Tätigkeitsbericht 2020 - Bundesstiftung Magnus Hirschfeld Wissen schafft Akzeptanz.
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Inhalt Geleitwort der Kuratoriumsvorsitzenden ............................................................................................3 Einführung des Vorstands ...................................................................................................................5 Referat Gesellschaft, Teilhabe und Antidiskriminierung.......................................................................8 „Refugees & Queers“. Politische Bildung an der Schnittstelle LSBTIQ* und Flucht / Migration / Asyl ..................................8 Interview: „Die Gewalt gegenüber LSBTIQ* Geflüchteten wird kaum thematisiert“ (mit Lilith Raza) ............................................................................................................................. 10 15. Hirschfeld Lecture: „Reproduktionstechnologien. Queere Perspektiven und reproduktive Gerechtigkeit“............................................................................................................................... 12 Broschüre “The L-Word in Business“ ............................................................................................. 12 Die Auswirkungen der Coronapandemie auf LSBTIQA* .................................................................. 12 Fußball für Vielfalt – Fußball gegen Homophobie und gegen Sexismus .......................................... 14 Referat Kultur, Geschichte und Erinnerung........................................................................................ 17 Sonderband zum 150. Geburtstag von Magnus Hirschfeld ............................................................. 17 Gemeinsamer Antrag: Gedenkkugel für die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück....................... 17 Archiv der anderen Erinnerungen.................................................................................................. 18 Interview: „Es war das erste Mal, dass ich so viel im Gespräch mit anderen von mir preisgegeben habe“ (mit Klaus Schirdewahn) ................................................................... 19 Referat Medienarbeit und Veranstaltungsmanagement .................................................................... 21 Auswirkungen der Pandemie......................................................................................................... 21 Die BMH in den Medien ................................................................................................................ 21 Die Social-Media-Kanäle der BMH ................................................................................................. 22 Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen ............................................................................ 23 Förderung von externen Bildungs- und Forschungsprojekten ............................................................ 25 Veröffentlichungen der BMH und ihrer Mitarbeiter_innen ................................................................ 30 Das Stiftungsjahr 2020 im Überblick .................................................................................................. 31 Vermögensanlage ............................................................................................................................. 33 Ausblick auf 2021 .............................................................................................................................. 35 Kuratorium und Fachbeirat 2020 ....................................................................................................... 36 Das Team der Stiftung in 2020 .......................................................................................................... 38 Impressum ........................................................................................................................................ 39 2
Geleitwort der Kuratoriumsvorsitzenden lange Zeit nicht möglich. Das hat es noch an- ©Thomas Köhler / photothek spruchsvoller gemacht, als es ohnehin schon ist, diese Menschen zu unterstützen – Men- schen, die häufig nicht nur auf ihrer Flucht, son- dern auch hier bei uns Gewalt ausgesetzt sind. Doch mit großem Engagement hat sich die BMH um kontaktlose Alternativen bemüht. Ein besonderer Brennpunkt sind die Unterkünfte der Geflüchteten. Geflüchtete müssen sich da- rauf verlassen können, an ihrem Wohnort ge- schützt zu sein. Leider sieht die Realität für viele LSBTIQ*-Geflüchtete anders aus. Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass ge- Christine Lambrecht Bundesministerin der Justiz und schlechtsspezifische Gewalt zugenommen hat. für Verbraucherschutz, MdB Gleichzeitig waren viele Geflüchtete von Bera- tungsangeboten abgeschnitten. Umso wichti- ger ist es, dass sich die BMH im Netzwerk „In der Krise Chancen sehen.“ Das könnte die „Queer European Asylum“ engagiert. Dieses Überschrift für das Jahr 2020 der Bundesstif- Netzwerk bündelt die Kräfte verschiedener In- tung Magnus Hirschfeld sein. Untertitel: „Enga- stitutionen, um auf die spezifischen Bedürf- giert und robust durch die Pandemie.“ nisse von queeren Geflüchteten hinzuweisen und ihre Situation nachhaltig zu verbessern. Wie viele andere Institutionen musste die BMH ihre Mitarbeitenden ins Homeoffice schicken; In der Pandemie galt es nicht nur, das schon Veranstaltungen und andere Zusammenkünfte laufende Engagement so gut wie möglich fort- in digitale Formate überführen; freigewordene zusetzen. Durch die Pandemie haben sich auch Mittel anderweitig verplanen. Das wertvolle ganz neue Fragen aufgedrängt. Und dieser Fra- Engagement für die Belange von LSBTIQ* stand gen hat sich die BMH mit vollem Einsatz ange- vor enormen Herausforderungen. So etwa das nommen. Was bedeutet die Pandemie für die Archiv der anderen Erinnerungen. Viele Inter- LSBTIQ*-Community? Brechen stabilisierende views für dieses Erinnerungsarchiv mussten lei- Strukturen weg, die nur sehr schwer wieder- der ausfallen. Ich hoffe sehr, dass sich mög- aufzubauen sind? Wie geht es den Menschen, lichst viele Betroffene erneut ein Herz fassen die gerade jetzt in einer sehr fragilen Phase ih- können und zu einem späteren Zeitpunkt über res Lebens sind und dringend Beistand brau- ihre Unterdrückungs- und Verfolgungsge- chen? Wie wirken sich die Kontaktbeschrän- schichte berichten. Denn diese Zeitzeugnisse kungen aus? Die BMH hat diese und andere sind grundlegend für die gesellschaftliche Erin- dringende Fragen mit wichtigen Akteuren der nerung des staatlichen Unrechts, das nicht he- Community analysiert – und Empfehlungen für terosexuelle Menschen in Deutschland auch Politik und Gesellschaft erarbeitet. Ich bedanke lange nach Ende des Nationalsozialismus noch mich sehr dafür, dass die BMH so einen wichti- erleiden mussten. gen Dialog angestoßen und das Problembe- wusstsein geschärft hat. Vor großen Schwierigkeiten stand auch das En- gagement für queere Geflüchtete. Ein Aus- tausch von Angesicht zu Angesicht war über 3
