UNESCO - Deutsche UNESCO-Kommission

Die Seite wird erstellt Gunnar Weber
 
WEITER LESEN
UNESCO - Deutsche UNESCO-Kommission
Umschlag:Layout 1   23.05.2008   21:47   Seite 1

                                                                                                                              1|2008

                                                                            UNESCO
                                                                                heute
                                                                            ZEITSCHRIFT   DER   DEUTSCHEN UNESCO-KOMMISSION

                                                   Inhalt

                                                     ➜ Moderne Wissens-
                                                       gesellschaften und
                                                       die Versprechen
                                                       des Internets

                                                     ➜ Medienkompetenz
                                                       und Lernen im
                                                       Internet

                                                     ➜ Projektbeispiele

                                                    Wissen im Web
                                                     ➜ Interview mit
                                                       Peter Schaar:
                                                       Datenschutz im
                                                       Internet

                                                     ➜ Beiträge von
                                                       Bernd Bischoff
                                                       Abdul Waheed Khan
                                                       Barbara Lison
                                                       Celina Ramjoué
                                                       Andreas Vogel
UNESCO - Deutsche UNESCO-Kommission
Umschlag:Layout 1    23.05.2008     21:43   Seite 2

                                                                                                                                                                                                                                                                                             © ZKM, Foto: ONUK
                                                                                                                                        © ZKM, Foto: ONUK
                                                                                                                                                            Außenansicht des ZKM
        Nam June Paik: Internet Dream, 1995, Videoinstallation

                                                                                                                                                                                                                                                                                              © ZKM, Foto: ONUK
                                                                                                                                        © ZKM, Foto: ONUK

        Mogens Jacobsen: Hørbar/Audiobar, 2007, interaktive Klanginstallation                                                                               Ausstellungsansicht

        Mit der Ausstellung »YOU_ser. Das Jahrhundert des Konsumenten« thematisiert das ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie
                                                                                                                                                            Das ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe zeigt bis 6. Januar 2009 die Ausstellung »YOU_ser. Das Jahrhundert des
        Karlsruhe die Weiterentwicklung der Interaktivität in den globalen Weiten des Web 2.0. Eindrücke der Ausstellung vermitteln
                                                                                                                                                            Konsumenten«
        die Fotos in diesem Heft. Informationen zur Ausstellung auf Seite 72.
UNESCO - Deutsche UNESCO-Kommission
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd     23.05.2008   21:10   Seite 1

                                                                                       UNESCOheute                1|2008      1

        Editorial
        Liebe Leserinnen und Leser,

        Wissen wird immer mehr zur entscheidenden Res-              von »Wissen im Web« auf. Der Schwerpunkt liegt
        source für Wohlstand und die Freiheit, über Lebens-         dabei auf der Bildung im Internetzeitalter.
        optionen entscheiden zu können. Wissen ist eine
        wesentliche Grundvoraussetzung für demokratische            Mit einer kritischen Bestandsaufnahme zum Wandel in
        Mitwirkung. Diese Erkenntnis hat schon vor mehr als         Wissenserwerb und -vermittlung durch das Internet
        60 Jahren die Mütter und Väter der UNESCO be-               und zur Rolle der UNESCO bei der Förderung von
        wogen, das Konzept des Wissenszugangs als zentrales         Wissensgesellschaften leitet Abdul Waheed Khan
        Element in der Verfassung der Organisation zu ver-          dieses Heft ein. Andreas Vogel stellt mit dem Bericht
        ankern. Heute ist es so wichtig wie nie zuvor. Daher ist    der Expertenkommission »Bildung mit neuen Medien«
        es nur folgerichtig, dass die UNESCO die Förderung          aktuelle politische Überlegungen in Deutschland vor.
        moderner Wissensgesellschaften, in denen der Zugang         Gabi Reinmann und Hermann Engesser beschäftigen
        zu Information und Bildung ebenso verwirklicht ist wie      sich mit den Begriffen Information, Wissen und
        Meinungsfreiheit und kulturelle Vielfalt, als eine ihrer    Bildung im Internetzeitalter.
        wichtigsten Aufgaben ansieht. Andere haben das
        übrigens auch erkannt, nicht zuletzt der Weltgipfel         Wie verändert das Internet das Lernen in verschiede-
        Informationsgesellschaft, in den die UNESCO dieses          nen Bildungsstufen? Die Artikel von Dirk Frank und
        Konzept mit Erfolg eingebracht hat – ein wichtiger          Michael Schopen, Uwe Hochmuth und Michael
        Schritt.                                                    Mangold, Rolf Schulmeister sowie Friedrich W. Hesse
                                                                    und Maike Tibus beschäftigen sich mit dem Einsatz
        Am 30. April 2008 feierte das frei zugängliche Internet     des Internets in Schule, Berufsbildung, Hochschule
        seinen 15. »Geburtstag« – so lange erst gibt es             und im informellen Bereich. Celina Ramjoué stellt
        Browser für das World Wide Web. Inzwischen nutzen           Chancen und Herausforderungen des »Open Access«-
        1,3 Milliarden Menschen weltweit das Internet, ein          Modells vor, das kostenlosen Zugang zu Forschungs-
        Fünftel der Weltbevölkerung. Ganz zweifellos birgt das      ergebnissen ermöglichen soll. Welche Rolle spielen
        Internet enorme Potenziale für den Aufbau von Wis-          heute Bibliotheken beim Lernen auf allen Bildungs-
        sensgesellschaften. Es ermöglicht technisch die welt-       stufen? Sie sichern als öffentliche Institution Zugang
        weite Verbreitung von Information und Wissen und die        zu allen Medienformen und Inhalten für die Zivilgesell-
        globale Vernetzung von Individuen und Interessen-           schaft, so das Fazit von Barbara Lison.
        gruppen. Der Umfang der im Internet veröffentlichten
        Informationen wächst rasant, zahllose innovative An-        Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit
        gebote ermöglichen dem Nutzer Zugang zu Wissen.             das Internet den Aufbau von Wissensgesellschaften
        Immer mehr Universitäten machen Lernangebote und            voranbringt? Mit den Online-Enzyklopädien Wikipedia
        Forschungsergebnisse online zugänglich. Die freie           und Meyers Lexikon Online stellen Arne Klempert und
        Online-Enzyklopädie Wikipedia umfasst zurzeit mehr          Bernd Kreissig zwei Modelle zur Qualitätssicherung
        als zehn Millionen von Internetnutzern verfasste Artikel    vor. Dirk Lewandowski beschäftigt sich mit dem wohl
        in 200 Sprachen.                                            wichtigsten Schlüssel zum Internet, den Suchmaschi-
                                                                    nen, die heute wesentlich darüber entscheiden,
        Doch inwiefern realisiert sich dieses Potenzial des         welche Informationen als wichtig wahrgenommen
        Internets zur Förderung von Wissensgesellschaften           werden. »Wir brauchen nicht mehr und nicht weniger
        tatsächlich? Was können Internetangebote dabei leis-        als eine neue Datenschutzkultur«, so das Fazit des
        ten, was nicht? Wie verändert das Internet Strukturen       Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die
        des Wissenserwerbs und der Wissensvermittlung?              Informationsfreiheit Peter Schaar im Interview mit
        Wie kann die Qualität von Informationen im Web              UNESCO heute. Was bedeutet Medienkompetenz
        gesichert werden? Welche Kompetenzen muss der               heute und wie ist es um die tatsächlichen Kompetenzen
        Nutzer erwerben? Dieses Themenheft von UNESCO               der Nutzer bestellt? Diesen Fragen gehen Dorothee M.
        heute zeigt Trends, Chancen und Herausforderungen           Meister und Bianca Meise nach. Debora Weber-Wulff
UNESCO - Deutsche UNESCO-Kommission
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd         23.05.2008   21:10    Seite 2

