STEUERN+RECHT - PWC BLOGS
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blogs.pwc.de/steuern-und-recht steuern+recht Januar – März 2017 Lizenzschranke geplant US-Steuerreform Neue Regeln sollen Ausweichen auf Niedrig- Handlungsbedarf für deutsche Unternehmen steuerländer verhindern Förderung von Elektromobilität Rückwirkende Korrektur von Auswirkungen auf die Lohnsteuer Rechnungen Welche Mindestanforderungen erfüllt sein müssen Erneuerbare Energien Frankreich präsentiert Maßnahmenpaket Januar – März 2017 steuern+recht 1
Inhalt Seite 6 Steuergestaltungen internationaler Konzerne: Lizenzschranke geplant Steuern aktuell ..................................... 4 Länderreport ........................................ 43 Lohnsteuer ........................................... 25 Die Serie ............................................... 45 Arbeitsrecht .......................................... 29 Ticker ................................................... 46 Recht aktuell ........................................ 36 Impressum ............................................ 47 Zoll ....................................................... 38 Steuern A bis Z Rückwirkende Korrektur von Rechnungen .................... 11 Geplante US-Steuerreform – Handlungsbedarf für deutsche Unternehmen ................................................. 23 Ort der Lieferung bei Versendung über Konsignationslager ........................................................ 15 Alles zum Thema Abschlussprüfungsreform – kompakt, übersichtlich und informativ ......................................... 24 Zur Besteuerung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts ....................................................... 17 Frankreich passt Förderung erneuerbarer Energien ab Seite 11 europäischen Vorgaben an ............................................ 20 2 steuern+recht Januar – März 2017
Editorial „Lizenzboxregelungen im Visier“ Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl ist ein neues Prestige- Um ein wegweisendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs objekt ins Visier der Beamten gerückt, die sich um das Wohl und seine Auswirkungen geht es im Beitrag „Rückwirkende der Staatskasse sorgen: die Lizenzeinnahmen aus gewerbli- Korrektur von Rechnungen“ von Martin Diemer und Franz chen Schutzrechten – im Prinzip ein alltägliches, aber überaus Kirch. Der EuGH erließ Ende letzten Jahres zwei Urteile, die lukratives Geschäft. Nunmehr soll die steuerliche Abzugsmög- sich mit der Korrektur unvollständiger Rechnungen und der lichkeit für Lizenzaufwendungen des Unternehmens in Frage befassen, unter welchen Voraussetzungen Rechnungen Deutschland eingeschränkt werden, wenn damit im Empfän- überhaupt zu korrigieren sind. Kurze Zeit später schloss sich gerland Lizenzeinnahmen entstehen, die aufgrund eines als der Bundesfinanzhof den Luxemburger Kollegen an. Warum schädlich eingestuften Präferenzregimes nicht oder nur nied- diese Entscheidungen die Umsatzsteuerpraxis bis auf Weiteres rig (unter 25 Prozent) besteuert werden. Denn genau das beschäftigen werden, erfahren Sie auf den Seiten 11 bis 14. bereitet Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble Sorgen. „Die Bundesregierung schiebt der Gewinnverlagerung über Eine anregende Lektüre aller Beiträge dieser Ausgabe und Patentboxen zur reinen Steuergestaltung einen Riegel vor“, einen schönen Frühling wünscht Ihnen verkündete er, kurz nachdem das Bundeskabinett den Ent- wurf eines Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Überlassung von Rechten beschlossen hatte. Um welche neuen Spielregeln es sich handelt und wann sie anzuwenden sein sollen, erfahren Sie in unserem Titel Marius Möller beitrag „Steuergestaltungen internationaler Konzerne: Lizenzschranke geplant“ auf den Seiten 6 bis 10. Während die geplante Lizenzschranke noch in den Gremien von Bundestag und Bundesrat beraten wird, hat ein anderes Regelwerk die parlamentarische Hürde bereits im letzten Jahr genommen. Die Rede ist vom Gesetz zur steuerlichen Förde- rung der Elektromobilität im Straßenverkehr. Es trat am 17. November 2016 in Kraft und führt weitere Steuererleichte- rungen für den Bereich E-Mobility ein. Welche Vergünstigun- gen lohnsteuerrechtlich relevant sind, hat unser Experte Man- fred Karges auf den Seiten 26 bis 28 für Sie zusammengefasst. Januar – März 2017 steuern+recht 3
Steuern aktuell Kampf gegen Geldwäsche schen Analyse liegen. Zudem soll sie Mit dem nun vom Bundesfinanzministe- und die Finanzierung von erstmals eine Filterfunktion erfüllen. rium vorgelegten Entwurf soll die Um die Strafverfolgungsbehörden zu GAufzV an die gesetzlichen Änderungen Terrorismus: neue Regeln entlasten, werden nur noch „werthalti- in Bezug auf die Gliederung der Verrech- ge“ Verdachtsmeldungen an die Straf- nungspreisdokumentation angepasst verfolgungsbehörden weitergeleitet. werden in eine landesspezifische, unter- nehmensbezogene Dokumentation (Local File) und eine Stammdokumenta- tion (Master File). Weitere Inhalte dieser Rahmen für Bußgelder Verordnung sind insbesondere redaktio- deutlich angehoben nelle Anpassungen und Klarstellungen. Damit die rechtlichen Vorgaben zur Verhinderung von Geldwäsche auch Einprozentregelung: eingehalten werden, wird der Bußgeld rahmen für schwerwiegende, wieder Nutzung eines Die Bundesregierung hat am 22. Februar holte und systematische Verstöße deut- ausländischen Kfz 2017 den Entwurf eines Gesetzes zur lich angehoben. Zudem veröffentlichen Umsetzung der Vierten Geldwäsche- die Aufsichtsbehörden künftig unan- Existiert für das betrieblich genutzte Kfz richtlinie der Europäischen Union (EU), fechtbar gewordene Bußgeldentschei- kein inländischer Bruttolistenpreis und zur Ausführung der EU-Geldtransfer dungen auf ihrer Internetseite. ist das Fahrzeug auch nicht mit einem verordnung und zur Neuorganisation Modell bau- oder typengleich, für das der Zentralstelle für Finanztransaktions ein inländischer Bruttolistenpreis exis- untersuchungen beschlossen. Damit tiert, muss der inländische Bruttolisten- sollen in erster Linie Maßnahmen zur Gewinnabgrenzung: preis geschätzt werden. Prävention von Geldwäsche und der Diskussionsentwurf Finanzierung von Terrorismus aktuali- veröffentlicht Im Rahmen einer solchen Schätzung siert und gestärkt werden. gibt bei einem ausländischen Kfz, das Durch das Gesetz zur Umsetzung der nach Deutschland importiert wurde, der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie Kaufpreis des Importeurs die Bemes- und von weiteren Maßnahmen gegen sungsgrundlage für den individuellen Zentralstelle wird Gewinnkürzungen und -verlagerungen Vorteil der privaten Kfz-Nutzung reali- umstrukturiert und erhält mehr Personal Kaufpreis des Importeurs als Bemes- sungsgrundlage Bislang