadelelektrode.
Besonders Bewegungen des Kehlkopfes, intralaryngeale Schallauslöschungen, Probleme
bei der Ankopplung der Schallsonde und das veränderte Einstechen der Elektroden
stellen neue Herausforderungen dar. Auch die Vielzahl an Informationen durch das
Navigationssystem konnten teilweise erst beim Betrachten der Videoaufzeichnungen
voll erfasst werden. Trotzdem überwog für die Untersucherin der Vorteil des
Informationszugewinns, sodass aus ihrer Sicht eine Empfehlung zur Nutzung des in der
Studie verwendeten elektromagnetischen Trackingsystems zusammen mit der LEMG
ausgesprochen werden kann. Die Auswertung des Punktionsergebnisses der navigierten
LEMG erbrachte unerwartet wenige erfolgreiche Muskelpunktionen. Zu möglichen
Ursachen kann diese Arbeit keine definitiven Aussagen treffen, da es sich um eine
initiale Erprobungsstudie handelt, es konnten jedoch erste Erfahrungen gesammelt
werden. Störungen der Navigationsfunktion, das Verzeichnungsphänomen und die
partiell anspruchsvolle   Handhaltung während       der Versuche     haben   bei   der
Untersucherin gelegentlich zur Verunsicherung geführt und dadurch möglicherweise die
Beurteilung der Muskelpunktion negativ beeinflusst. Einige Versuche zeigten jedoch
auch in der Sonografie Fehlplatzierungen vor allem in der prälaryngealen Muskulatur,
die lediglich anhand der Beurteilung der Elektrodenführung und des EMG-Signals nicht
aufgefallen wären. Diese Ergebnisse geben Anlass, die herkömmliche LEMG kritisch zu
überdenken, jedoch muss dieser Fragestellung in weiteren geeigneten Studien genauer
nachgegangen werden, um verlässliche Daten sammeln zu können.

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Sonografisch navigierte Elektromyografie des Larynx
1. Einleitung

1.1 Larynxanatomie

Der Larynx trennt den Atem- und Speiseweg und dient neben der Atemgaspassage der
Stimmbildung und dem Schutz der unteren Atemwege vor Aspiration. Zum besseren
Verständnis von Kehlkopferkrankungen und verschiedenen diagnostischen Maßnahmen
sollen nachfolgend die wesentlichen anatomischen Strukturen basierend auf den
Angaben von Zilles und Tillmann (Zilles und Tillmann 2011) rekapituliert werden.

Das Larynx-Skelett wird gebildet vom Schildknorpel, Cartilago thyreoidea, und dem
Ringknorpel, Cartilago cricoidea, die über das Ligamentum conicum und Gelenke
miteinander verbunden sind. Zwischen den dorsal aufsitzenden Arytenoidknorpeln und
der Schildknorpelrückseite spannen sich die Stimmbänder, Ligg. vocalia, auf,
unmittelbar kranial grenzen die Taschenfalten an. Über die Membrana thyreohyoidea
steht der Larynx mit dem Zungenbein in Verbindung.

        Abb. 1.1: Kehlkopfmuskeln in seitlicher Ansicht (Tillmann 2016)

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Sonografisch navigierte Elektromyografie des Larynx
Die motorische Innervation der inneren Kehlkopfmuskeln und die sensible Versorgung
der Subglottis erfolgt über den N. laryngeus recurrens (NLR) des N. vagus. Der N.
laryngeus superior (NLS), ebenfalls ein Ast des N. vagus, versorgt den M. cricothyroideus
(CT) als einzigen äußeren Kehlkopfmuskel und sensibel den Kehlkopfeingang.

Durch den M. cricoarytenoideus lateralis und die Mm. interarytenoideus obliquus und
transversus wird eine Adduktion und durch die M. thyroarytenoideus (TA) und M.
cricothyroideus eine Straffung der Stimmlippen ermöglicht. Der M. cricoarytenoideus
posterior (CAP) gilt als einziger Öffner der Glottis (Abb. 1.1).

Das genaue Zusammenspiel aller Kehlkopfmuskeln, insbesondere nach Auftreten von
Lähmungen und Synkinesien, ist komplex und noch nicht bis ins letzte Detail erforscht
(Benjamin 2003, Crumley 2000).

Elektromyografische Untersuchungen des Kehlkopfes leisten zur Analyse der
neuromuskulären Integrität insbesondere bei Lähmungen einen wichtigen Beitrag.

1.2 Neuromuskuläre Funktionsstörungen des Larynx

Nachfolgend      sollen   Larynxerkrankungen         gewürdigt     werden,         die   mittels
Elektromyografie (EMG) des Larynx diagnostisch weiterführend abgeklärt werden
können.

Läsionen der den Kehlkopf innervierenden Nerven führen zu Einschränkungen der
Motilität bzw. der Sensibilität des Organs und geben am häufigsten Anlass zur
Durchführung     einer    Larynx-Elektromyografie      (LEMG).     Je   nach   Ausmaß       der
Nervenschädigung können nach Seddon drei Schweregrade unterschieden werden
(Chhabra et al. 2014). Besteht durch Druck oder Dehnung des Nervs ohne
Kontinuitätsunterbrechung, jedoch mit lokaler Demyelinisierung eine temporäre
Funktionseinschränkung, wird diese als Neurapraxie bezeichnet. Bei Schädigung des
Axons     mit   erhaltenem    Hüllgewebe     liegt   eine   Axonotmesis,     bei     kompletter
Durchtrennung des Nervs eine prognostisch ungünstige Neurotmesis vor. Klinisch
resultiert je nach Schädigungsgrad eine teilweise oder vollständige Lähmung, bezeichnet
als Parese bzw. Paralyse, die transient oder permanent bestehen kann.

In Abhängigkeit vom Ort der Schädigung können periphere von zentralen Lähmungen
unterschieden werden. Letztgenannte haben oft einen Apoplex, ein Schädel-Hirn-

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Sonografisch navigierte Elektromyografie des Larynx
Trauma, eine Multiple Sklerose, eine Bulbärparalyse oder eine intrakranielle tumoröse
Raumforderung als Ursache.

Periphere Läsionen sind deutlich häufiger und zumeist Folge chirurgischer Eingriffe. Sie
können aber auch durch raumfordernde Prozesse im Nervenverlauf am Hals und im
Thorax links bedingt sein (Takano et al. 2012, Dankbaar und Pameijer 2014).

Durch Schädigung des Nervus vagus kommt es zum Ausfall aller inneren
Kehlkopfmuskeln einer Seite und des äußeren Spanners, des M. cricothyroideus. Durch
die Beteiligung des N. laryngeus superior ist auch die Sensibilität des Kehlkopfeingangs
gestört. Deshalb bestehen bei Vagusparesen häufiger Schluckbeschwerden und eine
Aspirationsneigung.

