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THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER
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             www.serviceagentur-demografie.de
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Inhalt

Vorwort...................................................................................................................................1
I. Einleitung............................................................................................................................2
II. Bevölkerungsentwicklung in Thüringen.........................................................................3
III. Herangehensweise und Zielsetzung..............................................................................7
IV. Handlungsfelder...............................................................................................................8
    1. Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE)..............................................9
    2. Allgemeinbildende Schulen...........................................................................................12
    3. Berufsbildende Schulen................................................................................................15
    4. Hochschulen.................................................................................................................18
    5. Kinder- und Jugendhilfe................................................................................................20
    6. Familie..........................................................................................................................23
    7. Senioren.......................................................................................................................26
    8. Pflege............................................................................................................................29
    9. Medizinische Versorgung..............................................................................................32
    10. Sport...........................................................................................................................35
    11. Kultur...........................................................................................................................38
    12. Nahversorgung...........................................................................................................41
    13. Siedlungsentwicklung.................................................................................................44
    14. Leerstand....................................................................................................................46
    15. Öffentlicher Verkehr....................................................................................................49
    16. Feuerwehrwesen........................................................................................................52
    17. Verwaltung..................................................................................................................55
    18. Wirtschaftsförderung...................................................................................................58
    19. Energieversorgung ....................................................................................................61
    20. Wasserversorgung......................................................................................................64
    21. Abwasserentsorgung..................................................................................................66
    22. Bürgerschaftliches Engagement.................................................................................68
    23. Interkommunale Zusammenarbeit..............................................................................71
    24. Digitalisierung.............................................................................................................74
V. Weiterführende Informationen.......................................................................................78
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THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

Vorwort

Seit allen Zeiten ist Thüringen vom stetigen Wandel     Für diesen Prozess soll der „Thüringer Demografie-
geprägt. So ist z. B. die langfristige Bevölkerungs-    ratgeber“ Ihnen in seiner aktuellen Fassung Anregun-
entwicklung insbesondere durch die geringe Anzahl       gen und Hinweise geben. In diesem Ratgeber finden
von Kindern, die höhere Lebenserwartung und durch       Sie wertvolle Ansätze aus dem Alltag für den Alltag.
Zu- und Abwanderung gekennzeichnet. Der demo-           Sie sollen den kommunalen und zivilgesellschaftli-
grafische Wandel ist darum keine theoretische, wis-     chen Vertreterinnen und Vertretern als Impulsgeber
senschaftliche Angelegenheit, sondern er ist eine       im Umgang mit dem demografischen Wandel dienen.
konkrete Herausforderung für die Sicherung der Da-
seinsvorsorge. Es gilt, diese Herausforderung konse-    Lassen Sie sich einladen zu einer spannenden Lek-
quent anzunehmen und sich bietende Chancen be-          türe und nutzen Sie die Angebote der Serviceagentur
herzt zu nutzen.                                        Demografischer Wandel, die Ihnen gern bei allen hier-
                                                        zu auftretenden Fragen beratend zur Verfügung steht.
Bei diesem Thema geht es deshalb um ganz prakti-
sche Fragen, die das Leben der Menschen in ihrem
persönlichen Umfeld betreffen, um Elemente der Da-
seinsvorsorge.
Gemeint sind beispielsweise der Erhalt des Kinder-
gartens, das Angebot an Bildung und Kultur, die me-
dizinische Versorgung, Gebühren für Wasser und
Strom, Mobilitätsfragen, Digitalanschlüsse und viele
andere mehr.
Die Gestaltung dieses Prozesses trägt dazu bei, allen
Thüringerinnen und Thüringern eine sozial gerechte
Teilhabe an unserer Gesellschaft zu ermöglichen.
Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang wer-
den nicht abgehängt, sondern mit den zur Verfügung
stehenden Mitteln unterstützt. Eine wohnortnahe Da-
seinsvorsorge ist das Ziel. Dafür fördern wir unter
anderem die Entwicklung der Dörfer, Kleinstädte und
Städte, denn ganz entscheidend ist das Handeln in
den Kommunen vor Ort. Klar ist: Gestalten können wir
den demografischen Wandel nur, wenn alle Akteure
bereit sind, Gewohntes zu hinterfragen und Neues
auszuprobieren.

                                                        Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff
                                                        Thüringer Minister für Infrastruktur und Land-
                                                        wirtschaft

                                                                                                           1
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I.               Einleitung

Der demografische Wandel stellt die Kommunen vor         daraus eigene Handlungs- und Kommunikationsstra-
die Herausforderung, zukunftsfeste Lösungen zu sei-      tegien abzuleiten. Eine der drängenden Aufgaben der
nen Prozessen – Bevölkerungsrückgang, Verände-           kommenden Jahre wird es sein, die soziale und tech-
rungen der Bevölkerungsstruktur, Alterung, Zu- und       nische Infrastruktur an die demografische Entwick-
Abwanderung sowie die fortschreitende Individuali-       lung anzupassen, aber auch nachhaltig zu gestalten.
sierung und Internationalisierung – zu finden. Es ist    Diese Veränderungen erfordern innovative Konzepte
Aufgabe der Politik auf allen Ebenen, auch langfristi-   und sowohl bauliche als auch organisatorische An-
ge Perspektiven zu entwickeln und komplexe Verhält-      passungsmaßnahmen, um die Daseinsvorsorge lang-
nisse eines sehr viel weitreichenderen gesellschaftli-   fristig zu gewährleisten.
chen Umbruchs zu berücksichtigen.
                                                         Eine bedeutende Determinante bei der Beschreibung
Es geht um Veränderungsprozesse, die miteinander         des demografischen Wandels ist das Verhältnis von
verknüpft sind und alle kommunalen Handlungsfelder       Zu- und Abwanderung. Gerade die kommunale Ebe-
der Daseinsvorsorge betreffen. Gleichzeitig führt die    ne ist gefordert, wenn es darum geht, neu in Thürin-
Bevölkerungsentwicklung vielerorts zu sinkenden fi-      gen ankommenden Menschen Integrationsangebote
nanziellen Gestaltungsspielräumen der öffentlichen       zu machen und Rahmenbedingungen zu schaffen,
Hand.                                                    die das Miteinander und die Teilhabe aller Menschen
                                                         bestmöglich unterstützen. Auch dem ehrenamtlichen
Aufgrund der zeitlich und räumlich unterschiedlich       Engagement kommt hier eine große Bedeutung zu,
verlaufenden demografischen Entwicklungen gibt es        zum Beispiel bei der Integration von Flüchtlingen.
keine Patentrezepte im Umgang mit deren Folgen.          Dies reicht von der Unterstützung beim Erlernen der
Es bedarf lokal passender und regional abgestimmter      Sprache, über Hilfe bei Behördengängen bis hin zur
Strategien, welche die jeweiligen Perspektiven und       Suche nach einer Arbeitsstelle oder gemeinschaftli-
Potenziale vor Ort berücksichtigen.                      che sportliche Aktivitäten.

Wenn Kommunen ihre Entwicklung beurteilen, müs-          Auf ein eigenes Kapitel zum Thema „Migration“ wurde
sen sie die demografischen Prozesse beachten, um         bei der Erstellung des Thüringer Demografieratgebers
                                                         dennoch verzichtet. Die Systematik dieser Handrei-
                                                         chung für die kommunale Praxis würde der Komplexi-
                                                         tät dieses Themas nicht gerecht, für das eine Vielzahl
                                                         einschlägiger Publikationen (z. B. Thüringer Integrati-
                                                         onskonzept, Thüringer Zuwanderungs- und Integrati-
                                                         onsbericht) bereits vorliegt.

