EINE REFLEXION - Das Schweizer Magazin für Strukturierte Produkte von BNP Paribas März 2019

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EINE REFLEXION - Das Schweizer Magazin für Strukturierte Produkte von BNP Paribas März 2019
Das Schweizer Magazin für Strukturierte Produkte von BNP Paribas   März 2019

     EINE REFLEXION
      FUNDAMENTAL- ODER CHARTANALYSE?

                                                                               bnpparibas.ch
EINE REFLEXION - Das Schweizer Magazin für Strukturierte Produkte von BNP Paribas März 2019
MÄRKTE & ZERTIFIKATE | MÄRZ 2019                                                                        EDITORIAL

DER STREIT HAT SEINE GRÜNDE
Sehr geehrte Anlegerin, sehr geehrter Anleger,

„Ein Chart sagt mehr als tausend Worte“ – mit diesem markanten Zitat eröffnen wir in der
aktuellen Ausgabe von MÄRKTE & ZERTIFIKATE ein Thema, das seit vielen Jahrzehnten Zank-
apfel zwischen Anlegern ist: Wie analysiert man die Börse richtig? Worauf kommt es an, auf
den Chart, also den Kursverlauf, oder auf die Fundamentaldaten, etwa auf Gewinn und
Umsatz? Um die Antwort vorwegzunehmen, es gibt kein Richtig oder Falsch. Letztendlich
kommt es immer darauf an, welches Ziel ein Anleger verfolgt und welche Märkte und welchen
Zeithorizont er dabei im Blick hat. Am besten, so scheint es, wäre eine Kombination beider
Analysemethoden. Eine Vorgehensweise, die auch durchaus praktiziert wird, wie wir in einem
Gespräch mit dem Fundamentalanalysten Egmond Haidt erfahren (Seite 18). Auch er schaut
am Ende seiner Fundamentalanalyse auf den Chart und bekennt: „Ich würde nie eine Aktie
kaufen, deren Kurs auf Talfahrt ist.“ In diesem Zusammenhang fällt uns die berühmte Bör-
senweisheit „never catch a falling knife“ ein, fasse niemals in ein fallendes Messer, also in
einen fallenden Kurs. Ist der Streit zwischen Chart- und Fundamentalanalysten also in
Wirklichkeit überhaupt kein Streit? Löst sich alles in Wohlgefallen auf? Nein, der Streit ist da
und er hat seine Gründe, wie wir ab Seite 10 erfahren werden.
                                                                                                       Urs Knobel,
                                                                                                       Marketing Exchange
Dabei ist Streiten ja an sich nicht schlecht. Oft bringt Streit auch Neues, Innovatives hervor.
                                                                                                       Traded Solutions
Zum Beispiel der Streit zwischen Tesla und den traditionellen Autokonzernen. Tesla hat in
                                                                                                       Schweiz
den zurückliegenden Jahren den Konzernen aus Stuttgart, Wolfsburg und anderen bekannten
Städten kräftig eingeheizt. Mit leistungsstarken Batterien sind die Tüftler aus dem Silicon
Valley im wahrsten Sinne des Wortes der angestammten Konkurrenz davongefahren. Doch
die Zeiten haben sich geändert. Volkswagen, Daimler und Co haben nach längerer Bedenkzeit
die Notwendigkeit der Elektromobilität erkannt. Mit neuen Modellen starten sie im laufenden
Jahr durch und treten somit in direkte Konkurrenz zu den Tesla-Modellen. Jetzt wird es erst
richtig spannend, sagen Branchenbeobachter. Denn nun wird sich zeigen, wie gut Tesla wirk-
lich ist, ob die amerikanischen Autos vom Konsumenten bevorzugt werden. Geschieht das
nicht, könnte Tesla an der Börse ziemlich unter Druck kommen (Seite 28).

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und wie immer viel Erfolg an den Märkten!

Ihr Urs Knobel

                                                                                                   BNP PARIBAS       3
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INHALT                                                        MÄRKTE & ZERTIFIKATE | MÄRZ 2019

     Tesla wird zum Gejagten
                    (Seite 28)

                                      MÄRKTE

                                 INDEXMONITOR
                                 Technische Analyse: DAX, S&P 500                          21
                                 200-Tage-Linie gibt noch keine Entwarnung                 22
                                 Die dunkle Seite des Mondes: Chinas Wirtschaft kämpft 24

                                 AKTIENMONITOR
                                 Technische Analyse: Geberit, Swisscom                     27
                                 Tesla wird vom Jäger zum Gejagten                         28
                                 ABB – einen Tick besser als Siemens                       32
         Am Ölmarkt herrscht     Die Kosten entscheiden bei der Goldproduktion             34
         Verwirrung (Seite 38)

                                 ROHSTOFFMONITOR
                                 Technische Analyse: Gold, Silber                          37
                                 Verwirrung am Ölmarkt                                     38
                                 Auf die Auswahl kommt es am Rohstoffmarkt an              40

                                 WÄHRUNGSMONITOR
                                 Technische Analyse: EUR/CHF, EUR/USD                      43
                                 Nicht nur Licht, in Australien gibt es auch Schatten      44

                                 OBLIGATIONENMONITOR
           USA sind im Vorteil   Technische Analyse: CONF Future, T-Note Future            47
                    (Seite 48)
                                 Wirtschaftswachstum – die USA sind im Vorteil             48

4    BNP PARIBAS
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      TITELTHEMA

Fundamental- oder Chartanalyse? Eine Reflexion
Unternehmenszahlen oder Kursverlauf? Was eignet sich
besser für die Analyse der Börse? MÄRKTE & ZERTIFIKATE
wägt ab.                                                  10
                                                               Fundamental- oder Chartanalyse?
                                                                        Eine Reflexion (Seite 10)

      STANDARD

Editorial                                                  3

Ausgesuchte Produkte
Tracker-Zertifikate                                       51
Outperformance-Zertifikate, Kapitalgeschützte Produkte,
Barrier Reverse Convertibles                              56

Rechtliche Hinweise/Impressum                             57

Termine                                                   58

      NEWS / FOKUS

Börsentag – zum zweiten Mal in Zürich                      6
Strukturierte Produkte sind gefragt                        6
TOPs/FLOPs am Zertifikatemarkt                             7        Das Neuseeländischer Dollar
Rückblick: Neuseeländischer Dollar Zins                          Zins Tracker-Zertifikat im Rück-
                                                                                   blick (Seite 8)
Tracker-Zertifikat                                         8

                                                                            BNP PARIBAS          5
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NEWS                                                                                                 MÄRKTE & ZERTIFIKATE | MÄRZ 2019

BÖRSENTAG – ZUM ZWEITEN MAL IN ZÜRICH
MESSEN/BÖRSENTAGE

                      Grosser Andrang – das BNP Paribas-Team Irene Brunner (z. v. l.) und Urs Knobel auf dem ersten „Börsentag Zürich“.

Noch sind es einige Wochen hin, aber die Vorbereitungen              werden, sie sorgten für volle Vortragsräume. 2019 will man
laufen auf Hochtouren: am 16. Mai findet der „Börsentag Zürich“      an diesen Erfolg anknüpfen. Mit dabei sind natürlich auch
statt. Im zurückliegenden Jahr gab es die Privatanlegermesse,        wieder die Experten von BNP Paribas. Veranstaltungsort ist
die seit Jahren erfolgreich in Deutschland und Österreich in         das World Trade Center in Oerlikon. Einlass ist ab 14:30 Uhr,
verschiedenen Städten ausgerichtet wird, zum ersten Mal auch         die Vorträge beginnen ab 15 Uhr. Um 21 Uhr endet der „Bör-
in der Schweizer Finanzmetropole, und das mit grossem Erfolg.        sentag“. Der Eintritt und alle Vorträge sind kostenfrei, jedoch
Mit den Keynote-Speakern Hans A. Bernecker und Heiko Thie-           ist eine vorherige Anmeldung erforderlich. Weitere Infos finden
me konnten gleich zwei bekannte Börsenurgesteine gewonnen            interessierte Anleger unter www.boersentag.ch

STRUKTURIERTE PRODUKTE SIND GEFRAGT
ANLEGERSERVICE

Das Börsenumfeld ist 2018         schaut entsprechend zuver-
                                                                             UMSATZ NACH PRODUKTKATEGORIE
deutlich schwieriger gewor-       sichtlich auf 2019. Dabei
den. Dennoch ist in der           könnten sich insbesondere
Schweiz der Umsatz mit            die Trends aus dem zurück-
Strukturierten Produkten im       liegenden Jahr fortsetzen. Die
zurückliegenden Jahr deut-        Experten beobachteten ei-
lich gestiegen. Er lag bei 331    nerseits eine verstärkte Nei-
Milliarden Franken und da-        gung bei den Anlegern, Struk-
mit rund 20 Prozent über          turierte Produkte über die
dem Umsatz in 2017. „Wir          Börse und nicht ausserbörs-
wachsen weiter“, kommen-          lich zu kaufen. Zudem haben
tiert Willi Bucher, Leiter der    Hebelprodukte an Bedeutung
SVSP-Arbeitsgruppe Buy Side,      gewonnen; ihr Umsatzanteil
die Entwicklung. Der Schwei-      lag 2018 bei 22 Prozent, im
zerische Verband für Struk-       Vorjahr waren es nur 16 Pro-
                                                                                                        Quelle: SVSP; Stand: Februar 2019
turierte Produkte (SVSP)          zent.

