Tagungsband zum Kongress Deutsche Obstsortenvielfalt - Neue Wege für Erhaltung und Nutzung 22. und 23. September 2015, Dresden - Julius ...
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Tagungsband zum Kongress Deutsche Obstsortenvielfalt Neue Wege für Erhaltung und Nutzung 22. und 23. September 2015, Dresden www.bmel.de
2 D eutsche O bstsortenvielfalt Inhalt Veranstaltungsgrußwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Dr. Ingo Braune Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Deutsche Genbank Obst – ein dezentrales Netzwerk zur Erhaltung alter Obstsorten. . . . . . . . . . . . . . 7 Prof. Dr. Magda-Viola Hanke Julius Kühn-Institut, Institut für Züchtungsforschung an Obst, Dresden-Pillnitz Erhaltung, Beschreibung und Nutzung der Obstgenressourcen in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Dr. Markus Kellerhals Agroscope, Wädenswill, Schweiz Obstsortenerhaltung in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Elisabeth Schüller Universität für Bodenkultur, Wien, Österreich Datenbank der Deutschen Genbank Obst als Modellvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 PD Dr. Henryk Flachowsky Julius Kühn-Institut, Institut für Züchtungsforschung an Obst, Dresden Pillnitz Anwendung molekulargenetischer Verfahren zur Charakterisierung und Erhaltung der Sortenvielfalt des Apfels in Südtirol (Italien) und Tirol (Österreich) . . . . . . . . . . . . . . . 16 Dr. Sanja Baric Land- und Fortswirtschaftliches Versuchszentrum, Laimburg, Italien Erfolgreiche Aktivitäten des NABU und anderer Einrichtungen für Streuobstbau und Obstsortenvielfalt in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Beate Kitzmann Sprecherin des NABU-Bundesfachausschusses Streuobst Die Streuobstinitiativen des BUND – ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Sabine Washof BUND Niedersachsen Vielfalt aktiv bewahren: Erhalternetzwerk Obstsortenvielfalt des Pomologenvereins . . . . . . . . . . . . 23 Dr. Anette Braun-Lüllemann Pomologen Verein e.V. Vergessenes Obst der Sektion Prunus in einer modernen Welt am Beispiel der Anlage „Pomarium Raceburgense“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Peter Schlottmann Stiftung Herzogtum Lauenburg, Pomarium Raceburgense
D eutsche O bstsortenvielfalt 3 Obstsortenbestimmung – fünf Pomologen, sechs Meinungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Hans-Joachim Bannier Pomologen Verein e.V. Inverkehrbringen von Pflanzgut alter Obstsorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Dr. Magdalene Pietsch Julius Kühn-Institut, Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit, Braunschweig Inverkehrbringen von Pflanzgut alter Sorten – Workshop-Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Dr. Magdalene Pietsch Julius Kühn-Institut, Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit, Braunschweig Netzwerke der Deutschen Genbank Obst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Dr. Monika Höfer Julius Kühn-Institut, Institut für Züchtungsforschung an Obst, Dresden Pillnitz Neue Wege im Anbau von Mostbirnen und alten Apfelsorten – zukunftsweisend oder Sackgasse?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Dr. Lothar Wurm Höhere Bundeslehranstalt und Bundesamt für Wein- und Obstbau, Klosterneuburg, Österreich Internationale Aktivitäten zur Vereinheitlichung von Evaluierungsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Dr. Monika Höfer Julius Kühn-Institut für Züchtungsforschung an Obst, Dresden Pillnitz Mythos „Alte Apfelsorten“ – Erwartungshaltung versus Realität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Dr. Ulrich Mayr Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee, Ravensburg Quitte – die Vielfalt einer herben Schönheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Prof. Dr. Petra Scheewe Hochschule für Technik und Wirtschaft, Dresden Alte Obstsorten – Erhalt durch regionale Vermarktung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Karin Rietmann NABU Länderkoordination Nordrhein-Westfalen
4 D eutsche O bstsortenvielfalt Veranstaltungsgrußwort Sehr geehrter Herr Professor Backhaus! Sie ist modular aufgebaut. Der Netzwerkaufbau hat zum Sehr geehrter Herr Professor Stenzel! einen fachliche Gründe, er ist aber auch Ausdruck der Meine sehr geehrten Damen und Herren! verteilten Zuständigkeiten für genetische Ressourcen im föderalen System Deutschlands. Das bedeutet: Herr Parlamentarischer Staatsekretär Bleser hat mich → Der Bund darf Erhaltungsaktivitäten bundesweit kurzfristig gebeten, heute den gemeinsamen Kongress koordinierend unterstützen. von Bundeslandwirtschaftsministerium und Julius Kühn-Institut mit einem Grußwort zu eröffnen. → Er darf in begrenztem Umfang genetische Ressour- cen selber erhalten, beispielsweise zum Zwecke der Zunächst möchte ich der Hochschule für Technik und Forschung und des Sortenwesens. Wirtschaft für die Tagungsmöglichkeit danken. → Der Bund darf sich mit eigenen Behörden in ver- Ich danke dem Julius Kühn-Institut, unserem Bundes- schiedenen Funktionen an der Deutschen Genbank forschungsinstitut für Kulturpflanzen, für die fachliche Obst beteiligen. Diese sind Vorbereitung und gemeinsame Durchführung des • das Julius Kühn-Institut, Kongresses. • die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernäh- Mein Dank geht auch an die Bundesanstalt für Land- rung und wirtschaft und Ernährung für das Konferenz- und • das Bundessortenamt. Tagungsmanagement. → Der Bund darf aber Ländern, Kommunen und Priva- Das Thema des Kongresses ist die deutsche Obstsorten- ten die Erhaltungsaktivitäten nicht finanzieren. vielfalt und neue Wege für deren Erhaltung und Nut- → Die Länder sind die eigentlichen Träger der Erhal- zung. tung. Beispiele dafür sind Von der Notwendigkeit, unsere Obstsortenvielfalt zu • Sammlungen in Universitäten und Hochschulen, erhalten, brauche ich Sie nicht zu überzeugen. Das hat • Lehr- und Versuchsanstalten, mir schon ein Blick auf die Teilnehmerliste gezeigt. Die meisten Teilnehmer engagieren sich auf verschiedenen • Reiserschnittgärten oder Wegen und in verschiedenen Funktionen bereits sehr • direkte Fördermöglichkeiten durch Streuobst- für dieses Ziel. und Agrarumweltprogramme. Was hat uns aber nun bewegt, einen Kongress, der eine Der Bund kann zwar die Erhaltungsarbeit nicht direkt bundesweite Ausstrahlung haben soll, durchzuführen? finanzieren, er unterstützt aber die Länder bei der För- derung obstgenetischer Ressourcen über die Gemein- Viele alte Obstsorten sind bereits verschollen oder dro- schaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und hen zu verschwinden. Das geschieht immer schneller. des Küstenschutzes, abgekürzt GAK, mit zwei Förder- Solche Verluste sind unwiederbringlich. Deshalb müssen maßnahmen: wir rasch handeln. → Seit 2014 gibt es im GAK-Rahmenplan im Förderbe- Deutschland hat sich 2004 mit der Ratifizierung des reich zum Erhalt der Vielfalt der genetischen Res- Internationalen Vertrages über pflanzengenetische sourcen in der Landwirtschaft die Möglichkeit für Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft unter die Länder, Reisermutterbäume alter Obstsorten zu anderem zum Erhalt der Obstsortenvielfalt verpflichtet. fördern. Kein Land hat diese Förderung aber bisher programmiert. Das ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Län- dern. → Etwas erfreulicher ist der Zuspruch der Länder bei Der Bund hat 2009 das Julius Kühn-Institut mit der der Förderung extensiver Obstbestände über die GAK. Gründung und Koordinierung der Deutschen Genbank Gemeint sind damit Streuobstbestände. Neben der Obst beauftragt. Das ist keine zentrale Genbank an Neuanlage ist erstmals auch die Pflege bestehender einem Ort, sondern ein Genbanknetzwerk mit vielen Anlagen inbegriffen. Die meiste Streuobstförderung Akteuren an vielen Orten. erfolgt durch die Länder aber außerhalb der GAK.
