Tätigkeitsbericht 2020 - Bundesstiftung Magnus Hirschfeld Wissen schafft Akzeptanz.

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Tätigkeitsbericht 2020 - Bundesstiftung Magnus Hirschfeld Wissen schafft Akzeptanz.
Tätigkeitsbericht
2020
Bundesstiftung Magnus Hirschfeld

                              Wissen schafft Akzeptanz.
Tätigkeitsbericht 2020 - Bundesstiftung Magnus Hirschfeld Wissen schafft Akzeptanz.
Inhalt

Geleitwort der Kuratoriumsvorsitzenden ............................................................................................3
Einführung des Vorstands ...................................................................................................................5
Referat Gesellschaft, Teilhabe und Antidiskriminierung.......................................................................8
   „Refugees & Queers“.
   Politische Bildung an der Schnittstelle LSBTIQ* und Flucht / Migration / Asyl ..................................8
   Interview: „Die Gewalt gegenüber LSBTIQ* Geflüchteten wird kaum thematisiert“
   (mit Lilith Raza) ............................................................................................................................. 10
   15. Hirschfeld Lecture: „Reproduktionstechnologien. Queere Perspektiven und reproduktive
   Gerechtigkeit“............................................................................................................................... 12
   Broschüre “The L-Word in Business“ ............................................................................................. 12
   Die Auswirkungen der Coronapandemie auf LSBTIQA* .................................................................. 12
   Fußball für Vielfalt – Fußball gegen Homophobie und gegen Sexismus .......................................... 14
Referat Kultur, Geschichte und Erinnerung........................................................................................ 17
   Sonderband zum 150. Geburtstag von Magnus Hirschfeld ............................................................. 17
   Gemeinsamer Antrag: Gedenkkugel für die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück....................... 17
   Archiv der anderen Erinnerungen.................................................................................................. 18
   Interview: „Es war das erste Mal, dass ich so viel im Gespräch mit anderen
   von mir preisgegeben habe“ (mit Klaus Schirdewahn) ................................................................... 19
Referat Medienarbeit und Veranstaltungsmanagement .................................................................... 21
   Auswirkungen der Pandemie......................................................................................................... 21
   Die BMH in den Medien ................................................................................................................ 21
   Die Social-Media-Kanäle der BMH ................................................................................................. 22
Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen ............................................................................ 23
Förderung von externen Bildungs- und Forschungsprojekten ............................................................ 25
Veröffentlichungen der BMH und ihrer Mitarbeiter_innen ................................................................ 30
Das Stiftungsjahr 2020 im Überblick .................................................................................................. 31
Vermögensanlage ............................................................................................................................. 33
Ausblick auf 2021 .............................................................................................................................. 35
Kuratorium und Fachbeirat 2020 ....................................................................................................... 36
Das Team der Stiftung in 2020 .......................................................................................................... 38
Impressum ........................................................................................................................................ 39

                                                                         2
Tätigkeitsbericht 2020 - Bundesstiftung Magnus Hirschfeld Wissen schafft Akzeptanz.
Geleitwort der Kuratoriumsvorsitzenden

                                                                    lange Zeit nicht möglich. Das hat es noch an-

                                   ©Thomas Köhler / photothek
                                                                    spruchsvoller gemacht, als es ohnehin schon
                                                                    ist, diese Menschen zu unterstützen – Men-
                                                                    schen, die häufig nicht nur auf ihrer Flucht, son-
                                                                    dern auch hier bei uns Gewalt ausgesetzt sind.
                                                                    Doch mit großem Engagement hat sich die
                                                                    BMH um kontaktlose Alternativen bemüht. Ein
                                                                    besonderer Brennpunkt sind die Unterkünfte
                                                                    der Geflüchteten. Geflüchtete müssen sich da-
                                                                    rauf verlassen können, an ihrem Wohnort ge-
                                                                    schützt zu sein. Leider sieht die Realität für
                                                                    viele LSBTIQ*-Geflüchtete anders aus. Die
                                                                    Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass ge-
 Christine Lambrecht
 Bundesministerin der Justiz und                                    schlechtsspezifische Gewalt zugenommen hat.
 für Verbraucherschutz, MdB                                         Gleichzeitig waren viele Geflüchtete von Bera-
                                                                    tungsangeboten abgeschnitten. Umso wichti-
                                                                    ger ist es, dass sich die BMH im Netzwerk
 „In der Krise Chancen sehen.“ Das könnte die
                                                                    „Queer European Asylum“ engagiert. Dieses
Überschrift für das Jahr 2020 der Bundesstif-
                                                                    Netzwerk bündelt die Kräfte verschiedener In-
tung Magnus Hirschfeld sein. Untertitel: „Enga-
                                                                    stitutionen, um auf die spezifischen Bedürf-
giert und robust durch die Pandemie.“
                                                                    nisse von queeren Geflüchteten hinzuweisen
                                                                    und ihre Situation nachhaltig zu verbessern.
Wie viele andere Institutionen musste die BMH
ihre Mitarbeitenden ins Homeoffice schicken;
                                                                    In der Pandemie galt es nicht nur, das schon
Veranstaltungen und andere Zusammenkünfte
                                                                    laufende Engagement so gut wie möglich fort-
in digitale Formate überführen; freigewordene
                                                                    zusetzen. Durch die Pandemie haben sich auch
Mittel anderweitig verplanen. Das wertvolle
                                                                    ganz neue Fragen aufgedrängt. Und dieser Fra-
Engagement für die Belange von LSBTIQ* stand
                                                                    gen hat sich die BMH mit vollem Einsatz ange-
vor enormen Herausforderungen. So etwa das
                                                                    nommen. Was bedeutet die Pandemie für die
Archiv der anderen Erinnerungen. Viele Inter-
                                                                    LSBTIQ*-Community? Brechen stabilisierende
views für dieses Erinnerungsarchiv mussten lei-
                                                                    Strukturen weg, die nur sehr schwer wieder-
der ausfallen. Ich hoffe sehr, dass sich mög-
                                                                    aufzubauen sind? Wie geht es den Menschen,
lichst viele Betroffene erneut ein Herz fassen
                                                                    die gerade jetzt in einer sehr fragilen Phase ih-
können und zu einem späteren Zeitpunkt über
                                                                    res Lebens sind und dringend Beistand brau-
ihre Unterdrückungs- und Verfolgungsge-
                                                                    chen? Wie wirken sich die Kontaktbeschrän-
schichte berichten. Denn diese Zeitzeugnisse
                                                                    kungen aus? Die BMH hat diese und andere
sind grundlegend für die gesellschaftliche Erin-
                                                                    dringende Fragen mit wichtigen Akteuren der
nerung des staatlichen Unrechts, das nicht he-
                                                                    Community analysiert – und Empfehlungen für
terosexuelle Menschen in Deutschland auch
                                                                    Politik und Gesellschaft erarbeitet. Ich bedanke
lange nach Ende des Nationalsozialismus noch
                                                                    mich sehr dafür, dass die BMH so einen wichti-
erleiden mussten.
                                                                    gen Dialog angestoßen und das Problembe-
                                                                    wusstsein geschärft hat.
Vor großen Schwierigkeiten stand auch das En-
gagement für queere Geflüchtete. Ein Aus-
tausch von Angesicht zu Angesicht war über
                                                                3
Tätigkeitsbericht 2020 - Bundesstiftung Magnus Hirschfeld Wissen schafft Akzeptanz.
Im vergangenen Jahr konnte der mit Spannung            benennen. Ich danke den Mitgliedern des Ku-
erwartete Sonderband zum 150. Geburtstag               ratoriums sehr herzlich dafür, dass sie die Bun-
Magnus Hirschfelds erscheinen: „Liebe und Ge-          destiftung auch in diesem schwierigen Jahr mit
rechtigkeit“. Er bildet den krönenden Ab-              Rat und Tat entschlossen unterstützt haben –
schluss zu den zahlreichen Würdigungen und             oft auch außerhalb des Plenums und mit über-
Feierlichkeiten zum Jubiläumsjahr 2018. Ge-            obligatorischem Einsatz.
sellschaftlich und politisch bedeutende Perso-
nen befassen sich darin mit Werk und Leben             Mein ebenso herzlicher Dank gilt den Mitglie-
Magnus Hirschfelds. Und sie setzen sein Schaf-         dern des Fachbeirats. Auch der Beirat war ge-
fen in Bezug zu gegenwärtigen geschlechts-             zwungen, seine Beratungen – insbesondere zu
und sexualemanzipatorischen Herausforde-               den externen Bildungs- und Forschungsprojek-
rungen. Aber nicht nur das macht diesen Band           ten – in den virtuellen Raum zu verlagern. Das
besonders lesenswert. Durch zahlreiche Foto-           zu begutachtende Antragsvolumen im sechs-
grafien und Statements bleibt uns Magnus               stelligen Bereich ist für seine ehrenamtlich tä-
Hirschfeld lebendig und wird einem breiten             tigen Mitglieder stets eine Herausforderung.
Publikum vertrauter.                                   Diese Herausforderung haben sie auch im
                                                       schwierigen Jahr 2020 dank hervorragender
Wir können also festhalten: Die Bundesstiftung         Expertise und großem Engagement bewältigt.
Magnus Hirschfeld hat sich in der Pandemie als
genaue Beobachterin einer Gesellschaft im              In diesem Jahr war es möglich, viele pandemie-
Ausnahmezustand bewiesen, aus der spezifi-             bedingte Einschränkungen zurückzunehmen.
schen Perspektive ihres Stiftungszwecks. Und           Und wir können optimistisch in die Zukunft
es ist ihr gelungen, trotz der schwierigen Ba-         schauen. Denn die Hoffnung ist groß, dass wir
lance von Homeoffice und privaten Verpflich-           die Pandemie bald überwunden haben. Lassen
tungen, auch in der Pandemie hervorragende             Sie uns die wiedergewonnenen Freiheiten und
Arbeit zu leisten. Dafür danke ich dem Vor-            Kräfte nutzen! Lassen Sie uns weiterhin be-
stand und seinem Stiftungsteam sehr herzlich!          herzt für die Belange der LSBTIQ* eintreten!
                                                       Gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Ge-
Auch das Kuratorium hat sich an die besonde-           walt. Für gleiche Würde und gleiche Freiheit.
ren Gegebenheiten angepasst. In seiner ersten
digitalen Sitzung am 23. November 2020 hat es
gezeigt: Es lässt sich auch in diesem ungewohn-
ten Format lebhaft diskutieren und konstruktiv
zusammenarbeiten. Besonders freue ich mich
darüber, dass wir in dieser Sitzung ein sichtba-
res und wichtiges Zeichen setzen konnten: für
                                                         Christine Lambrecht
geschlechtliche Selbstbestimmung und Vielfalt            Bundesministerin der Justiz
jenseits binärer Verortung. Dank einer Sat-              und für Verbraucherschutz
zungsänderung hat der Bundesverband Trans*
nun das Recht, ein Mitglied des Kuratoriums zu