   2 UNESCOheute                         1|2008

     setzt sich mit der unter Lernenden weit verbreiteten              Repräsentativität noch Vollständigkeit. Es handelt sich
     »Copy & Paste-Mentalität« auseinander.                            um Projekte, die uns beispielhaft und inspirierend er-
                                                                       scheinen, mit vielen von ihnen arbeitet die DUK auf
     Das Heft schließt mit neuen Chancen, die das Internet             die eine oder andere Weise zusammen. Sehr herzlich
     zur Förderung wichtiger Anliegen der UNESCO eröff-                danken wir dem Zentrum für Kunst und Medientech-
     net. Carl Philipp Burkert beschreibt Konzepte der                 nologie in Karlsruhe, das uns eine Auswahl großartiger
     politischen Bildung im Internet. Walter F. Kugemann               Fotos aus seiner Ausstellung »YOU_ser. Das Jahrhun-
     und Bernd Bischoff zeigen auf, dass das Internet die              dert des Konsumenten« zur Bebilderung des Heftes zur
     Bildung benachteiligter Gruppen und die Integration               Verfügung gestellt hat. Wie der Lernende im Web 2.0.
     von Migranten in erheblichem Maße voranbringen                    immer häufiger auch Produzent von Wissen ist, kann
     kann. Welche Entwicklungsmöglichkeiten der Einsatz                der Besucher dieser anregenden Ausstellung die Inhalte
     von Informations- und Kommunikationstechnologien                  der web-basierten Kunstwerke selbst bestimmen.
     Entwicklungsländern eröffnen kann, aber auch, welche
     Schwierigkeiten damit verbunden sind, legen Günter                »Information and communication technologies have a
     Podlacha und Til Schönherr dar.                                   central role to play in the quest for development, dignity
                                                                       and peace«, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon im
     Eine über das Heft verteilte Auswahl von Projektbei-              Februar 2007 – und fast unwillkürlich möchte man hin-
     spielen zeigt, wie Wissensgesellschaft durch das                  zufügen »…and in the quest for knowledge«. In diesem
     Internet ganz konkret und tagtäglich gestaltet wird.              Sinne wünschen wir Ihnen eine inspirierende Lektüre.
     Diese Auswahl beansprucht selbstredend weder
                             Foto: DUK

                                                                                               Foto: DUK

     Jörg Tauss, Vorsitzender des Fachausschusses                      Dr. Barbara Malina, Referentin für Bildung und
     Kommunikation und Information der DUK,                            Kommunikation / Information der DUK
     Mitglied des Bundestages
UNESCO - Deutsche UNESCO-Kommission
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd          23.05.2008       21:10       Seite 3

                                                                                                                                                                           3

                                                     Inhalt

                                                     UNESCO heute
                                                     Nr. 1/2008 (1. Halbjahr)

                                                     Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
                                                     Jörg Tauss / Barbara Malina

                                                     Moderne Wissensgesellschaften und die Versprechen des Internets . . 5
                                                     Abdul Waheed Khan

                                                     »Web 2.0: Strategievorschläge zur Stärkung von Bildung
                                                     und Innovation in Deutschland« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
                                                     Zum Bericht der Expertenkommission »Bildung mit neuen Medien«
                                                     Andreas Vogel

                                                     Wissen und Information im Zeitalter des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . 12
                                                     Gabi Reinmann

                                                     Bildung im Stand-by-Modus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
                                                     Zum Bildungsbegriff im Internetzeitalter
                                                     Hermann Engesser

                                                     Vom Hilfsmittel zur Lernumgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
                                                     Digitale Medien in der Schule
                                                     Dirk Frank / Michael Schopen

                                                     Niederschwelliger Zugang zu beruflicher Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . 23
                                                     Welche Chancen bietet das Web 2.0?
                                                     Uwe Hochmuth / Michael Mangold

                                                     E-Learning im Studium: Schwachstellen ausgleichen . . . . . . . . . . . . . 27
                                                     Rolf Schulmeister

                                                     Informelles Lernen im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
                                                     Perspektiven aus lernpsychologischer Sicht
                                                     Friedrich W. Hesse / Maike Tibus

                                                     Open Access . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
                                                     Den Zugang zu Forschungsergebnissen fördern
                                                     Celina Ramjoué