6      BNP PARIBAS
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ALIBABA UND SWISSCOM
WETTBEWERBSDRUCK FÜR SWISSCOM NIMMT ZU
                                                                               TOPS DES MONATS
                                                                                                                                                   Perf.
                                                                      Mini-Futures                                                   Valor
                                                                                                                                                 1 Monat
                                                                      Alibaba Mini-Long                                           44935821        +87,1 %
Der Aktie des chinesischen         lief es zuletzt für die Valoren
                                                                      Swisscom Mini-Short                                         27417309        +74,7 %
E-Commerce-Riesen Alibaba          der Swisscom. Auf dem
                                                                      Sonova Mini-Long                                            44935655        +72,3 %
ist ein guter Start in das Bör-    Schweizer Markt bahnt sich
senjahr 2019 gelungen. Der         ein Zusammenschluss der            Länder-Zertifikate
                                                                      DJ Turkey Titans 20 Index Tracker-Zertifikat                 1983529        +19,6 %
starke Anstieg wurde mit           beiden Telekom-Unterneh-
erfreulichen Zahlen für das        men Sunrise und UPC an,            Ägypten EGX 30 Index Tracker-Zertifikat                      2315807        +14,3 %

jüngste dritte Quartal unter-      womit eine deutlich stärke-        Kospi 200 Tracker-Zertifikat                                 1776045         +6,3 %

mauert. Für Analysten ein          re Nummer 2 hinter Markt-          Themen-Zertifikate
klares Zeichen, dass der           führerin Swisscom entstehen        Solar Energy Total Return Index
                                                                                                                                   2552353        +15,6 %
                                                                      Tracker-Zertifikat
Handelskrieg mit den USA           würde. Zudem konnte die            Senior Care Total Return Index
                                                                                                                                  29892918        +11,8 %
                                                                      Tracker-Zertifikat
keine allzu deutlichen Spu-        Swisscom mit ihrer 2018er-         Philadelphia Stock Exchange Semiconductor
                                                                                                                                   2255338        +10,4 %
                                                                      Index Tracker-Zertifikat
ren in der Alibaba-Bilanz          Bilanz nicht überzeugen. Wer
                                                                      Rohstoff-Zertifikate
hinterlassen hat. Mit dem          allerdings auf fallende
                                                                      RICI Enhanced Zinc Index Tracker-Zertifikat                  4545440         +7,7 %
Alibaba Mini-Long (Valor           Swisscom-Notierungen setz-
44935821) konnten Anleger          te, konnte mit dem Swisscom        Palladium Tracker-Zertifikat                                 1781988         +5,3 %

an der erfreulichen Entwick-       Mini-Short (Valor 27417309)        RICI Enhanced Copper Index Tracker-Zertifikat                4545435         +4,8 %

lung überproportional par-         kräftige Gewinne einfahren.       Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für die künfti-
                                                                     ge Wertentwicklung. Quelle: BNP Paribas; Beobachtungszeitraum: (14.01.2019 - 13.02.2019)
tizipieren. Nicht ganz so gut      (hs)

DOW JONES, S&P 500 UND SMI
GEÄNDERTE ZINSPERSPEKTIVEN SORGEN FÜR AUFTRIEB
                                                                               FLOPS DES MONATS
                                                                                                                                                   Perf.
                                                                      Mini-Futures                                                   Valor
                                                                                                                                                 1 Monat
                                                                      DOW JONES INDUSTRIAL AVERAGE Mini-Short                     44935676        -60,8 %
Wer glaubte, die Aktienmärk-       Markt inzwischen mehrheit-
                                                                      S&P 500 Mini-Short                                          44025645        -59,0 %
te würden ihre gegen Ende          lich mit keinem Zinsschritt
                                                                      SMI Mini-Short                                              39191777        -56,2 %
2018 beschleunigte Abwärts-        mehr in diesem Jahr. Mit
bewegung im neuen Jahr             Short-Produkten auf den            Länder-Zertifikate
fortsetzen, wurde eines Bes-       Dow Jones (Valor 44935676)         India Index Tracker-Zertifikat                               2372807         -1,4 %

seren belehrt – die Stim-          oder den S&P 500 (Valor            Mexican Bolsa Index Tracker-Zertifikat                       2440891         -0,9 %

mung hellte sich im Januar         44025645) mussten Anleger          Brasilien Index Tracker-Zertifikat                           1909465         0,0 %
wieder erheblich auf. Vor          im Berichtszeitraum daher          Themen-Zertifikate
allem an den US-Börsen ging        empfindliche Verluste hin-
                                                                      NYSE Arca Natural Gas Index Tracker-Zertifikat               1468712         -1,3 %
es mit Beginn des neuen            nehmen. Dem Aufwärtstrend
                                                                      Silver Mining Index Tracker-Zertifikat                       2789420         +0,2 %
Jahres wieder kräftig auf-         an den US-Börsen stand             Money Market Super Yield Index
                                                                                                                                   2432420         +0,5 %
wärts, was in erster Linie den     auch der Schweizer Leitindex       Tracker-Zertifikat

geänderten Zinsperspektiven        SMI in nichts nach und rück-       Rohstoff-Zertifikate

geschuldet war. Stellte US-        te seit Jahresbeginn kräftig       Erdgas Tracker-Zertifikat                                    3860984         -5,4 %

Notenbankchef Jerome Po-           vor. Mit dem SMI Mini-Short        Platin Tracker-Zertifikat CHF Hedged                        31082057         -3,8 %

well im Dezember noch zwei         (Valor 39191777) war daher         RICI Energy Index Tracker-Zertifikat                         2127165         -1,0 %

Zinserhöhungen für 2019 in         in den letzten Wochen eben-       Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für die künfti-
                                                                     ge Wertentwicklung. Quelle: BNP Paribas; Beobachtungszeitraum: (14.01.2019 - 13.02.2019)
Aussicht, so rechnet der           falls wenig zu holen. (hs)

                                                                                                                                     BNP PARIBAS                 7
EINE REFLEXION - Das Schweizer Magazin für Strukturierte Produkte von BNP Paribas März 2019
FOKUS: RÜCKBLICK                                                                                          MÄRKTE & ZERTIFIKATE | MÄRZ 2019

NICHTS FÜR VERGESSLICHE
EIN RELATIV HOHES ZINSNIVEAU, EIN SICHERES POLITISCHES UND WIRTSCHAFTLICHES UMFELD – NEUSEELAND BIETET FÜR ANLEGER INTERESSANTE
PERSPEKTIVEN. MIT EINEM ZINS-ZERTIFIKAT AUF DEN NEUSEELÄNDISCHEN DOLLAR SIND SIE DABEI.

    Die heissen Quellen von Wai-O-Tapu, ein Höhepunkt für Naturfans in Neuseeland. Aber auch für Anleger hat der Inselstaat etwas zu bieten.

