Thema Radikalisierung - 2 | 2018 - Schweizerische Kriminalprävention

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Thema Radikalisierung - 2 | 2018 - Schweizerische Kriminalprävention
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            Thema
 2 | 2018   Radikalisierung
Thema Radikalisierung - 2 | 2018 - Schweizerische Kriminalprävention
EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser

Die letzte Ausgabe des SKP                                 ­ inen neuen, innovativen Weg.
                                                           e
INFO thematisierte die Not­                                Die aus den Pilotprojekten
wendigkeit der interdisziplinä­                            gesammel­ten Erfahrungen
ren Zusammenarbeit z­ wischen                              sollen den Kantonen, Gemein­
verschiedenen Akteuren und                                 den und zivil­­gesell­schaft­
der Netzwerkbildung, um kom­                               lichen Organisationen in Zu­
plexe Situationen erfolgreich                              kunft als Grundlage für die

                                                      SKP
bewältigen zu können. Diese                                Ausge­­staltung und die Um­
Vorgehensweise spielt auch in der Prä­          setzung vielversprechender Gegen nar­­
vention von Radikalisierung und ge­             ra­tiv- oder Alter­nativnarrativprojekte
walttätigem Extremismus in all ihren            die­nen.
Formen eine essentielle Rolle: Ohne                  Unterschiedliche Formen von Radi­
die Zusammenarbeit auf Gemeinde-,              kalisierung und Extremismus kommen
Kantons- und Bundesebene, aber auch            auch im Gefängnis vor, deshalb inves­
den Miteinbezug der Bevölkerung lässt          tierte das Schweizerisches Kompetenz­
sich Radikalisierung nicht wirksam be­         zentrum für den Justizvollzug SKJV in
kämpfen. Aus diesem Grund wurde im             eine neue Weiterbildung, die das Per­
Dezember 2017 der Nationale Aktions­           sonal des Schweizerischen Justizvoll­
plan zur Verhinderung und Bekämpfung           zuges im Umgang mit Radikalisierung
von Radikalisierung und gewalt­tätigem         und gewalttätigem Extremismus sensi­
Extremismus verabschiedet.                     bilisieren soll.
       Gerne stellen wir Ihnen auf den               Einsteigen möchten wir in die Aus­
nächsten Seiten einige ausgewählte             gabe «Radikalisierung» aber mit der
Mass­     nahmen in Zusammenhang mit           Frage, wie sicher sich die Bewohnerin­
dem Nationalen Aktionsplan vor, die            nen und Bewohner der Schweiz im Jahr
bereits in der Planung oder Umsetzung          2017 gefühlt haben und wie gross ihre
sind. Eine detailliertere Ausführung           Angst vor allfälligen terroristischen
zu den Massnahmen und Zielen des               Anschlägen war.
­A k­tionsplans finden Sie ebenfalls in der          Wir danken den Autorinnen und
 vorliegenden Ausgabe.                         Autoren dieser Ausgabe an dieser
                                               ­
       Dass Kantone und Städte einen gros­     Stelle ganz herzlich für ihre interes­
                                               ­
 sen Beitrag leisten und bei der Verhin­       santen Beiträge und wünschen Ihnen,
 derung und Bekämpfung von Radika­             liebe Leserin und lieber Leser, viel          IMPRESSUM
 lisierung und gewalttätigem Extre­            ­Vergnügen bei der Lektüre.
                                                                                             Herausgeberin und Bezugsquelle
 mismus eine Vorreiterrolle einnehmen                                                        Schweizerische Kriminalprävention SKP
 können, zeigen beispielsweise die insti­                   Regierungsrat Isaac Reber        Haus der Kantone
                                                                                             Speichergasse 6
 tutionsübergreifende Arbeit des Kan­                       Präsident der Schweizerischen    Postfach
 tons Waadt sowie das Engagement des                                   ­Kriminalprävention   CH-3001 Bern
 Schweizerischen Städteverbands.                                                             info@skppsc.ch
       Das Portrait über die Fachstelle                                                      Tel. +41 31 320 29 50

 ­E x­tremismus und Gewaltprävention in                                                      Das SKP INFO 2 | 2018 ist als PDF-Datei zu finden
  Winterthur verdeutlicht das Potential                                                      unter: www.skppsc.ch/skpinfo. Es erscheint auch
                                                                                             in ­französischer und italienischer Sprache.
  der institutionalisierten interdisziplinä­
  ren Zusammenarbeit.                                                                        Verantwortlich		        Chantal Billaud,
                                                                                             		                      Geschäftsleiterin SKP a.i.
       Mit der Unterstützung von vier Pilot­
                                                                                             Übersetzungen F ADC, Vevey
  projekten zu «Gegennarrativen und
                                                                                                               I     Annie Schirrmeister, M
                                                                                                                                          ­ assagno
  alternativen Narrativen im Internet»
  ­
                                                                                             Layout		                Weber & Partner, Bern
  geht die nationale Plattform Jugend                                                        Druck		                 Vetter Druck AG, Thun
  und Medien des Bundesamts für Sozial­                                                      Auflage		               D: 1350 Ex. | F: 300 Ex. | I: 150 Ex.
  ver­ sicherungen (BSV) in der Radi­    ka­                                                 Erscheinungsdatum Ausgabe 2 | 2018, August 2018
  lisie­r ungsprävention bei Jugendlichen                                                    © Schweizerische Kriminalprävention SKP, Bern

2                    SKP INFO 2 | 2018
Thema Radikalisierung - 2 | 2018 - Schweizerische Kriminalprävention
RADIKALISIERUNG

Wie die Schweizer ­Be­völ­                                                           dieses Item von den insgesamt zehn
                                                                                     erfragten Bedrohungsformen auf dem

kerung den Terrorismus
                                                                                     zweitletzten Platz. 2015 wurde die
                                                                                     Eintretenswahrscheinlichkeit der Be­
                                                                                     ­
                                                                                     drohungsformen erneut befragt. Dabei
wahrnimmt                                                                            zeigte sich, dass die wahrgenommene
                                                                                     Eintrittswahrscheinlichkeit von Terror­
                                                                                     anschlägen statistisch signifikant zuge­
                                                                                     nommen hatte. 2015 hatte dieses Item
Auch in Zeiten erhöhter Bedrohung durch den                                          einen Mittelwert von 4.8 (+1.0) und be­
                                                                                     legte den vierten von elf erfragten Be­
Terrorismus ist die Schweiz immer noch eine                                          drohungsformen. Während der Daten­
«Insel der Glückseligen». Schweizerinnen und                                         erhebung (6. Januar bis 11. Februar
Schweizer haben grosses Vertrauen in die Polizei                                     2015) wurde am 7. Januar 2015 der

