APUZAUS POLITIK UND ZEITGESCHICHTE
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APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte 16–19/2011 · 18. April 2011 Sport und Teilhabe Daniel Küchenmeister · Thomas Schneider Sport ist Teilhabe! Jürgen Mittag Sport und Protest Daniela Schaaf · Jörg-Uwe Nieland Medienpräsenz von Sportlerinnen – Emanzipation oder Sexualisierung? Simone Wörner · Nina Holsten Frauenfußball – zurück aus dem Abseits Gertrud Pfister 200 Jahre Turnbewegung – von der Hasenheide bis heute Sabine Radtke Inklusion von Menschen mit Behinderung im Sport
Editorial Am 26. Juni dieses Jahres wird in Sinsheim und Berlin die sechste „FIFA Frauen-WM“ angepfiffen. Drei Wochen lang werden der Frauenfußball und seine Protagonistinnen so stark in der Öffentlichkeit stehen wie noch nie zuvor in Deutschland. Viele hoffen gar auf eine Fortsetzung des „Sommermärchens“ 2006, als die Weltmeisterschaft der Männer eine landesweite Eu phorie auslöste. Dabei ist es gerade einmal 40 Jahre her, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Frauen offiziell gestattete, unter seinem Dach gegen das runde Leder zu treten: Von 1955 bis 1970 galt in westdeutschen Fußballvereinen Spielverbot für Frauen. Die Entwicklung des Frauenfußballs spiegelt in gewisser Weise die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Frauenbewegung wider. Doch auch noch immer vorhandene Defizite zeigen sich sehr deutlich, etwa wenn man die Gehälter von Fußballerinnen und Fußballern vergleicht oder die Präsenz von Frauen und Männern in der Sportberichterstattung sowie die Art ihrer me dialen Darstellung. Andererseits: Warum sollte ausgerechnet der Sport weiter sein als die Gesellschaft, die ihn trägt? Es wäre vermessen, vom Sport zu erwarten, dass er Antwor ten auf die großen gesellschaftspolitischen Fragen liefert. Aber Sport, vor allem der Breitensport, verfügt über besonderes inte gratives Potenzial und kann dazu beitragen, dass mehr Men schen an der Gesellschaft teilhaben und sich über sportliches Engagement zum Beispiel in Vereinen einbringen, Verantwor tung für sich und andere übernehmen, Fair Play und Teamwork einüben, den Wert von Unterschiedlichkeit erkennen und über das gemeinsame Sporttreiben Toleranz lernen. Umso wichtiger ist es, möglichst vielen Kindern und Jugendlichen die Ausübung einer Sportart im Verein zu ermöglichen. Johannes Piepenbrink
Daniel Küchenmeister · Thomas Schneider sich in einer sich wandelnden Gesellschaft die Frage, vor welchen Forderungen und Heraus Sport ist Teilhabe! forderungen der Sport und seine Akteure jetzt und in Zukunft stehen, um aktiv ihrer Verant wortung in der Gesellschaft gerecht zu werden Essay und im und durch den Sport Zukunftsperspek tiven zu schaffen. Denn umgekehrt ist die Gesellschaft auch W enn in diesem Sommer die Frauenfußball- WM in Deutschland stattfindet, wird auch das Thema der gesellschaftlichen Eman mitten im Sport angekommen, schließlich sollen alle relevanten gesellschaftlichen Pro bleme wenn nicht vom Sport gelöst, so doch zipation von Frauen im mindestens im Sport abgehandelt werden. Daniel Küchenmeister und durch den Sport Die Probleme und Bruchstellen einer Gesell Geb. 1956; Historiker, Publizist in den Fokus rücken.❙1 schaft, die unter dem zunehmenden Druck und Kurator, Organisator diver- Wenn außerdem – nur einer globalisierten und medialisierten Welt ser Ausstellungen und Veran- wenige Tage vor dem immer mehr Verwerfungen aufweist, zeigen staltungen zur Sportgeschichte, Eröffnungsspiel am sich auch – und teilweise vielleicht gerade – Berlin. 26. Juni 2011 – mit im Sport. Ob sich auch deren Lösungen hier kuechenmeister-daniel@ dem Jahrestag der Er zuerst finden lassen, ist eine andere Frage: t-online.de richtung des ersten öf In erster Linie handeln der Sport und seine fentlichen Turnplatzes Akteure innerhalb der Rahmenbedingungen Thomas Schneider durch Friedrich Lud und Erfordernisse, die der Sport selbst setzt. Dr. phil., geb. 1970; Kulturwis- wig Jahn in der Ber Darüber hinaus agieren sie aber als mehr oder senschaftler und Publizist, Ku- liner Hasenheide im weniger bewusste gesellschaftliche Akteure rator und Autor verschiedener Jahre 1811 die Turnbe unter sich wandelnden Bedingungen. Ausstellungen und Veröffentli- wegung ihr 200-jäh chungen zur Sportgeschichte, riges Bestehen feiert, Berlin. kann der organisierte Beispiel Fußball trschneider@gmx.de Sport in Deutschland auf eine lange und be Als im Oktober 2010 die Errichtung der „Ma wegte Geschichte zurückblicken.❙2 Zusammen nuel Neuer Kids Foundation“ bekannt gegeben bieten beide Anlässe Gelegenheit, die Rolle des wurde, eine Stiftung, mit der der Schalke- und Sports in der Gesellschaft grundsätzlich zu Nationalmannschafts-Torwart sozial schwa erörtern. che Kinder im Ruhrgebiet unterstützt, war die öffentliche Aufmerksamkeit vergleichsweise Sport ist und war zu allen Zeiten Abbild gering. Dabei ist das Engagement des jungen und Motor gesellschaftlicher Prozesse sowie Fußballprofis bemerkenswert, bezieht sich der Kultur bildender Faktor, wobei er in den ver Stiftungszweck doch ausdrücklich auf das ört schiedenen Phasen seiner Entwicklung unter liche Umfeld des Spielers und noch dazu auf schiedliche Ausprägungen erfahren hat, aber ein Thema, das im öffentlichen Diskurs häufig immer in wechselseitiger Beziehung zu den eine untergeordnete Rolle spielt. Manuel Neu komplexen politischen, ökonomischen, sozi er begründet seine Initiative so: „Ich weiß, dass alen, gesellschaftlichen und kulturellen Ver ich zu den Privilegierten zähle und Glück in hältnissen steht. Inzwischen scheint er in der meinem Leben habe. Davon möchte ich etwas Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein: zurückgeben. Mit meiner Stiftung will ich der Nicht zufällig sprach Thomas Bach, der Präsi sozialen Verantwortung gerecht werden. Und dent des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), anlässlich des 20. Jahrestags der Deut ❙1 Mit einem breiten Ansatz widmete sich diesem The schen Wiedervereinigung von der „prägenden ma auch die am 12. 10. 2010 in Potsdam von der Fried Symbolkraft“ des Sports, fordert der Präsident rich-Ebert-Stiftung veranstaltete Tagung „Emanzi des Deutschen Turner-Bundes (DTB) Rainer pation und Fußball“. Ein Dokumentationsband zur Tagung erscheint in Kürze im Panama Verlag Berlin. Brechtken, Bewegung als Bildung zu begreifen, ❙2 So auch geschehen auf dem Symposium „Berlin be oder wünscht sich Theo Zwanziger, der Präsi wegt. Historische Wegmarken und die gesellschaftli dent des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), ei che Verantwortung des Sports“, das am 18./19. 11. 2010 nen „werteorientierten Fußball“. Dabei stellt in Berlin stattfand. APuZ 16–19/2011 3