                                                         Es ist das Ziel der Thüringer Landesentwicklung, die
                                                         Kommunen bei der Gestaltung des demografischen
                                                         Wandels zu unterstützen. Der von der „Serviceagen-
                                                         tur Demografischer Wandel“ gemeinsam mit der Re-
                                                         gionalen Planungsstelle Nordthüringen erarbeitete
                                                         Thüringer Demografieratgeber verfolgt das Ziel, kom-
                                                         munale Verantwortungsträger für die Auswirkungen
                                                         der demografischen Entwicklung in ihrem Handlungs-
                                                         raum zu sensibilisieren, Handlungsoptionen aufzuzei-
                                                         gen und ihnen gute aktuelle Beispiele für die Gestal-
                                                         tung an die Hand zu geben. Er soll als Ideen- und
                                                         Ratgeber dazu dienen, die Auseinandersetzung mit
                                                         den Folgen der Bevölkerungsentwicklung in Thürin-
                                                         gen zu unterstützen. Er soll anregen, Altbewährtes
                                                         zu hinterfragen, neue Ideen zu entwickeln und diese
                                                         offen umzusetzen.
Quelle: TMIL, eigene Darstellung

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II.                Bevölkerungsentwicklung in Thüringen

Die Thüringer Bevölkerung ist historisch bedingt im      zukünftige Entwicklung als Hemmschuh. Die damals
Vergleich zu den meisten anderen Flächenländern in       nicht geborenen Kinder fehlen heute und in den nächs-
Deutschland relativ homogen auf die Landesfläche         ten Jahren als potenzielle Eltern, so dass die Zahl der
verteilt. Einerseits gibt es keine großen Agglomerati-   Geborenen trotz leicht steigender Geburtenraten vo-
onsräume, andererseits fehlen durch die klassische       raussichtlich weiter abnehmen wird – diese negative
dörfliche Siedlungsstruktur umfangreiche siedlungs-      Rahmenbedingung wird als „demografisches Echo“
arme Gebiete mit sehr geringer Einwohnerdichte.          bezeichnet. Parallel dazu erhöht sich die Zahl älterer
                                                         und hoch betagter Thüringer beständig und erfordert
Thüringen ist seit den Jahren 1989/1990 besonders        einen Umbau des öffentlichen Raums und der Infra-
stark von demografischen Veränderungen betroffen.        strukturen, um deren Zugang und Teilhabe zu ermög-
Die Ursachen hierfür liegen in den wirtschaftlichen      lichen. Für den Freistaat lässt sich im Rückblick auf
und sozialen Umbrüchen der Wiedervereinigung und         die Jahre nach 1990 bilanzieren: Thüringen hat von
damit verbundenen persönlichen Unsicherheiten, in        1990 bis 2018 rd. 468.000 Einwohner verloren und
deren Folge eine starke Abwanderung insbesondere         das Durchschnittsalter hat sich von vergleichsweise
junger Menschen und Familien sowie ein erheblicher       „jungen“ 37,9 Jahren auf heute relativ „alte“ 47,2 Jah-
Rückgang der Geburtenrate einsetzte. Gerade dieser       re (2018) erhöht.
Geburtenrückgang offenbart sich für die heutige und

Quelle: TLS 2019

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II.                Bevölkerungsentwicklung in Thüringen

Die Zahl der Geburten hat sich von 1988 bis 1991         90.000 Menschen in den Jahren 1990/91, seit dem
halbiert. Gerade die durch den wirtschaftlichen Trans-   Jahr 2013 wieder einen positiven Wanderungssaldo
formationsprozess besonders betroffenen Regionen         verzeichnen. Begründet ist der Wanderungsgewinn
in Nord- und Ostthüringen sowie Teile des Thüringer      der vergangenen fünf Jahre in den Wanderungssal-
Schiefergebirges und des Thüringer Waldes mussten        den mit dem Ausland. Die Dynamik der Wanderung
starke Bevölkerungsverluste verkraften, während sich     nach Thüringen hatte 2015 mit über 30.000 Menschen
der Raum entlang der Thüringer Städtekette verhält-      ihren Höhepunkt, seitdem geht sie wieder zurück und
nismäßig stabil entwickelte. Ende der 1990er Jahre       bewegt sich bei jährlich unter 10.000 Personen. Die
schwächte sich zudem die Phase der Suburbanisie-         lokale Verteilung der ausländischen Bevölkerung ist
rung ab und die großen Städte Erfurt, Jena und Wei-      unterschiedlich, konzentriert sich jedoch v. a. auf die
mar konnten wieder vermehrt Einwohner gewinnen.          größeren Städte. Die Wanderungssalden des Frei-
                                                         staates mit den anderen Bundesländern sind fast
Thüringen kann nach fast zwei Jahrzehnten über-          durchweg negativ.
wiegend starker Wanderungsverluste, davon alleine

Quelle: TLS 2019

Thüringen hat schon heute eine vergleichsweise           Kontrast zum Rückgang in der Gruppe der 20- bis
unausgewogene Altersstruktur. Im Jahr 2018 wa-           unter 65-Jährigen um 304.000 Personen im gleichen
ren bereits über 550.000 Thüringer bzw. 26 % der         Zeitraum. Diese Entwicklung wird sich in Zukunft wei-
Gesamtbevölkerung 65 Jahre und älter, in manchen         ter fortsetzen. Die 2. regionalisierte Bevölkerungsvo-
Landkreisen und Städten liegt deren Anteil bei über      rausberechnung (2. rBv) des Thüringer Landesamtes
30 % (z. B. Altenburger Land, Suhl). Gegenüber dem       für Statistik (TLS) geht bis zum Jahre 2040 von einem
Jahr 2000 ist dies eine Zunahme in dieser Altersgrup-    weiteren Bevölkerungsrückgang um 13 % aus.
pe um über 141.000 Personen und steht deutlich im

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Gebietsstand: 01.01.2019 / Quelle: TLS 2019

Die Zahl der über 65-Jährigen wird bis 2040 um weite-   Aus räumlicher Sicht ist den derzeitigen Prognosen
re 60.000 Personen steigen, während die Anzahl der      zufolge von einer weiteren Zunahme der Disparitäten
Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie       zwischen Stadt und Land, insbesondere zwischen
besonders der Menschen im Erwerbsalter (-294.000        den leistungsstarken Mittel- und Großstädten sowie
Personen) abnehmen wird. Nur durch eine verstärk-       den strukturschwachen, peripher gelegenen ländli-
te Zuwanderung, insbesondere junger Menschen            chen Regionen, auszugehen. Insbesondere in weiten
und Familien, aus dem In- und Ausland kann diese        Teilen Nord- und Ostthüringens sowie in weiten Teilen
Entwicklung abgeschwächt werden. Aber auch bei          des Thüringer Waldes wird die Bevölkerung in den
Zuwanderungsgewinnen und trotz derzeit leicht stei-     kommenden 20 Jahren in besonderem Maße sukzes-
genden Geburtenraten wird Thüringen aufgrund der        sive weiter abnehmen und altern.
Altersstruktur seiner Einwohner weiterhin kontinuier-
lich schrumpfen.