D eutsche O bstsortenvielfalt 5 Ein Genbanknetzwerk wie die Deutsche Genbank Obst zung weiter zunehmen und wahrscheinlich nur noch bietet vor allem die Möglichkeit, staatliche Erhaltungs- ein Zeitfenster von wenigen Jahren zur Sortensicherung aktivität mit nichtstaatlichen Trägern und Initiativen zu verbleibt. vernetzen und damit auch eine Brücke vom Erhalt zur Nutzung alter Sorten zu schlagen. Solche Akteure sind Neben der Grundsicherung für zukünftige Generationen beispielsweise: in einer Genbank ist die Nutzung der alten Obstsorten sehr wichtig für den dauerhaften Erhalt, zum Beispiel • Naturschutzorganisationen wie NABU und BUND, durch • regionale Streuobstinitiativen, • Anbau und Direktvermarktung, • die Baumschulwirtschaft, • Verarbeitung zu traditionellen und neuen Produkten, • der Obstbau und • die Züchtung, • die Pomologen. • die Forschung Der Bund hat mit der Deutschen Genbank Obst einen • und Ausbildung. institutionellen Rahmen geschaffen, in dem eine Vernet- zung nach den bisherigen Erfahrungen sehr gut möglich Jede alte Sorte hat neben ihrem genetischen auch immer ist. Die Zusammenarbeit ist auf Partnerschaft ausgelegt. einen kulturellen Fingerabdruck. Das ist das traditio- Koordinierung bedeutet nicht Bevormundung. Viele nelle Wissen um ihre besonderen Eigenschaften und Bundesländer, Einrichtungen und Akteure arbeiten in Verwendungsmöglichkeiten. Darin liegen heute wieder der Deutschen Genbank Obst bereits zusammen, aber die Chancen für besondere Produkte mit Sorten- und längst noch nicht alle. Regionalbezug. Zukunftsfähige Nutzungskonzepte sind notwendig, damit die extensive Obsterzeugung mit Es gibt erste fachliche Überlegungen, wie sich private hochstämmigen Obstbäumen und alten Sorten als tradi- Akteure und Initiativen eventuell besser mit der Deut- tionelle Wirtschaftsweise erhalten bleibt. Dafür erhoffen schen Genbank Obst vernetzen können, ohne der Gen- wir uns durch die Tagung wichtige Anregungen. bank gleich formell beitreten zu müssen. Vielleicht kann dies in einem besonderen Netzwerk geschehen. Dazu Für den Anbau alter Obstsorten ist sortenechtes und hoffen wir auf Anregungen durch den Netzwerk-Work- gesundes Vermehrungsmaterial, wie es Reiserschnitt- shop während unserer Tagung. gärten anbieten, absolut unverzichtbar. Sonst tragen wir alte und neue Obstkrankheiten in die Landschaft Unser Ziel ist der weitgehende Erhalt und die Doku- und in die Obstanlagen. Das würde langfristig auch der mentation der deutschen obstgenetischen Vielfalt in der biologischen Vielfalt erheblich schaden und sollte allen Deutschen Genbank Obst für zukünftige Generationen. Akteuren immer bewusst sein. Auch dieses wichtige Es ist noch lange nicht erreicht. Meine Mitarbeiter schät- Thema wird in einem Workshop auf unserer Tagung zen, dass erst ein Drittel der deutschen Obstvielfalt in vertieft. Die geringe Anzahl von drei Reiserschnittgärten Sammlungen gesichert ist. Genau weiß das aber nie- in Deutschland bereitete mir Sorgen. Eine dauerhafte mand. Umso wichtiger ist Bereitstellung gesunder Reiser von zahlreichen Sorten • der weitere Ausbau der Deutschen Genbank Obst, ist so nur schwer zu garantieren. Es wäre wünschens- wert, dass sich auch die Bundesländer, in denen keine • eine bessere Vernetzung der Akteure, Reiserschnittgärten liegen an der Erhaltung und auch • eine bessere Dokumentation der Obstsortenvielfalt Ausweitung der bestehenden Gärten beteiligen. sowie Ich freue mich auch ganz besonders auf die Expertise • Erhebungen zur Sortenechtheit durch pomologische der Kollegen aus Italien, Österreich und der Schweiz zu und molekulargenetische Untersuchungen. So hat allen uns interessierenden Themen rund um die Erhal- das BMEL seit 2005 Erhebungen zu obstgenetischen tung und nachhaltige Nutzung der Obstsortenvielfalt. Ressourcen mit rund 1,13 Millionen Euro gefördert, die meisten davon im Netzwerk der Deutschen Damit möchte ich schließen und wünsche uns zwei informative, erkenntnisreiche Tage. Genbank Obst. Ein Kongress-Workshop wird das Thema Sortenechtheit vertiefen. Ministerialrat Dr. Ingo Braune Leiter des Referates 515 Gartenbau, Landschaftsbau im Das alles soll die Tagung voranbringen, weil die Verluste Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft alter Obstsorten, die noch gar nicht gefunden und gesi- chert sind, durch den rasanten Schwund des Streuobstes, durch Überalterung der Bäume oder Aufgabe der Nut-
D eutsche O bstsortenvielfalt 7 Die Deutsche Genbank Obst (DGO) – ein dezentrales Netzwerk zur Erhaltung alter Obstsorten Prof. Dr. Magda-Viola Hanke angebaut werden. Wenn wir von einer Abnahme der globalen Biodiversität sprechen, so sind davon auch Julius Kühn-Institut, Institut für Züchtungsforschung an Obst Obstarten und deren innerartliche Vielfalt betroffen. Pillnitzer Platz 3a, 01326 Dresden Die wichtigste Einflussgröße für diesen Verlust stellen viola.hanke@jki.bund.de Veränderungen der Landnutzung dar. So beschränkt sich der großflächige, erwerbsmäßige Apfelanbau weltweit auf nur wenige Sorten, wie z. B. ‘Gala‘, ‘Golden Die Vereinten Nationen haben am 22. Dezember 2010 Delicious‘ und ‘Idared‘. Das hat zur Folge, dass in den beschlossen, die Jahre 2011 bis 2020 zur UN-Dekade der letzten Jahrzehnten der Anbau vieler traditioneller und Biodiversität zu erklären. Damit wurde eine Empfehlung regional angepasster Sorten stark rückläufig ist. Aus der Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens über diesem Verlust an Vielfalt im Erwerbsobstbau ergibt sich die biologische Vielfalt (engl. Convention on Biological eine Chance für den Haus- und Kleingarten sowie für Diversity, CBD, beschlossen in Rio de Janeiro 1992 und kleinere regionale Märkte, wo zunehmend eine Vielfalt in Kraft seit 1993) umgesetzt, die auf der 10. Vertrags- an Sorten nachgefragt wird. staatenkonferenz