                                                   4
Einführung des Vorstands

                                                         Dies betraf beispielsweise die Workshopange-

                               © BMH | Sabine Hauf
                                                         bote für Profi-Fußballvereine im Rahmen un-
                                                         sere Initiative „Fußball für Vielfalt – Fußball ge-
                                                         gen Homofeindlichkeit und gegen Sexismus“
                                                         mit der Universität Vechta, der DFL und der
                                                         DFL-Stiftung. Die lebensgeschichtlichen Inter-
                                                         views für das Archiv der anderen Erinnerungen,
                                                         für das unser wissenschaftliches Referat Kultur,
                                                         Geschichte und Erinnerung verantwortlich ist,
                                                         mussten teilweise verschoben werden.

                                                         Auch einige der von der Stiftung selbst geför-
                                                         derten externen Bildungs- und Forschungspro-
 Jörg Litwinschuh-Barthel
 Geschäftsführender Vorstand                             jekte konnten nicht wie ursprünglich geplant
                                                         durchgeführt werden, sondern mussten von
                                                         den Projektträger_innen verändert, gekürzt
Liebe Leser_innen,                                       oder ganz abgesagt werden.
                                                         Doch all diese Schwierigkeiten haben auch un-
der Tätigkeitsbericht 2020 der Bundesstiftung            seren Ehrgeiz und unsere Kreativität herausge-
Magnus Hirschfeld (BMH) gibt Ihnen eine um-              fordert. Das Team der BMH wie auch unsere
fassende Übersicht über die Ressourcen unse-             Kooperationspartner_innen haben neue Wege
rer Arbeit und stellt Ihnen Schwerpunkte und             beschritten und Experimente gewagt, um auch
Projekte vor, die wir im vergangenen Jahr                in Zeiten, in denen „echte“ Begegnungen nicht
selbst gesetzt beziehungsweise finanziell ge-            möglich sind, in den direkten fachlichen Aus-
fördert haben.                                           tausch zu kommen und Bildungs- und For-
2020 war auch für die BMH ein Jahr großer Her-           schungsprojekte zu realisieren. Wir entwickel-
ausforderungen: Durch die COVID 19-Pande-                ten neue, digitale Formate und Angebote und
mie sind nicht nur gesellschaftliche Verwerfun-          konnten damit auch Menschen erreichen, wel-
gen und Ungleichheiten sichtbarer geworden,              che die Arbeit der BMH bisher noch nicht oder
sondern sie hat auch bestehende Probleme                 nur am Rande kannten. Ein Beispiel dafür ist
und Defizite verschärft. Zudem zeigte sich, was          die 15. Hirschfeld Lecture mit dem Titel „Re-
solidarisches Handeln und Verantwortungs-                produktionstechnologien. Queere Perspekti-
übernahme für die und in der LSBTIQ*-Com-                ven und reproduktive Gerechtigkeit“, die als
munity bedeuten kann. Gleich zu Beginn der               Webinar bei einem Videokonferenzanbieter
Pandemie wurden so beispielsweise LSBTIQ*-               mit über 200 Zuschauer_innen stattfand. Sie
Nachbarschaftshilfen und -Nothilfefonds ins              wurde von unserem wissenschaftlichen Refe-
Leben gerufen.                                           rat Gesellschaft, Teilhabe und Antidiskriminie-
Für uns als Stiftung war und ist diese Pandemie          rung konzipiert und widmete sich der Frage, ob
in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung, die          Reproduktionstechnologien queeres Potenzial
unsere Arbeit über das ganze Jahr 2020 hinweg            für Fortpflanzung, Elternschaft und Verwandt-
stark geprägt hat. Einige der für 2020 geplan-           schaft bieten – oder ob sie bestehende Macht-
ten Projekte und Veranstaltungen mussten                 verhältnisse fortschreiben. Die Referent_innen
aufgrund der notwendigen Infektionsschutz-               Gülden Ediger, Dr. Ute Kalender und Anthea
maßnahmen verschoben oder gar abgesagt                   Kyere haben mit ihren Beiträgen zu dieser Lec-
werden.
                                                     5
ture zu einem zukunftsweisenden Diskurs bei-             Die Pandemie hat allerding nicht nur die oft-
getragen. Auch die dreiteilige Workshop-Reihe            mals prekäre Lebenssituation von LSBTIQ*-Ge-
„Misch dich ein! Politische Partizipation und            flüchteten verschärft, sie hat auch die LSBTIQ*-
Empowerment für LSBTIQ*-Geflüchtete“ fand                Community als Ganze in besonderem Maße ge-
im digitalen Raum statt. Hier konnten insbe-             troffen. Die politischen und rechtlichen Maß-
sondere LSBTIQ*-Geflüchtete und Asylsu-                  nahmen wie auch die gesellschaftlichen Verän-
chende, die sich politisch betätigen wollen, hilf-       derungen haben nachhaltige Auswirkungen auf
reiches Grundlagenwissen erwerben.                       die Gesundheitsversorgung und auf die Struk-
                                                         turen der LSBTIQ*-Community. Kneipen und
Anfang 2020 hat die BMH das Netzwerk Queer               Clubs mussten geschlossen und Veranstaltun-
European Asylum mitbegründet. Das Netzwerk               gen abgesagt werden, Beratungs- und Selbst-
ist ein Zusammenschluss aus Wissenschaft-                hilfeangebote sind extrem eingeschränkt. Vie-
ler_innen, zivilgesellschaftlichen Organisatio-          len Schutzräumen und Anlaufstellen droht das
nen und Aktivist_innen mit dem Ziel, die spezi-          finanzielle Aus. Welche langfristigen Folgen die
fische Situation von LSBTIQ*-Geflüchteten                Pandemie für die Community haben wird, ist
sichtbar zu machen. Die fruchtbare Zusammen-             noch nicht abzusehen. Um ein Bild der Lage zu
arbeit mit dem Netzwerk Queer European                   gewinnen, hat die BMH gemeinsam mit dem
Asylum, insbesondere bei der Konzeption und              Bundesverband Trans* (BVT*) e.V., Interge-
Organisation von Veranstaltungen zur spezifi-            schlechtliche Menschen e. V. und dem Lesben-
schen Situation von LSBTIQ* mit Fluchthinter-            und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)
grund, werden wir weiter fortsetzen.                     e.V. Fachgespräche mit Expert_innen aus ver-
Kurz nach Beginn der Pandemie haben wir mit              schiedenen Bereichen geführt sowie eine Um-
dem Netzwerk Aktivist_innen, Vertreter_innen             frage unter LSBTIQ*-Organisationen und -Initi-
von Nichtregierungsorganisationen, Bera-                 ativen in Auftrag gegeben. Allen Beteiligten
ter_innen und Rechtsanwält_innen zu einem                war es wichtig, nicht nur eine Bestandsauf-
Symposium unter dem Titel „COVID-19 and                  nahme zu machen. Ziel war es vielmehr auch,
Queer Asylum“ eingeladen, um gemeinsam                   Vorschläge und Forderungen zu entwickeln,
Wege zu finden, die Situation von LSBTIQ*-Ge-            wie die betroffenen Einrichtungen und Organi-
flüchteten zu verbessern. Das dort erarbeitete           sationen gestützt und dadurch erhalten bezie-
Strategiepapier mit Handlungsempfehlungen                hungsweise LSBTIQ* künftig besser in politi-
konnten wir unmittelbar im Anschluss mit Ver-            schen Entscheidungen mitberücksichtigt wer-
treter_innen aus Politik, Verwaltung und Be-             den können. Eine im März 2021 veröffentlichte
hörden, mit Integrationsbeauftragten mehre-              Broschüre fasst die Auswirkungen der Krise auf
rer Bundesländer sowie zivilgesellschaftlichen           LSBTIQ* zusammen und gibt konkrete Empfeh-
Akteur_innen diskutieren.                                lungen für Politik und Verwaltung in Bund, Län-
                                                         dern und Kommunen. Wir hoffen und wün-
Im November 2020 organisierten wir mit dem               schen uns, dass diese Publikation gerade auch
Netzwerk das Online-Symposium „Anerken-                  im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl
nung und Prävention von Gewalt gegen LSB-                dazu beitragen wird, LSBTIQ*-Communityver-
TIQ*-Personen auf der Flucht“. Im Zentrum                tretungen und Entscheidungsträger_innen mit-
standen hier die Anerkennung geschlechtsspe-             einander ins Gespräch zu bringen. Ermöglicht
zifischer Gewalt in den Asylanträgen LSBTIQ*-            wurde sie durch die Mitfinanzierung des Bun-
Geflüchteter und die Gewalt, die sie in                  desministeriums für Familie, Senioren, Frauen
Deutschland erleben.                                     und Jugend (BMFSFJ), dem ich an dieser Stelle
Diese hat in der Corona-Pandemie in besonde-             ebenso danken möchte, wie allen, die geför-
rem Maße zugenommen, gerade gegenüber                    dert haben, sowie den zahlreichen weiteren
Menschen, die in Sammelunterkünften und                  Unterstützer_innen        und     Kooperations-
Ankunftszentren untergebracht sind.                      partner_innen.

