Stimmungsbild Mitteldeutsche Produzenten und die Corona-Pandemie - #4 2020 - Mitteldeutsche ...

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Stimmungsbild Mitteldeutsche Produzenten und die Corona-Pandemie - #4 2020 - Mitteldeutsche ...
#4 2020   Magazin der Mitteldeutschen
                                       Medienförderung

Stimmungsbild
Mitteldeutsche Produzenten
und die Corona-Pandemie

Jubiläum
20 Jahre Akademie
für Kindermedien

Blickfang
Schlösser und Burgen
als Filmkulisse
Stimmungsbild Mitteldeutsche Produzenten und die Corona-Pandemie - #4 2020 - Mitteldeutsche ...
Stimmungsbild Mitteldeutsche Produzenten und die Corona-Pandemie - #4 2020 - Mitteldeutsche ...
Inhalt

Liebe Leserinnen und Leser,
seit mittlerweile neun Monaten stellt uns das Corona-Virus vor gewaltige
Herausforderungen. Auch für die Filmbranche hat es trotz verschiedenster
Hilfsmaßnahmen auf Bundes- und Länderebene tiefgreifende Folgen. Im
Rahmen eines mehrseitigen Specials berichten unabhängige Produzenten
aus Mitteldeutschland, wie sich ihre tägliche Arbeit verändert hat, was die
Pandemie für die Realisierung und die Auswertung ihrer Filme bedeutet und
mit welchen Ideen sie der Krise trotzen. Flexibilität ist auch das Erfolgsre-
zept der Akademie für Kindermedien, bei der in Erfurt unter professioneller
Anleitung originäre Stoffe für ein junges Publikum entwickelt werden.
In den 20 Jahren ihres Bestehens ist sie konzeptionell stets am Puls der
Branche geblieben, was nicht nur die hohe Zahl der realisierten Projekte,
sondern auch der weitere Berufsweg vieler Alumni belegt. Ebenfalls Grund
zur Freude hat Schloss Moritzburg in Sachsen. Als einer von fünf Drehorten
hat es Chancen auf den renommierten European Location Award 2020.                                 Schloss Moritzburg
Auch darüber lesen Sie in der vorliegenden Ausgabe.

Eine spannende Lektüre wünscht
Ihr Redaktionsteam

                  Rückblende                             Szene:                                   In Produktion                          Termine &
                  Veranstaltungen, Dreharbeiten,         20 Jahre AKM                             Berichte von den Dreharbeiten zu       Veranstaltungen
                  Premieren und Preise                                                            „Lipstick on the Glass“ (Regie: Kuba
                                                         Bei der Erfurter Akademie für                                                   Kinostarts, Einreichtermine
                  Seite 4 bis 7                                                                   Czekaj), „Lothar hört auf “ (Regie:
                                                         Kindermedien entwickeln erfahrene                                               und Veranstaltungstermine
                                                                                                  Tilman König) und „Der Kopf der
                                                         Autor*innen und Nachwuchstalente                                                in Mitteldeutschland
                                                                                                  Katze“ (Regie: Harriet und Peter
                                                         unter professioneller Anleitung                                                 Seite 26
                                                                                                  Meining) sowie zur Produktion der
                  Fokus:                                 originäre Stoffe für ein junges Publi-
                                                                                                  VR-Experience „Biolumineszenz“
                                                         kum. Seit mittlerweile 20 Jahren ist
                  Produzieren in                         das Weiterbildungsprogramm nun
                                                                                                  (Head of Creative: Abel Kohen). Plus

                  der Pandemie                           am Markt aktiv – und kann dabei
                                                                                                  eine Übersicht weiterer MDM-geför-
                                                                                                  derter Projekte in Produktion.
                  Filme und Serien entstehen auch in     eine stetig steigende Reputation so-
                                                                                                  Seite 18 bis 23
                  der Corona-Krise – allerdings unter    wie eine stattliche Anzahl erfolgreich
                  erschwerten Bedingungen. Sechs         realisierter Projekte vorweisen.
                                                         Seite 14 und 15
                  mitteldeutsche Produzenten berich-
                  ten, wie die Pandemie ihre Arbeit                                               Creative Europe
                  verändert. Zu Wort kommen Chris-
                                                                                                  News
                  toph Kukula (42film), Karsten Stöter
                                                         Film Commission:                         Interview zum Abschied von EFA-
                  (Rohfilm Factory), Gunnar Dedio
                  (LOOKSfilm), Tanja Georgieva-          Herrlich                                 Geschäftsführerin Marion Döring,

                  Waldhauer (Elemag Pictures) sowie      herrschaftlich                           MEDIA-Mittel für die MDM-Region
                                                                                                  sowie weitere Informationen und
                  Marcel Lenz und Guido Schwab
                                                         Als einer von fünf europäischen          Kurzmeldungen
                  (Ostlicht Filmproduktion).
                                                         Drehorten geht Schloss Moritzburg        Seite 24 und 25
                  Seite 8 bis 13
                                                         ins Rennen um den EUFCN Location
                                                         Award 2020. Der in Sachsen gelegene
                                                         Kandidat der MDM Film Commissi-
                                                         on lieferte 2018 die passende Kulisse
                                                         für den spektakulären Showdown
                                                         von „3 Engel für Charlie“. Doch auch
                                                         in Thüringen und Sachsen-Anhalt
                                                         wartet auf Filmteams eine beeindru-
                                                         ckende Vielfalt von Schlössern und
                                                         Burgen.
                                                         Seite 16 und 17
„Der Kopf der Katze“
© Rebecca Meining

                                                                                                                                                                       3
Stimmungsbild Mitteldeutsche Produzenten und die Corona-Pandemie - #4 2020 - Mitteldeutsche ...
Rückblende
      Yves Paradis erhält MDM-Nachwuchspreis
      Beim 16. MDM Nachwuchstag KONTAKT am 09. Sep-
  tember in Erfurt hat Yves Paradis (rechts) den KONTAKT-
 Pitchingpreis in Höhe von 3.000 Euro für seinen animierten
   Dokumentarkurzfilm „Conversation from another World“
    gewonnen. Der aus Québec stammende und jetzt in Halle
         (Saale) lebende selbständige Illustrator und Animator
   reflektiert darin seine eigenen Erfahrungen über den Inte-
    grationsprozess in einem fremden Land und das Erlernen
    einer neuen Sprache. Die Jury sprach zudem eine lobende
 Erwähnung für den Coming-of-Age-Film „Jonja“ von Anika
      Mätzke (links) aus. Insgesamt präsentierten beim MDM
 Nachwuchstag 14 mitteldeutsche Talente neun Filmprojekte
             vor fast 100 Anwesenden im Erfurter Kaisersaal.

                                                                 Kinoprogrammpreise
                                                                 Mitteldeutschland 2020 verliehen
                                                                 Im Rahmen der 20. Filmkunstmesse Leipzig hat die MDM
                                                                 die Kinoprogrammpreise Mitteldeutschland 2020 an 29
                                                                 gewerbliche Kinos und neun alternative Spielstätten in Sach-
                                                                 sen, Sachsen-Anhalt und Thüringen verliehen. Die Gesamt-
                                                                 summe der Preisgelder war aufgrund der existenzbedrohen-
                                                                 den Corona-Krise einmalig auf 300.000 Euro verdreifacht
                                                                 worden. Zudem erhielten alle Filmtheater eine Auszeich-
                                                                 nung, die sich um die Kinoprogrammpreise beworben hat-
                                                                 ten. Um die Kinos zeitnah zu stärken, waren die Preisträger
                                                                 bereits im Juni verkündet worden. In den Salles de Pologne
                                                                 erfolgte am 15. September dann die feierliche Übergabe
                                                                 der Urkunden. Der Hauptpreis für das beste Jahresfilmpro-
                                                                 gramm 2019 ging an das Luchskino am Zoo in Halle (Saale).
                                                                 Die Auszeichnung ist mit einer Prämie in Höhe von 20.000
                                                                 Euro dotiert. Mit dem Hauptpreis für das beste Jahresfilm-
                                                                 programm 2019 einer alternativen Abspielstätte, verbunden
                                                                 mit einer Prämie in Höhe von 10.000 Euro, zeichnete die
                                                                 unabhängige Expertenjury die Cinémathèque Leipzig aus.

               AG DOK Ost gegründet
   Als letzte noch fehlende Regionalgruppe der
     AG Dokumentarfilm ist am 19. September
   die „AG DOK Ost“ für die drei Bundesländer
   Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ins
  Leben gerufen worden. Beim anschließenden
    ersten mitteldeutschen Branchentreff in der
    Moritzburg Halle sprach neben Dr. Henrike
     Franz (Staatskanzlei Sachsen-Anhalt) auch
  der ehemalige AG DOK-Vorsitzende Thomas
 Frickel ein Grußwort. Schwerpunkt des Nach-
mittags war die Diskussionsrunde zur Zukunft
des dokumentarischen Arbeitens in der Region
   mit Vertretern von DOK Leipzig, Documen-
  tary Campus, dem MDR, dem Berufsverband
   Kinematografie, der Werkleitz Gesellschaft,
dem Mitteldeutschen Film- und Fernsehprodu-
     zentenverband (MFFV) und der AG DOK.