zwar in meiner Stadt. Meine Heimatstadt Gel tung einer aufmerksamen Öffentlichkeit. Zu senkirchen belegt in einer unrühmlichen Sta nennen sind die grundlegenden Fragen, denen tistik einen Spitzenplatz. Nahezu jedes vierte sich der DFB im Nachgang zu seinem 100-jäh Kind leidet unter Armut.“ Warum ist diese Ini rigen Jubiläum im Jahre 2000 sowie in Vorbe tiative in der Öffentlichkeit so wenig bekannt? reitung auf die Fußball-WM 2006 in Deutsch land stellen musste und stellte: Hierzu zählen Laut einer Anfang 2011 veröffentlichten die Aufarbeitung der eigenen Geschichte in Studie der Bertelsmann-Stiftung zu sozialer der sogenannten Havemann-Studie,❙4 welche Gerechtigkeit belegt Deutschland im inter die Verstrickung und die aktive Rolle des Ver nationalen Vergleich lediglich einen Rang im bandes im System des „Dritten Reiches“ un unteren Mittelfeld. Die größten Defizite gibt tersuchte, die Positionierung gegen rassis es beim Zugang zu Bildung und Arbeit sowie tische und antisemitische Tendenzen in den bei der Vermeidung von Armut, vor allem der Stadien, zahlreiche Projekte zu Themen wie Kinderarmut. Jedes neunte Kind in Deutsch Integration, Antidiskriminierung und Fair land wächst in armen Verhältnissen auf. So play sowie Maßnahmen gegen Gewalt, Rassis ziale Gerechtigkeit definiert die Studie als mus und Ausländerfeindlichkeit. Teilhabegerechtigkeit, wobei dem Staat die Aufgabe des sozialen Ausgleichs als Gewähr Im November 2009 wurde DFB-Präsident leistung von Teilhabechancen zukommt.❙3 Zwanziger hoch gelobt für seine viel beachte te Rede auf der Trauerfeier für den National Leistungsträger wie Manuel Neuer nutzen spieler Robert Enke, der unter Depressionen ihr großes Ansehen und ihr nicht minder gro gelitten hatte, in der er den Umgang mit dieser ßes Einkommen, um wohltätige oder gesell Krankheit in unserer Leistungsgesellschaft schaftliche Anliegen zu unterstützen. Auch kritisch ansprach. Kurz darauf aber wurde Sportvereine und -verbände werden sich zu es manchem schon etwas zu viel des Guten, nehmend ihrer sozialen Verantwortung be als Zwanziger sich auch noch dem Problem wusst und verstärken ihr gesellschaftliches der Diskriminierung von Homosexuellen im Engagement – allen voran im Fußball. Selbst Sport zuwandte und sich schließlich in der verständlich spielen auch andere Sportarten Affäre um Schiedsrichterobmann Manfred eine Rolle, und es wäre berechtigt, sie in den Amerell, der einen jüngeren Schiedsrichter Mittelpunkt zu rücken. Aber Fußball ist nun sexuell genötigt haben soll, medial und mo einmal zu einem Massen- und Medienspek ralisch zu verzetteln schien. Der Fußball war takel geworden, das in Deutschland so viele plötzlich für alles zuständig, er war gleicher Menschen anlockt wie keine andere Sport maßen übermächtig wie überfordert. art – sei es als Zuschauer oder Aktive in einer der vielen Ligen oder im Freizeitfußball. Mit seiner jüngsten, im Rahmen des DFB- Bundestags im Oktober 2010 beschlossenen Der DFB, mit 6,7 Millionen Mitgliedern Initiative versucht der Verband nun als Re größter Einzelsportverband der Welt, ist nicht aktion auf die vielfältigen gesellschaftspoli nur seit Jahrzehnten karitativ und humanitär tischen Herausforderungen, seine sozialen aktiv, sondern mischt sich in historisch gereif Aktivitäten unter dem Schlagwort „Nachhal tem Wissen um seine gesellschaftliche Ver tigkeit“ zu koordinieren. Interessanterwei antwortung, auf der Grundlage eines zuneh se wurde der DFB seinerseits 2009 mit dem mend differenzierten Bildes von der eigenen Sonderpreis des Deutschen Nachhaltigkeits Geschichte und mit dem ohnehin vorhande preises für sein herausragendes Engagement nen Gewicht seiner Popularität in den vergan für Integration und Jugendarbeit ausgezeich genen Jahren immer wieder in die öffentlichen net, womit beispielsweise das Projekt „Tau Debatten um gesellschaftliche, soziale und send Bolzplätze“ oder das Konzept der mobi ethisch-moralische Fragen ein – teilweise auf len Ausbildungszentren gewürdigt wurden. eigene Initiative, teilweise erst auf anhaltenden politischen oder medialen Druck, aber stets Mit dem Projekt „Green Goal“ zur WM unter wohlwollender oder kritischer Beobach 2006 ging der Verband auch einen ersten ❙3 Vgl. Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.), Soziale Ge ❙4 Vgl. Nils Havemann, Fußball unterm Haken rechtigkeit in der OECD – Wo steht Deutschland?, kreuz. Der DFB zwischen Sport, Politik und Kom Gütersloh 2010. merz, Frankfurt/M. 2005. 4 APuZ 16–19/2011
Schritt in Richtung ökologischer Ausrich das gesellschaftliche Teilsystem Sport genauso tung, was öffentlich jedoch kaum wahrgenom wenig vollständig wie in andere Teilbereiche.❙6 men wurde und grundsätzlich die Frage auf wirft, ob sich nachhaltiges, umweltbewusstes Der breit angelegte Aktionsplan „Sport Wirtschaften überhaupt mit Großereignissen für alle“, der am 2. Juli 2009 vom Deutschen wie Fußballweltmeisterschaften vereinbaren Bundestag beschlossen wurde, soll unter an lässt. In Fortsetzung dieses ambitionierten derem die bessere Integration von zugewan Umweltprogramms hat auch das Organisati derten Menschen in die Sportvereine fördern onskomitee der Frauenfußball-WM 2011 ge und vor allem die gesellschaftliche Bedeutung meinsam mit dem Öko-Institut und gefördert des Sports stärken. Derzeit ist der organisier durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt te Sport mit einer Million Vorstandsmitglie ein entsprechendes Konzept entwickelt. dern sowie 1,1 Millionen Trainern, Übungs leitern und Schiedsrichtern der quantitativ Dem Dachverband der unangefochtenen bedeutsamste Träger bürgerschaftlichen En Sportart Nummer eins in Deutschland geht gagements in Deutschland – allerdings schei es insgesamt aber auch darum, die eigenen nen diese Zahlen aus verschiedenen Gründen gemeinnützigen und gesellschaftspolitischen rückläufig zu sein. Laut Sportentwicklungs Initiativen besser zu vernetzen. Dass in der bericht 2007/2008 des Bundesinstituts für DFB-Spitze ein entsprechendes Problembe Sportwissenschaft und des DOSB sind die wusstsein vorhanden ist, belegt die Position gegenwärtigen Hauptprobleme der Sportver seines Präsidenten: „Es gibt auch soziale Ver eine die Gewinnung und Bindung von ehren werfungen. Wir haben in unserem Land auf amtlichen Funktionsträgern. Im Vergleich der einen Seite wachsenden Reichtum und auf zu 2005 gab es hierbei einen Rückgang um der anderen Seite zunehmende Armut. Und etwa 20 Prozent, während die Arbeitsbelas an sozialer Gerechtigkeit zu arbeiten, das tung der Aktiven um 13 Prozent auf monat muss unsere gemeinsame Aufgabe sein, damit lich 17,6 Stunden anstieg. Das Engagement im die Kluft zwischen Arm und Reich nicht zu Verein wird mit einer jährlichen Wertschöp weit auseinandergeht. Wir müssen die Balan fung von 6,6 Milliarden Euro beziffert. ce wahren. Auch hier hat der Fußball Verant wortung und steht vor Herausforderungen.