war die Zentralstelle für Finanz transaktionsuntersuchungen (FIU) unter dem Namen „Zentralstelle für Verdachtsmeldungen“ beim Bundes kriminalamt im Geschäftsbereich des vom 20. Dezember 2016 sind die gesetz- tätsnah wieder, so das Niedersächsische Bundesinnenministeriums angesiedelt. lichen Regelungen zu den Aufzeich- Finanzgericht (FG). Im Streitfall war das Nun wird sie in die Generalzolldirektion nungspflichten des § 90 Absatz 3 der betreffende Fahrzeug (ein Ford Mustang überführt, also in den Geschäftsbereich Abgabenordnung modifiziert worden. Shelby GT 500 Coupé) aus den USA des Bundesfinanzministeriums. Zu- Dementsprechend ist auch eine Anpas- importiert worden. gleich werden ihre Aufgaben und Kom- sung der Gewinnabgrenzungsauf petenzen unter Berücksichtigung der zeichnungsverordnung (GAufzV) vom Der inländische Bruttolistenpreis ist zu Vorgaben der Vierten EU-Geldwäsche- 13. November 2003 erforderlich. schätzen, wenn ein solcher für das je- richtlinie neu geregelt. Ein Schwerpunkt weilige Fahrzeugmodell nicht existiert. wird auf der operativen und strategi- Nach Auffassung des FG bestand hier 4 steuern+recht Januar – März 2017
eine Schätzungsbefugnis des Finanz- Nutzen mehrere Steuerpflichtige ein Aufwendungen für ein häusliches Ar- amts, da eine Ableitung und Ermittlung häusliches Arbeitszimmer gemeinsam, beitszimmer ist danach jedem Steuer- des inländischen Bruttolistenpreises kann jeder Nutzende die Aufwendungen pflichtigen zu gewähren, dem für seine durch Währungsumrechnung der aus- für das häusliche Arbeitszimmer, die er betriebliche oder berufliche Tätigkeit ländischen Händlerpreisempfehlung getragen hat, einkünftemindernd gel- kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung nicht dem Sinn und Zweck der Ein- tend machen. Die daran geknüpfte Be- steht, wenn er in dem Arbeitszimmer prozentregelung und des inländischen dingung: Die Voraussetzungen des § 4 über einen Arbeitsplatz verfügt und die Bruttolistenpreises als Bemessungs- Absatz 5 Satz 1 Nummer 6b Satz 2 Ein- geltend gemachten Aufwendungen grundlage entspricht. Dadurch soll näm- kommensteuergesetz liegen in seiner getragen hat. Der BFH hat zudem klar- lich der Vorteil der Nutzungsüberlas- Person vor. Der Bundesfinanzhof (BFH) gestellt: Die Kosten sind bei Ehegatten sung eines betriebsbereiten Kfz bewertet hat damit seine Rechtsprechung in zwei jedem Ehepartner grundsätzlich zur werden. Es sollen dadurch nicht die Streitfällen zugunsten der Steuerpflich- Hälfte zuzuordnen, wenn sie bei hälfti- tatsächlichen Neuanschaffungskosten tigen geändert. gem Miteigentum ein häusliches Ar- oder der gegenwärtige Wert des Kfz Änderung der Rechtsprechung abgebildet werden, sondern das, was durch die Nutzungsüberlassung erspart zugunsten der Steuerpflichtigen wird. Dazu zählen auch die laufenden Kosten, die in den tatsächlichen An- schaffungskosten nicht enthalten sind. Damit ist der Bruttolistenpreis eine ge- neralisierende Bemessungsgrundlage, Bislang sind die obersten Finanzrichter beitszimmer gemeinsam nutzen. Nicht die aus typisierten Neuanschaffungskos- von einem objektbezogenen Abzug der geprüft hatte die Vorinstanz, ob der ten den Nutzungsvorteil insgesamt zu Aufwendungen für ein häusliches Ar- Klägerin in dem Arbeitszimmer ein eige- gewinnen sucht. Dies berücksichtigend beitszimmer ausgegangen. Das bedeu ner Arbeitsplatz in dem für ihre beruf ist das FG zu dem Ergebnis gekommen, tete: Die abziehbaren Aufwendungen liche Tätigkeit konkret erforderlichen dass bei einem nach Deutschland impor- waren, unabhängig von der Zahl der Umfang zur Verfügung stand. Der BFH tierten Kfz der Kaufpreis des Importeurs nutzenden Personen, auf 1.250 Euro hat die Sache deshalb an das FG zurück- einen zu schätzenden inländischen begrenzt. Nun kann der Höchstbetrag verwiesen. Bruttolistenpreis realitätsnah wieder- von jedem Steuerpflichtigen in voller gibt. Gewinnmargen weiterer Autohänd Höhe in Anspruch genommen werden, Im zweiten Fall (VI R 86/13) betonte ler sind demnach bei der Schätzung der das Arbeitszimmer nutzt, sofern in der BFH darüber hinaus: Für den Abzug nicht einzubeziehen. seiner Person die gesetzlichen Voraus- der Aufwendungen für ein häusliches setzungen erfüllt sind. Arbeitszimmer muss feststehen, dass dort tatsächlich eine berufliche oder Häusliches Arbeitszimmer: Im ersten entschiedenen Fall (VI R betriebliche Tätigkeit entfaltet wird. 53/12) nutzten die Kläger gemeinsam Außerdem müsse der Umfang dieser Nutzung durch mehrere ein häusliches Arbeitszimmer in einem Tätigkeit glaubhaft erscheinen lassen, Steuerpflichtige Einfamilienhaus, das ihnen jeweils zur dass der Steuerpflichtige hierfür ein Hälfte gehörte. Finanzamt und Finanz- häusliches Arbeitszimmer vorhalte. Das gericht (FG) erkannten die Aufwendun- hatte das FG nicht aufgeklärt. Der BFH gen für das häusliche Arbeitszimmer musste die Vorentscheidung daher auch von jährlich rund 2.800 Euro dabei nur in diesem Verfahren aufheben und die in Höhe von 1.250 Euro an und ordneten Sache an das FG zurückverweisen. diesen Betrag den Klägern je zur Hälfte zu. Der BFH hat diese Vorentscheidung aufgehoben. Der auf den Höchstbetrag von 1.250 Euro begrenzte Abzug der Januar – März 2017 steuern+recht 5
Leitartikel Verzahnt. Ein neuer Paragraf im Ein- kommensteuergesetz soll die steuer liche Behandlung von Lizenzeinnahmen neu justieren. Steuergestaltungen internationaler Konzerne: Lizenzschranke geplant Die Bundesregierung hat am 25. Januar 2017 den Entwurf eines Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit der Überlassung von Rechten beschlossen. Damit soll verhindert werden, dass multinationale Unternehmen Gewinne durch Lizenz- zahlungen in Staaten mit besonderen Präferenzregelungen (soge- nannten Lizenz-, Patent- oder IP-Boxen) verschieben, die nicht den Anforderungen des Projekts entsprechen, das die OECD und die G20 beschlossen haben, um gegen Gewinnkürzung und Gewinn- verlagerung vorzugehen. Um die Beschränkung des Abzugs umzu- setzen, wird ein neuer Paragraf 4j Einkommensteuergesetz einge- führt, der erstmals für Aufwendungen angewendet werden soll, die nach dem 31. Dezember 2017 entstehen. 6 steuern+recht Januar – März 2017