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Stimmungsbild Mitteldeutsche Produzenten und die Corona-Pandemie - #4 2020 - Mitteldeutsche ...
MDM-Gründerinitiative MEDIAstart nimmt Arbeit auf
                                                                Zum 1. Januar 2021 nimmt die Gründerinitiative MEDIAstart unter dem
                                                                Dach der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM) ihre Arbeit auf.
                                                                Sie soll jährlich bis zu zehn neue Medienunternehmen aus Mitteldeutschland
                                                                dabei unterstützen, rasch und dauerhaft auf dem Markt Fuß zu fassen.
                                                                Sie richtet sich sowohl an Absolventinnen und Absolventen von Hochschulen
                                                                als auch an bereits in der Branche tätige Personen, die sich mit einer Firma
                                                                in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen niederlassen wollen oder diese
                                                                vor Kurzem gegründet haben. Im Rahmen von MEDIAstart werden sie mit
                                                                regionalen und überregionalen Unternehmen sowie potenziellen Auftrag­
                                                                gebern vernetzt, nehmen an eigens konzipierten Workshops teil, bekommen
                                                                erfahrene Mentorinnen und Mentoren zur Seite gestellt und erhalten für die
                                                                Dauer von einem Jahr einen monatlichen Betriebskostenzuschuss. Leiter der
                                                                Gründerinitiative MEDIAstart wird Jürgen Vogel-Jahn (Foto). Der studierte
                                                                Journalist führte von 1999 bis 2014 die Geschäfte der DREFA Media Holding
                                                                GmbH. Davor war Vogel-Jahn unter anderem Programmdirektor bei Radio
                                                                PSR und Wellenchef beim MDR Jump-Vorläufer MDR Life. Zuletzt betätigte
                                                                er sich als Unternehmer im Bereich Grafik- und Produktdesign.

                     Sechs EFA-Nominierungen für
                            MDM-geförderte Filme
       Die mit Unterstützung der MDM entstandenen Filme
 „Martin Eden“ (Foto), „Father“ und „DAU. Natasha“ sind für
          insgesamt sechs Europäische Filmpreise nominiert.
      Die Jack-London-Adaption „Martin Eden“ hat Chancen
      in den Kategorien bester Film, bester Regisseur (Pietro
Marcello), bester Drehbuchautor (Pietro Marcello, Maurizio
   Braucci) und bester Darsteller (Luca Marinelli). Ebenfalls
 als bester Schauspieler ist Goran Bogdan für seine Leistung
    in Srdan Golubovics Drama „Father“ nominiert. Natasha
Berezhnaya erhielt für ihre Rolle in „DAU. Natasha“ von Ilya
Khrzhanovskiy und Jekaterina Oertel eine Nominierung als
  beste Schauspielerin. Die Preisträger werden in der Woche
                         vom 8. bis 12. Dezember verkündet.

                                                                               „Hotel Astoria“ gastierte
                                                                               in Leipzig und Amsterdam
                                                                               Der Animadok-Film „Hotel Astoria“ von Alina Cyranek
                                                                               und Falk Schuster war in den vergangenen Wochen bei zwei
                                                                               der weltweit wichtigsten Dokumentarfilmfestivals präsent:
                                                                               Nach seiner Uraufführung Ende Oktober bei DOK Leipzig
                                                                               gastierte das 28-minütige Werk im November auch beim
                                                                               International Documentary Film Festival Amsterdam
                                                                               (IDFA), wo es in den „Competition for Short Documentary“
                                                                               eingeladen wurde. Mit einer Mischung aus rotoskopiertem
                                                                               Material sowie originalen Film- und Foto-Aufnahmen
                                                                               werfen Alina Cyranek und Falk Schuster in „Hotel Astoria“
                                                                               einen Blick auf das seit 1996 leer stehende Leipziger Hotel,
                                                                               das einst zu den führenden Luxushotels der DDR zählte.

                                                                                                                                          5
Stimmungsbild Mitteldeutsche Produzenten und die Corona-Pandemie - #4 2020 - Mitteldeutsche ...
MDM lud zum Parlamentarischen Abend
                                                  Im Rahmen eines Parlamentarischen Abends infor-
                                                  mierte die MDM am 12. Oktober im Kurländer Palais
                                                  in Dresden über die Ergebnisse und Perspektiven ihrer
                                                  Arbeit für die Film- und Medienlandschaft in Sachsen.
                                                  Nach Grußworten von Landtagspräsident Dr. Matthias
                                                  Rößler, Staatsminister Oliver Schenk und MDM-Ge-
                                                  schäftsführer Claas Danielsen wurden Ausschnitte aus
                                                  MDM-geförderten Filmen wie „Gundermann“, „Werk
                                                  ohne Autor“ oder „Ein verborgenes Leben“ gezeigt, die in
                                                  den letzten Jahren teilweise oder vollständig in Sachsen
                                                  entstanden waren. Es folgte ein Talk mit Vertretern
                                                  der Filmbranche wie Stefan Arndt (X Filme), Henriette
                                                  Lippold (UFA Fiction) und Gunnar Dedio (LOOKSfilm),
                                                  bevor die anwesenden Gäste Gelegenheit zu Gesprächen
                                                  mit zahlreichen Vertretern der Medienwirtschaft hatten.
                                                  Für die musikalische Untermalung des Abends sorgte die
                                                  sächsische Filmkomponistin Freya Arde.

                      „Tailor“ feierte
               Weltpremiere in Tallinn
       Die von der Geraer Elemag Pictures ko-
       produzierte Tragikomödie „Tailor - Der
   Hochzeitsschneider von Athen“ erlebte am
13. November ihre Uraufführung beim Black
    Nights Film Festival in Tallinn. Regisseu-
     rin Sonia Liza Kenterman (links), für die
     „Tailor“ ihr Langfilmdebüt ist, hatte auch
    ihre Hauptdarsteller Dimitris Imellos und
 Tamila Koulieva mitgebracht. Wenig später
      lief der Film auch in Thessaloniki, wo er
   gleich drei Preise gewann: den FIPRESCI-
  Preis für den besten griechischen Film, den
  Preis der Jugendjury sowie den ERT Award
                       der Sektion „First Run“.

                                                                 „Bilderkriegerin“ abgedreht
                                                                 In Sachsen-Anhalt und Thüringen fanden
                                                                 im Oktober Dreharbeiten zum MDM-
                                                                 geförderten Doku-Drama „Bilderkriegerin“
                                                                 statt. Protagonistin ist die deutsche Foto-
                                                                 journalistin und Pulitzerpreis-Trägerin Anja
                                                                 Niedringhaus, die 2014 im Alter von 48
                                                                 Jahren bei einem Anschlag in Afghanistan
                                                                 getötet wurde. Unter der Regie von Roman
                                                                 Kuhn wird sie von Antje Traue verkörpert.
                                                                 An ihrer Seite spielen Dulcie Smart, Michele
                                                                 Cuciuffo und Franziska Hartmann. Regie bei
                                                                 den Dokumentarteilen führt Sonya Winter-
                                                                 berg. „Bilderkriegerin“ ist eine Produktion
                                                                 der Dresdner Avanga Filmproduktion und
                                                                 Ziegler Film in Koproduktion mit dem ZDF.

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Stimmungsbild Mitteldeutsche Produzenten und die Corona-Pandemie - #4 2020 - Mitteldeutsche ...
Siegfried Kracauer Preis 2020 vergeben
   Mitte November wurde – erstmals mit Beteiligung der MDM – zum siebten
Mal der Siegfried Kracauer Preis für die beste Filmkritik verliehen. Er ging an
  Dietmar Dath für seine Rezension von „Terminator: Dark Fate“. Sie erschien
      am 23. Oktober 2019 unter dem Titel „Killermaschinistinnen vor!“ in der
   Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert. Das
 Siegfried Kracauer Stipendium für das Jahr 2020/21 in Höhe von 12.000 Euro
erhält Esther Buss, die eine sechsteilige Artikelserie zum Thema „Zukunft des
Kinos“ sowie einen regelmäßigen Blog verfassen wird. Medienpartner für das
  Stipendium ist der renommierte „Filmdienst“. Die nach dem Filmtheoretiker
Siegfried Kracauer benannte Auszeichnung wird von der MFG Filmförderung
  Baden-Württemberg, der Film- und Medienstiftung NRW und der MDM in
        Zusammenarbeit mit dem Verband der deutschen Filmkritik vergeben.