                                                                                                           5
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II.                Bevölkerungsentwicklung in Thüringen

Quelle: TLS 2019

Von besonderer Bedeutung für die Planungen der            Demografische      Veränderungsprozesse        erfolgen
Kommunen sind die Bevölkerungszahl und die al-            räumlich und zeitlich sehr unterschiedlich, sodass
tersstrukturelle Entwicklung der Bevölkerung. Sie         Wachstum, Stabilität und Schrumpfung in manchen
bestimmen maßgeblich die lokale Nachfrage nach            Fällen in direkter Nachbarschaft beobachtet werden
öffentlichen und privaten Dienstleistungen und sind       können. Die lokale Entwicklung weicht bisweilen er-
somit der Gradmesser für den örtlichen Bedarf nach        heblich von der landesweiten Entwicklung ab. Um ein
sozialen und technischen Infrastruktureinrichtungen.      möglichst aktuelles Bild der Situation in Thüringen zu
So wird beispielsweise die Zahl der Thüringer, die 80     liefern, beziehen sich die in diesem Thüringer Demo-
Jahre und älter und damit potentiell auf Hilfe angewie-   grafieratgeber verwendeten Daten daher auf den je-
sen sind, weiter erheblich zunehmen. Gerade der An-       weils letzten verfügbaren Erhebungszeitpunkt.
teil dieser hoch betagten Bürger wird die Gesellschaft
vor große Herausforderungen stellen, um wohnortnah        Insgesamt jedoch ist der demografische Wandel ein
eine angemessene und bezahlbare Pflegeinfrastruk-         kontinuierlicher Prozess, in dem durch frühzeitiges
tur vorzuhalten.                                          und vorausschauendes Planen und Handeln Gestal-
                                                          tungsspielräume erschlossen werden können. Daher
Andererseits kann die Unterauslastung der vorhande-       gilt es, bereits heute die Weichen richtig zu stellen,
nen Infrastruktur in Regionen mit einer rückläufigen      um in Zukunft auch einer kleineren, in jedem Fall äl-
Bevölkerungsentwicklung zu steigenden Kosten und          ter werdenden Bevölkerung Lebensqualität, Versor-
einem abnehmenden Angebot führen. Dies wiederum           gungssicherheit und nachhaltigen Wohlstand bieten
senkt die Attraktivität der betroffenen Regionen und      zu können.
kann eine negative Entwicklung verstärken.

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III.             Herangehensweise und Zielsetzung

Die Gestaltung des demografischen Wandels beginnt                 in der dritten Auflage der Identifizierung von Hand-
mit der Diagnose, dem Erkennen der demografischen                 lungserfordernissen, die sich aus der demografischen
Veränderungen, deren Auswirkungen, den daraus                     Entwicklung ergeben. Er soll einzelne Denkanstöße
resultierenden Folgen und Handlungserfordernissen                 und Anregungen zur Analyse der Folgen der Bevölke-
auf die eigenen Gestaltungsbereiche.                              rungsentwicklung in ihren Kommunen geben und den
                                                                  fachlichen Diskurs vor Ort anstoßen.
Dies gilt es durch eine fundierte Analyse der ortsspezi-
fischen Ist-Situation und der prognostizierten zukünf-            Eines muss jedoch klar sein: Der Thüringer Demo-
tigen Entwicklung zu unterlegen. Nur so kann eine                 grafieratgeber liefert keine universell übertragbaren
systematische, planerische Auseinandersetzung mit                 Patentrezepte zur Gestaltung des demografischen
den Folgen des demografischen Wandels nachhalti-                  Wandels. Er erhebt weder Anspruch auf Vollständig-
ge Wirkung hervorrufen. In Thüringen ist inzwischen               keit, noch können im Einzelfall auftretende rechtliche
eine umfangreiche Datengrundlage zur Analyse der                  Schranken ausgeschlossen werden. Die lokal pas-
Bevölkerungsentwicklung vorhanden. Das Thüringer                  senden Strategien, Lösungsansätze und Entschei-
Landesamt für Statistik bietet im Internet sowie auf              dungen sind durch die kommunalen Akteure vor Ort
Anfrage aussagekräftige Datenreihen und Vorausbe-                 zu entwickeln, da diese über lokale Kompetenzen und
rechnungen an. In den Bürgerämtern liegen darüber                 Zuständigkeiten verfügen und die Entwicklung ihrer
hinaus Daten vor, die auch ortsteilscharfe Analysen               Gemeinde oder Region letztlich auch gegenüber ih-
ermöglichen. Als Partner für Auswertungen und Ana-                ren Bürgern zu verantworten haben.
lysen steht den Kommunen zudem die „Serviceagen-
tur Demografischer Wandel“ im Thüringer Ministerium               Der Thüringer Demografieratgeber steht zusätzlich zu
für Infrastruktur und Landwirtschaft zur Verfügung.               dieser Broschüre auch online unter:

Die Analyse sowie die Ableitung von Folgen und                             www.serviceagentur-demografie.de
Handlungsansätzen sollten sektorenübergreifend und
vorausschauend erfolgen und die Wechselwirkungen                  zur Verfügung. Dort gibt es zudem weitere detaillierte
der demografischen Entwicklung auf die verschiede-                Informationen zu den hier aufgezeigten Beispielen,
nen Bereiche der Daseinsvorsorge berücksichtigen.                 umfangreicheres statistisches Material und einen di-
Empfehlenswert ist die Initiierung und Organisation               rekten Zugriff auf eine Vielzahl weiterführender Doku-
eines kommunalen oder besser noch regionalen Dis-                 mente.
kussions- und Planungsprozesses, in den möglichst
viele lokale und regionale Akteure (z. B. Kommunal-
politik, Träger der betreffenden Infrastrukturen) einbe-
zogen werden.1

Gerade bei kritischen Diskussionen und Entscheidun-
gen sollte zudem eine transparente Information und                    WEITERE INFORMATIONEN:
Beteiligung der Bevölkerung (z. B. in Bürgerversamm-
lungen) erfolgen.                                                     • Thüringer Landesamt für Statistik

Die Erfahrungen zeigen, dass eine strategische Be-                    • Thüringer Ministerium für Infrastruktur und
fassung mit dem demografischen Wandel vor Ort                           Landwirtschaft (TMIL)
zumeist auf Initiative kommunaler Entscheidungsträ-
ger oder Schlüsselakteure erfolgt. Daher dient der                    • Serviceagentur Demografischer Wandel
hier vorliegende Thüringer Demografieratgeber auch

1 Eine ausführliche Sammlung von Methoden und Leitfäden findet sich unter: http://www.netzwerk-laendlicher-raum.
de/themen/demografischer-wandel/instrumente/

                                                                                                                      7
THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER - AUFLAGE - www.serviceagentur-demografie.de - Serviceagentur ...
THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

IV.            Handlungsfelder

Der Thüringer Demografieratgeber umfasst 22 unab-    Der Thüringer Demografieratgeber soll eine fachliche
hängig voneinander lesbare Handlungsfelder, zwei     Grundlage im fortlaufenden fachlichen Diskussions-
Querschnittsthemen sowie weiterführende Informa-     prozess in Thüringen bilden und ist daher offen für
tionen zu relevanten Handlungshilfen, Studien und    Ergänzungen, Korrekturen und Erweiterungen.
Berichten.
                                                     Anregungen und Hinweise aus der kommunalen Pra-
Die einzelnen Kapitel gliedern sich in:              xis zur stetigen Aktualisierung und Fortschreibung
• ausgewählte handlungsfeldspezifische Daten und     des Dokuments sind daher ausdrücklich willkommen,
   grundlegende Fakten,                              um den Thüringer Demografieratgeber qualitativ wei-
• spezifische Auswirkungen durch die demografi-      terzuentwickeln.
   sche Entwicklung,
• konkrete Handlungsoptionen mit dem Fokus auf
   kommunale Handlungsmöglichkeiten,
• Beispiele,
• weitere Informationen zu möglichen Verantwortli-
   chen, Ansprechpartnern oder besonders passen-
   der Fachliteratur.