dürfen seit dem 1. Juli 2016 keine neuen geistigen Eigentums- werte oder Steuerpflichtige mehr aufgenommen werden. Auf Bestandsfälle dürfen derartige Präferenzregelungen aber maximal bis zum 30. Juni 2021 weiter angewendet werden. Einführung einer Abzugsbeschränkung als Abwehrmaßnahme Da nicht auszuschließen ist, dass es auch künftig Präferenzre- gelungen geben wird, die nicht dem Nexus-Ansatz entspre- chen, und eine Vielzahl der deutschen Doppelbesteuerungsab- kommen einen Nullsteuersatz auf Lizenzzahlungen vorsieht, ist es weiterhin möglich, dass Unternehmen Gewinne durch Lizenzzahlungen in entsprechende Staaten verlagern. Um das zu vermeiden, will die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einen neu gefassten § 4j Einkommensteuerge- setz (EStG) einführen. „Wir dulden nicht mehr, dass internati- onale Konzerne ihre Lizenzeinnahmen in Niedrigsteuerländer verschieben, ohne dass es dort einen Forschungsbezug gibt“, begründete Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble den Kabinettsbeschluss. Entsprechende Abwehrmaßnahmen hatte jüngst auch der Bundesrat in einer Entschließung gefordert Im Abschlussbericht zu Aktionspunkt 5 des Projekts gegen und zumindest ein beschlussfähiges Ergebnis noch für die Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and laufende Legislaturperiode angemahnt. Profit Shifting, BEPS) haben sich die beteiligten Staaten auf Rahmenbedingungen für Regelungen verständigt, mit denen Nach § 4j EStG sind Aufwendungen für Rechteüberlassungen sie für bestimmte Einnahmen, die aus qualifiziertem geisti- durch eine nahestehende Person im Sinn des § 1 Absatz 2 gem Eigentum resultieren, eine steuerliche Vorzugsbehand- Außensteuergesetz nicht oder nur zum Teil abziehbar, wenn lung (Lizenz-, Patent- oder IP-Boxen) vorsehen dürfen. Der die Zahlung beim Empfänger niedrig besteuert wird (Ertrag- sogenannte Nexus-Ansatz prüft, ob eine derartige Präferenz- steuerbelastung unter 25 Prozent) und eine niedrige Besteue- regelung die gewährten Steuervergünstigungen vom Umfang rung nicht bereits auf der Regelbesteuerung in dem betreffen- der Tätigkeiten der begünstigten Steuerpflichtigen im Bereich den Staat, sondern auf einer besonderen Präferenzregelung Forschung und Entwicklung (FuE) abhängig macht. Er baut (etwa der „Lizenzbox“) beruht. Um Ausweichmanöver zu auf dem Grundprinzip auf, auf dem Steuergutschriften für verhindern, ist die Regelung dabei auch auf Fälle mit Zwi- FuE und ähnliche ausgabenorientierte Steuerregelungen schenschaltung weiterer nahestehender Personen anzuwen- beruhen. In diesen ausgabenorientierten Regelungen sind den. Ferner sind auch Betriebsstätten potenzielle Schuldner Ausgaben und Steuervergünstigungen direkt miteinander oder Gläubiger im Sinn der Vorschrift. Sofern die Tatbestands- verknüpft, weil die Ausgaben zur Berechnung der Steuerver- voraussetzungen der Regelung erfüllt sind, werden die Auf- günstigung herangezogen werden. wendungen nur mit dem Anteil zum Abzug zugelassen, der dem Verhältnis von Ertragssteuerbelastung beim Gläubiger Der Nexus-Ansatz dehnt diesen Grundsatz auf Steuerregelun- der Zahlung zu einer 25-prozentigen Steuerbelastung ent- gen aus, die sich auf Einnahmen beziehen, die nach der Schaf- spricht. Das bedeutet: Je höher die steuerliche Belastung beim fung und Nutzung geistigen Eigentums erzielt wurden. Kurz Gläubiger ist, desto höher ist auch der abziehbare Anteil beim gesagt werden hierbei die Ausgaben für eigene und bei frem- Schuldner. den Dritten in Auftrag gegebene FuE-Tätigkeiten unter Bezug auf den geistigen Eigentumswert ins Verhältnis zu den Ge- samtausgaben für dessen Entwicklung gesetzt, die zusätzlich Im Februar 2017 hat die Bundesregierung im Rahmen Anschaffungskosten für geistiges Eigentum und Aufwendun- parlamentarischer Fragen erläutert, in welchen Ländern gen für die Auftragsforschung durch Nahestehende umfassen. der Europäischen Union – nach ihrem Kenntnisstand – Zu dem Anteil, der sich aus dieser Anrechnung ergibt, sind die derzeit entsprechende begünstigende Steuerregimes für Gesamteinkünfte aus dem geistigen Eigentumswert begünsti- sogenannte Lizenzboxen existieren und wie oder in gungsfähig. Übersteigen die durch eine Präferenzregelung welchem Umfang in den betreffenden Ländern dagegen begünstigten Einkünfte diesen Betrag nicht, erfüllt die Rege- vorgegangen wird. lung das Erfordernis der wesentlichen Geschäftstätigkeit. Im Präferenzregime, das nicht dem Nexus-Ansatz entspricht, Januar – März 2017 steuern+recht 7
Überwachung der Umstellung in den einzelnen Staaten auf Dazu der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Michael den Nexus-Ansatz erfolgt bisher durch die EU beziehungs Meister wörtlich: „Die folgenden europäischen Mitglied- weise OECD. Dabei erfolgt jedoch nur eine staatenweise staaten haben eine sogenannte Lizenzbox: Belgien, Typenprüfung. Die Erfüllung der Nexus-Voraussetzungen und Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, deren Umfang im Einzelfall bleiben jedoch offen. Nach Malta, Niederlande, Portugal, Spanien, Ungarn, Zypern. A nsicht der Länderkammer besteht deshalb Klärungsbedarf, welche nationalen Prüfungsmaßnahmen notwendig sind und Österreich hat zum 1. März 2014 in § 12 Ziffer 10 öKStG wie deren praktischer Vollzug gewährleistet werden kann. [österreichisches Körperschaftsteuerrecht, die Redak tion] ein Abzugsverbot für Zins- und Lizenzzahlungen Klarstellung beim Gläubiger (§ 4j Absatz 1 EStG und eingeführt. § 4j Absatz 2 Satz 3 EStG) Der Gläubiger im Sinn des § 4j EStG kann auch eine im Aus- Die österreichische Regelung sieht ein vollständiges land transparent besteuerte Personengesellschaft oder eine Abzugsverbot vor, wenn die Vergütungen beim Empfän- zum Beispiel nach dem Check-the-box-Verfahren transparent ger nicht mindestens einer Körperschaftsteuer von 10 besteuerte Kapitalgesellschaft sein. Die vom Bundesrat nun- Prozent unterliegen. Sofern eine Besteuerung mit min- mehr vorgeschlagenen Änderungen, unter anderem die destens 10 Prozent erfolgt, wird der Betriebsaus Wörter „beim Gläubiger“ durch die Wörter „des Gläubigers“ gabenabzug in voller Höhe zugelassen.“ zu ersetzen, dienen der Klarstellung. In Fällen, in denen der Gläubiger eine rechtsfähige, aber nach dem Steuerrecht Fundstelle ihres Sitzstaats transparent besteuerte Einheit ist, soll so die Deutscher Bundestag, 17. Februar 2017 A nwendbarkeit der Vorschrift sichergestellt werden. (Drucksache 18/11220) Verweis auf BEPS-Report der OECD angeregt Der Bundesrat bittet überdies, im weiteren Gesetzgebungs Zu keiner Abzugsbeschränkung soll es aber kommen, wenn verfahren zu prüfen, ob in § 4j Absatz 1 EStG die Sätze 4 bis 6 die niedrige Besteuerung der Einnahmen beim Gläubiger aus durch einen Verweis auf den OECD-Bericht zum BEPS-Aktions einer Präferenzregelung resultiert, die auf Rechte beschränkt punkt 5 ersetzt werden können. Begründung der a ngeregten ist, denen eine substanzielle Geschäftstätigkeit zugrunde Änderung: § 4j Absatz 1 Satz 4 soll regeln, dass die Lizenz- liegt. Diese soll nach dem Entwurf nur dann gegeben sein, schranke nicht gilt, wenn die ausländische Präferenzregelung wenn der Gläubiger das Recht überwiegend im Rahmen seiner dem Nexus-Ansatz der OECD entspricht. Die beiden folgenden eigenen Geschäftstätigkeit entwickelt hat. Soweit die Präfe- Sätze versuchen, den Nexus-Ansatz eigenständig