Umbruchzeit - Chance und Gefahr - Mit Solidarität und Fakten gegen Egoismus und Populismus - Bildung, Wissenschaft und Forschung
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report Bildung, Wissenschaft und Forschung Umbruchzeit – Chance und Gefahr Mit Solidarität und Fakten gegen Egoismus und Populismus 0 2 / 2 018
Editorial b i w i f o r e p o r t 2 / 2 0 18 Liebe Kolleginnen Inhalt und Kollegen, Schwerpunkt: Umbrüche bergen neue Möglichkeiten und Risiken Arbeit 4.0, Klimawandel, Fake News – Mit großer Verzögerung hat die Bundes- und die GroKo dümpelt vor sich hin 3 regierung ihre Arbeit aufgenommen. Immerhin: Was ver.di tun kann 3 Der Koalitionsvertrag lässt hoffen. ver.di ist es Identitäre wollen an Hochschulen gelungen, an verschiedenen Stellen die Interes- Fuß fassen 4 sen von Arbeitnehmer*innen einzubringen. Halle wehrt sich: kein Platz für Rechte 5 Besonders positiv für unseren Fachbereich ist, Rückwärtsgewandtes Punktesammeln dass Bildungs- und Forschungspolitik einen á la Bologna 6 deutlich höheren Stellenwert erhalten sollen. Bibliotheken sind Gemeingüter – keine Eventbuden 7 Jetzt sind wir gespannt auf die Taten, die den Weiterbildung für morgen 7 Worten folgen. Ende des sozialdemokratischen Zeitalters? 8 report Das Kooperationsverbot wurde gestrichen. Ute Kittel Gewerkschaften vor vielfältigen Nun kann der Bund endlich wieder flächen- Mitglied des ver.di- Aufgaben – Interview mit Ute Kittel 9 deckend in Bildungsinfrastruktur investieren. Bundesvorstandes Kitas sollen 3,5 Milliarden Euro bekommen. und Leiterin Exzellenz und die Folgen in den des Fachbereichs USA und anderswo 10 Das ist gut – und doch viel zu wenig, denn die Bildung, Neuer Datenschutz auch Thema für frühkindliche Bildung ist elementar, weil damit Wissenschaft und Betriebsräte 10 die Basis für Lebenschancen gelegt wird. Forschung Tarifvertrag für Studis – Berliner Geplant ist außerdem eine nationale Weiter- Vorbild macht Schule 11 bildungsstrategie, ebenfalls ein begrüßens- Mindestlohn in der Weiterbildung werter Grundgedanke. Bei vielen Vorhaben, die steigt deutlich 12 der Koalitionsvertrag ankündigt, kommt es ver.di und Deutsches Studentenwerk jetzt auf die Gestaltung an. Wird es bei klein- kooperieren 12 teiligen Ausbesserungen bleiben oder startet Bezahlbare Mieten und gemeinwohl- die Bundesregierung mutig eine orientiertes Leben 13 Neuausrichtung des Bildungswesens? Unser Fachbereich – da wächst was zusammen 14 Nachruf 14 Geht es um mehr Gerechtigkeit, Chancen- Reisen erweitert den Horizont 15 gleichheit und Solidarität in der Gesellschaft, hat Bildung eine zentrale Bedeutung. Für die Porträt: Franziska Hamann-Wachtel 15 Umsetzung braucht es ein Bildungssystem, das Impressum zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigt, nicht Der ver.di Report biwifo Nr. 02/2018 · September 2018 selektiert und keinen Menschen ausschließt. Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung Paula-Thiede-Ufer 10 · 10179 Berlin Wie wir dahinkommen? Eine Chance hierzu Fotos v.o.n.u.: Werner Bachmeier (2), Berliner Studierende*r, Mirjam Sorge V.i.S.d.P.: Ute Kittel bietet die Idee eines neu zu schaffenden Redaktion: Carsten Bauer, Klaus Böhme, Katharina Common, Nationalen Bildungsrates. Damit gäbe es in Bernward Friedrich, Harald Giesecke, Birthe Haak, Dirk Heitmann, Frank Hennig, Michael Niedworok, Mirjam Sorge Deutschland erstmals seit 1975 wieder ein Verantwortliche Redakteurin: Annette Jensen Gremium, das eine gemeinsame, umfassende Internet: www.verdi.de Bildungsstrategie entwickeln könnte. ver.di Layout: einsatz, Wolfgang Wohlers Druck: apm AG Darmstadt, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt wäre zur Mitarbeit bereit! b Titelbild: commons.wikimedia.org (Bildmontage) W-1728-60-0918 Die Artikel stellen die Meinungsvielfalt unseres Fachbereiches dar und spiegeln nicht in jedem Fall die Meinung des Bundesfachbereichsvorstandes wider. 2 Service Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung Internet: www.biwifo.verdi.de Ansprechpartnerin biwifo-Report: Annette.Jensen@t-online.de
Schwerpunkt: Umbrüche bergen Chancen und Gefahren K O M M E N T A R W ver.di-Kompass für Weimarer Umbruchzeiten I. Die Digitalisierung der Arbeit beschleunigt sich, ver.di als Gewerkschaft der tausend Verhältnisse? Berufe befindet sich mittendrin. Das vielfach beschriebene Unbe- hagen in konkrete Forderungen zu verdichten, ist unsere Auf- „Was ist nur mit Deutschland los?“ fragt Die Welt ordnet sich neu. Das erfordert eigentlich gabe. Dabei geht es um gute, mich die nette Schweizerin, die mir am ein einiges, starkes Europa, das uns Schutz und sichere und weitgehend selbst- Tisch gegenüber sitzt. Während ich diesen Sicherheit bietet. bestimmte Arbeit, um Daten- Artikel schreibe, befinde ich mich auf schutz und eine Dienstleistungs- einem Wanderurlaub in der Alpen. Unser Stattdessen hat die neoliberale Politik der ver- welt, die sich am Bedarf der Tischgespräch dreht sich um Europa, gangenen Jahrzehnte Einzelkämpfertum, Indivi- Nutzer*innen ausrichtet. Ob biwifo die Flüchtlingspolitik, das Erstarken von dualisierung und Egoismus befördert. Angst und Schutz im Umbruch oder Populisten in Deutschland, aber auch Populismus haben sich tief in die europäische Gestaltung von Innovationen: in Ungarn, Österreich, Polen, den USA Gesellschaft hineingefressen – mit den Folgen: Gute Arbeit erfordert mehr Mit- und die Schwäche von sozialistischen und Abwehr gegen Fremde, Spaltung der Gesellschaft bestimmung. Dafür müssen sich sozialdemokratischen Parteien. und Rückkehr des Nationalen. Auch bei vielen alle Gewerkschaften entschieden Arbeitnehmern*innen ist das Gefühl entstanden, engagieren. VON CARSTEN BAUER die EU sei ein riesiger Selbstbedienungsladen für Lobby-Interessen. II. Trotz sprudelnder Steuer- J a, was ist mit Deutschland los? Haben wir wie- der Weimarer Verhältnisse? Wie in vielen west- lichen Demokratien sind auch in Deutschland Aber Europa ist auch ein Friedensprojekt, wie es kein zweites in der Geschichte gegeben hat. Es einnahmen wird in Bildung, Gesundheit und Stadtentwick- lung zu wenig investiert: Die traditionelle Regierungen nicht mehr möglich: ist höchste Zeit, das vom DGB geforderte soziale Schere zwischen Arm und Reich Weder konservativ-liberale noch sozialdemokra- Europa anzugehen. Warten ist keine Option geht weiter auf. Die herrschen- tisch-grüne Regierungen erhalten Mehrheiten, mehr, denn die europäischen Rechtspopulisten den Eliten kümmern sich um ihre weil neue rechte Kräfte in die Parlamente einzie- erzeugen eine Stimmung, die den Fortbestand Interessen und nicht um das hen. Also schon wieder GroKo. Und die gestaltet der EU massiv gefährdet. Sie besetzen die politi- Wohl der Mehrheit in West- wie fast nichts und lässt sich die Themen stattdessen sche Agenda mit ihren