und ein hohes Sicherheitsempfinden.                                                  ­islamistisch motivierte Terroranschlag
                                                                                      auf die Redaktion der Satirezeitschrift
                                                                                      Charlie Hebdo verübt. Dieses Ereignis
                                                                                      könnte dazu geführt haben, dass
Nichtsdestotrotz wird die Bedrohung        zeigen die Resultate der Studienreihe      Schweizerinnen und Schweizer einen
durch Terrorismus als hoch einge­          «Sicherheit». Die Studienreihe «Sicher­    Terroranschlag als wahrscheinlicher
schätzt und Sicherheit gleich stark wie    heit» misst seit 1999 jährlich das aus­    als noch 2014 erachteten. Auch das im
Freiheit gewichtet, bei Terrorismus­       sen-, sicherheitspolitische und ver­       Mittel statisch signifikant gesunkene
gefahr gar höher. Aufgrund terroristi­     teidigungspolitische Meinungsbild der      allgemeine Sicherheitsempfinden könn­
scher Anschläge im Ausland hat 2017        Schweizer Stimmbevölkerung im Trend.       te dadurch beeinflusst worden sein
ein Drittel der Befragten ihr allgemei­    Zudem wird regelmässig das Sicher­         (Szvircsev Tresch et al. 2015, 84).
nes Reiseverhalten angepasst. Terro­       heitsempfinden und das Vertrauen in            Ausgehend von den fünf 2015 in
ristische Anschläge, die eine räumliche    Institutionen erhoben. Im langjährigen     Europa verübten terroristischen An­
                                                                                      ­
und zeitliche Nähe zur Schweiz haben       Schnitt zeigt sich, dass das Vertrauen     schlägen wird seit 2016 das subjektive
und während der Erhebungsperiode           in Behörden und Institutionen über­        Sicherheitsempfinden im öffentlichen
verübt wurden, führen dazu, dass sich      durchschnittlich hoch ist. Seit Jahren     Raum gemessen (s. Abbildung 1). Als
Befragte weniger sicher fühlen. Dies       vertraut die Schweizer Stimmbevölke­       öffentlichen Raum werden Sportanläs­
                                           rung der Polizei am meisten (Szvircsev     se, Konzerte und Bahnhöfe bezeichnet.
                                           Tresch et al. 2018, 88). Auch in der       Dabei sank das Sicherheitsempfinden
 Autoren                                   Schweiz ist Terrorismus ein alltagsprä­    im öffentlichen Raum statistisch signi­
                                           gendes und omnipräsentes Thema. Im         fikant zwischen 2016 und 2017. Dabei
 Thomas Ferst
                                           Rahmen dieses Artikels wird aufge­         dürften den Befragten bei der Daten­
 lic. phil. MAS in
 Criminology (LL.M.),                      zeigt, inwieweit sich der Terrorismus      erhebung der Studie «Sicherheit 2017»
 stellvertretender                         auf das Sicherheitsempfinden auswirkt.     im Januar 2017 die terroristischen An­
 Dozent Militärso­                                                                    schläge vom 22. März 2016 am Brüs­
 ziologie, Militäraka­                     Welchen Einfluss haben                     seler Flughafen und in der Brüsseler
 demie (MILAK) an                          terro­ristische Anschläge auf              Innenstadt und vor allem der Anschlag
 der ETH Zürich,
                                           uns?                                       auf den Berliner Weihnachtsmarkt am
 Projektleiter der
 Studie «Sicherheit»                       2014 wurde die Eintretenswahrschein­       19. Dezember 2016 präsent gewesen
                                           lichkeit von Bedrohungsformen erfragt.     sein. Unter Umständen kann der Rück­
 Tibor Szvircsev                           Dabei konnten Befragte die Eintretens­     gang des Sicherheitsempfindens im
 Tresch                                    wahrscheinlichkeit auf einer Skala von     öffentlichen Raum auf die räumliche
                                                                                      ­
 Dr. phil., Dozent                         1 bis 10, wobei 1 «überhaupt nicht         als auch zeitliche Nähe zur Schweiz zu­
 Militärsoziologie,                        wahrscheinlich» und 10 «sehr wahr­         rückzuführen sein (Ferst 2017, 557). Die
 Militärakademie                           scheinlich» bedeutet, einschätzen. Da­     Zahlen der aktuellen Studie «Sicherheit
 (MILAK) an der ETH
                                           bei bewerteten Schweizerinnen und          2018» zeigen, dass sich Befragte im
 Zürich, Herausge­
 ber der Studienrei­
                                           Schweizer die Wahrscheinlichkeit eines     öffentlichen Raum wieder signifikant
                                                                                      ­
                                           Terroranschlags 2014 als gering. Ran­      siche­rer fühlen (83%, +4% gegenüber
                                     zvg

 he «Sicherheit»
                                           giert nach dem Mittelwert (3.8) landete    2017). Während in Europa 2016 zehn

                                                                                     SKP INFO 2 | 2018                      3
Thema Radikalisierung - 2 | 2018 - Schweizerische Kriminalprävention
RADIKALISIERUNG

    «Wie sicher fühlen Sie sich an öffentlichen Orten, wo es viele Leute hat, zum Beispiel an Sportanlässen,
    Konzerten und Bahnhöfen?»

    (Angaben in
    (Angaben    Prozent)
             in Prozent)

´18 (1209)                               22                                                                                   61                     15

´17 (1209)                        17                                                                                    62                       18 2

´16 (1211)                               22                                                                                  59                     16 2

       sehr sicher                     eher unsicher                 Ich bin nie an öffentlichen Orten, wo es viele Leute hat.
       eher sicher                     ganz unsicher                 weiss nicht / keine Antwort                                              Si/398/18

Abbildung 1: Subjektive Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum

    «In letzter Zeit gab es immer wieder terroristische Anschläge im Ausland. Haben Sie deshalb Ihr Reiseverhalten
    in den letzten zwei Jahren verändert?»
    (Angaben in Prozent)

´17 (1209)           6                             23                                                                               58                    13

                  29% (349 Befragte) haben ihr                                ja, sehr                      nein
                  Reiseverhalten aufgrund des                                 ja, ein wenig                 nein, ich reise nicht
                     Terrorismus verändert.

    «Sie haben Ihr eigenes Reiseverhalten verändert. Bitte geben Sie an, welche Aussage für Sie sehr zutrifft, eher
    zutrifft, eher nicht zutrifft oder gar nicht zutrifft.»
    (Angaben in Prozent)

    «Wegen dem Terrorismus beachte ich für meine
    Reisen die Reisehinweise vom Bund.»                           ´17 (349)                                        52                    32     7     7

    «Wegen dem Terrorismus meide ich Länder, wo vor
                                                                  ´17 (349)                                 41                      34          18        6
    kurzem terroristische Anschläge verübt worden sind.»
    «Wegen dem Terrorismus bleibe ich in Europa.»
                                                                  ´17 (349)              16                 24               23                       36

    «Wegen dem Terrorismus habe ich Angst, in
                                                                  ´17 (349)      7                   28                       32                      32
    Grossstädte zu reisen.»
    «Wegen dem Terrorismus mache ich nur noch Ferien
                                                                  ´17 (349)          8            21                                                  66
    in der Schweiz.»
    «Wegen dem Terrorismus vermeide ich Zugreisen.»
                                                                  ´17 (349)      6              21                                                    70

         trifft sehr zu                    trifft eher nicht zu               weiss nicht / keine Antwort
         trifft eher zu                    trifft gar nicht zu                                                                                Si/403/17

Abbildung 2: Veränderung des Reiseverhaltens

4                          SKP INFO 2 | 2018
Thema Radikalisierung - 2 | 2018 - Schweizerische Kriminalprävention
RADIKALISIERUNG

terroristische Anschläge verübt wur­         Daneben zeigte sich 2017 auch, dass                  teren wurde das spezifisch angepasste
den, wurden 2017 sieben Anschläge            terroristische Anschläge das generelle               Reiseverhalten genauer untersucht. Von
­registriert (NZZ, 2017). In diesem Zu­      Reiseverhalten der Schweizer Stimm­                  denjenigen Befragten, welche das Rei­
 sammenhang wird der Begriff der             bevölkerung beeinflussen (s. Abbildung               severhalten generell angepasst h
                                                                                                                                 ­ aben,
 gesellschaftlichen Resilienz verwen­
 ­                                           2). Im Jahr 2017 gaben 29% der Befrag­               beachten 84% die Reisehinweise des
 det: Menschen gewöhnen sich rasch an        ten an, aufgrund terroristischer An­                 Bundes und 75% geben an, Länder zu
 neue Situationen und passen ihre Ge­        schläge im Ausland ihr Reiseverhalten                meiden, in welchen vor kurzem terro­
 wohnheiten und Tagesabläufe entspre­        in den vergangenen zwei Jahren ange­                 ristische Anschläge verübt wurden.
 chend an. Am 18. August 2017 wurde in       passt zu haben. Dabei haben Personen,                Weitere 40% bleiben aufgrund des
 Barcelona der letzte «erfolgreich» ver­     welche sich im öffentlichen Raum und                 ­Terrorismus in Europa und 35% haben
 übte terroristische Anschlag in Form        im Allgemeinen unsicherer fühlen und                  Angst, Grossstädte zu bereisen. 12%
 einer Messerattacke in Europa vor der       sich vor Kriminalität fürchten, ihr gene­             machen nur Ferien in der Schweiz
 Datenerhebung der Studie «Sicherheit        relles Reiseverhalten in den letzten                  und 7% meiden deswegen Zugreisen.
 2018» verzeichnet (Szvircsev Tresch et      beiden Jahren aufgrund terroristischer                (Szvircsev Tresch et al. 2017, 115ff.;
                                                                                                   ­
 al. 2018, 82).                              Anschläge häufiger angepasst. Im Wei­                 Ferst 2017, 557).