                                                     6
der Stiftung sowie unserer Publikationen und
Dazu gehört beispielweise das Institut für Zeit-        Medien zu modernisieren.
geschichte München-Berlin (IfZ), mit dem das
BMH-Referat Kultur, Geschichte und Erinne-              Herzlich danken möchte ich unserer Kuratori-
rung bereits bei verschiedenen zeitgeschichtli-         umsvorsitzenden, Bundesministerin der Justiz
chen Projekten zusammenarbeiten konnte. Die             und für Verbraucherschutz Christine Lam-
Unterstützung des Ministeriums für Familie,             brecht, MdB, dem Bundesministerium der Jus-
Frauen, Jugend, Integration und Verbraucher-            tiz und für Verbraucherschutz (BMJV) insge-
schutz des Landes Rheinland-Pfalz ermöglichte           samt für die bereits vierjährige institutionelle
es, gemeinsam mit der renommierten Histori-             Förderung unserer Stiftung und dem Fachrefe-
kerin Dr. Kirsten Plötz einen bislang kaum              rat I A 7 für die vertrauensvolle Begleitung un-
wahrgenommenen Aspekt der Diskriminierung               serer Arbeit, und ebenso den hoch engagierten
aufzuarbeiten: die Auswirkungen des Ehe- und            Mitgliedern unseres Kuratoriums und unseres
Scheidungsfolgenrechts auf Mütter in lesbi-             Fachbeirats. Beide Gremien haben die Stiftung
schen Beziehungen und ihre Kinder in West-              mit hohem Engagement und überaus wertvol-
deutschland. 2020 konnte Dr. Kirsten Plötz ihre         len Denkanstößen bei ihrer Weiterentwicklung
dreijährige intensive Recherche, bei der sie sich       unterstützt. Durch ihr Fachwissen und ihre kri-
in besonderem Maße auf Rheinland-Pfalz kon-             tische wie produktive Begleitung haben sie ei-
zentrierte, abschließen und ihre Studie zur Ver-        nen sehr wichtigen Anteil am Erfolg unserer
öffentlichung vorbereiten.                              Stiftung.

2020 beobachteten wir vermehrt, dass demo-              Zu guter Letzt aber möchte ich allen hauptamt-
kratische Werte und wissenschaftliche Stan-             lichen und studentischen Mitarbeiter_innen in
dards, ja die Akzeptanz von LSBTIQ* und der             den drei Referaten und in der Verwaltung un-
Rechtsstaat als solcher in Frage gestellt wurde.        serer Stiftung danken. Franziska Kohse, Assis-
Zugleich wuchs das mediale Interesse an unse-           tenz der Geschäftsführung und für das externe
rer Arbeit sowie an LSBTIQ*-Themen generell.            Projektförderungsmanagement zuständig, hat
Unser Referat Medienarbeit und Veranstal-               2020 die BMH verlassen. Ich danke Ihr für die
tungsmanagement versorgte Journalist_innen,             jahrelange hervorragende Zusammenarbeit.
traditionelle und digitale Medien, Politik, Wirt-       Dem großen Einsatz des Teams in unserer Ge-
schaft und Verwaltung mit Fakten und Hinter-            schäftsstelle ist es zu verdanken, dass die Stif-
grundinformationen, stellte unsere Arbeit auf           tung weiterhin mit guten Aussichten in die Zu-
unseren eigenen Kanälen und über unsere digi-           kunft blicken kann.
talen Netzwerke dar und war Ansprechpartner
für Anfragen.
Der kontinuierliche Ausbau des redaktionellen           Berlin, 29. Juni 2021
Angebots der Social Media-Kanäle zu Themen
rund um LSBTIQ* stieß auch im zurückliegen-
den Jahr auf ein stetig wachsendes Interesse.
Die Zahl der Follower_innen und der Aufrufe
unserer Facebook-, Twitter- und Instagram-An-           Jörg Litwinschuh-Barthel
gebote ist erneut gestiegen.
Zugleich wurde von unserem zuständigen Re-
ferat begonnen, das grafische Erscheinungsbild