Themen – und so stehen in Ostdeutschland. Politik- zunehmend von einer nationalliberal-populististi- Aufbau und Sicherung von Grenzen auf der verdrossenheit und Abwehr von schen Partei bestimmen. Von einer solchen politi- Tagesordnung statt die Vereinigten Staaten von Migrant*innen sind keine Ant- schen Führung ist keine große Politik zu erwarten Europa. worten –, sondern der Kampf für – und dabei wäre gerade jetzt eine weitsichtige den Ausbau des Sozialstaates Regierung nötig. Wir diskutieren nicht mehr über die Begren- und eine humane Einwande- zung des Klimawandels und nicht über die Ge- rungs- und Flüchtlingspolitik. Zum einen stehen wir vor wirtschaftspoliti- staltung der Digitalisierung. Stattdessen befassen Das muss sich ver.di auf die schen Umbrüchen, die so tiefgreifend sein wer- sich die Leute und die Medien mit Themen, die Fahnen schreiben. den wie die Industrialisierung vor 150 Jahren. Die eine eher untergeordnete Bedeutung haben. Die Digitalisierung wird unsere Arbeitswelt grund- deutsche Politik drehte sich wochenlang um eini- III. US-Präsident Trump zeigt: legend verändern – und das, während die plane- ge Dutzend Geflüchtete an der österreichischen Nationalismus und Kapitalismus taren Ressourcen sich erschöpfen und eine Grenze, anstatt Probleme anzugehen und zu sind kein Widerspruch. In Europa Klimakatastrophe bevorsteht. Gebraucht würde lösen. erleben wir Ähnliches. Die Ant- eine offensive und mutige Politik, die vielfältige wort der Gewerkschaften kann Perspektiven einbezieht und auch vor fundamen- Also liebe Schweizer Tischnachbarin: Mit nur ein gesamteuropäischer talen Neuerungen nicht zurückschreckt. Das Deutschland ist gar nix los. Das Problem ist, dass Sozialstaat mit gleichen sozialen reicht von einer radikalen Verkehrswende bis zu mit Europa nix los ist – und darum müssen wir Rechten sein. ver.di muss mit einer Bildungsoffensive, die endlich die Chancen uns kümmern und nicht um rechtspopulistische aller Kraft dazu beitragen, dass für alle ins Zentrum stellt. Fantastereien. Es gilt den Grundsatz der Auf- Wirtschaftspolitik sozialer und klärung zu verteidigen, dass Fakten Fakten sind ökologischer wird, Ungleich- Zum zweiten wird die weltpolitische Lage zu- und jede akzeptable Politik darauf fußen muss. gewichte schwinden und die nehmend unübersichtlich. Die alten Bündnisse Für die Gestaltung einer wünschenswerten Zu- Menschenrechte in einem welt- 3 funktionieren in einer multipolaren Welt nicht kunft ist die Zugänglichkeit zu Wissen und offenen Europa verteidigt wer- mehr: Der Brexit, der wider jede Vernunft durch- Bildung zentral: Lösungen müssen erarbeitet, Ver- den. b gezogen wird, Amerika first und ein drohender haltensweisen geändert werden. Gebraucht wer- Handelskrieg, dazu der Konflikt der EU mit Russ- den Kooperation und Solidarität. Dabei kommt es Wolfgang Uellenberg land und das Erstarken Chinas zur Weltmacht. auf uns alle an. b
Schwerpunkt: Umbrüche bergen Chancen und Gefahren Foto: Werner Bachmeier Hass- Hipster Mann, ist das schön hier zu wohnen! Die rechtsextreme VON MICHAEL NIEDWOROK „Identitäre Bewegung“ hat den Kampf um die kulturelle Hegemonie aus- gerufen. Rückenwind S eit einigen Jahren werden die Grenzen des Sagbaren in Deutschland durch immer neue Tabubrüche von Rechts durchbrochen. Dennoch gibt es zudem mit dem in Deutschland und Österreich aktiven Burschenschaftsdachverband „Deutsche Burschenschaft“. Über eine „Iden- erhielt sie durch die kommt es selten vor, dass einem Parteifunktionär titäre Sommeruniversität“ in Frankreich, die allein Wahlerfolge der AfD, die so gründlich die Maske verrutscht wie dem AfD- schon durch ihren militaristischen Stil faschistisch islamfeindliche Bewegung Nachwuchspolitiker Lars Steinke. Der Vorsitzende wirkt, wird der Kontakt mit den europäischen Pegida und die Stich- der Jugendorganisation „Junge Alternative“ in Schwesterorganisationen gehalten. wortgeber der Neuen Niedersachsen löste Ende Juli einen Skandal aus: Rechten. Um gesellschaft- Auf Facebook schrieb der 25-jährige Politik-Stu- Ihre Aktionsformen schaut sich die „Identitäre lich anschlussfähig zu wer- dent mit dem auffällig gezwirbelten Schnurrbart Bewegung“ bei erklärten politischen Gegnern ab: den, tarnt sie ihre rechts- über den Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Von der „Subversiven Aktion“ der 68er um extremistischen Inhalte Stauffenberg: „Stauffenberg war ein Verräter, der Kunzelmann und Dutschke bis hin zu Green- mit einem intellektuell wir- bereit war, Millionen von Leben zu riskieren und peace. Damit schaffte sie es bereits wiederholt in kenden Jargon. Damit zu opfern – ohne erkennbaren Nutzen für das die Medien. So erkletterten die Rechtsextremen unterscheidet sie sich auf deutsche Volk“. Der AfD-Vorstand hält die Äuße- das Brandenburger Tor. Außerdem störten sie eine den ersten Blick von rungen für parteischädigend, weil sie das „ehren- Jelinek-Aufführung an der Wiener Universität, bei der NPD und den volle Andenken“ an Stauffenberg „verächtlich der Einheimische und Geflüchtete gemeinsam auf neonazistischen Kamerad- machen“ und will Steinke nun ausschließen. der Bühne standen. Dabei verspritzten sie Kunst- schaften. Bei genauerer blut, entrollten ein Transparent mit der Aufschrift Betrachtung von Personal Steinke macht keinen Hehl aus seiner Nähe zu „Heuchler“ und verteilten Flugblätter mit der Auf- und Programmatik werden Mitgliedern der vom Verfassungsschutz beobach- schrift „Multi-Kulti tötet“. jedoch vielfältige teten „Identitären Bewegung“. Die akademisch Hinter den öffentlichen Provokationen steht Verbindungen zum geprägten Identitären sind in Deutschland seit eine verschleierte Programmatik. Forderungen traditionellen Rechts- 2012 organisiert und fallen vor allem durch ihren wie „Erhalt der ethnokulturellen Identität“ und extremismus Aktivismus auf. Ihr Vorbild ist die rechtsextremisti- „Remigration“ ersetzen das hinlänglich bekannte deutlich. sche, französische Jugendorganisation „Généra- „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ tion Identitaire“. Der Gründer des deutschen der Neonazi-Szene. Fremdenfeindlichkeit wird Ablegers, Nils Altmieks, engagierte sich früher bei durch heroische Symbolik kodiert zum Ausdruck der verbotenen, neonazistischen „Heimattreuen gebracht. So stilisieren sich die Identitären als Ver- Deutschen Jugend“ (HDJ). Überschneidungen teidiger des Abendlandes durch geschichtsklit- ternde Bezugnahme auf den Abwehrkampf Spar- tas gegen die Perser in der Antike oder die „Reconquista“ – die Zurückdrängung des musli- Provokante Thesen mischen Machtbereichs von der iberischen Halb- insel durch die Spanier im Mittelalter. Das Buch „Die AfD und die soziale Frage“ von Stefan Dietl rührt an ein Tabu: Überdurchschnittlich viele Gewerkschaftsmitglieder wählen die rassistische