“❙5 Aber noch weit darüber hinaus ist der Sport Träger, Förderer und Instrument gesellschaft lichen Engagements, was sich in vielfältigen Sport für alle Aktivitäten nicht nur von Vereinen, sondern auch beispielsweise von Stiftungen zeigt, wel Seit Sport als eigenständiges Teilsystem unse che die integrierende, gesundheitsfördern rer Gesellschaft existiert und sich immer wei de, pädagog ische oder auch kommunikative ter entwickelt hat, erfasst er immer breitere Kraft des Sports in ihrer Förderarbeit nutzen. Kreise der Bevölkerung. Seit der Aufklärung Alles das macht den Sport zu einem bedeu ist das Betreiben von Leibesübungen nicht tenden zivilgesellschaftlichen Akteur und länger ausschließlich exklusiver Zeitvertreib wesentlichen sozialen Faktor, der kaum zu gehobener Schichten, sondern steht prinzipi unterschätzende gesellschaftliche Bindungs ell allen zur Verfügung. Seinem Wesen und der kräfte freisetzt. Aus diesem Grunde muss der Überzeugung „Turnvater“ Jahns nach – der Sport verstärkt eine Vorstellung davon entwi mit seiner ursprünglich patriotisch ausgerich ckeln, wie er seine Stellung festigen und aus teten Bewegung nicht zuletzt auf das Engage bauen sowie den Herausforderungen bei der ment des Staatsbürgers für das Gemeinwesen Bewältigung gesamtgesellschaftlicher Aufga abzielte – sollte das Turnen öffentlich sein in ben von Staat, Markt und Zivilgesellschaft in dem Sinne, dass es für alle Altersgruppen und Deutschland begegnen will.❙7 sozialen Schichten offen ist (zu seiner Zeit al lerdings noch nicht für Frauen). Freilich war und ist die Einbeziehung der Bevölkerung in ❙6 Vgl. Ilse Hartmann-Tews, Sportentwicklung in Europa unter Einbeziehung von Frauen, in: APuZ, (2004) 26, S. 31–38. ❙5 Zit. nach: Daniel Küchenmeister/Thomas Schnei ❙7 Die Notwendigkeit einer engagementpolitischen der, „Fußball – ein Projekt gelebter Einheit“. In Konzeption der Fußballverbände und -vereine disku terview mit DFB-Präsident Theo Zwanziger, in: tiert Sebastian Braun, Die schönste Nebensache der Deutschland Archiv, (2010) 5, S. 778–787. Welt im Bildungspluralismus. Thesen zum vereins- APuZ 16–19/2011 5
Der Sport muss idealerweise seine Rolle organisierten Sport bietet. Doch noch darüber im Ensemble der Kooperationspartner einer hinaus sollte Sport als elementarer Teil von Bil neuen Bürgerlichkeit definieren, die umfang dung, ja als Bildung selbst begriffen werden. reiche Unterstützung von staatlicher Seite legitimieren und die partnerschaftliche Zu Auch die Vermittlung von sozialen Kom sammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen petenzen ist hier an herausragender Stelle Akteuren unter veränderten Rahmenbedin zu nennen, erfordern doch die zahlreichen gungen ausgestalten. Dabei muss er sich auch Handlungsoptionen in einer multikulturel weiter in Richtung anderer, vielleicht noch len und von mannigfaltigen sozialen Mili nicht in Betracht gezogener Handlungsräu eus geprägten Bürgergesellschaft zunehmend me, Betätigungsfelder und Mitspieler bewe Fähigkeiten, die – nebenbei oder gezielt – im gen, nicht zuletzt in Richtung der privaten Rahmen und am Rande sportlicher Aktivitä Wirtschaft, um auf dem Wege der Corporate ten eingeübt werden können. Wer in einem Social Responsibility engagierter Unterneh Verein aktiv ist, erfährt, erlebt und ermöglicht men neue Ressourcen zu erschließen. für sich und andere den Mehrwert des Sports in Hinblick auf Integration, Sozialisation, In einer Liga mit Wohlfahrtsverbänden und Demokratie, Gesundheit, Ökonomie und Kirchen als bedeutenden sozialen Trägern spielt dergleichen mehr. Im Sport werden die sozio der Sport schon lange. Bereits seit 1965 gibt es kulturellen Grundlagen der Gesellschaft, ihre einen verbindlichen Austausch sowie seit 1975 Wertvorstellungen, Umgangsformen und so die gemeinsamen Spitzengespräche „Kirche zialen Netze permanent revitalisiert. Darüber und Sport“, in denen die beiden großen Kir hinaus schafft er eine Vielzahl und Vielfalt an chen auf der einen und der DOSB auf der an Gelegenheiten zur Mitentscheidung und -ge deren Seite gesellschaftspolitische Themen und staltung und trägt somit zur sozialen Integra Positionen austauschen. 2007 veröffentlich tion von benachteiligten Menschen und mit te die „Gemeinsame Kommission Kirche und tels Symbolen, Ritualen und Inszenierungen Sport“ das Ideenheft „Gemeinsam Gesellschaft zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei (er gestalten“. Dass es darin um mehr als nur heh innert sei etwa an den Fähnchen schwenken re Anliegen und fromme Wünsche geht, zeigen den Party-Patriotismus bei der Fußball-WM die beschriebenen Projekte sowie die Erkennt 2006). Und der Bedarf an der Bereitstellung nis: „Kirche und Sport sind in der Gesellschaft dieser Ressourcen wächst angesichts der aktu tief verwurzelt, sie machen Angebote und ver ellen gesellschaftlichen Herausforderungen. fügen über Räume, in denen sich Menschen unterschiedlicher Nationalität, Religion, Kul Vor dem Hintergrund der im Spätsommer tur, sozialer Herkunft oder Hautfarbe begeg 2010 aufbrechenden Debatte fand gerade das nen können.“ Unter dem Titel „Zum Wohl der Thema Migration und Integration großen Menschen und der Gesellschaft“ folgte 2009 medialen Widerhall. Es nützt wenig, markt ein gemeinsames Grundsatzpapier. schreierisch die integrative Kraft des Fußballs zu beschwören und den jungen Nationalspie ler Mesut Özil als neuen Messias einer multi Sport ist mehr kulturellen Gesellschaft zu verklären. Genau so wenig hilft es aber, die Bemühungen des Mehr als nur ein weiterer Partner ist das Bil DFB pauschal als Luftblase zu diskreditieren dungssystem. Immerhin beginnt sich lang oder so zu tun, als dienten sämtliche Maßnah sam die Erkenntnis durchzusetzen, dass Schu men allein der Imagepflege. Demgegenüber le und Sport nicht notwendig in Konkurrenz sind der seit 2007 verliehene Integrations zueinander zu sehen sind. So veröffentlich preis, die Ernennung einer Integrationsbe te der DOSB im Jahre 2008 das Grundsatz auftragten und viele unterstützte Programme papier „Chancen der Ganztagsförderung nut und Projekte mehr als nur symbolische Akte, zen“, das den Vereinen Ängste nehmen und auf auch wenn auf der anderen Seite immer noch die Chancen hinweisen soll, welche die Ganz genug zu tun bleibt und es auch an Ideen nicht tagsförderung an den Schulen gerade für den mangelt: Beispielsweise wäre eine Bildungsof fensive denkbar oder verstärktes Engagement und verbandsorganisierten Fußball als zivilgesell in präventiver Arbeit wie die Umsetzung ei schaftlichem Mitspieler, in: Forschungsjournal Neue nes Moduls zur interkulturellen Sensibilisie Soziale Bewegungen, (2010) 23, S. 63–72. rung in der Trainerausbildung. 6 APuZ 16–19/2011