                                                    7
Referat Gesellschaft, Teilhabe und Antidiskriminierung

„Refugees & Queers“. Politische Bil-                   http://queereuropeanasylum.org/events/
dung an der Schnittstelle LSBTIQ* und                  covid-19-symposium/
                                                       Ein kurzes Video gibt die wichtigsten Aussagen
Flucht / Migration / Asyl
                                                       des Symposiums wieder:
                                                       https://www.youtube.com/
                                                       watch?v=QsLvRnZLWsI
Netzwerk Queer European Asylum
Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH)             Die Erkenntnisse aus den drei Gesprächsrun-
ist im Rahmen des Projekts „Refugees &                 den mündeten in ein Strategiepapier mit poli-
Queers“ seit 2020 Mitglied im Netzwerk                 tischen Empfehlungen, unter anderem zu den
„Queer European Asylum“ (QUEAN), das aus               Sicherheits- und Gesundheitsstandards in den
Wissenschaftler_innen, zivilgesellschaftlichen         Ankunftszentren und Gemeinschaftsunter-
Organisationen und Aktivist_innen besteht.             künften. So sollte der Zugang zu gesundheitli-
Ziel des Netzwerkes ist es, auf die spezifische        cher Versorgung während der Pandemie für
Situation von LSBTIQ* mit Fluchthintergrund            alle und unabhängig vom Aufenthaltsstatus ge-
aufmerksam zu machen. 2020 hat das Netz-               währleistet sein sowie das Diskriminierungs-
werk dazu verschiedene Veranstaltungen orga-           und Ausgrenzungsrisiko für LSBTIQ*-Geflüch-
nisiert, die von der BMH unterstützt wurden.           tete evaluiert und minimiert werden.
                                                       Programme und Einrichtungen zur Bekämp-
                                                       fung von geschlechtsspezifischer Gewalt müss-
Symposium „COVID-19 and Queer Asylum “                 ten die Bedarfslagen von LSBTIQ*-Personen
Das virtuelle Symposium am 29. April 2020 be-          und intersektionale Diskriminierungsformen
schäftigte sich mit den Auswirkungen der               mit einbeziehen. Gefordert wird, die Bera-
Coronapandemie auf LSBTIQ*-Geflüchtete. In             tungs- und Unterstützungsangebote für LSB-
drei Gesprächsrunden mit Aktivist_innen, Ver-          TIQ*-Geflüchtete während der Pandemie nicht
treter_innen von Nichtregierungorganisatio-            einzustellen, um das Risiko von (Re-) Traumati-
nen, Berater_innen und Rechtsanwält_innen              sierung, Depression, Selbstverletzung und Dro-
zeigte sich, dass LSBTIQ*-Geflüchtete in beson-        genmissbrauch zu minimieren. Mit kostenlo-
derem Maße von den Auswirkungen der                    sen Internetverbindungen in den Unterkünften
Coronapandemie betroffen sind. In Ankunfts-            geflüchteter Menschen wiederum könne der
zentren und Geflüchtetenunterkünften, wo ein           Kontakt mit Sozialarbeiter_innen, Beratungs-
großer Teil von ihnen untergebracht ist, kam es        stellen, LSBTIQ*-Einrichtungen und Freund_in-
verstärkt zu LSBTIQ*-feindlicher Gewalt und            nen sichergestellt werden.
soziale Isolation nahm zu. Communityange-              Das vollständige Strategiepapier mit ausführli-
bote wurden vorübergehend ausgesetzt oder              chen Begründungen der Forderungen ist online
ins Internet verschoben – und wurden damit             abrufbar:
für diejenigen unerreichbar, die in ihrer Unter-       http://www.bristol.ac.uk/media-
kunft keinen WLAN-Zugang haben. (Mehr dazu             library/sites/policybristol/briefings-and-re-
im Interview mit Lilith Raza)                          ports-pdfs/2020-briefings-and-reports-
So wurde in der Coronapandemie in besonde-             pdfs/Queer%20asylum%20and%20CO-
rem Maße deutlich, dass es in der Gesundheits-         VID_DE_FINAL.pdf
versorgung, den Beratungs- und Communi-
tyangeboten sowie der Bereitstellung von si-
cheren Unterkünften für LSBTIQ* noch deutli-
che Lücken und großen Nachholbedarf gibt.
Die Panels des Symposiums sind auf der Web-
seite des Netzwerks einsehbar:
                                                   8
„Die Auswirkungen der Pandemie auf queere             von Gewalt gegen LSBTIQ*-Personen auf der
Geflüchtete“ – Gesprächsrunde mit politi-             Flucht“.
schen Entscheidungsträger_innen                       Das Symposium konzentrierte sich in zwei Pa-
Im Anschluss an das Onlinesymposium "COVID-           nels auf die Anerkennung geschlechtsspezifi-
19 and Queer Asylum" am 29. April 2020 orga-          scher Gewalt in den Asylanträgen lesbischer,
nisierte das Netzwerk eine Gesprächsrunde mit         bisexueller, trans* und intergeschlechtlicher
politischen Entscheidungsträger_innen, um die         Geflüchteter sowie auf die Bekämpfung von
beim Symposium erarbeiteten Handlungsemp-             Gewalt gegen LSBTIQ*-Geflüchtete in Deutsch-
fehlungen vorzustellen und Raum für Aus-              land. Den Abschluss des Symposiums bildete
tausch und Dialog zu bieten.                          eine partizipative Aufführung der Theater-
Rund 30 Personen nahmen daran teil, darunter          gruppe ice&fire.
Politiker_innen verschiedener Parteien, Integ-        Weitere Informationen zum Symposium und
rationsbeauftragte aus mehreren Bundeslän-            die zwei Panels stehen zum Nachschauen auf
dern, Vertreter_innen von Bundes- und Lan-            der Webseite des Netzwerks zur Verfügung:
desministerien sowie verschiedener Verwal-            www.queereuropeanasylum.org
tungen und Behörden, die im Migrationskon-
text arbeiten, und zivilgesellschaftliche Ak-
teur_innen.                                           Online-Workshopreihe zu Politischer Partizi-
Die Gesprächsrunde wurde von Jörg Litwin-             pation und Empowerment von LSBTIQ*-Ge-
schuh-Barthel, dem geschäftsführenden Vor-            flüchteten
stand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld,           Die dreiteilige Veranstaltungsreihe „Misch dich
eröffnet. Anschließend stellten Dr. Mengia            ein! Politische Partizipation und Empower-
Tschalaer (Queer European Asylum Network)             ment für LSBTIQ*-Geflüchtete“ richtete sich
und Andreas Schwantner (Amnesty Internatio-           vorwiegend an LSBTIQ*-Geflüchtete und -Asyl-
nal) das Thema in zwei Kurzvorträgen einfüh-          suchende, die sich politisch engagieren wollen
rend dar. In kleinen Gesprächsrunden wurde            oder dies bereits tun. 15 Personen nahmen da-
anschließend diskutiert. Die Vorträge und die         ran teil. Die Online-Workshops widmeten sich
Diskussionen zeigten, dass die Sicherheit und         unter anderem folgenden Fragen:
Gesundheit von LSBTIQ*-Geflüchteten wäh-              Wie laufen politische Prozesse in Deutschland
rend der Pandemie besonders gefährdet sind            ab und wie kann ich mich einbringen? Wie
und dass die Corona-Maßnahmen die beson-              kann ich meine Forderungen öffentlich ma-
deren Bedürfnisse von LSBTIQ*-Geflüchteten            chen und wie finde ich Verbündete?
explizit einbeziehen müssen.                          Den Auftakt bildete am 16. Oktober 2020 der
Die Vorträge finden sich unter: http://queereu-       Workshop „Politische Prozesse in Deutschland
ropeanasylum.org/covid-19-and-queer-                  verstehen“ mit Lilith Raza, Queer Refugees
asylum-discussion-forum/                              Deutschland (LSVD). Der Workshop „Organisie-
                                                      rung und Vernetzung“ am 23. Oktober 2020
                                                      wurde von der Initiative Women in Exile gelei-
Online-Symposium: Anerkennung und Prä-                tet. Die dritte Veranstaltung dieser Reihe
vention von Gewalt gegen LSBTIQ*-Personen             „Social Media strategisch nutzen“ fand am 30.
auf der Flucht                                        Oktober 2020 statt und wurde von TakeOver –
Ein weiteres Online-Symposium in Kooperation          Verein für intersektionale Kampagnenarbeit
mit dem Queer European Asylum Netzwerk                verantwortet.
fand am 13. November 2020 statt. Es widmete
sich dem Thema „Anerkennung und Prävention