Partei. Gefährlich sind die Identitären weniger durch Das widerspricht eklatant dem Selbstverständnis der DGB-Gewerkschaften. Sie ihre Mitgliederzahl – Recherchen der ZEIT deuten beteiligen sich intensiv an Bündnissen gegen Rechts und proklamieren immer auf nur 100 Aktive in Deutschland – als durch ihre wieder Null Toleranz gegen Rassismus. Für Dietl, ehrenamtlich im bayerischen Funktion als Avantgarde einer rechten Bewegung. ver.di- Landesvorstand aktiv, reicht das nicht. Aus seiner Perspektive hat sich die Sie unterhalten Kontakte zu den Vordenkern der Politik der Gewerkschaften in den vergangenen Jahren zu stark orientiert an Neuen Rechten rund um Götz Kubitschek, einem Standortnationalismus, Leistungs- und Nützlichkeitsprinzipen. Damit hätte sie die engen Vertrauten Björn Höckes (AfD). Erst im 4 Ausgrenzung von Menschen verstärkt, die im In- oder Ausland unter prekären März ist bekannt geworden, dass die „Identitäre Bedingungen leben müssen, so Dietls These. b Bewegung“ gemeinsam mit Mitgliedern der „Jungen Alternative“ das Trollnetzwerk „Recon- Stefan Dietl: Die AfD und die soziale Frage – Zwischen Marktradikalismus quista Germanica“ betrieben hat, das zugunsten und völkischem Antikapitalismus, Unrast-Verlag, 168 Seiten, 14 Euro der AfD in den Bundestagswahlkampf eingegrif- fen hat. Wieder dabei: Lars Steinke. b
Schwerpunkt: Umbrüche bergen Chancen und Gefahren Gegen die Normalisierung der „Identitären“ Der Gründungsauftritt der Identitären pen statt. Das soll Menschen schützen und der IB- Bewegung (IB) in Halle sollte martialisch Strategie der Raumnahme entgegenwirken. Stichwort wirken: Man wolle den Kulturkampf an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Die Strategie, die Rechten zu isolieren, geht „Fake Science“ tragen, den „linken Mainstream“ brechen einher mit Aufklärung der Studierenden durch Bil- Mehr als 5.000 deutsche und damit den nationalen Umschwung vor- dungsveranstaltungen und Info-Vorlesungen für Wissenschaftler*innen haben in bereiten. Ab sofort müsse man mit einer Erstsemester. All das wäre aber nicht zielführend, den vergangenen zehn Jahren starken rechtsextremen Kraft an der Uni wenn nicht auch die Universität das Problem laut Recherchen von NDR, WDR rechnen – so die Botschaft. Doch es blieb sehen würde. Deshalb ging über mehrere Kanäle und SZ-Magazin Forschungs- beim Anspruch einer „Kontrakultur“. die Aufforderung ans Rektorat, sich öffentlich zu arbeiten in pseudowissenschaft- positionieren. Das – zwischenzeitliche – Ergebnis lichen Verlagen veröffentlicht. VON LUKAS WANKE ist ein „Offener Brief” der Uni-Leitung und des Regelmäßig wurde dabei der StuRa vom Januar 2018. Darin ist klar formuliert, übliche Prozess des Peer- I hr erster Auftritt im Juni 2015 kam zwar kämp- ferisch und erschreckend daher – faktisch wur- den aber nur Papierschnipsel im Hauptgebäude dass die IB gegen alles steht, was die Universität repräsentiert. Reviews umgangen, also der Kontrolle durch andere Wissen- schaftler*innen des Faches. herumgeworfen. Danach gab es erst einmal ein- Wahrscheinlich die wichtigste Erkenntnis ist, Der hohe Publikationsdruck in einhalb Jahre lang keine Aktionen mehr im Uni- dass die Arbeit der Universitäts-Gremien ohne der Wissenschaft wurde dabei Kontext. Der Außendarstellung der Rechten tat Kooperationen kaum wirksam werden kann. Sie zum Anreiz selbst für etablierte das keinen Abbruch. Im Oktober 2016 inszenierte müssen sich mit antifaschistischen Bündnissen Forscher*innen, Veröffent- die IB ihren angeblichen Eroberungsfeldzug, in- und dem zivilgesellschaftlichen Widerstand soli- lichungen in zweifelhaften dem sie ein Banner entrollte mit der Aufschrift darisieren und ihn unterstützen. Auch viele Stu- Journalen vorzunehmen, mit- „Willkommen auf unserem Campus“. Nach weni- dierende sind dort aktiv. In diesen Gruppen findet unter auch ohne Wissen um gen Minuten war auch das wieder verschwunden. der hauptsächliche Kampf gegen die IB statt. deren Qualität. Den Höhepunkt ihrer Selbstinszenierung erreich- Maßnahmen in der Uni können und sollten das ten die IB-Aktiven dann 2017 mit dem Kauf eines begleiten. Denn auch wenn der IB an der Hoch- Der gesellschaftliche Hauses in der Nähe des geistes- und sozialwissen- schule bisher so gut wie erfolglos ist, verbreiten Schaden geht weit über ein schaftlichen Campus. Erneut bleibt das angekün- die Rechten Angst durch gewaltsamen Übergriffe Schönen von Publikationszahlen digte Übergreifen auf das universitäre Geschehen auf dem Campus und in der Stadt, durch illegale hinaus: Lobby-Interessen nutzen nahezu aus: Zwei hochschulnahe Infostände sind Kameraüberwachung und Dominanzgehabe. Da- die Raubjournale, um ihre An- die identitäre Bilanz nach drei Jahren. Zwar konn- mit lässt sich erahnen, wie Gesellschaft aussehen liegen durch scheinbar seriöse te im Mai 2018 bei den Hochschulwahlen eine IB- könnte, wenn eine Gruppe wie die IB plötzlich Forschung zu befördern. Die nahe Liste einen Platz im Studierendenrat (StuRa) „normal“ würde. b Glaubwürdigkeit von Wissen- erringen. Doch die übrigen Mitglieder erklärten schaft droht massiven Schaden bereits vor der Konstitution des Gremiums im zu nehmen. b Foto: transit-magazin.de Oktober, dass sie jeden identitären Einfluss verhin- dern werden. NDR-Dossier: https://www.ndr.de/nachrich- Bisher ist das identitäre Vorhaben klar geschei- ten/investigation/Dossier- tert, rechtsextreme Vorstellungen und Praktiken Das-Geschaeft-mit-der- an die Uni zu tragen. Das liegt vor allem an einem Wissenschaft,fakescience- breiten zivilgesellschaftlichen Widerstand. Der dossier100.html StuRa als studentische Vertretung hat die Existenz der IB in Halle skandalisiert und so versucht, einer Normalisierung entgegenzuwirken. Im Dezember 2015 beschloss er eine Ausschlussklausel gegen 5 Rechtsextreme bei allen Veranstaltungen und positionierte sich grundsätzlich gegen rechte Ten- denzen und insbesondere identitäre Ideologien. Partys, Vorträge und Diskussionsrunden finden ohne Vertreter*innen der IB und ähnlicher Grup-