zu definie- renzregelung Einnahmen aus der Überlassung von Marken- ren. Dies birgt nach Ansicht der Ländervertreter die Gefahr, rechten begünstigt, greift die Ausnahme nicht. Ebenfalls vor- dass die Definition durch Verwaltung und Rechtsprechung gesehen ist eine Ausnahme für solche Maßnahmen, die an abweichend von der OECD-Auslegung allein nach dem natio- eine ausländische Zwischengesellschaft im Sinn der §§ 7 ff. nalen Wortlaut interpretiert wird. Außensteuergesetz (AStG) geleistet werden und nach § 10 AStG zu einer Hinzurechnungsbesteuerung führen. Dadurch Belastung bei mehreren Gläubigern soll eine doppelte Belastung sowohl durch die Versagung des 4j Einkommensteuergesetz sieht vor, dass Aufwendungen für Betriebsausgabenabzugs für die Rechteüberlassung als auch Rechteüberlassungen durch eine nahestehende Person im durch eine Hinzurechnung der Einkünfte der Zwischengesell- Sinn des § 1 Absatz 2 AStG nicht oder nur zum Teil abziehbar schaft aus dem überlassenen Recht vermieden werden. sind, wenn die Zahlung beim Empfänger niedrig besteuert wird (Ertragsteuerbelastung < 25 Prozent) und eine niedrige Besteuerung nicht bereits auf der Regelbesteuerung in dem betreffenden Staat, sondern auf einer besonderen Präferenz- Erste Reaktionen: Bundesrat bezieht regelung (zum Beispiel „Lizenzbox“) beruht. Nach der Stel- Stellung lungnahme des Bundesrats ist bei mehreren Gläubigern dabei die niedrigste Belastung maßgeblich. Die Ergänzung diene der In seiner Sitzung am 10. März 2017 hat der Bundesrat zum Klarstellung, auf welche Belastung bei mehreren Gläubigern Gesetzentwurf erstmals Stellung genommen. Nur wenige abzustellen sei. Tage später hat die Bundesregierung auf die Stellungnahme der Länderkammer reagiert und ihre Gegenäußerung im Ka- Steuerbegünstigung für Deutschkurse binett beschlossen. Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit eine Steuerbegünstigung für Deutschkurse, Nachfolgende Vorschläge der Länderkammer wird die Arbeitgeber zur beruflichen Integration bei ihnen beschäf- die Bundesregierung danach prüfen: tigter Flüchtlinge anbieten, in das Einkommensteuergesetz aufgenommen werden kann. Nachweis gewährleistet Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu Neu: Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen prüfen, ob die erforderlichen Nachweise für die Inanspruch- vorgesehen nahme der Rückausnahme von der Abzugsbeschränkung und Neu ins Gesetz aufgenommen werden soll eine Regelung zur zur Erfüllung des Nexus-Ansatzes bereits im Rahmen heutiger Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen. Betriebsver- Dokumentationspflichten eingefordert werden können und ob mögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schul- es dazu ergänzender Regelungen bedarf. Begründung: Die denerlass zum Zweck einer unternehmensbezogenen Sanie- 8 steuern+recht Januar – März 2017
rung sind auf Antrag steuerfrei, wenn das Unternehmen sanierungsbedürftig und sanierungsfähig ist, der Schulden Plans to restrict the deduction of royalty erlass als Sanierungsmaßnahme geeignet ist und aus betrieb expenses to combat tax planning by lichen Gründen und in Sanierungsabsicht der Gläubiger international groups. erfolgt. Das gilt auf Antrag und unter den gleichen Voraus setzungen auch für die Gewerbesteuer. On January 25, 2017 the federal government ap proved a draft of the Act to Combat Harmful Tax Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 3a (neu) Practices in connection with the Licensing of Rights. EStG hat dabei zur Folge, dass The intention is to prevent multinational businesses • zum Ende des vorangegangenen Veranlagungszeitraums from transferring their royalty income to countries, festgestellte Verlustvorträge zu Beginn des Veranlagungs- which offer such income preferential treatment. Such zeitraums der Entstehung des Sanierungsgewinns entfallen preferential tax regimes (so-called Licence Boxes, und Patent Boxes or IP-Boxes) are considered not to meet • im Sanierungsjahr entstehende negative Einkünfte nicht the demands of the OECD and G20 BEPS Project. A mit anderen positiven Einkünften ausgeglichen und nicht new provision is to be introduced to the Income Tax in anderen Veranlagungszeiträumen abgezogen werden Act (ITA) for this purpose; the new provision should können. be applied to expenses arising after December 31, 2017. Ergänzend hierzu wird geregelt: Betriebsvermögensminde- rungen oder Betriebsausgaben, die mit einem steuerfreien In Action 5 of the Final Report of the BEPS Project, the Sanierungsgewinn in unmittelbarem wirtschaftlichem Zu- participating countries agreed upon a framework for sammenhang stehen, dürfen unabhängig davon, in welchem measures, according to which the states might provide for a Veranlagungszeitraum der Sanierungsgewinn entsteht, nicht preferential tax treatment (Licence Boxes, Patent Boxes or abgezogen werden. IP-Boxes) to certain income resulting from qualifying intellectual property (IP). The “nexus” approach examines, Begründung für diese ins Gesetz neu aufgenommene Rege- whether such a preferential treatment is dependent upon the lung: Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Län- amount of research and development (R&D) activities of the der haben die Besteuerung von Sanierungsgewinnen nach taxpayer benefitting from the scheme. It is based on general Streichung des § 3 Nummer 66 als in einem Zielkonflikt mit principles, which apply to tax benefits for R&D and similar der Insolvenzordnung stehend bewertet. Dementsprechend expense-orientated tax rules. Under these expense-orientated wurden bislang auf der Grundlage des BMF-Schreibens vom tax rules, expenses and tax benefits are directly related to one 27. März 2003 sachliche Billigkeitsmaßnahmen gewährt. Mit another, because the expenses will be applied to the dem Beschluss des Großen Senats vom 28. November 2016 calculation of the tax benefit. sieht der Bundesfinanzhof in der durch das BMF-Schreiben eingeführten Verwaltungspraxis einen Verstoß gegen den The nexus approach extends this general principle to tax Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Die vom provisions, which apply to income realised after the creation Bundesrat vorgeschlagene gesetzliche Normierung soll diesen and utilisation of IP. With regard to the value of the IP, the Mangel beheben und Rechtssicherheit für die Unternehmen ratio of the taxpayer’s own costs (i.e. the expenses incurred bei Sanierungsvorhaben herstellen. through the taxpayer’s own R&D activities and R&D activities performed by a third party on behalf of the taxpayer) are put Lesen Sie hierzu auch den Blogbeitrag „Bundes into proportion to the overall costs of development, which finanzhof kassiert den Sanierungserlass – der include additional acquisition costs for IP and expenses for Gesetzgeber muss jetzt handeln!