Im vergangenen Jahr konnte der mit Spannung benennen. Ich danke den Mitgliedern des Ku- erwartete Sonderband zum 150. Geburtstag ratoriums sehr herzlich dafür, dass sie die Bun- Magnus Hirschfelds erscheinen: „Liebe und Ge- destiftung auch in diesem schwierigen Jahr mit rechtigkeit“. Er bildet den krönenden Ab- Rat und Tat entschlossen unterstützt haben – schluss zu den zahlreichen Würdigungen und oft auch außerhalb des Plenums und mit über- Feierlichkeiten zum Jubiläumsjahr 2018. Ge- obligatorischem Einsatz. sellschaftlich und politisch bedeutende Perso- nen befassen sich darin mit Werk und Leben Mein ebenso herzlicher Dank gilt den Mitglie- Magnus Hirschfelds. Und sie setzen sein Schaf- dern des Fachbeirats. Auch der Beirat war ge- fen in Bezug zu gegenwärtigen geschlechts- zwungen, seine Beratungen – insbesondere zu und sexualemanzipatorischen Herausforde- den externen Bildungs- und Forschungsprojek- rungen. Aber nicht nur das macht diesen Band ten – in den virtuellen Raum zu verlagern. Das besonders lesenswert. Durch zahlreiche Foto- zu begutachtende Antragsvolumen im sechs- grafien und Statements bleibt uns Magnus stelligen Bereich ist für seine ehrenamtlich tä- Hirschfeld lebendig und wird einem breiten tigen Mitglieder stets eine Herausforderung. Publikum vertrauter. Diese Herausforderung haben sie auch im schwierigen Jahr 2020 dank hervorragender Wir können also festhalten: Die Bundesstiftung Expertise und großem Engagement bewältigt. Magnus Hirschfeld hat sich in der Pandemie als genaue Beobachterin einer Gesellschaft im In diesem Jahr war es möglich, viele pandemie- Ausnahmezustand bewiesen, aus der spezifi- bedingte Einschränkungen zurückzunehmen. schen Perspektive ihres Stiftungszwecks. Und Und wir können optimistisch in die Zukunft es ist ihr gelungen, trotz der schwierigen Ba- schauen. Denn die Hoffnung ist groß, dass wir lance von Homeoffice und privaten Verpflich- die Pandemie bald überwunden haben. Lassen tungen, auch in der Pandemie hervorragende Sie uns die wiedergewonnenen Freiheiten und Arbeit zu leisten. Dafür danke ich dem Vor- Kräfte nutzen! Lassen Sie uns weiterhin be- stand und seinem Stiftungsteam sehr herzlich! herzt für die Belange der LSBTIQ* eintreten! Gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Ge- Auch das Kuratorium hat sich an die besonde- walt. Für gleiche Würde und gleiche Freiheit. ren Gegebenheiten angepasst. In seiner ersten digitalen Sitzung am 23. November 2020 hat es gezeigt: Es lässt sich auch in diesem ungewohn- ten Format lebhaft diskutieren und konstruktiv zusammenarbeiten. Besonders freue ich mich darüber, dass wir in dieser Sitzung ein sichtba- res und wichtiges Zeichen setzen konnten: für Christine Lambrecht geschlechtliche Selbstbestimmung und Vielfalt Bundesministerin der Justiz jenseits binärer Verortung. Dank einer Sat- und für Verbraucherschutz zungsänderung hat der Bundesverband Trans* nun das Recht, ein Mitglied des Kuratoriums zu 4
Einführung des Vorstands Dies betraf beispielsweise die Workshopange- © BMH | Sabine Hauf bote für Profi-Fußballvereine im Rahmen un- sere Initiative „Fußball für Vielfalt – Fußball ge- gen Homofeindlichkeit und gegen Sexismus“ mit der Universität Vechta, der DFL und der DFL-Stiftung. Die lebensgeschichtlichen Inter- views für das Archiv der anderen Erinnerungen, für das unser wissenschaftliches Referat Kultur, Geschichte und Erinnerung verantwortlich ist, mussten teilweise verschoben werden. Auch einige der von der Stiftung selbst geför- derten externen Bildungs- und Forschungspro- Jörg Litwinschuh-Barthel Geschäftsführender Vorstand jekte konnten nicht wie ursprünglich geplant durchgeführt werden, sondern mussten von den Projektträger_innen verändert, gekürzt Liebe Leser_innen, oder ganz abgesagt werden. Doch all diese Schwierigkeiten haben auch un- der Tätigkeitsbericht 2020 der Bundesstiftung seren Ehrgeiz und unsere Kreativität herausge- Magnus Hirschfeld (BMH) gibt Ihnen eine um- fordert. Das Team der BMH wie auch unsere fassende Übersicht über die Ressourcen unse- Kooperationspartner_innen haben neue Wege rer Arbeit und stellt Ihnen Schwerpunkte und beschritten und Experimente gewagt, um auch Projekte vor, die wir im vergangenen Jahr in Zeiten, in denen „echte“ Begegnungen nicht selbst gesetzt beziehungsweise finanziell ge- möglich sind, in den direkten fachlichen Aus- fördert haben. tausch zu kommen und Bildungs- und For- 2020 war auch für die BMH ein Jahr großer Her- schungsprojekte zu realisieren. Wir entwickel- ausforderungen: Durch die COVID 19-Pande- ten neue, digitale Formate und Angebote und mie sind nicht nur gesellschaftliche Verwerfun- konnten damit auch Menschen erreichen, wel- gen und Ungleichheiten sichtbarer geworden, che die Arbeit der BMH bisher noch nicht oder sondern sie hat auch bestehende Probleme nur am Rande kannten. Ein Beispiel dafür ist und Defizite verschärft. Zudem zeigte sich, was die 15. Hirschfeld Lecture mit dem Titel „Re- solidarisches Handeln und Verantwortungs- produktionstechnologien. Queere Perspekti- übernahme für die und in der LSBTIQ*-Com- ven und reproduktive Gerechtigkeit“, die als munity bedeuten kann. Gleich zu Beginn der Webinar bei einem Videokonferenzanbieter Pandemie wurden so beispielsweise LSBTIQ*- mit über 200 Zuschauer_innen stattfand. Sie Nachbarschaftshilfen und -Nothilfefonds ins wurde von unserem wissenschaftlichen Refe- Leben gerufen. rat Gesellschaft, Teilhabe und Antidiskriminie- Für uns als Stiftung war und ist diese Pandemie rung konzipiert und widmete sich der Frage, ob in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung, die Reproduktionstechnologien queeres Potenzial unsere Arbeit über das ganze Jahr 2020 hinweg für Fortpflanzung, Elternschaft und Verwandt- stark geprägt hat. Einige der für 2020 geplan- schaft bieten – oder ob sie bestehende Macht- ten Projekte und Veranstaltungen mussten verhältnisse fortschreiben. Die Referent_innen aufgrund der notwendigen Infektionsschutz- Gülden Ediger, Dr. Ute Kalender und Anthea maßnahmen verschoben oder gar abgesagt Kyere haben mit ihren Beiträgen zu dieser Lec- werden. 5