Schwerpunkt: Umbrüche bergen Chancen und Gefahren Foto: Werner Bachmeier Ruhe, hier wird gearbeitet! Alle paar Jahre versammeln VON MATTHIAS NEIS schen, vordemokratischen Strukturen und dem sich die europäischen Wettbewerbsfetisch um internationale Sichtbar- Bildungsminister*innen, um den Stand des „Bologna- Prozesses“ zu begutachten. W elche Bedeutung Bologna für die gesell- schaftliche Einmischung von Student*in- nen hat, lohnt sich gerade in Deutschland zu keit, Reputation und Drittmittel. Da bleibt nur wenig Raum für Kritik und Engagement. Die auf Punkte und Module ausgelegte Studienreform Ihr Treffpunkt im Mai: die erkunden. Denn auch wenn die Reformzutaten fügt sich ein in einen Rahmen, der Kreativität und Pariser Sorbonne. Genau 20 europäisch sind, ist die Umsetzung hierzulande Selbst-Denken hemmt. Jahre zuvor legte die spezifisch. Man könnte sagen: typisch deutsch. „Sorbonne-Erklärung“ den Was eigentlich benötigt wird, hat bei der Grundstein für alles, was ein Nirgendwo schreiben die Bologna-Dokumente Sorbonne-Konferenz ausgerechnet der scheiden- Jahr später in Bologna auf die deutsche Art der Modularisierung vor. Die be- de Präsident der Hochschulrektorenkonferenz großer europäischer Bühne ruht vielmehr auf Rahmenvorgaben der Kultus- (HRK), Horst Hippler, zu Protokoll gegeben: „Wir zu gemeinsamen Zielen der ministerkonferenz (KMK). So sehen sich Studieren- brauchen ein europäisches Bildungsverständnis, Studienreform wurde: inter- de heute einer Flut benoteter Prüfungen ausge- das Persönlichkeitsbildung und die Befähigung zu nationale Mobilität, setzt, die dann oft auch noch in den Abschluss ein- gesellschaftlichem Engagement einbezieht.“ vergleichbare und gestufte fließen. Ohne das unstrukturierte und sozial hoch Wichtig sei, „kritisch zu denken und neue Lösun- Studienabschlüsse sowie selektive alte Studienmodell zu verklären – Kritik gen für die zahlreichen gesellschaftlichen Heraus- Credit-Points. Insofern feiert an der Verdichtung und Verschulung des Studiums forderungen zu finden“. Stellt sich nur die Frage, „Bologna“ schon dieses Jahr durch „Bologna“ ist berechtigt. warum die Organisation, der Hippler über Jahre 20. Geburtstag. Gleicher Ort, vorstand, so wenig dafür tut. Im Gegenteil. Ge- 30 Jahre früher war die Natürlich hat das Auswirkungen auf die Bereit- rade die HRK steht für das Nebeneinander von Sorbonne der Brennpunkt schaft und Möglichkeit von Studierenden, sich zu ständischen Strukturen und ökonomischem Wett- im „Pariser Mai“, dem engagieren. Eine seltsame Ruhe hat sich über die bewerb – und blockiert damit das von Hippler Höhepunkt der 68er- Hochschulen gelegt. Die letzten großen Studieren- geforderte Bildungsverständnis. Solche Kritik an Bewegung in Frankreich. Da denproteste liegen fast ein Jahrzehnt zurück. In der Studienreform bleibt deshalb immer konser- drängt sich geradezu die allen Gremien herrscht Nachwuchsmangel. vativ und folgenlos. Frage auf, wie sich die Studienreform auf Engage- Ursache ist nicht nur „Bologna“. Hochschulen „Bologna“ lässt sich nicht rückabwickeln, ment und Protest auswirkt. sind heute eine seltsame Mischung aus ständi- selbst wenn man es wollte. Die Bologna-Reform muss neu gedacht werden. Prüfungsdichte und „Verpunktung“ sind technische Aspekte, die sich relativ einfach neu justieren lassen. Die Frage, was Vielfaltsbewusste Betriebe sich an den Hochschulen insgesamt ändern müss- te, ist schwieriger zu beantworten. Und vor allem: Gremien und Betriebe haben die Tendenz, neues Personal im eigen Dunstkreis zu Wie sind Alternativen unter den gegebenen suchen. Doch Vielfalt im Team bringt unterschiedliche Perspektiven und Er- Bedingungen durchzusetzen? fahrungen zusammen – eine wichtige Voraussetzung für gute, langfristig tragfä- hige Lösungen bei komplexen Fragen und Problemen. Darüber hinaus ist Trotz alledem – es gibt Ansätze, wo etwas auf- Diversität gerade in Bildungseinrichtungen ein wichtiges Mittel gegen nationali- bricht. In Berlin haben gerade tausende studenti- stische Brandstiftung. sche Beschäftigte in einem vierwöchigen Streik Der INQA-Check „Vielfaltsbewusster Betrieb“ stärkt das Diversitätsmanage- nach 17 Jahren einen neuen Tarifvertrag durchge- ment im betrieblichen Personalwesen. Entwickelt wurde er in Zusammenarbeit setzt. Damit war der größte Hochschulprotest der mit Arbeitgebern und Gewerkschaften. Frauenförderpläne, eine ausgewogene vergangenen Jahre ein Arbeitskampf, getragen Mischung von Jungen und Alten oder auch anonymisierte Bewerbungsverfahren von Studierenden. Auch der „exzellenten“ Bolog- helfen, Diskriminierung zu vermeiden und Qualifikationen zu beurteilen. b Walo na-Hochschule ist der Widerspruchsgeist also 6 nicht ganz auszutreiben. Und die nächste Über- http://verdi-bw-hessen.de/Vielfalt raschung: Gewerkschaften können offenbar eine wichtige Kraft bei einem solchen Aufbruch sein. Fachtagung „Vielfachbewusster Betrieb“ am 29. November 2018 in Das ist für uns eine Chance – gesellschafts- wie Frankfurt/Main. Kontakt: info-ks@verdi-bw-hessen.de organisationspolitisch. b
Schwerpunkt: Umbrüche bergen Chancen und Gefahren Bibliotheken – Orte der Aufklärung K ünftig sollen Bibliotheken nicht mehr nur Orte für Leser*innen sein, sondern auch Räume für Begegnungen, Veranstaltungen und Gruppentreffen jeglicher Art. Die Zentrale-Landesbibliothtek de Angebote an die Nutzenden herangetragen. Zwar wahrt die Rechtssprechung die Grundrechte auf Information und auf Schutz persönlicher Daten. Doch auch darüber muss man erst einmal Be- Berlin (ZLB) in Berlin macht es vor: An Sonntagen organisieren scheid wissen. Agenturen dort Events, so dass die Bibliothek ohne Fachpersonal öffnen kann. Anderswo werden Mittags- oder Abendstunden ent- Das alles macht in Bibliotheken die Anwesenheit von Biblio- sprechend genutzt. So entstehen barrierefreie, kostenlos zugängli- theksbeschäftigten unabdingbar. Sie sind kundig und können ver- che Orte, die nicht nur von Buchliebhaber*innen bevölkert werden. mitteln, wie sich seriöse Informationen von „alternativen Fakten“ unterscheiden. Sie sind in der Lage, den Nutzenden zuverlässige Dass das Konzept ‚open library‘ erfolgreich ist, ist unbestritten. Informationen bereitzustellen – sei es in Form von Büchern oder als Zu fragen ist allerdings, ob solche Maßnahmen dem Auftrag der Online-Ressourcen. Und sie können aufklären über die Möglichkeit Bibliotheken entsprechen, Zugang zu Wissen zu bieten – auch zum von Fehlinformationen und Gefahren im Netz. All das ist dringend Beispiel über die digitale Welt und soziale Netzwerke. nötig – aber nur möglich, wenn die räumliche und personelle Manipulationen im Informations- und Meinungsbereich, Hetze Grundausstattung der Bibliotheken ausreicht. Ist das jederzeit und Fake-News sind inzwischen an der Tagesordnung. Vorlieben gegeben, kann es zusätzlich auch noch Familientreffen, Bastel- und Konsumgewohnheiten werden ausspioniert und entsprechen- nachmittage oder kulturelle Events geben. b Monika Fomenko Blick auf Weiterbildung öffnen Foto: Werner Bachmeier Der Weiterbildung soll künftig eine größere Bedeutung zukommen – so jedenfalls liest es sich im Koalitions- vertrag. Dort taucht der Begriff 46 mal auf. Dabei wird schnell klar: Weiterbildung wird insbesondere im Kontext von Arbeitsmarktpolitik gedacht. D igitalisierung ist unbestritten eine der zentralen gesellschaft- lichen Herausforderungen und wird auch die Arbeitswelt radikal verändern. Unter dieser Überschrift haben die Koalitions- parteien viele Absichten zusammengefasst. Dort findet sich auch Lernen ist eine lebenslange Beschäftigung das