  «Wie stehen Sie zu folgenden Aussagen zum Staat und zur Politik?»
  (Angaben in Prozent)

  «Der Staat sollte die Sicherheit seiner              ´18 (1209)      13                                  43 56
  Bürgerinnen und Bürger garantieren, auch wenn        ´16 (1211)     12                                   43 55
  dies auf Kosten der persönlichen Freiheit geht.»
                                                       ´07 (1200)     11                             37 48
                                                       ´04 (1200)     11                          30 41
                                                       ´02 (1201)           18                     25 43
  «Wenn ich wählen müsste, so wäre mir meine           ´18 (1209)          16                              39 55
  persönliche Freiheit letztlich wichtiger als meine   ´16 (1211)          15                              40 55
  persönliche Sicherheit.»
                                                       ´08 (1200)                     27                    32 59
                                                       ´07 (1200)           19                              40 59
                                                       ´04 (1200)               22                          36 58
  «Für unsere Sicherheit ist es wichtig, dass wir      ´18 (1209)           19                                 45 64
  den Terrorismus mit allen Mitteln bekämpfen,         ´16 (1211)               21                                 45 66
  auch wenn dabei unsere persönliche Freiheit
  eingeschränkt werden muss.»                          ´13 (1200)                     27                           39 66
                                                       ´12 (1200)                      30                          38 68
                                                       ´11 (1209)                          32                         40 72
                                                       ´08 (1200)                     29                      32 61
                                                       ´07 (1200)                      30                      33 63
                                                       ´06 (1200)                      30                      34 64
                                                       ´05 (1200)               20                     31 51
                                                       ´04 (1200)                23                         36 59
                                                       ´03 (1202)                            36                    30 66

       sehr einverstanden
       eher einverstanden                                                                                                      Si/712/18

Abbildung 3: Spannungsverhältnis Freiheit versus Sicherheit allgemein und in Bezug zu Terrorismus

                                                                                                  SKP INFO 2 | 2018                        5
Thema Radikalisierung - 2 | 2018 - Schweizerische Kriminalprävention
RADIKALISIERUNG

Bei der Terrorismusbekämp­                   allen Mitteln bekämpfen, auch wenn         zer unterstützen die Aussage, dass es
fung ist Sicherheit wichtiger                dabei unsere persönliche Freiheit ein­     «trotz aller Sicherheitsvorkehrungen
als Freiheit                                 geschränkt werden muss».                   keine hundertprozentige Sicherheit
In unregelmässigen Abständen wird                                                       gibt und wir daher lernen müssen mit
auch das Spannungsverhältnis zwi­            Einstellungen zu Terrorismus               der Restunsicherheit zu leben». Für
schen Freiheit und Sicherheit unter­         Seit 2016 wird die Einstellung zur ver­    69% der Befragten führen «bessere
sucht (siehe Abbildung 3). Im Allge­         stärkten Terrorismusbekämpfung mit         Bildungs­chancen» zu weniger Terroris­
meinen zeigt sich hier eine gewisse          der Frage «Für unsere Sicherheit ist       mus. 62% der Befragten unterstützen
Ambivalenz. Aktuell stimmen 56%              es wichtig, dass wir den Terrorismus       die Ansicht, dass «terroristische An­
(+1% gegen­über 2016) zu, dass Sicher­       stärker als bisher bekämpfen» erfragt.     schläge verhindert werden können,
heit wichtiger als Freiheit sei und für      2018 liegt die Zustimmung unverändert      wenn unsere Sicherheitsvorkehrungen
55% (±0% gegenüber 2016) ist die Frei­       hoch bei 89% (±0%). Daher wurde im         erhöht werden». Für 52% der Befragten
heit dann doch letztlich wichtiger. Im       Rahmen der Studie «Sicherheit 2018»        führt eine «gerechtere Einkommens­
Kontext des Terrorismus zeigt sich           die allgemein gehaltene Frage vertieft     verteilung» zu weniger Terrorismus.
allerdings, dass 64% (-2% gegenüber
­                                            und sechs Vorgaben konzipiert. Gegen­      Eine Minderheit von 37% teilt die Auf­
2016) der Befragten der Aus­  sage zu­       über dem Terrorismus haben Befragte        fassung, dass der «Terrorismusbekämp­
stimmen «Für unsere Sicher­­heit ist es      eine differenzierte Meinung. 93% der       fung heutzutage viel zu viel Aufmerk­
wichtig, dass wir den Terrorismus mit        befragten Schweizerinnen und Schwei­       samkeit geschenkt wird». Eine klare

    Ansichten über die Bekämpfung von Terrorismus
    (Angaben in Prozent)

    «Weil es trotz aller Sicherheitsvorkehrungen keine
    hundertprozentige Sicherheit gibt, müssen wir
                                                       ´18 (1209)                      50                    43 93
    lernen mit der Restunsicherheit zu leben.»

    «Wenn alle Menschen bessere Bildungschancen
    hätten, dann hätten wir weniger Terrorismus auf                            34                35 69
                                                       ´18 (1209)
    der Welt.»

    «Terroristische Anschläge können verhindert
    werden, wenn unsere Sicherheitsvorkehrungen                          17                  45 62
                                                       ´18 (1209)
    erhöht werden.»

    «Wenn das Einkommen gerechter verteilt wäre,
    dann hätten wir weniger Terrorismus auf der        ´18 (1209)         21            31 52
    Welt.»

    «Der Terrorismusbekämpfung wird heute viel zu
    viel Aufmerksamkeit geschenkt.»                    ´18 (1209)   10          27 37

    «Wenn Moscheen stärker überwacht werden
    würden, könnten terroristische Anschläge           ´18 (1209)   10         25 35
    verhindert werden.»

         sehr einverstanden
         eher einverstanden                                                                                          Si/918/18

Abbildung 4: Einstellung zu Terrorismus

6                    SKP INFO 2 | 2018
Thema Radikalisierung - 2 | 2018 - Schweizerische Kriminalprävention
RADIKALISIERUNG

