Take Off! - Kultur-Etage Messestadt

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Take Off! - Kultur-Etage Messestadt
Take Off!
                   Nummer 75 | April – Juni 2020

                                                   Das Messestadt-Magazin

                                                       Öko-Vorbild
                                                       Messestadt?

                                                               SELBSTTEST:
                                                             Lebt die Großfamilie
                                                         wirklich umweltfreundlicher
                                                                als der Single?
                                                            GLAUBENSSACHE:
                                                         Wie wichtig ist Umweltschutz
Schutzgebühr 2 €

                                                                für Muslime?
                                                              CORONAVIRUS:
                                                         Wie erlebt ein Messestädter
                                                          das Zwangs-Homeoffice?
Take Off! - Kultur-Etage Messestadt
„ Jetzt hab’ ich sogar
  gefunden, was ich gar
  nicht gesucht habe“

              hat Bernadette gesagt.

                        H I ER
                              FR AU
                    FINDET S DAS
                          WA
                   ALLES, GEHRT!
                             E
                   H ER Z B         –
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                            0 Shop
                     Über 14 dliche
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Take Off! - Kultur-Etage Messestadt
INHALT                                                                                                       EDITORIAL

                                                              Überblick
                                                              Als ob man unter Verdacht steht                          4
                                                              Viel Hilfe in der Not – aber kein Kontakt                4     Liebe Messestadt,
                                                              Immer noch zu viel Silvestermüll im Park                 5
                                                              Hard Drive in der Messestadt                             6
                                                                                                                             erwähnte ich bereits, dass
                                                              Unterschriftenaktion zur Hochhausdiskussion              6     ich aufs Land gezogen
                                                              Überzählige Fahrräder gesucht                            6     bin? Ach ja, ein- oder
                                                                                                                             zweimal vielleicht. Aber
                                                              Schwerpunkt
                                                                                                                             erwähnte ich auch, dass es
                                                              Fit für den Klimawandel?                                 7
                                                              Einige Plätze werden aufgewertet                        11
                                                                                                                             in einem Dorf entgegen
                                                              Lust und Frust des Ehrenamts                            12     der „land“läufigen
                                                              Egobilanz                                               13     Meinung ziemlich
                                                              Gegenwind für den Klimawandel                           16     schwerfällt, im Alltag die
                                                              Holzzahnbürsten und Fahrrad-Urlaub                      17     Umwelt zu schützen? Die
                                                              Grünes Vorzeigeviertel?                                 18     Durchschnittsfamilie
                                                              Zwölfmal um die Erde für eine kühles Bad                19     braucht zwei Autos, hat einen mehrere hundert
                                                              Honig selbst imkern                                     20     Quadratmeter großen Gartenbedarf und kauft größten-
                                                              Faszination Wildbienen                                  21     teils plastikfreundlich im Supermarkt, weil sich
                                                              Holz, Solarstrom, Kleinere Grundrisse                   22
                                                                                                                             nachhaltige Regio-Bio-Läden für ein paar hundert
                                                              Messe und Nachhaltigkeit                                24
                                                              Der Grüne Gockel zeigt ...                              26
                                                                                                                             Einwohner meist nicht rechnen.
                                                              Gretas Wort in Gottes Ohr                               27     Vermutlich erwähnte ich ebenfalls bereits des Öfteren,
                                                              Vorreiter beim Thema Ökologie                           29     dass die Messestadt viel zu oft unterschätzt wird. Das
                                                              Gefährdetes Paradies vor unserer Haustür                31     gilt, wie dieses Heft zeigt, auch in ökologischer Hinsicht.
                                                              Senf                                                           Der Park erspart den großen Garten, die U-Bahn ein
                                                              Mit dem Flugtaxi auf die Öko-IAA                        32     Auto, und auf dem Bauernmarkt packen viele Kunden ihr
                                                                                                                             Obst und Gemüse in den mitgebrachten Jutebeutel.
                                                              Kultur
                                                                                                                             Darüber hinaus wuchern geradezu die kleinen und
                                                              Programm der Kultur-Etage von April bis Juni 2020       33
                                                                                                                             großen Initiativen für weniger Müll, mehr erneuerbare
                                                              Messe München informiert                                       Energien und ein besseres Klima-Gewissen.
                                                              Lebensfreude, Emotionen, Inspiration, Freiheit, Outdoor 38
                                                                                                                             Selten war die Take Off! so umfangreich wie dieses Mal,
                                                              Stadtteil voller Leben                                         selten haben so viele externe Autoren Artikel beigesteu-
                                                              Neue Hoffnung in der Mutter-Theresa-Straße              39     ert. Deshalb finden sich in diesem Heft unfassbar viele
                                                              Ein Wohnzimmer für den Osten                            40
                                                                                                                             Ideen für ein nachhaltigeres, umweltfreundlicheres
                                                              Im Hightechlab einfach erleben und testen               41
                                                                                                                             Leben. Ideen, die sich natürlich nicht nur in der (Messe-)
                                                              „Respekt hat viele Gesichter“ sucht Mitstreiter         41
                                                                                                                             Stadt, sondern auch auf dem Land umsetzen lassen.
                                                              Gesundheit / Sport                                             Und für die sich vielleicht gerade jetzt, während das
                                                              Gesundheitsladen München neu in der Messestadt          42     öffentliche Leben virusinfiziert flachliegt, viel Zeit und
                                                              Internationaler Lauftreff für jung und alt              42     Gelegenheit bietet.
                                                              Schule                                                         Viel Spaß beim Lesen!
                                                                                                                                                                           Hans Häuser
Titelfotos: Daniel Bröhl, LMU / Editorial: Marion Steinhart

                                                              Baufortschritt nach Plan, gymnasiale Vorläuferklassen   43

                                                              Kids
                                                              Kita „Zaubersterne“ macht Klimaschutz                   44
                                                                                                                           Impressum                                                 55
                                                              Wer sich bewegt, friert nicht!                          45
                                                              Jetzt erst Recht auf Spiel                              46   Anzeigen
                                                                                                                           Riem Arcaden                                               2
                                                              Gott und die Welt
                                                                                                                           Kieferorthopädie Dr. Gremminger                           23
                                                              Wie das Osterei zum Osterfest kam ...                   47
                                                                                                                           Kinderzahnarztpraxis                                      25
                                                              Nachhaltigkeit in den Religionen                        48
                                                                                                                           Messe München                                             38
                                                              Fest der Religionen und Menschrechte                    48
                                                                                                                           Kultur-Etage                                              56
                                                              Taufe im großen Becken                                  49
                                                              Mit der Pfarrjugend an den Chiemsee                     49
                                                                                                                            Die nächste Take Off! erscheint Anfang Juli 2020.
                                                              Kalender                                                50    Redaktionsschluss ist am 15. Mai 2020.
                                                              Wichtige Rufnummern                                     54

                                                              Take Off! Nr. 75 – April bis Juni 2020                                                                                       3
ÜBERBLICK

ALS OB MAN UNTER VERDACHT STEHT
Unser Autor war während der Corona-Krise in Italien

                                                                                                                                          Foto: privat
Als wir uns zu Beginn der Faschings-        wurden. Diese aber waren mehrere
ferien auf den Weg in die italienischen     hundert Kilometer von unserem Auf-
Alpen machten, war die Welt noch in         enthaltsort entfernt. Gefühlt war die
Ordnung. Das heißt, zumindest aus           Epidemie also noch weit weg. Dann
deutscher Sicht gab es zwar ein paar        erreichte uns gegen Ende unseres Auf-
bestätigte Fälle des Corona-Virus, diese    enthalts die nächste alarmierende
waren aber alle in Quarantäne und es        Meldung: in ganz Norditalien müssen
gab keine weiteren Einschränkungen          die Schulen und Universitäten vorerst
im täglichen Leben.                         schließen. Langsam fragten wir uns, ob
Gleich am ersten Tag in Italien erfuh-      eine Rückreise nach Deutschland noch
ren wir, dass mehrere Dörfer zwischen       möglich sein würde oder ob wir viel-       Martin Rauch hat zwei Wochen im Zwangs-
Mailand und Venedig komplett isoliert       leicht sogar an der Grenze zur Schweiz     Homeoffice verbracht

Viel Hilfe in der Not – aber kein Kontakt
Eine Messestädterin sucht nach einem Unfall ihre Retter

Es passiert Anfang Dezember. 16 Uhr         Sie wollen den Vorfall mit ihren Han-      tet – und würde sich sehr freuen, wenn
30, Iris Aberger ist gerade auf dem         dys filmen. Iris Abergers Mann und der     sie oder der Mann oder der Junge sich
Heimweg von der Arbeit. Sie steigt an       Sohn vertreiben sie.                       angesprochen fühlen und sich bei der
der Haltestelle Messestadt-Ost aus der      Der Sanka kommt und bringt Iris Aber-      Redaktion melden. Emailadresse: take-
U-Bahn, kommt rauf zur Selma-La-            ger ins Krankenhaus. Dort die Erleich-     offmessestadt@icloud.com. Wir leiten
gerlöf-Straße, geht an einem Bauzaun        terung: Nichts gebrochen, nur ein paar     dann weiter.              Hans Häuser
vorbei, bleibt in einer Kiesritze hängen,   heftige Prellungen. Noch am selben