Neuseeland hat es nicht leicht. So ganz am „Rand“ der                    Zinssätzen in den westlichen Industrienationen. Natürlich
Welt gelegen, wird der Inselstaat gerne schon mal ver-                   gibt es in anderen Ländern noch höhere Zinsen, etwa in
gessen. So gibt es bei IKEA, dem sympathischen Möbelhaus                 Lateinamerika, aber oft sind diese nur in Kombination mit
aus Schweden, derzeit „Björksta“ zu kaufen. Für knapp 60                 einem gesteigerten politischen Risiko zu haben. Neuseeland
Franken bekommt der designaffine Schweizer eine hübsch                   hingegen ist eine gefestigte parlamentarische Monarchie,
gerahmte Weltkarte, die vor allem durch ein Manko be-                    die nach demokratischen Spielregeln arbeitet. Insofern
sticht: rechts unten, neben Australien, da wo eigentlich                 sind die 1,75 Prozent durchaus attraktiv.
Neuseeland liegen müsste, nichts als Wasser. Die Heimat                  Zudem wächst die neuseeländische Wirtschaft robust. Im
der knapp 4,6 Millionen Insulaner, sie wurde schlichtweg                 dritten Quartal 2018 waren es im Vergleich zum Vorjah-
vergessen.                                                               reszeitraum immerhin 2,6 Prozent, die das Bruttoinlands-
                                                                         produkt (BIP) zulegen konnte. Da zugleich der Arbeitsmarkt
Attraktive Zinsen. Dabei hat Neuseeland einiges zu bieten,               angespannt ist und die wachsende Wirtschaft die Inflati-
für den Kultur- und Naturliebhaber ebenso wie für den                    on beschleunigt, schloss Notenbankchef Adrian Orr wei-
Anleger. Immerhin notiert der neuseeländische Leitzins,                  tere Zinssenkungen aus.
festgelegt durch die Reserve Bank of New Zealand (RBNZ),
die Zentralbank des Landes mit Sitz in der Hauptstadt                    Passendes Produkt. Anleger können sich also, bei aller
Wellington, bei 1,75 Prozent und damit deutlich über den                 Vorsicht, auf ein stabiles Zinsumfeld in Neuseeland ver-

8         BNP PARIBAS
EINE REFLEXION - Das Schweizer Magazin für Strukturierte Produkte von BNP Paribas März 2019
MÄRKTE & ZERTIFIKATE | MÄRZ 2019                                                                                             FOKUS: RÜCKBLICK

lassen. Profitieren können sie davon unter anderem durch                                Index bei knapp 179 Punkten. Zum Zeitpunkt der Auflegung
Zins-Zertifikate. BNP Paribas bietet mit dem Neuseelän-                                 des Index – im Oktober 2003 – notierte er bei knapp 109
discher Dollar Zins Tracker-Zertifikat dazu ein passendes                               Punkten. Solange die Zinsen in Neuseeland nicht auf oder
Angebot. Basiswert des Produkts ist der BNP Paribas NZD                                 unter null fallen, wird der Index weiter zulegen.
Money Market Total Return Index. Der Index enthält eine
Zinskomponente, die New Zealand Dollar London Interbank                                 Wette gegen den Franken. Also eine sichere Sache? Nicht
Offer Rate, oder auch New Zealand Dollar LIBOR. Dies ist                                ganz, denn um den Index zu handeln, wird der Punktestand
ein Zinssatz, der auf den durchschnittlichen Zinssätzen                                 umgerechnet, nämlich in Franken. Der Preis des Neusee-
basiert, zu denen eine grosse Anzahl internationaler Ban-                               ländischer Dollar Zins Tracker-Zertifikats wird somit nicht
ken in London einander gegenseitig Geld leihen. Die offi-                               nur von den Zinsen, sondern auch vom Wechselkurs Fran-
ziellen LIBOR-Sätze werden täglich berechnet und veröf-                                 ken/Neuseeländischer Dollar (CHF/NZD) beeinflusst. Dabei
fentlicht.                                                                              gilt, wer den Zinsvorsprung in Neuseeland nutzt, spekuliert
Durch die tägliche Berücksichtigung der anfallenden Zin-                                indirekt gegen den Franken. Legt der Franken gegenüber
sen erhöht sich der Punktestand des BNP Paribas NZD                                     dem Neuseeländischen Dollar zu, schmälert das die Ren-
Money Market Total Return Index stetig. Aktuell liegt der                               dite des Tracker-Zertifikats; wertet der Franken hingegen
                                                                                        ab, kann davon auch das Zertifikat profitieren.
                                                                                        Dieser Zusammenhang ist ein wesentlicher Grund, warum
             NEUSEELÄNDISCHER DOLLAR ZINS                                               das Neuseeländischer Dollar Zins Tracker-Zertifikat in den
             TRACKER-ZERTIFIKAT
                                                                                        zurückliegenden Jahren schwächer performt hat als sein
                                                                                        Basiswert, der BNP Paribas NZD Money Market Total Re-
                                                                                        turn Index. Der Franken hat über einen längeren Zeitraum
                                                                                        gegenüber dem Neuseeländischen Dollar aufgewertet.
                                                                                        Unter dem Strich kommt das Zertifikat seit Auflegung auf
                                                                                        ein Plus von rund 25 Prozent. Ein weiterer Einflussfaktor
                                                                                        war das fallende Zinsniveau in Neuseeland. Zum Zeitpunkt
                                                                                        der Auflegung des Zertifikats lag es noch bei rund sechs
                                                                                        Prozent.

                                                                                        Nicht vergessen. Experten rechnen bei CHF/NZD in den
                                                                                        kommenden Monaten mit einer Seitwärtsbewegung. Die
                                                                                        Luzerner Kantonalbank etwa geht in ihrem aktuellen
                                                                                        Länderprofil für Neuseeland von einer Seitwärtsbewegung
     SVSP-Kategorie:                                   Tracker-Zertifikat (1300)        auf Sicht von zwölf Monaten aus. Damit entfällt mögli-
                                             BNP Paribas NZD Money Market               cherweise erst einmal der Wechselkurs CHF/NZD als ne-
     Basiswert:
                                                          Total Return Index
     Handelswährung:                                               Franken (CHF)        gativer Einflussfaktor für die Performance des Zertifikats.

     Basiswertwährung:                         Neuseeländischer Dollar (NZD)
                                                                                        Rechnet man zudem damit, dass das Zinsniveau in Neu-
                                                                                        seeland nicht weiter abgesenkt wird, bietet das Neusee-
     währungsgesichert:                                                       nein
                                                                                        ländischer Dollar Zins Tracker-Zertifikat eine interessan-
     Zinszertifikate-Zins:                                                  1,70 %
                                                                                        te Perspektive. Gerade auch im Hinblick auf die zuneh-
     Laufzeit:                     Open End (keine fixe Laufzeitbegrenzung)
                                                                                        menden Unsicherheiten an den europäischen Märkten
     Geld-/Briefspanne:                                                     0,20 %
                                                                                        offeriert sich das Zins Tracker-Zertifikat als Investment-
     Emissionstag:                                                     01.06.2005       alternative. Auch wenn Neuseeland auf Weltkarten also
     Valor/Symbol:                                             2169507 / NZDZZ          gerne mal vergessen wird, Anleger sollten den Inselstaat
    Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für die   nicht vergessen. (oh)
    künftige Wertentwicklung. Quelle: BNP Paribas, Bloomberg; Stand: Februar 2019

                                                                                                                                  BNP PARIBAS    9
EINE REFLEXION - Das Schweizer Magazin für Strukturierte Produkte von BNP Paribas März 2019
TITELTHEM A                                                                                  MÄRKTE & ZERTIFIKATE | MÄRZ 2019

 FUNDAMENTAL- ODER CHARTANALYSE? EINE REFLEXION
UNTERNEHMENSZAHLEN ODER KURSVERLAUF? WAS EIGNET SICH BESSER FÜR DIE ANALYSE DER BÖRSE? MÄRKTE & ZERTIFIKATE WÄGT AB ZWISCHEN
POSITIONEN, DIE SICH NICHT UNBEDINGT AUSSCHLIESSEN, DIE ABER AUCH NICHT BELIEBIG AUSTAUSCHBAR SIND.

„Ein Chart sagt mehr als tausend Worte“, sagt der Chart-        techniker leicht genervt: „Ich will Gewinne machen, und
techniker. „Eine gute Aktie findet man aber nur, wenn man       dazu muss ich wissen, wann ich kaufen oder verkaufen soll.“
sich die Geschäftszahlen eines Unternehmens anschaut“,          Der Fundamentalanalyst dreht sich um und geht. Dabei
entgegnet der Fundamentalanalyst. „Ja, ja“, antwortet der       murmelt er noch: „Ich will auch Gewinne machen. Und dazu
Charttechniker: „Aber in einem Chart spiegeln sich ja alle      muss ich wissen, ob eine Aktie über- oder unterbewertet ist.
kursrelevanten Daten wider. Mehr braucht es nicht, um eine      Was hilft mir da der Chart?“
gute Aktie zu finden.“ Der Fundamentalanalyst schüttelt
den Kopf: „Allein die fundamentalen Kennzahlen helfen, den      Börsenwelt spaltet sich in zwei Lager. Zugegeben, das
fairen Wert einer Aktie zu bestimmen. Und früher oder           Streitgespräch zwischen Charttechniker und Fundamental-
später nähert sich eine Aktie immer ihrem fairen Wert an.“      analyst hat so konkret nie stattgefunden, es entspringt
„Was interessiert mich der faire Wert“, entgegnet der Chart-    unserer Fantasie. Doch es hätte so oder ähnlich jederzeit