8
THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

IV.             1. Frühkindliche Bildung, Betreuung und
                Erziehung (FBBE)

Ende 2018 lebten im Freistaat Thüringen rd. 111.000       bedarfsgerechten Angebotes der Kinderbetreuung ein
Kinder unter sechs Jahren. Der Anteil an der Gesamt-      wichtiger Standortfaktor ist, muss auf die Steigerung
bevölkerung betrug 5,2 %. Aufgrund der geburten-          kurzfristig adäquat reagiert werden.
starken Jahrgänge und migrationsbedingten Zuzüge
ist die Zahl der Kinder in dieser Altersgruppe, anders    Die Inanspruchnahme und die Entwicklung der Kin-
als noch in der 1. regionalisierten Bevölkerungsvor-      dertagesbetreuung der unter 6-Jährigen stellten sich
ausberechnung (1. rBv) prognostiziert, nicht gesun-       in den vergangenen Jahren wie folgt dar:
ken, sondern gestiegen. Da die Sicherstellung eines

       Quelle: TLS 2019

Insoweit bleibt festzustellen, dass in der Altersgruppe   Des Weiteren waren die Thüringer Kindertagesein-
der 3- bis unter 6-Jährigen nahezu alle Kinder eine       richtungen im Jahr 2018 durchschnittlich zu rund 92 %
Kindertageseinrichtung besuchen oder Angebote der         ausgelastet. Dabei wiesen die Auslastungsgrade teil-
Kindertagespflege wahrnehmen. Dabei ist die Betreu-       weise deutliche Unterschiede auf. Insbesondere in
ungsdauer als weiteres Element der Kindertagesbe-         den kreisfreien Städten war ein sehr hoher Auslas-
treuung im Freistaat Thüringen im Vergleich mit den       tungsgrad der Kindertageseinrichtungen zu verzeich-
anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland            nen (außer in der kreisfreien Stadt Eisenach). So wei-
sehr hoch. So haben 95 % der betreuten Kinder (ohne       sen Erfurt und Jena mit einem Auslastungsgrad von
Schulkinder) eine Ganztagsbetreuung (durchgängige         97 % die landesweit höchsten Werte auf. In ländlichen
Betreuungszeit von mehr als 7 Stunden pro Betreu-         Regionen bestehen hingegen durchaus Kapazitätsre-
ungstag) in Anspruch genommen. Im bundesweiten            serven, wie z. B. im Landkreis Greiz mit einem Aus-
Vergleich ist dies der höchste Wert aller Bundeslän-      lastungsgrad von 84 %.
der, wobei der deutsche Durchschnitt bei 53 % liegt.
                                                          Bezüglich weiterer Ausbaubedarfe im frühkindlichen
Im Jahr 2018 wurden die Kinder in Thüringer Kinder-       Bereich müssen die demografische Entwicklung und
tageseinrichtungen rund 9 Stunden pro Tag und in der      Reurbanisierungseffekte steuernd im Blick behalten
Kindertagespflege rund 8 Stunden pro Tag betreut          werden.
(Montag bis Freitag). Die Betreuungsdauer hat sich
gegenüber den Vorjahren auf einem vergleichsweise
hohen Niveau eingependelt.
                                                                                                              9
THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

IV.             1. Frühkindliche Bildung, Betreuung und
                Erziehung (FBBE)

Auswirkungen                                              Handlungsoptionen
Mit dem demografischen Wandel und veränderten             • Einrichtung einer Arbeitsgruppe auf Landesebene
gesetzlichen Rahmenbedingungen von Seiten des               unter Beteiligung aller wesentlichen Partner der
Freistaats und des Bundes existieren zum Teil noch          FBBE, in der Zukunftsstrategien für die strukturel-
nicht abschätzbare Auswirkungen auf die Situation           le und qualitative Weiterentwicklung des Bereichs
der Kindertagesbetreuung in Thüringen. Die für die          der FBBE beraten werden,
Zukunft prognostizierte sinkende Anzahl der Kinder,       • Zusammenlegung von Kindertageseinrichtungen,
die Angebote der frühkindlichen Betreuung in An-            um die Tragfähigkeit und Qualität der Einrichtun-
spruch nehmen, führt dazu, dass die vorhandenen             gen sicherzustellen,
Plätze in Kindertageseinrichtungen und ggf. auch in       • Gemeindegrenzen überschreitende Zusammenar-
der Kindertagespflege nicht mehr genügend nachge-           beit, besonders bei der Bedarfsplanung,
fragt und ausgelastet werden. Gleichzeitig steigen die    • Aktivierung der investiven und personellen Res-
qualitativen Ansprüche an die Kindertagesbetreuung          sourcen zur Verbesserung der Teilhabe von behin-
und machen Investitionen, zum Beispiel im Bereich           derten Kindern an einer gemeinsamen Förderung
inklusiver Bildung, notwendig.                              mit Kindern ohne Behinderung in der Kindertages-
                                                            betreuung (§ 8 Abs. 1 ThüKitaG),
Zusätzlich garantiert das „Thüringer Kindertagesbe-       • Bildung von Trägerverbünden, um den gewachse-
treuungsgesetz“ (ThürKitaG) einen Rechtsanspruch            nen qualitativen Erfordernissen an eine hochwerti-
für jedes Kind ab dem vollendeten ersten Lebensjahr         ge Kindertagesbetreuung gerecht zu werden,
auf ganztägige Bildung, Erziehung und Betreuung in        • Kooperation von Kindertageseinrichtungen
einer Kindertageseinrichtung. Insgesamt stellt sich         mit Schulen und Schulhorten, um gemeinsam
die FBBE im Freistaat Thüringen derzeit als entwick-        Funktionsräume, Freiflächen und Personal zu
lungsstarker und dynamischer Bereich dar, für den es        nutzen,
auch zwischen wechselnden gesellschafts- und fami-        • Personalaustausch zwischen Einrichtungen bei
lienpolitischen Ansprüchen gilt, Verlässlichkeit zu ge-     temporären Engpässen,
währleisten.                                              • Verfügbarkeit von bedarfsorientierten Öffnungszei-
                                                            ten und Angeboten der Kindertagesbetreuung,
Die mit der Novellierung des ThürKitaG und der Um-        • Entwicklung von Strategien zur langfristigen Bin-
setzung des „Gesetzes zur Weiterentwicklung der             dung von Fachkräften an die Träger von Kinder-
Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreu-         tageseinrichtungen und Kindertagespflege,
ung“ (KiQuTG) des Bundes im Freistaat Thüringen           • Entwicklung von ehrenamtlichen Strukturen und
veränderten Vorgaben in Bezug auf den Fachkraft-            Kooperationen, z. B. Großelterndiensten, außer-
Kind-Schlüssel erfordern darüber hinaus mehr Per-           halb der öffentlich geförderten Kindertagesbetreu-
sonal. Angesichts der Entwicklungen von Nachfrage-          ung nach dem SGB VIII zur Entlastung berufstäti-
rückgang (weniger Kinder) und Angebotsausweitung            ger Eltern,
(Gesetzesvorgaben) ist eine vorausschauende und           • Einbeziehung von Externen in den Betreuungs-
maßvolle Planung notwendig, um die Nachhaltigkeit           und Bildungsprozess, z. B. Musikschulen oder
der Investitionen zu sichern und die Schaffung von          Projekte der Thüringer Sportjugend, über Koope-
Überkapazitäten zu vermeiden. Weiterhin erfordern           rationen,
die Veränderungen im Hinblick auf den Fachkraft-          • Erweiterung von Kindertagesstätten zu Begeg-
Kind-Schlüssel auch Maßnahmen zur Fachkräfte-               nungs- und Bildungszentren für mehrere Ge-
gewinnung und -sicherung. Hierzu partizipiert der           nerationen durch ehrenamtliche Angebote (vgl.
Freistaat Thüringen an der sogenannten „Fachkräfte-         Eltern-Kind-Zentren in Thüringen, ThEKiZ),
Offensive“ des Bundes und erprobt in den Jahren           • Funktionsbündelung mittels Integration von Ange-
2019 bis 2022 die Praxisintegrierte Erzieher/innen-         boten wie sozialen oder medizinischen Diensten
Ausbildung im Rahmen eines Modellprojekts.                  und dadurch Ausbau zu Familienzentren.