        Titelfoto: PIPS:lab. Luma2solator, 2004,     Die Rolle der Bibliotheken im Internetzeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
        interaktive Nutzer-Installation              Barbara Lison
        Foto © PIPS:lab
UNESCO - Deutsche UNESCO-Kommission
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd                     23.05.2008         21:10      Seite 4

   4 UNESCOheute                               1|2008

     Qualitätssicherung im Netz: das Beispiel Online-Enzyklopädien
     Arne Klempert: die Online-Enzyklopädie Wikipedia . . . . . . . . . . . . . . 41
     Bernd Kreissig: Meyers Lexikon online . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

     Informationen finden im Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
     Der Einfluss von Suchmaschinen
     Dirk Lewandowski

     »Wir brauchen nicht mehr und nicht weniger als
     eine neue Datenschutzkultur« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
     Interview mit dem Bundesbeauftragten für den
     Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar

     Medienkompetenz als lebenslange Herausforderung . . . . . . . . . . . . . 53
     Dorothee M. Meister / Bianca Meise

     »Wieso, im Internet ist doch alles frei?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
     Copy & Paste-Mentalität unter Lernenden
     Debora Weber-Wulff

     Politische Bildung im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
     Carl Philipp Burkert

     Informationstechnologie und Bildung für benachteiligte Gruppen . . . 62
     Walter F. Kugemann

     »E-Inclusion« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
     Integration von Migranten mithilfe des Internets
     Bernd Bischoff

     E-Learning und Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
     Verringerung der digitalen Kluft
     Günter Podlacha / Til Schönherr

     Vernetzung von Kunst und Neuen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
     Das ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe

     Impressum
     UNESCO heute (ISSN 0937-924X)                            Redaktion:                                            Layout: MediaCompany GmbH
                                                              Antonie Curtius, Dr. Barbara Malina
     Herausgeber:                                                                                                   Satz und Druck: Medienhaus Plump,
                                                              (verantwortlich) und Kurt Schlünkes
     Deutsche UNESCO-Kommission e.V.                                                                                Rheinbreitbach
     Präsident: Walter Hirche                                 Redaktionelle Kürzungen, Bildauswahl,
                                                                                                                    Auflage: 6.500
     Vizepräsidenten: Dr. Verena Metze-                       Überschriften und Veröffentlichung
     Mangold, Prof. Dr. Hermann Schäfer                       der eingesandten Artikel bleiben der                  UNESCO heute wird auf chlorfrei
     Generalsekretär: Dr. Roland Bernecker                    Redaktion vorbehalten. Namentlich                     gebleichtem Papier gedruckt.
                                                              gekennzeichnete Artikel geben nicht
     Redaktionsanschrift:
                                                              immer die Meinung der Redaktion                       unesco heute online
     Colmantstraße 15, 53115 Bonn
                                                              wieder.                                               www.unesco-heute.de
     Telefon (0228) 60 497-0
     Fax (0228) 60 497-30                                     Erscheint halbjährlich. Bezug und
                                                                                                                    UNESCO heute wird vom Auswärtigen
     E-Mail: sekretariat@unesco.de                            Abdruck frei.
                                                                                                                    Amt der Bundesrepublik Deutschland
     www.unesco.de                                            Quellenangabe: UNESCO heute.
                                                                                                                    unterstützt.
                                                              Belegexemplar erbeten.

                                                              Kostenlose Abonnements an Privat-
                                                              anschriften werden auf ein Jahr
                                                              befristet.
UNESCO - Deutsche UNESCO-Kommission
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd            23.05.2008         21:10   Seite 5

                                                                                                                                        5

                                                                                                                                        © PIPS:lab, Foto: PIPS:lab
        PIPS:lab. Luma2solator, 2004, interaktive Nutzer-Installation

        Abdul Waheed Khan
        Moderne Wissensgesellschaften
        und die Versprechen des Internets
        Die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien während der letzten Jahr-
        zehnte hat die Voraussetzungen für den Aufbau moderner Wissensgesellschaften grundlegend verändert. Das
        Internet scheint sich als Medium par excellence zur globalen Informationsverbreitung und Kommunikation
        herauszubilden – aber trägt es tatsächlich dazu bei, Wissensgesellschaften aufzubauen und zu fördern?
        Welchen Chancen und Herausforderungen sehen wir uns gegenübergestellt, und wie kann die UNESCO an
        der Gestaltung moderner Wissensgesellschaften mitwirken?

        Das letzte Jahrhundert war vom Sie-             lutionierte: das Internet. Am 30. April   damals bezeichnete Tim Berners-Lee,
        geszug verschiedenster Technologien             1993 wurde das World Wide Web             der Erfinder des World Wide Web,
        zur Informations- und Wissensver-               offiziell freigegeben. Damit hatte sich   das neue Netzwerk als »Medium für
        breitung geprägt, wie dem Telegra-              das Internet als Massenmedium             die menschliche Kommunikation:
        phen, dem Telefon, dem Radio, dem               durchgesetzt. Es ermöglichte eine bei-    Kommunikation durch Austausch von
        Computer. Doch erst im letzten Jahr-            spiellose Integration verschiedenster     Wissen« (www.w3.org/1998/02/
        zehnt kam ein gänzlich neuartiges Me-           Dienstleistungen in ein und dieselbe      Potential.html).
        dium auf, das die gesamte mensch-               Technik und markierte den Beginn
        liche Kommunikation in noch nie                 einer neuen Ära der Kommunikation         Der Aufstieg des Internets rief
        dagewesener Art und Weise revo-                 und Wissensvermittlung. Schon             enthusiastische Reaktionen von
UNESCO - Deutsche UNESCO-Kommission
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd   23.05.2008    21:10    Seite 6