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EINE REFLEXION - Das Schweizer Magazin für Strukturierte Produkte von BNP Paribas März 2019
MÄRKTE & ZERTIFIKATE | MÄRZ 2019                                                                                              TITELTHEM A

passieren können. Denn die Börsenwelt spaltet sich in zwei               analysten toben hartnäckig seit vielen Jahrzehnten. Und
Lager: in Charttechniker, auch als technische Analysten                  beide können mit berühmten und erfolgreichen Persönlich-
bezeichnet, und Fundamentalanalysten. Während die tech-                  keiten aufwarten, die ihre Strategien vehement verteidigen.
nischen Analysten vor allem auf den Kursverlauf von Akti-                Bei den Fundamentalanalysten etwa Warren Buffett. Der
en, Indizes, Rohstoffen und Währungen schauen und anhand                 Selfmade-Milliardär ist Vertreter des Value Investing, einer
von Regelmässigkeiten Trends bestimmen, die sie für ihr                  Anlagestrategie, die auf den inneren Wert einer Aktie achtet,
tägliches Handeln an der Börse nutzen, ziehen die Funda-                 also Bilanzzahlen zur Analyse heranzieht. Bei den Chart-
mentalanalysten unternehmerische Bilanzzahlen heran,                     technikern ist es unter anderem John J. Murphy, der mit
rechnen und vergleichen, und finden so Aktien, die an der                seinem Buch „Technische Analyse der Finanzmärkte“ so eine
Börse unterbewertet sind. Doch welches Lager hat recht?                  Art Lehrbuch geschrieben und der Charttechnik damit qua-
Oder gibt es kein Richtig und Falsch, gleicht der Streit zwi-            si einen wissenschaftlichen Charakter verliehen hat. Aber
schen „Chartis“ und „Fundis“ einem Blick durch eine ver-                 auch Charles Dow, der Begründer des nach ihm benannten
schneite Skibrille? Weil Schneeflocken die Brillengläser                 Leitindex an der New Yorker Börse, des Dow Jones, gilt als
bedecken, sieht man auf beiden Seiten Unterschiedliches,                 Vertreter der Charttechnik. Er publizierte bereits in den
aber es reicht ein kurzer Wisch, und schon ist alles wieder              1880er-Jahren im Wall Street Journal eine Reihe von Artikeln,
gleich. Also ein Streit um nichts?                                       die sich mit der Analyse von Kursverläufen beschäftigten
Ganz so einfach wird es wohl nicht sein, denn die Diskus-                und den Anspruch erhoben, Vorhersagen für das Geschehen
sionen zwischen technischen Analysten und Fundamental-                   an der Börse zu treffen.

  INDIKATORENANALYSE – WIE STARK IST DER TREND?

  Viele Charttechniker greifen bei der Untersuchung eines Kursver-  tember/Oktober eine Divergenz zum RSI: Der S&P 500 konnte noch
  laufs auf sogenannte technische Indikatoren zurück. Von diesen    zulegen, der RSI jedoch nicht mehr. Zudem rutschte der RSI aus
  technischen Indikatoren gibt es eine grosse Anzahl. Im Kern geht  der überkauften Situation unter 70 Prozent. Beides waren Anzeichen
  es bei ihnen aber immer darum, das Verhalten der Anleger zu       für ein Nachlassen der Kursstärke. Im Oktober kam es dann schliess-
  analysieren. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: Wie stabil ist lich zu einem ersten Kursrutsch beim S&P 500.
  ein Trend? Dazu wird oft die Anzahl der
  Käufe und der Verkäufe verglichen und das
  Verhältnis von steigenden und fallenden               S&P 500 UND RELATIVE-STÄRKE-INDEX (RSI)
  Kursen betrachtet.
  Ein bekannter Indikator ist etwa der Rela-
  tive Strength Index, auf Deutsch der Rela-
  tive-Stärke-Index, kurz RSI. Ihn gibt es in
  verschiedenen Variationen. Beim RSI geht
  es darum, die Stärke der aktuellen Kurs-
  bewegung in Relation zu früheren Bewe-
  gungen zu setzen. Dabei pendelt der RSI
  zwischen zwei Extremen, die überkaufte
  und überverkaufte Situationen am Markt
  anzeigen. Werte über 70 Prozent deuten
  auf eine überkaufte Situation hin, Werte
  unter 30 Prozent auf eine überverkaufte.
  Aber auch der Verlauf des RSI wird betrach-
  tet. Steigt oder fällt der RSI? Und wie ver-
  hält sich dazu der Kurs, der analysiert wird?
  Gibt es Divergenzen? So gab es etwa beim
                                                                                                         Quelle: Bloomberg; Stand: 16.01.2019
  S&P 500 Index im zurückliegenden Sep-

                                                                                                                          BNP PARIBAS       11
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Kurse sind kein Zufall. Dabei ist bis heute umstritten, ob            Eintreten. Ein Phänomen, das es nicht nur an der Börse gibt.
mithilfe der technischen Analyse wirklich Kursvorhersagen             Viele Abläufe in der Wirtschaft, etwa das Verhalten von
getroffen werden können. Denn letztendlich spiegelt ja ein            Konsumenten und Herstellern, lassen sich mit selbsterfül-
Chart nichts anderes wider als das mehr oder weniger                  lenden Prophezeiungen erklären. Und auch der Mensch an
zufällige Aufeinandertreffen von Käufern und Verkäufern.              sich ist davon nicht frei. Der Placebo-Effekt beschreibt ein
Sie einigen sich auf einen Preis, zu dem etwa eine Aktie              ähnliches Phänomen, das durchaus wissenschaftlich belegt
ihren Besitzer wechselt – das ist der Aktienkurs. Jeder Ak-           ist. Glaubt man fest an die Wirksamkeit eines Medikaments,
tienkurs ergibt im Kursverlauf, im Chart, einen Punkt. Tref-          dann kann dieses, obwohl im Test ohne Wirkstoff, sehr wohl
fen ganz oft Käufer und Verkäufer aufeinander, entstehen              eine heilsame Wirkung entfalten.
viele Punkte. Diese kann man miteinander verbinden und
zu Formationen zusammenfassen. Doch was heisst das                    Börse ist Psychologie. Die Analyse von Kursverläufen gleicht
schon? Auch hingeworfene Erbsen lassen sich am Boden                  demnach einer Analyse der Psychologie der Anleger, und
liegend zu imaginären Formationen verbinden. Daraus                   die ist eben nicht zufällig und unsinnig. Insofern ist die
Gesetzmässigkeiten abzuleiten scheint aber erst einmal                Behauptung unseres anfangs erwähnten fiktiven Charttech-
Unsinn zu sein.                                                       nikers – „Ein Chart sagt mehr als tausend Worte“ – alles
Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn das Zusammentref-             andere als unberechtigt. Doch daraus eine exakte Wissen-
fen von Käufern und Verkäufern ist nicht völlig zufällig und          schaft zu formulieren, auf die man sich ohne Wenn und Aber
unsinnig. Sie kaufen und verkaufen, weil sie auch die Ver-            verlassen kann, scheint übertrieben. Der Charttechniker
gangenheit vor Augen haben. Sie steigen ein oder stossen              handelt nach Wahrscheinlichkeiten, immer in dem Bewusst-
ab, weil eine Aktie ein bestimmtes Niveau erreicht hat, das           sein, dass es diesmal auch anders sein könnte.
schon einmal von einigen Anlegern zum Ein- oder Ausstieg              Ein Grundsatz, der aber auch vom Fundamentalanalysten
genutzt wurde. Nun setzt man darauf, dass es sich diesmal             berücksichtigt werden muss. Die betriebswirtschaftliche
auch so verhält. Und je mehr Anleger auf solche Kauf- oder            Analyse kann noch so stichhaltig sein, eine Garantie für
Verkaufsniveaus achten, desto eher treten sie dann auch               Gewinne ist sie nicht. Denn erstens können auch Bilanz-
ein. Dafür gibt es den Begriff „self-fulfilling prophecy“ oder        zahlen täuschen, und zweitens, wer sagt, dass eine unter-
im Deutschen „selbsterfüllende Prophezeiung“. Je mehr                 bewerte Aktie steigt? Sie steigt ja nur, wenn es auch Käufer
Menschen an etwas glauben, desto wahrscheinlicher sein                gibt. Und die können aus welchen Gründen auch immer fern
                                                                      bleiben. Damit mag Warren Buffett kein Problem haben.
                                                                      Allein die Bekanntgabe eines Einstiegs seiner Beteiligungs-
                                                                      gesellschaft Berkshire Hathaway bei einer nach seinen
                                                                      Berechnungen unterbewerteten Gesellschaft löst bei dieser
                                                                      regelmässig Kauflawinen an der Börse aus. Doch für den
                                                                      einsamen und unbekannten Privatanleger, der in seinem
                                                                      Kämmerlein umfangreiche Berechnungen anstellt, gilt das
                                                                      nicht. Seine Erkenntnisse bleiben unbekannt und folgenlos.
                                                                      Denn die der Fundamentalanalyse zugrunde liegende An-
                                                                      nahme, die Börse sei rational und Aktienkurse würden stets
                                                                      zu ihrem fairen Wert tendieren, ist so nicht unbedingt
                                                                      haltbar. Denn nicht erst seit André Kostolany wissen wir:
                                                                      „Die Börse reagiert nur zu zehn Prozent auf Fakten, alles
                                                                      andere ist Psychologie.“ Der 1999 verstorbene und sehr
                                                                      populäre Börsenspekulant ist weder dem Lager der techni-
                                                                      schen Analyse noch dem der Fundamentalanalyse zuzu-