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THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

Beispiele                                                 Der Großelterndienst Erfurt e. V.: Auf ehrenamtlicher
                                                          Basis werden junge Familien oder Alleinerziehende
Thüringer Eltern-Kind-Zentren (ThEKiZ): Das Thürin-       mit Kindern an junggebliebene Senioren, die Freude
ger Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frau-   daran haben, Kinder durch regelmäßige Treffen auf
en und Familie unterstützt im „Landesprogramm für         ihrem Lebensweg zu begleiten, vermittelt.
solidarisches Zusammenleben der Generationen“ die
Neuentstehung und Weiterentwicklung von Kinderta-
gesstätten zu Thüringer Eltern-Kind-Zentren. Neben        Projekt Schatzheber (Jena): Kindertageseinrichtun-
Kinderbetreuungsangeboten werden Beratungs-, Be-          gen suchen freiwillige „Schatzheber“, die regelmäßig
gegnungs- und Bildungsangebote für Familien etabliert     in die Einrichtungen gehen, in denen sie die Interes-
und eine intensive Vernetzung im Sozialraum realisiert.   sen der Kinder aufdecken und deren Kompetenzen
                                                          ehrenamtlich fördern.

Thüringer Allianz für Familie und Beruf: Die Allianz-
partner unterstützen durch Beratung, über Unterstüt-
zersysteme, Information über Netzwerke, Beteiligung
an Lokalen Bündnissen und Organisation von Fachta-
gungen zur Schaffung familienfreundlicher Rahmen-
bedingungen.

Bundesprogramm „Sprach-Kitas“: Der Freistaat Thü-
ringen beteiligt sich am Bundesprogramm „Sprach-
Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“. Mit
dem Programm werden Angebote alltagsintegrierter
sprachlicher Bildung in Kindertageseinrichtungen so-
wie Inklusion und Zusammenarbeit mit den Familien
gefördert. In Thüringen beteiligt sich etwa jede fünfte
Kita an dem Programm.

                                                             WEITERE INFORMATIONEN:
Bundesprogramm „KitaPlus“: Ebenfalls partizipiert der
Freistaat Thüringen an dem seit 2016 laufenden Bun-          • Bundesministerium für Familie, Senioren,
desprogramm „KitaPlus: Weil gute Betreuung keine               Frauen und Jugend
Frage der Uhrzeit ist“. Damit fördert das Bundesmi-
nisterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend           • Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend
erweiterte Betreuungszeiten in Kitas, Horten und in            und Sport
der Kindertagespflege, um Eltern eine bessere Ver-
einbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen.             • Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales,
                                                               Gesundheit, Frauen und Familie

24-Stunden-Kita: Flexibles, rund um die Uhr verfüg-          • Thüringer Servicestelle Beruf und Familie
bares Betreuungsangebot, das besonders für Eltern,             der Thüringer Agentur für Fachkräftegewin-
die in Schichten arbeiten oder unregelmäßige Arbeits-          nung
zeiten haben, interessant ist.
                                                             • Serviceagentur Demografischer Wandel

                                                                                                             11
THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

IV.                2. Allgemeinbildende Schulen

Zwischen 1995/96 und dem Schuljahr 2018/19 hat             geborenen Kinder der 1990er Jahre fehlen heute und
sich die Schülerzahl in Thüringen mit einem Rückgang       in den nächsten Jahren als potenzielle Eltern (s. Kap.
auf rd. 195.000 fast halbiert. Inzwischen ist wieder ein   II) – bei künftigen Planungen der Thüringer Schulland-
leichter Anstieg festzustellen. Bei den Einschulungen      schaft zu berücksichtigen.
ist landesweit die gleiche Entwicklung nachzuvollzie-
hen: Nach einem dramatischen Einbruch um die Jahr-         Nach der 2. regionalisierten Bevölkerungsvorausbe-
tausendwende hat sich die Zahl der Einschulungen           rechnung (2. rBv) steigt die Anzahl der Bevölkerung
bei rd. 18.500 pro Jahr stabilisiert.                      in der Altersgruppe der 6- bis unter 15-Jährigen in den
                                                           nächsten sechs Jahren an. Bis 2040 wird jedoch ge-
Der Rückgang der Schülerzahlen führte zu einer um-         genüber 2018 insgesamt ein Rückgang um 13,2 %
fangreichen Reduzierung von Schulstandorten. Im            erwartet. Dabei treten starke regionale Unterschiede
Schuljahr 2018/19 gab es im Freistaat rd. 400 Schulen      auf. Positive Entwicklungen, also Zuwächse, werden
weniger als 1995/96. Bemerkenswert jedoch ist die          in dieser Altersgruppe ausschließlich für die Stadt
Zunahme der Schulen in freier Trägerschaft von 30          Erfurt vorausberechnet, dagegen gibt es erhebliche
im Schuljahr 1995/96 auf 102 im Schuljahr 2018/19.         Rückgänge z. B. in der Stadt Suhl sowie den Land-
Die Anzahl der Gemeinschaftsschulen, welche ein            kreisen Kyffhäuserkreis und Saale-Orla-Kreis.
gemeinsames Lernen wenigstens bis zur 8. Klasse
gewährleisten, hat sich seit ihrer Einführung im Schul-    Im Hinblick auf einen zu erwartenden Fachkräfteman-
jahr 2011/12 von 14 auf 68 im Schuljahr 2018/19 so-        gel ist es wichtig, die Zahl von Schulabbrechern und
gar fast verfünffacht.                                     damit verbunden auch die der Schulverweigerer zu
                                                           reduzieren. Ein weiterer Schwerpunkt in der zukünf-
Trotz der zuletzt leichten Erholung der Schülerzahlen      tigen Schulnetzplanung ist die Realisierung des „Thü-
ist es wichtig, das „demografische Echo“ – die nicht       ringer Entwicklungsplanes Inklusion“.