                                                                                                                                          Foto: Florian Aberger
stolpert, stürzt.                           Abend kann die 50-Jährige, die selbst
Sie weint, versucht sich aufzurappeln,      als Krankenschwester arbeitet, wieder
schon kommen zwei Passanten her-            nach Hause. Da erst fällt ihr auf, dass
beigelaufen. „Brauchen Sie Hilfe? Blei-     sie ihren Helfern noch einmal ausführ-
ben Sie liegen, wir rufen einen Kran-       lich danken möchte. Aber sie hat keinen
kenwagen.“ Sie telefonieren mit dem         Kontakt. „Es war super, wie viele stehen
Rettungsdienst, dann reichen sie das        geblieben sind. Das ist heute nicht mehr
Handy der Verletzten, damit die ihre        selbstverständlich, und es zeigt wieder
Familie verständigen kann. Ihr Mann         einmal, dass die Messestadt viel besser
und ihr Sohn eilen aus der nahen Woh-       ist als ihr Ruf!“
nung herbei. Weitere Passanten bieten       Iris Aberger schreibt einen Post in die
Hilfe an. Ein Junge, Fünftklässler viel-    Facebook-Gruppe „Messestadt Mün-
leicht, beugt sich zu Iris Aberger hin-     chen“, aber bis jetzt hat sich niemand
unter, versucht sie zu beruhigen: „Sie      gemeldet. Deshalb dieser Versuch über
müssen langsamer atmen. Glauben Sie         die Take Off! Sie weiß nur, dass eine
mir. Ich bin Schulsanitäter.“               der Helferinnen vermutlich als Medi-
Nur drei Jugendliche sorgen für Ärger:      zinisch-Technische Assistentin arbei-      In dieser Lücke ist Iris Aberger gestolpert

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ÜBERBLICK

                                         abgewiesen würden. Dies war aber kein     Nun bin ich seit einer Woche zuhause     gefragt, ob ich überhaupt das Haus ver-
                                         Problem. Allerdings erreichten uns nach   „isoliert“, und es fühlt sich wirklich   lassen dürfe. Daran spürt man die ge-
                                         der Rückkehr zuerst die besorgten Fra-    etwas seltsam an. Man kann zwar un-      nerelle Verunsicherung. Aber auch ich
                                         gen der Nachbarn nach unserem Aufent-     gestörter arbeiten, da ich aber in ei-   habe mich gefragt, ob ich es verantwor-
                                         haltsort und ob wir nun in Quarantäne     nem Großraumbüro gearbeitet habe,        ten kann, beispielsweise zum Sport oder
                                         seien. Und am Sonntag vor Wiederbe-       hatte ich indirekt über Telefonate und   in die Riem-Arkaden zum Einkaufen zu
                                         ginn der Schule kamen auch über den       Gespräche von Kollegen sehr viel mit-    gehen, oder ob ich mich nicht komplett
                                         Klassen-Chat entsprechende Nachfra-       bekommen. Da auch die Gespräche          in Selbst-Quarantäne versetzen soll.
                                         gen. Da wir uns aber nicht in einem       am Kaffeeautomaten fehlen, habe ich      Nachdem nun auch Südtirol zum Ri-
                                         Risikogebiet laut Robert-Koch-Institut    das Gefühl, nicht mehr richtig dazu zu   sikogebiet erklärt wurde, bin ich nicht
                                         aufgehalten und keine Symptome hat-       gehören. Ich erfahre nur noch das, was   mehr der einzige Mitarbeiter unserer
                                         ten, mussten unsere Kinder regulär in     per E-Mail kommuniziert wird.            Firma, der zum Arbeiten von zuhause
                                         die Schule und wir in die Arbeit ge-      Dazu kommt: obwohl wir alle keinerlei    verpflichtet wurde. Aber das ist nur ein
                                         hen. Ich bin Softwareentwickler und       Symptome haben, in keinem Risikoge-      schwacher Trost. Vor dieser Episode
                                         informierte sofort meinen Chef über       biet waren und uns auch sonst entspre-   war ein einzelner Tag Homeoffice im-
                                         den Italien-Aufenthalt. Dieser schickte   chend der offiziellen Empfehlungen       mer eine nette Sache. Langsam freue ich
                                         mich nach Rücksprache mit der Perso-      verhalten haben, fühle ich trotzdem      mich tatsächlich wieder auf das Büro.
                                         nalabteilung sicherheitshalber für zwei   eine Art Stigma, so als ob man unter
                                         Wochen ins Homeoffice.                    Verdacht steht. Ich wurde auch schon                              Martin Rauch

                                         Immer noch zu viel Silvestermüll im Park
                                          Weniger Böllerei, oder besseres Aufräumen danach?

                                                                                   Die gute Nachricht: Es wird weniger.     Anlass für einen Hoffnungsschimmer.
Fotos: Theresa Höpfl, Marion Steinhart

                                                                                   Weniger Müll, der von den Böllerbe-      Entweder nehmen die Schützen ihre
                                                                                   geisterten am 1.   Januar übrigbleibt.   Hinterlassenschaften anschließend be-
                                                                                   Weniger bedeutet aber immer noch: 55     reitwilliger mit nach Hause, oder der
                                                                                   Tonnen in München. Immerhin waren        gesellschaftliche Wandel, Silvester auch
                                                                                   es im Vorjahr 70 Tonnen, die von der     ohne teure und umweltschädigende
                                                                                   Straßenreinigung nach dem Jahres-        Böllerei zu feiern, macht sich so lang-
                                                                                   wechsel beseitigt werden mussten.        sam bemerkbar.
                                                                                   Die schlechte Nachricht: Ein „beson-                           Marion Steinhart
                                                                                   ders hohes Müllauf-
                                                                                   kommen“ bescheinig-
                                                                                   te das Baureferat als
                                                                                   zuständige Behörde
                                                                                   dem Riemer Park.
                                                                                   Zum Teil in Hand-
                                                                                   arbeit mussten die
                                                                                   Stadtgärtner      und
                                                                                   -gärtnerinnen      die
                                                                                   Wiesen- und Beet-
                                                                                   flächen säubern und
                                                                                   zwischen den Ge-
                                                                                   hölzen räumen. Die
                                         Ein großes Ärgernis sind die wilden       sinkende Menge an
                                         Müllhalden nach Silvester                 Müll gibt trotzdem

                                         Take Off! Nr. 75 – April bis Juni 2020                                                                                   5
ÜBERBLICK
Foto: RODEO2020

                                                                                       UNTERSCHRIFTENAKTION
                                                                                       ZUR HOCHHAUSDISKUSSION
                                                                                       Mehrere Messestädter haben einen Fragenkatalog an die
                                                                                       Stadtspitze vorbereitet. Sie sehen das Projekt skeptisch und
                                                                                       möchten unter anderem wissen, ob in den angedachten
                                                                                       Hochhäusern an der Willy-Brandt-Allee hochwertiges Woh-
                                                                                       nen möglich ist, und ob die Infrastruktureinrichtungen im
                                                                                       Viertel auf eine deutlich steigende Einwohnerzahl ausgelegt
                                                                                       wären. Interessierte Messestädter können die Aktion mit ih-
                                                                                       rer Unterschrift unterstützen.
                  Unfall? Nein – Theater. Und zwar mitten auf dem Willy-Brandt-Platz

                                                                                         Kontakt:

                  HARD DRIVE IN                                                          Ralf Burkert, Heinrich-Böll-Str. 72
                                                                                         Tel. 089 189 994 67
                                                                                         E-Mail: ralf.burkert@gmx.de

                  DER MESSESTADT                                                         Matthias S. Greska, Selma-Lagerlöf-
                                                                                         Str. 18, Tel. 089 673 713 30,
                                                                                         E-Mail: contact@matthias-greska.de
                  Ein Auto ist in ein Klohäuschen gekracht – und das direkt auf          Carmen Rudolph, Heinrich-Böll-Str.
                  dem Willy-Brandt-Platz. Was auf den ersten Blick aussieht              64, Tel. 089 370 671 25,
                  wie ein Unfall, ist eine Theaterinstallation. „Hard Drive“             E-Mail: carmen.rudolph@gmx.de
                  lautet der Titel des Stücks, das formal und inhaltlich so ganz
                  anders daherkommt als es den Sehgewohnheiten entspricht.
                  Das Auto ist gleichzeitig Bühne, animierter Darsteller und
                  Zuschauerraum. „Hard Drive“ ist der erste Teil der zweijäh-
                  rigen Projektreihe „CRASH“, die im Fonds Doppelpass der
                  Kulturstiftung des Bundes gefördert wird. Mit CRASH arbei-                                     ÜBERZÄHLIGE
                  tet die Stuttgarter Theatergruppe O-Team in Zusammenar-
                  beit mit dem Theater Aalen und dem HochX München an der                                        FAHRRÄDER GESUCHT
                  Entwicklung eines performativen Objekttheaters. Vier Ein-
                  zelprojekte gehen von technischen Objekten aus. Zum Auf-                                       Wenn Sie ein gut
                  takt der Reihe untersucht O-Team in München den Unfall als                                     erhaltenes Fahr-
                  das Verdrängte von Technik und Fortschritt.                                                    rad haben, das
                  Vom 21. bis zum 23. Mai 2020 gastiert das O-Team mit seiner                                    Sie nicht mehr brauchen, spenden Sie
                  Produktion in der Messestadt. „Hard Drive“ ist im Rahmen                                       es bitte an den Allgemeinen Deutschen
                  von Rodeo, dem Tanz- und Theaterfestival der Landeshaupt-                                      Fahrradclub München (www.adfc-mu-
                  stadt München, jeweils ab 16 Uhr auf dem Willy-Brandt-Platz                                    enchen.de). Der Arbeitskreis Asyl des
                  zu erleben.                                                                                    Vereins repariert ehrenamtlich gespen-
                  Wer im Auto dabei sein will, kann sich unter www.rodeo-                                        dete Fahrräder und verkauft sie zum
                  muenchen.de für ein Zeitfenster anmelden. Wer Interesse an                                     Selbstkostenpreis an Geflüchtete in
                  dem Projekt hat und mehr über die digitale Zukunft erfahren                                    mehreren Gemeinschaftsunterkünften
                  möchte, kann am 21. Mai 2020 um 18 Uhr zur „Rodeo2020                                          im Münchner Osten.
                  Talkshow: Über Digitalisierung“ auf den Willy-Brandt-Platz
                  kommen. Mit dabei sind Antonia Beermann für das O-                                                Kontakt:
                  Team und Dirk von Gehlen von der Süddeutschen Zeitung.
                  Weitere Informationen unter www. rodeomuenchen.de                                                 Helmut Schweiger, Tel. 089 4302775
                                                                                                                    Christian Hopfmüller, Tel. 089 43777961
                                                                                                                    E-Mail: fahrradspende.adfc@gmx.de
                                                                        Simone Egger