ture zu einem zukunftsweisenden Diskurs bei- Die Pandemie hat allerding nicht nur die oft- getragen. Auch die dreiteilige Workshop-Reihe mals prekäre Lebenssituation von LSBTIQ*-Ge- „Misch dich ein! Politische Partizipation und flüchteten verschärft, sie hat auch die LSBTIQ*- Empowerment für LSBTIQ*-Geflüchtete“ fand Community als Ganze in besonderem Maße ge- im digitalen Raum statt. Hier konnten insbe- troffen. Die politischen und rechtlichen Maß- sondere LSBTIQ*-Geflüchtete und Asylsu- nahmen wie auch die gesellschaftlichen Verän- chende, die sich politisch betätigen wollen, hilf- derungen haben nachhaltige Auswirkungen auf reiches Grundlagenwissen erwerben. die Gesundheitsversorgung und auf die Struk- turen der LSBTIQ*-Community. Kneipen und Anfang 2020 hat die BMH das Netzwerk Queer Clubs mussten geschlossen und Veranstaltun- European Asylum mitbegründet. Das Netzwerk gen abgesagt werden, Beratungs- und Selbst- ist ein Zusammenschluss aus Wissenschaft- hilfeangebote sind extrem eingeschränkt. Vie- ler_innen, zivilgesellschaftlichen Organisatio- len Schutzräumen und Anlaufstellen droht das nen und Aktivist_innen mit dem Ziel, die spezi- finanzielle Aus. Welche langfristigen Folgen die fische Situation von LSBTIQ*-Geflüchteten Pandemie für die Community haben wird, ist sichtbar zu machen. Die fruchtbare Zusammen- noch nicht abzusehen. Um ein Bild der Lage zu arbeit mit dem Netzwerk Queer European gewinnen, hat die BMH gemeinsam mit dem Asylum, insbesondere bei der Konzeption und Bundesverband Trans* (BVT*) e.V., Interge- Organisation von Veranstaltungen zur spezifi- schlechtliche Menschen e. V. und dem Lesben- schen Situation von LSBTIQ* mit Fluchthinter- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) grund, werden wir weiter fortsetzen. e.V. Fachgespräche mit Expert_innen aus ver- Kurz nach Beginn der Pandemie haben wir mit schiedenen Bereichen geführt sowie eine Um- dem Netzwerk Aktivist_innen, Vertreter_innen frage unter LSBTIQ*-Organisationen und -Initi- von Nichtregierungsorganisationen, Bera- ativen in Auftrag gegeben. Allen Beteiligten ter_innen und Rechtsanwält_innen zu einem war es wichtig, nicht nur eine Bestandsauf- Symposium unter dem Titel „COVID-19 and nahme zu machen. Ziel war es vielmehr auch, Queer Asylum“ eingeladen, um gemeinsam Vorschläge und Forderungen zu entwickeln, Wege zu finden, die Situation von LSBTIQ*-Ge- wie die betroffenen Einrichtungen und Organi- flüchteten zu verbessern. Das dort erarbeitete sationen gestützt und dadurch erhalten bezie- Strategiepapier mit Handlungsempfehlungen hungsweise LSBTIQ* künftig besser in politi- konnten wir unmittelbar im Anschluss mit Ver- schen Entscheidungen mitberücksichtigt wer- treter_innen aus Politik, Verwaltung und Be- den können. Eine im März 2021 veröffentlichte hörden, mit Integrationsbeauftragten mehre- Broschüre fasst die Auswirkungen der Krise auf rer Bundesländer sowie zivilgesellschaftlichen LSBTIQ* zusammen und gibt konkrete Empfeh- Akteur_innen diskutieren. lungen für Politik und Verwaltung in Bund, Län- dern und Kommunen. Wir hoffen und wün- Im November 2020 organisierten wir mit dem schen uns, dass diese Publikation gerade auch Netzwerk das Online-Symposium „Anerken- im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl nung und Prävention von Gewalt gegen LSB- dazu beitragen wird, LSBTIQ*-Communityver- TIQ*-Personen auf der Flucht“. Im Zentrum tretungen und Entscheidungsträger_innen mit- standen hier die Anerkennung geschlechtsspe- einander ins Gespräch zu bringen. Ermöglicht zifischer Gewalt in den Asylanträgen LSBTIQ*- wurde sie durch die Mitfinanzierung des Bun- Geflüchteter und die Gewalt, die sie in desministeriums für Familie, Senioren, Frauen Deutschland erleben. und Jugend (BMFSFJ), dem ich an dieser Stelle Diese hat in der Corona-Pandemie in besonde- ebenso danken möchte, wie allen, die geför- rem Maße zugenommen, gerade gegenüber dert haben, sowie den zahlreichen weiteren Menschen, die in Sammelunterkünften und Unterstützer_innen und Kooperations- Ankunftszentren untergebracht sind. partner_innen. 6
der Stiftung sowie unserer Publikationen und Dazu gehört beispielweise das Institut für Zeit- Medien zu modernisieren. geschichte München-Berlin (IfZ), mit dem das BMH-Referat Kultur, Geschichte und Erinne- Herzlich danken möchte ich unserer Kuratori- rung bereits bei verschiedenen zeitgeschichtli- umsvorsitzenden, Bundesministerin der Justiz chen Projekten zusammenarbeiten konnte. Die und für Verbraucherschutz Christine Lam- Unterstützung des Ministeriums für Familie, brecht, MdB, dem Bundesministerium der Jus- Frauen, Jugend, Integration und Verbraucher- tiz und für Verbraucherschutz (BMJV) insge- schutz des Landes Rheinland-Pfalz ermöglichte samt für die bereits vierjährige institutionelle es, gemeinsam mit der renommierten Histori- Förderung unserer Stiftung und dem Fachrefe- kerin Dr. Kirsten Plötz einen bislang kaum rat I A 7 für die vertrauensvolle Begleitung un- wahrgenommenen Aspekt der Diskriminierung serer Arbeit, und ebenso den hoch engagierten aufzuarbeiten: die Auswirkungen des Ehe- und Mitgliedern unseres Kuratoriums und unseres Scheidungsfolgenrechts auf Mütter in lesbi- Fachbeirats. Beide Gremien haben die Stiftung schen Beziehungen und ihre Kinder in West- mit hohem Engagement und überaus wertvol- deutschland. 2020 konnte Dr. Kirsten Plötz ihre len Denkanstößen bei ihrer Weiterentwicklung dreijährige intensive Recherche, bei der sie sich unterstützt. Durch ihr Fachwissen und ihre kri- in besonderem Maße auf Rheinland-Pfalz kon- tische wie produktive Begleitung haben sie ei- zentrierte, abschließen und ihre Studie zur Ver- nen sehr wichtigen Anteil am Erfolg unserer öffentlichung vorbereiten. Stiftung. 2020 beobachteten wir vermehrt, dass demo- Zu guter Letzt aber möchte ich allen hauptamt- kratische Werte und wissenschaftliche Stan- lichen und studentischen Mitarbeiter_innen in dards, ja die Akzeptanz von LSBTIQ* und der den drei Referaten und in der Verwaltung un- Rechtsstaat als solcher in Frage gestellt wurde. serer Stiftung danken. Franziska Kohse, Assis- Zugleich wuchs das mediale Interesse an unse- tenz der Geschäftsführung und für das externe rer Arbeit sowie an LSBTIQ*-Themen generell. Projektförderungsmanagement zuständig, hat Unser Referat Medienarbeit und Veranstal- 2020 die BMH verlassen. Ich danke Ihr für die tungsmanagement versorgte Journalist_innen, jahrelange hervorragende Zusammenarbeit. traditionelle und digitale Medien, Politik, Wirt- Dem großen Einsatz des Teams in unserer Ge- schaft und Verwaltung mit Fakten und Hinter- schäftsstelle ist es zu verdanken, dass die Stif- grundinformationen, stellte unsere Arbeit auf tung weiterhin mit guten Aussichten in die Zu- unseren eigenen Kanälen und über unsere digi- kunft blicken kann. talen Netzwerke dar und war Ansprechpartner für Anfragen. Der kontinuierliche Ausbau des redaktionellen Berlin, 29. Juni 2021 Angebots der Social Media-Kanäle zu Themen rund um LSBTIQ* stieß auch im zurückliegen- den Jahr auf ein stetig wachsendes Interesse. Die Zahl der Follower_innen und der Aufrufe unserer Facebook-, Twitter- und Instagram-An- Jörg Litwinschuh-Barthel gebote ist erneut gestiegen. Zugleich wurde von unserem zuständigen Re- ferat begonnen, das grafische Erscheinungsbild 7