   6 UNESCOheute                1|2008

                                            Computerspezialisten, Theoretikern          Tunis abgehalten wurde. Aus der
                                            und Politikern hervor. Aber es waren        Überzeugung heraus, dass jeder, und
                                            vor allem die normalen Nutzer, die mit      ganz besonders Minderheiten und
                                            Begeisterung die neue Technologie           Randgruppen, von den Möglichkeiten
                                            des WWWs mit seinem immer grö-              der Informations- und Kommunika-
                 Eine neue Ära der          ßeren Netz aus untereinander ver-           tionstechnologien und speziell des In-
               Kommunikation und            linkten Dokumenten, Bildern und             ternets profitieren können, bestand
               Wissensvermittlung           anderen Quellen und die weiteren            allgemeiner Konsens über den drin-
                                            Dienste des Internets, wie E-Mail,          genden Bedarf, den Zugang zu Infor-
                                            gemeinsamer Datenzugriff und In-            mationsinfrastrukturen und -tech-
                                            stant-Messaging, aufnahmen. Die Zahl        nologien zu verbessern. Neben der
                                            der Internetnutzer stieg von ein paar       Zugangsfrage sahen die Vertreter der
                                            Vereinzelten zu Beginn der 1990er           am Weltgipfel teilnehmenden Staaten
                                            Jahre auf bereits 16 Millionen im Jahr      die größte Herausforderung jedoch
                                            1995 und über 300 Millionen zum             darin, die Kompetenzen auszubilden,
                                            Jahrtausendwechsel. Laut Internet           die zur Nutzung dieser Technologien
                                            World Statistics beträgt die Anzahl         nötig sind. Zudem sollten sowohl die
                                            der Internetnutzer inzwischen über          Sicherheit und das Vertrauen in diese
                                            1,3 Milliarden, das entspricht einem        Technologien verstärkt werden, als
                                            Fünftel der Weltbevölkerung.                auch der Respekt vor der kulturellen
                                                                                        Vielfalt im Netz gewährleistet und die
                                            Das Mandat der UNESCO                       ethischen Dimensionen der Informa-
                                                                                        tionsgesellschaft stärker berücksich-
                                            Die UNESCO erkannte frühzeitig das          tigt werden.
                                            enorme Potenzial des neuen Me-
                                            diums. Aufgrund der vereinfachten           Die Informations- und
                                            Möglichkeit, neue Informationen zu          Wissenskluft
                                            produzieren, zu bewahren und zu ver-
                                            breiten, erschien das Internet als das      Genau fünfzehn Jahre nach der of-
                                            ideale Mittel zur Umsetzung des             fiziellen Einführung des World Wide
                                            UNESCO-Mandats, »den freien Aus-            Web und einige Jahre nach dem Welt-
     Die »Informationskluft«                tausch von Ideen durch Wort und Bild        gipfel liegt noch ein weiter Weg bis
     zwischen Industriestaaten              zu erleichtern« und durch »freien           zum gleichen Zugang zu Information
     und Entwicklungsländern:               Meinungs- und Wissensaustausch die          und Wissen in allen Ländern vor uns.
                                            Beziehungen zwischen den Völkern zu         Das Potenzial des Internets als welt-
     • Nur sechs Prozent der                entwickeln und zu vertiefen« (Ver-          weites Kommunikations- und Infor-
       afrikanischen Bevölkerung            fassung der UNESCO, Präambel und            mationsmedium, das die Verbreitung
       besitzen ein Fernsehgerät,           Artikel I.2). Die hohe Interaktivität des   von Wissen vereinfacht, ist noch lan-
       nur jeder fünfte Afrikaner           neuen Mediums erlaubte nicht nur            ge nicht überall verwirklicht.
       besitzt ein Radio.                   deutlich mehr Nutzern, auf Inhalte
                                            zuzugreifen und an deren Gestaltung         Dabei konnten wir in den letzten Jah-
     • 80 Prozent der Bevölkerung
                                            mitzuwirken, als das bei traditionellen     ren immer häufiger feststellen, wie
       in Europa haben Zugang
       zu nationalen Zeitungen,             Medien der Fall war. Es bot vor allem       stark die globale Entwicklung von der
       während es in Afrika,                die Möglichkeit, die ganze Welt mit-        Fähigkeit abhängt, Information und
       Lateinamerika und vielen             einander zu vernetzen. Dies ließ die        Wissen effektiv zu produzieren, zu
       Teilen Asiens weniger als            Vision eines universellen Ideen- und        verbreiten und zu nutzen. Jenseits der
       25 Prozent sind, in manchen          Wissensaustauschs zwischen Men-             unbestreitbar wichtigen Rolle der
       Ländern nicht einmal zwei            schen aller Völker der Welt, unge-          Technologien sind Informationsmana-
       Prozent.                             achtet ihrer Sprache und Kultur, ihres      gement und Wissenserwerb von
                                            Alters und sozialen Status’, in greif-      wachsender Bedeutung für die glo-
     • In vielen Entwicklungs-              bare Nähe rücken.                           bale Wettbewerbsfähigkeit jedes
       ländern liegt der Anteil
                                                                                        Landes.
       der Bevölkerung, der
                                            Formale Anerkennung erhielten diese
       Zugang zum Internet hat,
       bei weniger als einem                Versprechen während des UN-Welt-            Viele Entwicklungsländer im asiati-
       Prozent.                             gipfels zur Informationsgesellschaft        schen Raum und einige afrikanische
                                            (World Summit on the Information            Länder holen jetzt erst auf. Sie sind
                                            Society), der 2003 in Genf und 2005 in      auf dem Weg, ihren Bürgern einen
UNESCO - Deutsche UNESCO-Kommission
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd         23.05.2008   21:10   Seite 7