in Nagoya getroffen worden ist. Mit Die CDB hat drei Hauptziele: Schutz der Biodiversität, dieser Entscheidung will die UN u. a. die ökologische ihre nachhaltige Nutzung und der gerechte Ausgleich Bedeutung der biologischen Vielfalt herausstellen. Der der sich aus der Nutzung genetischer Ressourcen erge- Kongress zur Obstsortenvielfalt in Dresden fand gerade benden Vorteile. In Deutschland ist für die Erhaltung unter diesem Fokus statt. und nachhaltige Nutzung von pflanzengenetischen Was verstehen wir unter Biodiversität? Die Antwort Ressourcen das Bundesministerium für Ernährung findet man in der CBD: „Biodiversität umfasst die Vari- und Landwirtschaft (BMEL) zuständig. In diesem abilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft Zusammenhang wurde im Jahre 2007 durch die Bun- sowie die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören. desregierung erstmalig eine „Nationale Strategie zur Im Grunde gehören dazu die Variabilität zwischen den biologischen Vielfalt“ verabschiedet. Aufbauend darauf Arten, aber auch die genetische Vielfalt innerhalb der wurde bereits 2002 ein „Nationales Fachprogramm zur Arten und die Vielfalt der Ökosysteme, in denen die Ar- Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengeneti- tenvielfalt vorkommt“ (1). Für Obst in unserem Lebens- scher Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbau- raum erstreckt sich daher die Betrachtung (a) auf alle licher Kulturpflanzen“, als Grundlage für bundesweit Obstarten in Mitteleuropa, ob in Nutzung oder nicht, ob abgestimmte Aktivitäten auf diesem Gebiet, entwickelt, von potentieller Bedeutung oder nicht, (b) auf die Viel- das in 2015 eine aktualisierte Fassung erhielt. In diesem falt innerhalb und zwischen den Obstarten, wie Sorten, Fachprogramm sind Schwerpunkte genannt, die es mit Landformen, Wildformen und Hybriden, (c) sowie auf Aktivitäten zu untersetzen gilt. die entsprechenden Ökosysteme, z. B. am natürlichen Eine breite Aufmerksamkeit nimmt die Ex-situ-Erhal- Standort (in situ) oder in Genbanken bzw. Sammlungen tung ein. Das Anlegen von Obstsortensammlungen (ex situ), und auf verschiedene Nutzungsformen, wie nahm seinen Anfang, als Obstsorten in Gärten für den z.B. Streuobstbestände und Plantagenobstbau. Zu den eigenen oder gewerblichen Bedarf angebaut wurden. ca. 7.000 Pflanzenarten, die sich die Menschen im Laufe Stets gingen diese Aktivitäten einher mit umfangreichen der Domestikation für die Ernährung nutzbar gemacht Beschreibungen der Sorten. Mit Beginn der wissen- haben, gehören auch 30 Obstarten, die in Deutschland schaftlich fundierten Obstzüchtung nahmen diese
8 D eutsche O bstsortenvielfalt Sammlungen an Bedeutung stark zu, da neben der Nut- Die DGO pflegt in ihren Sammlungen deutsche Sorten zung von Obst als Lebensmittel auch dessen Nutzung in und deutsche Neuzüchtungen, Sorten mit soziokultu- der Züchtung in den Vordergrund trat. Die Veränderun- rellem, lokalem und historischem Bezug zu Deutschland gen in der Ausrichtung der Ziele für die Obstzüchtung sowie Sorten mit wichtigen obstbaulichen Merkmalen. (Etablierung ökologischer Produktionsformen, Erhö- Inzwischen umfasst diese Genbank fünf Netzwerke hung gesundheitsfördernder Inhaltsstoffe, Verbesserung bei Apfel, Kirsche, Erdbeere, Pflaume und Rubus-Ar- des Geschmacks und Aromas der Früchte sowie die ten mit 28 Sammlungen und 17 Sammlungshaltenden Anpassung an den Klimawandel) lassen auch die Bedeu- Partnern. Jeder Partner bringt sich in das Netzwerk mit tung von Sammlungen alter Obstsorten in einem neuen seinen finanziellen und personellen Ressourcen ein und Licht erscheinen. Von großer Bedeutung ist in Deutsch- profitiert vom Mehrwert, der durch die Bündelung der land und im deutschsprachigen Raum die Jahrhunderte Aktivitäten im Netzwerk entsteht. alte Tradition der Erhaltung von Obstsorten in privater Hand und in Vereinen, z. B. beim Pomologen-Verein e.V.. Die DGO verfügt über eine öffentlich zugängliche Auch staatlich finanzierte Genbanken widmen sich die- Datenbank und ein besonderes Logo für alle Netzwerk- ser Aufgabe in unserer Zeit durch Erfassung, Sicherung partner. In den letzten Jahren wurde ein großer Teil der und Bereitstellung der noch vorhandenen Biodiversität, Bestände sowohl pomologisch als auch molekulargene- durch nationale und internationale Koordinierung von tisch bezüglich Echtheit der Sorten untersucht. Das Ziel Erhaltungsaktivitäten, deren Rationalisierung, durch bestand u.a. darin, Fehlbezeichnungen von Sorten zu Evaluierung der Biodiversiät, auch im Hinblick auf neue eliminieren, homonyme und synonyme Sortennamen Züchtungsziele. Dies dient sowohl der Erhaltung unseres aufzudecken und den Gesamtbestand auf das notwen- kulturellen Erbes, leistet einen Beitrag zum Erhalt der dige Maß arbeitsteilig zur beschränken. Damit werden Kulturlandschaft, dient aber gleichwohl der Aufklärung eine hohe Qualität der in der DGO erhaltenen Sortimen- und Information der Bürger in unserem Lande. Bei te sichergestellt und die Anforderungen und Erfüllung der Vielfalt der Erhaltungsaktivitäten ist der Überblick der Ziele des Fachprogramms gewährleistet. über die gesamte Biodiversität in Abhängigkeit von den Obstarten erschwert, so dass ein schleichender Verlust Referenz im historischen Sinne anzumerken ist. 1 https://www.cbd.int/convention/text/ Text der CBD Für die heimischen Obstarten wurde daher gemeinsam mit dem BMEL nach innovativen Möglichkeiten ge- sucht, unser historisches Obstsortenerbe effizient und langfristig zu erhalten. Als Lösung wurde formuliert, obstartenspezifische Netzwerke, bestehend aus dezentral agierenden Sammlungen, unter einer zentralen Koordi- nierung am Julius Kühn-Institut in Dresden zu etablie- ren. Diese Vision wurde 2007 durch die Gründung einer Deutschen Genbank Obst (DGO) verwirklicht.