                                                  9
Interview: „Die Gewalt gegenüber LSB-
TIQ*-Geflüchteten wird kaum themati-                    Inwieweit werden Positionen, Strategien und
                                                        Forderungen von QUEAN von den Verant-
siert“ (mit Lilith Raza)
                                                        wortlichen in der Politik auch wahrgenom-
                                                        men?
Lilith Raza engagiert sich in unterschiedlichen
                                                        Das hängt in Deutschland sehr vom jeweiligen
Funktionen seit 2015 für die Rechte von LSB-
                                                        Bundesland beziehungsweise den jeweiligen
TIQ*-Geflüchteten, u.a. im Projekt „Queer Re-
                                                        Städten ab.
fugees Deutschland“ des Lesben- und Schwu-
                                                        Entscheidend ist letztlich immer, wie gut die
lenverband in Deutschland (LSVD). Sie ist au-
                                                        Community in den Regionen aufgestellt und
ßerdem Mitbegründerin des Queer European
                                                        mit der Politik verbunden ist. In Berlin, Ham-
Asylum Network (QUEAN).
                                                        burg und Nordrhein-Westfalen wie auch in Tei-
                                                        len Baden-Württembergs und Hessens sieht
Das Queer European Asylum Network ver-                  man beispielsweise Bewegung in der Politik.
steht sich, wie der Name bereits sagt, als Netz-
                                                        Das zeigt sich etwa daran, dass Community-
werk. Welche Personen und Institutionen ha-
                                                        Projekte finanziell gefördert und dadurch un-
ben sich hier zusammengeschlossen?                      terstützt werden. So konnten in Nordrhein-
Lilith Raza: Zum Netzwerk gehören derzeit ne-           Westfalen, Hessen und Bayern Organisationen,
ben Aktivist_innen viele, überwiegend in                die sich für die Belange von LSBTIQ* Menschen
Deutschland ansässige Nichtregierungsorgani-            einsetzen, in den letzten Monaten spezielle
sationen und Institutionen, etwa aus den Be-            Fachstellen einrichten.
reichen Wissenschaft und Beratung. Was uns
vereint ist die Arbeit für und mit queeren Ge-
                                                        Mit dem von der Bundesstiftung Magnus
flüchteten.
                                                        Hirschfeld unterstützten Online-Symposium
                                                        „Anerkennung und Prävention von Gewalt ge-
Was sind Kernziele des Netzwerkes?                      gen LSBTIQ*-Personen auf der Flucht“ im No-
Es geht uns zunächst um eine bessere Sichtbar-          vember 2020 hat QUEAN einen thematischen
keit der geflüchteten LSBTIQ*-Menschen und              Arbeitsschwerpunkt gesetzt. Gab es für diese
um eine größere Intersektionalität in diesem            Problematik eine besondere Dringlichkeit?
Bereich. Beides geht im politischen Alltag meist        Dass die Gewalt gegenüber LSBTIQ*-Geflüchte-
unter. Es fehlt an der Wahrnehmung dieser               ten, insbesondere wenn sie in Gemeinschafts-
Menschen und ihrer besonderen Probleme.                 unterkünften leben, bislang kaum sichtbar und
Eine weitere Aufgabe, die wir uns gesetzt ha-           damit auch nicht thematisiert wurde, hat ver-
ben, ist es, die Rechte von LSBTIQ*, gleich wel-        schiedene Gründe. Die Betroffenen scheuen
cher Nationalität und Herkunft, zu stärken. Zu          sich häufig davor, solche Vorfälle zu melden,
solchen Themen verfassen wir Positionspa-               weil sie Angst haben, dadurch vielleicht ihr
piere, die an die Entscheidungsträger_innen in          Asylverfahren zu gefährden. Bei „Queer Refu-
der Politik, aber auch an jene Menschen gerich-         gees Deutschland“ erhalten wir mittlerweile
tet sind, die konkret mit geflüchteten LSBTIQ*          täglich zwischen zwei oder vier Anfragen von
arbeiten.                                               geflüchteten Menschen in Deutschland. Nach
                                                        dem ersten Lockdown hat diese Zahl, wie ja
Wie ist das Netzwerk entstanden?                        auch generell die häusliche Gewalt, auch in den
Die Kerngruppe hat sich im Juni 2019 auf einer          Unterkünften noch einmal zugenommen. Es
Konferenz an der Universität Frankfurt am               geht dabei vor allem um Gewalt durch andere
Main kennengelernt und wir haben damals                 Mitbewohner_innen, vereinzelt aber auch
festgestellt, dass wir ähnliche Ziele verfolgen         durch das Sicherheitspersonal. Aufgrund der
und wir unsere Kapazitäten und Möglichkeiten            Pandemie sind die Leitungen dieser Einrichtun-
bündeln können. Im vergangenen Jahr haben               gen kaum mehr vor Ort. Auch Sozialarbei-
uns dann den Namen Queer European Asylum                ter_innen befinden sich im Home-Office. Doch
Network – kurz QUEAN – gegeben.

                                                   10
der direkte persönliche Kontakt ist wichtig, ins-        Problemlagen und der aktuellen Situation in
besondere wenn es um vertrauliche und                    den Unterkünften. Aber auch eine stärkere
schwierige Gespräche geht, wie etwa um Ge-               Vernetzung ist wichtig.
walterfahrungen.
                                                         An welche Akteur_innen wäre hier zu den-
Videogespräche, wie sie in diesen Corona-Zei-            ken?
ten selbstverständlich wurden, sind keine                Zum Beispiel an die Leitungen der Unterkünfte,
gute Alternative – warum?                                seien es Landeserstaufnahmeeinrichtungen
Das scheitert oft daran, dass geflüchtete Men-           oder Ankunftszentren. Nicht zu vergessen auch
schen nicht selbstverständlich einen guten Zu-           die Gleichstellungs- und Gewaltschutzbeauf-
gang zum Internet haben, vor allem aber fehlt            ragten und die Sonderbeauftragten des Bun-
es ihnen häufig an der notwendigen Pri-                  desamts für Migration und Flüchtlinge. Diese
vatsphäre. In Gemeinschaftsunterkünften, ins-            alle an einen Tisch zu bringen, würde unsere
besondere in Erstaufnahmeeinrichtungen und               Arbeit sehr erleichtern. Denn die Politik und die
„Zentren für Ankunft, Entscheidung, Rückfüh-             gesetzlichen Regelungen sind das eine; die
rung“ (ANKER-Zentren), leben die Menschen                konkrete, praktische Umsetzung das andere.
zum Teil zu dritt oder viert in einem Zimmer.            Dazu braucht es den engen Kontakt zu jenen
                                                         Verantwortlichen, die mit geflüchteten Men-
Vor dem Lockdown hatten sie noch die Mög-
                                                         schen arbeiten.
lichkeit rauszugehen und Orte mit kostenlosen
                                                         Zur Konferenz im November sind viele dieser
WLAN aufzusuchen, etwa Cafés. Viele Bera-
                                                         Personen unserer Einladung auch gefolgt. Al-
tungseinrichtungen bieten das auch in ihren
                                                         lein, dass wir gehört wurden, dass wir die Men-
Treffpunkten an. Doch diese sicheren Räume
                                                         schen in einen Austausch gebracht haben und
sind nun schon lange geschlossen.
                                                         die Politik unsere Forderungen mitgenommen
                                                         hat, ist ein Erfolg. Doch solche Konferenzen las-
Wie könnte die Arbeit des Netzwerks und
                                                         sen sich von unserem Netzwerk nicht so ne-
auch dessen Schlagkraft gestärkt werden?
                                                         benbei stemmen. Eine finanzielle Unterstüt-
Die wichtigsten Stichworte sind hier Kapazitä-
                                                         zung künftiger Veranstaltungen dieser Art, sei
ten und Ressourcen. Eine Förderung des Netz-
                                                         es durch andere Organisationen oder durch
werks, sei es durch Länder oder den Bund,
                                                         den Bund oder die Länder, wäre auch ein Zei-
würde uns ermöglichen, viele unserer Vor-
                                                         chen, dass unsere Arbeit wertgeschätzt wird.
schläge überhaupt umsetzen zu können. Damit
hätten wir dann auch die Möglichkeit, uns als
                                                         Vielen Dank für das Gespräch!
Netzwerk sichtbarer zu machen – gerade auch
für geflüchtete Menschen, die Rat und Hilfe su-
                                                         Zwei Panels des Online-Symposiums im No-
chen.
                                                         vember 2020 stehen zum Nachschauen auf der
Wir können ihnen in den meisten Fällen zwar
                                                         Webseite des Netzwerks zur Verfügung:
nicht konkret helfen, sie aber an die richtigen
                                                         http://queereuropeanasylum.org/
Stellen weitervermitteln. Einige Bundesländer
                                                         Dort sind auch die Dossiers und Positionspa-
sind da bereits sehr gut aufgestellt, in anderen
                                                         piere von QUEAN abzurufen.
sieht es hingegen noch sehr schlecht aus, etwa
in Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder Thürin-
gen. Als Netzwerk aber erfahren wir so von den