                                                                                                                                        7

        besseren Zugang zu neuen und alten          systemen, die uns weit über die
        Medien und damit den Empfang und            klassischen, auf Mensch-Maschine-
        die Weitergabe von Informationen zu         Interaktion beruhenden Netzwerk-
        ermöglichen. Andere Länder allerdings       systeme hinausbefördert.
        geraten aufgrund des mangelnden
        Zugangs zu Information, Wissen und          Parallel dazu gewinnen Netzwerk-          Das Internet als Mittel zur
        technischem Know-how immer                  gemeinschaften immer mehr an Be-          Umsetzung des UNESCO-
        stärker ins wirtschaftliche Abseits.        deutung. So erlebt die zweite Gene-       Mandats, durch »freien
                                                    ration der Web-Technologie, das Web       Meinungs- und Wissens-
        Die Kluft zwischen Industriestaaten         2.0, einen raschen Aufstieg. Mit Hilfe    austausch die Beziehungen
        und Entwicklungsländern besteht wei-        von Plattformen wie Wikipedia inter-      zwischen den Völkern zu
        terhin und geht weit über den schlich-      agieren Internetnutzer miteinander        entwickeln und zu
        ten Zugang zu Informationstechnolo-         und unterstützen sich gegenseitig im      vertiefen«.
        gien und zum Internet hinaus. Sie be-       Aufbau von neuem Wissen, indem sie
        trifft vielmehr alle vier Elemente, die     beständig Informationen austauschen,
        für die UNESCO Bausteine von Wis-           sammeln und korrigieren. In virtuellen
        sensgesellschaften darstellen:              sozialen Netzwerken entstehen neue
        Wissensaufbau, Wissenserhaltung,            Formen des Datenaustauschs und der
        Wissenserwerb und Wissensaus-               kreativen Zusammenarbeit.
        tausch. Das UNESCO-Konzept der
        Wissensgesellschaften ist noch lange
        nicht Wirklichkeit geworden, zu-
        mindest in den meisten Teilen der            Demokratiebildung
        Welt.                                        im Internet weltweit
        Dieses Konzept beruht auf einer soli-
                                                     www.dadalos.org
        darischen, pluralistischen und ganz-
        heitlichen Sichtweise. Es beinhaltet
        eine klar entwicklungsorientierte Per-       Was bedeutet Demokratie? Welche Menschenrechte gibt es? Wie funktioniert die
        spektive und berücksichtigt die Kom-         EU? Und wie unterrichtet man solche Themen? Auf diese Fragen gibt der interna-
        plexität und Dynamik der aktuellen           tionale UNESCO-Bildungsserver D@dalos Antworten.
        Globalisierungsprozesse. Es beruht
        auf unserer Überzeugung, dass das            Das Projekt ist aus der Zusammenarbeit der deutschen UNESCO-Projektschulen
        Tempo globaler Entwicklungsprozesse          mit Partnerschulen in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens hervorgegangen.
        davon abhängt, inwieweit wir Wis-            1998 beschloss ein deutsches Team den Aufbau des Bildungsservers, um die
        sensklüfte vermindern können. Die            Demokratie- und Friedenserziehung an Schulen in Südosteuropa zu fördern.
        rasanten Veränderungen in der Welt           Heute stehen elf Online-Lehrbücher in neun Sprachen (in allen Sprachen des
        der Informations- und Kommunika-             ehemaligen Jugoslawiens sowie Bulgarisch, Englisch und Deutsch) kostenlos zur
        tionstechnologie, besonders neu auf-         Verfügung: Baukästen, in denen sich Lehrerinnen und Lehrer Hintergrundinfor-
        kommende Technologien wie Handy              mationen und Unterrichtsmaterialien zu den Themen Menschenrechte, Demokratie
        oder Breitband, können uns dabei             und Friedenspädagogik je nach Bedarf aussuchen können. Für Fortbildungen wie
        helfen.                                      zum Beispiel Computerkurse und Seminare zur Politikdidaktik dient die Website
                                                     als wichtigste begleitende Ressource. Über acht Millionen Besucher weltweit
        Weltweit zählen wir heutzutage über          haben sie bisher genutzt. Der Bedarf nach einem zielgruppenspezifischen Angebot
        drei Milliarden Besitzer von Mobil-          im Bereich Demokratieerziehung ist groß.
        telefonen und über eine Milliarde
        Internetnutzer. Beflügelt von den            Der Bildungsserver wurde mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes,
        Kombinationsmöglichkeiten digitaler          der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Deutschen UNESCO-Kommission aufgebaut.
        Technik haben sich alle gängigen Netz-       Die beiden Träger – der Verein Pharos e.V. Stuttgart (www.pharos-online.org) und
        werk- und Servicetechnologien dras-          D@dalos Sarajevo – bemühen sich um eine Erweiterung des Bildungsservers um
        tisch fortentwickelt, indem sie ver-         französische, russische, arabische und chinesische Sprachversionen.
        schiedene Dienste für Video-, Audio-
        und Datenübertragung mit der
        Möglichkeit zur Sprechverbindung
        kombinierten. Damit ist der Weg frei
        für die erste Welle von wirklich
        allumfassenden Kommunikations-
UNESCO - Deutsche UNESCO-Kommission
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd   23.05.2008     21:10    Seite 8

   8 UNESCOheute                1|2008

                                                                                                                                   © Axel Roch/Mehi Yang, Foto: Axel Roch/Mehi Yang
                                            Axel Roch/Mehi Yang. mikrogalleri.es, 2007, interaktive Netz-Plattform