                  6                                                                                                            Take Off! Nr. 75 – April bis Juni 2020
SCHWERPUNKT

               FIT FÜR DEN KLIMAWANDEL?
               Im Sommer 2019 haben sich Soziologiestudentinnen der Ludwig-Maximilians-Universität mit
               Messestädter*innen auf einen Kaffee zusammengesetzt und über das Klima in der Messestadt
               geredet: Wo ist es (zu) heiß, wo lässt es sich gut leben? Die Interviews werden nun für das
               Forschungsprojekt von LMU und TU „Grüne Stadt der Zukunft. Klimaresiliente Quartiere in einer
               wachsenden Stadt" ausgewertet. Auch unsere Autorin Theresa Höpfl hat teilgenommen, Plätze,
               Straßen und Orte im Park bewertet und mit Linien auf einer Messestadt-Karte dargestellt, wo sie
               sich meist im Viertel bewegt und wo lieber nicht.
               Nun hat sie interessiert: Was können die Expert*innen schon dazu sagen, wie fit die Messestadt
               für den Klimawandel ist? Ein telefonisches Interview mit Amelie Bauer, wissenschaftlicher Mitarbei-
               terin am Institut für Soziologie der LMU, und Sabrina Erlwein, wissenschaftlicher Mitarbeiterin am
               Lehrstuhl für Strategie und Management in der Landschaftsentwicklung der TU.

               Take Off!: Wie schätzt ihr die bisherige Klimaresilienz der
                                                                                    Was bedeutet Klimaresilienz?
               Messestadt ein?
               Amelie Bauer: Grundsätzlich wurde die Messestadt ja mit              Das ist die Widerstandsfähigkeit zum Beispiel einer Stadt gegen
               einem hohen ökologischen Anspruch gebaut. Es gibt Fern-              den Klimawandel. Zum einen sollte eine Stadt versuchen, selbst so
               wärme, viel ist verkehrsreduziert. Es gibt die „Grünfinger“          wenig CO2 wie möglich auszustoßen. Zum anderen muss sie im Blick
                                                                                    haben, welche Folgen des Klimawandels zu erwarten sind und sich
               im Viertel, und viele Dächer sind begrünt. Das ist ein guter
                                                                                    darauf vorbereiten. Es geht also um Vermeidung und Anpassung.
               Schutz bei Starkregen. Zusammen mit dem Park nehmen sie
               viel Wasser auf, und das verdunstende Wasser kühlt dann              Klima ist etwas anderes als städtisches Mikroklima
               wieder bei Hitze. Der Park ist eine Kaltluftschneise, bis nach       Wenn wir vom Klimawandel sprechen, geht es um das globale Klima.
               München hinein. Wir forschen auch noch im Bahnhofsvier-              Das Mikroklima in Städten kann sich aber sehr stark unterscheiden.
               tel. Im Vergleich dazu ist die Messestadt ein richtiges Positiv-     Wenn es am Münchner Marienplatz (kein Grün, wenig Schatten!)
               Beispiel.                                                            sehr heiß ist, kann es zur gleichen Zeit an der Isar ein paar Grad
                                                                                    kühler sein.
Foto: privat

                                                                                  Wo wird es heiß werden?
                                                                                  A.B.: Auf versiegelten Flächen wie dem Messegelände auf je-
                                                                                  den Fall. Fast einstimmig wurde in den Interviews schon jetzt
                                                                                  der Willy-Brandt-Platz als zu heiß genannt, wenn die Sonne
                                                                                  dort hinknallt. Auch das Seeufer wurde oft genannt, weil es
                                                                                  dort zu wenig Bäume gibt.
                                                                                  Sabrina Erlwein: Wenn ich mich in meiner Freizeit dort am
                                                                                  See aufhalte, ist es immer gut die Wahl zu haben, wo ich mich
                                                                                  aufhalten möchte: Schatten und Sonne – je nach Wohlbefin-
                                                                                  den. Das ist aber noch nicht gut möglich, wenn es sehr voll ist.

                                                                                  Welche Orte wurden denn eher positiv bewertet?
                                                                                  A.B.: Viele Orte im Park. Natürlich der See zur Abkühlung.
                                                                                  Den lieben alle! Manchmal wurde auch explizit die südliche,
                                                                                  ruhigere Seeseite genannt. Aber auch der Rodelhügel. Und
               Amelie Bauer                                                                                      weiter auf der nächsten Seite

               Take Off! Nr. 75 – April bis Juni 2020                                                                                                    7
SCHWERPUNKT

die Promenade zum Spazierengehen und Radeln – durch die                  Was genau wollt ihr mit dem Forschungsprojekt eigentlich
höheren Bäume ist es dort angenehm kühl. Private Grünflä-                herausfinden?
chen wurden auch oft genannt, also zum Beispiel begrünte                 A.B.: Wir gehen davon aus, dass der Klimawandel im Gange
Innenhöfe, Laubengänge von Genossenschaften, Gärten und                  ist und uns noch schärfer treffen wird. Und dass noch mehr
Balkone. Und von manchen auch die klimatisierten Riem-                   Menschen nach München zuziehen. Deshalb wollen wir he-
Arcaden.                                                                 rausfinden, wie man mehr Grün schaffen kann, und wie es
                                                                         besser für die Bevölkerung nutzbar wird – gerade wenn es
Welche Folgen hat der Klimawandel denn für eine Groß-                    eine Flächenkonkurrenz zwischen „mehr Grün“ und „mehr
stadt?                                                                   Wohnungen“ gibt.
S.E.: Es wird häufiger Starkregen und extreme Hitze geben.
Dann muss die Stadt mehr Grünflächen schaffen, auf denen                 Was hat die Soziologie damit zu tun?
der Regen versickern kann. Generell sind die Auswirkungen                A.B.: Wir fragen nach dem sozialen oder gesellschaftlichen
des Klimawandels in Großstädten stärker als im Umland,                   Teil: Wie nutzen die Menschen tatsächlich die Grünflächen,
weil es mehr versiegelte Flächen gibt. Auch Hitze staut sich             und wie bewerten sie sie? Sind sie da überhaupt gerne, und
in der Stadt mehr. Auf dem Land kühlt es nachts besser ab.               was machen sie da? Was fehlt ihnen?

Wo ist es Ihnen zu heiß? Wo halten Sie sich gerne auf im Sommer in der Messestadt? Zeichnen Sie Linien in die Karte ein, wo Ihre häufigsten und
liebsten Wege verlaufen – zur Arbeit, zum Spazierengehen, in der Freizeit oder zum Einkaufen. Außerdem können Sie rot Orte markieren, die
Ihnen im Sommer zu heiß sind, und blau die Orte, an denen Sie sich gerne aufhalten, weil es angenehmer ist. Das Ergebnis können Sie uns gerne
abfotografieren oder einscannen und per E-Mail an takeoffmessestadt@icloud.com schicken.