Bei Vagusläsionen proximal des Abgangs der Rr. pharyngei treten außerdem Paresen
der Gaumen- und Rachenmuskulatur sowie vegetative Begleitsymptome hinzu.

Eine Läsion des Nervus laryngeus recurrens ist am häufigsten Folge einer Schilddrüsen-
oder Nebenschilddrüsenoperation. Bis zu 1% der Eingriffe bedingen eine permanente
Funktionseinschränkung, 10,6% eine transiente Störung (Joliat et al. 2017). Auch andere
chirurgische    Interventionen    am    Hals,   insbesondere      ventrale   Zugänge   zur
Halswirbelsäule sowie Raumforderungen der Lunge, des Mediastinums und der
Speiseröhre, können unter Berücksichtigung des Nervenverlaufs für die Parese
verantwortlich sein. Ebenso können Infektionen mit neurotropen Erregern wie Herpes-
und Influenza-Viren sowie Borrelien die Ursache sein. Ein idiopathisches Geschehen
liegt bei ca. einem Drittel der Fälle vor (Behkam et al. 2017).

Bei isolierter Lähmung der inneren Kehlkopfmuskeln bei erhaltener Funktion des CT
steht die Stimmlippe meist in Paramedianstellung. Patienten mit einseitiger Parese
leiden deshalb oft kaum unter Atem-, aber immer an Stimmbeschwerden. Bei
doppelseitiger Parese des N. laryngeus recurrens mit engem Glottisspalt besteht eine
ausgeprägte Dyspnoe.

Ein Ausfall des Nervus laryngeus superior führt meist zu weniger ausgeprägten
Beschwerden und ist daher eher unterdiagnostiziert. So schwanken die Angaben zu
Verletzungen nach Schilddrüseneingriffen zwischen 0% und 58% (Jansson et al. 1988).
Durch Schwäche des CT ist die Grobspannung der Stimmlippe gemindert. So resultiert
eine nicht steigerungsfähige Stimme mit eingeschränktem Stimmumfang und
Höhenverlust der Singstimme. Aufgrund des supraglottischen Sensibilitätsverlustes
können wie bei der Vagusparese Schluckstörungen und Aspiration auftreten.

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Prinzipiell ist aufgrund der Strecke vom Schädigungsort bis zu den Zielmuskeln im
Kehlkopf die Rückbildung einer Lähmung bis zu einem Jahr nach Symptombeginn
möglich, sofern der Nerv nicht durchtrennt wurde. Permanente Therapiemaßnahmen
sollten daher nur in begründeten Ausnahmefällen zeitiger erfolgen.

Nach traumatischer Nervenläsion können im Rahmen des Reinnervationsprozesses
Axone aus antagonistischen Nervenästen oder benachbarten Nerven in die terminalen
Kehlkopfnervenhüllen einsprossen und zu einer fehlerhaften Innervation mit
Ausbildung von Synkinesien führen. So tritt oft im Verlauf einer Verletzung des NLR eine
ungewollte Aktivitätssteigerung der Schließmuskeln bei intendierter Öffnung durch den
Musculus cricoarytenoideus posterior bei Inspiration oder Schnüffelmanöver auf.

Eine Bewegungsstörung der Stimmlippen kann auch durch Gelenkerkrankungen
(Rheuma, Trauma) bedingt sein. Nach Traumen zum Beispiel bei Strangulation oder bei
Crashintubationen kann es zu Einblutungen und Einrissen der Gelenkkapsel mit
anschließender Ankylose des Krikoarytenoidgelenkes kommen (Shin et al. 2013,
Hamdan und Sarieddine 2013).

Eine Myopathie des Musculus vocalis, welche Folge einer chronischen Entzündung sein
kann, aber auch der altersbedingte Muskelabbau verursacht eine allmähliche
Muskeldegeneration mit Glottisschlussinsuffizienz (Heman-Ackah und Batory 2003).

Bei einer spasmodischen Dysphonie tritt eine krampfartige muskuläre Hyperaktivität
von Kehlkopfmuskeln auf, die eine fokale Störung im motorischen Kortex als Ursache
hat und auch psychischen Einflussfaktoren unterliegt. Häufiger sind dabei die
Adduktoren des Kehlkopfes betroffen, der Abduktor-Typ kommt seltener vor. Als
therapeutischer Ansatz kann unter EMG-Kontrolle gezielt Botulinumtoxin in die
Muskelareale mit übersteigerter Aktivität injiziert werden (Blitzer et al. 1998).

Zusammenfassend führen oben genannte Erkrankungen zu Bewegungsstörungen der
Stimmlippen, die mittels EMG weiter differenziert werden können. Besonders zur
Kontrolle des Erkrankungsverlaufs und zur Abschätzung der Prognose, z.T. aber auch
zur Therapiesteuerung, leistet die Untersuchung einen nützlichen Beitrag.

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1.3 Larynx-EMG

Die Elektromyografie ist eine elektrophysiologische Methode zur Messung von
elektrischen    Muskelaktionspotentialen,       welche     nach    transmittervermittelter
Signalübertragung vom Neuron zur motorischen Endplatte entstehen. Mit Hilfe von
Oberflächen- oder in den Muskel eingebrachten Nadelelektroden können diese
Potentiale registriert und als akustisches oder visuelles Signal wiedergegeben werden
(Heman-Ackah 2002).

1.3.1 Anwendung und Material

Bereits im 19ten Jahrhundert konnten erstmals in experimentellen Untersuchungen
Muskelpotentiale registriert werden (Finger et al. 2009). Später war mit der Einführung
von konzentrischen Nadelelektroden die Durchführung einer intramuskulären EMG und
dadurch die gezielte Ableitung einzelner motorischer Einheiten möglich geworden
(Adrian und Bronk 1929). Die elektromyografische Untersuchung des Larynx ist in den
40er Jahren von Weddell erstmals beschrieben worden (Weddell et al. 1944). Faaborg-
Anderson und weitere Kollegen waren in den darauffolgenden Jahren maßgeblich an der
Weiterentwicklung der Methode beteiligt, sodass sie ab den 80er Jahren des vorigen
Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung gewann (Kotby 1975, Buchthal 1959, Faaborg-
Andersen et al. 1958, Volk et al. 2015).