Ziel, mit einer „Nationalen Weiterbildungsstrategie“ den be- ruflichen Aufstieg zu erleichtern und die Beschäftigungsfähigkeit des demografischen Wandels. Was fehlt, ist eine Vision und ein nachhaltig zu fördern. Die Regierung weckt die Erwartung, durch ganzheitlicher Bildungsansatz im Humboldtschen Sinne, bei dem Bündelung aller Landes- und Bundesprogramme, die Verzahnung selbst und kritisch zu denken zentrale Lernziele sind. von arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Instrumenten sowie den Rechtsanspruch auf Weiterbildungsberatung die „losen Weiterbildung soll allen Menschen die Teilhabe an guter Enden“ zusammenzuführen. Vieles bleibt jedoch vage. Außer- Erwerbsarbeit und persönlicher Entwicklung ermöglichen. Was dem stellen sich Fragen zum Beispiel zu Bildungsfreistellung und deshalb in Zukunft gebraucht wird, sind lernmethodische -finanzierung: Werden die Angebote für lebenslanges Lernen Kompetenzen. Qualifizierung in diesem Sinne ist nicht nur der künftig auch diejenigen erreichen, die sich Weiterbildung bisher Schlüssel zu einer sicheren beruflichen Entwicklung auch unter schlicht nicht leisten können? In welcher Richtung soll die Bun- Bedingungen, die sich laufend und teilweise radikal ändern. Sie desagentur für Arbeit beraten, wenn wir „noch“ nicht wissen, ist auch die wichtigste Voraussetzung für die Integration von welche Fachkräfte morgen gebraucht werden? Menschen, die zu uns kommen, um hier in Sicherheit leben zu Die Gefahr zeichnet sich ab, dass die Regierung ihre können. Der Anspruch des lebenslangen Lernens muss deshalb 7 Weiterbildungspolitik zu eng auf die heutige Arbeitsmarkt- das gesamte Bildungssystem in den Blick nehmen und darauf perspektive fokussiert und vorwiegend auf schnell verwertbares abzielen, dass die Stationen des Lernens wie Zahnräder ineinan- Wissen setzt. Unbedingt zu berücksichtigen sind aber auch die dergreifen. Das setzt ein grundlegendes Umdenken voraus. b Folgen anderer gesellschaftlicher Transformationsprozesse und Anne Voß
Schwerpunkt: Umbrüche bergen Chancen und Gefahren Vom Ende und Neuanfang der europäischen Sozialdemokratie Bei den niederländischen VON CARSTEN BAUER das Vertrauen von Millionen unserer Mit- Parlamentswahlen 2017 bürger*innen gewinnt,“ so Corbyn. wurde die traditionsreiche Partij van de Arbeid (PvdA) fast pulverisiert: In der D er aktuelle Niedergang hat eine lange Vorgeschichte. Vor etwa 20 Jahren erstarkten die sozialdemokratischen Parteien. Der britische Weil es für die konservative Premierministerin Theresa May nur noch für eine Minderheits- zweiten Volkskammer Premierminister Tony Blair (Labour) und der deut- regierung gereicht hat, steht Labour gewisserma- erreichte sie nur noch sche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ver- ßen in den Startlöchern, um die Regierung zu 5,7 Prozent der Sitze – öffentlichten am 8. Juni 1999 gemeinsam das übernehmen. Corbyn hat bereits ein Schatten- davor waren es noch 24,7 sogenannte Schröder-Blair-Papier – ein Moder- kabinett zusammengestellt. Der Schatten-Finanz- Prozent gewesen. Das nisierungskonzept für die europäische Sozial- minister John McDonnell erläuterte auf dem Wahlergebnis in Frankreich demokratie. Unter dem Schlagwort „Neue Mitte“ Parteitag schon einmal das wirtschafts- und sah ähnlich aus: In der zeichneten sie darin neue Positionen und Leit- finanzpolitische Programm im Fall einer Regie- Nationalversammlung sind bilder auf: Der dritte Weg sollte zwischen dem rungsübernahme: „Eine Wirtschaft für die Vielen die Sozialisten nur noch mit wirtschafts- bzw. neoliberalen Kapitalismus und aufzubauen heißt auch, die Versorgungsunter- 5,38 Prozent vertreten. der klassischen Sozialdemokratie entlangführen. nehmen der Kontrolle des Volkes zu unterwerfen, Auch in Deutschland das sie nutzt. Die Leute sollen keinen Zweifel dümpelt die SPD bei gerade In der Regierung fuhren sie nun einen wirt- daran haben: Eisenbahn, Wasser, Energieversor- einmal 20 Prozent. Ist das schaftsfreundlichen Kurs. Sie senkten Einkommens- gung, die Post – wir holen uns das zurück!" der Anfang vom Ende und Unternehmenssteuern und liberalisierten den der europäischen Finanzmarkt. Es waren Sozialdemokraten, die Na, das wäre doch mal ein reeller sozialdemo- Sozialdemokratie? erstmals Hedgefonds zuließen. Und dann began- kratischer Ansatz. Und das ist das, was auch nen sie, das Sozialsystem und die Arbeitsmarkt- ver.di seit der Gründung fordert. b gesetze zu reformieren. Der eigentliche Sünden- fall – sozialdemokratisch gesehen – waren aber nicht die Arbeitsmarktreformen, sondern die Foto: Werner Bachmeier Entscheidungen zur Steuerpolitik. Die Sätze für hohe Einkommen sowie für Erträge aus Unter- nehmenstätigkeiten wurden runtergeschraubt. Arbeitsweltliche Dahinter steckte allerdings weniger Verrat als die Spurensuche Tatsache, dass die Sozialdemokratie dem neoli- beralen Zeitgeist damals auf den Leim gegangen Die ständige Unsicherheit in vielen Betrieben durch ist. Outsourcing, Kontrolle und laufende Bewährung spielt der AfD in die Hände. Das ist eine zentrale Großbritannien: Wir holen uns Eisenbahn, These einer Untersuchung, die auf 100 Interviews Energieversorgung, Post und Wasser zurück mit Betriebsrät*innen, Vertrauensleuten und Die alte Tante SPD Gewerkschaftssekretär*innen beruht. Den Rechts- auf hoher See Gute Nachrichten für Sozialdemokrat*innen populisten gelingt es, Existenzangst in Wut gegen kommen derzeit eigentlich nur aus Großbritan- Geflüchtete und die etablierten Parteien umzu- nien. Auf dem Parteitag in Brighton im vergange- münzen. Das Buch schildert anschaulich, wie die nen September ließ sich Labour-Chef Jeremy Stimmung in vielen Betrieben ist und was dort Corbyn dafür feiern, dass es der Partei bei den beim Mittagessen geredet wird. Als Gegenmittel vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni gelun- empfehlen die Autor*innen alles, was zu einer gen war, die regierenden Tories an den Rand einer angstfreieren Arbeitswelt beiträgt. Den Gewerk- Niederlage zu bringen. Niemand hätte Labour ein schaften raten sie, stärker auf Konfrontation solches Wahlergebnis zugetraut, nicht einmal die gegenüber den Arbeitgebern zu setzen. b 8 Mitglieder der Partei selbst. 40 Prozent der briti- schen Wähler*innen gaben Labour ihre Stimme – Dieter Sauer u.a. das sind fast zehn Prozent und 30 Abgeordneten- Rechtspopulismus und Gewerkschaften – mandate mehr als bei der vorangegangenen eine arbeitsweltliche Spurensuche Wahl. „So treffen wir uns hier diese Woche als 216 Seiten, 14.80 Euro. geeinte Partei, die in jedem Teil Großbritanniens