                                                                 Zwei Preise für MDM-geförderte Filme
                                                                 beim Festival GOLDENER SPATZ
                                                                 Beim 28. Deutschen Kinder-Medien-Festival GOLDENER SPATZ
                                                                 wurden am 25. September zwei von der MDM unterstützte Filme prämiert.
                                                                 „Die Pfefferkörner und der Schatz der Tiefsee“ gewann die Trophäe für den
                                                                 besten Langfilm (Foto: Festivalleiterin Nicola Jones und „Pfefferkörner“-
                                                                 Produzent Holger Ellermann). Sie ist verbunden mit dem Sonderpreis des
                                                                 Thüringer Ministerpräsidenten, den Regisseur Christian Theede erhielt.
                                                                 Der Film von Letterbox Filmproduktion in Koproduktion mit Senator Film
                                                                 Produktion, ARD, NDR und Nordfilm läuft am 11. Februar 2021 über
                                                                 Wild Bunch (Central) im Kino an. Mit dem Urkunden-Preis des MDR-
                                                                 Rundfunk­rates für das beste Drehbuch, dotiert mit 4.000 Euro, wurden
                                                                 Beate Völcker und Peter Palatsik („Fritzi – Eine Wendewundergeschichte“,
                                                                 Regie: Ralf Kukula, Matthias Bruhn) ausgezeichnet.

                                                                                                                                             7
Stimmungsbild Mitteldeutsche Produzenten und die Corona-Pandemie - #4 2020 - Mitteldeutsche ...
Thema
 Produzieren
 in der Pandemie
 Seit mittlerweile neun Monaten hat das Corona-Virus Deutschland fest im Griff.
 Auch für die Film- und Medienbranche hat es weitreichende Auswirkungen.
 In unserem sechsseitigen Special berichten unabhängige Produzenten aus Mitteldeutsch-
 land, wie sich ihr Tagesgeschäft verändert hat, was die Pandemie für die Realisierung
 und die Auswertung ihrer Filme bedeutet und mit welchen Ideen sie der Krise trotzen.

                                                 Berlinale Co-Production Market, der quasi
 Christoph Kukula                                vor der Haustür liegt und wo sich die ganze

 (42film)                                        Branche trifft, ist Gold wert. Da muss man
                                                 mal schauen, ob und wenn ja in welcher Form
„Die Arbeits
           ­belastung                            er im Februar überhaupt stattfinden kann.
                                                 Wir haben als Firma ein bestehendes Netz-
 ist um einiges                                  werk und müssen da glücklicherweise nicht

 höher“                                          von vorn anfangen. Für junge Firmen, die
                                                 erst auf dem Markt Fuß fassen müssen, ist das
                                                 sicher dramatischer. Selbst die Ausfälle von
 Gemeinsam mit Eike Goreczka führt               MDM-Veranstaltungen wie dem Sommerfest
 Christoph Kukula die 2004 in Halle              oder dem Jahresabschluss sind vor diesem
 (Saale) gegründete 42film. Neben inter­         Hintergrund bedauerlich.
 nationalen Spielfilm-Koproduktionen
                                                 Mit welchen Schwierigkeiten
 wie „Die Maisinsel“, „Nanouk“ und
                                                 müssen Sie noch zurechtkommen?
 „Nationalstraße“ produzieren sie Doku-
                                                     Die Arbeitsbelastung ist um einiges hö-
 mentarfilme wie „Farewell Halong“ oder          her. Beim ersten Lockdown musste man sich
 zuletzt „Uta“. Aktuell haben sie gleich         mit Dingen wie Soforthilfen für Unterneh-
 mehrere Serienstoffe in Entwicklung.            men und Kurzarbeitsregelungen auseinan-
                                                 dersetzen. Ich hatte zuvor noch nie Anträge      erlebt. All das ist sehr mühsam. Für die ei-
 Wie sehr verkompliziert die Corona-             auf Kurzarbeitergeld gestellt. Viele Corona-     gentliche produzentische Tätigkeit hat man
 Pandemie Ihre Tätigkeit als Filmproduzent?      Regelungen, sei es von der BG ETEM oder          viel weniger Zeit.
     Das grundsätzliche Tagesgeschäft ändert     von Bund und Ländern, werden ständig über-
 sich erst mal nicht, da wir im Büroalltag in    arbeitet. In jedem Bundesland gibt es andere     Mit 42film realisieren Sie vor allem
 erster Linie Schreibtischtäter sind. Trotzdem   Bestimmungen, aber kaum Ansprechpartner,         internationale Koproduktionen.
 schafft die Pandemie natürlich Schwierigkei-    an die man sich wenden kann. Manchmal er-        Das bedeutet, dass Sie nicht nur vom
 ten auf verschiedenen Ebenen. Das beginnt       lässt eine Stadt wie Halle (Saale) in bestimm-   Status der Pandemie in Deutschland
 schon damit, dass viele Festivals und Märkte    ten Bereichen noch andere Vorschriften als       abhängig sind, sondern auch von
 in die digitale Welt verlagert worden sind.     die, die in der Landesverordnung stehen.         der Lage in den Partnerländern.
 Film ist ein People-Business, und wenn ich      Vieles liest man zufällig im Internet oder in        Richtig. Wir hatten für diesen Sommer
 mich mit jemandem über ein mögliches neu-       der Zeitung. Reiseverordnungen wechseln          eigentlich zwei Kinoproduktionen geplant,
 es Projekt unterhalte, dann muss ich auch       gefühlt alle vier Wochen. Es gibt aber Ar-       die wir beide verschieben mussten. Bei „Ba-
 ein Gefühl für die Person kriegen, die mir      beiten, die nur vor Ort funktionieren. Für       laur“, einer Koproduktion mit Rumänien,
 gegenüber sitzt. Doch das funktioniert per      eine Farbkorrektur beispielsweise muss der       war es nicht so dramatisch. Da konnten wir
 Skype oder Zoom nur bedingt. Zudem sind         Kameramann mit einem Koloristen zusam-           dann ab Mitte August mit zwei Monaten Ver-
 Märkte auch wichtig für den Austausch mit       mensitzen. Doch wenn der dann in Halle zu-       spätung drehen und hatten Mitte September
 Leuten, mit denen man schon gearbeitet hat.     nächst einige Tage in Quarantäne muss, dann      alles im Kasten. Bei „Memento Mori“, wo der
 Wir können nicht den ganzen Tag telefonie-      kostet das Zeit und Geld. Man muss auch erst     Dreh in Kolumbien stattfinden soll, liegen
 ren oder Zoom-Konferenzen abhalten. Ein         mal ein Hotel finden, das einen aufnimmt. Da     wir mittlerweile sechs Monate hinter dem
 paar geballte Tage bei einem Event wie dem      haben wir schon abenteuerliche Situationen       Zeitplan. Die Folgen der Pandemie sind dort

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Stimmungsbild Mitteldeutsche Produzenten und die Corona-Pandemie - #4 2020 - Mitteldeutsche ...
viel dramatischer als hierzulande. Wir hof-          Auch wenn wir überzeugt sind, dass sich        beim Fernsehen oder bei einer Streaming-
 fen, dass wir im Januar anfangen können zu      der Kinomarkt wieder stabilisieren wird,            Plattform, die durch die Pandemie noch
 drehen, doch die Entscheidung müssen wir        würden wir uns eine engere Zusammenarbeit           verstärkt Zulauf haben?
 dem Hauptproduzenten vor Ort überlassen.        mit Fernsehsendern wünschen – sei es mit öf-             Auch da schauen wir zunächst in Rich-
 Die Mehrkosten beim Dreh für Hygiene- und       fentlich-rechtlichen Anstalten wie MDR und          tung Fernsehen, obwohl die Inhalte auch für
 Sicherheitsmaßnahmen sowie für zusätzliche      ZDF oder auch den privaten Sendern. Im TV-          Streaming-Plattformen absolut relevant sind.
 Drehzeit sind sowohl bei „Balaur“ als auch      Bereich läuft vieles stabiler, weil immer Inhalte   „Mother‘s Got A Gun“ haben unsere Autoren
 bei „Memento Mori“ einschneidend, weil das      produziert werden müssen. Unter Corona-Be-          Arne Kohlweyer und Eike Goreczka im Rah-
 Budget in beiden Fällen bei deutlich unter      dingungen merken wir das umso mehr. Aktu-           men des Trainingsprogramms Midpoint TV
 einer Million Euro liegt. Die Corona-Zu-        ell arbeiten wir für den Jubiläums-„Polizeiruf      Launch in Kooperation mit HBO Europe wei-
 satzkosten von schnell mal 50.000 bis 60.000    110“, der von der filmpool fiction GmbH im          terentwickelt. Anschließend haben wir den
 Euro wirken sich in solchen Fällen stärker      Auftrag des MDR produziert wird und wie-            Stoff bei Serienmärkten in München, Rom
 aus. Ein Projekt, das Drama „Felicita“, muss-   der in Halle (Saale) spielt. Thomas Stuber          und Lille präsentiert. Wir arbeiten mit unse-
 ten wir schweren Herzens komplett canceln.      führt Regie und hat zusammen mit Clemens            rem Koproduzenten DOR Film in Wien sehr
 Wir konnten die geplante Finanzierungs-         Meyer auch das Drehbuch verfasst. Am 9. De-         aktiv daran, dass bis Januar weitere relevante
 höhe nicht erreichen und hätten das Budget      zember soll die letzte Klappe fallen. Es ist der    Personalentscheidungen fallen. Es ist schwie-
 deutlich nach unten korrigieren müssen.         erste „Polizeiruf “, an dem wir mitwirken. Wir      rig, so ein Projekt zu finanzieren, wenn wich-
 Im Gegenzug hätten die Corona-bedingten         hoffen in diesem Zusammenhang auch, dass            tige Kreativpositionen noch unbesetzt sind.
 Mehrkosten aber in voller Höhe zu Buche ge-     die Erhöhung des Rundfunkbeitrags kommt.            Gerade bei Streaming-Plattformen ist das
 schlagen. Das war für das Projekt das endgül-   Wenn sie nicht käme, wäre die Konsequenz            richtige Gesamtpaket entscheidend. Hat man
 tige Aus. Auch bei den Produktionen, die wir    für eine Firma wie 42film, dass es noch weni-       das, kann man bei ihnen auch als in diesem
 für 2021 geplant haben, werden die Drehs im     ger Geld für Auftragsproduktionen und Kino-         Bereich unbekannte Firma einen Fuß in die
 Ausland stattfinden.                            koproduktionen als bislang geben wird.              Tür kriegen. Davon sind wir überzeugt. Doch
                                                                                                     der Wettbewerbsdruck ist hoch. Und wir ha-
 Der im September gestartete Ausfall-            Mit „Mother‘s Got A Gun“, „Colors of                ben hier in Mitteldeutschland natürlich auch
 fonds für Kinofilme und High-End-Serien         Darkness“ und „Ostkreuz“ haben Sie                  einen Standortnachteil. Viele Sender und
 soll Drehs in Deutschland absichern.            aktuell drei Serienstoffe in Entwicklung            Plattformen sitzen in den großen Medienme-
 Welche Unterstützung würden Sie sich            und tragen damit dem Serienboom                     tropolen wie München oder Berlin, wodurch
 in Ihrer Situation zusätzlich wünschen?         Rechnung. Sehen Sie diese Projekte eher             der direkte persönliche Kontakt etwas fehlt.