Referat Gesellschaft, Teilhabe und Antidiskriminierung „Refugees & Queers“. Politische Bil- http://queereuropeanasylum.org/events/ dung an der Schnittstelle LSBTIQ* und covid-19-symposium/ Ein kurzes Video gibt die wichtigsten Aussagen Flucht / Migration / Asyl des Symposiums wieder: https://www.youtube.com/ watch?v=QsLvRnZLWsI Netzwerk Queer European Asylum Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) Die Erkenntnisse aus den drei Gesprächsrun- ist im Rahmen des Projekts „Refugees & den mündeten in ein Strategiepapier mit poli- Queers“ seit 2020 Mitglied im Netzwerk tischen Empfehlungen, unter anderem zu den „Queer European Asylum“ (QUEAN), das aus Sicherheits- und Gesundheitsstandards in den Wissenschaftler_innen, zivilgesellschaftlichen Ankunftszentren und Gemeinschaftsunter- Organisationen und Aktivist_innen besteht. künften. So sollte der Zugang zu gesundheitli- Ziel des Netzwerkes ist es, auf die spezifische cher Versorgung während der Pandemie für Situation von LSBTIQ* mit Fluchthintergrund alle und unabhängig vom Aufenthaltsstatus ge- aufmerksam zu machen. 2020 hat das Netz- währleistet sein sowie das Diskriminierungs- werk dazu verschiedene Veranstaltungen orga- und Ausgrenzungsrisiko für LSBTIQ*-Geflüch- nisiert, die von der BMH unterstützt wurden. tete evaluiert und minimiert werden. Programme und Einrichtungen zur Bekämp- fung von geschlechtsspezifischer Gewalt müss- Symposium „COVID-19 and Queer Asylum “ ten die Bedarfslagen von LSBTIQ*-Personen Das virtuelle Symposium am 29. April 2020 be- und intersektionale Diskriminierungsformen schäftigte sich mit den Auswirkungen der mit einbeziehen. Gefordert wird, die Bera- Coronapandemie auf LSBTIQ*-Geflüchtete. In tungs- und Unterstützungsangebote für LSB- drei Gesprächsrunden mit Aktivist_innen, Ver- TIQ*-Geflüchtete während der Pandemie nicht treter_innen von Nichtregierungorganisatio- einzustellen, um das Risiko von (Re-) Traumati- nen, Berater_innen und Rechtsanwält_innen sierung, Depression, Selbstverletzung und Dro- zeigte sich, dass LSBTIQ*-Geflüchtete in beson- genmissbrauch zu minimieren. Mit kostenlo- derem Maße von den Auswirkungen der sen Internetverbindungen in den Unterkünften Coronapandemie betroffen sind. In Ankunfts- geflüchteter Menschen wiederum könne der zentren und Geflüchtetenunterkünften, wo ein Kontakt mit Sozialarbeiter_innen, Beratungs- großer Teil von ihnen untergebracht ist, kam es stellen, LSBTIQ*-Einrichtungen und Freund_in- verstärkt zu LSBTIQ*-feindlicher Gewalt und nen sichergestellt werden. soziale Isolation nahm zu. Communityange- Das vollständige Strategiepapier mit ausführli- bote wurden vorübergehend ausgesetzt oder chen Begründungen der Forderungen ist online ins Internet verschoben – und wurden damit abrufbar: für diejenigen unerreichbar, die in ihrer Unter- http://www.bristol.ac.uk/media- kunft keinen WLAN-Zugang haben. (Mehr dazu library/sites/policybristol/briefings-and-re- im Interview mit Lilith Raza) ports-pdfs/2020-briefings-and-reports- So wurde in der Coronapandemie in besonde- pdfs/Queer%20asylum%20and%20CO- rem Maße deutlich, dass es in der Gesundheits- VID_DE_FINAL.pdf versorgung, den Beratungs- und Communi- tyangeboten sowie der Bereitstellung von si- cheren Unterkünften für LSBTIQ* noch deutli- che Lücken und großen Nachholbedarf gibt. Die Panels des Symposiums sind auf der Web- seite des Netzwerks einsehbar: 8
„Die Auswirkungen der Pandemie auf queere von Gewalt gegen LSBTIQ*-Personen auf der Geflüchtete“ – Gesprächsrunde mit politi- Flucht“. schen Entscheidungsträger_innen Das Symposium konzentrierte sich in zwei Pa- Im Anschluss an das Onlinesymposium "COVID- nels auf die Anerkennung geschlechtsspezifi- 19 and Queer Asylum" am 29. April 2020 orga- scher Gewalt in den Asylanträgen lesbischer, nisierte das Netzwerk eine Gesprächsrunde mit bisexueller, trans* und intergeschlechtlicher politischen Entscheidungsträger_innen, um die Geflüchteter sowie auf die Bekämpfung von beim Symposium erarbeiteten Handlungsemp- Gewalt gegen LSBTIQ*-Geflüchtete in Deutsch- fehlungen vorzustellen und Raum für Aus- land. Den Abschluss des Symposiums bildete tausch und Dialog zu bieten. eine partizipative Aufführung der Theater- Rund 30 Personen nahmen daran teil, darunter gruppe ice&fire. Politiker_innen verschiedener Parteien, Integ- Weitere Informationen zum Symposium und rationsbeauftragte aus mehreren Bundeslän- die zwei Panels stehen zum Nachschauen auf dern, Vertreter_innen von Bundes- und Lan- der Webseite des Netzwerks zur Verfügung: desministerien sowie verschiedener Verwal- www.queereuropeanasylum.org tungen und Behörden, die im Migrationskon- text arbeiten, und zivilgesellschaftliche Ak- teur_innen. Online-Workshopreihe zu Politischer Partizi- Die Gesprächsrunde wurde von Jörg Litwin- pation und Empowerment von LSBTIQ*-Ge- schuh-Barthel, dem geschäftsführenden Vor- flüchteten stand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Die dreiteilige Veranstaltungsreihe „Misch dich eröffnet. Anschließend stellten Dr. Mengia ein! Politische Partizipation und Empower- Tschalaer (Queer European Asylum Network) ment für LSBTIQ*-Geflüchtete“ richtete sich und Andreas Schwantner (Amnesty Internatio- vorwiegend an LSBTIQ*-Geflüchtete und -Asyl- nal) das Thema in zwei Kurzvorträgen einfüh- suchende, die sich politisch engagieren wollen rend dar. In kleinen Gesprächsrunden wurde oder dies bereits tun. 15 Personen nahmen da- anschließend diskutiert. Die Vorträge und die ran teil. Die Online-Workshops widmeten sich Diskussionen zeigten, dass die Sicherheit und unter anderem folgenden Fragen: Gesundheit von LSBTIQ*-Geflüchteten wäh- Wie laufen politische Prozesse in Deutschland rend der Pandemie besonders gefährdet sind ab und wie kann ich mich einbringen? Wie und dass die Corona-Maßnahmen die