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SCHWERPUNKT
Foto: TU München

                                                                                         DIE MESSESTADT
                                                                                         ALS REALLABOR
                                                                                    Als Teil des wissenschaftlichen Projekts „Grüne Stadt
                                                                                    der Zukunft – klimaresiliente Quartiere in einer wach-
                                                                                    senden Stadt“ haben sich mehrere Viertelbewohner zu
                                                                                    ersten Initiativen zusammengeschlossen.
                                                                                    In einem Workshop erarbeiteten zwölf Teilnehmer zu-
                                                                                    nächst ihre Zukunftsvisionen. Hier die wichtigsten Er-
                                                                                    gebnisse, wie die Messestadt 2050 (noch) klimafreund-
                                                                                    licher sein könnte:
                   Sabrina Erlwein                                                  Lokale Lebensmittelversorgung/ gemeinsames Gärt-
                                                                                    nern/ Park und Grünfinger bleiben erhalten/ Park
                                                                                    vollenden/ mehr Baumschatten/ Erholungsräume im
                   Können sich diese subjektiven Vorlieben auch mal kom-            Grünen/ Fassadenbegrünungen / Bodenqualität ver-
                   plett von den objektiven Erkenntnissen unterscheiden?            bessern/ Kooperationen der Generationen, Kulturen
                   A.B.: Ja! Nicht alle finden Hitze grundsätzlich schlecht. Wer    und Religionen/ Nachverdichtung in die Höhe/ flexi-
                   im See gebadet hat, möchte sich auch gerne voll in die warme     bler Wohnraum/ klimaneutral/ (autarke) Energiever-
                   Sonne legen. Leute, die aus heißen Ländern kommen, finden        sorgung/ Belebung der Plätze/ Gastronomie/ Auswei-
                   es oft angenehmer. Für Ältere oder Menschen mit gesund-          tung des ÖPNV/ Autos reduzieren – mehr Carsharing/
                   heitlichen Problemen wiederum ist die Hitze tendenziell be-      Straßenräume umwidmen/Radwege ausbauen.
                   lastender.                                                       Die Ideen gestalteten sich zu einem bunten, sinnvollen
                                                                                    und notwendigen Visionsreigen, der kraftvolle Syner-
                   Derzeit wird hier viel über den Vorschlag diskutiert, an der     gien beinhaltet und umgesetzt werden sollte, um sich
                   Willy-Brandt-Allee Hochhäuser zu bauen. Mit Holzfassa-           zu einem klimaresilienteren Quartier zu wandeln und
                   de. Klingt das nur Öko oder ist Holzbau für das Klima auch       zugleich von mehr gelebter Nachbarschaft zu profitie-
                   besser als Beton?                                                ren.
                   A.B.: Erstmal ist das ja nur eine Idee aus einer Machbarkeits-   Einem Teil der Visionsthemen hat sich seitdem schon
                   studie für die ganze Stadt – da steht noch nichts fest. Archi-   ein kleiner Kreis an Menschen mit Wagemut, Visi-
                   tektonisch kann ich da aber nichts dazu sagen. Du?               onskraft und Zuversicht angenommen. Ihr Ziel: diese
                   S.E.: Nur so viel, dass Holz natürlich ein nachwachsender        Visionen im Viertel möglichst bald wirklich wer-
                   Rohstoff ist und als Baum CO2 aufgenommen hat. Beton             den zu lassen. Der Kreis ist offen und freut sich auf
                   hat da eine schlechtere CO2-Bilanz in der Herstellung und        Mitgestalter*innen. (th)
                   Entsorgung. Und: Reihenhäuser mit Garten sind nicht pau-
                   schal besser als Hochhäuser. Denn Hochhäuser schaffen viel       Weitere Informationen erhalten Sie
                   Wohnraum auf wenig Fläche.                                       unter:
                   A.B.: Entscheidend ist, dass die Freiflächen, die man gewinnt,   • www.landschaftsentwicklung.
                   dann auch von hoher Qualität sind und von den Menschen             wzw.tum.de/forschung/
                   genutzt werden.                                                    gruene-stadt-der-zukunft/
                                                                                    • www.lokale-passung.de/
                   Sind denn die kleinen Bäumchen in der Messestadt quali-            gruene-stadt-der-zukunft/
                   tativ hochwertig?                                                • www.ioew.de/
                   S.E.: Natürlich müssen die jungen Bäume erstmal eine Chan-
                   ce haben zu wachsen. Und dann geht es darum, den Bestand         Flyer zum Forschungsprojekt:
                   zu erhalten und zu pflegen.                                      • https://bit.ly/2TtGiyo
                                                   weiter auf der nächsten Seite

                   Take Off! Nr. 75 – April bis Juni 2020                                                                                    9
SCHWERPUNKT

     Messestadt als Teil eines sozio-wissenschaftlichen Projekts           A.B.: Im Viertel wachsen die Bäume zum Teil auch deshalb
                                                                           nicht, weil unter ihnen Tiefgaragen angelegt sind und so gar
     „Grüne Stadt der Zukunft – klimaresiliente Quartiere in einer         kein Platz für tiefe Wurzeln da ist.
     wachsenden Stadt“ ist ein gemeinsames Projekt der Arbeitsgrup-
     pe Lokale Passung des soziologischen Instituts der Ludwig-
                                                                           Wie wahrscheinlich ist es, dass die Stadtpolitiker*innen
     Maximilians-Universität, des Lehrstuhls für energieeffizientes und
     nachhaltiges Planen und Bauen sowie des Lehrstuhls für Strategie      Ihre wissenschaftlichen Kenntnisse auch umsetzen?
     und Management der Landschaftsentwicklung (beide Technische           S.E.: Der Vorteil ist, dass die Stadt, genauer gesagt das Refe-
     Universität München), des Instituts für Ökologische Wirtschaftsfor-   rat für Gesundheit und Umwelt und das Planungsreferat, als
     schung (IÖW Berlin) und der Landeshauptstadt München (Referat         Projektpartner von Anfang an mit im Boot sind. Das heißt,
     für Umwelt und Gesundheit, Referat für Stadtplanung). Es wird vom     wir werden die Ergebnisse weitergeben, können aber nicht
     Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert          garantieren, dass sie eins zu eins umgesetzt werden.
     und hat eine Laufzeit von 2018-2021.                                  Aber Verwaltung und Stadtrat haben ein großes Interesse an
     Die Messestadt ist neben anderen ausgesuchten Münchner Vierteln       unseren Erkenntnissen für die weitere Stadtplanung. Durch
     eines der Reallabore. Die gewonnenen Erkenntnisse in Form von         die letzten Hitzesommer ist der Klimawandel gerade auch ein
     allgemeinen Handlungsempfehlungen und visuellen Produkten wer-        sehr aktuelles Thema.
     den abschließend der Stadt München sowie Städten mit ähnlichen                                               Interview: Theresa Höpfl
     Strukturen als Hilfen zur Verfügung gestellt.

     Können Messestädter*innen noch an der Studie teilnehmen?
                                                                           Bild unten: Während des Workshops wurden die Ideen auf Plakaten
     Im Sommer werden erneut Befragungen im Viertel stattfinden. Wenn      festgehalten und gestalteten sich zu einem bunten, sinnvollen und
     Sie Interesse haben, daran teilzunehmen, können Sie sich gerne        notwendigen Visionsreigen, der kraftvolle Synergien beinhaltet
     bei Julia Mittermüller und Amelie Bauer vom Institut für Soziologie   und umgesetzt werden sollte, um sich zu einem klimaresilienteren
     melden mit einer E-Mail an amelie.bauer@soziologie.uni-muenchen.      Quartier zu wandeln und somit den Herausforderungen des Klima-
     de oder an julia.mittermueller@soziologie.uni-muenchen.de.            wandels bestmöglich zu begegnen und zugleich von mehr gelebter
                                                                           Nachbarschaft zu profitieren.

                                                                                                                                                    Foto: LMU

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SCHWERPUNKT

                                          WELTENWANDEL VOR ORT –
                                         MITGESTALTER*INNEN GESUCHT
                  Gerade in Zeiten des Klimawandels sind tragende Nach- um gemeinsam die besten Möglichkeiten zu finden und
                  barschaftsstrukturen ein kostbares Gut. Ideen aus der umzusetzen.
                  Bürgerwerkstatt, um unser Miteinander im Viertel (wei- Wenn Ihr mitgestalten wollt, kontaktiert bitte Caroline
                  ter) zu stärken, sind Gemeinschaftsgärten auf Grünflä- Renz-Ludwig, caroline-ludwig@gmx.de, oder Jochen Din-
                  chen, eine solidarische Landwirtschaft auf den Feldern dorf, jochen.onyva@gmx.net. Danke.
                  im Osten des Parks wie z. B. das Kartoffelkombinat (www.                                             Caroline Renz-Ludwig
                  kartoffelkombinat.de) und belebte
                  Plätze mit Aufenthaltsqualität (an-
                  genehme Sitzbereiche, Naschgärten,
                  Brotbackofen …). Entscheidend sind
                  auch zukunftsweisende Mobilitäts-
                  konzepte (Radschnellwege, ÖPNV,
                  Car Sharing …).
                  Seit der Bürgerwerkstatt im Novem-
                  ber sind zu Teilthemen bereits Recher-
                  chen bzgl. Realisierungsmaßnahmen
                  und Treffen mit Expert*innen erfolgt,
                  mit denen wir weiterhin in Kontakt
                  sind. Wir sind zuversichtlich, dass
                  wir einiges für ein Miteinander und
                  den Weltenwandel vor Ort bewegen Im Workshop „Meine Vision für die Messestadt 2050“ ging es darum, wie die
                  können – manches bereits in den Messestädter*innen die Lebensqualität in ihrem Stadtviertel wahrnehmen und welche
                  nächsten ein bis zwei Jahren – und Wünsche sie für die zukünftige Entwicklung haben. Die Rückmeldungen und Ideen der
                                                           Bürger*innen werden in die nächste Phase des Forschungsprojekts einfließen. Foto: LMU
                  freuen uns über weitere Interessierte,

                                                                                    EINIGE PLÄTZE DER MESSE-
Foto: privat

                                                                                    STADT WERDEN AUFGEWERTET
                                                                                    Ab kommenden Frühling werden einige Gehwege und Plät-
                                                                                    ze entlang der Georg-Kerschensteiner-Straße, der Heinrich-
                                                                                    Böll-Straße und der Selma-Lagerlöf-Straße umgestaltet. Eine
                                                                                    Messestädterin hatte 2016 bei der Bürgerversammlung des
                                                                                    Stadtbezirks Riem-Trudering bemängelt, dass die entspre-
                                                                                    chenden Ecken der Messestadt trostlos und ungepflegt er-
                                                                                    scheinen, und einen Antrag für deren Aufwertung gestellt. In
                                                                                    den entsprechenden Bereichen werden nun neue Bäume und
                                                                                    Sträuche gepflanzt, die Betonblöcke – die als Sitzgelegenheit
                                                                                    dienen – bekommen eine Holzauflage mit Lehne und einige
               Trostlose Ecken wie diese in der Georg-Kerschenstein-Straße werden   Flächen werden entsiegelt. Das dürfte auch im Sinne der Kli-
               nun umgestaltet                                                      maresistenz der Messestadt sein.                        (red.)