“ contract research by related parties. The total income arising from the value of the IP is deductible in this proportion. To the http://blogs.pwc.de/steuern-und-recht/2017/02/10/ extent that the income deemed to benefit from the preferential bundesfinanzhof-kassiert-den-sanierungserlass-der- regime does not exceed this amount, the regime meets the gesetzgeber-muss-jetzt-handeln/ substantial activity requirement. With effect from July 1, 2016, no new IP or taxpayers may be admitted to preferential Von der Bundesregierung abgelehnt: Anwendung des regimes which do not apply the nexus approach. In existing § 4j und § 9 Absatz 5 Satz 2 EStG bereits für Aufwen- cases, such (non-compliant) preferential regimes may dungen, die nach dem 31. Dezember 2016 entstehen, continue to apply until June 30, 2021 at the latest. vorzusehen. Den Ländervorschlag, wonach § 4j und § 9 Absatz 5 Satz 2 Introduction of a royalty expense capping as a EStG bereits erstmals für Aufwendungen angewendet werden defence measure können, die nach dem 31. Dezember 2016 entstehen, lehnt die As the existence of preferential regimes, which do not apply Bundesregierung indes kategorisch ab. Die im Gesetzentwurf the nexus approach, cannot be excluded in the future and as a vorgesehene Anwendung der Regelungen auf Aufwendungen, large number of German tax treaties apply a zero tax rate on die den Steuerbilanzgewinn nach dem 31. Dezember 2017 royalty payments, it is still conceivable that businesses will mindern, dient nach Ansicht der Bundesregierung insbeson- shift their royalty income to the relevant countries. In order dere der praktischen Umsetzbarkeit der Regelung. GS to avoid this, the government has introduced a new section into the ITA with the new bill. “We will no longer tolerate international groups shifting their royalty income to tax havens, unless there is a connection to R&D there,” stated Januar – März 2017 steuern+recht 9
Wolfgang Schäuble, the Minister of Finance, in the cabinet greater extent, developed the right within the parameters of resolution. The Bundesrat also recently demanded such his own business activity. This exception does not apply where defence measures in a resolution and requested that, at the the preferential regime benefits trade mark royalties. very least, a workable solution should be introduced in the current legislative period. An exception to the general rule is also to be applied where the income arising from the royalty payments is treated and The new section in the ITA provides that expenses incurred taxed as deemed income under CFC rules (Sec. 10 FTA). This for the licensing of rights by a related party (within the exception is intended to avoid a double taxation which would meaning of Section 1 (2) of the Foreign Transactions Act arise through a denial of the royalty expense with a parallel (FTA)) are non-deductible or only partially deductible, to the taxation of the related royalty income under CFC rules. EM extent that the payment – in the hands of the recipient – is subject to a low tax rate (income tax rate of < 25%) and the low tax rate is not a result of the standard tax rate in the country in question but rather arises from a special Hinzurechnungs- preferential regime (e.g. a Licence Box). besteuerung auf dem To stop any further avoidance, the provision also applies to situations under which further related parties are inserted in Prüfstand between. Furthermore branch undertakings are also considered to be payers and recipients within the meaning of the provision. Insofar as the conditions apply, only that proportion of the expenses will be deductible that corresponds Der Bundesfinanzhof hat Zweifel, ob die Hinzurech- to the ratio that the income tax rate borne by the recipient nungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit bears to a tax rate of 25%. This means that the higher the tax Kapitalanlagecharakter in Drittstaatensachverhal- burden on the recipient the greater the deductible proportion ten mit dem Unionsrecht vereinbar ist. by the payer. Der aktuelle Fall: Die Klägerin, eine im Inland ansässige GmbH, war zu 30 Prozent an einer schweizerischen Aktienge- In February 2017 the government responded to sellschaft (AG) beteiligt. Die AG hatte mit einer weiteren in- parliamentary questions regarding the names of EU ländischen GmbH (Z-GmbH) einen Forderungskaufvertrag Member States which – according to its understanding geschlossen. Die Z-GmbH war danach an Erlösen diverser –operate such a preferential tax regime for so-called Sportvereine beteiligt und trat diese Forderungen an die AG Licence Boxes and the extent to which these countries ab. In der Folge sah das Finanzamt in der AG eine sogenannte are introducing checks: Zwischengesellschaft für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanla- gecharakter und unterwarf diese im Streitjahr 2005 der Hin- The Parliamentary State Secretary Dr. Michael Meister zurechnungsbesteuerung. Eine Vorgehensweise, die mit dem stated (verbatim): deutschen S teuerrecht im Einklang steht. Unter dem Blickwin- kel des Rechts der Europäischen Union (EU) – so der Bundes- “The following European Member States have a so-cal- finanzhof (BFH) – kann sich jedoch eine andere Beurteilung led Licence Box: Belgium, France, Great Britain, Ireland, ergeben. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte Italy, Luxembourg, Malta, the Netherlands, Portugal, unlängst bei einer vergleichbaren britischen Regelung mit Spain, Hungary, Cyprus. Urteil vom 12. September 2006 (C-196/04, Cadbury Schwep- pes) entschieden, dass der Steuerpflichtige unter bestimmten With effect from March 1, 2014 Austria introduced a Voraussetzungen eine Hinzurechnungsbesteuerung abwen- restriction to the deduction of interest and royalty den kann. Den deutschen Gesetzgeber hat dies dazu bewogen, payments in § 12 No. 10 of the Austrian Corporate für Beteiligungen an Zwischengesellschaften aus Staaten der Income Tax Act. The Austrian rule provides for a EU und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ab dem complete disallowance of the expense, where the income Jahr 2008 eine Entlastungsmöglichkeit durch einen Motivtest in the hands of the recipient is not subjected to a CIT rate gesetzlich zu verankern. Für in Drittstaaten wie der Schweiz of at least 10 per cent. To the extent that there is taxation ansässige Zwischengesellschaften gibt es jedoch keine ver- of at least at the rate of 10 per cent, a full deduction of gleichbare Entlastungsmöglichkeit. Ob diese Benachteiligung the expenses is allowed.” gegen EU-Recht verstößt, haben jetzt die Luxemburger Richter zu entscheiden. MH Source Deutscher Bundestag – Drucksache (printed matter) 18/11220 from February 17, 2017 Fundstelle BFH, Beschluss vom 12. Oktober 2016 (I R 80/14) However, there should be no restrictions to the deduction, where the low rate of taxation of the income in the creditor’s hands is the result of a preferential regime, which only applies to rights which underlie a substantial activity. According to the draft this will only be the case where the creditor has, to a 10 steuern+recht Januar – März 2017
