Testen und Impfen gegen Corona - VDEK
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2. AUSGABE 2021 DIE ZEITSCHRIF T DES VERBANDES DER ERSATZKASSEN E. V. SEIT 1916 G 20634 „Der Öffentliche Gesundheitsdienst hat neue Anerken- nung erfahren“ BVÖGD-Vorsitzende Dr. Ute Teichert im Interview Fallpauschalen Ein System mit Zukunft Seltene Erkrankungen Zeichen für eine bessere Versorgung Testen und Impfen gegen Corona Die Impfstrategie nimmt Fahrt auf. Bis das Ziel einer ausreichend hohen Impfquote erreicht ist, liegen große Hoffnungen auf wiederholten und flächendeckenden Testungen
Der Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) Hauptsitz des Verbandes mit mehr als 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Bundeshauptstadt Berlin. In den einzelnen Bundesländern sorgen 15 Landesvertretungen in den Landeshauptstädten mit insgesamt rund 360 sowie mehr als 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Pflegestützpunkten für die regionale Präsenz der Ersatzkassen. vdek-Zentrale Hamburg Nordrhein-Westfalen Sachsen Askanischer Platz 1 Sachsenstraße 6 Ludwig-Erhard-Allee 9 Glacisstraße 4 10963 Berlin 20097 Hamburg 40227 Düsseldorf 01099 Dresden Tel.: 0 30/2 69 31-0 Tel.: 0 40/41 32 98-0 Tel.: 02 11/3 84 10-0 Tel.: 03 51/8 76 55-0 Fax: 0 30/2 69 31-29 00 Fax: 0 40/41 32 98-22 Fax: 02 11/3 84 10-20 Fax: 03 51/8 76 55-43 info@vdek.com lv-hamburg@vdek.com lv-nordrhein-westfalen@ lv-sachsen@ www.vdek.com @vdek_HH vdek.com vdek.com @vdek_Presse @vdek_SAC Hessen Geschäftsstelle Baden-Württemberg Walter-Kolb-Straße 9–11 Westfalen-Lippe Sachsen-Anhalt Christophstraße 7 60594 Frankfurt a. M. Kampstraße 42 Schleinufer 12 70178 Stuttgart Tel.: 0 69/96 21 68-0 44137 Dortmund 39104 Magdeburg Tel.: 07 11/2 39 54-0 Fax: 0 69/96 21 68-90 Tel.: 02 31/9 17 71-0 Tel.: 03 91/5 65 16-0 Fax: 07 11/2 39 54-16 lv-hessen@vdek.com Fax: 02 31/9 17 71-30 Fax: 03 91/5 65 16-30 lv-baden-wuerttemberg@ @vdek_HE gs-westfalen-lippe@ lv-sachsen-anhalt@ vdek.com vdek.com vdek.com @vdek_BW Mecklenburg-Vorpommern Werderstraße 74 a Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Bayern 19055 Schwerin Wilhelm-Theodor- Wall 55 (Sell-Speicher) Arnulfstraße 201 a Tel.: 03 85/52 16-0 Römheld-Straße 22 24103 Kiel 80634 München Fax: 03 85/52 16-1 11 55130 Mainz Tel.: 04 31/9 74 41-0 Tel.: 0 89/55 25 51-0 lv-mecklenburg- Tel.: 0 61 31/9 82 55-0 Fax: 04 31/9 74 41-23 Fax: 0 89/55 25 51-14 vorpommern@vdek.com Fax: 0 61 31/83 20 15 lv-schleswig-holstein@ lv-bayern@vdek.com lv-rheinland-pfalz@ vdek.com Niedersachsen vdek.com @vdek_SH Berlin/Brandenburg Schillerstraße 32 @vdek_RLP Friedrichstraße 50–55 30159 Hannover Thüringen 10117 Berlin Tel.: 05 11/3 03 97-0 Saarland Lucas-Cranach-Platz 2 Tel.: 0 30/25 37 74-0 Fax: 05 11/3 03 97-99 Heinrich-Böcking- 99099 Erfurt Fax: 0 30/25 37 74-26 lv-niedersachsen@vdek.com Straße 6–8 Tel.: 03 61/4 42 52-0 lv-berlin.brandenburg@ 66121 Saarbrücken Fax: 03 61/4 42 52-28 vdek.com Tel.: 06 81/9 26 71-0 lv-thueringen@ Fax: 06 81/9 26 71-19 vdek.com Bremen lv-saarland@vdek.com Martinistraße 34 @vdek_SL 28195 Bremen Tel.: 04 21/1 65 65-6 Fax: 04 21/1 65 65-99 lv-bremen@vdek.com
ersatzkasse magazin. 2. Ausgabe 2021 2 /3 EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, C orona und kein Ende. Die Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- Foto: vdek/Georg J. Lopata dritte Welle schwappt über und Notfallmedizin (DIVI), davor, bei all den Deutschland hinweg und Herausforderungen durch die Corona-Pande- wir bewegen uns von einem mie nicht die anderen Aufgaben bzw. andere Lockdown zum nächsten – schwerkranke Patient*innen zu vergessen. allerdings mit teilweise regio- Wichtige Aufgabe in der Intensivmedizin Michaela Gottfried nalen Öffnungsstrategien sei nach wie vor die Neustrukturierung der Abteilungsleiterin Kommunikation beim vdek einzelner Bundesländer. Was Notfallmedizin, die Weiterentwicklung der ist die richtige Strategie? Auf jeden Fall sollen Telemedizin in der Intensivmedizin und die Tests, Impfungen und die Kontaktnachvoll Weiterentwicklung von Qualitätsindikatoren. ziehung helfen, wieder ein bisschen Normalität in unser Leben zu bringen. Selbsttests w erden Das „Nicht vergessen werden“ ist gerade für in Schulen und in den Betrieben ausgegeben Patient*innen, die an sogenannten seltenen und sind im Supermarkt erhältlich, das Imp- Erkrankungen leiden, ganz wichtig. Oftmals fen schreitet voran, auch Haus- und Betriebs- fällt schon die Diagnose dieser Krankhei- ärzte dürfen jetzt impfen. Bei der Diskussion ten extrem schwer – und ohne Diagnose ist um mögliche Nebenwirkungen von Vakzi- keine zielgerichtete Behandlung möglich. nen wurde jedoch deutlich, dass Impfstoff Die Ersatzkassen haben jetzt einen Versor- nicht gleich Impfstoff ist. Die Expert*innen gungsvertrag mit der Charité Berlin sowie den vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Unikliniken Bonn und Tübingen geschlossen, Medizin (MDC) haben Fragen und Antworten mit dem eine interdisziplinäre Diagnosestel- rund um die Funktionsweise von Impfstoffen lung ermöglicht werden soll. zusammengestellt. Aufgrund der Bundestagswahl im Septem- Für die Kontaktnachvollziehung ist in ers- ber geraten einige wichtige Themen jedoch ter Linie der Öffentliche Gesundheitsdienst ins Hintertreffen. Dazu gehört die Reform (ÖGD) zuständig. Während er in der öffentli- der Krankenhausstrukturen inklusive der chen Wahrnehmung vor der Corona-Zeit eher Weiterentwicklung der Fallpauschalenver- ein Schattendasein führte, hat er jetzt eine gütung im Rahmen der DRG. Die Pandemie deutliche Aufwertung erfahren, sagt Dr. Ute hat mehr als deutlich gezeigt, dass hier drin- Teichert, Vorsitzende des Bundesverbands der gender Handlungsbedarf besteht. Gefordert Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesund- sind Bund und Länder gemeinsam! In der heitsdienstes e. V. (BVÖGD), im Interview mit Zusammenarbeit – das zeigen die zahlreichen ersatzkasse magazin. Um die Arbeit des ÖGD Ministerpräsidentenkonferenzen zum Thema wirkungsvoller zu machen, sieht Teichert zwei Corona-Management – gibt es aber auf jeden Stellschrauben. Wegkommen von der kurzfris- Fall noch Optimierungsbedarf, meint tigen Personalpolitik und die Beschleunigung der digitalen Prozesse bei den Befunden, der Kontaktnachverfolgung und der Zusammen- Ihre arbeit der Ämter untereinander. Doch wie Dr. Teichert warnt auch Prof. Gernot Marx, neuer Präsident der Deutschen Michaela Gottfried
Inhalt 2. Ausgabe 2021 POLITIK TITEL TESTEN UND IMPFEN GEGEN CORONA 25. Auflage der vdek-Basisdaten erschienen 7 Impfstoff ist nicht gleich Impfstoff 32 Aktuelle Gesetzesvorhaben 8 Intensivmedizin: Drei Fragen an Prof. Gernot Marx 35 Baden-Württemberg nach der Wahl 10 Testen als Baustein der Pandemiebekämpfung 36 Gesundheitspolitik in Rheinland-Pfalz 12 Interview mit Dr. Ute Teichert 38 Gesetzgebung: Klinische Krebsregister 14 DRG – Ein System mit Zukunft 16 VERMISCHTES Neues Zertifikat für Zentren 18 Für Sie gelesen: Bibliothek 42 Einwurf: Umbau ist überfällig 19 Die neue Arbeitswelt gesund gestalten 44 Steckbrief: Daniela Behrens 45 AUS DEN KASSEN PS: Anregungen zum Glücklichsein 46 Kinder erhalten immer mehr Psychotherapie 20 IM FOKUS SELTENE ERKRANKUNGEN NAMSE: Ein Bündnis für die Seltenen 24 Exom-Diagnostik 26 Anforderungen an Diagnostik und Therapie 28 Drei Fragen an Prof. Josef Hecken 30