Minderheit (35%) ist der Meinung, dass       rinnen und Schweizer sicher, da sie       ­ efragte fast einstimmig dahingehend
                                                                                       B
«terroristische Anschläge durch eine         grosses Vertrauen in die Polizei haben    einig, dass es aller Sicherheitsvor­
                                                                                       ­
stärkere Überwachung von Moscheen            und eine Mehrheit von der Wirksamkeit     kehrungen zum Trotz «keine hundert­
verhindern werden könnten».                  erhöhter Sicherheitsvorkehrungen zur      prozentige ­Sicherheit gibt und wir da­
                                             Verhinderung terroristischer Anschläge    her mit der Restunsicherheit leben
Fazit                                        überzeugt ist. Ausserdem sind sich        müssen».
Trotz des Bedrohungs- und Gewalt­
potenzials des Terrorismus fühlen sich
Schweizerinnen und Schweizer nach             Datengrundlage                            Literaturangaben
wie vor sehr sicher. Das allgemeine                                                     Ferst, Thomas (2017). Sichere
Sicherheitsempfinden verharrt 2018
­                                             Die Daten der jährlich erscheinen­        Schweiz versus unsichere Welt und
auf sehr hohem Niveau. Aktuell fühlen         den Studie «Sicherheit» werden            angepasstes Reiseverhalten. KRIMI­
sich sogar signifikant mehr Befragte im       durch telefonische Interviews erho­       NALISTIK Nr. 8–9, 2017, 557–558.
öffentlichen Raum sicher. Seit Jahren         ben. Die Stichprobenziehung erfolgt
ist das Vertrauen in die Polizei unge­        nach dem Random-Quota-Verfahren.          Neue Zürcher Zeitung (2018).
brochen hoch. Wer der Polizei vertraut,       Dabei wird die Stichprobe (Umfang         ­Terror­anschläge in Europa seit 2015,
fühlt sich im Allgemeinen und im öffent­­     N=1200 Befragte) anhand der Vor­           16.2.2018. https://www.nzz.ch/­
lichen Raum sicher.                           gaben des Bundesamts für Statistik         international/chronik-terrorismus-
    Die repräsentativen Umfragedaten          nach Geschlecht, Region und Alter          anschlaege-gegen-­europaeer-seit-
zeigen, dass das Sicherheitsempfinden         zufällig ausgewählt. Da die ver­  ge­      charlie-hebdo-­ld.­9262
der Schweizerinnen und Schweizer durch        benen Quoten eingehalten wur­    den,
terroristische Anschläge beeinflusst          ist die Stichprobe repräsentativ für      Szvircsev Tresch, Tibor; Wenger,
wird. Da das allgemeine Sicherheits­          die Schweizer Stimmbevölkerung.           Andreas; Ferst, Thomas; Pfister,
empfinden nach der generellen Befind­         Generell liegt bei den Befragungen        Sabrina; Rinaldo, Andrea (2015).
lichkeit der persönlichen Sicherheit fragt    der mögliche Stichprobenfehler bei        ­Sicherheit 2015. Aussen-, Sicher-
und seit Jahren sehr stabil ist, kann an­     einem Sicherheitsgrad von 95% im           heits- und Verteidigungspolitische
genommen werden, dass terroristische          ungünstigsten Fall bei ±2.8%. Das          Meinungsbildung im Trend. Center
Anschläge dieses weniger tangieren.           heisst, ein von uns gemessener Wert        for Security Studies, ETH Zürich und
Insbesondere wenn sich ein terroristi­        von 50% für X gehört mit einer Wahr­       Militärakademie an der ETH Zürich.
scher Anschlag während des Erhe­              scheinlichkeit von 95% zur Grundge­
bungszeitpunkts ereignet, dürfte dies         samtheit (Schweizer Stimm­bevöl­ke­         Szvircsev Tresch, Tibor; Wenger,
dazu führen, dass Befragte einen An­          rung), bei der die Häufigkeit von X         Andreas; De Rosa, Stefano; Ferst,
schlag als wahrscheinlicher erachten.         zwischen 47.2% und 52.8% liegt. Die         Thomas; Moehlecke de Baseggio,
    Sofern terroristische Anschläge eine      Studienreihe «Sicherheit» wird in           Eva; Schneider, Olivia; Scurrell,
geringe räumliche und zeitliche Distanz       Zusammenarbeit zwischen der Mili­          ­Jennifer Victoria (2017). Sicherheit
zur Schweiz haben, dürften sie eben­          tärakademie (MILAK) an der ETH              2017. Aussen-, Sicherheits- und
falls zum Sinken des Sicherheits­emp­         Zürich und dem Center for Security        ­Verteidigungspolitische Meinungs­
finden im öffentlichen Raum beitragen.        Studies, ETH Zürich erstellt. In be­        bildung im Trend. Center for Security
Aufgrund terroristischer Anschläge hat        währter Weise wird vor der statisti­        Studies, ETH Zürich und Militär­
ein Drittel der Schweizerinnen und            schen Auswertung der Fragen durch           akademie an der ETH Zürich
Schweizer 2017 ihr Reise­verhalten ge­        die Dozentur Militärsoziologie an der
nerell angepasst. Während im Allge­           Militärakademie (MILAK) an der ETH        Szvircsev Tresch, Tibor; Wenger,
meinen Befragte Freiheit und Sicher­          Zürich eine «Chronologie potenziell       Andreas.; De Rosa, Stefano;
heit gleich stark gewichten, zeigt sich       meinungsbildender Ereignisse» des         Ferst, Thomas; Giovanoli, Mauro,
in Bezug auf Terrorismus, dass Sicher­        Vorjahres vorangestellt. Sie wird         ­Moehlecke de Baseggio, Eva;
heit höher als Freiheit gewichtet wird.       vom Direktor des Center for Security       Schneider, Olivia; Scurrell, Jennifer
Das Antwortverhalten zu den Ansichten         Studies, ETH Zürich verfasst und           Victoria (2018). Sicherheit 2018 –
des Terrorismus kann dahingehend              soll helfen, die Resultate entspre­        Aussen-, Sicherheits- und Verteidi-
interpretiert werden, dass Schweize­
­                                             chend einzuordnen.                         gungspolitische Meinungsbildung
rinnen und Schweizer sich stärker für         Die Studienreihe kann hier im Internet     im Trend. Militärakademie (MILAK)
eine U­ rsachen- als eine Symptom­     be­    heruntergeladen werden                     an der ETH Zürich und Center for
                                              http://www.css.ethz.ch/publikationen/­     ­Security Studies, ETH Zürich
kämpfung aussprechen. Auch in un­             studie-sicherheit.html
sicheren Zeiten fühlen sich Schweize­

                                                                                       SKP INFO 2 | 2018                          7
RADIKALISIERUNG

Prävention von Radika­li­                                                                gewählt, mit welcher Akteurinnen und
                                                                                         Akteure aus verschiedenen Bereichen

sierung und gewalttätigem
                                                                                         ihre Anliegen einbringen konnten. Im
                                                                                         interdisziplinären Austausch und in
                                                                                         ­A rbeitsgruppen mit Vertreterinnen und
Extremismus als ­inter­­                                                                  Vertretern der lokalen, kantonalen und
                                                                                          nationalen Ebene sowie mit ausgewähl­

disziplinäre Verbundsaufgabe                                                              ten Personen aus der Zivilgesellschaft
                                                                                          wurden unter der Leitung des Delegier­
                                                                                          ten des Sicherheitsverbund Schweiz
                                                                                          konkrete Vorschläge in Form von Mass­
Radikalisierung möglichst frühzeitig erkennen und                                         nahmen ausgearbeitet; validiert wur­
bekämpfen. Dies ist das Ziel des Nationalen                                               den sie von der tripartiten Begleit­
                                                                                          gruppe. Der Nationale Aktionsplan
Aktionsplans zur Verhinderung und Bekämpfung                                              richtet sich denn auch an die politi­
von Radikalisierung und gewalttätigem                                                     schen Behörden aller drei Staatsebe­
Extremismus (NAP), den Bund, Kantone, Städte                                              nen sowie an operativ tätige Behörden

und Gemeinden Ende 2017 gemeinsam erarbeitet                                              und an die Zivilgesellschaft. Er stellt
                                                                                          eine Auswahl von Empfehlungen dar,
und verabschiedet haben.                                                                  welche geeignet sind, Radikalisierung
                                                                                          und gewalttätigen Extremismus in all
                                                                                          seinen Formen und im Einklang mit den
Die 26 Massnahmen, die in fünf Hand­          und die terroristische Bedrohung in der     Grund- und Menschenrechten zu ver­
lungsfelder unterteilt sind, basieren auf     Schweiz bleibt angesichts der in den       hindern und zu bekämpfen.
den zentralen Grundsätzen der inter­          letzten Monaten in Europa stattgefun­
disziplinären Zusammenarbeit und              denen Angriffe erhöht (vgl. Lagebericht    Handlungsfelder und
dem Einbezug der Zivilgesellschaft.           des Nachrichtendienstes des Bundes         ­Grundsätze
Diese Prinzipien finden entsprechend          von 2018). Der Bundesrat hat vor die­      Insgesamt umfasst der Nationale Ak­
auch Anwendung bei der Umsetzung,             sem Hintergrund deshalb die Strategie      tio­ns­
                                                                                               plan 26 Massnahmen, die inter­
für welche die im Aktionsplan definier­       der Schweiz zur Terrorismusbekämp­         dependent sein können und in folgende
ten Behörden in Zusam­men­arbeit mit          fung 2015 verabschiedet. Diese Strate­     fünf Handlungsfelder eingeteilt sind:
zivilgesellschaftlichen ­Organisationen       gie wird seither Schritt für Schritt um­   1. Wissen und Expertise
verantwortlich sind. Die N­ ationale Ko­      gesetzt. Sie umfasst vier Handlungs­       2. Zusammenarbeit und Koordination
ordinationsstelle und das auf fünf Jahre      felder: Prävention, Repression, Schutz     3. Verhinderung von extremistischem
befristete Impulsprogramm des Bun­            und Krisenvorsorge. Zusammen mit der          Gedankengut und Gruppierungen
des wirken dabei unterstützend mit.           Bestandsaufnahme von Präventions­          4. Ausstieg und Reintegration
                                              massnahmen zur Verhinderung von            5. Internationale Zusammenarbeit.
Kontext                                       ­Radikalisierung des Sicherheitsverbunds
Das Phänomen von Radikalisierung und           Schweiz vom 6. Juli 2016, den drei        Nachfolgend werden einige Massnah­
gewalttätigem Extremismus hat sich in          Berichten der Task-Force TETRA und
                                               ­                                         men vorgestellt, welche die zentralen
den letzten Jahren für sehr viele Län­         dem Aussen­politischen Aktionsplan der    Grundsätze der interdisziplinären Koope­
der, auch für die Schweiz, zu einer der        Schweiz zur Prävention von gewalttäti­    ration und des Einbezugs der Zivilge­
grössten Herausforderung entwickelt,           gem Ex­tre­­mismus des Eidgenössischen    sellschaft illustrieren.
                                               Departements für auswärtige Angele­
                                               genheiten vom April 2016 ist der Natio­   Massnahmen des Nationalen
    Autorin                                    nale Aktionsplan Teil der Umsetzung       Aktionsplans
     Janine                                    dieser Strategie; er ist dem Handlungs­   Zusammenarbeit und Koordination
    ­Aeberhard                                 feld der Prävention zuzuordnen.           Das Prinzip der interdisziplinären Zu­
    Wissenschaftliche                                                                    sammenarbeit sorgt für die Vernetzung
    Mitarbeiterin                             Erarbeitung des Nationalen                 der relevanten Akteurinnen und Akteu­
    Sicherheitsverbund
                                              Aktionsplans                               re und erleichtert das gemeinsame
    Schweiz (SVS)
                                              Für die Erarbeitung des Aktionsplans       Vorgehen. Dies setzt einen raschen und
                                        zvg