Nach anfänglicher Euphorie in den 80er Jahren verlor die Larynx-EMG im klinischen
Alltag an Bedeutung. Lediglich als Hilfsmittel für die Aufsuchung des Zielortes für
intralaryngeale Botulinumtoxininjektionen wurde ihr Ende der 90er Jahre noch
nachweisbarer Nutzen zugeschrieben (Sataloff et al. 2004). Später wurde die Indikation
um die Diagnostik von Stimmlippenparesen und Dysphonien erweitert (Rickert et al.
2012, Sataloff et al. 2010). Neue Therapiemöglichkeiten, wie die laryngeale
Reinnervation    (Marina     et   al.   2011)   oder     die   Versorgung   durch   einen
Kehlkopfschrittmacher      (Mueller 2011), kommen nicht ohne eine gründliche
elektrodiagnostische Untersuchung des Larynx aus.

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Durch Überprüfung der neuromuskulären Integrität des Kehlkopfes hilft die EMG bei
der Differenzierung von Motilitätsstörungen durch Erkrankungen der laryngealen
Muskulatur, der Innervation oder der Krikoarytenoidgelenke. Bei Rekurrensparesen
ergänzt sie so die videostroboskopische Diagnostik, wodurch nachweisbar weniger
Fehldiagnosen auftreten (Sataloff et al. 2010). Grundsätzlich sollte die Untersuchung
frühestens ab dem 10.-14. Tag nach Beginn der Beschwerdesymptomatik erfolgen, da
erst ab diesem Zeitpunkt pathologische Signalveränderungen, bedingt durch eine
mögliche axonale Degeneration, auftreten (Rickert et al. 2012).

Zur Durchführung einer transkutanen EMG werden in der Regel konzentrische
Nadelelektroden von mind. 50 mm Länge und 0,45 mm Dicke genutzt (Storck et al.
2012). Diese Elektroden bestehen aus hohlen Stahlnadeln mit einem isolierten Draht im
Inneren,   dessen   Spitze     frei   liegt.   Die   Spannungsdifferenz   zwischen   diesem
Elektrodenpol und der Metallhülle wird gemessen und so die elektrische Aktivität in
einem sphärischen Bereich mit einem Durchmesser von ca. 0,5-1,5 mm registriert.
Dieser wird von der Ausrichtung des Nadelanschliffs beeinflusst, wodurch bereits
lediglich durch axiale Rotation der Nadel andere Muskelfasern detektiert werden
können (Merletti und Farina 2009).

Alternativ dazu werden Hooked-wire-Elektroden transoral unter endoskopischer Sicht
in den Larynx eingebracht. Zwei isolierte Drähte in einer Führungsnadel haben
freiliegende, hakenförmige Enden, welche im Muskel haften und bei guter Toleranz auch
länger verbleiben können als Nadelelektroden. Verschiedene Muskeln können
gleichzeitig abgeleitet werden, indem mehrere Elektroden parallel verwendet werden.
Eine Lagekorrektur ist nach Platzierung nicht mehr möglich, durch ihren geringen
Durchmesser und ihre Biegsamkeit lassen sich die Elektroden jedoch problemlos wieder
entfernen (Basmajian und Stecko 1962, Hillel 2001). Ihre Platzierung erfordert jedoch
eine gründliche Larynxanästhesie oder Narkose.

Bipolare Nadelelektroden mit zwei isolierten Drähten in einer hohlen Stahlnadel
untersuchen einen kleinen Bereich zwischen den abisolierten, freiliegenden Drahtenden
(Elektrodenpolen). Sie messen damit selektiver, sind aber am Markt und in der Praxis
unüblich (Volk et al. 2012).

Zur Injektion von Botox in laryngeale Muskeln, z. B. bei spasmodischer Dysphonie
kommen hohle, monopolare Nadelelektroden zum Einsatz. Anders als bei den o. g.
Elektroden muss hier eine Oberflächenelektrode an einer myoelektrisch inaktiven Stelle,

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meist am lateralen Halsdreieck, angebracht werden. Unter kontinuierlichem EMG-
Monitoring kann so die Lage der Nadelspitze kontrolliert und das Medikament gezielt in
hyperaktive Muskelareale verabreicht werden (Volk et al. 2012, Robert T. Sataloff
2003).

Neben den Elektroden zur Messung der Muskelpotentiale besitzt jedes EMG-Gerät eine
Elektrode zur Erdung des Patienten. Beim Larynx-EMG wird diese in der Regel am
Handgelenk angebracht. Sie schützt die empfindliche Elektronik des Messgerätes und
leitet elektrische Störströme vom Patienten ab.

Die Potentialdifferenz zwischen den Nadelelektroden wird vorverstärkt und durch
einen Differenz-Verstärker von Störsignalen getrennt und digitalisiert. So kann das
EMG-Signal über einen Computer verarbeitet und als Graph sowie Tonsignal
wiedergegeben werden. Ein Mikrophon kann bei einem Mehrkanalgerät zeitgleich zum
elektrischen Signal die Patientenstimme aufzeichnen und ermöglicht einen Abgleich zu
Manövern wie Schnüffeln oder der Phonation des Vocals „I“.

Das Monitoring der Atmung als weiterer Parameter kann über einen Gurt mit
piezoelektrischen Elementen erfolgen, der die Thorax-Exkursionen misst. Eine andere
Möglichkeit ist die Anlage eines Thermistors an Mund oder Nase, der die
Temperaturdifferenz der in- und exspirierten Luft registriert und so die gleiche
Information liefert.

1.3.2 Durchführung

Ein europäischer Konsens zum Vorgehen bei der LEMG wurde von Volk und Kollegen
2012 publiziert (Volk et al. 2012).

Vor Durchführung der LEMG sollte der Patient mittels Laryngoskopie untersucht
werden,    um    anatomische    Besonderheiten    oder   Gefährdungspotentiale   durch
Verschwellung des Atemweges zu erkennen. Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit
beidseitiger Stimmlippenparese ohne vorbestehende Tracheotomie und schmalem
Glottisspalt geboten. Durch Schwellung oder Einblutung kann die Atmung rasch
dekompensieren. Blutungsneigung, bedingt z. B. durch medikamentöse Antikoagulation,
sowie organische oder angeborene Koagulopathien stellen relative Kontraindikationen
dar und müssen kritisch abgewogen werden.

                                                                                   14
Die LEMG erfordert die aktive Mitarbeit des Patienten und kann unter Umständen
unangenehm sein. Eine genaue Aufklärung und klare Anweisungen zur Prozedur sind
daher unerlässlich. Während der Untersuchung befindet sich der Patient in liegender
oder sitzender Position mit rekliniertem Kopf. Zunächst werden Ringknorpel, die
Unterkante des Schildknorpels, Incisura thyroidea und Zungenbein als wichtige
Landmarken aufgesucht und palpiert.