D eutsche O bstsortenvielfalt 9 Erhaltung, Beschreibung und Nutzung der Obstgenressourcen in der Schweiz Dr. Markus Kellerhals und Jennifer Gassmann für Landwirtschaft (BLW, www.blw.admin.ch) ließ einen nationalen Aktionsplan NAP-PGREL erarbeiten. Dieser Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften, gab speziell im Bereich Obst starke Impulse dank Pro- Schloss, CH-8820 Wädenswil, Schweiz jekten, welche von NGO’s eingegeben werden konnten markus.kellerhals@agroscope.admin.ch und in 4-Jahresprogrammen koordiniert durch die SKEK realisiert wurden. Ein Ausgangspunkt bildete die Erarbeitung eines Erhaltungskonzeptes. Die Erhaltung Die Schweiz, im Herzen Europas gelegen, hat eine lange der Obst-Genressourcen wurde dezentral organisiert obstbauliche Tradition. Vor hundert Jahren und bis nach zusammen mit bereits bestehenden Sammlungen und dem zweiten Weltkrieg waren grosse Teile des Landes Organisationen. Die Sammlungen wurden als Einfüh- intensiv mit Hochstamm-Obstbäumen bepflanzt. Tafe- rungs-, Primär- und Duplikatsammlungen definiert und läpfel von Hochstämmen konnten in die Nachbarländer erhalten im Rahmen von NAP-PGREL-Projekten auch wie Deutschland und Frankreich exportiert werden, die finanzielle Unterstützung für die Erstellung und den Obstverarbeitung und der Konsum von Obstprodukten Unterhalt. in der Schweiz selber, waren wichtig. Besonders in den 1960er Jahren ergab sich durch veränderte Konsum- gewohnheiten, abnehmende Exportchancen und die Inventarisierung, Erhaltung und Mechanisierung in der Landwirtschaft ein Obstüber- schuss. Beiträge für die Rodung von Hochstamm-Obst- Beschreibung bäumen wurden von staatlicher Seite entrichtet und die Von 2000 bis 2005 wurde eine gesamtschweizerische sogenannte Umstellung des Obstbaus auf Niederstamm- Obstsorteninventarisierung als Fructus-Projekt in kulturen unterstützt. Pioniere wie Dr. Karl Stoll in der Zusammenarbeit mit Agroscope durchgeführt, um Deutschschweiz und Prof. Roger Corbaz in der West- bisher nicht erfasste Obstgenressourcen zu ermitteln. schweiz, erkannten die Notwendigkeit, den damit ein- Laufend wurden die Sammlungen mit noch nicht hergehenden Sortenverlust zu stoppen. Sie gründeten gesicherten und teils auch unbekannten Akzessionen 1985 die Vereinigung Fructus (www.fructus.ch) zur För- aus der Inventarisierung ergänzt. Parallel dazu begann derung alter Obstsorten. Auch die Stiftung ProSpecieRa- die Obstsortenbeschreibung. Zuerst musste dazu ein ra (www.prospecierara.ch) initiierte damals ein Obst- Deskriptoren-Handbuch erstellt werden. Die rund 40 projekt. Zusätzlich begannen regionale Organisationen Deskriptoren erfassen nebst den äußeren Merkmalen mit der Erhaltung alter Obstsorten. Von staatlicher Seite wie Fruchtgröße, Art und Ausprägung der Grund- oder bestand in jener Zeit noch kein Interesse diese Vielfalt Deckfarbe auch die inneren Eigenschaften wie die zu sichern. 1991 wurde die Schweizerische Kommission Form des Kernhauses oder die Größe der Kerne, bis für die Erhaltung von Kulturpflanzen (www.cpc-skek.ch) hin zu den sensorischen Eindrücken. Seit 2007 wird gegründet. Der Erdgipfel von Rio im Jahr 1992 bildete die Vielfalt der Schweizer Obstsorten in verschiedenen den Ausgangspunkt für die Biodiversitätskonvention NAP-PGREL-Projekten umfassend beschrieben. Die und den globalen Aktionsplan der FAO von 1996 zur umfangreichste Projektarbeit wird von Agroscope in Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der pflanzengene- Wädenswil im Auftrag von Fructus durchgeführt. Unter tischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft dem Namen BEVOG (Beschreibung von Obstgenres- (GAP-PGREL). Darauf basierend wurde die Schweiz auch sourcen) werden neben der klassischen pomologischen politisch zu diesem Thema aktiv und das Bundesamt Sortenbeschreibung, molekulargenetische Analysen,
10 D eutsche O bstsortenvielfalt Krankheitstests, Untersuchungen der Fruchtinhalts- fizieren. Duplikate sind identische Akzessionen, welche stoffe sowie Verarbeitungsversuche durchgeführt. Dabei unter verschiedenen Namen inventarisiert und als ver- konnten Daten von über 2.500 Obst-Akzessionen aus meintlich unterschiedliche Sorten behandelt wurden. der ganzen Schweiz erhoben werden. Dank der Zusam- Dadurch stehen pro Genotyp (Sorte) oft mehr Bäume als menarbeit mit anderen Beschreibungsprojekten im nötig in den Sammlungen. Je nach Obstart wurden zwi- NAP-PGREL wurden in den vergangenen acht Jahren schen 30 und 50 Prozent solcher Duplikat-Akzessionen rund zwei Drittel der inventarisierten Obst-Akzessionen gefunden. Dies bedeutet, dass von den rund 5.000 inven- beschrieben. Dazu gehört auch eine Bildtafel mit sechs tarisierten Akzessionen aller Obstarten in der Schweiz Fruchtansichten. ungefähr 29.00 eigentliche Sorten übrigbleiben. Das Deskriptoren-Handbuch und die Sortenbeschrei- Die kommende Herausforderung ist nun, diese Ergeb- bungen mit den Bildtafeln sind in der nationalen nisse anhand der pomologischen Beschreibungen zu Datenbank einsehbar (www.bdn.ch). Seit den Anfängen verifizieren, wobei die genetischen Profile der Akzessio- der Beschreibungsprojekte erlangte die molekular- nen alleine nicht ausreichend sind, um zu entscheiden, genetische Charakterisierung einen immer höheren welche Vertreter einer Gruppe von Duplikaten erhalten Stellenwert. Zuerst bei den Erhaltungsorganisationen werden sollen. Dazu ist auch das pomologische Wissen skeptisch beäugt, setzte sich die genetische Analyse als entscheidend. Die Herausforderung ist nun, die pomo- ergänzendes hilfreiches Instrument zunehmend durch. logischen und molekulargenetischen Profile zu verifizie- Heute ist praktisch das ganze Spektrum an Akzessionen ren und Schlüsse für die Erhaltung der Akzessionen zu bei Apfel, Birne, Kirsche und Pflaume auch molekularge- ziehen. netisch analysiert. Diese genetischen «Fingerabdrücke» werden verglichen, um Sorten zu definieren und vor allem Duplikate innerhalb der Sammlungen zu identi- Apfel Kirsche Birne Pflaumen unique 50%
D eutsche O bstsortenvielfalt 11 Krankheitsanfälligkeit Nutzung der Obstgenressourcen Wichtig ist auch die Anfälligkeit der Obstakzessionen Die Obstgenressourcen und das Wissen um ihre Ei- gegenüber wichtigen Krankheiten. Beim Kernobst genschaften kommen verschiedenen Nutzern zugute. wurde ein beachtlicher Anteil der Akzessionen auf die In der Obstzüchtung besteht ein vitales Interesse zur Anfälligkeit gegen Schorf (Venturia inaequalis), Mehltau Verbreiterung der genetischen Basis, zur Verbesserung (Podosphaera leucotricha) und Feuerbrand (Erwinia amy- der Robustheit und zur Entwicklung von Sorten mit lovora) geprüft. Diese Arbeiten laufen noch und werden Alleinstellungsmerkmalen. Die neuen molekularen auch auf Lagerkrankheiten und die neu aufgetretene Analysemethoden erlauben es, nach und nach wertvol- Blattfallkrankheit Marssonina coronaria ausgedehnt. le Eigenschaften in den europäischen und weltweiten Genressourcen zu charakterisieren und züchterisch zu In den vergangenen Jahren wurden rund 250 Apfel- und nutzen. Das Wissen um die Eigenschaften, darunter auch 40 Birnen-Akzessionen mithilfe von Triebspitzenino- ernährungsphysiologisch wichtige Substanzen und die kulationen im Gewächshaus auf Feuerbrandanfälligkeit Robustheit gegen Schaderreger, sollte es interessanten getestet. Die Tests ergaben nur wenige Akzessionen mit alten Sorten ermöglichen, den Weg in den Obstanbau zu vergleichbar gutem Ergebnis wie die robuste Referenz- finden. In der Schweiz sind auch aus Gründen des Land- sorte „Enterprise“, nur die Sorte „Alant“ schnitt in beiden schaftsschutzes, der Förderung der Biodiversität und Testreihen sogar noch besser ab als „Enterprise“. Die des wieder steigenden Interesses an lokalem Obst und Birnen zeigten erwartungsgemäß eine höhere Anfällig- den daraus verarbeiteten Produkten durchaus attraktive keit als die Äpfel; trotzdem gab es auch bei den Birnen Perspektiven vorhanden, die genutzt werden sollten. deutliche Unterschiede zwischen den Akzessionen. Zusätzlich wurden auf einer speziell zu diesem Zweck erstellten Freilandparzelle ohne Fungizid-Behandlung in einem Langzeitversuch 600 Apfel-Akzessionen auf ihre Anfälligkeit auf Blattschorf und Mehltau beurteilt. Dabei stellte sich heraus, dass ganze 65 Sorten gar nicht oder nur schwach anfällig auf Schorf und Mehltau re- agierten. 134 Sorten zeigten sich mittelanfällig auf beide Krankheiten, 59 Sorten wurden unter stark anfällig auf beide Krankheiten eingestuft. 217 der Sorten waren nur schwach anfällig auf eine der beiden Krankheiten. Die verbleibenden Akzessionen wurden gegenüber einer der beiden Krankheiten als mittel und gegenüber der anderen als stark anfällig eingestuft. Immerhin 8 Sorten, welche in der Beurteilung für Feuer- brand als wenig anfällig bestätigt wurden, zeigten sich auch gegenüber Schorf und Mehltau robust oder nur schwach anfällig.