              Aufgrund der immer            Neue Herausforderungen                         »Internet Governance Forum« (www.
         höheren Komplexität des                                                           intgovforum.org) den politischen Dia-
      Internets wächst der Bedarf           Neben den großen Vorteilen bringt der          log über die ethischen Dimensionen
         an Kompetenzen, die wir            technische Fortschritt jedoch neue             des Internets, die Verwirklichung der
                                            Herausforderungen mit sich, denen              Vielsprachigkeit im Internet und die
         brauchen, um von diesen
                                            sich auch die UNESCO stellen muss.             Verbesserung von Nutzungsbedingun-
          Technologien profitieren          Aufgrund der immer höheren Kom-                gen und -kompetenzen.
                      zu können.            plexität des Internets und auch der
                                            anderen Informations- und Kommu-               Die »Kronberger Erklärung«
                                            nikationsmedien wächst der Bedarf an
                                            Kompetenzen, die wir brauchen, um              Im Sommer 2007 diskutierte eine
                                            von diesen Technologien profitieren zu         Expertengruppe auf einem von der
                                            können. Während meist die Frage des            UNESCO und der Deutschen
                                            Zugangs zu digitalen Medien im Fokus           UNESCO-Kommission organisierten
                                            steht, konzentriert sich die UNESCO            Treffen in Kronberg über die Zukunft
                                            eher auf den Inhalt der Informations-          von Wissenserwerb und Wissensver-
                                            medien und die Fähigkeiten der Men-            mittlung in den nächsten fünfund-
                                            schen, Information und Wissen effi-            zwanzig Jahren. Die Teilnehmer hiel-
                                            zient zu nutzen.                               ten fest, dass die Informations- und
                                                                                           Kommunikationstechnologien enorme
                                            Benachteiligte Völker und Gemein-              soziale Veränderungen mit sich brin-
                                            schaften müssen einerseits dazu                gen. Deshalb betont die »Kronberger
                                            befähigt werden, Information zu                Erklärung« (www.unesco.de/
                                            schaffen und langfristig zu bewahren.          kronberg_declaration.html) die
       Die »Kronberger Erklärung«           Andererseits benötigen sie das nötige          Chancen der Bildung durch das In-
       betont die Chancen für die           Know-how für die Nutzung von Tech-             ternet. Es geht darum, die Infor-
                         Bildung.           nologien, die ihnen erlauben, ihre ei-         mations- und Kommunikationstech-
                                            genen und die von anderen bereit-              nologien in den Dienst der modernen
                                            gestellten Informationen abzurufen.            Wissensgesellschaften zu stellen, in
                                            Erst die effektive Verwendung von              denen das Ziel einer Bildung für alle
                                            Informationen führt zum Aufbau von             Menschen im Mittelpunkt steht.
                                            neuem Wissen und damit zu gesell-
                                            schaftlichem Fortschritt. Aus diesem           Es ist zu vermuten, dass Wissens-
                                            Grund wirkt die UNESCO an Aktivi-              erwerb und -weitergabe in Zukunft
                                            täten mit, die den Nutzen des Inter-           immer stärker von technischen Ent-
                                            nets erhöhen sollen. So unterstützt            wicklungen geprägt sein werden und
                                            sie beispielsweise im Rahmen des               Informations- und Kommunikations-
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd       23.05.2008   21:10   Seite 9

                                                                                                                              9

        prozesse daher weiterhin enormen          kürzungen werden Kulturen entweder
        Veränderungen unterworfen sein            homogenisieren oder polarisieren; der
        werden. In den kommenden Jahr-            Zugang zum Internet wird uns entwe-
        zehnten wird die Bedeutung von Fak-       der auseinander treiben oder einander
        tenwissen abnehmen, während es            näher bringen; der Pfad wird uns ent-
        immer wesentlicher wird, sich in          weder zu Neid und Hass führen oder
        einem komplexen System aus Daten          zu Frieden und Einvernehmen.«
        zurechtzufinden, relevante Informa-
        tionen sowohl finden als auch be-         Ich habe großes Vertrauen, dass wir
        werten und kreativ nutzen zu können.      fähig sind, den zweiten Pfad zu wäh-

                                                                                                                                Foto: DUK
        Tim Berners-Lee sah schon vor über        len und alle Möglichkeiten des Inter-
        zehn Jahren voraus: »Das Netz wird        nets zu nutzen, um die »Wissens-
        erhebliche Auswirkungen auf die           kluft« zwischen den Ländern zu                     Abdul Waheed Khan ist
        Märkte und Kulturen der ganzen Welt       schließen und die Grundlagen für                   Beigeordneter General-
        haben: Intelligente Auftraggeber wer-     moderne Wissensgesellschaften                      direktor der UNESCO
        den die Märkte entweder stabilisieren     überall in der Welt zu schaffen.                   für Kommunikation und
        oder destabilisieren; die Distanzver-                                                        Information.

        Andreas Vogel

        Web 2.0: Strategievorschläge
        zur Stärkung von Bildung und
        Innovation in Deutschland
        Zum Bericht der Expertenkommission »Bildung mit neuen
        Medien«

        Ende 2006 berief die Bundesminis-         einer öffentlichen Beteiligung im       wicklung aufzuspüren und auszu-
        terin für Bildung und Forschung           Netz. Web 2.0 ist zur Metapher für      schöpfen.
        (BMBF), Dr. Annette Schavan, eine         neue nutzerbetriebene Internet-
        Expertenkommission zum Thema              anwendungen geworden, die großes        Web 2.0 wird als Herausforderung
        »Bildung mit neuen Medien«. Ziel          Innovationspotenzial versprechen.       und als Chance begriffen. Dabei
        war es, die zukünftige Entwicklung        Das Strategiepapier skizziert wesent-   steigen nicht nur die Anforderungen
        des Internets und seines wachsen-         liche Entwicklungslinien des Web 2.0    an die kommerziellen Anbieter, son-
        den Anwendungspotenzials in Bil-          sowie damit verbundene bildungs-        dern auch an die Nutzer. Der Umgang
        dungskontexten zu untersuchen und         und innovationspolitische Heraus-       mit der neuen Vielfalt muss erlernt
        Handlungsempfehlungen für die För-        forderungen.                            werden. Die Fähigkeit, sich gestal-
        derpolitik des BMBF zu erarbeiten.                                                tend in dieser Welt bewegen zu kön-
        In seinem Bericht »Web 2.0: Strate-       Lehr- und Lernprozesse werden sich      nen, ebenso wie das Vermögen von
        gievorschläge zur Stärkung von Bil-       verändern. Dies gilt insbesondere       Unternehmen und Institutionen, sich
        dung und Innovation in Deutschland«       auch für das informelle Lernen, das     durch Nutzen der Potenziale Wett-
        vom 12. März 2007 setzt sich das 14-      im beruflichen Bereich zunehmend        bewerbsvorteile zu erschließen, er-
        köpfige Expertengremium mit dem           an Bedeutung gewinnt. Die Mit-          fordern eine enge Verzahnung von
        Schub an innovativen Anwendungen          glieder der Expertenkommission sind     Kompetenzentwicklung, Wissens-
        auseinander, den das Internet derzeit     der Ansicht, dass es gerade in der      aneignung und Arbeitsprozessen.
        erfährt. Charakteristisches Merkmal       jetzigen Pionierzeit wichtig ist, im    Auf Bildung und Wissenschaft
        dieser Entwicklung ist die Bildung        Rahmen staatlicher Innovationspro-      kommt hier eine besondere Rolle zu.
        von Communities jedweder Art, also        gramme die Potenziale dieser Ent-       Beide sind originäre Bereiche der
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd         23.05.2008    21:10   Seite 10