                                                 Drehstarts für 2021 ein Corona-Regelwerk
 Karsten Stöter                                  mit Abstandsbeschränkungen und Hygien-

 (Rohfilm Factory)                               emaßnahmen. Zudem gibt es Erfahrungen
                                                 aus Produktionen, die nach dem ersten Lock-
„Austausch mit                                   down die Dreharbeiten unter Corona-Hygie-
                                                 nebedingungen wieder aufgenommen haben.
 Kollegen hilfreich“                             Wir profitieren von diesen Erfahrungen
                                                 und können zeitliche und budgetäre Mehr-
 2005 rief Karsten Stöter gemeinsam              aufwendungen besser einplanen. Wir haben
 mit Benny Drechsel Rohfilm („Lore“,             dazu auch einen sehr guten Austausch im
                                                 Produzentenverband. Bei unseren Treffen,
 „Lunchbox“) ins Leben. 2016 gründete
                                                 die natürlich nur online stattfinden konnten,
 Stöter dann seine eigene, in Leipzig
                                                 haben Kollegen unter anderem ausführlich
 und Berlin ansäs­sige Produktionsfirma          über ihren Umgang mit der Situation am Set,
 Rohfilm Factory. Das Drama „3 Tage              über Gespräche mit Förderern und das Hand-
 in Quiberon“, eine Koproduktion mit             ling des Ausfallfonds berichtet. Dieser Aus-
 Österreich und Frankreich, gewann 2018          tausch ist sehr hilfreich.
 sieben Deutsche Filmpreise, darunter
                                                 Wie bewerten Sie den im September
 die Trophäe für den Besten Film.
                                                 gestarteten Ausfallfonds der Bundes­
                                                 regierung zur Absicherung von Kino-                 wäre. Sollte es viele Ausfälle geben, müsste
 Wie begegnen Sie als Produktionsfirma           filmen und High-End-Serien mit einem                er wahrscheinlich noch mal aufgestockt wer-
 der Corona-Pandemie?                            Volumen von 50 Millionen Euro?                      den. Eine Kappung macht hier keinen Sinn.
     Wir informieren uns regelmäßig bei un-          Wir begrüßen das natürlich sehr. Da ich         Unabhängig vom Fonds wäre ansonsten eine
 serem Produzentenverband und der Berufs-        eigentlich nur Kinofilme mache und aktuell          automatische Förderung von zusätzlichen
 genossenschaft. Während Produktionen bei        zusätzlich eine High-End-Serie im Finanzie-         15 Prozent der Herstellungskosten ideal, die
 der ersten Welle in den Lockdown gerauscht      rungsstatus habe, wären meine Projekte auch         die Überstunden und Corona-bedingten
 sind und nur noch reagieren und auf einen       im Ausfall weitgehend abgesichert. Die Frage        Mehrkosten ohne Ausfälle, also für zusätz-
 Rettungsfonds hoffen konnten, haben wir         ist nur, wie lange dieser Fonds reichen wird        liche Drehtage aufgrund der Verzögerungen
 jetzt bei der zweiten Welle und den geplanten   und ob er für 2021 nicht besser unbegrenzt          beim Dreh, gestiegene Transport- und Impf-

                                                                                                                                                 9
Stimmungsbild Mitteldeutsche Produzenten und die Corona-Pandemie - #4 2020 - Mitteldeutsche ...
kosten und Ähnliches abdecken. Erst dann         lerdings einer feinen Abstimmung, welche          erfolgt nicht mehr nur über die klassische
 wäre ein Film normal finanziert. Derzeit         Fonds für welche Drehausfälle greifen und         Zuschauerquote bei der TV-Ausstrahlung,
 müssen wir die Mehrkosten aus dem Dreh-          die Produzenten entschädigen können.              sondern auch über die Online-Abrufzahlen
 budget herausziehen und an anderer Stelle                                                          in den Mediatheken. Das macht mir Hoff-
 Kürzungen vornehmen.“                            Wie ist der konkrete Stand bei                    nung, dass bei ihnen verstärkt auch Inhalte
                                                  der High-End-Serie „Transitniki“?                 für ein jüngeres Publikum entstehen.
 Welches Projekt soll als Nächstes                    Wir konnten mit Detlev Buck und Sole-
 in Produktion gehen?                             en Yusef ein wahnsinnig spannendes Duo für        Beschäftigen Sie sich aufgrund der Pan-
     Der Dreh des Kriegsdramas „War Sailor“       die Regie gewinnen. Darüber sind wir sehr         demie mit alternativen Einnahmequellen?
 von Gunnar Vikene könnte im Optimalfall          glücklich. Mit diesen namhaften Verpflich-            Wir haben vor einigen Monaten zwei
 schon im März oder April starten. Neben Lo-      tungen wollen wir die Serie jetzt finanzieren.    Werbespots für Amazon gedreht. Das Ganze
 cations in Norwegen und Deutschland planen       Das Pilotbuch und die Bibel für alle sechs Epi-   kam zufällig durch einen Regisseur zustande,
 wir auch einen Studiodreh auf Malta, weil das    soden der ersten Staffel mit Outlines werden      den wir kennen. Im Grunde waren das kur-
 Drehen im Studio in Pandemie-Zeiten siche-       wir aller Voraussicht nach erstmal an öffent-     ze Dokumentarfilme, die Amazon aber als
 rer und unkomplizierter ist. Wir werden bei      lich-rechtliche Sender schicken. Wenn es da       Werbung benutzt hat. Wir konnten sie trotz
 internationalen Koproduktionen generell          kein Interesse gibt, wären natürlich auch die     der Hygienemaßnahmen relativ einfach und
 versuchen, so wenig Team wie möglich reisen      Streaming-Player geeignete Ansprechpart-          schnell realisieren. Man verdient dabei nicht
 zu lassen und auf eine noch bessere Kollabo-     ner. Unter Umständen wird es auch eine Ko-        automatisch mehr, wenn der Kunde groß ist.
 ration an den verschiedenen Drehorten mit        operation, die ARD arbeitet ja zum Beispiel       Aber sie wurden angemessen bezahlt und
 gemischten Teams setzen. Hierfür ist ein gro-    auch mal mit Sky, das ZDF mit Netflix. Die        haben uns ganz gut über die letzten Monate
 ßes Vertrauen der Partner und insbesondere       Grenzen sind da durchlässig geworden. Mit         gebracht. Normal gibt es ja hierzulande zahl-
 der Regie erforderlich. Eine weitere kompli-     Interesse beobachte ich auch, dass die öffent-    reiche Agenturen, die auf Werbung speziali-
 zierte Angelegenheit ist die Risikoevaluation.   lich-rechtlichen Sender das Angebot ihrer         siert sind. Wir würden so was aber jederzeit
 Die meisten europäischen Länder verfügen         Mediatheken ausbauen, um am Markt zu be-          wieder machen.
 inzwischen über Ausfallfonds. Es bedarf al-      stehen. Die Legitimierung von Programmen