beson- kann ich meine Forderungen öffentlich ma- deren Bedürfnisse von LSBTIQ*-Geflüchteten chen und wie finde ich Verbündete? explizit einbeziehen müssen. Den Auftakt bildete am 16. Oktober 2020 der Die Vorträge finden sich unter: http://queereu- Workshop „Politische Prozesse in Deutschland ropeanasylum.org/covid-19-and-queer- verstehen“ mit Lilith Raza, Queer Refugees asylum-discussion-forum/ Deutschland (LSVD). Der Workshop „Organisie- rung und Vernetzung“ am 23. Oktober 2020 wurde von der Initiative Women in Exile gelei- Online-Symposium: Anerkennung und Prä- tet. Die dritte Veranstaltung dieser Reihe vention von Gewalt gegen LSBTIQ*-Personen „Social Media strategisch nutzen“ fand am 30. auf der Flucht Oktober 2020 statt und wurde von TakeOver – Ein weiteres Online-Symposium in Kooperation Verein für intersektionale Kampagnenarbeit mit dem Queer European Asylum Netzwerk verantwortet. fand am 13. November 2020 statt. Es widmete sich dem Thema „Anerkennung und Prävention 9
Interview: „Die Gewalt gegenüber LSB- TIQ*-Geflüchteten wird kaum themati- Inwieweit werden Positionen, Strategien und Forderungen von QUEAN von den Verant- siert“ (mit Lilith Raza) wortlichen in der Politik auch wahrgenom- men? Lilith Raza engagiert sich in unterschiedlichen Das hängt in Deutschland sehr vom jeweiligen Funktionen seit 2015 für die Rechte von LSB- Bundesland beziehungsweise den jeweiligen TIQ*-Geflüchteten, u.a. im Projekt „Queer Re- Städten ab. fugees Deutschland“ des Lesben- und Schwu- Entscheidend ist letztlich immer, wie gut die lenverband in Deutschland (LSVD). Sie ist au- Community in den Regionen aufgestellt und ßerdem Mitbegründerin des Queer European mit der Politik verbunden ist. In Berlin, Ham- Asylum Network (QUEAN). burg und Nordrhein-Westfalen wie auch in Tei- len Baden-Württembergs und Hessens sieht Das Queer European Asylum Network ver- man beispielsweise Bewegung in der Politik. steht sich, wie der Name bereits sagt, als Netz- Das zeigt sich etwa daran, dass Community- werk. Welche Personen und Institutionen ha- Projekte finanziell gefördert und dadurch un- ben sich hier zusammengeschlossen? terstützt werden. So konnten in Nordrhein- Lilith Raza: Zum Netzwerk gehören derzeit ne- Westfalen, Hessen und Bayern Organisationen, ben Aktivist_innen viele, überwiegend in die sich für die Belange von LSBTIQ* Menschen Deutschland ansässige Nichtregierungsorgani- einsetzen, in den letzten Monaten spezielle sationen und Institutionen, etwa aus den Be- Fachstellen einrichten. reichen Wissenschaft und Beratung. Was uns vereint ist die Arbeit für und mit queeren Ge- Mit dem von der Bundesstiftung Magnus flüchteten. Hirschfeld unterstützten Online-Symposium „Anerkennung und Prävention von Gewalt ge- Was sind Kernziele des Netzwerkes? gen LSBTIQ*-Personen auf der Flucht“ im No- Es geht uns zunächst um eine bessere Sichtbar- vember 2020 hat QUEAN einen thematischen keit der geflüchteten LSBTIQ*-Menschen und Arbeitsschwerpunkt gesetzt. Gab es für diese um eine größere Intersektionalität in diesem Problematik eine besondere Dringlichkeit? Bereich. Beides geht im politischen Alltag meist Dass die Gewalt gegenüber LSBTIQ*-Geflüchte- unter. Es fehlt an der Wahrnehmung dieser ten, insbesondere wenn sie in Gemeinschafts- Menschen und ihrer besonderen Probleme. unterkünften leben, bislang kaum sichtbar und Eine weitere Aufgabe, die wir uns gesetzt ha- damit auch nicht thematisiert wurde, hat ver- ben, ist es, die Rechte von LSBTIQ*, gleich wel- schiedene Gründe. Die Betroffenen scheuen cher Nationalität und Herkunft, zu stärken. Zu sich häufig davor, solche Vorfälle zu melden, solchen Themen verfassen wir Positionspa- weil sie Angst haben, dadurch vielleicht ihr piere, die an die Entscheidungsträger_innen in Asylverfahren zu gefährden. Bei „Queer Refu- der Politik, aber auch an jene Menschen gerich- gees Deutschland“ erhalten wir mittlerweile tet sind, die konkret mit geflüchteten LSBTIQ* täglich zwischen zwei oder vier Anfragen von arbeiten. geflüchteten Menschen in Deutschland. Nach dem ersten Lockdown hat diese Zahl, wie ja Wie ist das Netzwerk entstanden? auch generell die häusliche Gewalt, auch in den Die Kerngruppe hat sich im Juni 2019 auf einer Unterkünften noch einmal zugenommen. Es Konferenz an der Universität Frankfurt am geht dabei vor allem um Gewalt durch andere Main kennengelernt und wir haben damals Mitbewohner_innen, vereinzelt aber auch festgestellt, dass wir ähnliche Ziele verfolgen durch das Sicherheitspersonal. Aufgrund der und wir unsere Kapazitäten und Möglichkeiten Pandemie sind die Leitungen dieser Einrichtun- bündeln können. Im vergangenen Jahr haben gen kaum mehr vor Ort. Auch Sozialarbei- uns dann den Namen Queer European Asylum ter_innen befinden sich im Home-Office. Doch Network – kurz QUEAN – gegeben. 10
der direkte persönliche Kontakt ist wichtig, ins- Problemlagen und der aktuellen Situation in besondere wenn es um vertrauliche und den Unterkünften. Aber auch eine stärkere schwierige Gespräche geht, wie etwa um Ge- Vernetzung ist wichtig. walterfahrungen. An welche Akteur_innen wäre hier zu den- Videogespräche, wie sie in diesen Corona-Zei- ken? ten selbstverständlich wurden, sind keine Zum Beispiel an die Leitungen der Unterkünfte, gute Alternative – warum? seien es Landeserstaufnahmeeinrichtungen Das scheitert oft daran, dass geflüchtete Men- oder Ankunftszentren. Nicht zu vergessen auch schen nicht selbstverständlich einen guten Zu- die Gleichstellungs- und Gewaltschutzbeauf- gang zum Internet haben, vor allem aber fehlt ragten und die Sonderbeauftragten des Bun- es ihnen häufig an der notwendigen Pri- desamts für Migration und Flüchtlinge. Diese vatsphäre. In Gemeinschaftsunterkünften, ins- alle an einen Tisch zu bringen, würde unsere besondere in Erstaufnahmeeinrichtungen und Arbeit sehr erleichtern. Denn die Politik und die „Zentren für Ankunft, Entscheidung, Rückfüh- gesetzlichen Regelungen sind das eine; die rung“ (ANKER-Zentren), leben die Menschen konkrete, praktische Umsetzung das andere. zum Teil zu dritt oder viert in einem Zimmer. Dazu braucht es den engen Kontakt zu jenen Verantwortlichen, die mit geflüchteten Men- Vor dem Lockdown hatten sie noch die Mög- schen arbeiten. lichkeit rauszugehen und Orte mit kostenlosen Zur Konferenz im November sind viele dieser WLAN aufzusuchen, etwa Cafés. Viele Bera- Personen unserer Einladung auch gefolgt. Al- tungseinrichtungen bieten das auch in ihren lein, dass wir gehört wurden, dass wir die Men- Treffpunkten an. Doch diese sicheren Räume schen in einen Austausch gebracht haben und