Steuern A bis Z Rückwirkende Korrektur von Rechnungen Wirksame Korrektur. Ohne ordentli- che Rechnung ist keine rückwirkende Rechnungsberichtigung möglich. Der Europäische Gerichtshof hatte am 15. September 2016 zwei Urteile erlassen, die sich mit der Korrektur unvollständiger Rechnungen und mit der Frage befassen, unter welchen Voraussetzungen Rechnungen überhaupt zu korrigieren sind. Noch im Jahr 2016 schloss sich der Bundesfinanzhof der Rechtsprechung des Gerichtshofs in einem eigenen Urteil an. Dabei geht er auf zahlreiche Fragen ein, die die Luxemburger Richter noch offengelassen hatten. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs ist wegweisend. Die Implikationen, die es zusammen mit den beiden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs aufwirft, sind weitreichend und werden die Umsatzsteuerpraxis auf unabsehbare Zeit beschäfti- gen. Eine Bestandsaufnahme wagen unsere beiden Steuerexperten Franz Kirch und Martin Diemer. In diesem Beitrag erfahren Sie … • … weshalb nach dem Bundesfinanzhof eine Rechnungskorrektur rückwirkend zu erfolgen hat. • … welche Mindestanforderungen eine berichtigungsfähige Rechnung danach erfüllen muss. • … welche Fragen einstweilen offenbleiben. Sachverhalt Die Klägerin hatte den Vorsteuerabzug aus Rechnungen eines Rechtsanwalts in Anspruch genommen, die nur auf einen nicht näher bezeichneten „Beratervertrag“ Bezug nahmen und in denen „das vereinbarte Beraterhonorar“ abgerechnet wurde. Weitere Rechnungen hatte ihr eine Unternehmensberatung – ebenfalls ohne weitere Erläuterung – für „allgemeine wirtschaftliche Beratung“ und „zusätzliche betriebs- wirtschaftliche Beratung“ erteilt. Das Finanzamt versagte der Klägerin den Vorsteu- Januar – März 2017 steuern+recht 11
erabzug aus diesen Rechnungen, weil sie seiner Meinung nach keine ordnungsge- mäße Leistungsbeschreibung enthielten. Dagegen erhob die Klägerin Klage und legte während des Klageverfahrens berichtigte Rechnungen vor, in denen der Ge- genstand der Leistung ordnungsgemäß bezeichnet war. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Nach dem Urteil des FG entfaltete die Berichtigung jedenfalls dann keine Rückwirkung, wenn die berichtigten Rechnungen erst nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vorgelegt würden. Das Urteil Anders als das FG gab der Bundesfinanzhof (BFH) der Klage statt. Wird zunächst eine Rechnung ausgestellt, die den Anforderungen der §§ 14, 14a Umsatzsteuerge- setz (UStG) nicht entspricht, und wird diese Rechnung später nach § 31 Absatz 5 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) berichtigt, kann das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 UStG aufgrund der berich- tigten Rechnung für den Besteuerungszeitraum ausgeübt werden, in dem die Rech- nung ursprünglich ausgestellt wurde. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in seinem Urteil in der Rechtssache Se- natex entschieden, dass die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie einer nationalen Re- gelung entgegenstehe, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe keine Rückwirkung zukomme. Der Besitz einer ordnungsgemä- ßen Rechnung ist dem EuGH zufolge danach formelle, aber nicht materielle Voraus- setzung für das Recht auf Vorsteuerabzug. Das Grundprinzip der Mehrwertsteuer- neutralität aber verlange, dass der Vorsteuerabzug gewährt werde, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt seien, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimm- ten formellen Bedingungen nicht genügt habe. Im Ergebnis kann der Vorsteuerab- zug – anstelle (wie bisher) im Jahr der Berichtigung einer fehlerhaften Rechnung – nunmehr rückwirkend für das Jahr, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde, geltend gemacht werden. Der BFH gibt nunmehr seine dieser Entscheidung entgegenstehende Rechtspre- chung auf: § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 UStG sei im Sinne des Urteils Senatex richtlinienkonform auszulegen. Gleiches gelte für § 31 Absatz 5 UStDV. Eine Berich- tigung nach dieser Vorschrift wirke daher auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt worden sei. Im Übrigen bleibe der Besitz der Rechnung eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung für den Vorsteuer abzug. Die unionsrechtliche Systematik unterscheide zwischen der Entstehung und der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug. Danach sei der Besitz der Rechnung materielle Anspruchsvoraussetzung für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuer abzug. Nach Meinung des BFH ist ein Dokument jedenfalls dann, wenn es Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält, als „Rechnung“ anzusehen, die einer Berichtigung zugänglich ist. Dazu wiederum reiche es aus, dass die Rechnung diesbezügliche Angaben enthalte und die Angaben nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend seien, dass sie fehlenden Angaben gleichstünden. Die vorliegenden unzureichenden Leis- tungsbeschreibungen genügten diesen Anforderungen. Die Rechnung könne bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG berichtigt werden, womit die Berichtigung auch im Streitfall noch nicht verspä- tet gewesen sei. Praxishinweis Die Entscheidung des BFH ist von großer Bedeutung für Unternehmer, die trotz formaler Rechnungsmängel den Vorsteuerabzug aus bezogenen Leistungen in An- 12 steuern+recht Januar – März 2017