Das gesellschaftliche Engagement des Sports ischen Charta „Sport für alle“. Ihr Ziel ist es, und seiner Akteure, seiner Vereine und Ver Bedingungen zu schaffen, die es der gesamten bände ist ohne Alternative, der angestoßene Bevölkerung ermöglicht, regelmäßig Sport zu Prozess unumkehrbar und die zunehmende treiben, und zwar ohne Berücksichtigung von Übernahme von sozialer Verantwortung nicht Geschlecht, Alter, Beruf oder Einkommen hintergehbar. Dafür sprechen – und dafür sor (Art. 1: „Jeder Mensch hat das Recht, Sport gen – schon die vielfältigen Facetten des gesell zu treiben“). Jenseits der großen Organisatio schaftlichen Wandels, der sich derzeit vollzieht. nen des Sports existieren zahlreiche Projekte und Initiativen, die sich derer annehmen, die Möglichkeiten, wie der Sport dem begeg am Rand der Gesellschaft stehen. Beispiels nen könnte, gibt es viele. Zu denken wäre etwa weise fand parallel zur Fußball-WM 2006 in an neue Angebotsstrukturen, die dem demo Deutschland die Streetfootball-WM in Berlin grafischen Wandel Rechnung tragen – dies statt, ein Turnier weltweiter Entwicklungs umso mehr, als sich allmählich die Erkennt projekte, die Fußball nach eigenen, sozialen nis durchzusetzen beginnt, dass sich dieser „Fairplay“-Regeln spielen. Die Deutsche Stra nicht erst in ferner Zukunft, sondern bereits ßenfußball-Meisterschaft wiederum wird seit gegenwärtig vollzieht und auswirkt. Ebenfalls 2006 ausgerichtet vom Verein „Anstoß! Bun sinnvoll schiene auch eine verstärkte Zusam desvereinigung für Soziale Integration durch menarbeit von Sportvereinen und -verbänden Sport“, die auch die deutsche Beteiligung am mit kommunalen und staatlichen Stellen. Es Homeless Worldcup organisiert. kommt darauf an, sozialraumorientiert und le bensweltbezogen Menschen, die am Rand der Wie weitreichend die Überlegungen hin Gesellschaft stehen oder ins soziale Abseits zu sichtlich einer Beteiligung aller am Sport gehen geraten drohen, zu fördern, zu befähigen und können (und gehen müssen), zeigt das Beispiel zu ermächtigen – damit Handlungsräume er des Sports von Menschen mit Behinderung. öffnet sowie soziale und kulturelle Armuts Wird Behinderung nicht mehr als Defizit, barrieren überwunden werden können, und sondern als soziale Benachteiligung im Sin damit Teilhabe in gesellschaftlich relevanten, ne einer Einschränkung von Teilhabechancen subjektiv bedeutsamen Lebensbereichen und betrachtet, und werden Menschen mit Behin Teilsystemen gelingen kann, zu denen selbst derung nicht länger als Objekte der Fürsorge, verständlich eben auch der Sport gehört. sondern als mit Bürgerrechten ausgestattete, selbstbestimmte Subjekte begriffen, reicht es nicht, spezielle Angebote für Menschen mit Teilhabe durch Sport Behinderung (bis hin zum Leistungssport) zu schaffen. Vielmehr kommt es darauf an, durch Seit die Verbesserung, die Erhaltung oder die die Entwicklung und Organisation von inklu Wiedererlangung der körperlichen Leistungs siven sportlichen Angeboten und Veranstal fähigkeit und der eigenen Gesundheit als po tungen Menschen mit und ohne Behinderung tenzielles Ziel sportlicher Übungen auch als miteinander in Bewegung kommen zu lassen. vermarktbar erkannt und in diesem Sinne sei tens verschiedener Akteure instrumentalisiert Mit dem Rückenwind der UN-Konvention wurden, ist der Sport als selbstverständlicher über die Rechte von Menschen mit Behinde Bestandteil individueller Lebensgestaltung rungen, welche die Bundesrepublik 2009 rati kaum mehr wegzudenken – im Gegenteil: Je fiziert hat, wird auch im Sport sehr viel aktiver stärker Autonomie und Selbstwirksamkeit als bislang mit dem Ziel der Inklusion gearbei sowie körperliche Leistungsfähigkeit und Ge tet werden müssen❙8. Die Umsetzung der Kon sundheit als wichtige Merkmale eines gelin vention könnte aber sogar unsere Wahrneh genden Lebens definiert werden, umso größe mung des Sports insgesamt verändern, indem re Bedeutung scheinen sportliche Aktivitäten sie letzten Endes die Frage aufwirft, was guten im Leben vieler Menschen zu erlangen. und gelingenden Sport eigentlich ausmacht. Bewertungskategorien wie Leistung, Schön Die Frage, inwiefern das Ideal der Einbe heit oder Erfolg könnten eine Umdeutung er ziehung aller Menschen – ungeachtet physi fahren. Möglicherweise müssten sogar neue scher, psychischer oder sozialer Kriterien – in das Teilsystem Sport realisiert werden kann, ❙8 Siehe hierzu auch den Beitrag von Sabine Radtke in führte 1975 zur Verabschiedung der Europä diesem Heft. APuZ 16–19/2011 7
Sportarten entwickelt werden, die den Anfor einer ständigen Wettbewerbssituation inner derungen der Behindertenrechtskonvention halb der Sportarten und den mannigfachen eher entsprechen als herkömmliche Formen.