               Take Off! Nr. 75 – April bis Juni 2020                                                                                              11
SCHWERPUNKT

                                                              BewohnerInnen eines Stadtteils ohne         stützt wird sie dabei vom Abfallwirt-
                                                              eigenen Fahrradladen und -werkstatt,        schaftsbetrieb, der Säcke, Handschuhe
                                                              könne in diesem Jahr nicht stattfinden.     und die finanzielle Grundlage für die
                                                              Thomas Keimerl, Kopf des Arbeitskrei-       Brotzeit bereitstellt. „Schon immer
                                                              ses Ökologie und bislang Organisator        haben die Mitwirkenden ihre Kinder
                                                                                    der RadbaR, ist       mitgebracht, die beim Müllaufräumen
                                                                                    ratlos: „Obwohl       hautnah erleben können, was nachhal-
                                                                                    es ein etabliertes    tiges Handeln bedeutet“, erzählt Elisa-

                    LUST UND FRUST                                                  und      erfolgrei-
                                                                                    ches Projekt ist,
                                                                                                          beth Fahlbusch. Das Ramadama habe
                                                                                                          sich gut stabilisiert als gemeinsame

                    DES EHRENAMTS
                                                                                    ist es nahezu un-     Familienaktion, die Sinn und gleich-
                                                                                    möglich, unter        zeitig Spaß macht. Da die ehrenamtlich
                                                                                    den      Hauptak-     als Abfallberaterin Tätige inzwischen
                                                                                    teuren einen ge-      auch auf einer digitalen Nachbar-
                                                                                    meinsamen Ter-        schaftsplattform zum Mitmachen ein-
                    Einige Öko-Initiativen finden zu wenige Mitstreiter, min zu finden.                   lädt, finden sich halbjährlich 50 bis 60
                    bei anderen klappt es dagegen ganz gut                          Und es werden         Menschen, die für einen sauberen Park
                                                                                    immer weniger,        sorgen. Etliche HelferInnen tragen da-
                                                                                    die aktiv als Eh-     rüber hinaus auch mit kulinarischen
                    Als ökologischer Vorzeige-Stadtteil ge- renamtliche bei einer solchen Aktion

                                                                                                                                                            Foto: privat
                    plant, ist die Messestadt in ihren ersten mitmachen oder Organisationsaufga-
                    beiden Jahrzehnten zur Heimat vieler ben übernehmen.“ Deshalb verweist er
                    Tausend Menschen geworden, die das auf das vom Quax organisierte und mo-
                    entspannte und naturnahe Leben hier natlich in der Grünwerkstatt stattfin-
                    genießen. Dank der Tatkraft einiger dende Repair-Café als Alternative zur
                    Engagierter finden jahrein, jahraus RadbaR, „auch dort werden Fahrräder
                    zahlreiche Aktionen rund um das The- nachbarschaftlich repariert“.
                    ma Ökologie statt, die dazu beitragen, Auch der Arbeitskreis Ökologie lei-
                    nachhaltiges Denken und Handeln zu de seit Jahren unter dem nachlassen-
                    fördern.                                  den Engagement Freiwilliger, so dass
                    Im Februar ließ jedoch eine Nachricht Thomas Keimerls Bereitschaft, sich
                    aufhorchen: Die RadbaR, traditionsrei- in diesem Rahmen für Ökologie und
                    ches Event für die Fahrrad-begeisterten Nachhaltigkeit in der Messestadt ein-
                                                              zusetzen, schwindet. Nach wie vor
Foto: Gregor Kern

                                                              kümmert er sich um die Vögel im Park
                                                              und reinigt regelmäßig deren Nist-
                                                              kästen. Dass beim letzten Rundgang
                                                              fünf Nistkästen einfach nicht mehr da       Elisabeth Fahlbusch
                                                              waren, weil jemand sie offensichtlich
                                                              an anderer Stelle brauchen konnte,          Köstlichkeiten zur belohnenden Brot-
                                                              schockiert ihn schon gar nicht mehr.        zeit bei.
                                                              Er selbst wird sich zukünftig vermehrt      Der Tatsache, dass sich beim harten
                                                              hauptberuflich für ökologische Ziele        Kern der Helfenden immer die glei-
                                                              einsetzen und das ehrenamtliche Tun         chen Menschen begegnen – sei es im
                                                              zurückfahren.                               AK Ökologie des Bürgerforums, beim
                                                              Von positiveren Erfahrungen berichtet       Grünen Gockel, dem kirchlichen Um-
                                                              Elisabeth Fahlbusch, die das Ramada-        weltmanagement, oder anderswo in der
                                                              ma organisiert. Zusammen mit einer          Messestadt –, schreibt die Organisato-
                                                              festen Kerngruppe Engagierter lädt sie      rin durchaus positive Effekte zu: „So
                                                              jeweils an einem Samstagvormittag im        schaffen wir Synergien und verstärken
                                                              Frühjahr und im Herbst zum gemein-          das Engagement über die Institutionen
                    Thomas Keimerl                            samen Aufräumen im Park ein. Unter-         hinweg.“             Marion Steinhart

                    12                                                                                             Take Off! Nr. 75 – April bis Juni 2020
SCHWERPUNKT

                                                                                                                                      Fotos: Sabine Wagner
Eine Woche Öko-Check in der Messestadt

EGOBILANZ
Wenn es um Umwelt- und Klimaschutz geht,
denken wahrscheinlich viele von uns, sie seien
nicht Teil des Problems. Schließlich geht man
mit dem Jutebeutel zum Einkaufen, macht immer
das Licht aus, wenn man den Raum verlässt und
fährt mit der U-Bahn in die Stadt… Aber ist das
genug, um ein gutes Gewissen zu haben?
Wir wollten es genauer wissen und machten im
Februar den Test „Eine Woche Ökobilanz“ mit
ganz normalen Bewohnern der Messestadt.

                                                                Ich und mein Plastikmüll – da kommt schon immer ganz schön was
                                                                zusammen …

Großfamilie vs. Single                     Heizen 0:1                                  Wärmeverbrauch:
                                                                                       Großfamilie: 0,025 MWh/Kopf
Normal, aber vielleicht nicht unbedingt Sowohl das Haus von Familie Faste              Singlehaushalt: 0 MWh/Kopf
durchschnittlich, denn die Versuchs- als auch meine Wohnung werden mit                 Zum Vergleich: 8 MWh Fernwärme
kaninchen waren eine Großfamilie Fernwärme geheizt. Das ist schon mal                  produzieren 2.160 kg an C02 und wei-
und ein Singlehaushalt. Auf der einen eine gute Nachricht, denn zumindest              teren Treibhausgasen – bei Braunkohle
Seite Familie Faste, die                                der CO2-Ausstoß ist bei        sind es 6.982 kg, bei Heizöl 2.797 kg
aus sechs Personen be-                                  dieser Form des Heizens        und bei Erdgas 2.392 kg.
steht, auf der anderen                                  geringer als bei anderen.
Seite ich, der Single.                                  Da ich in einem gut ge-        Stromverbrauch 1:1
Mal sehen, ob man als                                   dämmten Neubau wohne,
Single automatisch auf                                  schalte ich meine Fußbo-       Bei Familie Faste wird am Wochenen-
zu großem Fuß lebt,                                     denheizung eher selten ein.    de gewaschen, und mit sechs Personen
was die Umwelt betrifft,                                Insbesondere unter der         kommen da schon ein paar Trommeln
und ob eine Großfami-                                   Woche bin ich ja ohnehin       Wäsche zusammen. Jeden Tag läuft
lie wirklich effizienter                                kaum zu Hause, und selbst      mindestens einmal der Geschirrspü-
mit Ressourcen um-                                      unbeheizt herrscht in einer    ler, und der große Gefrierschrank im
geht. Der Glühbirne ist                                 Februarwoche in den Räu-       Keller ist zwar neu und A++, braucht
es schließlich egal, wie                                men eine Temperatur von        aber trotzdem eine Menge Strom. Au-
Leute ihr Licht nutzen,                                 um die 20 Grad. Allerdings     ßerdem wollen diverse Handys und En-
und auch ein geheizter                                  lebe ich allein auf 54 m²      tertainmentgeräte jeden Tag versorgt/
Raum wird nicht kälter, Mein Handy ist jedenfalls nicht eben doch auf vergleichs-      geladen werden. Doch was bedeutet
nur weil sich mehr Per- schuld, wenn ich bei diesem     weise großem Fuß, die Fas-     das pro Kopf im Vergleich zu mir? Ich
sonen darin aufhalten Experiment als hoffnungsloser tes dagegen kommen mit             bin kein Technikfreak – soll heißen, ich
                           Klimasünder abschneide
– eher im Gegenteil …                                   25 m² pro Person aus.                      weiter auf der nächsten Seite