sind nun schon lange geschlossen. die Politik unsere Forderungen mitgenommen hat, ist ein Erfolg. Doch solche Konferenzen las- Wie könnte die Arbeit des Netzwerks und sen sich von unserem Netzwerk nicht so ne- auch dessen Schlagkraft gestärkt werden? benbei stemmen. Eine finanzielle Unterstüt- Die wichtigsten Stichworte sind hier Kapazitä- zung künftiger Veranstaltungen dieser Art, sei ten und Ressourcen. Eine Förderung des Netz- es durch andere Organisationen oder durch werks, sei es durch Länder oder den Bund, den Bund oder die Länder, wäre auch ein Zei- würde uns ermöglichen, viele unserer Vor- chen, dass unsere Arbeit wertgeschätzt wird. schläge überhaupt umsetzen zu können. Damit hätten wir dann auch die Möglichkeit, uns als Vielen Dank für das Gespräch! Netzwerk sichtbarer zu machen – gerade auch für geflüchtete Menschen, die Rat und Hilfe su- Zwei Panels des Online-Symposiums im No- chen. vember 2020 stehen zum Nachschauen auf der Wir können ihnen in den meisten Fällen zwar Webseite des Netzwerks zur Verfügung: nicht konkret helfen, sie aber an die richtigen http://queereuropeanasylum.org/ Stellen weitervermitteln. Einige Bundesländer Dort sind auch die Dossiers und Positionspa- sind da bereits sehr gut aufgestellt, in anderen piere von QUEAN abzurufen. sieht es hingegen noch sehr schlecht aus, etwa in Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder Thürin- gen. Als Netzwerk aber erfahren wir so von den 11
15. Hirschfeld Lecture: „Reprodukti- Die beiden Vorträge werden als 15. Band der onstechnologien. Queere Perspektiven Hirschfeld Lectures voraussichtlich im Herbst 2021 im Wallstein Verlag erscheinen. und reproduktive Gerechtigkeit“ Reproduktionstechnologien verändern die menschliche Fortpflanzung: In-vitro-Fertilisa- Broschüre “The L-Word in Business“ tion ermöglicht die Zeugung ohne heterosexu- ellen Sex, Uterustransplantationen erlauben es Wie erleben lesbische Frauen die Arbeitswelt? Menschen ohne angeborene Gebärmutter, Können sie mit ihrer Homosexualität offen um- schwanger zu werden und zu gebären. In Zu- gehen? Oder müssen sie sich versteckt halten kunft könnte es möglich sein, dass Schwanger- und ein heterosexuelles Leben vortäuschen? schaften ganz außerhalb des menschlichen Wie gehen sie mit der Belastung um? Haben sie Körpers stattfinden – durch Ektogenese, die die gleichen Karrierechancen wie heterosexu- Zeugung und Reifung eines Embryos in einem elle Frauen und Männer? künstlichen Uterus. Wie zufrieden sind sie mit ihrem Arbeitsplatz? Damit scheinen Reproduktionstechnologien Diesen zentralen Fragen gingen die For- die Chance zu bieten, herkömmliche Vorstel- scher_innen Prof. Dr. Regine Graml, Prof. Dr. lungen von Geschlecht, Sexualität und Familie Tobias Hagen, Prof. Dr. Yvonne Ziegler, Dr. Kris- zu überkommen. Machen sie queere Träume tine Khachatryan und Ricky Astrida Herman wahr? Diesen Themen widmete sich die am 22. von der Frankfurt University of Applied Sci- Oktober 2020 online durchgeführte 15. Hirsch- ences in ihrem Forschungsprojekt „Lesbische feld Lecture. Frauen in der Arbeitswelt – The L-Word in Bu- Anthea Kyere und Gülden Ediger stellten in ih- siness“ nach. Ihre Studie, der eine Online-Be- rem Vortrag „Kämpfe um Reproduktive Ge- fragung vorausging, wurde von der BMH 2019 rechtigkeit – oder: Was heißt eigentlich queere mit 45.000 Euro gefördert; die Ergebnisse im Reproduktion?“ den in Schwarzen US-Feminis- November 2020 komprimiert in einer 28-seiti- men verankerten aktivistisch-theoretischen gen Broschüre veröffentlicht. Sie steht kosten- Ansatz „Reproduktive Gerechtigkeit“ vor und frei zum Download zur Verfügung: verschoben den Fokus auf marginalisierte https://mh-stiftung.de/wp-content/uplo- Gruppen. Die Kulturwissenschaftlerin Dr. Ute ads/BMH_L-Word_Broschuere_A5.pdf Kalender setzte sich anschließend unter dem Titel „Technopioneer_innen, Rohstoffarbei- ter_innen oder neue Eugenik_innen? Queere Perspektiven auf Reproduktionstechnologien“ Die Auswirkungen der Coronapande- mit verschiedenen Perspektiven auf Reproduk- mie auf LSBTIQA* tionstechnologien auseinander: Queer-Femi- nismen, die für die gleichberechtigte Nutzung Die Coronapandemie betrifft alle Bereiche des von Reproduktionstechnologien kämpfen, menschlichen Zusammenlebens. Sie wirkt als marxistische Feminismen, die fragen, wer im Brennglas für die Probleme unserer Gesell- globalen Biokapitalismus für die Erfüllung von schaft: Soziale und wirtschaftliche Ungleichhei- reproduktiven Wünschen arbeitet und Crip-Fe- ten verschärfen sich. Menschen und Gruppen, minismen, die Reproduktionstechnologien in die schon vorher sozial benachteiligt waren, den Kontext neuer Eugenik stellen. sind von den Einschränkungen in der Pandemie Den Vorträgen und der im Anschluss von BMH- stärker betroffen und haben weniger Ressour- Referentin Magdalena Müssig moderierten cen, mit den teils gravierenden Auswirkungen Diskussion folgten rund 200 Zuhörer_innen. von COVID-19 umzugehen. Die gesamte Veranstaltung wurde simultan in Lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, interge- deutsche Gebärdensprache gedolmetscht. schlechtliche, queere und asexuelle Personen 12
(LSBTIQA*) sind durch die Pandemie und die gen insbesondere in den Bereichen Communi- damit einhergehenden politischen und rechtli- tystrukturen, Gesundheitsversorgung, Lock- chen Maßnahmen sowie gesellschaftlichen down und Kontaktbeschränkungen sowie in Veränderungen mit besonderen Herausforde- gesellschaftlichen Debatten und im politischen rungen und Härten konfrontiert. Die BMH hat Agenda Setting. gemeinsam mit dem Bundesverband Trans*, Intergeschlechtliche Menschen e.V. und dem Die Ergebnisse stehen seit März 2021 in einer Lesben- und Schwulenverband (LSVD) die Aus- vom Bundesministerium für Familie, Senioren, wirkungen der Coronapandemie auf LSBTIQA* Frauen und Jugend (BMFSFJ) mitfinanzierten untersucht. Broschüre zusammengefasst kostenfrei zum Download zur Verfügung: Zu diesem Zweck wurden Fachgespräche mit https://mh-stiftung.de/2021/03/11/ Expert_innen aus verschiedenen Bereichen ge- broschuere-auswirkungen-coronapandemie/ führt und LSBTIQ*-Organisationen und -Initia- tiven befragt, wie es ihnen in der Krise ergan- gen ist und ergeht. Es zeigten sich Auswirkun- 13