Durch   Lokalanästhesie    im   Bereich    der   Membrana     cricothyroidea   und   der
Trachealschleimhaut soll der Elektrodeneinstich weniger spürbar und Husten während
der Untersuchung vermieden werden. Vorsicht ist jedoch geboten, da ausgiebige
Infiltration die Palpation und so die spätere Orientierung stören kann.

Die Auswahl der abzuleitenden Muskeln richtet sich nach den zuvor erhobenen
Befunden und Verdachtsdiagnosen, aber auch nach der Patiententoleranz. Vor allem bei
einer einseitigen Nervenläsion sollte neben der vermeintlich paretischen auch die
laryngoskopisch mobile Seite untersucht werden, um so das EMG-Signal im Vergleich
besser interpretieren zu können. Bei Verlaufskontrollen kann sich hingegen auf die Re-
Evaluierung von pathologischen Befunden beschränkt werden.

Begonnen wird meist mit der Untersuchung des M. thyroarytenoideus. Sie spiegelt die
Funktion des Schließerastes des N. recurrens wider und wird als vergleichsweise
weniger unangenehm empfunden. Um die Nadelelektrode korrekt platzieren zu können,
wird die Elektrode am Unterrand des Schildknorpels median angesetzt, anschließend in
Bezug zur Sagittalebene 30° nach lateral und in Bezug zu einer Geraden zwischen
Incisura thyroidea und Schildknorpelunterrand 15° nach kranial gerichtet. Nach
Punktion der Membrana cricothyroidea wird die Nadelspitze ca. 15 mm bis zu ihrem
Ziel vorgeschoben. Dabei sollte eine Penetration der Kehlkopfschleimhaut vermieden
werden. Ist dies der Fall, kann starker Hustenreiz eintreten. Ein sinusförmiges EMG-
Signal zeigt an, dass sich die Nadelspitze im Luftweg befindet. Sie sollte dann
zurückgezogen und replatziert werden. Zur Lagekontrolle wird der Patient aufgefordert
den Vokal „iii“ lang zu phonieren oder die Luft anzuhalten. Die dadurch erreichte
Muskelaktivitätssteigerung zeigt sich in einer Verdichtung des Interferenzmusters und
einem Anstieg der Amplituden des EMG-Signals. Eine Abschwächung entsteht während
Exspiration und bei ruhiger Atmung.

                                                                                     15
Wird die Nadelelektrode zu weit lateral vorgeschoben, ist eine Punktion des ebenfalls
vom N. recurrens versorgten M. cricoarytenoideus lateralis möglich. Dieser ist für die
Adduktionsbewegung der Stimmlippen von Bedeutung. Zur Punktion des M.
cricothyroideus wird der Oberrand des Ringknorpels in der Mediansagittalebene
aufgesucht. Der Einstich sollte 5 mm seitlich dieses Punktes mit 50° Neigung nach lateral
und 15° Neigung nach kranial in Bezug auf die Vorderfläche des Ringknorpels
geschehen. Die Nadelspitze muss ca. 15-20 mm vorgeschoben werden, um im Muskel
abzuleiten. Sie bewegt sich dabei tangential auf den Ringknorpelbogen zu. Der Kontakt
zum Perichondrium macht eine korrekte Lage wahrscheinlicher, ist jedoch für den
Patienten schmerzhaft. Während der Phonation eines „iii“ von tiefen zu hohen Tönen hin
steigert sich beim gesunden Muskel das EMG-Signal rasch.

Um den M. cricoarytenoideus posterior zu untersuchen, sind zwei Vorgehensweisen
beschrieben. Der häufig angewandte transluminale Zugangsweg sieht eine zur Unterlage
annähernd senkrechte Nadelführung mit 15° Neigung nach lateral vor. Dabei wird nach
der   Membrana      cricothyroidea   der   Luftweg   gequert   und   anschließend    die
Ringknorpelplatte penetriert. Meist tritt dadurch trotz Anästhesie leichter Hustenreiz
auf. Eine starke Verkalkung der Ringknorpelplatte kann ein korrektes Platzieren der
Nadel erschweren.

Bei guter Lage der Elektrode kann eine EMG-Signal-Aktivitätssteigerung durch
Schnüffeln im gesunden CAP ausgelöst, durch Phonation oder Schlucken reduziert
werden.

Wird die Nadel zu weit vorgeschoben, deutet eine konstant hohe EMG-Aktivität mit
Abschwächung beim Schlucken auf Fehlplatzierung im M. constrictor pharyngis hin.

Eine Alternative zum transluminalen Zugang zum CAP stellt der laterale Zugangsweg
dar. Dabei muss der Larynx jedoch ausreichend mobil sein, um vom Untersucher etwas
rotiert werden zu können, was für den Patienten recht unangenehm sein kann.
Zusätzlich muss der Untersucher die A. carotis tasten und vor der Nadel schützen.

1.3.3 Auswertung

Die Interpretation des Larynx-EMGs wird entweder vom untersuchenden Arzt oder
durch einen Elektrophysiologen vorgenommen. Einen Überblick zur Auswertung des
Signals gibt Heman-Ackah (Heman-Ackah 2002).
                                                                                      16
Bewertet werden die Einstichaktivität, Spontanaktivität, Recruitment und Wellenform
des Signals. Das Einbringen der Elektrode in den Muskel verursacht einen kurzen
Anstieg der elektrischen Aktivität für wenige Millisekunden, da zwischen Nadel und
Muskel zunächst eine Potentialdifferenz besteht. Diese Einstichaktivität ist bei
beginnenden Muskel- oder Nervenschäden aufgrund des instabilen Membranpotentials
verstärkt. Liegen die Schäden hingegen längere Zeit zurück, hat sich bereits elektrisch
weniger aktives Narben- oder Fettgewebe ausgebildet und das Signal schwächt sich ab.

Nachfolgend kann die Aktivität im ruhenden Muskel, die so genannte Spontanaktivität,
beobachtet werden. Diese ist unphysiologisch, tritt 2-3 Wochen nach Denervierung
eines Muskels auf und gilt als schlechter prognostischer Faktor. Gesunde motorische
Einheiten oder ein sich erholender Schaden weisen keine Spontanaktivität auf.

Als Recruitment bezeichnet man die steigende Anzahl und Dichte der Potentiale bei
zunehmender willkürlicher Muskelkontraktion. Bei Nervenfaserverlust schwächt dieses
Interferenzmuster ab. Ein isolierter Muskelschaden führt zu einem zeitiger einsetzenden
Recruitment mit kleineren Amplituden und unveränderter Potentialdichte.