12 D eutsche O bstsortenvielfalt Obstsortenerhaltung in Österreich Elisabeth Schüller Von der geschätzten Anzahl an Obstsorten, die in Österreich bekannt sind bzw. genutzt wurden und Abteilung für Wein- und Obstbau, Department für werden – rund 2.000 alleine beim Apfel – wird ein Nutzpflanzenwissenschaften, Universität für Bodenkultur Wien. kleiner Anteil in der Bundesgenbank bzw. an der BOKU elisabeth.schueller@boku.ac.at erhalten (Abb.1). Auch die ausreichende Absicherung Großer Dank gilt Mag. Eva-Maria Gantar für das zur Verfügung der Sorten in Genbanken und Sortensammlungen in gestellte Material. Österreich durch Duplikate in mehr als 2 Sammlungen bzw. Standorten ist momentan nur für rund 10 % der Akzessionen gegeben. Österreich verpflichtete sich anlässlich der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) 1995 seine geneti- Die Umsetzung der Richtlinie 2008/90/EG zur Inver- schen Ressourcen zu erhalten. Im Bundesgesetz über kehrbringung von Vermehrungsmaterial und Pflanzen die Bundesämter für Landwirtschaft und die landwirt- von Obstarten zur Fruchterzeugung in Österreich bein- schaftlichen Bundesanstalten wird das Bundesamt für haltet u. a. die Zusammenstellung der „Liste der allge- Wein- und Obstbau Klosterneuburg mit der Erhaltung mein bekannten Obstsorten“. der genetischen Ressourcen in Wein und Obst beauf- tragt. Hier befindet sich auch die österreichische Bun- In Österreich herrscht großes Interesse an alten Obstsor- desgenbank für Obst (www.genbank.at). Auch an der ten im Sinne einer nutzbaren, marktfähigen Agro-Biodi- Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) befinden sich versität. Viele kleine Betriebe sind aufgrund der vorwie- Sortensammlungen. gend lokalen Vermarktung auf die Vielfalt im Sortiment Abbildung 1: Vergleich der Sortenschätzungen für Österreich (blau) und der in Bundesgenbank (LFZ, rot) und BOKU-Sortiment (grün bzw. lila) vorhande- nen Anzahl verschiedener Sorten
D eutsche O bstsortenvielfalt 13 angewiesen. Genussregionen spielen hier eine besondere Ministerium, Genbanken, private Sammlungen und Ver- Rolle, da sie sich auf die Vermarktung von Regional- eine, Baumschulen, Obst- erzeugende und verarbeitende sorten und deren Produkte spezialisieren. Insofern ist Betriebe, Pomologen, Vermarktungsinitiativen u.v. m. es wichtig, die Sortenvielfalt Österreichs wirtschaftlich Dieser Rahmen ermöglicht gemeinsam effektiv für den nutzbar zu erhalten und im Sinne der RL 2008/90/EG Erhalt der Obst-Vielfalt und der Streuobstbestände möglichst vollständig zu erfassen. Zur Erfassung gibt es in Österreich zu arbeiten. Das elektronische Magazin für jede relevante Obstart einen technischen Beschrei- des Vereins berichtet über alle Aktivitäten, aktuelle bungsbogen auf der Homepage des Bundesamtes www. Diskussionen und Publikationen zum Thema (info@ weinobstklosterneuburg.at herunterzuladen. Dieser arge-streuobst.at). enthält einfache Parameter zur Fruchtbeschreibung sowie Daten zu Herkunft, Abstammung und Virusstatus der Sorte. Voraussetzung für eine Nominierung ist u. a. Literatur: dass die Sorte vor dem 30.09.2012 in Verkehr gebracht worden ist und dass Material für einen Lokalaugen- Eva-Maria Gantar, 2014: Eine Sorte trägt viele Namen – einer ist schein zur Verfügung steht. Die Nominierungen werden nötig für den Verkauf! Teil 1., Besseres Obst 8. durch das Bundesamt geprüft und amtlich anerkannt. Eva-Maria Gantar, 2014: Eine Sorte trägt viele Namen – einer ist Bis 2014 sind 1.700 Nominierungen von 17 Obstarten nötig für den Verkauf! Teil 2., Besseres Obst 9. von Sortensammlungen, Baumschulen, Betrieben und Privatpersonen eingegangen. Gut 850 wurden bereits als allgemein bekannte Obstsorten amtlich anerkannt. Es gehen laufend weitere Nominierungen ein. Eine weitere Aktivität des Bundesamtes ist die Erstel- lung der neuen österreichischen Obstsortendatenbank, welche Ende 2015 online gehen soll. Hier soll es bald die Möglichkeit geben in den Sortimenten der österreichi- schen Sammlungen und Genbanken sowie unter den als allgemein bekannten Obstsorten gelisteten Sorten zu suchen und detaillierte Informationen und Beschrei- bungen zu finden. Diese Informationen werden u. a. auch Synonyme sowie die verschiedenen Nutzungsfor- men und die Verarbeitungseignung der Sorten umfas- sen. Die ARGE Streuobst (www.argestreuobst.at) ist ein überparteilicher, gemeinnütziger Verein, der sich mit Streuobstbau und der Erhaltung alter Obstsorten be- fasst. Im Vorstand und unter den Mitgliedern sind Stake- holder aller Sparten vertreten, die sich mit der Erhaltung obstgenetischer Ressourcen in Österreich befassen:
14 D eutsche O bstsortenvielfalt Die Datenbank der Deutschen Genbank Obst als Modellvorhaben PD Dr. Henryk Flachowsky Dieses Projekt wurde von der Humboldt-Universi- tät Berlin und dem Landesumweltamt Brandenburg Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für koordiniert und sollte einen aktuellen Überblick über Kulturpflanzen, Institut für Züchtungsforschung an Obst, die noch in Deutschland vorhandenen obstgenetischen Pillnitzer Platz 3a, 01326 Dresden, Ressourcen ermöglichen. Die in diesem im Rahmen ent- Tel.: 0049(0)-351-2616215 standene DB diente als Grundlage für die Gründung der henryk.flachowsky@jki.bund.de DGO, für das Identifizieren geeigneter Partner und das Zusammenstellen erster Sortenlisten für die obstarten- spezifischen Erhaltungsnetzwerke. Infolge der Grün- Mit der Gründung der Deutschen Genbank Obst dung der DGO wurde im Jahr 2009 eine erste internetfä- (DGO), einem dezentralen Netzwerk zur Erhaltung