Fußball für Vielfalt – Fußball gegen Ho- - Hannover 96 mophobie und gegen Sexismus - 1. FC Heidenheim - VfL Osnabrück Das 2013 gestartete Projekt „Fußball für Viel- falt – Fußball gegen Homophobie und gegen Aufgrund der pandemisch bedingten Situation Sexismus“ ist eines der „Leuchtturm-Projekte“ mussten diese vereinbarten Workshops jedoch der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH). verschoben werden; lediglich ein Workshop für Zentrale Ziele sind, zum Abbau von Homo- und die Kieler Sportvereinigung Holstein von 1900 Transfeindlichkeit und Sexismus im Sport bei- e. V. (KSV Holstein) konnte im August 2020 zutragen und zugleich die Akzeptanz gegen- noch realisiert werden. Ab Frühjahr 2021 wer- über sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zu den die ausgefallenen Workshops neu termi- fördern. niert, zudem haben weitere Vereine ihr Inte- resse bekundet. In Kooperation mit der sportpsychologischen Beratungsstelle „Challenges“ unter der wissen- - Aktivitäten im Bereich der Forschung schaftlichen Leitung von Prof. Dr. Martin Schweer an der Universität Vechta setzt die Wie offen gehen die Menschen im Sport mit se- BMH in diesem Themenfeld darauf, über die xueller Vielfalt um? Fühlen sich Lesben und Forcierung von Bildung und empirischer For- Schwule im Sport akzeptiert? Diesen und ande- schung einen fundierten Einblick vor allen in ren Fragen geht das Forschungsprojekt „Akse- den organisierten Sport zu gewinnen, um diese Vielfalt – Zur Akzeptanz sexueller Vielfalt im or- Erkenntnisse für anwendungsbezogene Maß- ganisierten Sport am Beispiel des Fußballs in nahmen unmittelbar nutzen zu können. Niedersachsen“ der sportpsychologischen Ar- Bildungsmodule (Workshops) und Beratung beitsstelle Challenges der Universität Vechta sprechen als Zielgruppen etwa Sportler_innen, nach. Trainer_innen, Schiedsrichter_innen, Fanbe- auftragte und andere Funktionär_innen in den Prof. Dr. Martin Schweer und sein Team konn- Amateur- und Profi-Vereinen sowie in den Ver- ten die Erhebungen zu der vom Niedersächsi- bänden an. Die Bildungsmaßnahmen sollen die schen Ministerium für Wissenschaft und Kultur Akteur_innen für die Thematik sensibilisieren, (MWK) geförderten Studie (April 2017 bis März ein kritisches Problembewusstsein stärken und 2020; Gesamtfördersumme: 238.719 Euro) in zielführende Handlungsstrategien für den Um- 2020 abschließen. gang mit Diskriminierungen vermitteln. Zuletzt wurden dazu zwischen März und Mai 2020 insgesamt 15 Vertreter_innen aus Ver- - Aktivitäten im Bereich der Bildungsmaßnah- bänden und Vereinen des organisierten (Fuß- men ball-)Sports in Deutschland telefonisch inter- viewt. Auf Basis der quantitativen Befunde (N An den Workshops mit dem Titel „Gemeinsam = 841) wurde das Akzeptanzbarometer als eine für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt – ge- Kurzversion des zunächst eingesetzten Messin- gen Sexismus und Homophobie im Fußball“, struments entwickelt. die in Kooperation mit der Bundesliga-Stiftung veranstaltet werden, haben bislang zehn Ver- Die geplante Abschlussveranstaltung mit Ver- eine der 1. und 2. Bundesliga teilgenommen. treter_innen aus der Scientific Community so- Im Jahr 2020 hat sich insgesamt ein verstärktes wie aus Verbänden und Vereinen des organi- Interesse an den Workshops abgezeichnet; so sierten (Fußball-)Sports konnte aufgrund der wurden bereits Termine mit folgenden Verei- Corona-Pandemie nicht in geplanter Form an- nen vereinbart: geboten werden. Daher wurde in 2020 ein um- - KSV Holstein fassendes digitales Paket konzipiert, das zent- - VfL Bochum - SV Darmstadt 98 14
rale paradigmatisch-theoretische Überlegun- auch auf Jugendliche und junge Erwachsene gen, empirische Befunde und schließlich ziel- ausgerichtet sein, um entsprechende Haltun- gruppenspezifisch abgeleitete Empfehlungen gen im Zuge ihrer Identitätsentwicklung zu für Maßnahmen zur Sensibilisierung und Ak- stärken.“ zeptanzsteigerung gebündelt vorstellt. Dieses Zu den Erstunterzeichnenden gehörten neben digitale Paket wird in 2021 zur Verbreitung der Vereinen wie der FC Bayern München, der FC Projektergebnisse eingesetzt. Die Empfehlun- St. Pauli 1910 und Hertha BSC Berlin auch der gen fließen zudem auch in die Konzeption der Deutsche Olympische Sportbund und der Deut- Workshops „Gemeinsam für sexuelle und ge- sche Fußballbund. Als Vertreter_innen der da- schlechtliche Vielfalt – gegen Sexismus und Ho- maligen Bundesregierung unterstützen Bun- mophobie im Fußball“ und in die Planung wei- desjustizministerin Sabine Leutheusser- terführender Maßnahmen der Initiative Fuß- Schnarrenberger, der Innenminister Hans-Pe- ball für Vielfalt – Fußball gegen Homophobie ter Friedrich, die Familienministerin Kristina und gegen Sexismus ein. Schröder und die Leiterin der Antidiskriminie- rungsstelle des Bundes, Christine Lüders, die „Berliner Erklärung“. Berliner Erklärung „Gemeinsam gegen Homo- phobie. Für Vielfalt, Respekt und Akzeptanz im Sport“ Inzwischen haben 57 Vereine, Verbände und Firmen die Erklärung unterzeichnet. 2020 sind „Das Zusammenwirken möglichst vieler Ein- der SV Waldhof Mannheim 07 und der 1. FC richtungen des Sports und der Zivilgesellschaft Heidenheim 1846 e.V. neu hinzugekommen. für Vielfalt, Respekt und Akzeptanz im Sport bietet die besten Voraussetzungen für einen Unterzeichnende der Berliner Erklärung: nachhaltigen Wandel im Denken und Handeln aller Beteiligten.“ Fußballvereine 1. Bundesliga: „Berliner Erklärung“ vom 17. Juli 2013 1. FC Nürnberg e.V. 1. FSV Mainz 05 e.V. Auftakt des Projekts „Fußball für Vielfalt“ war Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH die Berliner Erklärung „Gemeinsam gegen Ho- Borussia Dortmund mophobie. Für Vielfalt, Respekt und Akzeptanz Eintracht Frankfurt e.V. im Sport“, die im Juli 2013 auf Initiative der FC Bayern München Bundesstiftung Magnus Hirschfeld veröffent- FC Gelsenkirchen-Schalke 04 e.V. licht wurde. Ziel der Erklärung ist es, eine breite Hannover 96 Akzeptanz homosexueller Menschen im gesell- Hertha BSC Berlin schaftlichen Bereich des Sports in Deutschland RasenBallsport Leipzig e.V. SC zu erreichen und dort homophobe Anfeindun- Paderborn 07 gen, Verunglimpfungen und Herabsetzungen VFB Stuttgart 1893 e.V. zurückzudrängen. Insbesondere soll so auch VFL Wolfsburg-Fußball GmbH ein Klima der Akzeptanz gegenüber aktiven LSBTIQ*-Sportler_innen geschaffen werden. Werder Bremen „Wir setzen uns von daher für ein aktives Vor- gehen gegen Homofeindlichkeit auf allen Ebe- Fußballvereine 2. Bundesliga: nen des Sports ein“, heißt es unter anderem in 1. FC Heidenheim 1846 e.V. der Erklärung. „Wir unterstützen Maßnahmen 1. FC Köln 01/07 e.V. zur Förderung eines vorurteilsfreien Klimas so- 1. FC Union Berlin wie zur Schaffung einer Kultur gelebter Vielfalt 1. Fußball-Club Kaiserlautern e.V. auf der Basis gegenseitiger Wertschätzung und DSC Armenia Bielefeld e.V. Achtung. Solche Maßnahmen sollten vor allem 15