                                                    11
15. Hirschfeld Lecture: „Reprodukti-                   Die beiden Vorträge werden als 15. Band der
onstechnologien. Queere Perspektiven                   Hirschfeld Lectures voraussichtlich im Herbst
                                                       2021 im Wallstein Verlag erscheinen.
und reproduktive Gerechtigkeit“

Reproduktionstechnologien verändern die
menschliche Fortpflanzung: In-vitro-Fertilisa-         Broschüre “The L-Word in Business“
tion ermöglicht die Zeugung ohne heterosexu-
ellen Sex, Uterustransplantationen erlauben es         Wie erleben lesbische Frauen die Arbeitswelt?
Menschen ohne angeborene Gebärmutter,                  Können sie mit ihrer Homosexualität offen um-
schwanger zu werden und zu gebären. In Zu-             gehen? Oder müssen sie sich versteckt halten
kunft könnte es möglich sein, dass Schwanger-          und ein heterosexuelles Leben vortäuschen?
schaften ganz außerhalb des menschlichen               Wie gehen sie mit der Belastung um? Haben sie
Körpers stattfinden – durch Ektogenese, die            die gleichen Karrierechancen wie heterosexu-
Zeugung und Reifung eines Embryos in einem             elle Frauen und Männer?
künstlichen Uterus.                                    Wie zufrieden sind sie mit ihrem Arbeitsplatz?
Damit scheinen Reproduktionstechnologien               Diesen zentralen Fragen gingen die For-
die Chance zu bieten, herkömmliche Vorstel-            scher_innen Prof. Dr. Regine Graml, Prof. Dr.
lungen von Geschlecht, Sexualität und Familie          Tobias Hagen, Prof. Dr. Yvonne Ziegler, Dr. Kris-
zu überkommen. Machen sie queere Träume                tine Khachatryan und Ricky Astrida Herman
wahr? Diesen Themen widmete sich die am 22.            von der Frankfurt University of Applied Sci-
Oktober 2020 online durchgeführte 15. Hirsch-          ences in ihrem Forschungsprojekt „Lesbische
feld Lecture.                                          Frauen in der Arbeitswelt – The L-Word in Bu-
Anthea Kyere und Gülden Ediger stellten in ih-         siness“ nach. Ihre Studie, der eine Online-Be-
rem Vortrag „Kämpfe um Reproduktive Ge-                fragung vorausging, wurde von der BMH 2019
rechtigkeit – oder: Was heißt eigentlich queere        mit 45.000 Euro gefördert; die Ergebnisse im
Reproduktion?“ den in Schwarzen US-Feminis-            November 2020 komprimiert in einer 28-seiti-
men verankerten aktivistisch-theoretischen             gen Broschüre veröffentlicht. Sie steht kosten-
Ansatz „Reproduktive Gerechtigkeit“ vor und            frei zum Download zur Verfügung:
verschoben den Fokus auf marginalisierte               https://mh-stiftung.de/wp-content/uplo-
Gruppen. Die Kulturwissenschaftlerin Dr. Ute           ads/BMH_L-Word_Broschuere_A5.pdf
Kalender setzte sich anschließend unter dem
Titel „Technopioneer_innen, Rohstoffarbei-
ter_innen oder neue Eugenik_innen? Queere
Perspektiven auf Reproduktionstechnologien“            Die Auswirkungen der Coronapande-
mit verschiedenen Perspektiven auf Reproduk-           mie auf LSBTIQA*
tionstechnologien auseinander: Queer-Femi-
nismen, die für die gleichberechtigte Nutzung          Die Coronapandemie betrifft alle Bereiche des
von Reproduktionstechnologien kämpfen,                 menschlichen Zusammenlebens. Sie wirkt als
marxistische Feminismen, die fragen, wer im            Brennglas für die Probleme unserer Gesell-
globalen Biokapitalismus für die Erfüllung von         schaft: Soziale und wirtschaftliche Ungleichhei-
reproduktiven Wünschen arbeitet und Crip-Fe-           ten verschärfen sich. Menschen und Gruppen,
minismen, die Reproduktionstechnologien in             die schon vorher sozial benachteiligt waren,
den Kontext neuer Eugenik stellen.                     sind von den Einschränkungen in der Pandemie
Den Vorträgen und der im Anschluss von BMH-            stärker betroffen und haben weniger Ressour-
Referentin Magdalena Müssig moderierten                cen, mit den teils gravierenden Auswirkungen
Diskussion folgten rund 200 Zuhörer_innen.             von COVID-19 umzugehen.
Die gesamte Veranstaltung wurde simultan in            Lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, interge-
deutsche Gebärdensprache gedolmetscht.                 schlechtliche, queere und asexuelle Personen
                                                  12
(LSBTIQA*) sind durch die Pandemie und die             gen insbesondere in den Bereichen Communi-
damit einhergehenden politischen und rechtli-          tystrukturen, Gesundheitsversorgung, Lock-
chen Maßnahmen sowie gesellschaftlichen                down und Kontaktbeschränkungen sowie in
Veränderungen mit besonderen Herausforde-              gesellschaftlichen Debatten und im politischen
rungen und Härten konfrontiert. Die BMH hat            Agenda Setting.
gemeinsam mit dem Bundesverband Trans*,
Intergeschlechtliche Menschen e.V. und dem             Die Ergebnisse stehen seit März 2021 in einer
Lesben- und Schwulenverband (LSVD) die Aus-            vom Bundesministerium für Familie, Senioren,
wirkungen der Coronapandemie auf LSBTIQA*              Frauen und Jugend (BMFSFJ) mitfinanzierten
untersucht.                                            Broschüre zusammengefasst kostenfrei zum
                                                       Download zur Verfügung:
Zu diesem Zweck wurden Fachgespräche mit               https://mh-stiftung.de/2021/03/11/
Expert_innen aus verschiedenen Bereichen ge-           broschuere-auswirkungen-coronapandemie/
führt und LSBTIQ*-Organisationen und -Initia-
tiven befragt, wie es ihnen in der Krise ergan-
gen ist und ergeht. Es zeigten sich Auswirkun-