ersatzkasse magazin. 2. Ausgabe 2021 4 /5 31 TITELTHEMA Testen und Impfen gegen Corona Große Hoffnungen liegen auf der Test- und Impfstrategie, um die Corona-Krise zu überwinden. Da die Impfquote der vollständig geimpf- ten Menschen in Deutschland noch sehr niedrig ist und Impfstoffe nicht für alle Altersgruppen in der Bevölkerung zur Verfügung stehen, werden PCR-Tests, Antigen-Schnelltests und Antigen-Selbsttests immer wichtiger. Parallel dazu laufen die Anstrengungen auf Hoch- touren, die Impfstoffmenge deutlich zu erhöhen und neben den verwendeten Corona-Impfstoffen von BioNTech/Pfizer, AstraZeneca und Moderna weitere Impfstoffe einzusetzen. INTERVIEW „Der Öffentliche Gesundheitsdienst hat neue 38 Anerkennung erfahren“ Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) gehört zu den Institutionen, die in der Corona-Pandemie stark ins Blickfeld gerückt sind. Der ÖGD habe eine Anerkennung erlebt, die sie so nie erwartet hätte, sagt Dr. Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e. V. (BVÖGD), im Interview Foto: Bettina Engel-Albustin mit ersatzkasse magazin. Sie plädiert unter anderem für eine einheitlichere Digitalisierung der Kontaktnachverfolgung. Es wäre besser, wenn die Pandemiesoftware SORMAS bundesweit von allen Gesundheitsämtern genutzt würde. IM FOKUS 24 Fortschritte bei den Seltenen Das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankun- gen (NAMSE) setzt sich dafür ein, die Situation von Menschen mit einer seltenen Erkrankung zu verbessern. Auch die Ersatzkassen haben ein Zeichen für eine bessere Versorgung gesetzt. Für ihre Versicherten, bei denen der Verdacht auf eine seltene Erkrankung ohne klare Diagnose vorliegt, hat der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin, dem Universitätsklinikum Bonn und dem Universitätsklinikum Tübingen einen besonderen Versorgungsvertrag geschlossen.
POLITIK PERSONALIEN Einsicht des Monats SACHVERSTÄNDIGENRAT Wechsel beim MDS Gutachten stößt und der DKG „Wer vollständig Debatte um Digitalisierung an Dr. Stefan Gronemeyer geimpft wurde, kann in Zukunft Der Sachverständigenrat zur Begutachtung hat am 1. April der Entwicklung im Gesundheitswesen hat 2021 seine neue Position als wie jemand kürzlich sein neues Gutachten „Digitalisierung für Gesundheit“ an das Bundesministerium Geschäftsführer beim Medizi- behandelt werden, für Gesundheit (BMG) übergeben. In dem fast der negativ 400 Seiten umfassenden Gutachten beschäf- nischen Dienst tigt sich der Sachverständigenrat intensiv mit Foto: MDS des Spitzenver- bandes Bund der Krankenkassen getestet wurde.“ den Rahmenbedingungen der Digitalisierung, der elektronischen Patientenakte (ePA), den digitalen Gesundheitsanwendungen, den (MDS) angetreten. In diese Funktion wurde Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Forschungsdaten, der digitalen Gesundheits- Gronemeyer vom Verwaltungsrat einstimmig nfang April 2021 gegenüber der „Bild am A kompetenz und einer Strategie für ein dyna- gewählt. Gronemeyer war seit 2010 Leiten- Sonntag“. Hintergrund der Aussage ist eine misch lernendes Gesundheitssystem. Mit dem der Arzt und stellvertretender Geschäfts- Analyse des Robert Koch-Instituts. Dem- Gutachten stößt der Sachverständigenrat eine führer beim MDS. Davor war der 60-Jährige nach geht von Geimpften ab dem 15. Tag breite Diskussion im Gesundheitswesen zur in leitenden Funktionen beim MDS tätig. nach der zweiten Dosis ein geringeres Infek- Weiterentwicklung der Digitalisierung an. Nach dem Medizinstudium an der Freien tionsrisiko aus als von Personen mit negati- Universität Berlin absolvierte Gronemeyer Der Sachverständigenrat zieht insgesamt vem Schnelltest. die Ausbildung zum Facharzt für Innere das Resümee, dass die Digitalisierung im Medizin und Kardiologie und war lange Jahre deutschen Gesundheitswesen weit hinter sowohl in der Akutmedizin als auch in der anderen Ländern zurückliegt. Um die Digi- medizinischen Rehabilitation tätig, zuletzt talisierung des Gesundheitswesens optimal Dr. Gerald Gaß als Leitender Oberarzt einer kardiologischen für das Patientenwohl zu nutzen, hält der trat am 1. April Fachklinik. Das Interesse für ärztliches Qua- Sachverständigenrat es für notwendig, die 2021 die litätsmanagement und Versorgungsfragen Debatte in Deutschland neu und anders Nachfolge von führte ihn 2005 zum MDS. zu führen. Demnach müssen alle Normen Georg Baum in den Blick genommen werden und in ein Dr. Peter Pick, an der Spitze Foto: DKG/Tobias Vollmer ebenso wert- und praxisorientiertes Verhält- bisheriger der Deutschen nis zueinander gebracht werden. Geschäftsfüh- Krankenhaus- rer des MDS, gesellschaft Ganz explizit fordert der Sachverständigen wechselte in (DKG) an. Gaß rat, dass der Datenschutz im Sinne eines die Position des war bereits bis umfassenden Patientenschutzes neu gedacht stellvertreten- Ende 2020 ehrenamtlicher Präsident des werden müsse. Demzufolge gelte es, den den Geschäfts- Verbandes und wechselte nun hauptamtlich Datenschutz insbesondere mit dem Schutz führers und in die Geschäftsstelle nach Berlin. Baum von Leben und Gesundheit abzuwägen und Foto: MDS Beauftragten geht nach 15 Jahren im Amt des DKG- in sinnvollen Einklang zu bringen. Bezüglich für Errichtungs- Hauptgeschäftsführers in den Ruhestand. der ePA fordert er ein Opt-out-Verfahren fragen. Der 65-Jährige war seit 1997 in der Gaß besetzt damit die neugeschaffene (Widerspruchsmöglichkeit). pm Funktion des MDS-Geschäftsführers tätig. Position des Vorstandsvorsitzenden. Er war www.svr-gesundheit.de Nach dem MDK-Reformgesetz wird der MDS zuletzt Geschäftsführer des Landeskranken- bis Anfang 2022 in Medizinischer Dienst hauses Rheinland-Pfalz. Zuvor leitete der Bund umbenannt und in eine Körperschaft 1963 geborene promovierte Volkswirt und des öffentlichen Rechts umgewandelt. Die Soziologe von 2001 bis 2008 die Abteilung Träger werden die Medizinischen Dienste Gesundheit im Rheinland-Pfälzischen Sozial- (MD) auf Landesebene sein. ministerium. pm
ersatzkasse magazin. 2. Ausgabe 2021 6 /7 Die aktuelle Zahl PRESSESCHAU 4.944 Das schreiben die anderen So viel Euro je Bundesbürger betrugen im Jahr 2019 die Gesundheitsausgaben in Deutsch- land. Das ist ein Anstieg um 4,9 Prozent zum Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt Corona: Grundrechtsfragen anlässlich des diesjährigen Weltgesundheitstages mitgeteilt hat. „Noch Ende vergangenen Jahres hatte sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ent- schieden gegen Sonderrechte für Geimpfte DATEN ZUM GESUNDHEITSWESEN CORONA-PANDEMIE gewandt. Doch von Sonderrechten oder Privi- legien für Geimpfte kann nicht die Rede sein, 25. Auflage der vdek- Bedürfnisse von Kin- es handelt sich nur um die Rücknahme von Basisdaten erschienen dern berücksichtigen Grundrechtseinschränkungen. Das ist keine soziale Wohltat eines paternalistischen Staates, Die vdek-Basisdaten des Die aktuelle Situation für chronisch herz- sondern recht und billig und unumgänglich.