Quelle: TLS 2019

12
THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

Auswirkungen                                              Handlungsoptionen
Durch langfristig sinkende Schülerzahlen werden oft-      • Schaffung von Schulverbünden und Kooperation
mals die von den Kommunalen Spitzenverbänden                mit außerschulischen Partnern,
und dem zuständigen Thüringer Bildungsministerium         • Bündelung schulischer Angebote,
empfohlenen Schülerzahlen für Klassenstärke und           • In besonderen Ausnahmefällen: Errichtung von
Zügigkeit nicht mehr erreicht. Die Tragfähigkeit der        „Kleinen Schulen“ mit jahrgangsübergreifendem
Schulen sinkt bei weitgehend gleichbleibenden Fix-          Unterricht,
kosten. Mit den daraus resultierenden Schließungen        • Verknüpfung mit anderen Einrichtungen, Koope-
von Schulstandorten werden Schulwege länger und             ration mit außerschulischen Partnern, wie z. B.
Transportkosten höher.                                      Horte und Kindertagesstätten zur besseren Ge-
                                                            bäudeauslastung, Umsetzung pädagogischer und
Neben der Bildung haben Schulgebäude, gerade in             sozialer Ziele durch Zusammenarbeit,
ländlichen Gebieten, weitere Funktionen, die bei einer    • Einrichtung von Internaten zur Vermeidung zu lan-
ganzheitlichen Betrachtung nicht außer Acht gelassen        ger Schulwege und zur Absicherung eines breiten,
werden sollten. Es werden dort z. B. Räumlichkeiten         hochwertigen Bildungsangebotes,
für Volkshochschulen, Vereine und Musikschulen be-        • Schließung von Schulstandorten unter Berück-
reitgestellt sowie Veranstaltungen und Ausstellungen        sichtigung von Mittelbindungsfristen (Fördermittel)
durchgeführt. Sie dienen als Wahllokale und bieten          und der Erreichbarkeit alternativer Standorte,
vielerorts einen Rahmen für gesellschaftliches Leben.     • Einrichtung eines inklusiven Bildungswesens auf
Schulen beleben Orte und steigern ihre Wohnattrakti-        allen Ebenen.
vität. Zudem wird der öffentliche Verkehr in ländlichen
Regionen maßgeblich auf den Schülertransport aus-
gerichtet, so dass Schulschließungen für die betref-
fenden Gemeinden auch direkte Auswirkungen auf
ihre Erreichbarkeit haben.

                                                                                                            13
THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

IV.             2. Allgemeinbildende Schulen

Beispiele
Die Thüringer Gemeinschaftsschule (TGS): An der
Gemeinschaftsschule lernen alle Schülerinnen und
Schüler gemeinsam mindestens bis zur Klassenstu-
fe 8 und werden entsprechend ihrer Leistungsmög-
lichkeiten, Begabungen und Interessen im vorwie-
gend binnendifferenzierenden Unterricht individuell
gefördert.

Kita und Grundschule unter einem Dach in Ruppers-
dorf (Saale-Orla-Kreis): Grundschule mit integrier-     Beispiel für Schulverbünde und Kooperation mit au-
ter Kindertagesstätte und Hort. Durch die räumliche     ßerschulischen Partnern „Kräfte bündeln – Kraft ent-
Nähe wird versucht, einen engen Kontakt zwischen        falten“: Unter dieser Leitidee hat sich ein Netzwerk
den Kindern zu ermöglichen und so die Umgewöh-          gebildet, welches sich gemeinsam neuen schulischen
nung vom Kindergarten zur Schule zu erleichtern.        Herausforderungen stellt.

Kleine Grundschule Großwudicke (Landkreis Havel-        Bildungskooperationen im Bereich „Bildung für nach-
land/ Brandenburg): „Das Leben im Dorf lassen“ – un-    haltige Entwicklung“: Unter Vermittlung des Nach-
ter diesem Motto wird qualitativ hochwertige Bildung    haltigkeitszentrums Thüringen zielen Kooperationen
mit einem durchgängigen, jahrgangsübergreifenden        zwischen verschiedenen Bildungsträgern auf eine
Lernkonzept auf der Basis von vielfältigen Lernwerk-    längerfristige und anschauliche Umsetzung von kon-
stätten gesichert.                                      kreten Bildungsinhalten als Unterstützung des Unter-
                                                        richts in der Schule.

Freie Schule Heckenbeck (Bad Gandersheim, Nie-
dersachsen): Diese Einrichtung ist eine altersüber-
                                                           WEITERE INFORMATIONEN:
greifende, von Jahrgangstufe 1 bis 10 in drei Gruppen
arbeitende Grund-, Haupt- und Realschule in Hecken-        • Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend
beck. In dieser Schule zwischen Göttingen und Han-           und Sport
nover lernen etwa 100 Kinder und Jugendliche. Ein
Kindergarten ist angeschlossen.                            • Thüringer Schulämter

                                                           • Bundesministerium des Inneren (2010),
Laufbus: Schulbus auf Füßen – eine organisierte              Endbericht Kurzexpertise: Auswirkungen
Laufgemeinschaft: Eine Gruppe von Kindern geht               des demografischen Wandels auf die Or-
zusammen über verschiedene Haltestellen (Sam-                ganisation der Schulbildung in ländlichen
melpunkte für weitere Schülerinnen und Schüler) zur          Räumen bis 2025
Schule und wird dabei von Erwachsenen begleitet, bis
die Gruppe sicher genug ist, um alleine den Schul-         • Serviceagentur Demografischer Wandel
weg zu bewältigen.

14
THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

IV.                3. Berufsbildende Schulen

Die Zahl der Berufsbildenden Schulen verringerte        Auswirkungen
sich seit 1995/96 um etwa 13 %. Zudem verschob
sich die Anzahl der staatlichen Berufsbildenden Schu-   Die Berufsbildenden Schulen weisen ein breites Spek-
len zugunsten von Schulen in freier Trägerschaft.       trum an Schulformen mit unterschiedlichen Berufs-
Inzwischen befinden sich 65 % der Berufsbildenden       bildungsmöglichkeiten auf: Die Angebote erstrecken
Schulen in freier Trägerschaft.                         sich von ein- und zweijährigen berufsvorbereitenden
                                                        Maßnahmen, über die duale Erstausbildung in vielen
Die Zahl der Berufsschülerinnen und Berufsschü-         Berufsfeldern, bis zu den beruflichen Gymnasien, die
ler reduzierte sich im Zeitraum von 1995/96 bis zum     zur allgemeinen Hochschulreife führen. Auch werden
Schuljahr 2018/19 um rd. 40 % auf etwa 49.000. Die      Umschülern vielfältige Möglichkeiten individueller be-
Zahl der Absolventen/Abgänger verringerte sich in       ruflicher Förderung eingeräumt.
diesem Zeitraum ebenfalls um 40% von ca. 28.000
auf ca. 16.600.                                         Trotz dieser breiten Angebotspalette sind nicht mehr
                                                        alle berufsbildenden Einrichtungen ausgelastet. Zu-
Für die kommenden Jahre wird ein moderater Anstieg      gleich führt die vermehrte Differenzierung der Aus-
der Schüler an Berufsbildenden Schulen prognosti-       bildungsberufe mit speziellen Anforderungskriterien
ziert. Bis zum Ende des Prognosezeitraums 2035/36       zu erhöhten Anforderungen an das Lehrpersonal und
werden auf der Grundlage der 1. rBv rund 54.000         die technische Ausstattung. Dadurch wird die wirt-
Schüler erwartet (TMBJS, Statistisches Informations-    schaftliche Tragfähigkeit weiter erschwert.
system).

Berufsbildende Schulen sind ein wichtiges Ausstat-
tungskriterium für zentrale Orte höherer Stufe und
steigern dadurch die Attraktivität der Regionen.