hige DB der DGO von der BLE freigeschalten. Um diese obstgenetischer Ressourcen in Deutschland, im Jahr Form der Bereitstellung von Daten noch komfortabler 2007 bestand auch unmittelbar ein Bedarf, die Daten zu gestalten und alle Sammlungshaltenden Partner (Trä- zu den in den obstartenspezifischen Netzwerken (z. B. ger) mit in die Pflege der Daten einbeziehen zu können, Apfelnetzwerk) der DGO zu erhaltenden Sorten einem wurde direkt im Anschluss mit der Programmierung möglichst breiten Kreis an Interessenten in einer nut- einer neuen DGO DB begonnen. Diese wurde vom JKI zerfreundlichen Art und Weise zugänglich zu machen. programmiert und ging 2013 ins Netz. In der Folge wur- Aus diesem Grund entwickelte sich sehr schnell der de die DB der BLE aus dem Netz genommen und das JKI Wunsch nach einer internetfähigen Datenbank (DB). übernahm auch die Internetdomäne. Die neue DB der Dass dies notwendig war, zeigt ein Blick auf die Historie DGO ist nun über http://www.deutsche-genbank-obst. der Verwaltung obstgenetischer Ressourcen in Deutsch- jki.bund.de zu erreichen. Sie wird vom JKI koordiniert land. Deren Erfassung erfolgte in der Vergangenheit und speist ihre Daten direkt in PGRDEU und von da aus mithilfe des Bundes-Obstarten-Sortenverzeichnisses in den europäischen Suchkatalog EURISCO ein, der vom (BOSV), welches von der Arbeitsgruppe Genbank Obst IPK gepflegt wird (Abbildung 1). Die DB der DGO basiert des IPK-Gatersleben geführt wurde. Das BOSV war eine auf dem System MySQL und ihre Betreuung wird im einfache MS Excel-Liste, die so konzipiert war, dass sie Team realisiert. Dabei übernehmen Frau Dr. Höfer und sehr leicht in damals gängige DB-Systeme wie MS Access Herr Müller (beide JKI) die Aufgaben der Konzeption eingelesen werden konnte. Die im BOSV erfassten Daten und Programmierung. Die Koordination der Daten- dienten als Grundlage für das nationale Inventar, eine verwaltung in den obstartenspezifischen Netzwerken DB mit dem Namen „Pflanzengenetische Ressourcen in erfolgt durch Frau Sonntag (Erdbeere, JKI) und Frau Deutschland“ (PGRDEU), welche von der Bundesanstalt Schöber (Apfel und Kirsche, JKI), Herrn Dr. Hadersdor- für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) geführt wird fer (Pflaume, TU München) und Herrn Dr. Erik Schulte und eine Schnittstelle zu internationalen Informations- (Rubus und Birne, Bundessortenamt). systemen darstellt. Mit der Überführung der Obstgen- Die DB gliedert sich in einen öffentlichen (frei zu- bankbestände vom IPK an das Institut für Obstzüchtung gänglich im Internet) und einen internen Bereich (nur der BAZ (heute JKI) wechselte auch die Zuständigkeit für passportgeschützt zu erreichen) und verwaltet drei das Führen des BOSV. Da die Pflege des BOSV aufwendig Typen von Sammlungen (Privatsammlungen, öffent- und im Verlauf der Jahre auch nicht mehr zeitgemäß liche Sammlungen und Sammlungen der DGO). Bei war, entstand der Wunsch nach einer DB. Die erste DB Privatsammlungen handelt es sich um solche, die von basierte auf MS Access und entstand im Rahmen eines Privatleuten (z. B. Pomologen) ausschließlich für private im Jahr 2006 durchgeführten Erfassungsprojektes.
D eutsche O bstsortenvielfalt 15 Zwecke angelegt werden. Auf die Daten dieser Samm- Bislang sind fünf von sechs existierenden DGO-Netz- lungen hat nur der Sammlungsinhaber Zugriff. Öffent- werken (Apfel, Rubus, Erdbeere, Kirsche, Pflaume) in die liche Sammlungen sind im Internet frei zugänglich, DB integriert. Insgesamt 18 Träger verwalten 55 Samm- gehören aber nicht zum Netzwerk der DGO und müssen lungen (24 öffentliche, 4 DGO, 27 zur DGO angemeldet). folglich auch nicht den Standards der DGO genügen. Damit beinhaltet die DB Informationen über 2.050 Sor- DGO-Sammlungen können beim DB-Koordinator (Dr. ten (939 Apfel-, 329 Süßkirsch-, 96 Sauerkirsch-, 33 Him- Höfer) zur Aufnahme in die DGO angemeldet werden. beer-, 9 Brombeer-, 246 Pflaumen- und 407 Erdbeer- Der Koordinator prüft diese Sammlungen dann auf sorten). Allein in 2015 gab es 3.278 Besuche von 2.343 Zugehörigkeit, Inhalt und Qualität. Jeder der die DB Besuchern, was 198-357 Besuchern im Monat entspricht. nutzen möchte, kann vom DB-Koordinator per E-Mail Damit ist mit der neuen DB ein nutzerfreundliches ein eigenes Passwort anfordern. Der interne DB-Bereich System zur dezentralen Verwaltung von obstgenetischen ist in drei hierarchische Ebenen untergliedert. Auf der Ressourcen unter Einbindung vieler Akteure in deut- obersten Ebene agiert der DB-Koordinator. Ihm oblie- scher Sprache entstanden, welches die Möglichkeiten gen die Verwaltung der Träger (Rechtevergabe), der Art-, zum Abgleich mit anderen Datenbanken bietet und gut Gattungs- und Sortennamen (Gewährleistung einer ein- in andere nationale und internationale Aktivitäten zu heitlichen Schreibweise) sowie der zur DGO gehörenden pflanzengenetischen Ressourcen eingebunden ist. Sammlungen. In der zweiten Ebene agieren die Träger (Institutionen, Vereine, Privatpersonen). Diese können dort ihre eigenen Daten (Name, Anschrift, Institution etc.) verwalten, sich eigene Mitarbeiter anlegen und diese mit Rechten ausstatten, sowie ihre eigenen Samm- lungen (privat, öffentlich, DGO) anlegen und verwalten. In der dritten Ebene agieren die Mitarbeiter. Je nach zugewiesen Rechten können diese ähnliche Aufgaben wie in Ebene zwei erfüllen. Abbildung 1. Einbindung der Datenbank der Deutschen Genbank Obst (DG Obst) in das Informationsnetzwerk des Nationalen Inventars (PGRDEU, nationale Ebene) und den Europäischen Suchkatalog (EURISCO, internationale Ebene).