                                                  13
Fußball für Vielfalt – Fußball gegen Ho-               - Hannover 96
mophobie und gegen Sexismus                            - 1. FC Heidenheim
                                                       - VfL Osnabrück
Das 2013 gestartete Projekt „Fußball für Viel-
falt – Fußball gegen Homophobie und gegen              Aufgrund der pandemisch bedingten Situation
Sexismus“ ist eines der „Leuchtturm-Projekte“          mussten diese vereinbarten Workshops jedoch
der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH).            verschoben werden; lediglich ein Workshop für
Zentrale Ziele sind, zum Abbau von Homo- und           die Kieler Sportvereinigung Holstein von 1900
Transfeindlichkeit und Sexismus im Sport bei-          e. V. (KSV Holstein) konnte im August 2020
zutragen und zugleich die Akzeptanz gegen-             noch realisiert werden. Ab Frühjahr 2021 wer-
über sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zu        den die ausgefallenen Workshops neu termi-
fördern.                                               niert, zudem haben weitere Vereine ihr Inte-
                                                       resse bekundet.
In Kooperation mit der sportpsychologischen
Beratungsstelle „Challenges“ unter der wissen-
                                                       - Aktivitäten im Bereich der Forschung
schaftlichen Leitung von Prof. Dr. Martin
Schweer an der Universität Vechta setzt die
                                                       Wie offen gehen die Menschen im Sport mit se-
BMH in diesem Themenfeld darauf, über die
                                                       xueller Vielfalt um? Fühlen sich Lesben und
Forcierung von Bildung und empirischer For-
                                                       Schwule im Sport akzeptiert? Diesen und ande-
schung einen fundierten Einblick vor allen in
                                                       ren Fragen geht das Forschungsprojekt „Akse-
den organisierten Sport zu gewinnen, um diese
                                                       Vielfalt – Zur Akzeptanz sexueller Vielfalt im or-
Erkenntnisse für anwendungsbezogene Maß-
                                                       ganisierten Sport am Beispiel des Fußballs in
nahmen unmittelbar nutzen zu können.
                                                       Niedersachsen“ der sportpsychologischen Ar-
Bildungsmodule (Workshops) und Beratung
                                                       beitsstelle Challenges der Universität Vechta
sprechen als Zielgruppen etwa Sportler_innen,
                                                       nach.
Trainer_innen, Schiedsrichter_innen, Fanbe-
auftragte und andere Funktionär_innen in den
                                                       Prof. Dr. Martin Schweer und sein Team konn-
Amateur- und Profi-Vereinen sowie in den Ver-
                                                       ten die Erhebungen zu der vom Niedersächsi-
bänden an. Die Bildungsmaßnahmen sollen die
                                                       schen Ministerium für Wissenschaft und Kultur
Akteur_innen für die Thematik sensibilisieren,
                                                       (MWK) geförderten Studie (April 2017 bis März
ein kritisches Problembewusstsein stärken und
                                                       2020; Gesamtfördersumme: 238.719 Euro) in
zielführende Handlungsstrategien für den Um-
                                                       2020 abschließen.
gang mit Diskriminierungen vermitteln.
                                                       Zuletzt wurden dazu zwischen März und Mai
                                                       2020 insgesamt 15 Vertreter_innen aus Ver-
- Aktivitäten im Bereich der Bildungsmaßnah-
                                                       bänden und Vereinen des organisierten (Fuß-
  men
                                                       ball-)Sports in Deutschland telefonisch inter-
                                                       viewt. Auf Basis der quantitativen Befunde (N
An den Workshops mit dem Titel „Gemeinsam
                                                       = 841) wurde das Akzeptanzbarometer als eine
für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt – ge-
                                                       Kurzversion des zunächst eingesetzten Messin-
gen Sexismus und Homophobie im Fußball“,
                                                       struments entwickelt.
die in Kooperation mit der Bundesliga-Stiftung
veranstaltet werden, haben bislang zehn Ver-
                                                       Die geplante Abschlussveranstaltung mit Ver-
eine der 1. und 2. Bundesliga teilgenommen.
                                                       treter_innen aus der Scientific Community so-
Im Jahr 2020 hat sich insgesamt ein verstärktes
                                                       wie aus Verbänden und Vereinen des organi-
Interesse an den Workshops abgezeichnet; so
                                                       sierten (Fußball-)Sports konnte aufgrund der
wurden bereits Termine mit folgenden Verei-
                                                       Corona-Pandemie nicht in geplanter Form an-
nen vereinbart:
                                                       geboten werden. Daher wurde in 2020 ein um-
- KSV Holstein
                                                       fassendes digitales Paket konzipiert, das zent-
- VfL Bochum
- SV Darmstadt 98
                                                  14
rale paradigmatisch-theoretische Überlegun-                auch auf Jugendliche und junge Erwachsene
gen, empirische Befunde und schließlich ziel-              ausgerichtet sein, um entsprechende Haltun-
gruppenspezifisch abgeleitete Empfehlungen                 gen im Zuge ihrer Identitätsentwicklung zu
für Maßnahmen zur Sensibilisierung und Ak-                 stärken.“
zeptanzsteigerung gebündelt vorstellt. Dieses              Zu den Erstunterzeichnenden gehörten neben
digitale Paket wird in 2021 zur Verbreitung der            Vereinen wie der FC Bayern München, der FC
Projektergebnisse eingesetzt. Die Empfehlun-               St. Pauli 1910 und Hertha BSC Berlin auch der
gen fließen zudem auch in die Konzeption der               Deutsche Olympische Sportbund und der Deut-
Workshops „Gemeinsam für sexuelle und ge-                  sche Fußballbund. Als Vertreter_innen der da-
schlechtliche Vielfalt – gegen Sexismus und Ho-            maligen Bundesregierung unterstützen Bun-
mophobie im Fußball“ und in die Planung wei-               desjustizministerin   Sabine     Leutheusser-
terführender Maßnahmen der Initiative Fuß-                 Schnarrenberger, der Innenminister Hans-Pe-
ball für Vielfalt – Fußball gegen Homophobie               ter Friedrich, die Familienministerin Kristina
und gegen Sexismus ein.                                    Schröder und die Leiterin der Antidiskriminie-
                                                           rungsstelle des Bundes, Christine Lüders, die
                                                           „Berliner Erklärung“.
Berliner Erklärung „Gemeinsam gegen Homo-
phobie. Für Vielfalt, Respekt und Akzeptanz
im Sport“                                                  Inzwischen haben 57 Vereine, Verbände und
                                                           Firmen die Erklärung unterzeichnet. 2020 sind
„Das Zusammenwirken möglichst vieler Ein-                  der SV Waldhof Mannheim 07 und der 1. FC
richtungen des Sports und der Zivilgesellschaft            Heidenheim 1846 e.V. neu hinzugekommen.
für Vielfalt, Respekt und Akzeptanz im Sport
bietet die besten Voraussetzungen für einen
                                                           Unterzeichnende der Berliner Erklärung:
nachhaltigen Wandel im Denken und Handeln
aller Beteiligten.“
                                                           Fußballvereine 1. Bundesliga:
         „Berliner Erklärung“ vom 17. Juli 2013
                                                           1. FC Nürnberg e.V.
                                                           1. FSV Mainz 05 e.V.
Auftakt des Projekts „Fußball für Vielfalt“ war            Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH
die Berliner Erklärung „Gemeinsam gegen Ho-                Borussia Dortmund
mophobie. Für Vielfalt, Respekt und Akzeptanz              Eintracht Frankfurt e.V.
im Sport“, die im Juli 2013 auf Initiative der             FC Bayern München
Bundesstiftung Magnus Hirschfeld veröffent-                FC Gelsenkirchen-Schalke 04 e.V.
licht wurde. Ziel der Erklärung ist es, eine breite        Hannover 96
Akzeptanz homosexueller Menschen im gesell-                Hertha BSC Berlin
schaftlichen Bereich des Sports in Deutschland
                                                           RasenBallsport Leipzig e.V. SC
zu erreichen und dort homophobe Anfeindun-
                                                           Paderborn 07
gen, Verunglimpfungen und Herabsetzungen
                                                           VFB Stuttgart 1893 e.V.
zurückzudrängen. Insbesondere soll so auch
                                                           VFL Wolfsburg-Fußball GmbH
ein Klima der Akzeptanz gegenüber aktiven
LSBTIQ*-Sportler_innen geschaffen werden.                  Werder Bremen
„Wir setzen uns von daher für ein aktives Vor-
gehen gegen Homofeindlichkeit auf allen Ebe-               Fußballvereine 2. Bundesliga:
nen des Sports ein“, heißt es unter anderem in             1. FC Heidenheim 1846 e.V.
der Erklärung. „Wir unterstützen Maßnahmen                 1. FC Köln 01/07 e.V.
zur Förderung eines vorurteilsfreien Klimas so-            1. FC Union Berlin
wie zur Schaffung einer Kultur gelebter Vielfalt           1. Fußball-Club Kaiserlautern e.V.
auf der Basis gegenseitiger Wertschätzung und              DSC Armenia Bielefeld e.V.
Achtung. Solche Maßnahmen sollten vor allem
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Düsseldorfer Turn- und Sportverein Fortuna
1895 e.V.                                         Unternehmen:
FC St. Pauli 1910                                 Abbvie Deutschland GmbH & Co. KG
FSV Frankfurt 1899 Fußball GmbH                   Adidas Group
Hamburger Sport-Verein e.V.                       Sky Deutschland GmbH
Sportverein 1916 Sandhausen e.V.
SPVGG Greuther Fürth                              Verbände:
TSV 1850 München                                  Amadeu Antonio Stiftung
VFL Bochum 1848 Fußballgemeinschaft e.V.          Badischer Fußballverband e.V.
                                                  Bayrischer Fußballverband e.V.
Andere Fußballvereine:                            Bremer Fußball-Verband e.V.
1. FC Lokomotive Leipzig                          Bundesstiftung Magnus Hirschfeld
Altonaer Fußball-Club von 1893 e.V.               Charta der Vielfalt
F.C. Hansa Rostock                                Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB)
FC Alsterbrüder von 1948 e.V.                     Die Liga – Fußballverband e.V.
FC Ente Bagdad                                    Fußball-Landesverband Brandenburg e.V.
FC Norden e.V.                                    Hessischer Fußball-Verband
FV Fischbach 1915 e.V.                            Koordinierungsstelle Fanprojekte bei der deut-
Oranienburger Eintracht 1901 e.V.                 schen Sportjugend (KOS)
Polar Pinguin e.V.                                Saarländischer Fußballverband e.V.
SK Waldenheim                                     Württembergischer Fußballverband e.V.
SV Waldhof-Mannheim 07
VC Carl Zeiss Jena                                Weitere Informationen zum Projekt:
VFB Oldenburg                                     https://www.fussball-fuer-vielfalt.de
VFR Mannheim