         Im Tiefschnee auf neuen Wegen. Das wäre nichts für den       rechnen.
 Charttechniker. Er verlässt sich auf die Spuren der Vergangenheit.   (Fortsetzung des Titelthemas auf Seite 14)

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  DIE TECHNISCHE ANALYSE – AUF DER SUCHE NACH TRENDS

  Auch innerhalb der technischen Analyse gibt es ver-             Abwärtstrends ab. Verbindet man die jeweiligen Tiefs
  schiedene Vorgehensweisen. Im Kern geht es aber stets           und Hochs eines Trends durch eine Linie, spricht der
  um das Finden von Trends. Diesem Ziel liegt die Annah-          technische Analyst von Unterstützung und Widerstand.
  me zugrunde, dass sich Märkte in Trends bewegen.                Wird eine Unterstützung oder ein Widerstand gebrochen,
  Hintergrund: Käufer und Verkäufer treffen sich an der           ist das für den technischen Analysten ein wichtiges
  Börse – und natürlich auch auf digitalen Plattformen –          Signal.
  und handeln Kurse aus, zu denen etwa Aktien ihren               Um den Wechsel von Auf- und Abwärtstrends zeitnah
  Besitzer wechseln. Solche Kurse sind nicht zufällig. Denn       zu erkennen, hat die technische Analyse Chartmuster
  im Mittelpunkt des Handelns steht oft der Blick in die          entwickelt, sogenannte Trendwendeformationen. Diese
  Vergangenheit. Welche Kurse wurden zuletzt erzielt?             spiegeln die zunehmende oder abnehmende Bereitschaft
  Wie teuer war die Aktie gestern? An solchen Preisen             der Anleger wider, Aktien zu kaufen. Die einfachsten
  orientiert man sich. Das führt dazu, dass sich Aktien-          Trendwendeformationen sind das Doppelhoch und das
  kurse in Trends bewegen. Die Trendbestimmung ist das            Doppeltief. Bei ihnen wird ein bestimmter Kurs zweimal
  zentrale Anliegen der technischen Analyse. Dazu haben           hintereinander erreicht, ohne ihn zu überschreiten oder
  die technischen Analysten eine Vielzahl von Hilfsmitteln        zu unterschreiten. Das heisst, die Anleger sehen in dem
  konstruiert. Unmengen an sogenannten Indikatoren,               erreichten Kurs einen Verkaufs- beziehungsweise Kauf-
  Chartdarstellungen und -mustern gehören heute zum               zeitpunkt, sie werden vorsichtiger/mutiger. Kommt es in
  Alltag eines technischen Analysten.                             einem Aufwärtstrend zu einem Doppeltop, kann das ein
                                                                  Zeichen für den Beginn eines Abwärtstrends sein und
  Muster weisen auf Trendwechsel hin. Um die grundle-             andersherum. Im DAX hatten wir etwa im Jahr 2007 ein
  gende Sichtweise eines technischen Analysten aufzu-             Doppeltop bei 8.000 Punkten.
  zeigen, reicht ein Blick auf den Frankfurter Leitindex          Eine weitere wichtige und oft beachtete Trendwende-
  DAX. Auch er lässt sich in seiner Entwicklung in Form           formation ist die Schulter-Kopf-Schulter-Formation, die
  von Trends darstellen. Dabei wechseln sich Auf- und             sowohl einen Aufwärts- als auch einen Abwärtstrend
                                                                                            einleiten kann. Dabei handelt es
                                                                                            sich im Grunde genommen um ein

          BLICK DES CHARTTECHNIKERS AUF DEN DAX                                             Dreifachhoch, bei dem das mittle-
                                                                                            re Hoch/Tief, der Kopf, etwas über
                                                                                            beziehungsweise unter dem rech-
                                                                                            ten und linken Hoch/Tief, den bei-
                                                                                            den Schultern, herausschaut. Der
                                                                                            Kopf stellt sozusagen das letzte
                                                                                            Aufbäumen des bis dahin vorherr-
                                                                                            schenden positiven oder negativen
                                                                                            Trends dar. Eine grössere Schulter-
                                                                                            Kopf-Schulter-Formation finden wir
                                                                                            im DAX-Chart in den Jahren 2017
                                                                                            und 2018. Auch hier könnte die
                                                                                            Formation ein Hinweis auf den Be-
                                                                                            ginn eines längeren Abwärtstrends
                                                     Quelle: Bloomberg; Stand: 14.02.2019
                                                                                            sein.

                                                                                                                BNP PARIBAS       13
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                                                                       Analysen erfordern jede Menge Wissen und Zeit. Neben viel
     SENTIMENTANALYSE – AUF DIE STIMMUNG KOMMT ES AN                   Lektüre, um das bei beiden Disziplinen notwendige theo-
                                                                       retische Rüstzeug zu erlernen, ist auch Praxis gefragt. Der
     In jüngster Zeit hat sich neben der technischen Analyse und der
     Fundamentalanalyse eine dritte Disziplin zur Untersuchung und     technische Analyst verbringt viele Stunden über seinen
     Einschätzung von Börsenkursen etabliert: die Sentimentanalyse.    Charts, an denen er Szenarien durchspielt und die Ergeb-
     Diese hat sich zur Aufgabe gemacht, die Stimmung an der Börse     nisse immer wieder mit dem tatsächlichen Geschehen an
     zu messen. Bei extremer Euphorie und grosser Skepsis empfiehlt    den Märkten vergleicht. So bekommt er mit der Zeit ein
     die Sentimentanalyse antizyklisches Agieren. Euphorie und
                                                                       Gespür für das Verhalten von Börsenkursen. „Wo ich früher
     Skepsis werden unter anderem durch das Verhältnis von Puts
                                                                       als Student bestimmt eine Stunde Charts analysiert habe,
     und Calls, das Put-Call-Ratio oder kurz PCR genannt, an den
     Optionsbörsen erfasst. Ein hohes Put-Call-Verhältnis deutet auf   benötige ich heute einige wenige Blicke“, erklärt uns der
     einen grossen Absicherungsbedarf der Marktteilnehmer gegen        technische Analyst Harald Weygand in einem Gespräch
     fallende Kurse hin. Es werden mehr Puts als Calls gekauft. Bei    (siehe Seite 18). Der erfolgreiche Trader und Co-Moderator
     extremen PCRs herrscht am Markt Panik – eine gute Zeit für        der Sendung von BNP Paribas Deutschland „Rendezvous
     einen antizyklischen Kauf.
                                                                       mit Harry“ beschäftigt sich seit seiner Studentenzeit mit
     Die Sentimentanalyse greift grundlegende Gedanken auf, die
     schon André Kostolany Zeit seines Lebens geäussert hat. Während   der Auswertung von Kursverläufen. Was als Hobby und
     er dabei aber noch sehr auf sein Bauchgefühl geachtet hat,        Leidenschaft begann, ist heute Weygands Beruf: Charts,
     versucht die Sentimentanalyse stichhaltige Kriterien für ein      Charts und nochmals Charts – von morgens bis abends.
     antizyklisches Handeln an der Börse zu liefern. Die Sentiment-    Nicht weniger zeitintensiv ist die Fundamentalanalyse.
     analyse hat auch Eingang in die technische Analyse und in die
                                                                       Denn die Bilanz eines Unternehmens zu lesen und zu in-
     Fundamentalanalyse gefunden.
                                                                       terpretieren ist nicht immer ganz einfach. Bei den profes-
                                                                       sionellen Anlegern, bei den Banken, arbeiten dafür Exper-
                                                                       tenteams. „Kann ein Privatanleger tatsächlich das bewerk-
Er lehnte beide ab, setzte stattdessen auf die Beobach-                stelligen, woran im professionellen Bereich ganze Teams
tungsgabe des Anlegers und die Stimmung an der Börse                   arbeiten?“, bezweifelt Harald Weygand. „Ja“, antwortet
und empfahl antizyklisches und mutiges Handeln in star-                Egmond Haidt. Der Fundamentalanalyst Haidt ist bekannt
ken Übertreibungsphasen. Ein riskantes Agieren: Von 100                für seine makroökonomische Herangehensweise, die auch
Investments, so berichtet Kostolany über sich selbst, lag              als Top-down-Ansatz bezeichnet wird. Ausgehend von einer
er 49-mal falsch, 51-mal richtig. Von der Differenz aus                Globalanalyse – Konjunkturdaten, Zinsen, Rohstoffe und
Falsch und Richtig konnte er allerdings meistens gut leben.            Währungen – arbeitet sich der Profi langsam, aber sicher
                                                                       über eine Branchen- zu einer Unternehmensanalyse durch.
Wissen und Zeit sind nötig. Es geht also auch ohne Chart-              Ein Konzept, das er auch jeden Dienstag in der von BNP
technik und Fundamentalanalyse. Aber beide scheinen                    Paribas Deutschland angebotenen Sendung „Euer Egmond“
schon sehr hilfreich, wenn man sich als Privatanleger selbst           einem breiten Publikum vorstellt. Schritt für Schritt ana-
um sein Geld kümmern möchte. Denn die von Kostolany                    lysiert Haidt die Märkte, bespricht konjunkturelle Einflüs-
angesprochenen Übertreibungsphasen, in denen es sich                   se und untersucht die Entwicklungen an der Zins-, Rohstoff-
lohnen könnte, zu kaufen oder zu verkaufen, muss man ja                und Währungsfront. Am Ende seiner Arbeit stehen Emp-
auch erst einmal erkennen. Wann ist die Börse, wann ist                fehlungen, die „im Trend“ liegen, so Haidt gegenüber MÄRK-
eine Aktie heiss gelaufen? Wann liegt der Markt am Boden?              TE & ZERTIFIKATE (siehe Seite 18).
Wann ist eine Aktie extrem billig? Es braucht also Kriterien           Dabei ist „Trend“ hier durchaus vielseitig gemeint. Denn
für Kauf und Verkauf. Und die könnten nun mal Charttech-               nicht jede Aktie, die an der Börse unter ihrem fairen Wert
nik und Fundamentalanalyse liefern. Auch wenn sie nicht                notiert, ist auch wirklich kaufenswert. Das Unternehmen
vor Fehlschlägen schützen, sie scheinen immer noch bes-                braucht einen gewissen Charme, einen Reiz, eine Anzie-
ser als das blosse Bauchgefühl, auf das Kostolany immer                hungskraft auch auf andere Anleger, um interessant zu sein.
wieder anspielt und das ihn, so berichtete er stolz, mehr-             Nur „billig“ reicht oft nicht. Das ist der eine „Trend“.
fach an den Rand des Ruins gebracht hat. Doch beide                    (Fortsetzung des Titelthemas auf Seite 16)