16 D eutsche O bstsortenvielfalt Anwendung molekulargenetischer Verfahren zur Charakterisierung und Er- haltung der Sortenvielfalt des Apfels in Südtirol (Italien) und Tirol (Österreich) Dr. Sanja Baric1, Alberto Storti1, Melanie Hofer1, burg mit dem Aufbau einer Genbank für Südtirol zur Walter Guerra1, Manfred Putz2, Sicherung und Erhaltung alter und neuer Sorten land- wirtschaftlicher Pflanzenarten beauftragt. Infolgedessen Reinhold Stainer1, Heinz Gatscher2, wurde im Jahr 2003 in Zusammenarbeit zwischen dem Christian Partl3, Josef Dalla Via1,4 Land- und Forstwirtschaftlichen Versuchszentrum 1 L and- und Forstwirtschaftliches Versuchszentrum Laimburg, Laimburg (Südtirol, Italien), der Abteilung Landwirt- Laimburg 6, 39040 Auer (BZ), Italien schaftliches Versuchswesen, Boden- und Pflanzenschutz des Amtes der Tiroler Landesregierung (Österreich), 2 L andwirtschaftskammer Tirol, Brixner Straße 1, 6020 Innsbruck, sowie der Landwirtschaftskammer Tirol das gemein- Österreich same INTERREG III-A Projekt „GENE-SAVE“ ins Leben 3 mt der Tiroler Landesregierung, Landwirtschaftliches Ver- A gerufen. suchswesen, Boden- und Pflanzenschutz, Heiliggeiststraße 7-9, 6020 Innsbruck, Österreich Neben der Erfassung und Sicherung von lokalen Ge- treide- und Gemüsesorten, war eines der Ziele, die noch 4 bteilung Innovation, Forschung und Universität, Dienststelle A verbliebenen lokalen Apfelsorten in beiden Landesteilen Forschung und Universität, Landhaus 5, Raiffeisenstraße 5, zu dokumentieren, zu sammeln und zu beschreiben. 39100 Bozen, Italien Nachdem fast die Hälfte der erhobenen Apfelbäume sanja.baric@provinz.bz.it anhand morphologischer Fruchtmerkmale nicht auf Sortenniveau bestimmt werden konnte, wurde am Versuchszentrum Laimburg ein alternatives Instrument für die Apfelsortenbestimmung entwickelt, das auf der Südtirol beherbergt das größte zusammenhängende Genotypisierung des Erbguts an 14 variablen Mikro- Apfelanbaugebiet Europas und die Jahresproduktion satelliten-DNA-Loci beruht. Die Grundlage dafür war von rund einer Million Tonnen macht ca. 10% der euro- der Aufbau einer Datenbank mit abgesicherten mole- päischen Gesamtapfelproduktion aus. Der Apfelanbau kulargenetischen Profilen von eindeutig bestimmten hat in Südtirol eine lange Tradition und erlebte seit den Referenzsorten, die aus unterschiedlichen europäischen 1970er Jahren eine starke Intensivierung, mit der Kon- Apfelsortensammlungen bezogen worden sind. Die im sequenz, dass viele traditionelle Apfelsorten verdrängt Rahmen des INTERREG III-A Projektes „GENE-SAVE“ worden sind und 95% der aktuellen Apfelproduktion erstellte Datenbank mit rund 100 molekulargeneti- auf nur acht weltweit angebauten Sorten beruht. Im schen Profilen von Referenzsorten wurde im Zuge des Gegensatz zu Südtirol wurde der Apfelanbau im Bun- im EFRE-Programm finanzierten Nachfolgeprojektes desland Tirol nur gebietsweise intensiviert, sodass der „APFEL-FIT“ auf mehr als 500 abgesicherte molekular- Streuobstbau vielerorts noch das Landschaftsbild prägt. genetische Profile ausgeweitet. Zur Absicherung eines Nichtsdestotrotz gab es in der Vergangenheit auch im jeden genetischen Profils wurden für jede alte Sorte Bundesland Tirol Bestrebungen, das Sortenspektrum mindestens drei unabhängige Herkünfte von Apfelbäu- einzugrenzen und zu modernisieren. men aus unterschiedlichen Sortensammlungen analy- siert, während bei den neueren Sorten zwei unabhängige Mit dem Landesgesetz Nr. 1/2001, Artikel 8, wurde das Herkünfte herangezogen wurden. Bei der Auswahl von Land- und Forstwirtschaftliche Versuchszentrum Laim-
D eutsche O bstsortenvielfalt 17 Apfelsorten für die Referenzdatenbank wurde berück- Die im Rahmen des Projektes gewonnen molekularge- sichtigt, dass diese in der Vergangenheit in Südtirol und/ netischen Daten lieferten einen wichtigen Beitrag zur oder Tirol bzw. in Mitteleuropa angebaut worden sind, Erhaltung der lokalen genetischen Vielfalt des Apfels es wurden aber auch aktuelle Apfelsorten und Unterla- in Südtirol und im Bundesland Tirol. Die bereits in der gen in die Referenzdatenbank mit eingeschlossen. 1980er Jahren begründete Apfelsortensammlung am Land- und Forstwirtschaftlichen Versuchszentrum Von den im INTERREG III-A Projekt „GENE-SAVE“ Laimburg wurde eingehend charakterisiert, um Fehl- erfassten Apfelbäumen wurden insgesamt 401 einer Ge- bestimmungen richtig zu stellen und Redundanzen zu notypisierung unterzogen, wovon 131 aus Südtirol und vermeiden. Zudem konnte die Sammlung durch die 270 aus dem Bundesland Tirol stammten. Die in Südtirol Aufnahme neuer Genotypen erweitert werden, um die untersuchten Apfelbäume konnten 74 verschiedenen größtmögliche genetische Variabilität zu erhalten. Im Genotypen zugeordnet werden, während in Tirol 158 Rahmen des EFRE-Projektes „APFEL-FIT“ wurde eine verschiedene Genotypen nachgewiesen worden sind. Auswahl von Apfelsorten aus der Sortensammlung auf Nur 32 Genotypen waren sowohl in Südtirol als auch im den Gehalt gesundheitsrelevanter Inhaltsstoffe, wie Zu- Bundesland Tirol verbreitet, was auf lokale Unterschie- cker, Fruchtsäuren, Polyphenole, Vitamine, Mineralstof- de bei der Verbreitung von Apfelsorten hindeutet. Die fe, aber auch Aromaspektren, untersucht. Somit können Genotypisierungsergebnisse zeigten, dass die Apfelsor- Apfelsorten identifiziert werden, die aufgrund ihrer tenvielfalt, gemessen an der Anzahl der unterschiedli- Inhaltsstoffe für eine Nischenproduktion, die Herstel- chen Genotypen, im Bundesland Tirol doppelt so groß lung spezialisierter Qualitätsprodukte oder für zukünf- war, als in Südtirol. Somit scheint sich der Streuobstbau tige Züchtungsprogramme von Interesse sein könnten. in Tirol günstiger auf die Erhaltung der genetischen Im Bundesland Tirol konnte bei der Erstellung neuer Vielfalt des Apfels ausgewirkt haben, als der intensive Sortengärten an der Landwirtschaftlichen Lehranstalt Apfelanbau in Südtirol. Imst und der Landwirtschaftlichen Lehranstalt Rotholz auf eindeutig identifizierte Apfelsorten zurückgegriffen Die genotypisierten Apfelsorten aus dem Projektunter- werden. An der letztgenannten Lehranstalt werden sogar suchungsgebiet konnten aber nicht nur untereinander, ausgewählte Apfelsorten in der schuleigenen Baum- sondern auch mit den Einträgen in der Referenzdaten- schule vermehrt. Durch den Verband der Tiroler Obst- bank verglichen werden. Dadurch war es möglich, die und Gartenbauvereine werden Baumpflanzaktionen pomologische Apfelsortenbestimmung zu überprüfen und Baumwärterkurse organisiert und dadurch die in und Apfelbäume ohne Sortennamen gegebenenfalls zu situ Erhaltung der alten und lokalen Apfelsorten geför- bestimmen. Tatsächlich konnten durch den Vergleich dert. Die Anwendungsmöglichkeiten der Datenbank mit mit den molekulargenetischen Profilen von Referenz- den molekulargenetischen Profilen von Referenzsorten sorten 79% der in Südtirol und 75% der im Bundesland sind nicht nur auf die Erhaltung der genetischen Vielfalt Tirol genotypisierten Apfelbäume bestimmt werden des Apfels beschränkt, sondern liegen auch bei der Be- (Abbildung 1). Die pomologische Bestimmung von 3,8% stimmung der Sortenechtheit im Vermehrungsprozess (Südtirol) bzw. 7,4% (Bundesland Tirol) der Apfelbäume oder in der Handelskette. konnte nicht überprüft werden, da es sich dabei um lo- kale Sorten(namen) handelte, von denen keine Referenz- sorte für die Datenbank aufgefunden werden konnte. 