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Referat Kultur, Geschichte und Erinnerung

Sonderband zum 150. Geburtstag von                      seine Hoffnung zu Herzen nehmen. Ungeach-
Magnus Hirschfeld                                       tet mancher Rückschläge: "Die Menschheit ist
                                                        lernfähig", zeigte sich Herzog überzeugt.
                                                        Die verschiedenen Vorträge werden um Foto-
Eine Zusammenschau der Würdigungen Mag-
                                                        grafien und Statements zur Bedeutung Hirsch-
nus Hirschfelds und der gegenwärtigen, ge-
                                                        felds heute ergänzt. Als besonderes Erinne-
schlechts- und sexualemanzipatorischen Auf-
                                                        rungsstück ist dem, im Wallstein Verlag Göttin-
gaben.
                                                        gen erschienenen Buch die im Juli 2018 er-
Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH)
                                                        schienene 70-Cent-Gedenkbriefmarke zu Eh-
erinnerte 2018 an den 150. Geburtstag ihres
                                                        ren Magnus Hirschfelds beigelegt.
Namensgebers, des Arztes und Sexualwissen-
schaftlers Dr. Magnus Hirschfeld. In mehreren
Veranstaltungen wurden das Leben und das
Werk Hirschfelds gewürdigt, einem breiten               Gemeinsamer Antrag: Gedenkkugel für
Publikum bekannt gemacht und gleichzeitig die           die Mahn- und Gedenkstätte Ravens-
Aufmerksamkeit auf gegenwärtige Herausfor-              brück
derungen, Projekte und Aufgaben gerichtet.
Der vorliegende Band versammelt auf 132 Sei-            Ein breites Bündnis von queeren Gruppen und
ten zahlreiche Grußworte und Vorträge, die im           Initiativen, in dem sich die Bundesstiftung
Rahmen dieser Veranstaltungen gehalten wur-             Magnus Hirschfeld engagiert, hat am 1.Okto-
den, unter anderem der damaligen Bundesjus-             ber 2020 einen gemeinsamen Antrag auf Er-
tizministerin Dr. Katarina Barley, dem Berliner         richtung eines kugelförmigen Gedenksteins für
Kultursenator Dr. Klaus Lederer und Sabine              die im ehemaligen KZ Ravensbrück inhaftierten
Leutheusser-Schnarrenberger vom Förderkreis             lesbischen Frauen bei der Stiftung Brandenbur-
der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Außer-            gische Gedenkstätten gestellt. Das Internatio-
dem äußern sich darin verschiedene Promi-               nale Ravensbrück-Komitee und die deutsche
nente zur Bedeutung Magnus Hirschfelds                  und      österreichische     Lagergemeinschaft
heute. Hervorzuheben ist auch das Nachwort              Ravensbrück unterstützen die Initiative. Mit
von Ruth Gabrielle Cohen, der in Australien le-         dem Memorial in der Mahn- und Gedenkstätte
benden Großnichte von Magnus Hirschfeld.                soll ein würdiges Zeichen der Erinnerung an die
Der Titel des Bandes „Liebe und Gerechtigkeit.          dort inhaftierten lesbischen Frauen errichtet
Zum 150. Geburtstag von Magnus Hirschfeld“              werden. Die zivilgesellschaftlichen Initiativen
nimmt eine Formulierung der Historikerin Prof.          und Organisationen, darunter der Fachverband
Dr. Dagmar Herzog auf, deren Aufsatz den Mit-           Homosexualität und Geschichte (FHG), der Les-
telpunkt des Bandes bildet. In ihrem Festvor-           benRing e.V. sowie der Lesben- und Schwulen-
trag anlässlich der Gedenkfeier im Berliner             verband (LSVD), haben im guten Konsens eine
Haus der Kulturen der Welt rückte sie die Ver-          Inschrift für das aus Ton gefertigte Gedenkzei-
dienste Hirschfelds in den Vordergrund. „Wir            chen formuliert. Sie lautet:
haben Magnus Hirschfeld als Vorbild weiterhin
dringendst nötig“, betont sie in ihrer Rede. Die        „In Gedenken aller lesbischen Frauen und
Bejahung der Sexualität unter Erwachsenen in            Mädchen im Frauen-KZ Ravensbrück und
ihrer Vielfalt und ihren Schutz vor staatlicher         Uckermark. Sie wurden verfolgt, inhaftiert,
Regulierung definiert Herzog als ersten Leitsatz        auch ermordet.
von Hirschfelds Lehre, die heute so aktuell sei         Ihr seid nicht vergessen.“
wie im letzten Jahrhundert. Die heutige LSB-
TIQ*-Bewegung könne sich seinen Mut und

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Archiv der anderen Erinnerungen                         auch außerhalb der BMH-Geschäftsstelle für
                                                        Forscher_innen zugänglich zu machen. Nach
Aufgrund der Corona-Pandemie konnten 2020               Abschluss der Testphase ist eine Kooperation
letztlich nur zwei neue lebensgeschichtliche In-        mit der Stiftung Denkmal für die ermordeten
terviews mit LSBTIQ* geführt werden. Um die             Juden Europas angestrebt, um die Interviews
Personen vor Infektionsrisiken zu schützen,             quellengerecht präsentieren und erschließen
mussten einige der geplanten Interviews zum             und die Archivnutzung zugänglicher machen zu
Teil mehrmals neu terminiert werden. Manche             können.
konnten schließlich nach 2021 verschoben                Die Erschließung liefert einen schnellen Über-
werden, bei anderen kam es leider auch zu völ-          blick über die Themen jedes Interviews, sie
ligen Absagen.                                          macht aber auch übersichtlich auf Details der
                                                        jeweiligen Lebensgeschichte aufmerksam.
Fünf Interviews im Archiv der anderen Erinne-           Durch die Erschließung in der Datenbank wird
rungen wurden – basierend auf der Datenbank             ein schnelles Auffinden relevanter Passagen in
www.sprechentrotzallem.de der Stiftung                  den meist mehrere Stunden langen Interviews
Denkmal für die ermordeten Juden Europas –              ermöglicht, ohne die Interviews zu schneiden
testweise ausführlich durch Transkriptionen,            oder zu kürzen, also ohne in sie eingreifen zu
Zeitmarken, Sequenzierungen, Lebensläufe,               müssen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung
historische Zusammenfassungen, Übersichten,             für die Bereitstellung der Interviews im Archiv
Kontextbeschreibungen und Verschlagwortun-              als historische Quelle.
gen erschlossen. Ziel ist, eine webbasierte Da-
tenbank aufzubauen, die es ermöglicht, die In-
terviews (sofern die Rechte dazu vorliegen)

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