14       BNP PARIBAS
MÄRKTE & ZERTIFIKATE | MÄRZ 2019                                                                              TITELTHEM A

  DIE FUNDAMENTALANALYSE – AUF DER SUCHE NACH DEM INNEREN WERT

  Wie in der charttechnischen Analyse gibt es auch in der     Mehrwert ein Unternehmen für einen Aktionär in der
  Fundamentalanalyse zahlreiche verschiedene Ansätze.         Zukunft erwirtschaftet. Warren Buffett, einer der be-
  Die „eine“ Fundamentalanalyse gibt es nicht. Im We-         kanntesten Vertreter der Fundamentalanalyse, beschreibt
  sentlichen geht es aber bei allen Ansätzen darum, un-       den inneren Wert als die abgezinste Menge Geld, die
  terbewerte Aktien zu finden. Der Fundamentalanalyst         aus einem Unternehmen über die Lebenszeit herausge-
  geht nämlich davon aus, dass jedes Unternehmen un-          zogen werden kann. Er sagt: „Der Preis ist das, was man
  abhängig von seinem jeweiligen Aktienkurs einen inne-       für eine Aktie zahlt. Der innere Wert ist das, was man
  ren, einen wirtschaftlich realen, einen fairen Wert hat,    für den Preis bekommt.“
  der sich berechnen lässt. Dieser innere Wert wird mit       Aber auch er vertraut nicht nur dem inneren Wert. Da-
  dem aktuellen Aktienkurs verglichen. Notiert der Akti-      mit er ein Unternehmen kauft, muss dieses sozusagen
  enkurs darunter, ist die Aktie an der Börse unterbewer-     ein Aufnahmeverfahren durchlaufen. Der innere Wert
  tet, liegt er darüber, ist sie überbewertet. Das Papier     ist dabei nur ein Kriterium. Weitere sind etwa, dass das
  wird bei einer Unterbewertung gekauft, weil der Funda-      Unternehmen ein Produkt herstellen muss, das der
  mentalanalyst davon ausgeht, dass an der Börse früher       Milliardär versteht. „Kaufe nur, was du verstehst“, sagt
  oder später immer der innere Wert einer Aktie ange-         Buffett. Darum hat er sich auch von Technologie-Aktien
  steuert wird. Die Börse ist aus diesem Blickwinkel rati-    lange Zeit ferngehalten. Zudem müssen die Unternehmen
  onal, zumindest unter mittel- bis langfristigen Gesichts-   über einen längeren Zeitraum stabile Erträge erwirt-
  punkten. Kurzfristig kann es natürlich immer wieder zu      schaften und das Management muss seine Qualität
  Abweichungen kommen, die zum antizyklischen Handeln         bewiesen haben. Turnaround-Storys, die Spekulation auf
  genutzt werden können.                                      ein neues Management und so weiter – all das nimmt
                                                              Buffett in sein Portfolio nicht auf. Damit ist Buffetts
  Grosse Anzahl an Kennzahlen. Für die Bestimmung des         Ansatz der Fundamentalanalyse deutlich komplexer als
  inneren Wertes eines Unternehmens haben die Funda-          oft angenommen.
  mentalanalysten eine Vielzahl von Bilanz- und Kenn-
  zahlen unter Beobachtung. Das können relativ einfache
  Kennzahlen sein, etwa die aktuelle Marktkapitalisierung
  eines Unternehmens an der Börse ins Verhältnis gesetzt
  zu seinem Gewinn oder Umsatz. Die sich daraus zu er-
  rechnenden Relationen – das Kurs-Gewinn-Verhältnis
  (KGV) und das Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) – sind
  wohl die bekanntesten Kennzahlen der Fundamental-
  analyse. Ihre Aussagekraft ist allerdings begrenzt, da
  sie auf Zahlen beruhen, die sich sehr schnell ändern
  können oder ohnehin nur Prognosen sind. Aussagekräf-
  tiger sind da schon die sogenannten Rentabilitätskenn-
  zahlen, etwa die Eigenkapitalrentabilität. Sie zeigen an,
  wie profitabel ein Unternehmen wirtschaftet.

  Buffetts Vorgehen ist komplex. Wichtig dabei ist: Den
  einen inneren Wert eines Unternehmens gibt es nicht.        Glatt müssen die Skier sein. Das macht ihren inneren Wert aus.
  Grob geht es immer nur darum, abzuschätzen, welchen                           Auch der Fundamentalanalyst sucht danach.

                                                                                                           BNP PARIBAS         15
TITELTHEM A                                                                                             MÄRKTE & ZERTIFIKATE | MÄRZ 2019