                                                  einhalten zu können. Teilweise arbeiten wir
 Gunnar Dedio                                     auch in Schichten. Der Kontakt zu unseren

 (LOOKSfilm)                                      Kunden und Partnern findet aber zum Groß-
                                                  teil nur noch virtuell statt. Das hat zwar auch
„Jede Fernsehproduk-                              Vorteile, weil man sich innerhalb eines Ta-
                                                  ges quer durch die Welt schalten kann und
 tion ist momentan                                dadurch Zeit, Geld und Reisemühen spart.

 ein Risiko“                                      Andererseits sorgt die Pandemie jedoch für
                                                  eine erhebliche Verlangsamung des Ge-
                                                  schäfts: Vertragsschlüsse dauern viel länger,
 Mit LOOKSfilm hat sich Gunnar De-                Rechnungen werden später bezahlt. Verkäufe
 dio vor allem auf multiperspektivische           und Einnahmen sind somit nicht mehr mit
 Geschichtsdokumentationen speziali-              der gleichen Effizienz und Geschwindigkeit
 siert, die wie im Falle von „14 – Tage-          zu realisieren wie vorher. Die größten Aus-
                                                  wirkungen gibt es aber im Bereich des Dre-
 bücher des Ersten Weltkriegs“, „Die
                                                  hens selbst, egal ob es um Interviews geht
 eiserne Zeit“ oder „Krieg der Träu-
                                                  oder einen szenischen Dreh. Der Aufwand
 me“ mit den Mitteln einer modernen               mit regelmäßigen Tests und strengen Hygie-
 Dramaserie erzählt werden. Neben                 neregeln ist enorm, Kosten sind höher, Abläu-
 internationalen TV-Sendern zählt seit            fe ändern sich zum Teil. Hier und da mussten
 einigen Jahren auch Netflix zu den               wir Bücher umschreiben, wenn bestimmte
                                                  Dinge nicht zu drehen waren. Manche Drehs         tenland“ über den Abschub von fast drei Mil-
 Partnern des Leipziger Unternehmens.
                                                  mussten um Monate verschoben werden,              lionen Sudetendeutschen nach dem Zweiten
 Wie hat die Pandemie Ihre Arbeit                 weil grenzüberschreitende Dreharbeiten und        Weltkrieg aus der damaligen Tschechoslo-
 verändert?                                       Reisen sich als unmöglich herausstellten.         wakei, die vor Kurzem bei Arte ausgestrahlt
     Den Bürobetrieb haben wir so weit wie        Aber wir können nicht einfach mal ein Jahr        wurde. Da konnten wir im Frühjahr von
 möglich normal aufrechterhalten. Film ist        Drehpause machen. Immerhin müssen wir             einem Tag auf den anderen nicht mehr in
 Teamarbeit, und ein Team muss sich auch          40 Festangestellte und unsere Projektpartner      Tschechien drehen. Auch Dreharbeiten mit
 regelmäßig sehen, nicht nur virtuell. Zwar       bezahlen.                                         älteren Menschen waren dafür eine Zeitlang
 setzen auch wir auf deutlich mehr Homeof-                                                          ausgeschlossen. Aktuell haben wir „Seapow-
 fice. Gleichzeitig ermöglichen wir aber die      Bei welchen Projekten mussten Sie                 er“ in Arbeit, eine international koproduzier-
 Anwesenheit vor Ort, indem wir zusätzliche       Corona-bedingte Hürden überwinden?                te vierteilige Serie über die Geschichte der
 Räume als Büros nutzen und uns so auf mehr          Umplanen mussten wir zum Beispiel die          Kriegsschiffe. Einer der Koproduzenten ist
 Fläche verteilen, um Abstandsregeln leichter     Miniserie „Vertreibung Odsun – Das Sude-          das ZDF. Die Drehs in den USA, in Russland,

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in der Ukraine oder in Frankreich finden         liefern kann, wenn es Schwierigkeiten wegen        zusammen mit einem US-amerikanischen
 alle mit lokalen Teams nach den derzeit dort     Corona gibt. Da der Umgang mit den Risiken         Partner produziert.
 gültigen Regeln statt. Regie und Aufnah-         nicht geklärt ist, bleibt er am Ende des Tages
 meleitung schalten sich übers Internet aus       zu einem sehr großen Teil an uns als Produk-       Mittlerweile sind Sie in anderer Form
 Leipzig zu. Zudem produzieren wir derzeit        tionsfirma hängen. (Stand bei Redak­tionsschluss   auch selbst im Plattformgeschäft tätig.
 einen zweiteiligen Dokumentarfilm über den       25.11. – Anm. d. Red.)                                 Noch vor der Pandemie haben wir eine
 ICTY, den Internationalen Strafgerichtshof                                                          weitere sehr nachhaltige Änderung vorge-
 für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag.       Streaming-Player wie Amazon Prime                  nommen, indem wir PROGRESS, den ehe-
 Die Dreharbeiten in den Niederlanden und         oder Netflix haben durch die Pandemie              maligen Filmverleih der DDR, übernommen
 den Staaten des früheren Jugoslawien sind        noch an Bedeutung gewonnen.                        und ihn zu der Archivplattform progress.film
 ebenfalls mit enormen Schwierigkeiten ver-       Mit Netflix arbeiten Sie schon seit                ausgebaut haben. Monat für Monat kommen
 bunden.                                          mehreren Jahren eng zusammen.                      viele weitere Archive aus dem In- und Aus-
                                                      Und darüber sind wir sehr froh. Unsere         land hinzu. Es ist eine B2B-Plattform, die von
 Ende September ist der Ausfallfonds              erste Produktion, die dort zu sehen war, war       zahlreichen Kollegen aus aller Welt genutzt
 zur Absicherung von Kinofilmen und               2014 die Serie „14 – Tagebücher des Ersten         wird und bei der modernste KI-Technologien
 High-End-Serien angelaufen. Ein Ausfall-         Weltkriegs“. Es war die erste deutsche Serie       zum Einsatz kommen. Dieser Geschäfts-
 fonds für Fernsehproduktionen hingegen           überhaupt, die auf Netflix gezeigt wurde. Sie      bereich hat sich zu einer eigenen wichtigen
 lässt noch auf sich warten.                      haben diese Serie lizenziert. So hat alles ange-   Säule bei uns entwickelt – auch deshalb, weil
     Gerade dieser zweite Fonds wäre für uns      fangen. Aktuell ist Netflix auch einer unserer     er unser Kerngeschäft, die Konzeption und
 sehr relevant. Daher warten wir mit Span-        Partner bei „Seapower“. Bei LOOKS-Pro-             Produktion von Dokumentationen und do-
 nung, ob er kommt und wenn ja, in welcher        duktionen wie „Geheimes Kuba“ oder „Age            kumentarischen Serien, sehr gut ergänzt.
 Form. Jede Fernsehproduktion ist momentan        of Tanks“, die weiter bei Netflix verfügbar
 ein Risiko, mit dem alle Partner Schwierig-      sind, waren sie ebenfalls beteiligt. Mit „Bobby
 keiten haben. In keinem Vertrag steht bei-       Kennedy for President“ haben wir zudem
 spielsweise drin, dass man einfach später        ein Netflix-Original entwickelt und dann

                                                  Schade war zudem, dass im Frühjahr Ausfall-
 Tanja Georgieva-                                 hilfen vom Bund für Unternehmen gewährt