Schwerpunkt: Umbrüche bergen Chancen und Gefahren Ute Kittel ist Mitglied im ver.di-Bundesvorstand und leitet Auch Gewerkschafts- den Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung mitglieder wählen AfD Foto: ver.di biwifo: Die DGB-Gewerkschaften positionieren sich klar diskussionen oder Veranstaltungen, weil wir ihnen keine Platt- gegen Rechtsparteien. Zugleich belegen Studien seit Mitte der form bieten wollen für ihre oft menschenverachtende und 1990er Jahre, dass überdurchschnittlich viele Gewerkschafts- rechtspopulistische Hetze. Da sind wir konsequent – auch weil mitglieder fremdenfeindliche Einstellungen haben und ein die AfD dort, wo sie in den Parlamenten vertreten ist, nicht erheblicher Teil auch AfD wählt. Trifft das auch auf ver.di zu? durch Sachkenntnis auffällt, sondern durch Populismus. Ute Kittel: Jedenfalls ist anzunehmen, dass es eine Menge Gewerkschaften betonen die internationale Solidarität – sind AfD-Wähler*innen auch unter den ver.di-Mitgliedern gibt. traditionell aber in den Grenzen von Nationalstaaten organisiert. Das ist wenig verwunderlich – schließlich sind wir mit unserer Ist das noch zeitgemäß? Mitgliedschaft auch ein Spiegel der Gesellschaft und bilden insofern vielfältige gesellschaftliche Strömungen ab. Alles ist notwendig: Internationale Zusammenarbeit ist eben- Insbesondere nach der Bundestagswahl ist der befürchtete so wichtig wie die Arbeit auf nationaler, regionaler und lokaler Rechtsruck in unserer Gesellschaft an vielen Stellen deutlich Ebene. Die Globalisierung, gepaart mit Digitalisierung der spürbar, und er kommt nun auch verstärkt in den Betrieben und Arbeitswelt, erfordert internationales Denken und Handeln. Dienststellen zum Vorschein. Mir erscheint es aber auch wichtig Andererseits sind die Arbeitsbedingungen weiterhin über- zu differenzieren. Nicht alle, die die AfD gewählt haben, sind wiegend durch nationale Gesetze geregelt. automatisch auch fremdenfeindlich. Manche wollten ihrem Politische Entwicklungen in der EU und weltweit machen Protest gegen die etablierten Parteien Ausdruck geben. Oft fehlt deutlich, dass internationale Solidarität wichtig ist. Und es zeigt es auch an Aufklärung. sich, dass wir beispielsweise bei der Entwicklung des europäi- Aus dem Erleben zunehmender Ungerechtigkeit, ungelöster schen Forschungs- und Wissenschaftsraums internationale Probleme vom Rentensystem bis hin zum Klimawandel erleben Entwicklungen stärker beeinflussen müssen. viele die Grenzen unserer Regierung und der Parteien. Viele unserer gesellschaftlichen Probleme sind aber auch durch ein- Bildung erscheint vielen als der zentrale Ansatz, um Ängsten fache Lösungen nicht mehr zu beheben. Ich glaube, dass sich und „alternativen Fakten“ zu begegnen. Was heißt das konkret Lösungen nur noch gemeinsam – mit allen gesellschaftlichen für ver.dis politische Bildungsarbeit? Gruppen – in einem demokratischen Miteinander entwickeln lassen. Hier sind wir Gewerkschafter*innen gefordert. Wir müssen Politische Bildungsarbeit hatte für Gewerkschaften immer für die Grundrechte und -regeln unserer Demokratie und damit eine große Bedeutung – und gerade jetzt wird es zunehmend für diesen Dialog öffentlich einstehen, und wir müssen unsere wichtig, zentrale politische Themen in die Programme aufzu- Vorstellungen für eine solidarische und gerechte Gesellschaft nehmen. Welchen Wert hat Demokratie für uns, was bedeutet einbringen. gelebte Solidarität auch international, wie kann Ausgrenzung und Diskriminierung entgegengetreten werden? Neben klassi- Lieber darüber schweigen oder offensiv angehen – wie geht schen Seminaren hierzu müssen wir spezielle Bildungsangebote ver.di mit solchen Positionen in den eigenen Reihen um? gegen Diskriminierung weiter ausbauen. Aber auch für das gesamte Bildungssystem ergeben sich Auf keinen Fall schweigen. Wir haben da eine klare Haltung. Konsequenzen. Beginnend in den Kindertagesstätten über alle Mit Mitgliedern, die bekennende AfD-Wähler*innen sind, gehen Bildungseinrichtungen hinweg muss Demokratie gelernt, aber wir in den Diskurs. Wir klären auf, für was die AfD steht – auch für alle Beteiligten immer auch gelebt werden. Hierzu braucht im Hinblick auf Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmer*innen- es an vielen Stellen ein Umdenken, denn Demokratie ist – wie rechte. Da stellen wir dann oft fest, dass vieles nicht bekannt ist. wir gerade auch erleben – keine Selbstverständlichkeit. Wer liest sich schon ein ganzes Parteiprogramm durch? Wenn wir mit diesen Mitgliedern reden, merken wir häufig, dass sie die Du hast einen Wunsch frei an die Bundesregierung: Was Ziele der Partei eigentlich gar nicht unterstützen wollen. Oft ist da forderst Du? Verdrossenheit, Frust und sozialer Protest und sie berichten, dass 9 sie mal „ein Zeichen setzen wollten“. Dann wird klar, wie die AfD Dass der Bildungsetat mindestens genauso groß wird wie auch Wähler fischt, indem sie mit Ängsten spielt und sie verstärkt. der Rüstungsetat. Bildung statt Kanonen! b Anders sieht es bei AfD-Parteifunktionär*innen aus. Die laden wir grundsätzlich nicht ein in politische Runden, Podiums- Interview: Annette Jensen
Exzellenz-Universitäten / EU-Richtlinie M E L D U N G E N W Rote Stunde auf dem Bibliothekartag in Berlin Ein ungewöhnliches Format haben die ver.di-Bibliothekar*in- Aufwertung schafft nen für den diesjährigen 107. Deutschen Bibliothekartag in Berlin gewählt. Am 13. Juni Abwertung luden sie am Rande des größten Weiterbildungsevents für das Bibliothekswesen hungrige Teilnehmer*innen mit „müden E xzellenz – zweite Runde: Ende September wird die Bewilligungskommission bekannt geben, welche Cluster künftig gefördert werden. Dabei führt die offizielle Aufwertung der Wenigen zugleich zu einer Abwertung der Vielen. Diese Polarisierung bedroht dabei die größte Stärke Füßen“ zu Würstchen, Getränk geht es um die Unterstützung von Projekten in For- unseres Hochschulsystems: die Qualität in der und Gesprächen ein. Gefühlt schungsfeldern einzelner Universitäten oder von Breite. Bisher herrscht Vertrauen, dass eine uni- kamen (fast) alle. Jedenfalls Universitätsverbünden. Mitte Dezember ist dann versitäre Ausbildung unabhängig vom Standort wimmelte es in dem lauschigen Abgabeschluss für die Bewerbungen als Exzellenz- auf solider Basis gewährleistet wird. Nun wird der Gartenlokal gegenüber vom universitäten, über die im kommenden Sommer Elitestatus einzelner Universitäten deren Ab- Kongresshotel nur so von rede- entschieden wird. Die 2016 beschlossene „Ex- schlüsse aufwerten und auch Einfluss auf die und diskussionsfreudigen verdia- zellenzstrategie“ ist das Nachfolgeprogramm der Besetzung von Spitzenpositionen nehmen. ner*innen und Neugierigen. „Exzellenzinitiative“ zur Spitzenforschung, für die Dabei ging es ebenso um Biblio- zwischen 2006 und 2017 zusammen 4,6 Milli- Wohin eine solche Entwicklung führt, lässt theksthemen wie um Gewerk- arden Euro an ausgewählte Universitäten flossen. sich in England und den USA betrachten. Das schaftliches. Einhellige