 10 UNESCOheute                      1|2008

     Wissensarbeit, die selbst dem tech-         voranbringt, sollte laut der Experten-        der Internet-Technologie für Deutsch-
     nologischen Wandel ausgesetzt sind.         kommission folgende Ziele verfolgen:          land auszuschöpfen, muss eine Viel-
     Nach Ansicht der Experten müssen            • dem Markt für innovative wissens-           zahl von neuen Web-2.0-basierten
     entsprechende Pilotumgebungen ge-             intensive Produkte und Dienst-              Anwendungen für die Wissens-
     schaffen werden, Beispiellösungen             leistungen einen starken Impuls             gesellschaft geschaffen werden.
     entwickelt und die erforderlichen             geben,                                      Erfolgsfaktoren für den Einsatz von
     Kompetenzen aufgebaut werden,               • die durch die Informations- und             Web- 2.0-Anwendungen müssen
     die zur Erprobung neuer Formen der            Kommunikationstechniken und                 identifi-ziert und gestärkt werden.
     Wissensarbeit und des Lernens er-             insbesondere durch Web-2.0                  Dadurch können dann Nutzer zu
     forderlich sind. Der aktuell stattfin-        induzierten Strukturveränderungen           effizienten und effektiven Inter-
     dende technologische Wandel im                beschleunigen,                              aktions- und Kooperationsformen
     Web 2.0 bietet also große Chancen           • neue Formen von Arbeits- und                angeregt werden.
     für die Umsetzung der notwendigen             Qualifizierungsprozessen fördern,
     Innovationen in Bildungsprozessen,          • ein Klima für Innovationen in dem           Nach Meinung der Expertenkommis-
     die wiederum Anstoß für weitere               Wachstumsmarkt der Informations-            sion sind Fördermaßnahmen bevor-
     Innovationen bei Produkten und                und Wissensverarbeitung und                 zugt auf Ziel- und Gesellschaftsgrup-
     Dienstleistungen sein können.                 für die Weiterentwicklung des               pen zu fokussieren, in denen das
                                                   Internets schaffen,                         Potenzial von kollaborativen Arbeits-
     Eine politische Initiative, die eine        • die digitale Spaltung mildern.              formen besonders hoch einzuschät-
     schnelle und breite Anwendung von                                                         zen ist. Wegen der Vorreiterrolle von
     Web-2.0-Techniken und deren                 Die Arbeitsgruppe gibt drei Hand-             Bildung und Wissenschaft in dem
     Weiterentwicklung in Deutschland            lungsempfehlungen. Um Potenziale              Feld der Wissensarbeit sollte auch

                                                                                                                                       © ZKM, Foto: ONUK

     Catalina Ossa/Enrique Rivera. MULTINODE_METAGAME, 2007, interaktive Nutzer-Installation
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd          23.05.2008     21:10   Seite 11

                                                                                                                                            11

                                                                                                                                            © ZKM, Foto: ONUK
        Jeffrey Shaw/Peter Weibel. YOUbiläums Browser, 2007, interaktive Daten-Installation

        der Schwerpunkt der Maßnahmen in
        diesen Bereichen liegen. Flankierend
        dazu ist es aber auch notwendig,
                                                       Lehrer-Online und lo-net² –
        Kompetenzen der Bürger im Umgang               Unterrichten mit digitalen Medien
        mit entsprechenden Technologien zu
        stärken, um so die digitale Spaltung
                                                       www.lehrer-online.de
        abzumildern.
                                                                                    Lehrer-Online ist eine Service- und Informations-
        Um die genannten Handlungsemp-                                              plattform für Lehrerinnen und Lehrer, die digitale
        fehlungen umzusetzen, werden von                                            Medien stärker in den Unterricht einbeziehen
        der Arbeitsgruppe Maßnahmen in                                              möchten. Individuell adaptierbare Unterrichts-
        den Bereichen Leuchtturmprojekte,              materialien, Rezensionen, Linksammlungen und mehr – Lehrer-Online bietet alles,
        Ausarbeitung eines Forschungs- und             was beim Unterrichten mit digitalen Medien hilft und die Vorbereitung erleichtert.
        Innovationsprogramms und Qualifi-              Ergänzend dazu informieren aktuelle Meldungen über Neues aus der Bildungswelt.
        zierung der Nutzer empfohlen. Dabei            Das Projekt wird von der lo-net GmbH betrieben.
        kann nach Ansicht der Experten die
        Initiative Web-2.0 des BMBF einen
                                                       www.lo-net2.de
        substanziellen Beitrag zu Innovatio-
        nen in Deutschland leisten und zur                                          Neben den inhaltlich ausgerichteten Bereichen von
        Qualifizierung im Umgang mit und                                            Lehrer-Online unterstützt die Lern- und Arbeitsplatt-
        über digitale Medien beitragen.                                             form lo-net² den Austausch zwischen Lehrenden und
                                                                                    Lernenden. Bei lo-net² können Schulen sich intern
        Ministerialrat Dr. Andreas Vogel ist           sowie mit anderen Einrichtungen virtuell vernetzen. Erprobte Kommunikations-
        Leiter des Referats »Neue Medien in der        werkzeuge ermöglichen die Einbindung digitaler Medien in den Schulalltag.
        Bildung« im Bundesministerium für
        Bildung und Forschung (BMBF).