                                              wurde eine B
                                                         ­ ottom-up-Vorgehensweise       koordinierten Informations- und Erfah­

8                        SKP INFO 2 | 2018
RADIKALISIERUNG

                                           tons, einer Gemeinde oder einer Stadt,     len. Diese Massnahmen sollten bei
                                           eine solche Stelle bezeichnet wird, die    r adikalisierten Personen im Strafver­
                                                                                      ­
      Nationaler Aktionsplan               den lokalen Behörden oder betroffenen      fahren, im Strafvollzug (einschliesslich
      zur Verhinderung
                                           Personen und Angehörigen für Bera­         Bewährung) oder auch ausserhalb zur
      und Bekämpfung
      von Radikalisierung                  tung und zur Vermittlung von Wissen        Anwendung kommen. Dabei sind den
      und gewalttätigem                    zur Verfügung steht. Eine solche Stelle    unterschiedlichen Bedürfnissen und
      Extremismus                          kann bei unterschiedlichen Behörden        Anforderungen von Kindern und Er­
      4. Dezember 2017                     angesiedelt sein. Wichtig ist jedoch,      wachsenen Rechnung zu tragen (Mass­
                                           dass diese Stellen gut vernetzt sind,      nahme 21 a und b).
                                           damit je nach Problematik die Anfrage          Bei der Umsetzung der verschie­de­
                                           an die entsprechende Stelle bzw. Fach­     nen Ausstiegs- und Reintegrations­
                                           person weitergeleitet werden kann.         mass­­­
                                                                                            nahmen muss sich die lokale
                                                                                      ­Ebene dabei auf nationales und inter­
                                           Wissen und Expertise                        nationales Expertenwissen sowie auf
                                           Für Fachpersonen aus dem Erzie­             wissen­schaft­­liche Studien zu dieser
                                           hungs-, Sozial- und Jugendbereich so­       Thematik stützen können. Zu diesem
                                           wie für die Polizei und das Personal des    Zweck soll ein nationaler Expertenpool
Der NAP präsentiert eine Auswahl an        Justizvollzugs sind geeignete Aus- und      eingerichtet werden, der den Behör­
­geeigneten Massnahmen in der              Weiterbildungen anzubieten, damit sie       den/Vollzugs­instanzen einen Referenz­
 ­Ver­hinderung und Bekämpfung von         Zeichen einer Radikalisierung früh­        rahmen bietet sowie das nötige Fach­
  ­Radikalisierung und gewalttätigem       zeitig erkennen und entsprechend han­      wissen bereitstellt und dabei auch die
   ­Extremismus in all seinen Formen. ­    deln können (Massnahme 2). Diese           geschlechtsspezifischen Unterschiede
www.svs.admin.ch > Dokumentation           Empfehlung schliesst auch die Zivilge­     berücksichtigt. Die Expertinnen und
                                           sellschaft mit ein. Denn ihr Einbezug      Experten verfügen über das erfor­der­
                                           und ihre Unterstützung ist von grosser     liche Wissen, um die mit der Reinte­
                                           Bedeutung, weil ihre Mitwirkung und        gration von radikalisierten Personen
rungsaustausch (vertikal und horizon­      Mitbestimmung positive Entscheide          beauftragten Behörden/Instanzen zu
tal) zwischen den verschiedenen zu­        unterstützen, das gesellschaftliche
                                           ­                                          unter­­stützen und zu beraten. Fachper­
ständigen Instanzen voraus. Die Mass­      Zusammengehörigkeitsg­efühl stärken        sonen aus dem z­ivilgesellschaftlichen
nahme 15 im Aktionsplan sieht deshalb      und Ängste, Unsicher­   heiten und Dis­    Bereich, die über entsprechende Kom­
die Regelung dieses Informationsaus­       kriminierungstendenzen mildern oder        petenzen verfügen, sollen ebenfalls als
tausches zwischen den Behörden, res­       diese gar abbauen. Folglich sollten        Expertin/als Experte fungieren (Mass­
pektive die Schaffung der dafür not­       Verantwortliche von Sport-, Kultur-,       nahme 24).
wendigen Gesetzesgrundlage vor.            und Freizeitvereinen durch ihre natio­
    Eine weitere Empfehlung hat den        nalen Verbände oder von ­    kantonalen    Umsetzung des Nationalen
Aufbau eines behörden- und institu­        und kommunalen Behörden zur The­           Aktionsplans
tions­­übergreifenden kantonalen Be­dro­   matik mittels Information und Schulung     Die Implementierung der im Aktions­
hungs­­­managements zum Gegenstand.        sensibilisiert werden (Massnahme 5).       plan enthaltenen Massnahmen erfolgt
Es soll ermöglichen, dass das Ge­                                                     ebenfalls auf der Grundlage der er­
fährdungs­potenzial von Personen oder      Ausstieg und Reintegration                 läuterten Prinzipien. Denn nur im inter­
Grup­  pen, die der Polizei bereits be­    Für den Umgang mit radikalisierten         disziplinären Verbund von staatlichen
kannt sind, frühzeitig erkannt wird.       Personen ist eine interdisziplinäre Zu­    und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen
Geeignete In­
­              strumente sollen erlau­     sammenarbeit ebenfalls unabdingbar,        und Akteuren kann dieses Phänomen
ben, das Gefährdungspotenzial richtig      wie die beiden folgenden Massnahmen        frühzeitig verhindert und diesem effi­
einzuschätzen und mit geeigneten           verdeutlichen.                             zient begegnet werden, respektive die
Mass­  nahmen zu entschärfen (Mass­            Ein Referenzkatalog mit möglichen      Wiedereingliederung von radikalisier­
nahme 14).                                 Massnahmen (einschliesslich Zuständig­     ten Personen in die Gesellschaft gelin­
    Zentral für die Früherkennung von      keiten und Verfahren zur Zusammen­         gen.
Radikalisierung sind zudem Fach- und       arbeit) nach interdisziplinärem Ansatz         Bereits existierende Massnahmen,
Beratungsstellen, die das Umfeld be­       wird empfohlen: Massnahmen, die einer­     Programme und Initiativen der uni­     ­
raten und gezielt intervenieren. Die       seits in den forensisch-psychiatrisch/     versellen, selektiven und indizierten
Massnahme 10 sieht deshalb vor, dass       psychologischen und andererseits in        Prävention in den Bereichen Bildung,
je nach Grösse und Funktion eines Kan­     den sozialpädagogischen Bereich fal­       S ozia­
                                                                                      ­     l es, Integration, Gewalt- und

                                                                                      SKP INFO 2 | 2018                     9
RADIKALISIERUNG

­ riminalprävention sowie Anti-Diskri­
K                                          Bemühungen zudem durch das Natio­          tiert und Informationen für die Bevölke­
minierung sind dabei weiterzuführen,       nale Impulsprogramm und durch die          rung auf der Internetseite ch.ch und
stärker zu verbreiten und mit den          Nationale Koordinationsstelle.             www.svs.admin.ch bereitstellt.
Massnahmen des Nationalen Aktions­
plans zu ergänzen.                         Nationale Koordinations­stelle             Nationales Impulsprogramm
    Welche Empfehlungen des Nationa­       Die Nationale Koordinationsstelle för­     Mit dem auf fünf Jahre befristeten
len Aktionsplans wie und in welchem Um­    dert die Vernetzung zwischen den zu­       ­Impulsprogramm ermöglicht der Bund
fang umgesetzt werden, liegt schliess­     ständigen Akteurinnen und Akteuren         eine finanzielle Unterstützung von
lich in der Entscheidungs­    kompetenz    von allen Staatsebenen und der Zivil­       neuen sowie bestehenden Projekten,
                                                                                       ­
der zuständigen Behörden. Denn die         gesellschaft wie diese im Rahmen der       die von der kantonalen und kommu­
Anforderungen und die Bedürfnisse so­      gemeinsam mit der Schweizerischen          nalen Ebene sowie der Zivilgesellschaft
wie die Strukturen und die Ressourcen      Kriminalprävention organisierten T
                                                                            ­ agung   initiiert werden mit dem Ziel, einen
sind je nach Region unterschiedlich        für Fachpersonen zum Thema Verhin­         Beitrag zur Umsetzung der im Natio­
vorhanden und ausgestaltet. Zugleich       derung und Bekämpfung von Radika­          nalen Aktionsplan enthaltenen Mass­
ist der politische Rückhalt unabdingbar.   lisierung und gewalttätigem Extre­         nahmen zu leisten. Sie sollen insbe­
Dies einerseits für die breite Abstüt­     mismus vom 14. November 2018 mög­          sondere der Sensibilisierung, Informa­
zung und Legitimierung der Arbeit der      lich sein wird. Des Weiteren ist sie für   tion, Wissensvermittlung, Beratung
zuständigen Stellen und anderseits für     den Wissens- und Erfahrungstransfer        und Weiterbildung dienen. Bei Mass­
die Finanzierung von Mitteln zur Imple­    zuständig, indem sie Fachpersonen          nahmen der Zivilgesellschaft wird eine
mentierung der notwendigen Massnah­        über Literatur, Konzepte, Broschüren,      enge Abstimmung mit den Behörden
men. Verstärkt werden die regionalen       Weiterbildungsveranstaltungen orien­       vorausgesetzt.