Quelle: TLS 2019

                                                                                                          15
THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

IV.             3. Berufsbildende Schulen

Handlungsoptionen                                        Beispiele
• Kreisübergreifende Schulnetzplanung und Zusam-         Erasmus+: Dieses EU-Förderprogramm ermöglicht
  menarbeit zur Koordinierung und Konzentration          es Jugendlichen und jungen Erwachsenen, einen Teil
  der beruflichen Bildung,                               ihrer Berufsausbildung in einem anderen EU-Land zu
• Bildung von Schulverbünden, um den gewachse-           absolvieren. Es kann auch von Einrichtungen der be-
  nen Ansprüchen gerecht zu werden,                      ruflichen Bildung, Unternehmen und Sozialpartnern
• Personalaustausch zwischen Einrichtungen bei           genutzt werden.
  temporären Engpässen,
• Räumliche Integration von kleineren eigenständi-
  gen berufsbildenden Einrichtungen,                     Die „Jobmesse Erfurt“ ist ein Netzwerk vieler wichtiger
• Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten              Akteure am Arbeitsmarkt in Erfurt und ganz Thürin-
  (vergleichbar mit Internaten) vor allem bei Einrich-   gen. Die Besucher finden hier interessante Informa-
  tungen mit breitgefächertem bzw. spezialisiertem       tionen rund um Stellenangebote, Jobs, Ausbildung,
  Angebot,                                               Weiterbildung und Existenzgründung. Aussteller ler-
• Zusammenarbeit mit Stiftungen, internationalen         nen interessierte Bewerber, Auszubildende und Exis-
  Projekten oder durch Partnerschaften mit auslän-       tenzgründer kennen. Arbeitgeber können hier effektiv
  dischen Schulen, um den wettbewerbsbedingten           Fachkräfte sowie Personal finden und ihre Stellen
  Bedarf an vielseitigen Arbeitskräften bei den          besetzen.
  Unternehmen abzudecken,
• Reduzierung der Abbrecherquoten durch stärkere
  Zusammenarbeit mit Allgemeinbildenden Schulen          Berufsmessen der Industrie- und Handelskammern in
  und Unternehmen,                                       Thüringen: Die Wahl des richtigen Ausbildungsberu-
• Engere Zusammenarbeit mit Betrieben und Ein-           fes steht für viele Jugendliche und junge Erwachsene
  richtungen (IHK, HWK) bei der Ermittlung tatsäch-      an erster Stelle. Die Entscheidung ist nicht einfach,
  licher Ausbildungsbedarfe und bei der Berufswer-       denn zahlreiche Trendberufe beeinflussen die Ent-
  bung,                                                  scheidung und die Auswahl aus etwa 350 Berufen
• Inhaltliche Ausrichtung der Angebote auf Trends        stellt die jungen Menschen vor fast unlösbare Aufga-
  der Berufsfeldentwicklung und Bedarfe der jewei-       ben. Diese grundlegende Entscheidung ist wichtig für
  ligen wirtschaftsgeografischen Teilräume (z. B.        den beruflichen Werdegang. Die Industrie- und Han-
  Branchenkonzentration).                                delskammern unterstützen Schüler, Eltern, Lehrer
                                                         und Unternehmen dazu in verschiedenen Projekten.

                                                         Tag des Handwerks: Die Betriebe und Handwerksor-
                                                         ganisationen laden bundesweit dazu ein, an Mitmach-
                                                         Stationen, Info-Veranstaltungen und Wettbewerben
                                                         teilzunehmen. Die Teilnehmer können sich so über
                                                         das Handwerk und seine vielfältigen Karriere-Chan-
                                                         cen informieren und wer möchte, kann gleich mit an-
                                                         packen und herausfinden, welcher Job am besten zu
                                                         ihm passt.

16
THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

Praxisnahe Berufsorientierung (Landkreis Gotha):
Praxisnahe Berufsfelderkundung und -erprobung in
einer großen Vielfalt grundlegender Berufsfelder und
                                                         WEITERE INFORMATIONEN:
Reflexion der Projektwochen zur individuellen Berufs-    • Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend
wahlentscheidung für Schüler der Sekundarstufe I.          und Sport (TMBJS)

                                                         • Statistikstelle im TMBJS
Das „AZUBI-Speed-Dating“ der IHK Südthüringen
vermittelt persönliche Gespräche zwischen Jugendli-      • Thüringer Schulämter
chen und jungen Erwachsenen auf der Ausbildungs-
suche und potenziellen Arbeitgebern.                     • Handwerkskammern

                                                         • Industrie- und Handelskammern
SCHULEWIRTSCHAFT Thüringen: vom Bildungs-
werk der Thüringer Wirtschaft initiiert, bringt Unter-   • Serviceagentur Demografischer Wandel
nehmen und Schulen zusammen, um den Übergang
von der Schule in das Berufsleben für junge Men-
schen zu verbessern.

                                                                                                       17
THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

IV.             4. Hochschulen

Die Zahl der Studierenden hat sich in Thüringen in                    Kultusministerkonferenz ist bis 2025 weiter mit einer
den vergangenen 24 Jahren fast verdoppelt. Dieser                     Stagnation der Studienanfänger auf hohem Niveau zu
Zuwachs ist u. a. begründet im Ausbau der Hoch-                       rechnen. Durch diese Entwicklung hat sich unter den
schulkapazitäten, in der Erhöhung der Abiturquote bei                 Hochschulen bundesweit ein Wettbewerb um Studie-
den geburtenstarken Jahrgängen der 1980er Jahre                       rende entwickelt, der auch für die regionale Wirtschaft
sowie in einem immer größeren Zuzug Studierender                      und deren wachsenden Bedarf an hochqualifizierten
aus anderen Bundesländern. Dadurch konnte auch                        Fachkräften von großer Bedeutung ist. Eine wichti-
die über längere Zeit rückläufige Zahl Thüringer Ab-                  ge Aufgabe wird darin bestehen, nach dem Studium
solventen mit Hochschulreife kompensiert werden.                      möglichst viele Absolventen im Land zu halten.
Aktuell ist jedoch wieder eine leicht zunehmende Zahl
der Studienberechtigten und der Studienanfänger zu
erkennen. Das Land unterstützt die Hochschulen da-
bei, ihre Attraktivität und das Image an ihrem jewei-
ligen Standort und im Land insgesamt zu steigern.
Hochschulen bringen Kaufkraft, Wissen und Leben in
die Regionen.

Auswirkungen
Auch wenn die Nachfrage nach Studienplätzen in
manchen Fachgebieten die vorhandenen Angebote
übersteigt, so ist auf Dauer damit zu rechnen, dass
es in einigen Bereichen zu Entlastungen kommen
wird. Entsprechend einer Vorausberechnung der

        Quelle: TMBJS 2019       1) Schulabsolventen mit allgemeiner, fachgebundener HZB oder FH -Reife (ohne Externe); Zuarbeit TMBJS
                                 2) Studienanfänger, Studierende bis 2018 Ist - Zahlen

18
THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

Handlungsoptionen                                    • Erhöhung der Studienerfolgsquoten,
                                                     • Stärkere Orientierung des Studienangebots ins-
• Bessere Zusammenarbeit mit Gymnasien und             besondere der Fachhochschulen am regionalen
  berufsbildenden Einrichtungen, um Absolventen        Fachkräftebedarf,
  auf das Studium vorzubereiten,                     • Bildung von Netzwerken in Lehre und Forschung
• Erhöhung der Bildungsbeteiligung an den Gym-         mit Partnerhochschulen, Unternehmen, Verbän-
  nasien und berufsbildenden Einrichtungen mit         den und Stiftungen, z. B. um an internationalen
  gymnasialem Abschluss, um eine Steigerung der        Projekten mitzuarbeiten,
  Anzahl Studienberechtigter und der Studienanfän-   • Engere Kooperation der Hochschulen im Verwal-
  ger zu erreichen,                                    tungs- und Liegenschaftsmanagement.
• Entwicklung von Marketingstrategien zur ver-
  stärkten Anwerbung von Studierenden aus allen
  Bundesländern sowie aus dem Ausland,               Anknüpfungspunkte für kommunale
• Investitionen in Hochschulbauten zur Sicherung     und regionale Verantwortliche:
  der Wettbewerbsfähigkeit der Thüringer Hoch-
  schulen,                                           • Engere Vernetzung zwischen Hochschulen, Städ-
• Erhöhung der Angebote an kostengünstigen Un-         ten und Studierendenwerken, um gemeinsame
  terbringungsmöglichkeiten,                           Strategien für Wohnungsmarkt, Stadtmarketing
• Stärkere Integration von Bürgerinnen und Bürgern     oder Familienfreundlichkeit zu entwickeln:
  mit Migrationshintergrund, beginnend bei glei-       ◦ Ausschöpfen der Potenziale von Hochschu-
  chen Bildungschancen in den Allgemeinbildenden          len für die Kommune (z. B. Marketing, Image,
  Schulen bis hin zu Möglichkeiten, die im Ausland        Kultur, Wissen, Kaufkraft, Innovation),
  erworbenen Bildungsabschlüsse anzuerkennen           ◦ Erhöhung der Identifikation und Bindung der
  bzw. diese in verkürzten Studiengängen auf bun-         Studierenden an die Stadt bzw. Region,
  desdeutsches Niveau anzugleichen,                  • Engere Vernetzung der Hochschulen mit Unter-
• Ausbau der Angebote an dualen und berufsbeglei-      nehmen und Instituten, um Absolventen über die
  tenden Studiengängen und Weiterbildungsange-         Perspektiven des lokalen und regionalen Arbeits-
  boten im Sinne des lebenslangen Lernens,             markts zu informieren mit dem Ziel, den Verbleib
• Integration und Schaffung von modernen For-          von Fachkräften in Thüringen zu sichern.
  schungsinstituten an Hochschulen,