❙9 Trends der Körperkultur ausgesetzt und be darf schon aus diesem Grunde eines imma nenten „Entwicklungspotenzials“ und der Sport hat Zukunft permanenten Selbsterneuerung. Das Phänomen Sport hat in seiner Geschichte Von entscheidender Wichtigkeit ist jedoch, tiefgreifende Wandlungen und unterschiedli dass der Sport seine Rolle erweitert definiert che Deutungen erfahren. Seit der Begründung und sich neben der Hauptarbeit – dem Sport der Turnbewegung vor 200 Jahren haben sich an sich – zunehmend auch gesellschaftlichen, Praxis und Verständnis von Leibesübungen sozialen und kulturellen Aufgaben stellt. Sei und Körperkultur stetig weiterentwickelt, ne Zukunft ist dann gesichert, wenn er der mit dem Aufkommen neuer Sportarten rück sozialen Verantwortung in einer sich wan ten andere Bewertungen und Wertigkeiten in delnden Gesellschaft gerecht wird. Selbstver den Mittelpunkt. Zu allen Zeiten hatte Sport ständlich kann der Sport nicht einzelne, schon Zukunft – nur ob der Sport in Zukunft genau gar nicht alle gesellschaftlich relevanten Pro so aussieht, wie er sich gegenwärtig darstellt, bleme lösen, erst recht nicht im Alleingang. ist eine offene Frage. Im Gegenteil produziert er manche Probleme erst, oder er macht sie wie in einem Brenn Niemand weiß, ob in 20, 30 Jahren die Be glas sichtbar. Wohl aber birgt er ein nicht zu mühungen des DFB, dem Frauenfußball eine unterschätzendes Potenzial, als Motor gesell breitere Basis zu verschaffen, Erfolg gehabt schaftlicher Prozesse darauf hinzuwirken, haben werden – oder ob sich bis dahin nicht dass Teilhabe für immer größere Teile der Be sogar gänzlich andere Fußball-Varianten völkerung realisiert werden kann – dieses gilt stärker etabliert haben könnten. Denkbar ist es zu entdecken und zu fördern. auch, dass die heute „großen“ Sportarten und ihre Verbände von anderen Sportarten ver stärkt Konkurrenz bekommen. Neben dem Sport prägt uns Vereinssport hat sich ein weitgehend kom merziell orientierter Sportbetrieb etabliert, Der (organisierte) Sport als Ganzes sollte der mit seinen Fitness-Centern, Sportschu stärker als bisher nicht nur als Teil, Spiegel len und dergleichen mehr Millionen Deutsche bild oder bestenfalls Vorbild der Gesellschaft anzieht. Keineswegs sind diese viel besuchten, wahrgenommen werden, sondern als ein privaten Sportstätten nur Ausdruck von Indi flussreicher gesellschaftlicher Akteur. Es gilt, vidualismus, Jugendwahn und Kommerz und ihn nicht nur rhetorisch wohlfeil als „Kultur damit gleich die Totengräber der traditionel gut“ oder als „Teil der Kultur“ zu verklären, len Sportvereine. Aber für viele ist der Sport sondern ihn als Kultur bildenden und Gesell im Verein mit seinen festgelegten Übungs schaft prägenden Faktor wertzuschätzen. zeiten aufgrund beruflicher Belastungen und wechselnder Arbeitsorte nur schwer mög Sport bildet und prägt uns – auch, aber nicht lich. Für andere ist das breite Angebot ver allein durch seine vielfältigen Vernetzungen lockend, das von Fitness bis Wellness reicht und Verflechtungen, seine politischen, ökono und sich rasch auf die Wünsche der Kun mischen, sozialen, gesellschaftlichen und kul den und die jeweiligen Moden einstellt. Da turellen Wirkungen und Bezüge. Er tut dies, mit stehen die kommerziellen Studios ebenso indem er mannigfache Gelegenheiten bietet, in für eine weitere Differenzierung von Freizeit dividuelle und kollektive Identitäten auszubil verhalten, Körperkultur und Sport wie neue den und zu leben. Und er tut dies, indem er zwi (Trend-)Sportarten; sie illustrieren beispiel schen Individuen und Gruppen Begegnungen haft eine von zunehmenden Fliehkräften ge ermöglicht, soziale Beziehungen stiftet und ge kennzeichnete Gesellschaft. Der Sport ist also sellschaftliche Bindungskräfte freisetzt. In die sem Sinne besitzt er tatsächlich integrative, ja inklusive Kraft. Es ist zu wenig, von „Teilhabe ❙9 So auch der Sozialethiker Christoph Hübenthal in seiner Einführung zum Symposium „Sport und Behin durch Sport“ zu sprechen. Sport ist Teilhabe. derung – Die Herausforderungen der UN-Behinder tenrechtskonvention“ am 22. 11. 2010 in Leverkusen. 8 APuZ 16–19/2011
Jürgen Mittag rung beiträgt, sondern auch als Instrument zur Artikulation von Protest genutzt wird.❙3 Sport und Protest Zu den grundlegenden Kennzeichen von Protest gehört die Artikulation von Wider spruch, die mit der Forderung nach Wandel K aum einer politischen Ausdrucksform wird gegenwärtig mehr Aufmerksam keit gewidmet als dem politischen Protest. Die oder Veränderung verbunden wird, um ei nen Missstand zu beheben oder vor drohen den Fehlentwicklungen zu warnen. Die dabei Kundgebungen und zum Tragen kommenden Formen des Pro Jürgen Mittag Demonstrationen der testrepertoires variieren ebenso wie Themen, Dr. phil., geb. 1970; bis 2010 vergangenen Monate – Träger und Ausmaß. Gemein ist fast allen wissenschaftlicher Geschäfts- von Stuttgart bis Kai Protesten jedoch das Bemühen, öffentliche führer des Instituts für soziale ro – zeugen von anhal Aufmerksamkeit zu wecken, Zustimmung zu Bewegungen der Ruhr-Universi- tender, ja wachsender finden und potenzielle Unterstützer für das tät Bochum; seit 2011 Professor Bereitschaft zu „kol eigene Anliegen zu mobilisieren.❙4 für Sportpolitik an der Deut- lektiver, öffentlicher schen Sporthochschule Köln, Aktion“, insbesonde Dieser Beitrag lenkt den Blick in typologi Am Sportpark Müngersdorf 6, re von nichtstaatli scher Absicht insbesondere auf sportbezogene 50933 Köln. chen Akteuren, mit Protestformen und -themen. Grundsätzlich mittag@dshs-koeln.de der „Kritik oder Wi ist dabei zwischen zwei Hauptformen zu un derspruch zum Aus terscheiden: Zum einen Protestereignisse, bei druck“ gebracht und die „Formulierung eines denen es im engeren Sinne nicht um sportliche gesellschaftlichen oder politischen Anliegens“ Interessen geht, sondern bei denen der Sport verbunden wird.❙1 Dass der aktuelle Protest vielmehr eine Projektionsfläche für politischen boom auch im Sport seinen Niederschlag fin oder sozialen Protest darstellt, dessen Zielset det, zeigte sich nicht nur am Widerstand der zungen mit Sport allenfalls mittelbar verkop Garmisch-Partenkirchener Grundstücksei pelt sind; zum anderen Fälle, in denen es um gentümer gegen die Bewerbung Münchens um sportliche Interessen geht und der Anlass des die Ausrichtung der Olympischen Winterspie Protests unmittelbar mit Sport verbunden ist. le 2018, sondern auch an den Protestplakaten von Fans gegen den inzwischen gestürzten tu nesischen Staatspräsidenten Ben Ali während Engagement für Menschenrechte der jüngsten Handball-WM in Schweden. Das zentrale Thema von Protestanalysen im Sport im Allgemeinen – und Fußball als Bereich des amerikanischen Sports bildet weltweit populärster Sportart im Besonderen – die Wechselbeziehung zwischen Sport und wird beträchtliches Potenzial zugeschrieben, schwarzen Athleten bzw. zwischen „sports auch nicht unmittelbar sportbezogenen In teressen als Projektionsfläche zu dienen. Es ❙1 Vgl. Friedhelm Neidhardt/Dieter Rucht, Protest gilt nicht mehr allein die Parole, „was zählt is’ geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1950– auf’m Platz“, sondern es sind in zunehmen 1994, in: Dieter Rucht (Hrsg.), Protest in der Bundes dem Maße Verknüpfungen von sportlichen republik, Frankfurt/M.