“ Gesundheitswesens feiern kranke Kinder und Jugendliche und deren FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, 5.4.2021 Jubiläum: Die 25. Auflage Familien sei nach über einem Jahr in der der Broschüre des Verbandes Corona-Pandemie aufgrund der fehlenden der Ersatzkassen e. V. (vdek) Impf-Perspektive nach wie vor unbefriedi- Corona: Signalwirkungen ist erschienen. Wichtige gend, hat die Patientenbeauftragte der Bun- „Intensivmediziner warnen vor einer starken Themen der aktuellen Ausgabe: Immer mehr desregierung, Prof. Dr. Claudia Schmidtke, Überlastung der Kliniken ab Mai. […] Um diese Menschen vertrauen auf den Schutz der erklärt. Bis ein zugelassener Impfstoff für Entwicklung zu vermeiden oder zumindest gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) – diese vulnerable Gruppe zur Verfügung stehe, zu mindern, müssen die Kontakte – und zwar von den mehr als 83 Millionen Einwohnern müssten ihre besonderen Bedürfnisse bei der vor allem die in geschlossenen Räumen – in Deutschlands waren 2020 rund 73 Millionen Ausgestaltung und Umsetzung von Schutz-, den nächsten Wochen noch stärker verringert GKV-versichert. Das ist ein neuer Rekordwert. Test-, und Impfkonzepten verstärkt in den werden als im ersten Lockdown im vergangenen Auch die GKV-Leistungsausgaben steigen Blick genommen werden. „Das Ziel muss es Jahr. Doch statt intensiv für diese letzte Anstren- weiter an. Spitzenreiter sind hier die Ausgaben sein, ihre Teilhabe am sozialen Leben durch gung bis zur erlösenden Impfung zu werben, für Prävention, Selbsthilfe und soziale Dienste, einen bestmöglichen Schutz zu ermöglichen“, haben viele Ministerpräsident*innen mit diversen die 2019 im Vergleich zum Vorjahr um forderte Schmidtke. Lockerungen zunächst das gegenteilige Signal 15,6 Prozent gestiegen sind. Die zweithöchste geschickt: So ernst sei die Lage gar nicht. Eine Entsprechend müssten die Zulassungs- Steigerung verzeichnen die Ausgaben für Heil- Mehrheit der Bevölkerung hat es für diese Öff- studien für kindgerechte Covid-19-Impf- und Hilfsmittel mit jeweils 15,2 Prozent. nungen nie gegeben; nachgegeben hat die Politik stoffe weiter vorangetrieben werden, vielmehr einer lautstarken Minderheit.“ Diese und viele weitere wichtige Daten, Zah- so Schmidtke weiter. Die Ergebnisse der TAZ, 3.4.2021 len und Fakten aus dem Gesundheitswesen Phase-3-Studie zur hohen Wirksamkeit des liefern die vdek-Basisdaten auf 63 Seiten. Impfstoffs von BioNTech/Pfizer bei Jugend- Themenbereiche: Bevölkerung, Versicherte, lichen im Alter von zwölf bis 15 Jahren seien Corona: Risikoabwägung Krankenkassen, Finanzierung, Versorgung sehr ermutigend und mittelfristig ein sehr „Angesichts der dritten Welle ist es zu b egrüßen, und soziale Pflegeversicherung. Die Informa gutes Zeichen. „Kurzfristig kommt es jetzt dass der Einsatz von AstraZeneca bei Jüngeren tionen sind wie immer anschaulich aufberei- darauf an, Impfstoffe, die bereits ab dem nicht kategorisch ausgeschlossen wird. Auch tet in Grafiken, Diagrammen und Tabellen. Alter von 16 Jahren durch die Europäische wer noch keine 60 ist, kann sich impfen las- Arzneimittel-Agentur zugelassen sind, auch Ein kostenfreies Exemplar 2021 kann unter sen, wenn er – wie fast alle Fachleute – das sofort an alle Jugendlichen ab 16 Jahren basisdaten@vdek.com bestellt werden. Sämt- Risiko einer Corona-Erkrankung für größer mit schweren chronischen Erkrankungen zu liche Inhalte sowie weitere Daten stehen auf hält als das einer seltenen Nebenwirkung, die verimpfen.“ Wichtig sei zudem, eine nied- der Internetseite des vdek zum kostenlosen zudem gut behandelbar ist. Der Umgang mit rigschwellige Impf-Zulassung von mehr als Download bereit. Die Informationen werden AstraZeneca zeigt zudem, dass die Überwa- zwei Kontaktpersonen für chronisch schwer kontinuierlich aktualisiert. chung der Impfstoffe gut funktioniert und dass kranke Kinder und Jugendliche zu ermög- bei Bedarf schnell gehandelt wird.“ www.vdek.com unter lichen, die nicht selbst geimpft werden Presse/Daten Gesundheitswesen STUTTGARTER ZEITUNG, 1.4.2021 können. pm
POLITIK ÜBERSICHT Aktuelle Gesetzesvorhaben Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) • Mindestmengen für die stationäre Versor- • Im morbiditätsorientierten Risikostruktur • Ambulante Krebsberatungsstellen gung sollen durch den Gemeinsamen Bun- ausgleich (Morbi-RSA) sollen Anpassungen sollen vom 1. Januar 2021 mit jährlich desausschuss (G-BA) festgelegt werden. beim Kinderkrankengeld und bei den 42 Millionen Euro durch den GKV-Spitzen- Auslandsversicherten vorgenommen verband gefördert werden. Der Anteil • Für Qualitätsverträge zwischen Kranken- werden. der privaten Krankenversicherung ent- kassen und Krankenhäusern soll ein fixes spricht sieben Prozent. Ausgabenvolumen in Höhe von 30 Cent • Ab dem vierten Quartal 2021 soll ein pro Versicherten ab 2022 (inklusive einer Korrekturverfahren zur Bereinigung der • Hausärzte können bei Bedarf ihre Patien- Dynamisierungsklausel) bis einschließ- morbiditätsorientierten Gesamtvergü- ten über die Organ- und Gewebespende lich 2028 vorgesehen werden. tung etabliert werden. alle zwei Jahre ergebnisoffen beraten. • Für jährlich zwei weitere operative Ein- • Vertragsärzte, -zahnärzte sowie –psycho- • Aus der Liquiditätsreserve des Gesund- griffe soll der G-BA strukturierte Zweit- therapeuten werden zum Abschluss einer heitsfonds sollen im Jahr 2021 Zahlungen meinungsverfahren entwickeln. Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet. von 190 Millionen Euro an das Bundesmi- nisterium für Gesundheit zur Finanzierung • Innerhalb von 24 Monaten soll der G-BA • Ein bundeseinheitliches Ersteinschät- von Schutzausrüstung und Desinfektions- ein Disease-Management-Programm zungsverfahren für ambulante ärztliche mitteln für Ärzte und Zahnärzte erfolgen. Adipositas entwickeln. Notfallbehandlung soll zukünftig vom G-BA beschlossen werden. Dieses soll ins- Kabinettsentwurf vom 16. Dezember 2020 • Der unparteiische G-BA-Vorsitzende besondere Vorgaben für Qualität, Dring- Inkrafttreten: Nach Verkündung erhält eigenes Antragsrecht im Plenum. lichkeit der Behandlungsnotwendigkeit • Die Krankenkassen sollen künftig gemein- sowie zur Form der Abrechnungsunter sam mit den Kommunen lokale Hospiz- lagen enthalten. und Palliativnetzwerke etablieren. Krankenkassen-Werbemaßnahmen-Verordnung (KKWerbeV) • Die Gewährung geldwerter Vorteile für • Krankenkassen dürfen zukünftig Ange- • Aufwandsentschädigungen für das den Wechsel oder für den Verzicht auf bote Dritter nur bewerben, wenn es sich Werben von Mitgliedern durch externe den Wechsel der Krankenkasse wird um gesetzlich oder satzungsgemäß vor- Dienstleister müssen in das Gesamtwer- untersagt. gesehene Leistungen der jeweiligen Kasse bebudget einbezogen werden. handelt. Durch die Neuregelung sollen • Krankenkassen sind im Falle einer grund- • Zukünftig dürfen Leistungsbescheide der Werbemaßnahmen der Krankenkassen bei sätzlich zulässigen vergleichenden Wer- Krankenkassen keine Werbemaßnahmen Sportveranstaltungen stark eingeschränkt bung zu besonderer Fairness angehalten. beinhalten. werden. Künftig soll insbesondere die Beitragssatzvergleiche sind nur zulässig, Banden- und Trikotwerbung im Spitzen- Referentenentwurf vom 2. Dezember 2020 wenn zugleich über etwaige Leistungs- und Profisport untersagt werden, weil dies Inkrafttreten: In Teilen nach Verkündung vergleiche aufgeklärt wird. als reine Marken- bzw. Imagewerbung bzw. am 1. Januar 2022 angesehen wird.