 Waldhauer                                        wurden, die für uns aber gar nicht in Frage
                                                  kamen. Sie waren strikt auf Monatsumsätze
 (Elemag Pictures)                                gerechnet, die wir als Produktionsfirma nicht
                                                  in dieser regelmäßigen Form haben. Just im
„Neue Geschäfts­                                  April, als diese Hilfen anliefen, hatten wir

 beziehungen finden                               vom ZDF eine Überweisung für einen Film
                                                  bekommen, den wir im Sommer 2019 gedreht
 kaum statt“                                      und im Winter abgeliefert hatten. Dieser
                                                  Umsatz bezog sich also auf etwas, das schon
                                                  länger zurücklag. Wir konnten dadurch aber
 Mit ihrer inzwischen in Gera verorteten
                                                  nicht zeigen, dass wir einen Umsatzrück-
 Elemag Pictures ist Tanja Georgieva-
                                                  gang in diesem Jahr gehabt haben. Faktisch
 Waldhauer auf internationale Koproduk-           hatten wir den aber – weil Dreharbeiten un-
 tionen spezialisiert. Sie gründete die           möglich wurden, die Postproduktion extrem
 Produktionsfirma 2014 zusammen mit               erschwert war und der Vertriebsmarkt im
 den bulgarischen Brüdern Borislav und            Grunde lahmlag. Auch sonst ist durch die
                                                  Pandemie einiges komplizierter. So ist es uns
 Viktor Chouchkov („TILT“) und Jan Krüger
                                                  zum Beispiel sehr schwer gefallen, den rich-
 in Leipzig. Elemag widmet sich Spielfil-
                                                  tigen Autor für einen Spielfilm zu finden,
 men („Volcano“, „Tailor“) und dokumen-           den wir aktuell entwickeln. Seit dem Früh-         Liza Kenterman, eine Koproduktion mit
 tarischen Projekten („Der sechste Konti-         jahr sind viele Autoren quasi auf Jahre hin-       Griechenland, die komplett in Athen gefilmt
 nent“, „Another Reality“) gleichermaßen.         aus ausgebucht, weil sich viele Produzenten        wurde, befand sich bereits im Endstadium der
                                                  verstärkt der Stoff- und Projektentwicklung        Postproduktion. Normal hätten wir den Film
 Wie fällt Ihr Fazit zum                          widmen. Des Weiteren konnten wir in die-           für Festivals im Frühsommer eingereicht.
 Corona-Jahr 2020 aus?                            sem Jahr einige Filme nicht so herausbringen       Jetzt hatte er stattdessen seine Weltpremiere
     Viele Aktivitäten haben sich weitgehend      wie ursprünglich geplant. Andererseits hat-        im November beim Black Nights Film Festi-
 oder vollständig ins Netz verlagert. Für be-     ten wir Glück, dass wir bei gleich drei Pro-       val in Tallinn, wenig später lief er in Thessa-
 stehende Partnerschaften und langjährige         jekten die Dreharbeiten noch vor dem Lock-         loniki. Auch das französisch-deutsche Drama
 Kontakte ist das nicht weiter relevant. Doch     down im Frühjahr abschließen konnten.              „Die Magnetischen“ von Vincent Cardona
 das Knüpfen von neuen Geschäftsbeziehun-                                                            war startklar für eine Festivalpremiere. Zu
 gen findet momentan fast gar nicht statt, weil   Um welche Filme handelt es sich dabei?             der wird es jetzt erst 2021 kommen. Bei „Der
 ein Kennenlernen online schwieriger ist.            Die Tragikomödie „Tailor“ von Sonia             Anatolische Leopard“ hatten wir den Dreh in

                                                                                                                                                 11
der Türkei und Polen Mitte Februar im Kas-        Verfügung stellen. Es gibt definitiv ein Pub-       unserer Protagonisten eine Frau, die heute
ten. Regisseur Emre Kayis konnte im Okto-         likum für ihn, immerhin hat er beim DOK.            in einem Salzbergwerk angestellt ist. Ihr
ber nach Leipzig reisen, um das Sounddesign       fest München den Publikumspreis gewonnen.           Arbeitgeber besteht darauf, dass wir sie an
zu überwachen. Richtig Pech hatte unser           Ich glaube übrigens, dass auf dem Streaming-        ihrem neuen Arbeitsplatz erst mit der Kame-
Dokumentarfilm „Another Reality“. Der ur-         Markt in den nächsten Jahren noch viel pas-         ra begleiten dürfen, wenn keine Abstandsbe-
sprüngliche Kinostarttermin ist dem ersten        sieren wird. Ich kann mir persönlich nicht          schränkungen mehr gelten. Sie wollen ihre
Lockdown zum Opfer gefallen. Als neuen            vorstellen, dass all die Plattformen, die es der-   Produktion nicht durch betriebsfremde Per-
Starttermin hatten wir den 26. November ins       zeit gibt, auf Dauer nebeneinander existieren       sonen gefährden, was verständlich ist. Also
Auge gefasst, der nun aber auch hinfällig ge-     werden. Der Konkurrenzkampf ist hart.               wird dieser erste Drehblock in abgespeckter
wesen ist. Da der Film schon 2019 Premiere                                                            Form stattfinden. Ich würde mir für den do-
hatte, dürfte es das für eine richtige Kinoaus-   Was steht als Nächstes bei Ihnen an?                kumentarischen Bereich generell eine klare
wertung gewesen sein. Letztlich wird es wohl          Wir wollen im Dezember endlich den              Normvorgabe wünschen, was erlaubt ist und
auf einige Special Screenings hinauslaufen.       ersten Drehblock unseres Dokumentar-                was nicht. Während bei Spielfilmen mittler-
                                                  films „Wir waren Kumpel“ absolvieren, der           weile alles recht genau geregelt ist, existieren
Beschäftigen Sie sich mit anderen                 vor dem Hintergrund der Schließung des              bei Dokumentarfilmen für mein Empfinden
Auswertungsmöglichkeiten?                         letzten deutschen Steinkohlebergwerks in            in manchen Punkten noch rechtliche Grau-
    Bei „Another Reality“ müssen wir das          Nordrhein-Westfalen mehrere Bergarbei-              zonen.
notgedrungen. Wir hatten von den regio-           ter bei der Suche nach einer neuen Identität
nalen Förderern und der BKM im Mai eine           und Zukunftsperspektive begleitet. Eine Mo-         Mit welchem Gefühl
Sondererlaubnis für eine zehntägige Kino-         tivbesichtigung mit Regie und Kamera im             schauen Sie 2021 entgegen?
on-Demand-Auswertung über die Streaming-          November mussten wir streichen, weil wir                Die Pandemie wird uns auch im kommen-
Plattform Kinoflimmern bekommen. Aktuell          aufgrund der heiklen Corona-Situation in            den Jahr noch vor große Herausforderungen
überlegen wir, ob wir den Film demnächst als      Nordrhein-Westfalen kaum Drehgenehmi-               stellen. Ich glaube aber, dass wir uns als Pro-
Ersatz für die mittlerweile unwahrschein-         gungen bekommen, obwohl wir rein juris-             duktionsfirma wieder in etwas normalerem
liche Kinoauswertung Amazon Prime zur             tisch betrachtet drehen dürften. So ist einer       Fahrwasser bewegen werden.

 Marcel Lenz/
 Guido Schwab
 (ostlicht
 filmproduktion)
„Vielen droht ein
 Cash-Flow-Problem“
2009 gründeten Marcel Lenz und
Guido Schwab in Weimar die ostlicht
filmproduktion GmbH. Im Portfolio
des Unternehmens finden sich inter-
nationale Koproduktionen wie der in
Sundance prämierte „Die Nile Hilton
Affäre“, „The Woman Who Brushed
Off Her Tears“ oder der Kinderfilm
„Meine wunderbar seltsame Woche                   große Festivals abgesagt werden mussten.            gestellt ist, ist es nicht leicht, weil die Welt-
mit Tess“, aber auch einheimische Art-            „Invisible Sue“ ist durch den ersten Lock-          vertriebe zögerlicher agieren. Immerhin
house-Titel wie „Für Elise“ und „Raus“.           down im Frühjahr in seiner Kinoauswer-              mussten wir wegen Corona keine Dreharbei-
                                                  tung gestoppt worden. Zusätzlich wurden             ten verschieben, weil wir in diesem Jahr den
Mit welchem Gefühl schauen Sie                    überall die Schulkinowochen gestrichen. Das         Fokus auf Entwicklung, Finanzierung und
auf 2020 zurück?                                  hat dem Film schweren Schaden zugefügt.             eben Auswertung gelegt haben.
    Lenz: Die Pandemie hat uns besonders          „Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess“
in Sachen Auswertung geschadet. Gleich            musste zweimal verschoben werden. Er soll-          Mit „Die Pest“ haben Sie im Frühjahr
drei unserer Filme sind davon betroffen ge-       te eigentlich im April starten, dann im Juni.       in Zusammenarbeit mit ZDFkultur, 3sat
wesen. So hätte das Drama „The Auschwitz          Letztlich ist es Anfang September geworden.         und dem Theater Oberhausen eine
Report“, das als slowakischer Beitrag für den     Problematisch ist neben den nun wieder ge-          fünfteilige Miniserie nach dem Roman-
Auslands-Oscar eingereicht wurde, in diesem       schlossenen Kinos auch hier die Absage der          klassiker von Albert Camus realisiert,
Jahr eine Festival-Weltpremiere haben sollen,     Schulkinowochen.                                    deren ungewöhnliches Drehkonzept
zu der es bislang aber nicht gekommen ist –           Schwab: Auch bei der Komödie „The Li-           mit Blick auf die Pandemie erdacht
auch deshalb, weil im Sommer gleich mehrere       ving Man“ von Oleg Novkovic, die fertig-            wurde. Wie kam es dazu?