spruch nehmen beziehungsweise genommen haben. Sie hatten bislang bei späteren Beanstandungen selbst im Fall einer Rechnungsberichtigung Steuernachzahlungen für das Jahr des ursprünglich in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs zu leisten. Die Steuernachzahlung war zudem unter Umständen im Rahmen der sogenannten Vollverzinsung mit sechs Prozent jährlich zu verzinsen. Der BFH lässt in seinem Urteil – weil es darauf nicht ankam – jedoch eine Anzahl von Fragen offen. Ausdrücklich war es im Streitfall nicht relevant, ob (wie mögli- cherweise im Fall des EuGH-Urteils in der Rechtssache Barlis 06) schon die ur- sprünglichen Rechnungen den gesetzlichen Anforderungen entsprachen, denn die Rechnungen waren schließlich berichtigt worden. Auch die Frage, ob die Berichti- gung einer Rechnung ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Absatz 1 Nummer 2 Abgabenordnung (AO) ist, war nicht streiterheblich. Diese Frage aber hat Auswir- kungen auf die Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide und gegebenenfalls auf die Verzinsung. Ein Abrechnungsdokument soll „jedenfalls dann“ eine Rechnung darstellen, auf deren Empfangsdatum eine Korrektur zurückwirken kann, wenn sie bestimmte Merkmale in hinreichender Qualität aufweist. Die vom BFH gewählte Formulierung schließt nicht aus, dass auch Rechnungen mit anderen Rechnungsvoraussetzungen als „Rechnung“ gelten könnten. Liegt keine „Rechnung“ im Rechtssinn vor, bleibt eine Rechnungskorrektur mit Rückwirkung unmöglich. Das Gleiche (keine rückwir- kende Rechnungskorrektur) gilt wohl auch dann, wenn eine Leistung beispielsweise irrtümlich steuerfrei behandelt wurde und später korrigiert wird. Der (zumindest ursprüngliche) Besitz der Rechnung soll nach dem Urteil des BFH eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug sein – die Rech- nung selbst aber offenbar nicht zwingend. Wie der EuGH im Urteil Barlis 06 anzu- deuten schien, kommt dem Besitz einer „ordnungsgemäßen“ Rechnung – einmal abgesehen davon, dass man zunächst einmal in den Besitz eines Dokuments gelangt sein muss, das als Rechnung gelten kann – wenig mehr Bedeutung zu als dem Nach- weis etwa für innergemeinschaftliche Lieferungen. In Zukunft könnte also der Nachweis der materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug im Einzelfall auch auf andere Weise als durch eine Rechnung möglich sein. Die Rechtsprechung wird die Frage zu klären haben, ob das zutrifft und unter welchen Bedingungen der Vorsteuerabzug in solchen Fällen möglich ist. In diesem Zusammenhang ist – eigent- lich als Vorfrage – zu klären, unter welchen Umständen der Rechnungsempfänger Gutglaubensschutz genießt und ihm deshalb der Vorsteuerabzug trotz fehlerhafter Rechnung zusteht, weil er die Fehler in der Rechnung nicht erkennen kann. Der BFH hat sich lediglich zu einer Rechnungskorrektur durch ein Korrekturdoku- ment geäußert, nicht aber zur Korrektur mittels Stornierung und Neuausstellung. Auch weil im letzteren Fall zweifelhaft sein könnte, ob eine Neuausstellung noch als „Korrektur“ einer Rechnung gelten kann, sollte bis auf Weiteres eine Rechnungskor- rektur möglichst nur durch ein Korrekturdokument im Sinn von § 31 Absatz 5 UStDV erfolgen. Bitte beachten Sie: Bei Redaktionsschluss lag weder eine Reaktion der Verwaltung vor noch war das BFH-Urteil im Bundessteuerblatt veröffentlicht, es ist also offiziell noch nicht als allgemein anwendbar deklariert. Bis auf Weiteres sollten als inhalt- lich unvollständig oder falsch erkannte Rechnungen möglichst umgehend korrigiert werden. Die Auswirkungen der neuen Rechtsprechung auf das Steuerstrafrecht sind noch nicht völlig klar. Bei der Anwendung der neuen Rechtsprechung empfiehlt sich also gehörige Vorsicht. Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Auswirkung die neue Rechtsprechung auf die Umsatzsteuerschuld wegen überhöhtem oder unbe- rechtigtem Steuerausweis nach § 14c UStG hat. In Fällen des unberechtigten Steuer- ausweises, in denen zum Beispiel anstelle des tatsächlich gelieferten Gegenstands ein anderer, nicht gelieferter Gegenstand in der Rechnung aufgeführt wird, ist es möglich, dass auch eine Rechnungskorrektur keinen rückwirkenden Vorsteuerab- zug zulässt. Der BFH hat in einem späteren Urteil bereits gegen eine Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung entschieden, in der die Steuer nach § 14c Absatz 1 UStG (überhöhter Steuerausweis) geschuldet wurde (vergleiche das Urteil vom 20. Oktober 2016, XI R 43/14). Was eine Steuerschuld aufgrund unberechtigten Januar – März 2017 steuern+recht 13
Fundstellen Steuerausweises angeht (§ 14c Absatz 2 UStG), so hat der BFH sich in seinem Urteil • BFH, Urteil vom 20. Oktober 2016 in der Rechtssache XI R 47/13 vom 16. September 2015 bereits dahingehend geäu- (V R 26/15) ßert, dass eine Rückwirkung dem Regelungszweck der Vorschrift widerspräche, • EuGH, Urteile vom 15. September womit er sich für bestimmte Fälle unter anderem gegen die Verwaltungsauffassung 2016 (C-516/14, Barlis 06; C-518/14, stellte. Besonders im Fall des § 14c Absatz 2 UStG ließen sich zumindest für gewisse Senatex) Sachverhalte aber auch plausible Argumente dafür vorbringen, dass eine Rückwir- kung möglich sein sollte. Sie wünschen weitere Informationen, haben Fragen oder erkennen Beratungs bedarf? – Rufen Sie bitte Ihre Ansprechpartner an oder schicken Sie ihnen einfach eine E-Mail. Franz Kirch Tel.: +49 221 2084-459 franz.kirch@de.pwc.com Martin Diemer Tel.: +49 711 25034-1258 martin.diemer@de.pwc.com Formal invoicing errors may be corrected retroactively The input tax deduction under the German VAT Act is conditional on possession of a supplier’s invoice correctly drawn up. A deficient invoice can be corrected later, but the right to deduct the input tax can only be exercised after the correction. Thus, subsequent discovery, say on tax audit, of an invoicing error by the supplier can lead to deferral of the input tax deduction until the date of correction. This can trigger an interest charge for the intervening period. In its judgment of September 15, 2016 the ECJ held that the correction of formal invoicing errors is allowable with retroactive effect on the input tax deduction. The case brought before the ECJ by the Lower Tax Court of Lower Saxony concerned a trader (operating in the wholesale textile business) with defective suppliers’ invoices (missing tax numbers). The ECJ ruled that the VAT Directive must be interpreted as requiring retroactive deduction where the error is merely formal and there is no suggestion of bad faith. The reasoning is based on the concept of VAT as a tax neutral system for traders. This requires an immediate right of deduction as soon as the VAT has been paid. Correction of a formal error later must not lead to an interest charge or other burden, since there has been no loss to the state. Based on the ECJ judgment the Supreme Tax Court gave up its previously held contrary opinion on this issue but went on to add that the input tax deduction under the German VAT Act is nevertheless conditional on possession of a proper invoice from the supplier. It is not presently known whether the tax administration will generally accept and follow the new principles established by the court. Notwithstanding and for the time being it seems advisable to correct the wrong invoices as soon as possible. MH 14 steuern+recht Januar – März 2017