ersatzkasse magazin. 2. Ausgabe 2021 8 /9 Gesetz zur Zusammenführung von Krebsregisterdaten • Zur Verbesserung der Versorgung und Therapie und zum Verlauf der Erkran- • Die Krebsregisterfallpauschale soll von Forschung in der Onkologie sollen die kung, erweitert werden. Personenbezo- 119 Euro auf 141,73 Euro erhöht werden klinischen und epidemiologischen Daten gene Angaben zu den Meldern werden und für jede erstmals in diesem Register der Krebsregister der Länder bundesweit nicht übermittelt. verarbeitete Meldung zur Neuerkran- in einem zweistufigen Prozess unter dem kung an einem Tumor ausgezahlt werden • Der Gesetzentwurf schafft darüber hinaus Dach des Zentrums für Krebsregister- (Mehrfachauszahlung der Pauschale). die Grundlagen dafür, dass in einer zwei- daten (ZfKD) beim Robert Koch-Institut ten Stufe zusätzliche, in der ersten Stufe Kabinettsentwurf vom 10. Februar 2021 zusammengeführt werden. nicht verfügbare Daten für Forschung und Inkrafttreten: In Teilen nach Verkündung • Der an das ZfKD zu liefernde epidemio- Versorgung genutzt werden können. Im bzw. am 1. Januar 2022 logische Datensatz soll in einer ersten Mittelpunkt stehen dabei patienten- und > Seite 14 Stufe um weitere Daten der klinischen leistungserbringerbezogene Auswer- Krebsregistrierung, insbesondere zur tungsmöglichkeiten. Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) • Die Telemedizin wird ausgebaut und die • Ab 2023 sollen Versicherte und Leis- • Die Kassenärztlichen Vereinigungen Möglichkeiten zur Videobehandlung in tungserbringer, z. B. zur Authentifizierung werden verpflichtet, dem bereits beste- verschiedenen Leistungsbereichen wer- bei der Videosprechstunde, von den henden Nationalen Gesundheitsportal den erweitert. Die Terminservicestellen Krankenkassen digitale Identitäten erhal- Daten zu Vertragsärzten und –zahnärzten können zukünftig auch Videosprechstun- ten, die dabei unabhängig von der elektro- einschließlich Sprechstundenzeiten und den bei einem Vertragsarzt vermitteln. nischen Gesundheitskarte sind und als Angaben unter anderem über Schwer- Heilmitteltherapien und Leistungen von Versicherungsnachweis dienen. punkte und besondere Qualifikationen Hebammen werden dauerhaft im Rah- zur Verfügung zu stellen. • Für die Bereiche der häuslichen Kran- men einer Videobehandlung ermöglicht. kenpflege, der außerklinischen Intensiv- • Es besteht Bestandsschutz für die bisher • Die Versorgung mit Digitalen Gesund- pflege, der Soziotherapie, der Heil- und bestehenden Solidargemeinschaften. heitsanwendungen (DiGA) wird weiter- Hilfsmittel, der Betäubungsmittel und Kabinettsentwurf vom 20. Januar 2021 entwickelt. Die Anforderungen an DiGA weiterer verschreibungspflichtiger Arz- Inkrafttreten: In Teilen nach Verkündung im Hinblick auf Datenschutz und Daten neimittel werden elektronische Verord- bzw. am 1. Januar 2022 sicherheit sollen erhöht werden. Es wird nungen eingeführt. ein verpflichtendes Zertifikat für die • Zukünftig sollen digitale Anwendungen, Informationssicherheit eingeführt. auch zur Unterstützung von pflegenden • Mit Heil- und Hilfsmittelerbringern, Angehörigen, Teil des Leistungskatalogs Erbringern von Soziotherapie sowie zahn- der Pflegeversicherung sein. Über die medizinischen Laboren werden weitere Notwendigkeit der Versorgung mit einer Gesundheitsberufe an die Telematikinfra- sogenannten Digitalen Pflegeanwendung struktur angebunden. (DiPA) entscheidet die Pflegekasse.