   WEITERE INFORMATIONEN:
   • Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wis-
     senschaft und Digitale Gesellschaft

   • Informationen für Schülerinnen und Schü-
     ler sowie Studierende auf
     www.campus-thueringen.de

   • Leitlinien zur Hochschulentwicklung in
     Thüringen bis 2025

   • Serviceagentur Demografischer Wandel

                                                                                                    19
THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

IV.                5. Kinder- und Jugendhilfe

Die Zukunftsfähigkeit der Thüringer Kommunen hängt       fältiger Angebote der Kinder- und Jugendarbeit für
vor allem davon ab, dass es gelingt, Kindern, Jugend-    weniger Nutzer noch schwieriger. Zukünftig wird es
lichen und jungen Erwachsenen gute Entwicklungs-         darauf ankommen, sowohl Kindern und Jugendlichen
perspektiven zu bieten und sie an die Region zu bin-     sinnvolle Freizeitgestaltungsmöglichkeiten anzubie-
den.                                                     ten und sie bei Problemlösungen zu unterstützen, als
Die Zahl der Kinder und Jugendlichen hat direkten        auch eine Einbindung in das gesellschaftliche und öf-
Einfluss auf die Auslastung der sozialen Infrastruktur   fentliche Leben vor Ort zu organisieren, um die lokale
vor Ort – seien es Kindergärten, Schulen, Jugend-        bzw. regionale Bindung zu stärken. Dabei spielt das
einrichtungen oder auch kulturelle oder Sporteinrich-    Ehrenamt eine große Rolle.
tungen. Weiterhin wirkt sich die Anzahl dieser Per-
sonengruppe auf die vorzuhaltenden Leistungen der
Jugendarbeit aus.                                        Faktencheck
                                                         Die Zahl der unter 15-Jährigen in Thüringen wird sich
Auswirkungen                                             nach Prognosen der 2. rBv von 2018 bis zum Jahr
                                                         2040 voraussichtlich um 16 % verringern. Im Jahr
Während die Zahl der Kinder, Jugendlichen und jungen     2018 wurden nach Mitteilung des Thüringer Landes-
Erwachsenen in den vergangenen Jahren kontinuier-        amtes für Statistik in Thüringen 1.093 Mio. Euro für öf-
lich sank, hat gleichzeitig der Bedarf an staatlicher    fentliche Jugendhilfe investiert. Dies entspricht durch-
Unterstützung im Bereich der Kinder- und Jugendhil-      schnittlich rd. 510 Euro pro Einwohner, 123 Euro mehr
fe zugenommen. Angesichts der knapper werdenden          als fünf Jahre vorher. Insgesamt waren die Ausgaben
kommunalen Finanzmittel wird die Gestaltung viel-        um 257 Mio. Euro höher als noch fünf Jahre zuvor.

Quelle: TLS 2019

20
THÜRINGER DEMOGRAFIERATGEBER

Die meisten Ausgaben (713 Mio. Euro) wurden 2018       aus Stadtpolitik und Verwaltung, stimmt über diese ab
für Kindertageseinrichtungen ausgegeben. Rund 20       und gibt in der nächsten Stadtratssitzung das Votum
Mio. Euro wurden für Einrichtungen der Jugendarbeit    bekannt. Dadurch wird die Zusammenarbeit von Poli-
verwendet.                                             tik, Verwaltung und Kindern bzw. Jugendlichen in der
                                                       Stadt Saalfeld verbindlicher gestaltet.

Handlungsoptionen
                                                       Jugend im Land 3.0 – Digitale Demokratie- und En-
• Motivation zum ehrenamtlichen Engagement in          gagementförderung im ländlichen Raum (Landkreise
  den örtlichen Jugendhilfeausschüssen sowie in        Anhalt-Bitterfeld, Stendal und Burgenlandkreis, Sach-
  Jugend- und Sportvereinen/-verbänden,                sen-Anhalt): Durch eine Symbiose aus klassischer
• Verstärkte Einbeziehung von Kindern und Jugend-      politischer Bildung mit Computerspielen, online-ba-
  lichen in dörfliche und regionale Entscheidungs-     sierten Simulationen und sozialen Medien erfolgt die
  prozesse, z. B. durch Gründung von Jugendparla-      Motivierung Jugendlicher und junger Erwachsener,
  menten,                                              sich lokal zu engagieren.
• Vermittlung von Wertschätzung und Akzeptanz
  der Kompetenz von Kindern und Jugendlichen,
  z. B. Verantwortungsübertragung in Vereinen,         Kinderfreundlicher Unstrut-Hainich-Kreis: Neben dem
  Feuerwehren usw.,                                    Landkreis und Trägern aus dem Sozial- und Bildungs-
• Aktive Jugendarbeit und -ansprache der örtlichen     bereich unterstützen auch Partner aus der Wirtschaft
  Vereine,                                             durch Sach- oder Geldspenden die vielfältigen Pro-
• Bereitstellung von Jugendräumen/-clubs,              jekte zur Förderung und Entwicklung der Kinder, Ju-
• Erhalt von Angeboten zur Jugendfreizeitgestaltung    gendlichen und Familien im Unstrut-Hainich-Kreis.
  innerhalb der örtlichen Gemeinschaft oder auf
  interkommunaler Ebene,
• Kreative Mitmachangebote aus den Gebieten
  Kultur, Sport und Wissenschaft,
• Angebot der Nutzung neuer Medien, z. B. in Bib-
  liotheken und Jugendräumen,
• Verbesserung der Erreichbarkeit von Jugendein-
  richtungen,
• Wertschätzung und Unterstützung von Jugendar-
  beit auf kommunaler Ebene (haupt- und ehren-
  amtlich),
• Gründung von Fördervereinen für die Jugendar-
  beit innerhalb der Kommunen,
• Zusammenbringen von Jugendlichen mit regiona-
  len Unternehmen in Form von Praktika, Ferienar-
  beit oder Tag der offenen Tür,
• Förderung des generationenübergreifenden Zu-
  sammenlebens.

Beispiele
Kinder- und Jugendausschuss der Stadt Saalfeld: Seit
2009 erhält der Kinder- und Jugendausschuss die
Beschlussvorlagen zu den ihn betreffenden Themen

                                                                                                        21
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