Anhand der Wellenform der Potentiale kann zwischen muskulärem und nervalem
Schaden unterschieden werden. Die Amplitude spiegelt die Anzahl und Stärke der
innervierten    Muskelfasern    wider,    die    Potentialdauer   wird    durch    die
Nervenleitgeschwindigkeit beeinflusst. Eine normale motorische Einheit weist in der
Regel ein biphasisches Potential mit einer Amplitude von 200-500 Mikrovolt und einer
Dauer von 5-6 Millisekunden auf. Muskelfasern, die sich gemeinsam eine Nervenfaser
teilen müssen, zeigen oft ein polyphasisches Potentialmuster.

Insgesamt kann die Dauer und Schwere eines bestehenden Nerven- oder
Muskelschadens abgeschätzt und der Verlauf einer möglichen Regeneration beobachtet
werden. Ein normales Larynx-EMG bei eingeschränkter Stimmlippenbeweglichkeit
schließt eine Rekurrensschädigung weitgehend aus. Infiltrationen durch Tumore oder
Entzündungen oder Krikoarytenoidgelenkerkrankungen sind dann auszuschließen
(Rontal et al. 1993). Mit Hilfe dieser Informationen kann eine bessere Therapieplanung
erfolgen.

Trotz des Zugewinns für die HNO-Diagnostik wird die Larynx-EMG in der klinischen
Routine noch zu selten angewandt (Volk et al. 2018). Die Durchführung der
Untersuchung, insbesondere das korrekte Platzieren der Elektroden in den
vergleichsweise kleinen laryngealen Muskeln, aber auch die Interpretation der Befunde

                                                                                    17
erfordern reichlich Erfahrung und unterliegen oft subjektiven Einflüssen. Schwierige
anatomische Verhältnisse vor allem bei adipösen Patienten, nach Bestrahlung oder
chirurgischen Eingriffen am Hals können ein Hindernis darstellen und die
Untersuchungszeit deutlich verlängern.

Einheitliche Richtlinien bezüglich klinischer Anwendung, Vorgehen, Interpretation und
Aussagekraft des Larynx-EMGs bestanden lange Zeit nicht. Erst 2012 wurde ein
Vorschlag zur Formulierung einer Guideline für Europa veröffentlicht (Volk et al. 2012)

1.4 Larynxsonografie

1.4.1 Anwendungsgebiete und Limitierungen

Die Sonografie hat sich in Deutschland auch für den HNO-Arzt als gut verfügbare,
schnelle und preisgünstige Untersuchungsmethode im klinischen Alltag etabliert und
findet breite Anwendung insbesondere in der Tumordiagnostik. Historisch begann die
medizinische Sonografie im Jahre 1942 mit der von Dussik (Woo 2002) vorgestellten
Darstellung der Seitenventrikel. Erste Beschreibungen zur Anwendung der Sonografie
am Larynx erschienen Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts (Bohme 1989,
Bohme 1988, Raghavendra et al. 1987). Besonders der Einsatz im Kindesalter galt von
Beginn an als Alternative zur bei Kindern schwierigen Laryngoskopie (Grunert et al.
1989).

Gegenwärtig wird die Sonografie des Halses vordergründig zur Erkennung von
Raumforderungen der Schilddrüse, Lymphknotenschwellungen und Metastasen sowie
als Screeninguntersuchung nach Traumen verwendet (Arens et al. 2011). Auch zur nicht
invasiven Beurteilung des Atemwegs in der Anästhesie und Intensivmedizin kann sie
genutzt werden (Kundra et al. 2011).

Der Einsatz zur Larynxdiagnostik wird noch kontrovers diskutiert. Bozzato und
Kollegen befassten sich ausführlicher mit den Limitierungen der Larynxsonografie
(Bozzato et al. 2007). Die Sicht auf eine Vielzahl an kleinen Strukturen auf engem Raum
wird durch intraluminale Luft und die Ossifikation des Schildknorpels behindert. Diese
beginnt in der dritten Lebensdekade im Bereich der Muskelansätze, betrifft bevorzugt

                                                                                     18
Männer und nimmt ab dem 50. Lebensjahr deutlich zu. Zusätzlich erschwert die
prominente Form des Schildknorpels die Ankopplung der Ultraschallsonde. So sind vor
allem dorsale Strukturen wie die Arytenoidknorpel und der Bereich der vorderen
Kommissur durch Schallschatten der Verknöcherungszonen schlecht darstellbar, zum
Teil können sogar keine intralaryngealen Strukturen beurteilt werden. Dennoch
konnten andere Studien den Nutzen der Untersuchung belegen.

Die Larynx-Sonografie kann zur Erkennung von Stimmlippenparesen vor und nach
Schilddrüseneingriffen genutzt werden und weist dabei eine sehr hohe Sensitivität und
Spezifität auf (Woo et al. 2016, Klinge et al. 2016). Speziell die Darstellung der Glottis
gelang in einer Studie von Hu und Kollegen bei Frauen zu 100% und bei Männern zu
75%. Ab dem 60. Lebensjahr lag diese Rate für männliche Probanden jedoch nur noch
knapp über einem Drittel (Hu et al. 2010).

Als Standardverfahren zur Bildgebung von Larynxkarzinomen gelten weiterhin die
Computertomografie und Magnetresonanztomografie (Keberle et al. 2002, Arens et al.
2011). Der Stellenwert der Sonografie wird oft unterschätzt. Insbesondere die
Schildknorpelinvasion gilt als negativer prognostischer Faktor und kann mit der
Sonografie suffizient untersucht werden. Aber auch die Tumorgröße und die
extralaryngeale Ausbreitung kann beurteilt werden, sodass einige Autoren die
Untersuchungsqualität von transkutaner Sonografie in Kombination mit der Endoskopie
für   Larynxkarzinome     der   Computertomografie      und    Magnetresonanztomografie
gleichsetzen (Mende et al. 1996, Bozzato et al. 2007, Hu et al. 2011, Hu et al. 2012).

Zieht man einen Vergleich zur Endoskopie, so bleibt die Laryngoskopie der
Goldstandard, die Sonografie kann aber subepitheliale Strukturen besser darstellen. In
Kombination erhobene Larynx-Befunde können mittels Sonografie reproduziert
werden, sodass die Sonografie vor allem im Kindesalter eine Ausweichmöglichkeit zur
Verlaufs-Endoskopie darstellt (Schade et al. 2003).

Die Endosonografie des Kehlkopfes wurde Ende der 90er Jahre durch Arens und
Kollegen vorgestellt. Sie umgeht die wesentlichen Limitierungen der transkutanen
Larynxsonografie und liefert bei einer Eindringtiefe bis 25 mm detailreiche Bilder.
Jedoch kann sie nur im Rahmen eines Narkoseeingriffes bei einem mit Wasser
ausgefüllten Kehlkopf erfolgen (Kraft und Arens 2008). Damit relativieren sich manche
der eingangs genannten Vorteile dieser Endosonografie, wodurch die Untersuchung
bisher nicht Einzug in die klinische Routine halten konnte.