17% bis 18% der genotypisierten Apfelbäume konnten letzten Endes nicht bestimmt werden: davon waren ca. zwei Drittel zuvor pomologisch unbestimmt und bei ca. einem Drittel wurde die ursprüngliche pomologische Bestimmung durch den Vergleich mit den molekularge- netischen Profilen von Referenzsorten ausgeschlossen (Abbildung 1). Eingehende Analysen der molekulargene- tischen Daten lieferten allerdings weitere Erkenntnisse über die unbestimmten Genotypen. So konnten mit Hil- fe der Referenzdatenbank einige Elternpaare ermittelt Pomologische Bestimmung molekulargenetisch bestätigt werden, von denen einzelne unbestimmte Genotypen Pomologisch unbestimmte Sorte molekulargenetisch bestimmt Pomologische Bestimmung durch molekulargenetische richtig gestellt abstammten. Weiters konnte geklärt werden, in welche Nur pomologische Bestimmung, da keine Referenzsorte vorhanden Pomologische Bestimmung durch molekulargenetische widerlegt Verwandtschaftsgruppen die unbekannten Genotypen Weder pomologisch noch molekulargenetisch bestimmbar zuzuordnen sind. Legende Abbildung 1: Gegenüberstellung der pomologischen und der 1 molekulargenetischen Sortenbestimmung der genotypisierten Apfel-Her- künfte aus Südtirol (Italien) und dem Bundsland Tirol (Österreich)
18 D eutsche O bstsortenvielfalt Erfolgreiche Aktivitäten für Streuobstbau und Obstsortenvielfalt in Deutschland Beate Kitzmann Ein Blick in ausgewählte Bundesländer zeigt den sehr differenzierten Umgang mit hochstämmigen Obstbäu- NABU BFA Streuobst men und auch hier typische Entwicklungen der Ver- marktung. Was ist Streuobst! Zum Beispiel: Der Einstieg in die Tagung sollte einen Abgleich der Brandenburg: Begrifflichkeiten und Definitionen im Bereich des Streuobstes sein. Deshalb sei am Anfang kurz der Begriff • Stiftung Naturschutzfonds Brandenburg förderte ein definiert. Projekt zur Entwicklung eines Streuobstkatasters in BB (Übersicht vorhandener Streuobstbestände, Emp- Begriff Leitet sich von „Obstbäumen in fehlung von Sorten für standortangepasste Pflanzun- Streulage“ her (1941), hat nichts gen usw.) Mitte 9/08 der Öffentlichkeit präsentiert mit „Einstreu“ (Streuwiesen) zu • Auswertung der über KULAP (AUM) geförderten tun SO-Wiesen = 297 ha mit 20.435 Bäumen, davon 9.884 Definition „Hochstamm-Obstbau ohne unter 15 Jahre!!! Einsatz synthetische Behand- • Verwendung: 82 % Eigenbedarf, 42 % Obstverkauf, lungsmittel“ (Brockhaus 2004) 20 % als Tierfutter, 43% der Betriebe lassen Obst teil- Charakteristisch Mischung von Obstarten, weise am Baum (Mehrfachnennungen!) Obstsorten und Alter der Bäu- me {Polykultur im Gegensatz • es entwickeln sich viele mobile Saftpressen zur Monokultur von Nie- • Döllingen und Regionalpark Müggelspree pflanzten derstamm-Anlagen Plantagen)} je über 2.500 Streuobstbäume Bestandsformen auch Einzelbäume, Streuobstä- • Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Bran- cker, Alleen... denburg - 2008 wurden 57 alte Obstsorten und 318 Verbreitung 1951 1,5 Mio. ha Hochstämme angepflanzt Rückgang seit 1951 70 – 75 % Mecklenburg-Vorpommern: Verbreitung 2001 300.000 – 500.000 ha Tier- und nach vielen Untersuchungen • um 1900 gab es in Mecklenburg knapp 1,9 Mio. Obst- Pflanzenarten wurden über 5.000 Arten in die- bäume (davon 40 % Kernobst und 60 % Steinobst) sem Lebensraum nachgewiesen • das entsprach etwa 1 % des Obstbaumbestandes in D (ohne Epyphyten) • seit etwa 1932 gab es Sortenbeschränkungen für Obstsorten • mindestens 3.000 Sorten, davon Baumschulen • mindestens 1.400 Apfelsorten • mindestens 1.000 Birnensorten • Kriege und extreme Frostwinter verursachten große Schäden Die naturnah bewirtschafteten Streuobstbestände werden als BIODIVERSITÄTS-Zentren in Mitteleuro- • von 1952 bis 1957 wurden 1.200 ha Obst angepflanzt pa bezeichnet. • Nach 1990 reduzierte sich die Obstbaufläche von 6.300 ha auf 2.100 ha
D eutsche O bstsortenvielfalt 19 • Streuobstkartierung bis 1995 ergab 611 ha mit über stützt, steht der Streuobstpreis 2015 unter dem Motto 135.000 Bäumen „Baumpflege – Aktiv für unsere Streuobstwiesen“. Bewerben können sich Gruppen von Bürgerinnen und • 102 alte Apfelsorten und 44 alte Birnensorten Bürgern, Vereine, Verbände, Mostereien, Gemeinden, • Seit 2000 wurden in Greifswald, Biosphäre Süd- Streuobstinitiativen, Schulen und Kindergärten bis zum ost-Rügen und Gut Klepelshagen SO-Pflanzungen 30. September. durchgeführt und finanziell unterstützt Streuobstwiesen prägen das Landschaftsbild Ba- Baden-Württemberg den-Württembergs. Sie stehen gleichzeitig für eine einzigartige biologische Vielfalt und sind Rückzugsort • letzte Stichprobenerhebung ergab 150.000 bis für viele Tierarten. Durch eine lange Bewirtschaf- 200.000 ha SO-Wiesen tungstradition und viele wohlschmeckende, regionale • jährliche Mostprämierungen Streuobst-Produkte sind sie ein wertvolles Natur- und Kulturgut und prägend für den Tourismus im Land. • Hochburg von Streuobstverarbeitung – 144 Kelterei- Viele Streuobstwiesen sind heute jedoch akut bedroht. en mit einem Umsatz von 500 Mio. Euro Einen unverzichtbaren Anteil für den Schutz und die • 4 Aufpeisvermarkter-Initiativen und eine Kel- Pflege der Streuobstwiesen leisten engagierte Stück- terei gründen die „Bio-Bande“ und bringen eine lesbesitzerinnen und –besitzer, Gruppen, Vereine und Bio-Streuobstschorle auf den Markt, Stiftung Natur- Kommunen. Sie pflegen die Bäume, entwickeln neue schutz BW fördert mit 25.000 € Ideen zur Inwertsetzung der Flächen und setzen in- • 15 Jahre Reutlinger Apfelsaft – NABU, BUND und novative Projekte zum Erhalt dieser schönen Kultur- LNV – Aufpreisvermarktung – vielfältige Produkte, landschaft um. Der neu geschaffene, in der Streuobst- biozertifiziert und erfolgreich konzeption des Landes angekündigte Streuobstpreis Baden-Württemberg soll Wertschätzung für Bürgerin- nen und Bürger zum Ausdruck bringen, die aktiv zum Streuobstpreis Schutz der Streuobstwiesen beitragen. Baden-Württemberg 2015 Die Landesregierung vergibt von nun an alle zwei Jahre Deutschland ist Weltmeister im den Streuobstpreis Baden-Württemberg an Menschen, Fruchtsafttrinken die herausragende Projekte rund um Streuobst umset- zen und vorbildliches bürgerschaftliches Engagement Die nunmehr seit Jahren gemeinsam mit dem Verband zeigen. Passend zur neuen Fördermaßnahme Baum- der deutschen Fruchtsaftindustrie durchgeführte Ernte- schnitt Streuobst aus der baden-württembergischen schätzung für den Streuobstbau führte im Jahr 2015 zu Streuobstkonzeption, mit der das Land den fachgerech- folgender Pressemitteilung: ten Schnitt von Kern- und Steinobstbäumen unter-
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