12
Schwab: Idee und Konzept stammen von           der Mediathek zu sehen. Es ist etwas ganz        meiner Sicht aber, dass die Versicherungen
Bert Zander, einem langjährigen Freund und         Eigenes entstanden, nicht Film, nicht The-       wieder eine Form finden, für Filmprodu-
ehemaligen Kommilitonen. Er meinte zu uns,         ater, sondern etwas dazwischen. Das ZDF          zenten ansprechbar zu sein. Sie bieten ihre
dass „Die Pest“ der Stoff ist, der am perfektes-   war vom Ergebnis so angetan, dass es „Die        Versicherungsleistungen ja nach wie vor an,
ten in diese Zeit passt, und dass er ihn mit dem   Pest“ für den Prix Europa in der Kategorie       aber eben nicht für einen Corona-bedingten
Schauspielhaus in Oberhausen als Unterstüt-        „Digital Media“ eingereicht hat. Ein echter      Ausfall.
zer inszenieren möchte. Das Theater konnte         Ritterschlag war, dass sogar die „New York
keine Zuschauer empfangen, also wollte er          Times“ über das Projekt berichtet hat. Rein      Welche Unterstützung wäre aus
ihnen etwas nach Hause bringen. ZDFkultur          wirtschaftlich gesehen ist es aber nur wenig     Ihrer Sicht noch wünschenswert?
und 3sat sahen darin ein spannendes Projekt        lukrativ gewesen. Obwohl die Sender ihre             Schwab: Spätestens Ende 2021 werden
für ihre Mediatheken. Für den Dreh bekamen         Mediatheken im Zuge der Pandemie zum             viele Firmen aufgrund von Finanzierungs-
die Schauspieler eine Kamera und Ton-Equip-        Teil enorm aufgestockt haben, sind die Bud-      ausfällen ein Cash-Flow-Problem haben.
ment nach Hause geschickt. Dann haben sie          gets für Produktionen, die nur darüber aus-      Weltvertriebe nehmen weniger Geld ein,
sich vor einem schwarzen Hintergrund oder          gewertet werden, sehr gering.                    deutsche Verleiher hatten 2020 geringere
im Freien selbst gefilmt. Bert hat ihnen über          Schwab: Im nächsten Jahr möchten wir         Umsätze, wahrscheinlich auch in den ersten
Zoom Regieanweisungen gegeben.                     dann wieder auf die gewohnte Weise produ-        Monaten 2021. Das werden wir verlagert in
    Lenz: Das so entstandene Material wur-         zieren. Wir haben zwei Projekte in Finanzie-     der Finanzierung spüren. Da wird man re-
de dann für einen ersten Schnittprozess auf        rung, bei denen wir hoffen, dass sie 2021 in     agieren müssen, um ein Firmensterben zu
einen Server geladen, um die Darsteller mit        Dreh gehen können. Dann ist die Pandemie-        verhindern.
ihren jeweiligen Dialogen zusammenzu-              Situation hoffentlich nicht mehr so drama-           Lenz: Ein Ansatz wäre, dass man die
führen. Dann sind kleine Teams nachts in           tisch. Wir gehen auch davon aus, dass sich das   existierenden Instrumente wie zum Beispiel
Oberhausen und Berlin mit Beamer und               Kino wieder erholen wird.                        die Referenzmittel nicht in die Bedeutungs-
Kamera losgezogen, um das Material auf                 Lenz: Das letzte Wochenende vor dem          losigkeit versinken lässt. Ein Unternehmen
urbane Flächen zu projizieren, seien es leere      „Lockdown light“ lief für die Kinos sehr er-     wie wir hätte ohne die massiven Auswer-
Litfaßsäulen, Rollläden von Schaufenstern          freulich. Da hat man gesehen, dass vielen        tungseinschränkungen bei unseren Filmen
oder leere Häuserwände, und es noch mal            Leuten der Besuch im Kino noch mal richtig       im nächsten Jahr Referenzmittelansprüche
abzufilmen. So sind die Darsteller quasi in        wichtig war.                                     in einer Größenordnung geltend machen
die reale Welt, in den städtischen Raum ge-                                                         können, die für uns bei der Finanzierung von
kommen. Anschließend ging es noch mal              Wie bewerten Sie den im September                Folgeprojekten enorm wichtig ist. Wenn die
in den Schnitt. Produziert haben wir im            gestarteten Ausfallfonds zur Absicherung         jedoch wegfallen, weil der FFA-Topf leer ist
Wochenrhythmus. Während eine Folge ge-             von Kinofilmen und High-End-Serien?              oder weil man die Referenzschwellen bezüg-
schnitten wurde, haben wir die nächste ge-             Lenz: Ob sein Volumen ausreicht oder         lich der Zuschauerzahlen nicht erreicht, weil
dreht. ZDFkultur und 3sat haben sie dann           nicht, muss man sehen. Am Ende des Jahres        die Kinos geschlossen waren, ist das ein ech-
ab Anfang Mai jeden Samstag um 19.30               wäre ein erstes Zwischenfazit interessant,       tes Problem. Dafür eine Lösung zu präsentie-
Uhr über ihre Webseiten zur Verfügung              wie viele Produktionen bislang auf den Fonds     ren, wäre ein wichtiges Signal für Verleiher
gestellt. Bis November waren sie noch in           zugreifen mussten. Viel wichtiger wäre aus       und Produzenten.

                                                                                       KURZFILMFESTIVAL FÜR ANIMATION //
                                                                                       DOK // FIKTION // EXPERIMENTAL //
                                                                                       FILMMUSIK & SOUNDDESIGN // VR/360°

              20. JANUAR 2021                                                                                      KURZSUECHTIG.DE

                                                                                                                                              13
Szene

Am Puls der Branche:
Akademie für Kindermedien
Bei der Erfurter Akademie für Kindermedien entwickeln erfahrene
Autor*innen und Nachwuchstalente unter professioneller Anleitung
originäre Stoffe für ein junges Publikum. Seit mittlerweile 20 Jahren
ist das Weiterbildungsprogramm nun am Markt aktiv – und kann
dabei eine stetig steigende Reputation sowie eine stattliche Anzahl
erfolgreich realisierter Projekte vorweisen.

                Eine große Feier wie zum 15-jährigen Jubiläum vor fünf Jah-       den einzelnen Auswertungsplattformen steigt. Das zeigt auch
                ren gab es in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie            der Weg, den manche AKM-Projekte genommen haben. So
                nicht. Dafür hat sich die Akademie für Kindermedien zum           wurde ‚Elemonsters‘ von Andreas Dihm ursprünglich als
                20. Geburtstag ein neues Logo gegönnt. „Die farbigen Punk-        Animationsserie konzipiert, ist nun aber als Kartenspiel samt
                te um den Schriftzug sollen die Projekte eines Jahrgangs re-      Smartphone-App erschienen. Ein weiteres Beispiel ist ‚Robert
                präsentieren, die sich gemeinsam in einem kreativen Wirbel        das Superkaninchen‘ von Franziska Biermann, das von ihr
                befinden, weil in dem Moment, wenn die Projekte aufeinan-         ebenfalls als Serie entwickelt wurde, im Herbst 2021 aber als
                derstoßen, viel Energie frei wird. Wir fanden, dass dieses Bild   Buch erscheint. Zudem hat ihr die Filmförderung Hamburg
                wunderbar passt“, sagt Thomas Hailer, neben Margret Albers        Schleswig-Holstein kürzlich Drehbuchförderung für einen
                einer der beiden Studienleiter.                                   90-minütigen Kinofilm gewährt. Deshalb ermutigen wir un-
                    251 Alumni hat die Akademie für Kindermedien bis-             sere Stipendiat*innen, andere Plattformen mitzudenken und
                lang hervorgebracht. Viele von ihnen sind erfolgreich in der      herauszufinden, welches Format für ihre Geschichte am ge-
                Branche tätig. Der für den Grimme-Preis nominierte TV-            eignetsten sein könnte.“
                Jugendfilm „Wer küsst schon einen Leguan?“ (2004), der 2012            Als Bewerber willkommen sind sowohl erfahrene
                mit dem Deutschen Filmpreis als Bester Kinderfilm geehrte         Autor*innen als auch Nachwuchskräfte oder Quereinsteiger.
                „Wintertochter“ oder der als internationale Koproduktion          „Entscheidend für uns sind Talent und eine gute Idee in Form
                realisierte 3D-Animationsfilm „Richard, der Storch“ (2016)        einer Skizze oder eines Exposés“, stellt Thomas Hailer klar. Für
                sind nur drei hochkarätige Stoffe, die im Rahmen der Akade-       jede der drei Gruppen werden im Anschluss vier Autor*innen
                mie entstanden. Ihren Anfang nahm sie 2000 noch unter dem         ausgewählt, die ihre Ideen über einen Zeitraum von acht
                Namen Sommerakademie. Die Idee: Drehbuchautoren zum               Monaten bis zur Marktreife entwickeln. Am Ende steht bei
                Schreiben von Kinderfilmstoffen zu motivieren und ihnen           allen ein professionelles Treatment. Das nötige Know-how
                das Handwerkszeug praxisnah zu vermitteln. Noch im selben         wird ihnen durch intensive Kleingruppenarbeit mit erfahre-
                Jahr kam eine Winterakademie hinzu. „Anfangs war alles            nen Dramaturg*innen, ein Info- und Rahmenprogramm mit
                auf Spielfilme für Kinder ausgerichtet, weil das Gremium des      Werkstattgesprächen, Vorträgen und Schulbesuchen sowie
                BKM, dem auch Thomas und ich angehörten, einen entspre-           durch Kooperationsprojekte mit externen Partnern wie dem
                chenden Mangel festgestellt hatte“, sagt Margret Albers. „Re-     ZDF, dem KiKA und dem Kinderbuchverlag Magellan vermit-
                lativ schnell bekamen wir jedoch von der Branche Hinweise,        telt. „Diese Projekte sind eigentlich nur als praktische Übungen
                dass es sinnvoll wäre, auch andere Bereiche einzubinden.“         zu konkreten Aufgaben unter realistischen Arbeitsbedingun-
                    2006 wurden deshalb die ersten konzeptionellen Modifi-        gen gedacht“, sagt Albers. „Sie können im Optimalfall aber
                kationen vorgenommen: Die zusätzlichen Gruppen TV-Serie           auch zum Markteinstieg für die Teilnehmer*innen werden –
                und Interaktive Medien wurden eingeführt. Gleichzeitig            wie beim Kinderroman ‚SOS – Mission Blütenstaub‘ von Es-
                erfolgte die Umbenennung in Akademie für Kindermedien.            ther Kuhn, den der Magellan-Verlag im Juli 2020 veröffentlicht
                Heute deckt sie die drei Felder Film, Buch und Story World        hat und der jetzt schon in der zweiten Auflage verkauft wird.“
                (wo eine komplette Welt samt Mythologie, Charakteren,                  Den alljährlichen Abschluss der Akademie bildet ein Pit-
                Schauplätzen und eigenen Gesetzmäßigkeiten erdacht wird)          ching der Projekte vor Produzenten, Fernsehredakteuren so-
                ab. „Die Akademie ist ein Ort, an dem es um das Erzählen von      wie Mitarbeitern von Verlagen und Förderinstitutionen im
                Geschichten geht. Also haben wir 2011 die Gruppe Buch auf-        Rahmen des Festivals GOLDENER SPATZ in Erfurt. „Die
                genommen, zumal Kinderbücher in Deutschland neben der             Resonanz ist stets groß, weil sich längst herumgesprochen
                Belletristik das wichtigste Segment im Buchmarkt sind“, sagt      hat, dass wir ein Fundort für Talente und gehaltvolle Projekte
                Albers. „Den Bereich Story World haben wir 2018 etabliert,        sind“, sagt Hailer. Der beste Stoff jedes Jahrgangs erhält den
                um plattformübergreifendes Entwickeln zu ermöglichen,             mit 15.000 Euro dotierten Förderpreis der MDM. 2016 ging
                weil wir beobachtet haben, dass die Konvergenz zwischen           er an Viola Lippmann für ihr Animationsserien-Konzept