POLITIK BADEN-WÜRT TEMBERG NACH DER WAHL in Stuttgart betonen stets, dass Baden-Würt- Keine temberg beim Abbau von Klinikbetten seine „Hausaufgaben“ gemacht habe, die Zahl der Krankenhausbetten 15 Prozent unter dem Experimente Bundesdurchschnitt liege und das Land nur 250 Krankenhäuser habe, das vergleichbare Bayern aber 345 – und trotzdem geht die Strukturdebatte munter weiter: Allein im badischen Landesteil betrifft sie derzeit drei Klinikstandorte. Die Grünen werden zum dritten Mal in Baden-Württemberg Die Corona-Pandemie hat den Glau- eine neue Landesregierung anführen. Keine Experimente ben an das kleine Provinzkrankenhaus und eine geerdete am Menschen orientierte Gesundheitspo- nicht bestärkt, im Gegenteil. Die Bilder und Berichte von Intensivstationen mit beatmeten litik sind ihre Leitlinien. Die flächendeckende Versorgung Covid-19-Patienten könnten auch im Wahl- zu sichern ist ihr Top-Anliegen – und das wollen sie erneut volk das Einsehen genährt haben, dass eine mit der CDU durchsetzen. Corona hat trotzdem neue weitere Spezialisierung und Konzentration vielleicht nicht verkehrt seien. Neue Kran- Impulse gebracht. kenhausbauten sollen „höchste medizinische, / Text / Christoph Link ökologische und Inklusionsstandards erfül- len“, sagen die Grünen. Von der CDU – die die Kliniklandschaft dem „tatsächlichen“ Versor- gungsbedarf der Bevölkerung anpassen will – Endgültiges Wahlergebnis wird das so unterschrieben. Landtagswahl Baden-Württemberg 2021 Gleichzeitig hat der Kampf gegen Corona einen neuen Aspekt aufgezeigt, namentlich die weltweit beachteten Forschungserfolge des Impfstoffherstellers CureVac in Tübingen, aber auch die von BioNTech im benachbarten Mainz: Baden-Württemberg will bestimmte Regionen zu Spitzenstandorten der Medizin- forschung ausbauen, die international ausstrah- len, innovative Unternehmen anlocken und Jobs schaffen, beispielsweise durch eine Fusion der Uniklinik Heidelberg und der städtischen Klinik Quelle: www.landtagswahl-bw.de Mannheim. „Das Gesundheitswesen in Baden- D Württemberg ist eines der besten der Welt“, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann ie Corona-Krise hat auch selbstbewusst – und gute Medizinforschung auf den Landtagswahl- werde dem Patienten dienen. kampf in Baden-Württem- Das Land will an die Spitze, es darf die berg eingewirkt, tagesak- Breite aber nicht vernachlässigen. Für alle tuell hatte die Opposition Parteien ist die gute, flächendeckende Ver- sich kritisch mit Impf- und sorgung eines der wichtigsten Anliegen, die Teststrategien auseinan- Verzahnung von ambulantem und stationä- dergesetzt. Doch in den rem Sektor gehört dazu. Die Gleichheit der großen Linien der Gesundheitspolitik herrscht Lebensbedingungen in Stadt und Dorf soll bei den für eine Regierung infrage kommenden angestrebt werden, gegen den auf dem Land Parteien Konsens – vor und nach der Wahl. gravierenden Ärztemangel wollen alle etwas Nur die AfD und die Linke, die es nicht in den tun. Die Grünen verlangen Primärversor- Landtag geschafft hat, hatten im Wahlkampf gungszentren, die Gesundheit aus einer Hand eine Bestandsgarantie für die Krankenhäuser bieten, die CDU spricht sich für „kooperative auf dem Land verlangt. Gesundheitspolitiker Praxismodelle“ aus, aber auch die anderen
ersatzkasse magazin. 2. Ausgabe 2021 10 /11 Parteien ziehen in die gleiche Richtung, sind für kommunale Versorgungszentren, lokale Gesundheitshäuser oder genossenschaftliche Praxismodelle in der Provinz. Der dezentralen Versorgung könnte die- nen, dass man nicht mit jedem „Wehwehchen“ Foto: vdek/Silicya Roth zum Arzt rennen müsse, sagt die grüne Gesund- Foto: Jens Hilberger/Adobe Stock heitspolitikerin Petra Krebs. Andere Gesund- heitsberufe müssten gestärkt werden, und man müsse die Versorgung „von der Gesundheit“ her denken. So sind die Grünen für eine Akade- Biggi Bender misierung der Hebammenausbildung und mehr Leiterin der vdek-Landesvertretung Kompetenzen für Rettungssanitäter – Wider- Baden-Württemberg spruch gibt es dafür nicht von den anderen Par- teien, auch nicht bei der CDU. Ein wichtiger Erwartungen an die neue Baustein der ländlichen Versorgung könnte die Ein großes Telemedizin werden, 24 Modellprojekte liefen Landesregierung Kapitel aber dazu bereits in der bisherigen grün-schwarzen Koalition. Daran wird eine Neuauflage des „Gesundheitspolitik heißt nicht nur Impf-Manage- ment. In Zeiten der Corona-Pandemie steigen ist und Regierungsbündnisses anknüpfen. Ein großes Kapitel aber ist und bleibt die Erwartungen an gute Versorgung. Anders als bisweilen behauptet, brauchen wir dafür nicht bleibt die die Stärkung der Pflege, auch hier gibt es ein Bündel von Vorschlägen. Die Grünen wollen viele Betten in vielen Klinken, sondern Konzen- tration und Spezialisierung in guten Häusern. Stärkung der Pflegekammern und analog zu kommunalen Gesundheitskonferenzen auch kommunale Die Krankenhausstrukturen müssen reformiert und die Investitionsmittel des Landes gesteigert Pflege, auch Pflegekonferenzen stärken, deren Empfehlun- werden. Eine 10-Prozent-Quote und die Kofinan- gen die Krankenkassen berücksichtigen sollen. zierung der bundesweiten Fonds gehören in den hier gibt es ein Die Christdemokraten wollen ein Leitbild Koalitionsvertrag. Im Rettungsdienst brauchen Bündel von „Gesunde Berufe“ aufstellen, sie wollen den freiberuflichen Hebammen einen jährlichen wir weniger Leitstellen und via Digitalisierung mehr Effizienz. Wir müssen weg vom Kirchturm- Vorschlägen. Bonus von 500 Euro zahlen und pflegende Angehörige finanziell entlasten mit einem von denken hin zu einer landesweiten Perspektive. Dafür brauchen wir die Instrumente im Landes der Pflegeversicherung unabhängigen Landes- recht. Das Land muss die Investitions- und pflegegeld von 1.000 Euro im Jahr. Vorhaltekosten der Rettung aus der Luft und in Scharfe Trennlinien in der Gesundheits- Fahrzeugen umfassend finanzieren. politik bestehen aber auch: Der Drang der Die gesundheitliche Versorgung muss stärker Grünen in Stuttgart zu einer Bürgerversiche- vernetzt und auf mehr fachliche Schultern ver- rung – eigentlich eine Sache für die Bundes- teilt werden. Wir brauchen neue Berufsbilder ebene – stößt sowohl bei der CDU als auch der in und um die Arztpraxis herum, insbesondere FDP auf Missfallen. Die Südwest-Grünen wol- in Zentren mit vielfältigem Versorgungsangebot len das Hamburger Modell für Landesbeamte an einem Ort. Und die pflegerischen Angebote einführen: Wenn sich diese für die gesetzliche dürfen nicht weit weg sein. Und der Eigenanteil Krankenversicherung entscheiden, soll ihnen in den Heimen sollte auch durch einen ausrei- kein finanzieller Nachteil entstehen und das chenden Beitrag des Landes zu den Investitions- Land würde den entsprechenden Arbeitge- kosten begrenzt werden. beranteil in Form einer pauschalen Beihilfe Foto: Achim Zweygarth/ Stuttgarter Zeitung übernehmen – im Prinzip also ein Einstieg Durch den Krankenhausstruktur- bzw. Kran- in die Bürgerversicherung. kenhauszukunftsfonds muss jetzt der Ausbau Experimente oder eine radikale Kehrt- der Digitalisierung umgesetzt werden. Glei- Christoph Link wende in der Gesundheitspolitik werden ches gilt für die Pflege: Digitale Beratungs- und Redakteur (u. a. Gesundheitspolitik) aber nicht zu erwarten sein, wenn der baden- Unterstützungsangebote unterstützen pfle- im Politikressort der Stuttgarter Zeitung und der württembergische Landtag am 12. Mai 2021 gende Angehörige und den Ausbau von Kurz- Stuttgarter Nachrichten einen Ministerpräsidenten wählt. zeitpflegeplätzen.“