                                                                                         19
1.4.2 Untersuchungstechnik und Sono-Anatomie

Zur Durchführung der Larynxsonografie wird in der Regel ein Linearschallkopf mit
einem Frequenzbereich von 6-13 MHz genutzt. Der Patient befindet sich in liegender
oder sitzender Position mit leicht überstrecktem Kopf, um eine bessere Exposition des
Kehlkopfs und Ankopplung der Sonde zu ermöglichen. Es können auch Vorlaufstrecken
verwendet werden. Als Standardschallfenster werden meist eine median transversale
und sagittale sowie eine parasagittale Einstellung gewählt. Ein seitliches Aufsetzen des
Schallkopfes parallel zu den Schildknorpelplatten verbessert insbesondere bei Männern
wegen der dort geringeren Verknöcherung die Sicht auf intralaryngeale Strukturen.
(Woo et al. 2016).

Während der Untersuchung sollte der gesamte Bereich zwischen Zungenbein und
laryngotrachealem     Übergang   betrachtet   werden   (Abb.   1.4.1-1.4.5).   Prinzipiell
reflektieren knöcherne Strukturen vollständig Ultraschallwellen und erscheinen als
stark hyperechogene Linien mit distaler Schallauslöschung. Kranial findet sich so das u-
förmige Zungenbein als wichtige Landmarke. Auch Luft führt zu einer starken
Schallreflexion, wodurch sich die Luft-Mukosa-Grenze ebenfalls als echoreiche Linie mit
darunterliegendem Schallschatten und Wiederholungsechos darstellt. Das hat zur Folge,
dass die hintere Kommissur und die Tracheahinterwand nicht einsehbar sind.
Schildknorpel und Ringknorpel bestehen aus hyalinem Knorpel und weisen damit ein
hypoechogenes,       homogenes   Schallbild   auf,   welches    von    hyperechogenen
Kalzifizierungen durchsetzt sein kann. Umgebendes Perichondrium bildet eine zarte,
hyperechogene Linie. Muskel- und Bindegewebe erscheinen leicht hypoechogen mit
inhomogenen, strähnigen oder gefiederten, echoreichen Binnenstrukturen. So sind die
infrahyoidale Muskulatur und der M. sternocleidoideus gut vom Larynx abgrenzbar. Die
sich leicht hyperechogen, homogen darstellende Schilddrüse ist dem laryngotrachealen
Übergang aufgelagert. Die Membrana thyreohyoidea und der präepiglottische
Fettkörper ermöglichen die Sicht auf den größten Teil der Epiglottis. Diese bildet eine
hypoechogene, gebogene Struktur und grenzt sich nach ventral vom echoreichen,
präepiglottischen Fettkörper und nach dorsal zur intraluminalen Luft ab. Kraniale
Anteile der Epiglottis werden meist durch das Zungenbein verdeckt oder durch Luft in
der Vallecula abgeschottet. Die Darstellung der Glottis und der Taschenfalten gelingt
meist durch den Schildknorpel hindurch. Letztgenannte erscheinen durch Drüsen- und

                                                                                       20
Bindegewebe hyperechogen und lassen sich dadurch gut von den in gleicher
Verlaufsrichtung darunter gelegenen Stimmlippen unterscheiden. Diese beinhalten den
Musculus vocalis und sind dadurch eher hypoechogen. Nach lateral werden sie durch
paraglottisches Bindegewebe und das Perichondrium des Schildknorpels, nach medial
durch das echoreiche Ligamentum vocale begrenzt, welches jedoch oft durch die stark
reflektierende Luft-Mukosa-Grenze überstrahlt wird. Der Morgagni-Ventrikel kann als
echoreicher Punkt im parasagittalen Bild zwischen Taschenfalte, Stimmlippe und
Schildknorpel erkannt werden. Die Vorderseite der Stellknorpel ist oft gut durch
echoreiche Reflexionen an ihrer Schleimhaut dorsal der Stimmlippen sichtbar. Die
Membrana cricothyroidea ermöglicht den Blick auf infraglottische Abschnitte und
grenzt sich vor allem im sagittalen Bild als hyperechogene Linie ab. Weitere
Beschreibungen der Sonoanatomie finden sich bei Arens, Singh, Kundra und Klinge
(Arens et al. 2011, Singh et al. 2010, Kundra et al. 2011, Klinge und Mueller 2013).

 Abb. 1.4.1 Taschenbandebene:                 Abb. 1.4.2 Ringknorpelebene: 1 Ringknorpel,
 1 Schildknorpel, 2 gerade Halsmuskulatur,    2 gerade Halsmuskulatur, 3 M. cricothyroideus
 3 Taschenband

                                                                                              21
Abb. 1.4.3 Glottis axial median:               Abb. 1.4.4 Glottis axial lateral: 1 Schildknorpel,
 1 Schildknorpel, 2 gerade Halsmuskulatur,      2 gerade Halsmuskulatur, 3 M. vocalis,
 3 Stimmlippe, 4 Arytenoidknorpel               4 Stimmlippenkante mit Lig. vocale,
                                                5 paraglottisches Bindegewebe

 Abb. 1.4.5 Larynx sagittal: 1 Schildknorpel,
 2 gerade Halsmuskulatur, 3 Ringknorpel,
 4 Taschenband, 5 Stimmlippe,
 6 Morgagni-Ventrikel, 7 Lig. cricothyroideum

1.5 Sonografisch gestützte Punktion

Zur Durchführung von anspruchsvollen medizinischen Punktionen wird zunehmend die
Sonografie als Hilfsmittel genutzt. So kann vor allem bei schwierigen anatomischen
Verhältnissen unter Sichtkontrolle ein Instrument, meist eine Nadel, zum Ziel gelenkt
werden (Miller et al. 2002, Narouze und Provenzano 2013).

Im Vergleich zu Computertomografie oder Fluoroskopie, welche ebenfalls zur
Navigation eingesetzt werden können, bietet der Ultraschall eine detailreichere
Gewebsdarstellung und kommt ohne ionisierende Strahlen aus. Der größte Vorteil liegt
jedoch in der guten Verfügbarkeit der oft transportablen, kleinen Geräte (Gadsden et al.
2015).