Take Off! Nr. 75 – April bis Juni 2020                                                                                           13
SCHWERPUNKT

finde es schwierig, Elektrogeräte, die       Singlehaushalt: 360 l/Kopf                     Fahrten pro Kopf nach
noch funktionieren, wegzuwerfen, weil        Zum Vergleich: In Deutschland                  Verkehrsmittel:
sie technisch veraltet sind. Mein Handy      werden pro Kopf täglich rund 123 Liter         Großfamilie: 5 Fahrten mit Bus/S- und
ist also gut 15 Jahre alt, überhaupt nicht   Trinkwasser verbraucht (das entspricht         U-Bahn, 0,3 Langstreckenfahrten mit
smart, aber mit einem Akku gesegnet,         ca. 861 l/Woche).                              dem Zug, 1 Fahrradfahrt, 28,3 km mit
der hält, und hält und hält … Ich besit-                                                    dem Auto
ze auch keine Geschirrspülmaschine,          Mobilität 2:3                                  Singlehaushalt: 14 Fahrten mit der
denn ehe die voll wäre, gingen mir die                                                      U-Bahn
Teller aus. Dementsprechend beschei-         Familie Faste kommt seit dem Umzug             Zum Vergleich: Während eine Person
nigt mir die jährliche Stromrechnung         in die Messestadt mit nur noch einem           pro gefahrenen PKW-Kilometer 140
einen sehr niedrigen Stromverbrauch          Auto aus. Und bedauert, dass wir das           Gramm Treibhausgase verursacht, sind
– selbst für einen 1-Personenhaushalt.       Experiment nicht im Sommer durch-              es bei gleicher Strecke mit der U-Bahn
                                             führen, denn dann steht ihr Auto sogar         nur 65 Gramm.
Stromverbrauch:                              die meiste Zeit in der Garage, weil fast
Großfamilie: 8,61 kWh/Kopf                   alle Stadtfahrten mit dem Elektroroller        Plastikmüll 3:3
Singlehaushalt: 9 kWh/Kopf                   erledigt werden. Und gäbe es im Viertel
Zum Vergleich: Der durchschnittliche         bessere Car-Sharing-Angebote, dann             Annette Faste findet es schade, dass es
Stromverbrauch deutscher Haushalte           könnte man vielleicht sogar ganz auf           in der Messestadt kein Geschäft gibt,
liegt für einen Ein-Personen-Haushalt        das eigene Auto verzichten.                    in dem man unverpackte Lebensmittel
bei ca. 2.256 Kilowattstunden (kWh)          Ich besitze tatsächlich kein Auto – und        kaufen kann. Beim Einkaufen achtet sie
pro Jahr (entspricht durchschnittlich        in der Messestadt ist das an den meis-         zumindest bei Obst und Gemüse da-
43,4 kWh pro Woche) während auf ei-          ten Tagen auch kein Problem, schließ-          rauf, lose Ware ins selbst mitgebrach-
nen Haushalt mit 5 Personen ungefähr         lich ist nicht nur die U-Bahn gleich           te Netz zu packen. Der zeitliche und
5.969 kWh entfallen (ca. 115 kWh pro         um die Ecke. Die MVG bescheinigt               finanzielle Aufwand, alles nach dem
Woche).                                      mir auf ihren aktuellen Plakaten, dass         Kriterium der Verpackung(smenge) zu
                                             ich, wie jeder Nutzer der Öffentlichen         kaufen, übersteigt aber die Möglich-
Wasserverbrauch 2:2                          Verkehrsmittel, ein Klimaschützer bin.         keiten der Familie. Die Menge an Plas-
                                             Also alles bestens? Immerhin bringe            tikmüll, die ich mit nur einer Person
Ja, ich nehme gerade im Winter gerne         ich allein mit dem Arbeitsweg in die           anhäufe, erschreckt mich jede Woche
mal ein Bad. Im Sommer schlagen dann         Innenstadt Woche für Woche eine ganz           wieder, wenn ich sie zum Container
eher die vielen Pflanzen auf meinem          schöne Strecke zusammen.                       bringe. Da hilft auch das Mehrwegnetz
Balkon zu Buche, die ziemlich durs-
tig sind. Und ob das Geschirrspülen
von Hand in Punkto Wasserverbrauch
besonders ökologisch ist, sei dahin
gestellt. Mehr Sorge bereitet mir aller-
dings mein virtueller Wasserverbrauch,
also die Menge Wasser, die beispiels-
weise zur Herstellung meiner Jeans
notwendig war. Denn der ist mir ja gar
nicht bewusst.
Bei Familie Faste badet eigentlich nie
jemand, aber die Dusche und der Ge-
schirrspüler sind so gut wie jeden Tag
in Gebrauch. Hinzu kommen noch die
Waschmaschine und der übliche Ver-
brauch an Trink- und Leitungswasser
in Bad und Küche.

Wasserverbrauch in der Woche
(kalt und warm):
Großfamilie: 360 l/Kopf                      Mhm, Lasagne: Am Samstag gibt es tatsächlich zum ersten Mal in der Woche Fleisch

14                                                                                                    Take Off! Nr. 75 – April bis Juni 2020
SCHWERPUNKT

für loses Obst und Gemüse wenig. Und
wenn man einerseits am Auto spart und
andererseits eine 40-Stunden-Woche
hat, bleibt einem auch wenig übrig, als
im nächstgelegenen Supermarkt ein-
zukaufen – wo ich ehrlicherweise eher
zum Plastik als zur Glasverpackung
greife, weil es bedeutet, dass ich weni-
ger zu tragen habe …

Plastikmüll pro Kopf in Liter:
Großfamilie: 5,8 Liter/Woche
Singlehaushalt: 8 Liter/Woche (oder
159 Gramm)
Zum Vergleich: Die Einwohner
Deutschlands verursachen in einem                                                                    Beide Haushalte liegen zwar
Jahr pro Kopf 38,5 Kilogramm Plas-                                                                   unter dem (österreichischen)
                                                                                                     Durchschnitt, aber dennoch
tikverpackungsmüll, also 0,7 kg pro
                                                                                                     verbrauchen wir deutlich mehr
Woche.                                                                                               Erde, als uns zur Verfügung
                                                                                                     steht ….
Fleischkonsum 3:4                                                                                    Quelle:
                                                                                                     www.mein-fussabdruck.at
Bin ich ein Flexitarier? Ich würde sagen,
dass ich wenig Fleisch esse, aber wie viel
da in sieben Tagen tatsächlich zusam-        haft nach einem Fleischgericht suchen,       Ökologischer Fußabdruck in gha
menkommt, darüber habe ich bisher            weil ich Angst hätte, dass mir niemand       (globalen Hektar, also der Beanspru-
ehrlich gesagt nicht nachgedacht. Fa-        glaubt, dass ich die ganze Woche ein-        chung von Natur in Form der dafür
milie Faste hingegen hat zumindest ei-       fach so kein Fleisch gegessen habe ...       benötigten bioproduktiven Flächen):
nen Vegetarier in ihren Reihen.              Aber natürlich ist eine willkürliche         Großfamilie: 4,05 gha
                                             Woche im Februar nicht unbedingt             Singlehaushalt: 3,95 gha
Fleischverbrauch pro Kopf und                repräsentativ. So ist es eher ungewöhn-      Durchschnitt der österreichischen
Woche in Gramm:                              lich, dass der Trockner von Familie Fas-     Haushalte: 5,31 gha
Großfamilie: 250 Gramm/Person                te bis Freitag defekt ausgefallen ist. Und
Singlehaushalt: 150 Gramm/Person             die wenigsten Februarwochen sind so          Fazit
Zum Vergleich: Die Deutsche Ge-              warm, dass ich selbst am Wochenende
sellschaft für Ernährung empfiehlt           nicht heize.                                 Die beiden Teilnehmer unseres Expe-
den Verzehr von 300 bis 600 Gramm            Deshalb haben wir zum Schluss des            riments liegen erfreulicherweise unter
Fleisch pro Woche.                           Experiments mithilfe des Portals www.        dem (österreichischen) Durchschnitts-
                                             mein-fussabdruck.at des Österreichi-         verbrauch und wiederum eng beisam-
Der Fußabdruck                               schen Bundesministeriums für Nach-           men. Das ist zwar nur eine Momentauf-
                                             haltigkeit und Tourismus auch noch           nahme aber doch auch ein Indiz für die
Das Ergebnis ist ziemlich knapp. Offen-      unseren sogenannten „ökologischen            gute Ökobilanz ganz normaler Messe-
bar kann man selbst als tendenziell eher     Fußabdruck“ für das Jahr 2019 be-            stadtbewohner!
umweltunfreundlicher Singlehaushalt          stimmt. Dabei muss man in den Berei-         Um eine bessere Datenbasis für diese
zumindest an einigen Stellen etwas für       chen Wohnen, Mobilität, Ernährung            Aussage zu sammeln, freuen wir uns
seine Ökobilanz tun. Oder habe ich           und Konsum nicht nur Fragen zu sei-          übrigens sehr, wenn Ihr Euren persönli-
mich in dieser Woche nur nachhaltiger        nem Stromverbrauch, sondern auch zu          chen Fußabdruck 2020 an die TakeOff!
als sonst verhalten, weil ich das Ge-        Hobbys und Konsumverhalten beant-            schickt (E-Mail: takeoffmessestadt@
fühl hatte, dass mir der Leser über die      worten, und sieht sofort, welche Ver-        icloud.com)! Wir werden dann in der
Schulter schaut? Eigentlich war es eher      haltensweisen schädlich für die eigene       nächsten Ausgabe darüber berichten.
umgekehrt. Normalerweise würde ich           Ökobilanz sind und an welchen Stellen
nämlich nicht an einem Samstag fieber-       man Nachholbedarf hat.                                                 Sabine Wagner