POLITIK GESUNDHEITSPOLITIK IN RHEINLAND-PFALZ Land bundesweit in der Spitzengruppe, nach- Spagat zwischen dem es anfangs in vielen Altenheimen noch an Vorbereitung fehlte und Hotlines unter der Pandemie, Masse an Anrufen zusammenbrachen. Lan- desweit waren Inzidenzen so niedrig, dass sich das Land vor der Wahl gar traute, Geschäfte Ärztemangel und behutsam zu öffnen. Die Wähler in Rheinland- Pfalz belohnten den Kurs. Die Sozialdemokra- ten mit Dreyer an der Spitze gewannen die Klinikreform Wahl deutlich mit 35,7 Prozent, pulverisierten förmlich den Effekt der chronisch im Umfra- getief taumelnden Bundes-SPD und dürfen weiter in einer Ampelkoalition mit FDP und Grünen regieren. Die Corona-Krise hat die Gesundheitspolitik vor der CDU-Herausforderer Christian Baldauf Landtagswahl in Rheinland-Pfalz überlagert. Probleme gelang es im Wahlkampf kaum, sich gesund- wie die Lage kleiner Kliniken und der sich anbahnende heitspolitisch von der Landesregierung abzugrenzen. Er hatte es auch schwer: Der Ärztemangel traten in den Hintergrund. Sie verschwin- Pfälzer war unbekannter als die dauerprä- den aber nicht in dem Bundesland, wo SPD, FDP und sente Regierungschefin Dreyer. Er stand in Grüne die Ampelkoalition fortsetzen wollen. der Corona-Krise ständig loyal zur Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Christ- / Text / Florian Schlecht demokratische Schwächen im Bund – wie bei der Impfstoff-Beschaffung oder Schnell- test-Strategien – konnte der Landespolitiker Endgültiges Wahlergebnis nicht vermeiden. Zugleich drängte die Pandemie gesund- Landtagswahl Rheinland-Pfalz 2021 heitspolitische Baustellen in den Hintergrund, die in der Wahlperiode bis 2026 aber nicht von der Bildfläche verschwinden. Da ist einmal die schwierige Lage der Krankenhäuser. 77 Klini- ken hat Rheinland-Pfalz, die sich auf 96 Stand- orte verteilen. Bei der Menge verwundert es kaum, dass Menschen in ländlichen Räumen wie der Eifel oder dem Hunsrück immer wie- der demonstrieren, weil eine Geburtshilfe vor dem Aus steht oder der kleinen Klinik die Quelle: www.wahlen.rlp.de Insolvenz droht. Krankenkassen und Klini- ken werfen dem Land vor, zu wenig Geld in die Häuser zu investieren. Das Land kritisiert R wiederum das DRG-System als Last für die Häuser. In diesem Jahr fördert Rheinland- heinland-Pfalz galt einst Pfalz die Kliniken mit 128 Millionen Euro. klischeehaft als das Land 300 Millionen Euro brauchten die Kranken- der Rüben und Reben. Im häuser aber pro Jahr, entgegnen Kritiker. Landtagswahlkampf hob Im Wahlkampf waren sich alle Parteien Ministerpräsidentin Malu einig, die flächendeckende Gesundheits- Dreyer (SPD) aber Inzi- versorgung in Rheinland-Pfalz zu erhalten. denzen und Impfen hervor. Ministerpräsidentin Dreyer betonte: „Rhein- Denn bis zum 14. März 2021, land-Pfalz ist das Land der kleinen Kran- dem Tag der Wahl, meisterte die Landesre- kenhäuser.“ Aber: Wo Zusammenlegungen gierung um Ministerpräsidentin Dreyer die sinnvoll sind, will das Land sie fördern. In Corona-Krise solide. Bei der Impfquote lag das Saarburg und Kirn starten Modellkliniken, die
ersatzkasse magazin. 2. Ausgabe 2021 12 /13 sich in den kommenden Jahren zum moder- nen Gesundheitscampus wandeln sollen – ver- netzt mit großen, regionalen Kliniken, nieder- gelassenen Ärzten und weiteren Akteuren des Gesundheitssystems. Ein Wandel setzt also ein – wenn auch schleichend. Foto: vdek/Georg J. Lopata D Foto: Andre Bonn/Adobe Stock azu kommt der Ärztemangel, der in Rheinland-Pfalz bald durchschlägt. Alleine 40 Pro- zent der Hausärzte im Land ste- Martin Schneider hen vor dem Ruhestand, weil Leiter der vdek-Landesvertretung sie 60 Jahre oder älter sind. Weil gerade die Rheinland-Pfalz ländlichen Gegenden künftige Mediziner kaum in den Bann ziehen, hat die Landes- regierung inzwischen eine Landarztquote Erwartungen an die neue Alleine ins Leben gerufen. 14 Studienplätze vergibt Landesregierung 40 Prozent der Rheinland-Pfalz darüber im kommenden Win- tersemester 2021/22. In einem neuen Tele- „Eins vorab: Wir verfügen in Rheinland-Pfalz über gute Versorgungsstrukturen bei Gesund- Hausärzte im medizin-Projekt testet das Land darüber hin- aus mit 24 Praxen, Assistentinnen und Assis- heit und Pflege. Diese zu überprüfen und zukunftsfest zu machen, wird eine gemeinsame Land stehen tenten mit der nötigen Technik zu Patienten fahren zu lassen, Gesundheitsdaten zu erfas- Aufgabe aller Akteure in der kommenden Legis- laturperiode werden. vor dem Ruhe- sen und Hausärzte per Videochat zuzuschal- ten. Im Wahlprogramm nannte die SPD das Das heißt konkret: Qualität muss in den Fokus, stand, weil sie Ziel, solche digitalen Sprechstunden flächen- und zwar von der Planung bis in die konkrete Behandlungssituation. Es gilt, Ressourcen wie deckend zu ermöglichen. Doch auch hier grei- 60 Jahre oder fen die Programme den Kritikern zu kurz. Finanzmittel oder Fachpersonal zu konzentrieren, um so die Patientensicherheit weiter zu erhöhen. älter sind. Die Opposition aus CDU, AfD und nun auch Freien Wählern fordert 200 Medizinstudien- Im Flächenland Rheinland-Pfalz ist es besonders wichtig, die Versorgung auf dem Land weiterhin plätze mehr pro Jahr, um Ärzte auszubilden. sicherzustellen. Dafür braucht es eine intensivere Bis die ersten Mediziner über die Landarzt- interdisziplinäre Zusammenarbeit. Nicht bedarfs- quote in Eifel oder Hunsrück arbeiteten, dau- notwendige Krankenhäuser können in medizini- ere es noch zehn Jahre. Ob sich vage grüne sche Gesundheitszentren im Verbund von Haus- Gedanken verwirklichen lassen, neben Mainz und Fachärzten umgewandelt werden. eine zweite Unimedizin aufzubauen, ist nach der Corona-Krise mit schmaleren Haushal- Daneben gilt es, telemedizinische Möglichkeiten ten fraglich. wie Videosprechstunden noch stärker als bisher Ohnehin dominiert die Pandemie weiter- einzusetzen. Um das ärztliche Handeln zu unter- hin die Politik. Denn zum April 2021 stiegen stützen, brauchen wir auch mehr nicht-ärztliche die 7–Tage-Inzidenzen auch im Südwesten Praxisassistenten (NäPa‘s) und telemedizinische der Republik vielerorts über 100. Das Land Assistenten (TMA). Die stärkere Nutzung des will zwar in Modellkommunen erproben, ambulanten Potenzials muss weiter forciert mehr Öffnungen gegen mehr Tests zu erlau- werden, im ersten Schritt durch die auf Bundes- ben – ähnlich wie im baden-württembergi- ebene verhandelte Erweiterung des Kataloges schen Tübingen. Umsetzen sollen das aber ambulant erbringbarer Leistungen. In der Pflege nur Kommunen, die in der Inzidenz unter 50 müssen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen Foto: Klaus Kimmling liegen. Wann also tatsächlich einige Städte bei den im Bundesvergleich in Rheinland-Pfalz und Kreise den kleinen Schritt in Richtung vierthöchsten Eigenanteilen in der stationären Normalität gehen können, ist mit einem Fra- Pflege finanziell entlastet werden. Auch muss Florian Schlecht Rheinland-pfälzischer gezeichen verbunden. Das gilt auch für die das Land im Krankenhaus- wie im Pflegebereich Landeskorrespondent für den „Trierischen rheinland-pfälzische Gesundheitspolitik der die Investitionskosten auskömmlich und verant- Volksfreund“ in Mainz kommenden Jahre. wortungsbewusst übernehmen.“