–New York 2001, S. 28. und außersportlichen Interessen auszuma ❙2 Vgl. als Überblick: Jürgen Mittag/Jörg-Uwe Nie chen. Waren es früher vor allem internationale land (Hrsg.), Das Spiel mit dem Fußball. Interessen, Sportgroßereignisse, bei denen Diktatoren mit Projektionen und Vereinnahmungen, Essen 2007. ❙3 So existiert im 250-seitigen Register der achtbändi Hilfe erfolgreicher Olympioniken, oder Mili gen International Encyclopedia of Revolution and Pro tärregierungen durch Erfolge bei Fußballwelt test. 1500 to the Present (hrsg. von Immanuel Ness, meisterschaften sportliche Siege in politische Chichester u. a. 2009) kein Eintrag zum Thema Sport. Zustimmung ummünzten, so hat sich das Aus Zum Problemfeld liegen vor allem essayistisch oder ak maß an Vereinnahmungsprozessen im Sport teurszentriert geprägte Abhandlungen vor. Vgl. Dave in den zurückliegenden 20 Jahren deutlich er Zirin, A people’s history of sports in the United States, New York–London 2008; Fred Coalter, A Wider Social höht und weiter ausdifferenziert.❙2 Wenig Be Role for Sport. Who’s keeping the score?, London 2007. achtung ist bislang jedoch dem Umstand ge ❙4 Vgl. Sabine Ursula Nover, Protest und Engage widmet worden, dass der (Spitzen-)Sport nicht ment. Wohin steuert unsere Protestkultur?, Wiesba nur zur außersportlichen Popularitätssteige den 2009, S. 28 f. APuZ 16–19/2011 9
and race“.❙5 Zahlreiche Studien zur afroame Dass das Thema Menschenrechte Ende der rikanischen Bevölkerung in den USA zeigen, 1960er Jahre auch zu kollektiven Protesten de dass diese durch die Rassentrennung, vor al monstrativer Natur führte, lässt sich insbeson lem in den Südstaaten, nicht nur grundsätzlich dere am Beispiel Südafrika zeigen. Seit Beginn in ihren Bürgerrechten, sondern auch spezi der Apartheid 1948 wurde die nicht-weiße Be fisch bei der Ausübung im Breiten- und Pro völkerung in Südafrika in allen Lebensberei fisport eingeschränkt wurde. Zeitgenössisch chen diskriminiert; auch in den Sportligen, auf ist dieser Umstand insbesondere vom ameri Tribünen und an den Stadioneingängen wurde kanischen Soziologen Harry Edwards kriti nach Hautfarbe getrennt. Diese Politik führ siert worden,❙6 der sich mit seinen Schriften te zu immer stärkerem internationalen Druck, nicht nur gegen die Bürgerrechtsituation in der letztlich dazu beitrug, dass das Land Ende den USA, sondern auch gegen die Apartheid der 1960er Jahre in fast allen Disziplinen von politik und den Rassismus in Afrika wandte. internationalen Wettbewerben ausgeschlos Edwards initiierte das „Olympic Project for sen wurde. Eine Ausnahme machte allein Human Rights“ (OPHR), welches die nicht- das International Rugby Board, das dadurch weißen Sportler aufforderte, die Olympischen besonders vehemente Proteste provozier Spiele 1968 in Mexiko zu boykottieren. te. Deutlich wurde dies 1969/70, als die süd afrikanische Nationalmannschaft eine Tour Der Boykott schlug zwar fehl (unter ande durch England, Wales und Irland unternahm. rem deshalb, weil die Apartheidstaaten Süd „Vor den Stadien demonstrierten Zehntausen afrika und Rhodesien, das heutige Simbabwe, de von Apartheidgegnern. Sie veranstalteten von den Spielen ausgeschlossen wurden), aber Sitzblockaden, stürmten das Spielfeld, mach das OPHR trat in Mexiko dennoch prominent ten das Geläuf durch Glasscherben unbespiel in Erscheinung: Die beiden afroamerikani bar. Im (…) Hotel verklebten Studentinnen schen Leichtathleten Tommie Smith und John die Schlösser der Hoteltüren, (…) Busfahrer Carlos, die beim 200-Meter-Lauf den ersten chauffierten sie an falsche Spielorte. Techni und dritten Platz belegt hatten, erschienen ker der BBC weigerten sich, die Begegnungen zur Siegerehrung ohne Schuhe; an ihren Trai zu übertragen.“❙8 Diese und zahlreiche weite ningsjacken, wie auch an der des zweitplat re Protestaktionen führten zur fast vollstän zierten Australiers Peter Norman, heftete ein digen Isolation des südafrikanischen Sports. OPHR-Button. Auf dem Podest reckten Smith Der weltweite Sportprotest – 1976 wurde das und Carlos ihre jeweils mit einem schwarzen Land auch aus dem Weltfußballverband FIFA Handschuh versehenen Fäuste nach oben – ausgeschlossen – übte mutmaßlich stärkere das Zeichen der „Black-Power“-Bewegung. Wirkung auf das Apartheidregime aus als alle Diese Geste ging nicht nur in die Olympiage Waffenembargos und Wirtschaftsblockaden.❙9 schichte, sondern als Bild auch in das kollek tive Gedächtnis ein. Die beiden Leichtathle ten wurden danach vom US-Verband aus dem Religiös motivierter Protest olympischen Dorf verwiesen, aus dem Na tionalkader ausgeschlossen und mussten auf Der Boxer Muhammad Ali gehörte, zunächst Fördergelder verzichten; erst Jahrzehnte spä noch unter seinem Geburtsnamen Namen ter wurden sie rehabilitiert und ihr Protest als Cassius Clay, nach seinem Goldmedaillenge Beitrag zur Gleichberechtigung anerkannt.❙7 winn bei den Olympischen Spielen 1960 und vor allem nach seinem Wechsel ins Profilager und dem Weltmeistertitel im Schwergewicht ❙5 Vgl. John Bloom/Michael Nevin Willard (eds.), 1964 zu den populärsten US-Sportlern über Sports matters. Race, recreation, and culture, New haupt. Durch seine extravagante Selbstinsze York–London 2002; Patrick B. Miller/David K. Wig gins (eds.), Sport and the color line. Black athletes and nierung und zahlreiche Erfolge schürte er race relations in twentieth-century America, New weltweit das Interesse am Boxsport. Entspre York 2004; Ben Carrington, Race, sport and politics. chend groß war die Aufmerksamkeit, als er The black sporting diaspora, London 2010. ❙6 Vgl. Harry Edwards, The Revolt of the Black Ath lete, New York 1969. ❙8 Bartholomäus Grill, Blatters Schweigen, in: Die ❙7 Kevin B. Witherspoon, Before the eyes of the Zeit vom 24. 6. 2010, S. 58. world. Mexiko and the 1968 Olympic Games, De ❙9 Vgl. Andreas Krumpholz, Apartheid und Sport, Kalb, IL 2008; Keith Brewster (ed.), Reflections on München 1991; Douglas Booth, The Race Game. Mexico ’68, Chichester 2010. Sport and Politics in South Africa, London 1998. 10 APuZ 16–19/2011