                                                                          Blick durch die Skibrille, bei dem sich Rechts und Links
                                                                          prima ergänzen, auch wenn es Abweichungen bei der Be-
                                                                          trachtung gibt? Es ist sicherlich richtig, dass sich technische
                                                                          Analyse und Fundamentalanalyse nicht grundsätzlich aus-
                                                                          schliessen. Viele Fundamentalanalysten greifen zum Schluss
                                                                          ihrer Auswertungen auf die Charttechnik zurück, um das
                                                                          Timing, den konkreten Kauf- und Verkaufszeitpunkt, festzu-
                                                                          legen, wie Egmond Haidt. Und technische Analysten bedie-
                                                                          nen sich häufig der Fundamentalanalyse, um ihre Chart-
                                                                          auswertung zu untermauern; die konjunkturelle Entwicklung,
                                                                          die aktuellen Nachrichten – auch eingefleischte Charttech-
                                                                          niker verschliessen sich solchen Einflüssen nicht, wie Harald
                                                                          Weygand durchblicken lässt. Auch er prüft, „wie die Märk-
            Gute Laune bei Warren Buffett – mit der Eigenkapital-         te auf positive und negative Nachrichten reagieren“.
                            rentabilität im Blick wurde er reich.         Doch das Verhältnis ist komplizierter. Nicht für jeden Anle-
                                                                          ger, in jedem Markt, bei jeder Aktie und in jeder Situation
     EIGENKAPITALRENTABILITÄT – DARAUF ACHTET
     AUCH WARREN BUFFETT                                                  sind Charttechnik und Fundamentalanalyse geeignet. Beide
                                                                          haben klare Grenzen, die nicht überschritten werden soll-
     Zur Bestimmung des inneren Wertes einer Aktie hält die Fun-
                                                                          ten. Wenn die technische Analyse etwa darauf beruht, dass
     damentalanalyse viele Kennzahlen bereit. Eine wichtige ist die
                                                                          viele Anleger einen Blick zurück werfen und sich an vergan-
     Eigenkapitalrentabilität. Sie errechnet sich, indem der Gewinn
     eines Unternehmens ins Verhältnis zum Eigenkapital gesetzt           genen Kursentwicklungen orientieren, dann kann man mit
     wird. Die Rechnung lautet: Gewinn / Eigenkapital x 100 %. Bei        ihr nicht in Märkten arbeiten, in denen nur wenige Inves-
     einem Gewinn von 50.000 Franken und einem Eigenkapital von           toren unterwegs sind. Das gilt am Aktienmarkt insbeson-
     1 Million Franken ergibt sich demnach eine Eigenkapitalrenta-
                                                                          dere für die Small und Mid Caps. Bei den klein- bis mittel-
     bilität von 5 Prozent.
                                                                          gross kapitalisierten Gesellschaften kommen oft an einem
     Grundsätzlich wird eine hohe Eigenkapitalrentabilität als posi-
     tives Zeichen gewertet, das auf ein wirtschaftlich gut aufgestell-   Tag nur sehr wenige Kurse zustande. Hier auf das Massen-
     tes Unternehmen hindeutet. Allerdings gibt es Unterschiede           phänomen „self-fulfilling prophecy“ zu setzen ist nicht
     zwischen den Branchen. Branchen, in denen traditionell hohe          ratsam. Doch die Einschränkung geht noch viel weiter.
     Investitionen getätigt werden müssen, weisen in der Regel im         Beobachter bestreiten auch für viele Rohstoffe und Wäh-
     Schnitt eine niedrige Eigenkapitalrentabilität auf. Die Eigenka-
                                                                          rungen die Sinnhaftigkeit einer technischen Analyse. Was
     pitalrentabilität wird auch von Warren Buffett zur Bestimmung
                                                                          unter Umständen bleibt, sind die grossen umsatzstarken
     des inneren Werts einer Aktie herangezogen. Buffett bevorzugt
     grundsätzlich Unternehmen mit hoher Eigenkapitalrentabilität.        Märkte, deren Indizes wie DAX und Dow Jones und die in
                                                                          ihnen jeweils zusammengefassten Aktien, die sogenannten
                                                                          Blue Chips. Damit hätte die technische Analyse möglicher-
                                                                          weise eine erhebliche Einschränkung hinzunehmen.
Der andere: Auch Egmond Haidt achtet, bevor er kauft, auf                 Man muss sich also sehr genau überlegen, wann und wo
die Charttechnik. „Ich würde nie eine Aktie kaufen, wenn                  es Sinn macht, auf die technische Analyse zurückzugreifen.
ich sie nach der Fundamentalanalyse für kaufenswert hiel-                 Das gilt aber auch für die Fundamentalanalyse. Allein ein
te, der Kurs aber auf Talfahrt ist“, erklärt er uns. Oder anders          Blick auf die Anlagestrategie von Warren Buffett zeigt, wo
ausgedrückt: Auch für den Fundamentalanalysten Haidt ist                  die Grenzen der Fundamentalanalyse verlaufen (siehe
der technische Trend wichtig.                                             Seite 15). Turnaround-Storys, junge Tech-, Internet- und
                                                                          Biotech-Schmieden, all diese Unternehmen lassen sich
Das Verhältnis ist kompliziert. Löst sich damit der anfangs               anhand von Fundamentaldaten nicht empfehlen. Denn
erwähnte Streit zwischen „Chartis“ und „Fundis“ auf? Glei-                diese Unternehmen produzieren auf Jahre gesehen vor allem
chen Charttechnik und Fundamentalanalyse doch nur dem                     eins: Verluste. Nicht ohne Grund hat sich Buffett jahrzehn-

16        BNP PARIBAS
MÄRKTE & ZERTIFIKATE | MÄRZ 2019                                                                                         TITELTHEM A

            FUNDAMENTALANALYSE – TOP-DOWN UND BOTTOM-UP

                                                                                                             Quelle: eigene Darstellung

   ZWEI WEGE, EIN ZIEL
   In der Fundamentalanalyse sind grundsätzlich zwei Wege für      wird geschaut, wie intakt das Umfeld ist. Erst wenn auch die
   ein Investment möglich: der Top-down- und der Bottom-up-        Branchen- und die Globalanalyse grünes Licht geben, kommt
   Ansatz. Beim Top-down-Ansatz werden vom Analysten zuerst        ein Einstieg infrage. Warren Buffett ist ein Vertreter des Bottom-
   der Markt und dann die Branchen analysiert. Dadurch findet      up-Ansatzes. Der Fundamentalanalyst Egmond Haidt favorisiert
   ein Selektionsprozess statt. Am Ende des Prozesses bleibt nur   hingegen die Top-down-Analyse. Über die Beobachtung der
   noch ein bestimmtes Spektrum an Unternehmen übrig, die          Konjunkturdaten, des Anleihemarkts in den USA, von Währun-
   interessant sind. Diese werden dann auf ihren inneren Wert      gen und Rohstoffen, nähert er sich nach und nach dem Akti-
   hin untersucht. Beim Bottom-up-Ansatz wird hingegen der         enmarkt, erklärt uns der Experte in einem Gespräch (siehe
   umgekehrte Weg eingeschlagen. Es wird zuerst nach Unter-        Seite 18). Erst dann folgt ein Blick auf die fundamentalen
   nehmen gesucht, die an der Börse unterbewertet sind. Dann       Kennzahlen der Unternehmen.

telang gegen eine Aufnahme von Technologie-Aktien in sein          scheint. Denn nach einigen Minuten kommt der Fundamen-
Portfolio gewehrt. Wo bleibt da noch der Kick, der Spass           talanalyst zurück. Er lacht und reicht dem Charttechniker
beim Anlegen?                                                      die Hand: „Stimmt, ein Chart sagt mehr als tausend Worte.
Bevor sich ein Anleger der technischen oder der Fundamen-          Mit einem Chart kann ich mein Timing zum Kauf einer un-
talanalyse widmet, muss er sich auch die Frage stellen, was        terbewerteten Aktie optimieren.“ Der technische Analyst
er eigentlich will und welcher Anlegertyp er ist. Welcher          nickt zustimmend: „Genau, und die Fundamentalanalyse
Markt soll gehandelt werden? Welche Aktien sollen früher           hilft mir, die Nachhaltigkeit und die Dauer des Trends grob
oder später im Depot landen? Erst wenn diese Fragen be-            einzuschätzen.“ Doch schon am darauffolgenden Tag hocken
antwortet sind, macht es Sinn, sich einer Analysemethode           sich beide am Schreibtisch gegenüber. Während sich der
genauer zu widmen.                                                 technische Analyst durch unzählige Charts arbeitet und
                                                                   dabei nach bestimmten Mustern in den Kursverläufen
Der Bessere sein. Technische Analyse und Fundamental-              Ausschau hält, tippt der Fundamentalanalyst scheinbar
analyse schliessen sich nicht aus, sie ergänzen sich aber          unendliche Zahlenkolonnen in seinen Rechner. Auf beiden
auch nicht unbedingt, zumindest nicht immer, nicht überall         Seiten herrscht eisiges Schweigen und die Überzeugung,
und nicht für jeden. Eine Einsicht, die auch unseren beiden        doch der Bessere zu sein. (oh)
eingangs erwähnten Analysten durch den Kopf zu gehen

                                                                                                                    BNP PARIBAS           17
TITELTHEM A                                                                                    MÄRKTE & ZERTIFIKATE | MÄRZ 2019

„EINEN TREND SPIELEN.“
INTERVIEW MIT EGMOND HAIDT UND HARALD WEYGAND

EGMOND HAIDT UND HARALD WEYGAND, JEDER VON IHNEN IST EXPERTE AUF SEINEM GEBIET. EGMOND HAIDT IST FUNDAMENTALANALYST, HARALD
WEYGAND TECHNISCHER ANALYST. MÄRKTE & ZERTIFIKATE SPRICHT MIT IHNEN ÜBER IHRE HERANGEHENSWEISE AN DIE MÄRKTE.