POLITIK GESETZGEBUNG die Erfüllung von 43 Förderkriterien gebunden, Klinische welche es bis Ende 2020 zu erfüllen galt. Die Finanzierung von Krebsregistern, die bis dahin nicht alle Förderkriterien erfüllen, geht dann Krebsregister nach aktueller Gesetzgebung auf die Bundes- länder über. Bis zuletzt verlief der Aufbau der klinischen Krebsregister schleppend, wie das im August 2020 erschienene Gutachten der Prognos AG deutlich machte (s. Abb. 1). Dem- nach hatten zum Stichtag 31. Dezember 2019 Der Aufbau der klinischen Krebsregister ist seit Ende lediglich vier von 18 Krebsregistern alle Förder- 2020 abgeschlossen. Nun steht ein neues Krebsregister kriterien erfüllt. Auch die Prognose zeigte, dass datengesetz in den Startlöchern, welches unter anderem nur bei acht Krebsregistern erwartet wurde, dass sie bis zum 31. Dezember 2020 alle 43 För- die Weiterfinanzierung der Krebsregister neu regelt. derkriterien erfüllen werden. / Text / Theresa Meier, Abteilung Stationäre Versorgung beim vdek Die neuesten Berichte zeichnen jedoch ein deutlich positiveres Bild (s. Abb. 2). Bereits bei einer Voraberhebung des Erfüllungs- I standes im Januar 2021 meldeten nur noch zwei Krebsregister, dass womöglich nicht n Deutschland erkrankten im Jahr alle Fördervoraussetzungen erfüllt werden. 2017 knapp 489.000 Menschen an Doch auch diese beiden Krebsregister haben Krebs – 53 Prozent davon Männer. inzwischen gemeldet, dass alle Fördervoraus- Zwischen 2006 und 2017 nahm die setzungen erfüllt werden. absolute Zahl der Krebsneuerkran- kungen, unter anderem bedingt Das neue durch den demografischen Wandel, Krebsregisterdatengesetz um 2,7 Prozent zu. Neueste Zahlen des Jahres 2019 zeigen, dass in Deutschland Der Ablauf der Nachbesserungsfrist und rund 231.000 Menschen an den Folgen einer Krebserkrankung starben. Damit ist Krebs die Bis zuletzt auch die ungünstige Prognose machten eine Überarbeitung der gesetzlichen Grundlage zweihäufigste Todesursache in Deutschland. Trotz des medizinischen Fortschritts, verlief der notwendig. Der Entwurf eines Krebsregis- terdatengesetzes, dessen Kabinettsentwurf der bereits diverse Therapiemöglichkeiten eröffnet, ist es notwendig, die Behandlungs- Aufbau der nun im Februar 2021 erschien, kommt dieser Notwendigkeit nach. Neben dem Aufbau eines möglichkeiten Krebskranker weiterzuent- klinischen bundesweit einheitlichen Datensatzes unter wickeln. Durch die klinischen Krebsregister Verwendung der bestehenden Datenbestände wird eine systematische und einheitliche Krebsregister der Krebsregister im Zentrum für Krebsregis- Datenerfassung sichergestellt. Dadurch wird es Wissenschaftlern ermöglicht, den Einfluss schleppend. terdaten (ZfKD) beim Robert Koch-Institut sieht der Gesetzesentwurf auch umfangrei- einzelner Krebstherapien auf die Prognose che Änderungen bezüglich der Finanzierung und die Lebensqualität der Erkrankten hin klinischer Krebsregister vor. Beispielhaft zu zu untersuchen. Auch wird der Vergleich von nennen sind hier: Versorgungsqualität in unterschiedlichen Ein- richtungen ermöglicht. Langfristig können • Auszahlung der Krebsregisterpauschale diese Erkenntnisse genutzt werden, um die an jedes Krebsregister, das Daten über Gesundheitsversorgung zu verbessern. eine Krebsneuerkrankung entgegennimmt (Mehrfachauszahlung). Erfüllungsstand der Krebsregister • Anteilige Auszahlung der Krebsregister pauschale zu 85 Prozent (70 Prozent) für Die gesetzlichen Krankenkassen fördern den 2021 bis 2023, wenn die Fördervorausset- Betrieb der 18 klinischen Krebsregister durch zungen durch das Krebsregister zu 95 Pro- die Zahlung einer Förderpauschale. Diese ist an zent (85 Prozent) erfüllt werden.
ersatzkasse magazin. 2. Ausgabe 2021 14 /15 • Vereinbarung einer abweichenden Förde- Abb. 1: rung auf Antrag, wenn dies aufgrund regio Umsetzungsstand der Krebsregister naler Besonderheiten erforderlich ist, um 90 Prozent der Betriebskosten über die Pau- in den Bundesländern schale abdecken zu können. Dazu werden die betroffenen Krebsregister verpflichtet, 39 36 Anzahl erfüllter auf Anforderung anonymisierte Daten zur Förderkriterien 2017 37 Ermittlung der Betriebs- und Fallkosten 38 43 Anzahl erfüllter bereitzustellen. 43 Förderkriterien 2019 • Jährliche Meldung über die Erfüllung der För- 19 41 Prognose 2020 dervoraussetzungen an die Landesverbände 43 (Stand: 19.08.2020) 20 der Krankenkassen und die Ersatzkassen 43 Förderkriterien 43 43 sowie unverzügliche Meldung, wenn einzelne 30 Fördervoraussetzungen nicht erfüllt werden. 41 V 42 39 iele Punkte des Gesetzesentwurfs 42 43 wurden vonseiten der Kranken- 29 32 kassen positiv bewertet. Insbe- 40 sondere dass bei der Vereinbarung 31 individueller Krebsregisterpau- 43 schalen nun die Krebsregister Daten zu ihren 28 39 Betriebs- und Fallkosten offenlegen müssen, 42 wirkt sich stark auf die Transparenz und die 40 43 sachgerechten Pauschalen aus. Bereits in der 43 26 Vergangenheit hat ein Gutachten zur Überprü- 42 43 fung der Pauschalen eine erhebliche Überzah- 39 lung der Krebsregister aufgedeckt, der man 43 43 nun leichter entgegenwirken kann. Auch die 27,5 nur anteilige Auszahlung der Krebsregister- 39,75 40 pauschale in den Jahren 2021 bis 2023 wurde 21 35 von den Krankenkassen positiv wahrgenom- 39 men. Angesichts des perspektivisch guten 22 * Gemeinsames 34 KKR Brandenburg-Berlin Erfüllungsstandes der Krebsregister ist jedoch 40 ** Durchschnitt der dezentralen fraglich, ob die Übergangszeit von drei Jahren KKR Chemnitz Dresden, Leipzig und Zwickau nicht auf ein Jahr abgesenkt werden sollte. Quelle: Eigene Darstellung gemäß Prognos AG Hinsichtlich der Mehrfachauszahlung der Krebsregisterpauschale wurde krankenkassen- seitig bereits umfangreiche Kritik geäußert. Abb. 2: Unter anderem rechnen die Krankenkassen mit einem massiven Ausgabenzuwachs, der die Erfüllungsstand HH SH MV Solidargemeinschaft unnötig belastet. Denn nach der HB würden die Krebsregister ihrer Verpflichtung zu einem digitalen Datenaustausch unterein- Voraberhebung NI BE BB ander nachkommen, bliebe der Aufwand zur zum 18.01.2021 ST NW Erfassung einer Meldung gering, und eine TH SN Mehrfachauszahlung wäre nicht notwendig. HE Im Jahr 2022 ist eine erste Anpassung der Erfüllt RP Krebsregisterpauschale vorgesehen. Es bleibt Ggf. nicht erfüllt abzuwarten, inwieweit sich die Mehrfachaus- SL BY BW zahlung in der Neuberechnung der Krebs registerpauschale widerspiegeln wird. Quelle: vdek Das Krebsregisterdatengesetz soll noch Mitte 2021 in Kraft treten.