Meinung: Mit dem neuen Programm werden nun weitere Prinzip von Chancengleichheit und gleicher Be- Macht das bitte nächstes Jahr in 5,3 Milliarden ausgeschüttet. zahlung wird ersetzt durch die Bezahlung nach Leipzig wieder! Lust hätten wir der Universität, von der das Abschlusszeugnis schon. Problematisch dabei ist, dass über die Förder- stammt. Zwar ist der Anteil der Studierenden in richtlinie „Zukunftskonzept“ nur einzelne Uni- Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich W Weltbank auf der versitäten eine offizielle Statusaufwertung erfah- gewachsen – doch über die Vergrößerung der schiefen Bahn ren. Anders als Forschungsmittel, die schon heute Qualitätsunterschiede werden erneut Eliten Der Weltentwicklungsbericht ungleich verteilt, aber nur von Fachkreisen wahr- geschaffen. Dabei verleihen öffentliche Bildungs- 2018 dreht sich um das Thema genommen werden, schafft der verliehene Elite- träger alten und neuen Eliten Argumente für eine Bildung. Der Grundsatzbericht Status ein Prädikatssiegel für Studieninteressierte, stärkere Ungleichbehandlung. Aus diesem Grund der Weltbank 2019 ist mit Eltern und Arbeitgeber. Die haben bisher bei der ist die Exzellenzstrategie vehement zu kritisieren dem Schwerpunkt „Wesen der Abschätzung der Qualität Orientierung in einem und abzulehnen. b Arbeit“ angekündigt. Nachdem Meer verschiedener Rankings gesucht. Nun aber Harun Demircan Entwürfe bekannt geworden sind, macht der DGB dagegen mobil: Arbeitnehmer*innen wer- § den dort vor allem als Kosten- faktor gesehen, Regulierungen Kleines 1 x 1 zum neuen Datenschutz am Arbeitsmarkt als Gefahr für die Wirtschaftsdynamik. Bereits vor Monaten hatte der interna- tionale Gewerkschaftsbund ITUC E nde Mai trat das neue Bundesdatenschutz- gesetz (BDSG) in Kraft. Es soll die informa- tionelle Selbstbestimmung stärken und Persön- Zugleich sind die Interessenvertretungen aber auch Teil des Unternehmens und müssen die Datenschutzbestimmungen einhalten. Sie gegen die absehbare Tendenz lichkeitsrechte besser wahren. Unternehmen haben die Daten zu sichern und dürfen keine des Papiers protestiert – offen- und Dienststellen sind verpflichtet, die Daten Vorratsdatenspeicherung auf den eigenen bar ohne Konsequenzen. Der ihrer Beschäftigten zu schützen. Computern oder sonstwie betreiben. Außer- Bericht soll im Herbst veröffent- dem müssen sie die „Rechte der betroffenen licht werden. § 26 Abs. 1 BDSG erlaubt es Arbeitgebern, Personen“ beachten, was u. a. bedeutet, dass personenbezogene Daten zu speichern und zu Beschäftigte die Löschung von Daten verlangen W Aussichten auf verarbeiten, wenn die nötig sind, um Arbeits- können. Der betrieblich bestellte Datenschutz- Personalrätepreis verträge, Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge beauftragte (§ 38 BDSG) hat keine Kontroll- Im November wird entschie- oder gesetzliche Bestimmungen einzuhalten. befugnis im Betriebsrats- oder Personalratsbüro, den, wohin der Personalrätepreis Auch der Betriebsrat bzw. Personalrat hat An- wie das Bundesarbeitsgerichts klargestellt hat. 10 dieses Jahr geht. Nominiert sind spruch auf personenbezogenen Daten, wenn er b auch zwei Universitäten: Die sie braucht, um seine Informations- und Beteili- ver.di b+b – Bildung und Beratung TU Dresden und die Universität gungsrechte wahrzunehmen. Er darf diese Koblenz-Landau. Wir drücken die Daten auch weitergeben, um seine Aufgaben Seminare dazu: Daumen! ordnungsgemäß durchzuführen. www.verdi-bub.de/digitalisierungsseminare
Studentische Beschäftigte M E L D U N G E N W Abrüsten statt TV-Stud aufrüsten ver.di unterstützt die Initiati- ve „Abrüsten statt aufrüsten“. macht Schule Gegenwärtig läuft eine Unter- schriftenkampagne, mit der der Militätetat erst einmal eingefro- ren werden soll; die Bundes- Arbeitsbedingungen von studentischen Beschäf- regierung plant gegenwärtig Foto: Berliner Studierende*r tigten kreativ und lautstark zum Thema gemacht eine Verdopplung des Wehretats werden. Bereits seit einigen Jahren engagieren (https://abruesten.jetzt/). Wer sich Betroffene und Gewerkschaften für die Ver- im Gewerkschaftshaus oder im besserung der Situation. Im vergangenen Winter- Betriebsratsbüro Kampagnen- semester führte die DGB-Hochschulgruppe eine plakate aufhängen will, kann sie Befragung durch. Dabei wurden Mängel insbe- bestellen bei sondere bei Urlaubsansprüchen und der Lohn- uwe.woetzel@verdi.de fortzahlung im Krankheitsfall deutlich. Auch bewegt sich die Bezahlung auf Mindestlohn- W Bremer Hochschul- niveau. Hinzu kommen uneinheitliche Vertrags- gesetz novelliert verhältnisse und häufige Befristungen auf wenige Im neuen Bremer Hoch- Der Streik der Berliner Studierenden Monate. (mehr Infos: facebook-Initiative Stu- schulgesetz wurden Tenure- war von Erfolg gekrönt dentisch Beschäftigte Hamburg) Track-Optionen im Bereich des wissenschaftlichen Mittelbaus Das Medieninteresse war mäßig – schließ- Für die Verbesserung dieser Arbeitsverhält- verankert. Das Verfahren eröffnet lich werden bundesweit jährlich 6.000 bis nisse setzt sich inzwischen ein ganzes Netzwerk die Chance, nach einer befriste- 7.000 Tarifauseinandersetzungen geführt. ein. Neben den ver.di-Studis und der DGB-Hoch- ten Bewährungszeit eine Lang- Und doch ist in Berlin etwas ganz Großes schulgruppe ist auch der AStA der Uni Hamburg friststelle zu erhalten. Die Ver- gelungen: Nach zähem Kampf ist der dabei und hat sogar eine neue Projektstelle einge- träge für (Senior)-Researcher Tarifvertrag studentische Beschäftigte (TV richtet. Darüber hinaus engagiert sich die offene und (Senior)-Lecturer sind zu- Stud) unter Dach und Fach: Ab 1. Juli gibt Studi-Gruppe „AGarbeitskampf_uhh“, die aus nächst auf vier Jahre befristet. Es es nun 12,30 € pro Stunde – 1,32 € mehr als einer Uni-Besetzung hervorgegangen ist. Jenseits gibt eine Zielvereinbarung und bisher. Und in den kommenden Jahren der Hochschulwelt gibt es Unterstützung durch frühestens nach zwei Jahren geht es weiter aufwärts. Das spornt Initia- unterschiedliche gewerkschaftliche Akteure – kann der oder die Mitarbeiter*in tiven in Hamburg, Bremen und anderswo unter anderem die ver.di Jugend und den eine Evaluation beantragen. an, ebenfalls Tarifinitiativen aufzubauen. Hamburger DGB. Auch Kolleg*innen von ande- Der Kommission gehört auch ren Statusgruppen an der Universität stellen sich der Personalrat an. VON THOMAS WEISZ hinter die Forderungen. Und im Bundesland Da die Uni Bremen jedoch zu Bremen formiert sich rund um das gewerkschaft- 50% aus Drittmitteln finanziert H ochschulen sind traditionell Orte prekärer Beschäftigung. Hier herrscht eine ausgepräg- te Konkurrenz um die wenigen Stellen, die Hierar- liche Hochschul-Informations-Büro an der Uni- versität ebenfalls eine offene Gruppe, die sich für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte wird und bei Grundmitteln hoff- nungslos unterausgestattet ist, besteht die Gefahr, dass es nur chieverhältnisse sind ausgeprägt. Meist sind nur einsetzt. marginale Veränderungen gibt: wenige Beschäftigte gewerkschaftlich organisiert, Der Personalrat fordert 200 Arbeitskämpfe finden hier selten statt. Die Tarif-Initiativen in den beiden großen Tenure-Track-Stellen, die Uni- Hansestädten stehen zwar noch am Anfang – versitätsleitung will lediglich Und doch ist es den Kolleg*innen in Berlin doch der Erfahrungsaustausch mit Berliner Enga- 30 einrichten. gelungen,1000 studentische Beschäftigte neu zu gierten gibt Rückenwind. Um den Aufbau von organisieren, einen ausdauernden Arbeitskampf Strukturen zu erleichtern, erarbeitet die Bundes- W Aktionswoche zu führen und am Ende gegen den vehementen arbeitsgruppe Studierende in ver.di momentan „Gutes Studium“ Widerstand der Hochschulleitungen einen neuen eine Broschüre. Die soll den Berliner Arbeitskampf Vom 19. bis 20. Oktober fin- Tarifvertrag durchzusetzen. Das Berliner Beispiel beleuchten, seine Vorgeschichte und die Erfolgs- det eine Aktivenkonferenz in zeigt, dass studentische Beschäftigte solidarisch faktoren beschreiben und Tipps und Anregungen Hattingen statt. Dort soll die zusammenstehen und erfolgreiche Arbeitskämpfe für den Aufbau von Tarif-Initiativen geben. Aktionswoche „Gutes Studium“ sogar im Wissenschaftsbereich möglich sind. vorbereitet werden, die ab dem 11 (mehr Infos: https://tvstud.berlin/) Wir haben noch viel vor uns auf dem Weg zu 3. Dezember an möglichst vielen einem bundesweiten Tarifvertrag für studentische Hochschulen laufen soll. In der Hansestadt Hamburg erzeugte der Beschäftigte. Deshalb freuen wir uns über neue www.dgb-seminare.de/semi- Tarifabschluss in Berlin einen starken Impuls: Zu Mitstreiter*innen! Schafft ein, zwei, viele TV- nare/aktivenkonferenz/ Beginn des Wintersemesters sollen auch hier die Stud! b
Mindestlohn / Studentenwerk DER „BESONDERE“ W ver.di und DAA schließen Kollektivvertrag sui generis Am 30. April 2018 unter- Mindestlohn in der zeichneten DAA und ver.di eine „Kollektivvereinbarung sui generis“ (zum Begriff: siehe Weiterbildung steigt unten). Damit ist der Streit um die Tariffähigkeit der DAA GmbH Stufe 1 (unter Niveau 6 DQR) 39 Std./Woche 40 Std./Woche beigelegt, der rechtsfreie Zu- stand beendet. Für Entgelt, allge- 01.01.2019: 3,00 % (15,72 €/h) 2.665,67 € 2.734,02 € 01.01.2020: 3,00 % (16,19 €/h) 2.745,37 € 2.815,76 € meine Anstellungsbedingungen, 01.01.2021: 3,00 % (16,68 €/h) 2.828,46 € 2.900,99 € Eingruppierungen, Vorteils- 01.01.2022: 3,00 % (17,18 €/h) 2.913,25 € 2.987,95 € regelungen für ver.di-Mitglieder, Jahressonderzahlungen – kurz in summa + 12,55 % + 1,92 € + 325,58 € + 333,93 € über alles, was üblicherweise Stufe 2 (Niveau 6 DQR und höher) 39 Std./Woche 40 Std./Woche in Tarifverträgen geregelt ist, 01.01.2019: 3,50 % (15,79 €/h) 2.677,54 € 2.746,91 € treffen ver.di und DAA jeweils 01.01.2020: 3,75 % (16,38 €/h) 2.777,59 € 2.848,81 € Vereinbarungen sui generis. 01.01.2021: 3,90 % (17,02 €/h) 2.886,12 € 2.960,12 € 01.01.2022: 4,00 % (17,70 €/h) 3.001,42 € 3.078,38 € Die Arbeits- und Einkom- in summa: + 16,03 % + 2,44 € + 413,75 € + 424,36 € mensbedingungen werden künf- tig zwischen der ver.di-Tarif- Teilzeitkräfte können über folgende Formel ihren künftigen Lohn ermitteln: kommission und DAA GmbH ver- Mindeststundenvergütung x vereinbarte regelmäßige Wochenarbeitszeit x 4,348 handelt. Eine Friedenspflicht gilt zu keinem Zeitpunkt. Die DAA hat gegenüber ver.di zugesagt, die vereinbarten Verhandlungs- D er Mindestlohn für das pädagogische Per- sonal in der SGB II/III geförderten Weiter- bildung steigt ab 2019 deutlich. Dabei wird diffe- staatlich anerkannte Erzieher*in, Sozialpäda- gog*in, geprüfte*r Fachkaufmann/ Fachkauffrau, geprüfte*r Fachwirt*in oder geprüfte*r Aus- und ergebnisse rechtsverbindlich für renziert, welche Qualifikation die Unterrichtenden Weiterbildungspädagog*in. die Arbeitnehmer*innen umzu- mitbringen. Ausschlaggebend für die Zuordnung setzen. Bald wird die Tarifkom- zu einer der beiden Stufen ist der Deutsche Es ist gelungen, eine schrittweise Annäherung mission Forderungen für die Qualifikationsrahmen (DQR). Darin haben Bun- zum TVöD zu erzielen. Zum Vergleich: Sozial- anstehenden Gehaltsverhand- desministerium für Bildung und Forschung pädagog*innen im Öffentlichen Dienst erhalten lungen beschließen. (BMBF) und Kultusministerkonferenz (KMK) die seit 1. März 2018 ein Einstiegsgehalt von monat- Qualifikationen verschiedenen Niveaus zugeord- lich 2.933,26 €. Die Tarifvertragsparteien stellen net. Beschäftigte, die mindestens über einen nun gemeinsam beim Bundesarbeitsministerium Abschluss mit dem DQR-Niveau 6 verfügen, steht einen Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit. b „Sui generis“ Stufe 2 zu. Dazu zählen insbesondere folgende „Sui generis“ ist lateinisch und Abschlüsse: Meister*in/Techniker*in, Bachelor, Anne Voß/Dirk Heitmann heißt übersetzt „eigene Art“. Im Zusammenhang mit Verträgen Gemeinsam nach vorn schauen Foto: ver.di werden damit Abkommen be- zeichnet, die nicht den üblichen Immer wieder ziehen ver.di und das Deutsche Studen- Vertragstypen im Bürgerlichen tenwerk (DSW) an einem Strang. So hatte die ver.di Gesetzbuch (BGB) entsprechen. Kampagne „BILDUNG KOSTET“ im sächsischen Landtags- So ist Leasing als Vertragsform wahlkampf durchschlagenden Erfolg. Mit Unterstützung weder ein Kauf- noch Miet- der Geschäftsführungen der Studentenwerke und des vertrag und im BGB nicht vor- DSW gelang es, die staatlichen Zuschüsse für die – nicht gesehen. Dasselbe gilt etwa für nur in Sachsen – chronisch unterfinanzierte Studenten- „Integrationsvereinbarungen“. werke erheblich zu erhöhen. In Rheinland-Pfalz konnte die Somit handelt es sich um Ver- Bezahlung der Erzieher*innen nach den Regelungen für träge der „besonderen“ Art. den Sozial- und Erziehungsdienst im Öffentlichen Dienst Auch bei EU-Institution spre- durchgesetzt werden. Wieder ein Erfolg: Die Große Koa- 12 chen Rechtswissenschaftler von (v.l.n.r.) Ulrich Hempe, Sprecher BAG Studentenwerke; lition will künftig studentisches Wohnen mit Bundes- Gebilden „sui generis“, da sie Anne Voß, Leiterin BAG Studentenwerke; Achim mitteln finanziell unterstützen. Aber nicht alles läuft rund weder Bundesstaat noch Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen in der Zusammenarbeit. Es hapert unter anderem an der Staatenbund, sondern völker- Studentenwerkes; Ute Kittel, Bundesfachbereichs- Qualifizierung der Mitarbeiter*innen, die Entgeltgruppe 1 rechtlich einzigartig sind. leiterin sowie Reinhard Dudzig, stellv. Sprecher BAG bleibt vielerorts ein Problem. Punkte, die wir gemeinsam angehen. Wir bleiben im Gespräch. b
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