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Herr Weygand, Sie sind technischer           MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Und wie finden Sie dann die Aktien,
Analyst. Wie schauen Sie sich die Märkte an?                       die Sie kaufen möchten?
Harald Weygand: Ich schaue mir die Charts und die Markt-           Egmond Haidt: Wenn ich eine Aktie aussuche, gehe ich nach
breite an, bewerte das Marktsentiment, prüfe, wie die Märkte       dem eben skizzierten Schema vor. Wenn ich all das gemacht
auf positive und negative Nachrichten reagieren und auf            habe, schaue ich mir zum Schluss verschiedene Kennzahlen
welche Nachrichten besonders starke Kursausschläge folgen,         an, etwa die operative Gewinnmarge der einzelnen Unter-
erstelle Relative-Stärke-Rankings und werte Intermarketkor-        nehmen oder das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Dann sieht
relationen aus. Im Vordergrund steht dabei die charttechnische     man sehr schnell, ob eine Aktie über- oder unterbewertet
Analyse. Dabei wird der Chart, der Kursverlauf, nach bestimm-      ist.
ten immer wiederkehrenden Mustern sondiert.
                                                                   MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Und Sie, Herr Weygand, was han-
MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Welche Chartmuster sind das?                 deln Sie konkret?
Harald Weygand: Ja, das sind vor allem Doppel- und Dreifach-       Harald Weygand: Ich handle vornehmlich Indizes wie DAX,
böden, inverse Schulter-Kopf-Schulter-Muster, Flaggen, Wim-        Dow Jones und S&P 500, und Gold, Öl und Währungen.
pel, Dreiecke und Keile. Als technisch ausgerichteter Händler
muss ich dabei die unterschiedlichen Auflösungsvarianten, also     MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Warum gerade diese Werte?
wohin der Kurs nach einer solchen Formation ausbrechen             Harald Weygand: Nun, ich kann in diesen Basiswerten
könnte, und Auflösungswahrscheinlichkeiten dieser Muster           grosse Positionen schnell eröffnen und schliessen, ohne
kennen, um sinnvoll meinen Stop-Loss, meinen Take-Profit           den Kurs durch mein Handeln selbst zu beeinflussen. Ob
und das Money-Management ermitteln zu können.                      ich aber einen Index oder eine Aktie technisch auswerte,
                                                                   spielt keine Rolle. Das Vorgehen ist immer das gleiche. Man
MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Das hört sich alles sehr technisch an.       mag es kaum glauben, aber die Hauptinformation rezipiere
Wie gehen Sie, Herr Haidt, denn bei Ihrer Analyse vor? Sie sind    ich bei einem schnellen Blick auf den blanken Chart. Wo
ja Fundamentalanalyst.                                             ich früher als Student Stunden analysiert habe, benötige
Egmond Haidt: Ja, richtig, ich betrachte die Märkte anders,        ich heute einige wenige Blicke, und schon habe ich meine
auch wenn mir das Vorgehen meines Kollegen nicht fremd ist.        Meinung zu dem Basiswert.
Ich verfolge vor allem die Konjunkturdaten aus den USA und
China. Aber auch die Eurozone habe ich im Blick. Zudem be-         MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Können Sie denn der Fundamen-
obachte ich die Entwicklung am US-Anleihemarkt. Wenn die           talanalyse etwas abgewinnen, Herr Weygand?
Zinsen für zehnjährige US-Anleihen sinken, wie sie es seit ei-     Harald Weygand: Die Fundamentalanalyse hat sicherlich
nigen Monaten tun, deutet das auf eine deutliche Eintrübung        ihre Daseinsberechtigung. Sie ist nützlich, wenn der Anleger
der langfristigen Perspektiven für die Wirtschaft hin. Ein sehr    sie beherrscht. Wir sind aber an den Finanzmärkten, es geht
wichtiger Indikator ist zudem die Zinsstrukturkurve, gerade        um viel Geld, man konkurriert mit den besten Analysten.
der Zinsaufschlag für zehnjährige US-Anleihen gegenüber            Als Anleger sollte man also genau wissen, was man kann.
zweijährigen. Wenn er immer kleiner, die Kurve immer flacher       Die Fundamentalanalyse ist sehr komplex. Bei den grossen
wird, signalisiert das eine Eintrübung für die Wirtschaft. Zudem   Investmenthäusern arbeiten Teams mit vielen Experten an
habe ich auch den Währungs- und Rohstoffmarkt im Blick.            solchen Analysen. Kann ein Privatanleger tatsächlich das

18     BNP PARIBAS
MÄRKTE & ZERTIFIKATE | MÄRZ 2019                                                                                         TITELTHEM A

bewerkstelligen, woran im professionellen Bereich ganze             MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Haben Sie denn für uns einen
Teams arbeiten?                                                     unter fundamentalen Aspekten interessanten Tipp für
                                                                    2019?
MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Aber man könnte berühmte Vor-                 Egmond Haidt: Wenn viele Einkaufsmanagerindizes wie
bilder suchen und sich an ihnen orientieren? Etwa an                derzeit auf Talfahrt sind, während die Zinsen für zehnjäh-
Warren Buffett?                                                     rige US-Anleihen sinken, was eine Eintrübung der US-
Harald Weygand: Viele Fondsmanager und Privatanleger                Wirtschaft widerspiegelt, sind Aktien von Zyklikern wie
versuchen den Investmentstil von Warren Buffett nachzu-             Daimler, Continental oder Infineon auf Talfahrt. Dann macht
ahmen, richtig. Aber den allermeisten gelingt es nicht. Der         es Sinn, diesen Trend zu spielen, bis sich das Umfeld än-
Ansatz ist nämlich weniger einfach, als ihn Buffett selbst          dert. Ich fürchte also, dass sich die Kursrückgänge etwa
beschreibt.                                                         im DAX noch ausweiten.

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Was sagen Sie, Herr Haidt, dazu?              MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Und Herr Weygand, Ihr Tipp für
Kann ein Privatanleger fundamental arbeiten?                        2019?
Egmond Haidt: Ja, in Zeiten des Internets ist das möglich.          Harald Weygand: Ich erwarte auf Basis meiner charttech-
Man kann problemlos die wichtigen Nachrichten und eine              nischen Auswertungen einen schwächeren US-Dollar. Auf-
Reihe von Konjunkturdaten finden, etwa auf den Seiten des           grund der gegenläufigen Intermarketkorrelation dürften
Institute of Supply Management (ISM). Zudem kann man                Edelmetalle und Goldminen-Aktien steigen. Ein abwerten-
die Geschäftsberichte eines Unternehmens herunterladen.             der US-Dollar bedeutet auch Chancen für Aktien aus den
Und man findet im Internet viele Daten zu den Unternehmen,          Emerging Markets.
etwa die Gewinnschätzungen. Damit kann man als Privat-
anleger gut arbeiten.                                               MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Gibt es für den interessierten
                                                                    Neueinsteiger Bücher, die Sie uns empfehlen können?
MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Was sagen Sie denn als Funda-                 Harald Weygand: Ich empfehle „Technische Analyse“ von
mentalanalyst zur technischen Analyse?                              Jack D. Schwager und „Technische Analyse der Finanzmärk-
Egmond Haidt: Ich sehe die technische Analyse positiv.              te“ von John J. Murphy.
Häufig bestätigt die technische Analyse die Einschätzung,           Egmond Haidt: „Finanznachrichten lesen – verstehen –
zu der man durch die Fundamentalanalyse gekommen ist.               nutzen“ von Rolf Beike und Johannes Schlütz, und „Unter-
Ich würde nie eine Aktie kaufen, wenn ich sie nach der              nehmensbewertung & Kennzahlenanalyse“ von Nicolas
Fundamentalanalyse für kaufenswert hielte, der Kurs aber            Schmidlin. (oh)
auf Talfahrt ist.

               EGMOND HAIDT                                          HARALD WEYGAND

               Nach einer Lehre zum Bankkaufmann und einem           Harald Weygand entschied sich nach dem grossen
               BWL-Studium begann Egmond Haidt im Jahr 2000          Staatsexamen in Medizin für seine Leidenschaft, das
               als Redakteur beim Anlegermagazin Börse Online.       Trading der Finanzmärkte. Seit 1998 ist er als pro-
               Seit 2013 ist er als freier Finanzjournalist tätig    fessioneller Trader aktiv. Er ist Gründer des Portals
               und schreibt für verschiedene Publikationen. Jeden    godmodetrader.de und Mitbegründer der BörseGo
               Dienstag um 18 Uhr analysiert Egmond Haidt live       AG. In der jeden Montag um 19 Uhr stattfindenden
               in der von BNP Paribas in Frankfurt veranstalteten    und von BNP Paribas in Frankfurt veranstalteten
               Sendung „Euer Egmond“ die Märkte unter funda-         Sendung „Rendezvous mit Harry“ analysiert Harald
               mentalen Aspekten. Die Sendung kann auch nach-        Weygand die Märkte mithilfe der Charttechnik. Die
               träglich auf www.bnp.de abgerufen werden.             Sendung ist auf www.bnp.de abrufbar.

           Die im Interview geäusserten Meinungen geben nicht die Ansichten der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

                                                                                                                     BNP PARIBAS   19
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