1964 zum Islam konvertierte, sich den Namen irische Silbermedaillengewinner im Weit Muhammad Ali gab und, als er zum Militär sprung, Peter O’Connor, einen Fahnen dienst in Vietnam einberufen wurde, diesen mast erklommen und die irische Flagge ge verweigerte. Als er dann im April 1967 erklär schwenkt, um gegen die Bestimmung zu te, dass er als Priester der „Nation of Islam“ protestieren, unter britischer Fahne antre keinen Militärdienst leisten könne und alle ten zu müssen. Bei den Olympischen Spielen angebotenen Alternativen ablehnte, entzog 1908 in London verzichtete das gesamte fin ihm die New York State Athletic Commissi nische Team auf eine Fahne, um nicht hinter on die Boxlizenz, der Weltmeistertitel wurde der Flagge des zaristischen Russlands mar aberkannt. Ali erhielt eine Haftstrafe auf Be schieren zu müssen. Doch neben Einzelper währung, blieb aber gegen Kaution auf freiem sonen und Verbänden haben sich auch ganze Fuß. In den folgenden Jahren durfte er weder Staaten der Projektionsfläche des Sports zu in den USA noch im Ausland boxen.❙10 Protestzwecken bedient.❙12 Erst Ende September 1970 erhielt er die Li Während des Kalten Kriegs erlebte die In zenz zurück, 1971 entschied der Supreme strumentalisierung des Sports zu nationalen Court, dass Ali aus Gewissensgründen von Zwecken ihren Höhepunkt. Bereits 1928 hatte der Wehrpflicht befreit hätte werden müssen, die Sowjetunion mit weiteren Staaten begon und hob das Gerichtsurteil auf. Obwohl er sei nen, Spartakiaden als eigene internationale nen Protest nicht bewusst inszenierte, versetz Sportwettkämpfe auszutragen und die Olym te der Boxer mit der Verweigerung des Kriegs pischen Spiele zu boykottieren; die Sowjet dienstes die USA in Aufruhr. Zeitweilig galt union verzichtete bis 1952 auf eine Teilnahme. er als Ikone der schwarzen Protestbewegung Da Taiwan die Mitwirkung erlaubt worden bzw. des afroamerikanischen Kampfes gegen war, blieb China den Spielen von 1958 bis das weiße Establishment. Ali steht als Sportler 1980 fern. 1956 boykottierten die Niederlan damit typologisch als Beleg, dass die Artiku de, Spanien und die Schweiz die Sommerspiele lation von Protest im Sport durch den Faktor in Melbourne, um gegen die Niederschlagung Prominenz eine enorme Steigerung erfährt. des Volksaufstands in Ungarn zu protes tieren. Der gleichzeitige Teilnahmeverzicht Eine ganz andere Facette religiös inspi durch Ägypten, Irak, Kambodscha und Li rierten Protests zeigte sich in Deutschland banon richtete sich hingegen gegen die israeli im Sommer 2009, als türkische Medien ge sche Invasion der Sinai-Halbinsel im Zuge der gen eine auf den Propheten Mohammed Be Suezkrise. Das zwischen Titelverteidiger Un zug nehmende Passage im Vereinslied von garn und der Sowjetunion ausgetragene Halb Schalke 04 protestierten.❙11 Es wurde ge finale im Wasserball ging indes als „Blutbad gen „eine Verhöhnung des Propheten Mo von Melbourne“ in die Annalen der Olympia hammed“ protestiert und sogar mit einem geschichte ein. Das Spiel wurde mit äußers Boykott der kommenden Bundesligaparti ter Härte geführt, und die Zuschauer ergrif en gedroht. Erst ein islamwissenschaftliches fen derart stark Partei gegen die Sowjetunion, Gutachten, das betonte, dass in dem Lied dass das Spiel abgebrochen werden musste. keine islamfeindliche Gesinnung zum Aus druck komme, beendete diesen medial in Eine vergleichbare Protestdimension war szenierten Protest. auch bei den Eishockeyspielen zwischen der Sowjetunion und der Tschechoslowakei bei der WM 1969 in Schweden auszumachen, die Nationale Olympiaboykotte von Zuschauern (und Medien) zum Anlass genommen wurden, gegen die Niederschla Bereits 1906, bei den inoffiziellen „Olympi gung des Prager Frühlings zu protestieren.❙13 schen Zwischenspielen“ in Athen, hatte der ❙12 Vgl. James Riordan/Arnd Krüger, The internatio ❙10 Vgl. Mike Marqusee, Redemption song. Mu nal politics of sport in the twentieth century, London hammad Ali and the spirit of the sixties, London– 1999; Roger Levermore/Adrian Budd (eds.), Sport New York 2005. and International Relations, London 2004. ❙11 Anstoß erregte die Passage „Mohammed war ein ❙13 Vgl. Jörg Ganzenmüller, Bruderzwist im Kalten Prophet/Der vom Fußballspielen nichts versteht/ Krieg, in: Arié Malz/Stefan Rohdewald/Stefan Wie Doch aus all der schönen Farbenpracht/Hat er sich derkehr (Hrsg.), Sport zwischen Ost und West, Os das Blau und Weiße ausgedacht.“ nabrück 2007, S. 113–130. APuZ 16–19/2011 11
Auch im deutschen Sport spiegelte sich der Sozial motivierte Solidarisierungen und Kalte Krieg wiederholt wider. Als der Mit telstreckenläufer Jürgen May (DDR-Sport Proteste gegen politische Unterdrückung ler des Jahres 1965) aus der DDR flüchtete, aufgrund des Einspruchs des DDR-Ver Neben politischen Kontroversen war der bands jedoch keine Starterlaubnis für die Sport wiederholt auch Schauplatz sozial mo Leichtathletik-Europameisterschaft 1969 in tivierter Protestbekundungen, etwa, als in Athen erhielt, entschied der Bundesdeut den 1980er Jahren in Deutschland Diskussio sche Leichtathletik-Verband die Wettbewer nen über Zechenschließungen aufbrandeten. be zu boykottieren und lediglich mit Staf Als die Bergbaugewerkschaft IG BE im Sep feln anzutreten. tember 1987 zu einem „Internationalen Ak tionstag“ im Ruhrgebiet aufrief, wurden die Die Boykott-„Höhepunkte“ stellen jedoch Kumpel der Zeche Westerholt am Vortag in die Olympischen Spiele 1976, 1980 und 1984 das Gelsenkirchener Parkstadion eingeladen, dar. 1976 reisten über 20 nationale Teams aus wo sie beim Fußballspiel FC Schalke 04 gegen Montreal ab, um gegen die neuseeländische Bayern München für den Erhalt ihrer Arbeits Rugby-Mannschaft zu protestieren, die kurz plätze demonstrierten. Auch beim Regional zuvor in Südafrika angetreten war. 1980 er ligaspiel Borussia Neunkirchen gegen den klärten die USA, aus Protest gegen den sow Bonner SC im März 1995 zogen rund 3000 jetischen Einmarsch in Afghanistan nicht an Fußballanhänger gemeinsam mit den Berg den Spielen in Moskau teilnehmen zu wollen. leuten von der Innenstadt ins Stadion. Dort Rund 40 weitere Staaten schlossen sich ihnen bildeten die Kumpel rund um das Spielfeld an, darunter auch die Bundesrepublik. 16 der eine Menschenkette, während die Neunkir in Moskau anwesenden Staaten protestier chener mit der Parole „Ja zur Kohle“ auf den ten gegen den sowjetischen Einmarsch in Af Trikots aufliefen. Als zwei Jahre später mehr ghanistan, indem sie bei der Eröffnungsfei als 200 000 Ruhrgebietsbürger eine Men er statt ihrer Nationalflagge die olympische schenkette vom Osten zum Westen des Ruhr bzw. die Flagge ihres olympischen Komitees gebiets bildeten, reihte sich auch die Mann trugen, sieben Staaten schickten lediglich ei schaft des VfL Bochum ein. Und einen Monat nen Fahnenträger, aber keine Athleten zur später, als im Bochumer Ruhrstadion das Re Eröffnung. Als Reaktion auf den Olympia vierderby zwischen Bochum und Schalke an boykott 1980 verzichteten vier Jahre später stand, betraten beide Fußballteams den Ra die Sowjetunion und 13 weitere Staaten auf sen mit 50 Bergarbeitern, die mit Fahnen und eine Teilnahme an den Sommerspielen in Los Transparenten für den Erhalt des Bergbaus Angeles. demonstrierten.