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„Erna räumt auf “ um ein Containerschiff mit Umweltbe-                   Der aktuelle AKM-Jahrgang 2020/21 hat im Oktober be-
wusstsein. „Ich habe als Illustratorin und Spielzeugdesignerin      gonnen. Das Gros der Teilnehmer verbleibt nach Beendigung
bei der AKM entdeckt, dass ich nicht nur Figuren erfinden           des Weiterbildungsprogramms in der AKM-Community.
und zeichnen, sondern auch ihre Geschichten schreiben kann.         Sie umfasst derzeit gut 200 Alumni. „Unsere Community ist
Meine Teilnahme war in dieser Hinsicht ein Durchbruch für           ungeheuer aktiv. Viele Absolventen bilden Teams für Folge-
mich. Ich konnte meine ganzen Fähigkeiten so richtig entfal-        projekte oder empfehlen sich gegenseitig in neue Jobs. Da-
ten“, schwärmt die Dresdnerin. „In meiner Gruppe habe ich           rauf sind wir stolz, weil es die Branche in unserem Bereich
nicht nur von den Mentor*innen Feedback bekommen, son-              nachhaltig stärkt“, sagt Thomas Hailer. So hat Lukas Pilz, der
dern auch von den anderen Stipendiat*innen. Jeder hat auch          Gewinner des MDM-Förderpreises 2019 („Nerde – Eine neue
an den jeweils anderen Projekten mitgearbeitet, wodurch             Welt“), mit Katharina Lang und Silas Matthes, zwei anderen
man sich gegenseitig die Bälle zuspielen konnte und schnel-         Stipendiat*innen seiner damaligen Story-World-Gruppe, das
ler vorangekommen ist.“ Über Teilnahmen beim Cartoon                Kreativtrio Never Ending World – kurz NEW – ins Leben ge-
Springboard in Halle (Saale), dem Animation Production              rufen. Zusammen entwickeln sie unter anderem eine Webse-
Days-Talentprogramm in Stuttgart sowie dem renommierten             rie. „Zudem habe ich über die AKM eine Produzentin kennen-
Cartoon Forum in Toulouse landete „Erna räumt auf “ schließ-        gelernt, mit der ich jetzt eine Animationsserie in Entwicklung
lich bei der BBC in Manchester. Dort entwickelte Lippmann           habe“, berichtet Pilz. Viola Lippmann und zwei Autorinnen
die Serie mit einem BBC-Team und der Produktionsfirma               ihrer damaligen Seriengruppe sind mittlerweile Teil des WIR
Mackinnon & Saunders („Fantastic Mr. Fox“) weiter. Doch             Schreibkollektivs. Ihr Projekt „Ding Dong“, eine Live-Action-
ein Happy End hatte die Geschichte (noch) nicht. „Als wir das       Serie für Teenager, wurde als eines von fünf Vorhaben für die
Projekt im Frühjahr 2019 wieder gepitcht haben, ist es leider       Produktionsinitiative „Formate aus Thüringen“ ausgewählt,
nicht in die nächste Runde gekommen. Die BBC war mein               die wie die Akademie für Kindermedien unter dem Dach des
Plan A, doch es gibt ja noch Plan B bis Z“, sagt die Autorin, die   Fördervereins Deutscher Kinderfilm angesiedelt ist. In ihrem
den Stoff jetzt auch als Kinderbuch umsetzt.                        Rahmen werden Serien für ein junges Publikum entwickelt.
    Bereits weiter ist Barbara Kronenberg, die 2017 den             Produzent von „Ding Dong“ ist die Neue Bioskop Film in
MDM-Förderpreis als Stipendiatin der Gruppe Film gewann.            Leipzig. Da serielle Formate aktuell einen regelrechten Boom
Sie hat ihr Roadmovie „Mission Ulja Funk“ an Locations in           erleben, wird bei der Akademie für Kindermedien laut Hailer
Deutschland, Polen und Luxemburg abgedreht und sitzt mo-            „mit Hochdruck“ daran gearbeitet, den Bereich Serie als vierte
mentan am Schnitt. Auf ihre Produzentin Roshanak Behesht            Gruppe wieder in die AKM zu integrieren – möglicherweise
Nedjad von der Leipziger In Good Company GmbH traf sie              schon 2021. Als weiterer konzeptioneller Schritt ist eine Er-
bei der Akademie. „Sie hat damals einen Vortrag in der Ein-         weiterung der Altersspanne für AKM-Projekte angedacht. Sie
führungswoche gehalten und später auch das abschließende            richten sich bislang an Kinder im Alter von sechs bis zwölf
Pitch-Training mit uns gemacht“, erinnert sich Kronenberg,          Jahren. „Zusätzlich würden wir auch gern die Altersgruppe
die zuvor an der Kunsthochschule für Medien Köln Drehbuch           von 13 bis 19 aufnehmen, weil in den letzten Jahren für alle
und Regie studiert hatte. „Nach dem Ende der AKM hat sie            drei Gruppen interessante Ideen eingereicht wurden, die eher
sich sehr für den Stoff interessiert. Mein etwas überarbeitetes     für ein jugendliches Publikum geeignet gewesen wären“, er-
Treatment haben wir dann bei der Initiative ‚Der besonde-           zählt Margret Albers. „Die sogenannten Young Adults stellen
re Kinderfilm‘ eingereicht, wo wir zunächst Drehbuch- und           nicht nur ein sehr starkes Segment im Kinderbuchmarkt dar.
dann auch Produktionsförderung erhalten haben.“ Mit „Ma-            Angebote für sie werden gerade auch im seriellen Bereich ak-
dison“ entstand noch ein weiteres AKM-Projekt im Rahmen             tuell stark nachgefragt. Allerdings gibt es da gar nicht so viel,
der Initiative. Der Film von Kim Strobl (Jahrgang 2015/16)          weshalb sich Teenager häufig dem Erwachsenenprogramm
eröffnete im September das Festival Goldener Spatz und soll         zuwenden. Es lohnt sich definitiv, für diese wichtige Ziel-
Anfang März ins Kino kommen.                                        gruppe noch aktiver zu werden.“

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