Take Off! Nr. 75 – April bis Juni 2020                                                                                           15
SCHWERPUNKT

GEGENWIND FÜR
DEN KLIMAWANDEL

                                                                                                                                         Foto: Tilman Renz
Was jeder einzelne von uns tun kann

                                                                           Alternativen zur Fernreise: See und Berge vor der Haustür

Während ich diese Zeilen verfasse,         1. Uns informieren                          ger machen. Und in der Messestadt bietet
nimmt der Wind langsam zu – das                                                        die Grünwerkstatt des Echo e. V. (echo-
Sturmtief „Sabine“ bewegt sich gen         Zum Klimawandel gibt es unzählige           ev.de/einrichtungen-und-projekte/
Süden, die Deutsche Bahn stellt ihre       Bücher. David Nelles / Christian Serrer     gruenwerkstatt-muenchen-riem/) ein
Fernverbindungen ein, und in ganz          (2019): „Kleine Gase – Große Wirkung“       Programm zu Natur, Ökologie und
Bayern wird die Schule ausfallen. Eine     bietet eine kompakte Zusammenfas-           Nachhaltigkeit.
Auswirkung des Klimawandels? Nein,         sung zum Thema. Und über das Um-
solche Winterstürme sind offenbar          weltbundesamt können wir alle grob          2. Handeln
normal. Tatsache ist aber, dass Sturm-     ermitteln, wo wir selbst in Sachen CO2-
schäden in den letzten Jahren in Europa    Bilanz stehen (www.uba.co2-rechner.         Einen wichtigen Beitrag zum Klima-
stark zugenommen haben, dass 2019 in       de). Umweltthemen mit Bezug auf un-         schutz leisten die meisten von uns
Deutschland das drittwärmste Jahr seit     sere Stadt sind Thema der Münchner          schon, weil sie hier wohnen: eine Hei-
1881 war, dass 2020 mit einem viel zu      Stadtgespräche, veröffentlicht durch den    zung mit Geothermie, welche die Stadt-
milden und trockenen Januar begon-         Umweltinstitut München e. V. mit dem        werke hier erstmalig möglich machten.
nen hat …                                  Referat für Gesundheit und Umwelt           Die Messestadt bietet aber auch viele
Der Klimawandel betrifft also alle –       (www.muenchner-stadtgespraeche.de).         weitere Optionen: Benötigen wir den
auch uns in der Messestadt. Und wir        In Sachen Umweltbildung sind auch           Urlaub in der Karibik, wenn wir doch
tragen zu ihm bei – weitaus mehr als die   das Ökologische Bildungszentrum             einen See vor der Haustür haben, des-
Menschen etwa auf der südlichen Erd-       München (www.oebz.de) und der Ver-          sen Wasser manchmal genauso aussieht
halbkugel. Dabei haben wir es in der       ein Bildung für eine nachhaltige Ent-       wie das des Karibischen Meeres (wenn-
Hand, ihn abzumildern. Was können          wicklung München e. V. (www.bene-           gleich es meist „etwas“ kühler ist)?
wir als Messestädter*innen tun?            muenchen.de) unterwegs. Greencity           Müssen wir immer alles neu kaufen,
                                           e. V. (www.greencity.de) möchte Mün-        wo es doch das Angebot des monatli-
                                           chen selbst lebenswerter und nachhalti-     chen Repair-Cafés gibt (Termine siehe

16                                                                                              Take Off! Nr. 75 – April bis Juni 2020
SCHWERPUNKT

               Grünwerkstatt Seite 30)? Muss es für die          3. Uns engagieren                          onen, wo überall Engagement möglich
               Fahrt in die Stadt das Auto sein? Denn                                                       ist. Genannt wird beispielsweise auch
               schließlich haben wir die U-Bahn und              Jeder einzelne kann viel tun, aber ge-     „Trudering im Wandel“ – eine Gruppe
               können auf ruhigen Nebenstraßen und               meinsam bewegen wir mehr. Da sind          aus unserer direkten Nachbarschaft.
               Radwegen auch per Fahrrad ins Zent-               politische Parteien, in und mit denen      Und in der Messestadt organisiert der
               rum kommen. Bei Bedarf eines Autos                wir uns für Klimaschutz stark machen       AK Ökologie Ramadama-Tage, an de-
               stehen aktuell an zwei Standorten sechs           können. Beim Bezirksausschuss und          nen wir eingeladen sind, gemeinsam
               Fahrzeuge von STATTAUTO (www.                     der jährlichen Bürgerversammlung           Müll und Unrat aufzusammeln. Dieser
               stattauto-muenchen.de) bereit – und               können wir gut ausgearbeitete Ideen        AK könnte wieder mehr tun, wenn sich
               z. B. die Flotte eines großen Autover-            einbringen. Und natürlich können wir       mehr von uns verbindlich engagieren
               mieters an den Riem-Arcaden. Dort                 in Umweltverbänden tätig werden.           würden (siehe Artikel Seite 12).
               gibt es inzwischen auch einen Bioladen            Mit München muss handeln (https://         Der Wind wird stärker – auch vor
               und daneben den Wochenmarkt, wo-                  muenchen-muss-handeln.de)         setzen   meinem Fenster. Auch die Bedrohung
               bei frisches Biogemüse und -obst auch             sich Vertreter*innen der Münchner Zi-      durch den Klimawandel nimmt zu.
               nach Hause lieferbar ist (z.B. www.isar-          vilgesellschaft für Klimaschutz ein. Auf   Doch es gibt Möglichkeiten, ihn abzu-
               land.de oder www.kartoffelkombinat.               der Homepage sind die teilnehmenden        bremsen und Gegenwind aufzubauen.
               de). Weitere Bioläden gibt es beispiels-          Firmen, Verbände und Vereine aufge-        Nutzen wir sie!
               weise in Straßtrudering.                          listet – eine gute Quelle für Inspirati-                              Tilman Renz

               HOLZZAHNBÜRSTEN UND
               FAHRRAD-URLAUBE
               Wie eine Messestädter Familie Ressourcen spart

               Es gibt sicher Familien, die umweltfreundlicher sind, aber             tik brauchen als Zahnpastatuben, und die Zahnbürsten aus
               ich finde, wir tun auch einiges als Familie. Zum Beispiel ver-         Holz, die wir seit über einem Jahr benutzen. Am wichtigsten
               suchen wir Energie zu sparen, indem wir die Heizung nicht              ist, dass wir kein Auto haben und uns im Urlaub nur zu Fuß,
               so weit aufdrehen. Wir vermeiden Verpackungsmüll. Am                   mit dem Fahrrad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln
               lustigsten finde ich die Zahnputztabletten, die weniger Plas-          fortbewegen.
                                                                                      Letztes Jahr waren wir auf Rügen. Da sind wir nur mit dem
Foto: privat

                                                                                      Fahrrad gefahren. Wir waren vier Kilometer von der nächs-
                                                                                      ten Einkaufsmöglichkeit weg. Hingekommen sind wir mit
                                                                                      drei Zügen, einem Bus und Leihfahrrädern. Es mag zwar
                                                                                      manchen Menschen anstrengend, unflexibel oder nervig
                                                                                      erscheinen, aber meine Schwestern und ich kennen es nicht
                                                                                      anders.
                                                                                      Nun ist es wichtig, zu Hause möglichst viel für die Umwelt zu
                                                                                      tun, aber das größte Problem ist, dass weiterhin viele Produk-
                                                                                      te mit Plastik produziert werden. Man sollte grundsätzlich
                                                                                      keinen Plastikmüll herstellen und wiederverwertbare Dinge
                                                                                      nutzen.
                                                                                      Es macht genauso wenig Sinn, durch München mit dem Auto
                                                                                      zu fahren, wo es doch öffentliche Verkehrsmittel gibt. Außer-
                                                                                      dem kann man kurze Strecken mit dem Fahrrad fahren, das
               Umweltschutz ist bei Familie Jesuiter mit viel Spaß verknüpft          trägt auch zur Fitness bei.                    Malina Jesuiter

               Take Off! Nr. 75 – April bis Juni 2020                                                                                            17
SCHWERPUNKT

                GRÜNES VORZEIGEVIERTEL?
                Die Messestadt aus der Sicht eines „Scientists for Future“