                                                                                                 22
Regelmäßig    zum    Einsatz    kommt     die    Sonografie    zur     Unterstützung   von
Gefäßpunktionen,     Leitungsanästhesien,       Biopsien,     Feinnadelpunktionen      und
Gelenkpunktionen (Herth et al. 2006, Damera et al. 2003, Fredrickson und Danesh‐
Clough     2013).      Bei     Punktionen        am     Hals         mit   anschließender
Feinnadelaspirationszytologie zur Differenzierung von Raumforderungen der großen
Kopfspeicheldrüsen oder suspekten Lymphknoten gehört die Methode zur Routine (Cho
et al. 2011, De Jong et al. 1991). Auch der Einsatz am Larynx zur Gewinnung von
Gewebsproben wurde beschrieben (Ansarin et al. 2007). Studien konnten zeigen, dass
so im Vergleich zur alleinigen Orientierung an Landmarken das Risiko für
Fehlpunktionen gesenkt werden konnte (Miller et al. 2002, Denys et al. 1993).

Die Technik ist jedoch nicht leicht zu erlernen und der Untersucher kann sich in falscher
Sicherheit wähnen. Erfolgen Punktionen entlang der langen Schallkopfachse, auch als
„in-plane“ bezeichnet, ist fortwährend auf die Darstellung der gesamten Nadel zu achten.
Bei ungewollter Verdrehung der Ultraschallsonde wird lediglich ein Teil der Nadel im B-
Bild dargestellt, wodurch die tatsächliche Lage der Spitze verkannt werden kann.
Außerdem verschlechtert sich mit steilerem Einstichwinkel die Sichtbarkeit der Nadel in
der Tiefe. Bei Punktionen senkrecht zur Schallebene, „out-of-plane“, wird die Nadel
lediglich als echoreicher Punkt sichtbar, wodurch die Unterscheidung von Schaft und
Spitze erschwert wird (Gadsden et al. 2015).

Aktuell richtet sich die Forschung daher auf die Entwicklung von Systemen, welche die
Visualisierung der Instrumente verbessern. Eine Methode ist das elektromagnetische
Tracking. Die Firma eZono hat basierend auf diesem Prinzip ein eigenes
Navigationssystem, eZGuide (eZono AG, Jena, Deutschland), entwickelt, welches in
Europa seit November 2013 für klinische Anwendungen zugelassen und auf
verschiedenen Geräten der Firma verfügbar ist. Auch Systeme anderer Hersteller nutzen
das elektromagnetische Tracking zur Navigation von Instrumenten, so zum Beispiel
Sonix GPS (UltraSonix, Richmond, BC, Kanada) (Kopac et al. 2013), Aurora (Northern
Digital Inc., Waterloo, Kanada) (Poulin et al. 2015) und eTRAX (CIVCO medical solutions,
Iowa, USA) (Ewertsen et al. 2011).

                                                                                        23
Eine Übersicht über das Wirkprinzip von eZGuide geben die Artikel von Gadsden
(Gadsden et al. 2015) und Franz (Franz et al. 2014). Eine Nadel, die zuvor mit Hilfe eines
Dauermagneten in einen magnetischen Dipol verwandelt wurde, verursacht in dem als
magnetisches Referenzfeld genutzten Erdmagnetfeld Induktionsströme. Diese werden
von einem Detektor, der sich im Sondenkopf der speziellen Ultraschallgeräte befindet,
registriert und in eine farbcodierte Grafik umgerechnet, welche die Nadelposition in
Echtzeit im B-Bild anzeigt. Bis in eine Tiefe von 4 cm kann so das Instrument verfolgt
werden. Sobald sich die magnetisierte Nadel innerhalb von 2 cm Abstand zum
Schallkopf befindet, wird diese registriert und anhand ihrer Orientierung der
extrapolierte   Stichverlauf   als   gestrichelte   Linie   dargestellt.   Der   tatsächliche
Nadelvorschub entlang dieser Markierung wird durch zwei parallele, durchgängige
Geraden widergegeben, innerhalb derer sich die zu navigierende Nadel mit 95%
Sicherheit befinden soll. Bei Nadelführung im „in-plane“-Modus (Abb. 1.5.1) zeigt ein
Quadrat am Ende des Nadelvorschubs die Position der Spitze an. Befindet sich das
Instrument parallel und direkt in der Schallebene, erscheinen alle Grafiken grün. Bei
zunehmender Abweichung ändert sich die Farbe über gelb zu rot. Erfolgt die
Nadelführung „out-of-plane“ oder auch schräg zum Schallkopf (Abb. 1.5.2), werden
Stichrichtung und Vorschub in gleicher Weise dargestellt, das Quadrat jedoch markiert
nun die Stelle, an der die Nadelspitze die Schallebene durchqueren wird. Die
Farbcodierung zeigt hier die Entfernung der Spitze zur Ebene an. Ein Piktogramm am
linken Bildrand informiert fortwährend über die Stellung von Schallkopf und Instrument
zueinander und gibt so eine Orientierungshilfe.

                                                                                          24
Abb. 1.5.1: eZono Navigation in-plane         Abb. 1.5.2: eZono Navigation out-of-plane
(Gadsden et al. 2015)                         (Gadsden et al. 2015)

Störungen können durch elektrische Geräte oder selbst eisenhaltige Instrumente in
naher Umgebung verursacht werden. Deshalb sind eine Kalibrierung der Navigation und
die Einhaltung eines Mindestabstandes von 1 m zu magnetischen Gegenständen oder
Geräten nötig. Ein wesentlicher Vorteil von eZGuide ist der Verzicht auf die Verwendung
spezieller Navigationsnadeln. Stattdessen kann eine Vielzahl an kommerziell
verfügbaren Nadeln genutzt werden, deren Eigenschaften zuvor im System erfasst sein
müssen.

Studiendaten weisen darauf hin, dass mit Hilfe von eZGuide die Rate an erfolgreichen
Punktionen gesteigert sowie die Punktionszeit und die Anzahl an Fehlpunktionen
gesenkt werden können. Bei weniger erfahrenen Anwendern konnte so mehr Sicherheit
beim Erlernen sonografisch gestützter Punktionen erzielt und die Trainingszeit verkürzt
werden (Auyong et al. 2015, Kim et al. 2016, Meiser et al. 2015, Backhaus et al. 2018).

Besonders bei der LEMG könnte durch diese Navigationsmethode die Anwendung
erleichtert und die Auswertung valider gestaltet werden, was es jedoch noch zu prüfen
gilt.

                                                                                           25
2. Ziele der Arbeit

Die EMG-Untersuchung der Larynxmuskulatur gilt als hilfreiches diagnostisches
Verfahren zur Prognoseabschätzung und Therapiesteuerung bei Rekurrensparesen. Da
EMG-Untersuchungen für den HNO-Arzt nicht zum Routinerepertoire gehören, die
Gerätetechnik bislang nur in         wenigen Kliniken      vorgehalten   wird    und   die
Untersuchungstechnik anspruchsvoll ist, findet die Methode zu Unrecht bisher zu wenig
Eingang in die klinische Praxis.