 Finanzhilfen für Massnahmen zur Verhinderung und ­Bekämpfung von Radikali­sierung
 und gewalttätigem ­Extremismus
 Der Bund kann im Rahmen der Umset-        • Ihr Projekt oder Programm muss           • Informationen zur Projekt­organisation
 zung des NAP Massnahmen in Form              bereits zu mindestens 50 Prozent
 von Projekten und Programmen von            ­finanziert sein. Die vom Bund geleis­   Formulare mit den Anforderungskri­
 Kantonen, Gemeinden, Städten und der         tete Unterstützung beträgt maximal      terien für die Einreichung von Ge­
 Zivilgesellschaft mit einem Impulspro-       50 Prozent der gesamten Ausgaben.       suchen können beim Sicherheitsver­
 gramm unterstützen, die die Verhinde-     • Die Gesuche müssen bestimmten            bund Schweiz bezogen werden: www.
 rung und Bekämpfung von Radikalisie-         Vorgaben entsprechen (siehe ins­
                                                                                      svs.admin.ch. Die erste Eingabefrist ist
 rung und gewalttätigem Extremismus           besondere Artikel 2–4, 7 und 8 der
                                                                                      der 30. September 2018. Da der Bund
 in all seinen Formen zum Ziel haben.         Verordnung und Erläuterungen)
                                                                                      finanzielle Beiträge ab 2019 bis 2023
 Die Projekte und Programme sollen         • Richtlinien
                                                                                      sprechen kann, wird die Eingabe von
 insbesondere der Sensibilisierung, In-    • Budgetbeispiel
                                                                                      Gesuchen auch in den Jahren 2019
 formation, Wissensvermittlung, Bera-      • Raster für den Schlussbericht
                                                                                      bis 2022 möglich sein. Die nächste
 tung und Weiterbildung dienen. Bei
                                                                                      Ausschreibung ist voraussichtlich im
 Massnahmen der Zivilgesellschaft wird     Ihr vollständiges Dossier ­enthält:
                                                                                      Frühling 2019.
 eine enge Abstimmung mit den Behör-       • Gesuchsformular
 den vorausgesetzt.                        • Budget für das Projekt
     Organisationen des öffentlichen und   • Budget der Trägerschaft für das          Kontakt
 privaten Rechts mit Sitz in der Schweiz      ­l aufende Jahr sowie Budget und        Sicherheitsverbund Schweiz
 können für die Ersuchung um finan­            ­Finanzplan für die Folgejahre         Frau Janine Aeberhard
 zielle Unterstützung ein Gesuch beim      • Kopie der geltenden Statuten der         Tel. 058 464 43 17
 Sicherheitsverbund Schweiz einreichen.      ­gesuchstellenden Trägerschaft           janine.aeberhard@gs-vbs.admin.ch
                                           • Aktueller Kontoauszug oder letzter
 Gesuche                                        Jahres- bzw. Geschäftsbericht der     Bundesamt für Polizei fedpol
 Möchten Sie ein Gesuch einreichen,             gesuchstellenden Trägerschaft         Herr Philippe Piatti
 dann beachten Sie bitte die nachste-      • Einzahlungsschein der gesuch­            Tel. 058 464 16 74
 henden Punkte:                                 stellenden Trägerschaft               philippe.piatti@fedpol.admin.ch

10                 SKP INFO 2 | 2018
RADIKALISIERUNG

Prävention von Radika­li­sie­                                                             nur gegen den islamistischen Extre­
                                                                                          mismus richtet. Extreme Verhaltens­

rung und gewalt­tätigem
                                                                                          weisen können verschiedene Formen
                                                                                          annehmen, und es werden alle Aus­
                                                                                          wüchse, mit denen ­unsere Gesellschaft
Extremismus                                                                               konfrontiert sein kann, ins Visier ge­
                                                                                          nommen. Der Begriff der Radikalisie­
                                                                                          rung wird zudem ausgehend von seiner
Der Kanton Waadt hat vor Kurzem ein kantonales                                            Definition im Nationalen Aktionsplan
                                                                                          zur Verhinderung und Bekämpfung von
Dispositiv zur Prävention von Radikalisierung und                                         ­Radikalisierung und gewalttätigem Ex­
gewalttätigem Extremismus eingeführt. Es um­                                               tremismus ausgelegt. Darin steht, dass
fasst ein Online-Kontaktformular und eine Hotline,                                         die Radikalisierung ein Prozess ist,
                                                                                           «bei dem eine Person immer extreme­
die der Bevölkerung an sieben Tagen der Woche                                              re politische, soziale oder religiöse Be­
zur Verfügung steht.                                                                       strebungen annimmt, allenfalls bis hin
                                                                                           zum Einsatz von ex­tremer Gewalt, um
                                                                                           ihre Ziele zu er­reichen». Zwei Formen
                                                                                           der Radikali­   sierung sind besonders
   En cas d’inquiétudes en raison du                                                       ­aktuell und können hier hervorgehoben
   comportement de l’une ou l’autre                                                         werden: die gewaltbereite politische
   de vos proches qui peut laisser
   penser à un rapprochement avec                                                           und die gewaltbereite religiöse Radika­
   des individus ou des idéologies                                                          lisierung. Beide erklären den Rückgriff
   menant à la violence.                         Utiliser un formulaire de contact
                                                 sur le site internet
                                                                                            auf Gewalt für rechtmässig und können

                                                 www.vd.ch/                                 in ­allen politischen Bewegungen und
                                                                                            allen Religionen vorkommen.
                                                 radicalisations                                 Der Alltag zeigt, dass die Bevölke­
                                                 ou envoyer un courrier électronique :
                                                 radicalisations@vd.ch
                                                                                            rung in diesem Bereich ganz unter­
                                                                                            schiedliche Sorgen und Fragen haben
  Appeler la permanence téléphonique au                                                     kann, weshalb jede Anfrage gesondert
                                                                                            betrachtet werden muss. Hinzu kommt,
  0800 88 44 00                                                                             dass die Phase der Früh­erkennung ein
  de 6h à 22 h, 7J / 7
                                                 Vos demandes et coordonnées resteront      zentrales Element ist, um eine drohen­
                                                 strictement confidentielles.
                                                                                            de Radikalisierung zu verhindern. Dies
                                                 Attention, en cas d’urgence
                                                 appelez la police au 117
                                                                                            gilt vor allem, wenn es sich um Minder­
                                                                                            jährige handelt, die sich beispielsweise
Das Waadtländer Dispositiv stützt sich auf zwei Hauptachsen: eine Telefon-Hotline und       in der Familie oder Schule auffällig
eine Einsatzgruppe zur Bearbeitung und Überwachung der Fälle.                               verhalten. Deshalb sind Instrumente,
                                                                                            die eine Kontaktaufnahme erleichtern,
                                                                                            so immens wichtig: Sie ­ermöglichen es
Nachdem die terroristische Gewalt in            men hat, ist der Kampf gegen Radikali­      dem Umfeld der be­     troffenen Person,
Europa in den letzten Jahren zugenom­           sierung und gewalttätigen Extremis­         den entscheidenden Schritt zu tun und
                                                mus für verschiedene nationale Regie­       Rat bei Fach­personen zu holen, bevor
                                                rungen und europäische Instanzen zu         sich die ­ Situation verschlimmert. Das
 Autor                                          einer allgemeinen Priorität geworden.       Ziel besteht darin, den Bruch mit der
                                                Auch die Schweiz ist von den Risiken im     Familie, der Schule oder dem beruf­
 ­Jean-Christophe
                                                Zusammenhang mit dem gewalttätigen          lichen Umfeld zu verhindern und die
  Sauterel
                                                Extremismus in seinen vielfältigen For­     Beziehung zu Per­so­nen aufrechtzuer­
 Leiter Kommuni­
 kation und                                     men betroffen. Vor diesem Hintergrund       halten, die sich extre­men und gewalt­
 Öffentlichkeits­                               hat der Kanton Waadt beschlossen,           tätigen poli­tischen, ­gesellschaftlichen
 arbeit Waadtländer                             sich eines speziellen Präventionsin­        oder reli­giösen Bewegungen und Ideo­
                                          zvg