Ort der Lieferung bei Versendung über Konsignationslager Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs muss der Abnehmer für die Bestimmung des Lieferorts nach § 3 Absatz 6 Umsatzsteuergesetz bei Beginn der Versendung bereits feststehen. Unter dieser Voraussetzung könne eine Versendungslieferung auch dann vorliegen, wenn der Liefer- gegenstand nach dem Beginn der Versendung für kurze Zeit in einem Auslieferungslager gelagert werde. Noch ist allerdings Vorsicht geboten, mahnen unsere Steuerrechtsexperten Franz Kirch und Martin Diemer. In diesem Beitrag erfahren Sie … • … weshalb der Bundesfinanzhof sich gegen die Auffassung der Finanzverwaltung wendet. • … warum diese Entscheidung für ausländische Lieferanten bedeutsam ist. • … welche Fragen vorerst offenbleiben. Sachverhalt Die Klägerin lieferte Waren aus Spanien an ihren Abnehmer. Die Lieferungen wur- den über ein im Inland gelegenes Lager (Konsignationslager) ausgeführt. Der Lager- halter dieses Lagers war von der Klägerin beauftragt worden. Die Warenlieferungen erfolgten auf der Grundlage zentraler Lieferverträge. Darin wurden vor allem die zu liefernden Gegenstände, die Kaufpreise sowie die Zahlungs- und Lieferbedingungen geregelt. Hingegen wurden die konkreten Warenmengen und Liefertermine in Lie- ferabrufplänen (mitunter täglich) an die Klägerin übermittelt. Nur diese Lieferab- rufpläne waren rechtlich bindend. Die Lieferabrufe enthielten stets Freigaben für die nächsten zwölf Wochen im Voraus und bestimmten für diesen Zeitraum die Liefertermine in Abständen von regelmäßig ein bis zwei Wochen. Wie sich aus dem Urteil ergibt, war dem Abnehmer vertraglich ein uneingeschränktes Zugriffsrecht eingeräumt worden. Urteil Nach Meinung des Bundesfinanzhofs (BFH) bestimmt sich der Ort der von der K lägerin ausgeführten Lieferungen nach § 3 Absatz 6 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG), wenn die Person des Abnehmers bereits bei Beginn der Versendung fest- steht. Mit anderen Worten: Die Lieferung an den Beigeladenen (den Kunden) war aus deutscher Sicht also in Spanien steuerbar. Unter dieser Bedingung kann nach dem BFH eine Versendungslieferung auch dann vorliegen, wenn der Liefergegenstand nach dem Beginn der Versendung für kurze Zeit in einem Auslieferungslager gelagert wird. Eine Einlagerung für den beim Beginn der Versendung bereits feststehenden Ab nehmer wie im Streitfall nur für kurze Zeit, um den produktionsbedingt beim Abnehmer für die nächsten Tage und Wochen benötigten Warenbedarf zu decken, unterbricht nach Meinung des BFH die im Streitfall in Spanien begonnenen Versen- dungen noch nicht – zumindest nicht in Sachverhalten wie dem, der dem BFH zur Entscheidung vorlag. Januar – März 2017 steuern+recht 15
Praxishinweis Mit dem vorliegenden Urteil wendet sich der BFH gegen die Auffassung der Finanz- verwaltung in Abschnitt 1a.2 Absatz 6 Satz 1 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE). Die Entscheidung könnte zumindest in bestimmten Fällen dazu führen, dass ausländischen Zulieferern (in der Automobilindustrie werden Konsignations lager beispielsweise sehr häufig genutzt) eine umsatzsteuerliche Erfassung in Deutschland erspart bleibt. Diese Unternehmer hatten infolge der Verwaltungs meinung bislang eine innergemeinschaftliche Verbringung zur eigenen Verfügung mit innergemeinschaftlichem Erwerb in Deutschland zu melden, gefolgt von einer Inlandslieferung bei Entnahme aus dem Lager. Auch nach der Entscheidung des BFH bleiben Fragen offen. Abgesehen davon, dass Lieferung und Rechnungsstellung zeitlich auseinanderfallen, könnte zwischen einer im Abgangsland gemeldeten innergemeinschaftlichen Lieferung und einem in Deutschland durch den Abnehmer gemeldeten innergemeinschaftlichem Erwerb so viel Zeit vergehen, dass die Lieferung in einem anderen Zeitraum gemeldet wird als der korrespondierende Erwerb. Eine solche Diskrepanz kann zu Rückfragen der Finanzverwaltung führen. Zudem ist auch die Frage bedeutsam, welchen Zeitraum der BFH mit einer „kurzen“ Unterbrechung der Versendung meint. Eine solche Franz Kirch Unterbrechung muss – wie der BFH in Hinblick auf den Europäischen Gerichtshof Tel.: +49 221 2084-459 (EuGH) ausführt – so kurz sein, dass „ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang franz.kirch@de.pwc.com zwischen der Lieferung des in Rede stehenden Gegenstands und seiner Beförderung sowie ein kontinuierlicher Ablauf des Vorgangs gegeben“ sei. Indessen lässt der vom BFH entschiedene Sachverhalt durchaus den Schluss zu, dass ein Verbleib der Ware im Lager für eine oder sogar mehrere Wochen noch unschädlich sein kann. Unternehmer, die sich diese günstige Rechtsprechung zunutze machen möchten, sollten den Sachverhalt des Urteils – der aus Gründen der Übersichtlichkeit oben nur grob zusammengefasst ist – genau studieren. Der BFH teilt nicht genau mit, welche der angeführten Eigenheiten des Sachverhalts für ihn ausschlaggebend waren und welche nicht. Aus dem Sachverhalt ergibt sich aber nicht zuletzt: In aller Regel bestand schon von vornherein eine feste Abnahmeverpflichtung des Abneh- Martin Diemer mers, also nicht lediglich ein Abnahmerecht oder andere „schwächere“ Konstruktio- Tel.: +49 711 25034-1258 nen. Der BFH hat sich in dieser Hinsicht deutlich ausgedrückt: Einer Anschluss martin.diemer@de.pwc.com revision der Klägerin mit Bezug auf einen kleinen Teil ihrer Lieferungen (sie hatte lediglich etwa 95 Prozent der Waren aufgrund einer verbindlichen Bestellung ver- sandt, nicht aber die restlichen fünf) gab er nicht statt. Seiner Meinung nach ist nämlich „die im Zeitpunkt der Versendung nur wahrscheinliche Begründung einer Abnehmerstellung […] einer tatsächlichen Abnehmerstellung nicht gleichzustellen“. Dass der Abnehmer bei Beginn der Versendung bereits feststehen muss, wird in der Praxis im Übrigen erfordern, dass ausschließlich dieser Abnehmer Zugriff auf die eingelagerten Waren haben kann. Noch hat die Finanzverwaltung zu diesem Urteil nicht Stellung genommen. Bis sie sich der Auffassung des BFH angeschlossen hat, sollte das Urteil nach Möglichkeit nur mit Absicherung durch eine verbindliche Auskunft angewendet werden – nicht zuletzt mit Blick darauf, dass Geschäfte über Konsignationslager und Call-off-stocks im Rahmen längerfristiger Geschäftsbeziehungen getätigt werden. Im Fall einer Beanstandung durch die Finanzverwaltung können in solchen Sachverhalten schnell immense Summen nachzuzahlen und – unter den weiteren Voraussetzungen – bedeutende Zinsbeträge zu erheben sein. Lieferer, die sich der neuen Rechtspre- chung des BFH bedienen möchten, müssten außerdem sicherstellen, dass im Ab- Fundstelle gangsstaat die richtigen umsatzsteuerlichen Konsequenzen gezogen werden: von BFH, Urteil vom 20. Oktober 2016 der korrekten Angabe in der Zusammenfassenden Meldung bis gegebenenfalls zum (V R 31/15) Nachweis der Steuerbefreiung. Sie haben Fragen oder möchten beraten werden? Rufen Sie bitte Ihre Ansprech partner an oder schicken Sie ihnen einfach eine E-Mail. 16 steuern+recht Januar – März 2017
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