Düsseldorfer Turn- und Sportverein Fortuna 1895 e.V. Unternehmen: FC St. Pauli 1910 Abbvie Deutschland GmbH & Co. KG FSV Frankfurt 1899 Fußball GmbH Adidas Group Hamburger Sport-Verein e.V. Sky Deutschland GmbH Sportverein 1916 Sandhausen e.V. SPVGG Greuther Fürth Verbände: TSV 1850 München Amadeu Antonio Stiftung VFL Bochum 1848 Fußballgemeinschaft e.V. Badischer Fußballverband e.V. Bayrischer Fußballverband e.V. Andere Fußballvereine: Bremer Fußball-Verband e.V. 1. FC Lokomotive Leipzig Bundesstiftung Magnus Hirschfeld Altonaer Fußball-Club von 1893 e.V. Charta der Vielfalt F.C. Hansa Rostock Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) FC Alsterbrüder von 1948 e.V. Die Liga – Fußballverband e.V. FC Ente Bagdad Fußball-Landesverband Brandenburg e.V. FC Norden e.V. Hessischer Fußball-Verband FV Fischbach 1915 e.V. Koordinierungsstelle Fanprojekte bei der deut- Oranienburger Eintracht 1901 e.V. schen Sportjugend (KOS) Polar Pinguin e.V. Saarländischer Fußballverband e.V. SK Waldenheim Württembergischer Fußballverband e.V. SV Waldhof-Mannheim 07 VC Carl Zeiss Jena Weitere Informationen zum Projekt: VFB Oldenburg https://www.fussball-fuer-vielfalt.de VFR Mannheim 16
Referat Kultur, Geschichte und Erinnerung Sonderband zum 150. Geburtstag von seine Hoffnung zu Herzen nehmen. Ungeach- Magnus Hirschfeld tet mancher Rückschläge: "Die Menschheit ist lernfähig", zeigte sich Herzog überzeugt. Die verschiedenen Vorträge werden um Foto- Eine Zusammenschau der Würdigungen Mag- grafien und Statements zur Bedeutung Hirsch- nus Hirschfelds und der gegenwärtigen, ge- felds heute ergänzt. Als besonderes Erinne- schlechts- und sexualemanzipatorischen Auf- rungsstück ist dem, im Wallstein Verlag Göttin- gaben. gen erschienenen Buch die im Juli 2018 er- Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) schienene 70-Cent-Gedenkbriefmarke zu Eh- erinnerte 2018 an den 150. Geburtstag ihres ren Magnus Hirschfelds beigelegt. Namensgebers, des Arztes und Sexualwissen- schaftlers Dr. Magnus Hirschfeld. In mehreren Veranstaltungen wurden das Leben und das Werk Hirschfelds gewürdigt, einem breiten Gemeinsamer Antrag: Gedenkkugel für Publikum bekannt gemacht und gleichzeitig die die Mahn- und Gedenkstätte Ravens- Aufmerksamkeit auf gegenwärtige Herausfor- brück derungen, Projekte und Aufgaben gerichtet. Der vorliegende Band versammelt auf 132 Sei- Ein breites Bündnis von queeren Gruppen und ten zahlreiche Grußworte und Vorträge, die im Initiativen, in dem sich die Bundesstiftung Rahmen dieser Veranstaltungen gehalten wur- Magnus Hirschfeld engagiert, hat am 1.Okto- den, unter anderem der damaligen Bundesjus- ber 2020 einen gemeinsamen Antrag auf Er- tizministerin Dr. Katarina Barley, dem Berliner richtung eines kugelförmigen Gedenksteins für Kultursenator Dr. Klaus Lederer und Sabine die im ehemaligen KZ Ravensbrück inhaftierten Leutheusser-Schnarrenberger vom Förderkreis lesbischen Frauen bei der Stiftung Brandenbur- der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Außer- gische Gedenkstätten gestellt. Das Internatio- dem äußern sich darin verschiedene Promi- nale Ravensbrück-Komitee und die deutsche nente zur Bedeutung Magnus Hirschfelds und österreichische Lagergemeinschaft heute. Hervorzuheben ist auch das Nachwort Ravensbrück unterstützen die Initiative. Mit von Ruth Gabrielle Cohen, der in Australien le- dem Memorial in der Mahn- und Gedenkstätte benden Großnichte von Magnus Hirschfeld. soll ein würdiges Zeichen der Erinnerung an die Der Titel des Bandes „Liebe und Gerechtigkeit. dort inhaftierten lesbischen Frauen errichtet Zum 150. Geburtstag von Magnus Hirschfeld“ werden. Die zivilgesellschaftlichen Initiativen nimmt eine Formulierung der Historikerin Prof. und Organisationen, darunter der Fachverband Dr. Dagmar Herzog auf, deren Aufsatz den Mit- Homosexualität und Geschichte (FHG), der Les- telpunkt des Bandes bildet. In ihrem Festvor- benRing e.V. sowie der Lesben- und Schwulen- trag anlässlich der Gedenkfeier im Berliner verband (LSVD), haben im guten Konsens eine Haus der Kulturen der Welt rückte sie die Ver- Inschrift für das aus Ton gefertigte Gedenkzei- dienste Hirschfelds in den Vordergrund. „Wir chen formuliert. Sie lautet: haben Magnus Hirschfeld als Vorbild weiterhin dringendst nötig“, betont sie in ihrer Rede. Die „In Gedenken aller lesbischen Frauen und Bejahung der Sexualität unter Erwachsenen in Mädchen im Frauen-KZ Ravensbrück und ihrer Vielfalt und ihren Schutz vor staatlicher Uckermark. Sie wurden verfolgt, inhaftiert, Regulierung definiert Herzog als ersten Leitsatz auch ermordet. von Hirschfelds Lehre, die heute so aktuell sei Ihr seid nicht vergessen.“ wie im letzten Jahrhundert. Die heutige LSB- TIQ*-Bewegung könne sich seinen Mut und 17
Archiv der anderen Erinnerungen auch außerhalb der BMH-Geschäftsstelle für Forscher_innen zugänglich zu machen. Nach Aufgrund der Corona-Pandemie konnten 2020 Abschluss der Testphase ist eine Kooperation letztlich nur zwei neue lebensgeschichtliche In- mit der Stiftung Denkmal für die ermordeten terviews mit LSBTIQ* geführt werden. Um die Juden Europas angestrebt, um die Interviews Personen vor Infektionsrisiken zu schützen, quellengerecht präsentieren und erschließen mussten einige der geplanten Interviews zum und die Archivnutzung zugänglicher machen zu Teil mehrmals neu terminiert werden. Manche können. konnten schließlich nach 2021 verschoben Die Erschließung liefert einen schnellen Über- werden, bei anderen kam es leider auch zu völ- blick über die Themen jedes Interviews, sie ligen Absagen. macht aber auch übersichtlich auf Details der jeweiligen Lebensgeschichte aufmerksam. Fünf Interviews im Archiv der anderen Erinne- Durch die Erschließung in der Datenbank wird rungen wurden – basierend auf der Datenbank ein schnelles Auffinden relevanter Passagen in www.sprechentrotzallem.de der Stiftung den meist mehrere Stunden langen Interviews Denkmal für die ermordeten Juden Europas – ermöglicht, ohne die Interviews zu schneiden testweise ausführlich durch Transkriptionen, oder zu kürzen, also ohne in sie eingreifen zu Zeitmarken, Sequenzierungen, Lebensläufe, müssen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung historische Zusammenfassungen, Übersichten, für die Bereitstellung der Interviews im Archiv Kontextbeschreibungen und Verschlagwortun- als historische Quelle. gen erschlossen. Ziel ist, eine webbasierte Da- tenbank aufzubauen, die es ermöglicht, die In- terviews (sofern die Rechte dazu vorliegen) 18
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