Um die Lernkurve zu erleichtern und eine bessere Lagekontrolle der EMG-Nadel zu
erzielen, sollte das aus der Anästhesie zur Erleichterung von Gefäßpunktionen und
Leitungsanästhesien bekannte Verfahren der sonografiegestützten Navigation der EMG-
Nadel evaluiert werden.

Mit der vorliegenden Arbeit soll nun herausgefunden werden, inwieweit Ultraschall mit
elektromagnetischem Tracking am Larynx zur Unterstützung der EMG-Untersuchung
praktikabel ist. Dazu soll nach sonografischer Identifikation der anatomischen
Landmarken       unter     kontinuierlicher   Navigation   die   Punktion       definierter
Kehlkopfmuskeln vorgenommen und das EMG-Signal abgeleitet werden. Es ist zu
prüfen, ob die Darstellung aller wesentlichen Strukturen möglich ist und die korrekte
Platzierung der EMG-Nadel verfolgt und bestätigt werden kann. Inwieweit das
Verfahren dadurch die Durchführbarkeit und Qualität des Larynx-EMGs positiv
beeinflusst, gilt es zu klären.

Anhand von Patientenbeispielen sollen Vor- und Nachteile der konventionellen und
sonografiegestützten LEMG aufgezeigt werden.

                                                                                        26
3. Material und Methoden

3.1 Studienteilnehmer

Im Zeitraum von Juni 2016 bis Dezember 2017 wurden nach positivem Votum der
Ethikkommission       der   Landesärztekammer    Thüringen      23    Patienten   am   SRH
Waldklinikum Gera mittels sonografisch navigiertem LEMG untersucht. Nach
ausführlicher Aufklärung über das Procedere und die anonymisierte Nutzung ihrer
Daten wurde das schriftliche Einverständnis der Probanden eingeholt (Anhang 1-2).

Eingeschlossen wurden Patienten, bei denen eine laryngeale bzw. stimmliche Pathologie
vorlag, die der weiteren Abklärung durch die LEMG bedurfte. Probanden mit Adipositas
per magna, Entzündung nach operativer Intervention, starker Verschwellung oder
Vernarbung am Larynx wurden ausgeschlossen. Des Weiteren musste eine störungsfreie
Videoaufzeichnung der Sonografie und des Untersuchungssettings vorliegen.

Diese Einschluss- und Qualitätskriterien erfüllend konnten 18 ambulant durchgeführte
LEMG im Rahmen einer Sprechstunde und 2 LEMG stationär behandelter Patienten in
die Studie aufgenommen werden. Die Untersuchungen von 3 Patienten mussten
aufgrund technischer Probleme ausgeschlossen werden. Insgesamt konnten so LEMG-
Messungen     unter    sonografischer    Navigationskontrolle    an    56   Einzelmuskeln
vorgenommen und ausgewertet werden. Bei den 10 weiblichen und 9 männlichen
Patienten reichte die Altersspanne von 33 bis 79 Jahren, der Altersmedian betrug 65
Jahre.

3.2 Untersuchungsablauf

Die Untersuchung aller Patienten als auch die einzelnen Schritte des sonografisch
navigierten LEMG wurden immer durch die gleiche Ärztin durchgeführt. Vorbereitend
erfolgte    die   Erhebung       einer    ausführlichen    Anamnese         sowie      eines
laryngostroboskopischen und eines Stimmbefundes. Begonnen wurde mit der Anlage
aller Messsonden. Der Patient nahm eine bequeme, aufrecht sitzende Position ein, die
während der gesamten Untersuchungszeit beibehalten wurde.

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Danach fand zunächst eine orientierende Sonografie des Larynx statt, wobei die zur
Orientierung wichtigen Landmarken und zu messenden Muskeln (Schildknorpel,
Ringknorpel, Arytenoidknorpel, Luftröhre, Schilddrüse, CT und TA) aufgesucht wurden.

Um die Schmerzhaftigkeit der LEMG-Nadelpunktion zu reduzieren, wurden der Bereich
um die Membrana cricothyroidea und die Trachealschleimhaut nachfolgend durch
Injektionen von 0,5-1 ml Lidocain 2% (Mibe GmbH, Brehna, Deutschland) anästhesiert.

Nach einer Einwirkzeit von 1-2 Minuten erfolgte die navigationsgestützte Punktion der
Larynxmuskeln und Ableitung des EMG-Signals. Dabei wurden die Reihenfolge und der
Umfang der zu untersuchenden Muskeln abhängig von der Fragestellung, Vorbefunden
und der patientenseitigen Toleranz der Untersuchung individuell festgelegt.

Der gesamte Ablauf wurde als Videoaufzeichnung durch eine Kamera (Sony HDR-SR11
60 GB Camcorder, Sony, Tokio, Japan) festgehalten, woraus später kurze, prägnante
Sequenzen      herausgeschnitten     wurden,       in   denen      die     wesentlichen
Untersuchungsabschnitte zu sehen waren. Das separat aufgenommene sonografische B-
Bild wurde zeitsynchron und vergrößert mit eingeblendet.

Im Abschluss an die Messungen am Patienten erfolgte die Auswertung des EMG durch
die Untersucherin. Dabei wurde das Signal für jeden einzelnen Muskel und die
zugehörige Nervenversorgung interpretiert und die Qualität der Ableitung bewertet.
Zudem wurden die sonografische Darstellbarkeit der anatomischen Strukturen vor dem
LEMG und die Übereinstimmung der Sono-Navigation mit dem LEMG-Signal beurteilt.
Die Ergebnisse wurden als schriftlicher Befund (Anhang 3) und in einer
Auswertungsübersicht gespeichert.

Um die Reliabilität der Bewertung der Ultraschall-Filmsequenzen beurteilen zu können,
wurden diese später zusätzlich durch zwei weitere sonografisch erfahrene HNO-Ärzte
des SRH Waldklinikums Gera bezüglich erfolgreicher Punktion der zu untersuchenden
Muskeln und Störungen der Nadelnavigationsfunktion reevaluiert. Als ‚getroffen‘ wurde
gewertet, wenn der Nadelspitzenreflex sichtbar im Muskel zu liegen kam oder das die
Nadelspitze markierende Quadrat sich an entsprechender Stelle befand.

Auch die Dauer in Minuten der Untersuchungsschritte „Sonografie des Larynx ohne
Navigation“, „Einstellung des optimalen Schallfensters mit Navigation“ und „LEMG unter
Navigation“   wurden     erfasst,   ebenso   das    Vorliegen   von      Störungen   der
Nadelnavigationsfunktion (Abbruch oder Unterbrechung der Navigationsfunktion mit
fehlender Anzeige der Navigationsgrafik im B-Sonogramm).

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