 Kantonspolizei                                 struments zu bedienen, wobei betont         logien ­  zuwenden könnten. Konkret
                                                werden muss, dass sich dieses nicht         stützt sich das Waadt­länder Dispositiv

                                                                                          SKP INFO 2 | 2018                       11
RADIKALISIERUNG

auf zwei Haupt­     achsen: eine Telefon-­ werden die relevanten Informationen                                      Proble­ matik ist, Vertreterinnen und
Hotline und eine Einsatzgruppe zur Be­       an eine Einsatzgruppe weitergeleitet,                                  Vertreter aus unterschiedlichsten Be­
arbeitung und Überwachung der Fälle.         die die weitere Bearbeitung und Über­                                  reichen – von der Bildung bis hin zu den
                                             wachung des Falles übernimmt. Dieses                                   Sozialversicherungen – zusammenzu­
Hotline der Kantonspolizei                   bereichsübergreifende Team umfasst                                     bringen, muss nicht weiter erläutert
Damit die Bevölkerung ihre Sorgen            vier Personen: je eine Vertretung des                                  werden. Vor dem Hintergrund des nicht
­betreffend dem Verhalten eines Ange­        Amtes für Jugendschutz (SPJ), des Am­                                  immer unproblematischen Umgangs
 hörigen mit jemandem teilen oder auch       tes für Sozialvorsorge und Sozialhilfe                                 mit heiklen Daten in den letzten Jahren
 einfach allgemeine Fragen oder An­          (SPAS) und der Waadtländer Kantons­                                    ist es entscheidend, dass die Vorgaben
 liegen in diesem Bereich melden kann,       polizei sowie den Präfekten des Bezirks                                des Bundesgesetzes über den Daten­
 wurde eine Hotline eingerichtet. Die        Lausanne, der das Präsidium wahr­                                      schutz (DSG) streng eingehalten wird.
 Nummer 0800 88 44 00, die jeden Tag         nimmt. Ausserdem kann die Einsatz­                                     Die ­ involvierten Instanzen gewähr­
 von 6 Uhr bis 22 Uhr kostenlos angeru­      gruppe bei Bedarf auf die anderen                                      leisten den Schutz der Daten auf allen
 fen werden kann, wird von Mitarbeiten­      Dienststellen des Kantons oder auch                                    Ebenen. Die Einsatzgruppe ist gestützt
 den der Einsatz- und Übermittlungs­         externe Partner zurückgreifen. Ziel                                    auf ein vom Staatsrat verabschiedetes
 zentrale (Centrale d’engagement et de       dieses Vorgehens ist es, Massnahmen                                    ­Dekret berechtigt, sensible Personen­
 transmission CET) der Waadtländer           vorzuschlagen, damit Personen, die                                      daten zu bearbeiten.
 Kantonspolizei betreut. Sie sind in         sich in einem Radikalisierungsprozess
 ­ihrem beruflichen Alltag zuständig für     befinden oder zu gewalttätigem Extre­                                  Ein Genfer Pilotprojekt als
  die Entgegennahme von Notrufen und         mismus neigen, frühzeitig aus einem                                    Inspiration
  daher gewohnt, sich um Anfragen aus        problematischen Umfeld gelöst und                                      Das Genfer Pilotprojekt «Gardez-le
  der Bevölkerung zu kümmern. Zudem          wieder integriert werden können. Sol­                                  lien» hat das Waadtländer Dispositiv
  haben alle Mitarbeitenden der Hotline      che Massnahmen umfassen beispiels­                                     inspiriert. Die beiden Systeme sind in
  eine spezielle Schulung absolviert und     weise eine soziale und berufliche                                      einigen ­A spekten vergleichbar, aber sie
  dabei insbesondere vom Wissen von          ­Betreuung, damit gefährdete Personen                                  unterscheiden sich durch die Art und
  Géraldine Casutt vom Interkantonalen        einen Ausbildungsplatz, eine Beschäf­                                 Weise, wie die Anfragen und Meldungen
  Informationszentrum über religiöse          tigung oder eine Arbeitsstelle finden.                                der Bevölkerung behandelt werden. Im
  Gruppierungen (Centre intercantonal             Im Rahmen des Präventionsdispo­                                   Kanton Waadt ist die bereits bestehen­
  d’information sur les croyances, CIC)       sitivs wurde auch eine strategische                                   de Ein­­satz- und Übermittlungszentrale
  und von Waadtländer Polizistinnen und       Gruppe mit je einem Vertreter aus allen                               CET dafür zuständig, die zur Kantons­
  Polizisten profitiert, die auf den Bereich  kantonalen Departementen gebildet.                                    polizei gehört. In Genf wird dies anders
  Radikalisierung und gewalttätigen Ext­      Wie wichtig es bei dieser Art von                                     gehandhabt: Dort wird auf ein Gremium
  remismus spezialisiert sind.                                                                                      zurückgegriffen, das unabhängig von
      Um der Bevölkerung möglichst                                                                                  der Polizei ist.
  viele Kontaktmöglichkeiten zu bieten,
  ­
  wurde zudem parallel zur Hotline auf
                                                           Gardez                                                       In beiden Fällen bleibt das Ziel aber
                                                                                                                    das gleiche: frühzeitig eingreifen, um
  der Webseite www.vd.ch/radicalisation
  ein Online-Kontaktformular aufgeschal­
                                                            le lien
                                                       Prévention des radicalisations
                                                       religieuses et politiques violentes
                                                                                                                    einen Bruch mit der Familie, der Schule
                                                                                                                    oder im beruflichen Bereich zu verhin­
  tet. Der einfache Zugang und die Ge­                                                                              dern, der oft am Anfang einer Radikali­
  währleistung eines lückenlosen Daten­                                                                             sierung steht, und der Bevölkerung
  schutzes sind grundlegende Elemente                                                                               eine einfache und effiziente Möglichkeit
  des Dispositivs. Sie können entschei­                                                                             bieten, um ihre Sorgen zu teilen.
  dend dazu beitragen, dass zögernde                                                                                Ausser­  dem arbeiten beide Dispositive
  Personen ihre Zweifel überwinden und                 Besoin d’une écoute ? D’une orientation ?
                                                                                                                    eng mit dem Interkantonalen Informa­
  ihre Befürchtungen melden.                           D’un conseil ? D’une information ?
                                                       D’un entretien ? D’une formation ?                           tionszentrum über religiöse Gruppie­
                                                            Trois services gratuits garantissent                    rungen (CIC) zusammen. Diese private
Eine bereichsübergreifende
                                                            l’anonymat et la confidentialité :
                                                            1 ) Permanence téléphonique :                           gemeinnüt­zige Stiftung, die unabhängig
Einsatzgruppe
                                                                0800 900 777 ( 24h / 24, 7 j/ 7 )
                                                            2 ) Formulaire de contact : www.gardezlelien.ch
                                                            3 ) Informations spécialisées et personnalisées         von religiösen Institutionen ist, steht
                                                                par le Centre intercantonal d’information

Das Dispositiv ist so strukturiert, dass                        sur les croyances ( CIC ) :
                                                                022 735 47 50 ( heures de bureau )                  der Bevölkerung der Kantone Genf,
die Kantonspolizei in Fällen, in denen                                                                              Waadt, Wallis und Tessin kostenlos zur
sich ein Sicherheitsrisiko bestätigt,                                                                               Ver­fügung, um Fragen im Zusammen­
                                                                                                              zvg

direkt die notwendigen Schritte ein­
­                                                 Inspiriert vom Nachbarkanton und                                  hang mit religiösen Praktiken zu beant­
leiten kann. Nach einer ersten Triage             ­seinem Pilotprojekt «Gardez le lien».                            worten (Telefon 022 735 47 50).