❙15 Der Boykott der Sommerspiele 1988 in Dass Transparente im Stadion auch zu So Seoul durch Nordkorea, Kuba, Äthiopi lidaritätsbekundungen mit Demokratiebe en und Nicaragua markiert das vorläufi wegungen genutzt werden, hatte sich bereits ge Ende der staatlichen Boykottaktivitäten. bei der Fußball-WM 1974 in Deutschland ge Dass Olympische Spiele aber weiterhin ei zeigt: In der Halbzeitpause des Vorrunden nen idealen Resonanzboden für Protest bie spiels Chile gegen Australien überwanden ten, wurde 2004 in Athen deutlich, als sich Jugendliche die Absperrungen und entrollten der iranische Judoka Arash Miresmaeili ein Transparent mit der Aufschrift: „Chile – weigerte, gegen den Israeli Ehud Vaks an Socialista“, mit dem sie gegen die chilenische zutreten, bzw. vier Jahre später in Peking Militärjunta demonstrierten. der iranische Schwimmer Mohammad Ali rezaei eine ähnliche Position bezog. Im Vor In jüngerer Zeit ist es verstärkt zu Protest feld der Olympischen Spiele in China 2008 aktivitäten für Demokratiebewegungen ge war es schließlich der Fackellauf, der wie kommen, bei denen vor allem auf symboli derholt zum Ziel von Protesten wurde, die sich vor allem gegen die Tibet-Politik Chi ❙15 Vgl. Andreas Luh, „Wir sind die Ruhrpottkana nas richteten.❙14 ken“ – Fußball und Identität im Ruhrgebiet 1920– 2000, in: Wolfgang Buss/Arnd Krüger (Hrsg.), Trans ❙14 Vgl. John Horne/Garry Whannel, The ‚caged torch formationen: Kontinuitäten und Veränderungen in procession‘, in: Sport in Society, (2010) 5, S. 760–770. der Sportgeschichte, Hoya 2002. 12 APuZ 16–19/2011
schen und identitätsstiftenden Protest gesetzt besitzer auf die Möglichkeit der Aussper wurde. So etwa 2003, als im Cricket-Weltcup, rung. So konnte etwa im Eishockey die Sai der unter anderem in Simbabwe ausgetragen son 1994/95 erst mit 103 Tagen Verspätung wurde, die beiden simbabwischen Spitzenspie beginnen, 2005 musste die Spielzeit sogar ler Andy Flower und Henry Olonga schwar ganz abgesagt werden. Auch im Basketball ze Armbänder trugen, mit denen sie gegen den und Baseball führten Streiks und Ausschlüs Terror des diktatorisch regierenden Präsiden se bereits zu Verschiebungen und Saisonver ten Robert Mugabe demonstrierten. In einer kürzungen. In Europa setzen Profisportler Erklärung sprachen sie vom Protest gegen den bisweilen ebenfalls auf Streiks, bislang jedoch „Tod der Demokratie“ und betonten, dass sie in weitaus geringerem Ausmaß. auf Menschenrechtsverletzungen und staatlich sanktionierte Folter aufmerksam machen woll Dass neben öffentlichkeitswirksamen Streiks ten. Beide Spieler mussten nach ihrer Protest und den noch weitaus häufiger anzutreffen aktion das Land verlassen und ihre Karriere den Presse- oder Trainingsboykotts von ein im Nationalteam beenden.❙16 Auf eine ähnliche zelnen Profis oder ganzen Vereinen auch auf Protestbekundung setzten auch sechs iranische rechtliche Protestinstrumente gesetzt wird, Fußballnationalspieler, die 2009 beim WM- um die eigenen ökonomischen Interessen zu Qualifikationsspiel gegen Südkorea grüne behaupten, dokumentiert der Fall des bel Schweißbänder trugen und damit Farbe für den gischen Fußballers Jean Marc Bosman, der Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi und 1995 zum „Bosman-Urteil“ des Europäi die Demokratiebewegung bekannten. Auch in schen Gerichtshofs (EuGH) führte.❙18 diesem Fall sahen sich die protestierenden Spie ler mit Sanktionen des eigenen Verbands und Direkte Bezüge zum Sport weisen auch die Karriereeinschränkungen konfrontiert. Proteste der Fans gegen überzogene Kom merzialisierungstendenzen im Profisport Ein aktuelles Beispiel für den Einsatz von auf. Gingen die Fans, vor allem im Fußball, Fußballfans für Demokratieanliegen lieferte in früheren Jahren auf die Barrikaden, um ge jüngst auch die ägyptische Fangruppe „Ultras gen überteuertes Bier oder unbeliebte Spie Ahlawy“, die den Kairoer Verein Al-Ahly un ler aufzubegehren, fallen die Protestziele und terstützt. Ihr wird eine bedeutende Rolle bei -formen im vergangenen Jahrzehnt deutlich den Protesten gegen den früheren Präsidenten differenzierter aus. So wandte sich vor der Hosni Mubarak zugeschrieben, da sie im Janu Bundesligasaison 2001/2002 die Initiative ar und Februar 2011 tagelang den Tahrir-Platz „Pro 15.30“ mit Plakaten und T-Shirts gegen gegen die Polizei mitverteidigt habe.❙17 die zunehmende Ausdehnung der Spieltage über das gesamte Wochenende und forderte die Abschaffung des Sonntags als regulären Proteste mit direktem Sportbezug Spieltag sowie die Festlegung der Anstoßzeit auf samstags, 15.30 Uhr. Aufmerksamkeit er Bildete bei den bislang angeführten Protest zielten aber auch Aktionen von Anhängern, formen und -motiven der Sport eher den An die gegen die Umbenennung der Stadien oder lass als das Thema, so steht der Sport bei den die Änderung der Vereinsfarben protestier nachfolgenden Beispielen selbst im Mittel ten und etwa, wie im Fall von Nürnberg, über punkt. Zu den „klassischen“ sportbezogenen 5000 Unterschriften gegen den Namen „easy Protestformen gehören die Verteilungskon Credit-Stadion“ sammelten. Ihre Entspre flikte in den großen amerikanischen Profi chung fanden diese Aktivitäten im Protest ligen. Hier kommt es immer wieder zu re gegen die zunehmend kommerziellen Bewirt gelrechten Arbeitskämpfen zwischen den schaftungsformen in den Stadien, gegen reine Spielern und ihren Arbeitgebern. Während Sitzplatzarenen oder VIP-Logen. die Sportler auf das Instrument des Streiks zurückgreifen, setzen die Klub- bzw. Ligen ❙18 Nachdem Bosman zunächst gegen seinen Verein geklagt hatte, weil er durch die zu hohe Ablösefor derung seine Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkt ❙16 Vgl. Callie Batts, ‚In good conscience‘: Andy Flo sah, führten die Folgeverfahren und das EuGH-Ur wer, Henry Olonga and the death of democracy in teil dazu, dass sich das bisherige Transfersystem im Zimbabwe, in: Sport and Society, (2010) 1, S. 43–58. europäischen Fußball grundlegend änderte – erst ❙17 Vgl. Martin Krauss, Die Fußballrevolution, in: seitdem können Spieler in der EU den Verein nach Die Tageszeitung vom 16. 2. 2011. Ablauf ihrer Vertragslaufzeit ablösefrei wechseln. APuZ 16–19/2011 13
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