                Dr. Michael Stöhr ist Physiker, forscht       diesbezüglich für sehr gelungen: „Hier      Modellen, von denen trotz des nicht
                seit den Neunziger Jahren über erneu-         hat die Stadt entscheidende Stellschrau-    optimalen gesetzlichen Rahmens auch
                erbare Energien und koordiniert die           ben richtig gedreht! Selbst wenn man        die Bewohner etwas haben.“
                Münchner „Scientists for Future“, eine        sich überhaupt nicht für das Klima in-
                Gruppe von Forschern, die sich dem            teressiert, lebt man umweltfreundlich!“     Optimale Raumplanung, fast
                Kampf gegen den Klimawandel ver-
                                                                                                          gute Verkehrsplanung
                schrieben haben. Stöhr wohnt in der           Mühelos klimaneutral
                Genossenschaft WOGENO mit seiner                                                          „Die Messestadt hat mit ihren kompak-
                Familie seit Jahren klimaneutral. Die         Ein wesentlicher Faktor: Durch das          ten Wohnblocks auch eine ziemlich op-
                Take Off! wollte von ihm wissen, worauf       Geothermie-Nahwärmenetz, an das             timale Dichte für umweltfreundliches
                es beim Klimaschutz ankommt, und wie          fast alle Haushalte „zwangs“-ange-          Verhalten“, erläutert Michael Stöhr,
                grün die Messestadt wirklich ist.             schlossen sind, heizen 90       Prozent     „das führt zu kurzen Wegen.“ Mit den
                                                              der Messestädter nachhaltig und kli-        Riem-Arcaden stehen den Bewohnern
                Gleich zu Beginn des Treffens legt Stöhr      maneutral, ohne auch nur darüber            wohnortnahe Einkaufsmöglichkeiten
                los: „Es ist höchste Zeit, sehr schnell und   nachdenken zu müssen.                       zur Verfügung. Damit schneidet die
                entschieden umzusteuern. Konzepte             Damit auch der Strom nachhaltig             Messestadt seiner Meinung nach nicht
                hierfür gibt es schon seit den Nuller-        produziert wird, hat Stöhr zwei Pho-        nur besser ab als zersiedelte Einfami-
                Jahren. Dabei stehe ich zu 100 Prozent        tovoltaik-Anlagen initiiert: „SOLNA“        lienhaus-Gegenden, sondern auch als
                hinter den Forderungen von Fridays            auf dem Dach des WOGENO-Hauses              Hochhaus-Viertel. „Die dort nötigen
                for Future. Es ist entscheidend, dass         in der Caroline-Herschel-Straße und         Abstandsflächen würden die Wege ver-
                die Politik die richtigen Rahmenbedin-        „SOLKIZ“ auf dem Kirchendach. Bei-          längern.“
                gungen schafft – dann wird die Masse          de Projekte wurden von Nachbarn fi-         Er lobt auch die U-Bahn zur Innen-
                mitgenommen.“ Die Messestadt hält er          nanziert. Aufgrund des „Erneuerbare-        stadt, die Buslinie durchs Viertel, den
                                                                        Energien-Gesetzes“ hat sich       Park und die Grünzüge mit wohnort-
                                                                        das Umweltengagement für          nahem Freizeitwert und die attraktiven
Fotos: privat

                                                                        die Investoren sogar ausge-       Fuß- und Radwege: „Das Auto zu neh-
                                                                        zahlt. In Kürze wird jedoch       men ist meistens komplizierter, man
                                                                        der „PV-Deckel zuklappen“         lässt es gerne stehen – umweltfreund-
                                                                        und die Förderung neuer           liches Verhalten ergibt sich so von
                                                                        Anlagen enden. „Adäquaten         selbst.“ Sehr schade findet er, dass die
                                                                        Ersatz gibt es noch nicht“, be-   Stadt nicht an ihrem ursprünglichen
                                                                        dauert der Wissenschaftler.       Konzept festgehalten und nun doch
                                                                        Er hofft, dass die Umsetzung      wieder jeder Wohnung einen festen
                                                                        der EU-Strombinnenmarkt-          Parkplatz zugewiesen hat. Sonst wür-
                                                                        Richtline die Umsetzung           den vielleicht noch mehr Menschen das
                                                                        ähnlicher Projekte zur re-        Auto abschaffen und am Car-Sharing
                                                                        gionalen Stromproduktion          teilnehmen.
                                                                        wieder attraktiver macht –
                                                                        zum einen als „Anschluss-         Tauschen und Teilen
                                                                        lösung“ für die bestehenden
                                                                        Anlagen, zum anderen für          Ein wesentlicher Faktor für Michael
                                                                        neue. „Die WOGENO und             Stöhr ist die Förderung von Genossen-
                                                                        auch die Stadtwerke arbei-        schaften. Gemeinsam können sich auch
                Michael Stöhr                                           ten bereits an Mieterstrom-       Normalverdiener eine umweltfreundli-

                18                                                                                                Take Off! Nr. 75 – April bis Juni 2020
SCHWERPUNKT

che Bauweise, z. B. mit Wärmerückge-       sieht der Forscher hier
winnung, leisten. Außerdem sei dort        Optimierungsmöglich-
Teilen Prinzip: Gemeinschaftsräume,        keiten. „Man muss gar
Gästeappartements und Werkstätten          nicht verzichten, aber
ermöglichen kleinere Wohnungen,            statt Essen wegzuwer-
Gartengeräte und Werkzeuge werden          fen, könnte man es an
gemeinsam genutzt. In diesem Zusam-        Bedürftige abgeben. Da
menhang nennt er auch „Tauschkisten“,      gäbe es in der Messe-
Flohmärkte und Internetforen, wie z. B.    stadt sicher Abnehmer.“
„https://unsere-messestadt.de“, die hel-
fen, den Ressourcen- und Energiever-       Zukunftswünsche?
brauch einzudämmen.                                                   Michael Stöhr initiierte im Stadtviertel zwei Photovoltaikanlagen
Er würde das Teilen gerne auf Lebens-      „Mehr Elektroladestati-
mittel ausdehnen. „In den nächsten 20      onen für E-Autos und E-Bikes, die ide- mehr Geschäfte in den Wohnstraßen,
Jahren kommt es für das Klima vor al-      alerweise mit Photovoltaik und lokalen mehr Leihräder und bessere MVV-Tan-
lem darauf an, Methan zu reduzieren,       Stromspeichern kombiniert werden – gentialverbindungen in die nördlichen
das durch die Lebensmittelindustrie,       das ist auch eine ideale Zweitnutzung und südlichen Münchner Stadtteile.
insbesondere die Tierzucht, entsteht.      für E-Auto-Batterien“, überlegt er. „Im Eine Flughafenanbindung wünscht er
Da können wir nicht weiterhin 40           5. Bauabschnitt könnte man auch auf sich explizit nicht: Schließlich müssen
Prozent unserer Lebensmittel weg-          Holzbauten setzen, die genossenschaft- wir vom Fliegen wegkommen.
werfen.“ Gerade bei den Großbetrie-        lich organisiert und autofrei sind.“
ben, wie Hotels und Supermärkten,          Mehr Solarenergie fällt ihm noch ein,                                          Birgit Heisig

Zwölfmal um die Erde für ein kühles Bad
Das schönste an der Messestadt ist für viele der Riemer See. Aber ist der mit seinen
Wasserpumpen nicht ein ordentlicher Energiefresser? Take Off! hat recherchiert

Dass der See auch im Sommer oft noch       und Umwelt nachgefragt. Die Antwort:           teln. Die Stadtwerke etwa schreiben
saukalt ist, hat den Grund, dass das       „Der Verbrauch für die Pumpe am See            auf die Take Off!-Anfrage zum Ener-
Wasser künstlich ausgetauscht wird –       beträgt ca. 70.000 Kilowattstunden             gieverbrauch des Freibads Michaelibad,
mit Grundwasser. Dadurch gilt der Rie-     pro Jahr. Dabei handelt es sich um ei-         es gebe nur Zahlen für Freibad plus
mer See als einer der saubersten in der    nen ungefähren Wert, da die Leistung           Hallenbad plus Sauna und ein solcher
Umgebung Münchens. Auf münchen.de          der Pumpe in einer Gesamtaufstellung           Vergleich würde hinken. Vom Freibad
steht: „Mehrere Pumpen versorgen           unterschiedlicher Anlagen enthalten            in Haar erhielten wir bis Redaktions-
ihn jede Sekunde mit bis zu 40 Litern      ist.“ Zum Vergleich: Mit einer Kilowatt-       schluss keine Antwort.
Frischwasser, da er wie eine riesige Ba-   stunde Strom kann man knapp sieben             Deshalb ersatzweise noch ein Ver-
dewanne gebaut ist und ansonsten kein      Kilometer mit dem Elektro-Auto fah-            gleich: Der Energieverbrauch des Rie-
Wasser zufließen würde. Er heizt sich      ren. 70.000 mal 7, das sind 490.000 Ki-        mer Sees würde reichen, um 3,5 Milli-
im Sommer deshalb auch nicht so sehr       lometer mit dem E-Auto, damit käme             onen Stunden am Laptop zu arbeiten.
auf und kann sogar noch im August bei      man also etwa zwölf Mal um die Erde.           Aber da scheint ein Sprung ins frische
etwa 22   Grad Wassertemperatur für        Immerhin: „Die Anlage wird zu 100              Wasser doch die weitaus angenehmere
Erfrischung sorgen.“ Ist der See damit     Prozent mit Ökostrom betrieben.“               Alternative.
nicht auch ein riesiger Stromfresser?      Ein Vergleich mit einem kommunalen
Ich habe beim Referat für Gesundheit       Freibad lässt sich leider nicht ermit-                                      Theresa Höpfl

Take Off! Nr. 75 – April bis Juni 2020                                                                                              19
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