12                    SKP INFO 2 | 2018
RADIKALISIERUNG

Der Radikalisierung in all                                                                         werter ist es, was die Städte tagtäglich
                                                                                                   für die Sicherheit der gesamten Bevöl­

ihren Formen begegnen
                                                                                                   kerung leisten.
                                                                                                       Um die Städte bei dieser Mammut­
                                                                                                   aufgabe auf bestmögliche Weise zu
                                                                                                   unterstützen, hat der Städteverband
                                                                                                   ­
Radikalisierung ist mehr als Islamismus.                                                           das Thema Radikalisierung früh aufge­

Auch anders motivierte Radikalisierungsformen                                                      griffen und bearbeitet dieses seither
                                                                                                   intensiv.
gefährden unsere Werte und das friedliche                                                              Im Juni 2016 zum Beispiel organi­
Zusammenleben unserer Gesellschaft.                                                                sierten wir gemeinsam mit der Stadt
                                                                                                   Bern eine nationale Tagung zum Thema
                                                                                                   Radikalisierung und machten dabei
Radikalisierung hat viele Gesichter. Von           den kann, insbesondere «die Lage im             deutlich – u.a. auch indem wir alle be­
Links- oder Rechtsradikalen und Fuss­              Bereich Linksextremismus (…) ver­               teiligten Akteure zu Wort kommen lies­
ballhooligans über hasserfüllte Bürger,            schärft. Linksextrem motivierte Ge­             sen –, dass Radikalisierungsprävention
die zu Einzeltätern werden, bis hin zu             walt­taten richten sich nicht nur gegen         nur gelingen kann, wenn die Aufgabe
religiösen Extremisten.                            ­S achen, sondern auch (…) insbesondere         im Verbund aller Staatsebenen gelöst
    In den Banlieues französischer                  bei Polizeieinsätzen gegen die Sicher­         wird. Deshalb forderten wir Bund und
Gross­städte mit einem sehr hohen Aus­              heitskräfte. Die Linksextremen gehen           Kantone auf, die Städte künftig konse­
länderanteil muslimischer Herkunft ist              dabei mit äusserster Aggressivität             quent in sicherheitspolitische Entschei­
die Arbeitslosigkeit, gerade unter jun­             vor»2.                                         de einzubeziehen.
gen Menschen, so hoch, dass die da­                     Und auch rund um grosse Sport­                 Dieser Forderung kamen Bund und
raus resultierende Perspektivlosigkeit             anlässe kommt es immer wieder zu                Kantone kurz darauf nach, nämlich als
immer wieder darin mündet, dass sich              ­gewalttätigen Auseinandersetzungen,             die Politische Plattform des Sicher­
junge Menschen dem radikalen Isla­                 bei denen Sicherheitskräfte, aber auch          heitsverbunds Schweiz (SVS) im Sep­
mismus zuwenden.                                   Menschen aus der Zivilgesellschaft,             tember 2016 ihren Delegierten beauf­
    In Deutschland ist nicht nur die An­           verletzt werden.                                tragte, gemeinsam mit Bund, Kantonen,
zahl rechtsextrem motivierter Anschlä­                                                             Städten und Gemeinden einen Natio­na­
ge weiterhin hoch – 2017 wurde im                 Die Rolle der Städte bei der                     len Aktionsplan zur Bekämpfung von
Durchschnitt fast täglich ein Anschlag            Radikalisierungsprävention                       Radikalisierung und gewalttätigem Ex­
auf eine Asylbewerberunterkunft ver­              Gewaltextreme Ereignisse sind in                 tremismus (NAP) zu erarbeiten.
übt1. Ausländerfeindliche Kräfte wie bei­         Europa, aber auch in der Schweiz,
                                                  ­
spielsweise Pegida treten auch immer              häufiger und vielfältiger geworden.
                                                  ­                                                Der Städteverband: Enga­
öffentlicher und medienwirksamer auf.             Bedenkt man, dass heute rund drei
                                                  ­                                                gierter Partner des tripartit
    In der Schweiz hat sich, wie dem              Viertel der Schweizer Bevölkerung im             ausgearbeiteten NAP
Lagebericht 2018 des Nachrichten­                 urbanen Raum leben, wird deutlich,               Der Städteverband wirkte mit Vertre­
dienstes des Bundes entnommen wer­                dass den Städten bei der Radikalisie­            tern verschiedener Städte von Anfang
                                                  rungsprävention eine besondere Rolle             an sehr engagiert in den verschiedenen
                                                  zukommt. Brennende gesellschaftliche             Gremien und Teilprojekten des NAP
 Autorin
                                                  Fragen treten hier zuerst in Erschei­            mit. Die tripartite Zusammenarbeit war
 Renate Amstutz                                   nung. Und durch die Nähe zur Bevölke­            aufgrund der verschiedenen involvier­
 Wirtschaftswis­                                  rung ist die kommunale Ebene die erste           ten Akteuren und ihren unterschiedli­
 senschafterin / lic.
                                                  Anlaufstelle für Betroffene und be­              chen Hintergründen und Bedürfnissen
 rer. pol., ist seit
 2008 Direktorin des                              sorgte Bürgerinnen und Bürger. Die               indes keine leichte Aufgabe. Nichts­
 Schweizerischen                                  Herausforderungen, die sich dabei                destotrotz hatten wir von Beginn weg
 Städteverbandes.                                 stellen, sind gross, die Ressourcen              konkrete Erwartungen an die Ausarbei­
                                            zvg

                                                  jedoch oft knapp. Umso bemerkens­
                                                  ­                                                tung und das Endergebnis des NAP: So
                                                                                                   sollten aus Sicht des Städteverbandes
1 ZEIT ONLINE: «Jeden Tag ein Anschlag auf eine Asylbewerberunterkunft», unter:                    alle relevanten Akteure aller Staats­
  https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-11/bundeskriminalamt-anschlag-
                                                                                                   ebenen und der Zivilgesellschaft einbe­
  asylbewerberheime-­fluechtlinge (abgerufen am 28.5.2018)
2 Nachrichtendienst des Bundes: «Sicherheit Schweiz» 2018, Seite 55, unter https://www.admin.ch/   zogen und bestehende Massnahmen/
  gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-70611.html (abgerufen 30.4.2018)            Instrumente möglichst flächendeckend

                                                                                                   SKP INFO 2 | 2018                    13
RADIKALISIERUNG

                                                                                                                               Keystone/Marcel Bieri
In der Schweiz hat sich, wie dem Lagebericht 2018 des Nachrichtendienstes des Bundes entnommen werden kann, insbesondere die
Lage im Bereich Linksextremismus verschärft.

erfasst werden. Auf diese Weise wür­      kutieren und voneinander zu lernen.        v­ erband resp. die Städte sind dabei für
den die interdisziplinäre Zusammen­       Über ebendiese Plattform konnten wir        rund die Hälfte der Massnahmen (mit-)
arbeit gefördert und das Teilen von       auch viele wertvolle Praxisinputs sam­     verantwortlich. Und die gute Nachricht
bestehendem und neuem Wissen er­
­                                         meln und direkt in die Ausarbeitung        ist: Eigentlich alle Massnahmen, für
möglicht. Besonders wichtig war den       des NAP einbringen. Denn die Städte        deren Umsetzung gemäss NAP die
Städten dabei eine politisch abgestütz­   können bereits zahlreiche, erfolgreich     Städte resp. der Städteverband verant­
te Umsetzung und eine finanzielle Un­     umgesetzte Präventionsmassnahmen           wortlich sind, sind/werden bereits heute
terstützung bestehender, lokaler Mass­    vorweisen.                                 in irgendeiner Form in einer oder meh­
nahmen, wenn diese über einzelne                                                     reren Städten umgesetzt. So haben –
Städte hinauswirken.                      Die Städte als Vorreiter                   um nur einige wenige Beispiele zu
    Parallel zu den Arbeiten am NAP       Am 4. Dezember 2017 wurde der NAP          nen­ nen – verschiedene Städte, u.a.
setzten wir eine städtische Arbeits­      der Öffentlichkeit vorgestellt. Darin      Bern, Winterthur und Zürich, ihre in die
gruppe ein, welche den involvierten       wurden 26 Massnahmen beschlossen,          Radikalisierungsprävention involvier­
A kteuren seither eine regelmässige
­                                         die in fünf Handlungsfelder gruppiert      ten Behörden für das Thema sensibili­
Plattform bietet, um aktuelle Heraus­     sind. Diese sollen nun innerhalb von       siert und verschiedene Leitfäden zum
forderungen und Massnahmen zu dis­        5 Jahren umgesetzt werden. Der Städte­     Thema ausgearbeitet.

14                 SKP INFO 2 | 2018
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