POLITIK FALLPAUSCHALEN lernenden Systemen neues Wissen das Han- DRG – Ein deln der Beteiligten und damit das Gesamt- system verändern. Beteiligte im DRG-System sind die Krankenhäuser und Krankenkassen System mit sowie deren Verbände, aber auch der Gesetz- geber und die Länder. Das Institut für das Ent- geltsystem im Krankenhaus (InEK) erstellt die DRG. Der Handlungsspielraum wird dem Zukunft InEK durch die Selbstverwaltungspartner und zum Teil durch den Gesetzgeber vorgegeben. Fehlentwicklungen in der DRG-Finanzierung kann das InEK nur entgegenwirken, wenn es hierzu einen Auftrag erhalten hat. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhäuser hat mit 2003 wurde das DRG-System, zunächst der Ausgliederung der Pflegekosten einen erheblichen noch optional, in den deutschen Kranken- häusern eingeführt. Mit der fallbezogenen Schlag bekommen. Etwa 20 Prozent der Kosten werden Vergütung sollte die im internationalen Ver- nicht mehr fallbezogen über landeseinheitliche Preise, gleich zu hohe Verweildauer gesenkt werden. sondern tagesbezogen nach den tatsächlichen Kosten Tatsächlich konnte diese fast halbiert werden. Damit standen in den Krankenhäusern viele eines Krankenhauses finanziert. Zwei unterschiedliche Betten leer. Die Länder passten im Rahmen Abrechnungen für ein und denselben Krankenhauspati- der Krankenhausplanung die Bettenkapazitä- enten verursachen hohes Streitpotenzial. Hinzu kommt, ten nicht an. Die Krankenhäuser nutzten die freien Kapazitäten für die Behandlung weite- dass die neuen Pflegebudgets der Krankenhäuser das rer Patienten. Die Fallzahlen stiegen seither Problem des Pflegefachkräftemangels nicht lösen können. kontinuierlich an. Die Krankenhäuser konnten durch den Fallzahlanstieg ihre fixen Kosten / Text / Stefan Wöhrmann besser refinanzieren und machten Gewinne. Länder lernen schnell Die Länder haben in diesem lernenden System schnell bemerkt, dass die Krankenhäuser durch steigende Fallzahlen und Einsparungen in der D Pflege, die den größten Kostenblock darstellt, hohe Gewinne erzielen können. Unter diesen iagnosis Related Groups, Prämissen stört es weniger, wenn gleichzei- kurz DRG, sind eigentlich tig die Investitionsquote reduziert wird. In kein System, sondern ein vielen Gesetzen wurden den Krankenhäu- Instrument oder Werk- sern nach dem Gießkannenprinzip finanzi- zeug. DRG sind Teil eines elle Mittel zugesprochen. Danach wurden Systems. Spricht man hier- die Investitionsquoten weiter reduziert. zulande vom DRG-System, Die DRG-Finanzierung war über- und die so versteht man hierunter Investitionsf inanzierung unterfinanziert. Der den Einsatz der DRG unter ganz bestimmten ökonomische Druck der Krankenhäuser, die Rahmenbedingungen. Dabei wird übersehen, untereinander im Wettbewerb stehen, wurde dass die Logik der DRG es erlaubt, diese sehr immer größer. Das Leistungsgeschehen wurde Foto: vdek/Georg Lopata flexibel auszugestalten und anzuwenden. zwangsläufig an finanziellen und nicht an Ver- Mit der DRG-Einführung wurde als Ziel sorgungsgesichtspunkten ausgerichtet. Diese festgeschrieben, dass die DRG Teil eines „ler- Fehlentwicklung hat wenig mit der Logik der nenden Systems“ werden sollten. Lernende DRG zu tun, sondern in erster Linie mit dem Stefan Wöhrmann Abteilungsleiter Stationäre Systeme werden nicht uneingeschränkt Investitionsverhalten der Länder, das eine pas- Versorgung beim vdek positiv gesehen. Grund hierfür ist, dass in sive Krankenhausplanung befördert hat.
ersatzkasse magazin. 2. Ausgabe 2021 16 /17 Pflegeproblematik spitzt sich zu Die Zahl der Pflegekräfte hielt der Entwick- Fördermittel, Gesamtkosten, lung der Patientenzahlen nicht stand. Die Ärzte und Pflegekräfte Arbeitsbelastung in der Krankenpflege stieg Index (1991 = 100); 1991 bis 2019; Bundesgebiet kontinuierlich an. Die Ausfallzeiten wurden größer, und immer mehr Pflegekräfte kehrten den Krankenhäusern den Rücken. Die Situa 250,0 Gesamtkosten der tion im Bereich der Krankenpflege nahm Krankenhäuser Ausmaße an, die die Politik zum Handeln veranlasst hat. Daher wurde das Pflegebud- get beschlossen, das seit 2020 greift. Seitdem haben allerdings nur die Streitigkeiten zwi- Ärzte 176,4 schen Krankenhäusern und Krankenkassen bei der Abrechnung und den Vertragsverhand- lungen zugenommen. Verschiebebahnhöfe zwischen dem verbleibenden Fallpauschalen- und dem neuen Pflegebudget sorgen täglich Pflegekräfte 105,9 für mehr Zündstoff. I 83,6 n der Vergangenheit hat es diverse Hilfsprogramme für die Pflege gege- Investitionsfördermittel der Bundesländer ben, die Milliarden gekostet, aber 19 1 19 2 19 3 19 5 20 9 20 7 94 19 6 19 7 20 7 20 1 19 8 20 0 20 1 20 3 20 2 20 5 20 4 20 6 20 8 20 9 20 5 20 0 12 20 3 20 4 20 6 20 8 19 nicht zum Erfolg geführt haben. 1 9 1 9 0 1 1 1 9 9 1 1 9 9 0 9 9 1 0 0 0 0 0 0 0 0 19 20 19 Daher fällt die Prognose erneut nüch- Quelle: Eigene Darstellung und Berechnung nach: StBA und AOLG. tern aus. Spätestens 2025, wenn die ersten geburtenstarken Jahrgänge der B abyboomer das Rentenalter erreicht haben, werden die DRG haben Rettungspotenzial Pflegestellen nicht mehr in ausreichender Zahl be- oder nachbesetzt werden k önnen. Das Pflegebudget kann nicht dazu beitragen, Gleichzeitig wird die Nachfrage nach Gesund- den Pflegepersonalmangel zu beheben. Das heitsleistungen ansteigen. Alle Versuche, DRG-System hingegen kann so angepasst wer- Pf legepersonal im Ausland anzuwerben, den, dass es Anreize setzt, um die Problematik haben nicht zum erhofften Erfolg geführt. abzumildern. Die Ambulantisierung der DRG Anders ausgedrückt, die Zahl der Personal- ist ein denkbarer Weg. Dann aber muss poli- stellen fällt als Stellgröße zur Behebung des Pflegepersonalmangels aus. Dann ist nur noch Die Zahl der tisch entschieden werden, wer wann und wo ambulante Leistungen zu erbringen hat und ein Abwerben aus anderen Krankenhäusern oder anderen Bereichen wie der Altenpflege Pflegekräfte wie diese zu vergüten sind. Auch dem Anreiz zur Fallzahlsteigerung kann begegnet werden, möglich. Letztlich wird es aber nicht besser. hielt der Ent- wenn die Preise im DRG differenziert werden. Stellgrößen sind spätestens dann nur noch die Krankenhäuser befinden sich in ländlichen Leistungsmenge und -intensität. Dies bedeu- wicklung und städtischen Regionen. Sie kommen in tet, dass das Fehlbelegungspotenzial in den Krankenhäusern abgebaut werden muss. Die der Patienten der Basis- und der Schwerpunktversorgung zum Einsatz oder sind als Fachkrankenhäuser Verminderung der Krankenhausfallzahl muss mit einer Ambulantisierung einhergehen. zahlen nicht spezialisiert. Damit haben sie unterschiedli- che Vorhaltekosten und Leistungsmengen. Beide Aspekte binden weniger Pflegeperso- nal und verschlechtern die Versorgungsquali- stand. Berücksichtigt man dies in der DRG-Kalku- lation, so werden die Ungerechtigkeiten in der tät nicht, im Gegenteil. Hier liegt die Lösung, DRG-Vergütung beseitigt, die zum Fehlanreiz und nicht in einem illusorischen Wunschden- der Mengenausweitungen maßgeblich beige- ken, Pflegepersonal einzustellen, das es auf tragen haben. Eigentlich ganz einfach, wenn absehbare Zeit am Arbeitsmarkt nicht mehr da nicht die unterschiedlichen Interessen der geben wird. Beteiligten wären.
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