        @       Der Bericht der Expertenkommission ist unter www.bmbf.de/pub/expertenkommission_web20.pdf
                abrufbar. Inzwischen ist auf der Grundlage der Empfehlungen auch eine Förderbekanntmachung des
                BMBF erfolgt (www.bmbf.de/foerderungen/12128.php).
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd             23.05.2008      21:10    Seite 12

 12 UNESCOheute                          1|2008

     Gabi Reinmann

     Wissen und Information im
     Zeitalter des Internets

                                                                                                                                               © ZKM, Foto: ONUK
     the Slatelliterates. ZKM_YOUniverse in Second Life, 2007, interaktive Nutzer-Installation (cc) the Slatelliterates, screenshot

     Die Informationsflut im Internet                Wissen – was ist das?                            Und all das ist Wissen? Auf diese
     steigt unaufhörlich. Aber steigt da-                                                             Frage gibt es keine einfache Antwort:
     mit auch die Menge und Qualität                 Wissen – das ist ein Wort, das wir               Manche bestreiten, dass dokumen-
                                                     auch in der Umgangssprache häufig                tierte Forschungsergebnisse und die
     des Wissens der Internetnutzer?
                                                     verwenden: Wir sprechen davon,                   in Wort, Text oder Bild gegossenen
     Was ist der Unterschied zwischen                Wissen in der Schule erworben zu                 Erfahrungen Wissen sind, und ge-
     Information und Wissen, zwischen                haben, und meinen damit Kenntnis-                stehen diesen lediglich den Status
     öffentlichem und personalem                     se, manchmal auch Fähigkeiten. Wir               der Information zu. Diese begriffliche
     Wissen? Der folgende Artikel klärt              gehen davon aus, dass Enzyklopä-                 Unsicherheit schlägt sich auch in der
     die Begrifflichkeiten und fragt,                dien wissenschaftliches Wissen ent-              Kontroverse nieder, ob unsere Gesell-
                                                     halten, und meinen damit dokumen-                schaft eine Wissensgesellschaft oder
     inwieweit Wissen über das Internet
                                                     tierte Ergebnisse des Denkens und                nicht doch (nur) eine Informations-
     vermittelt werden kann.                         Handelns von Forschern aus aller                 gesellschaft ist.
                                                     Welt. Wir sagen, dass wir um die
                                                     Bedeutung einer Sache wissen, und                Die Theorie der Strukturgenese
                                                     meinen damit, verstanden zu haben,               (Seiler 2008) betrachtet die Entste-
                                                     dass etwas wichtig ist. Wenn wir                 hung von Wissen im Menschen
                                                     darauf verweisen, dass uns das Le-               genauer. Danach ist menschliches
                                                     ben wissender macht, meinen wir                  Denken und Handeln weder vor-
                                                     die Erfahrung, die wir sammeln;                  gegeben, noch entsteht es aus einer
                                                     manchmal geben wir diese in Wort,                einfachen und schrittweisen Ab-
                                                     Schrift oder Bild an andere weiter.              bildung von Wirklichkeit. Vielmehr
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd         23.05.2008     21:10    Seite 13

                                                                                                                              13

        konstruiert jedes erkennende Subjekt        lich die zwischen personalem und
        sein Wissen selbst. Erkenntnisstruk-        öffentlichem Wissen.
        turen, die dem Wissen zugrunde lie-
        gen, werden aufgebaut, auf die erfah-       Information und Wissen – wo ist
        rene soziale und gegenständliche            der Unterschied?
        Umwelt angewendet (Assimilation)
        und an das Erfahrene nach und nach          Personales Wissen zeichnet sich da-
        angepasst (Akkomodation). Dieser            durch aus, dass es zunächst nur der
        Vorgang verläuft langsam, kontinu-          jeweiligen Person selbst zugänglich
        ierlich und in Zyklen – ein Leben lang.     ist. Es kann aber unterschiedlich be-
        Dabei beziehen sich Erkenntnisstruk-        schaffen sein und seine Beschaffen-         Ist unsere Gesellschaft
        turen nicht nur auf Wahrnehmen,             heit ändern:                                eine Wissensgesellschaft
        Denken und Problemlösen, sondern            • Ein Teil des personalen Wissens           oder nur eine Informations-
        auch auf das Wollen, Fühlen und               entsteht aus konkretem körper-            gesellschaft?
        wertbezogene Urteilen des Men-                lichen Tun und zeigt sich nur im
        schen.                                        Handeln oder Problemlösen. Dieses
                                                      enaktive Wissen (Handlungswis-
        Nun könnte man an dieser Stelle               sen) ist dem Bewusstsein meist
        einwenden, dass Verständigung zwi-            nicht (mehr) zugänglich, es ist
        schen Menschen unmöglich wird,                »stilles« Wissen und weit davon
        wenn alles Wissen subjektiv kon-              entfernt, sprachlich artikuliert zu
        struiert ist. Man kann in der Tat nicht       werden.
        davon ausgehen, dass jemand genau           • Wissen, das unabhängig von Wahr-
        dieselbe Bedeutung konstruiert, die           nehmungen und Handlungen in der
        ein anderer mit einer Äußerung ge-            Vorstellung aktiviert werden kann,
        meint hat. Die alltägliche Erfahrung          nennt man intuitives oder bildhaftes
        ist voll von Beispielen für eine man-         Wissen. Es ist vorbegrifflich, kann
        gelnde Deckung des Wissens zwi-               ebenfalls noch nicht sprachlich ar-
        schen Personen: man redet aneinan-            tikuliert werden und stützt sich auf
        der vorbei, E-Mails werden fehlge-            bildliche Vorstellungen und erfah-
        deutet, direkte und medienvermittel-          rene Beziehungen.
        te Dialoge laufen aus dem Ruder.            • Für die Entwicklung von Erkennt-
        Dass Verstehen und Austausch                  nistätigkeit ist das begriffliche Wis-
        trotzdem bis zu einem gewissen                sen entscheidend. Dieser Teil des         Was an Wissen öffentlich
        Grad möglich sind, liegt daran, dass          personalen Wissens entsteht durch         gemacht wird, wird seit
        viele Wissensinhalte sozial aus-              verschiedene Transformationen aus         jeher durch technologische
        gehandelt, objektiviert und dann –            enaktivem und bildhaftem Wissen.          Errungenschaften enorm
        zum Beispiel in Form von Dokumen-             Es ist bewusstseinsfähig und kann         beeinflusst.
        ten – materialisiert werden. Hier             explizit artikuliert, also auch sprach-
        kommt eine Unterscheidung ins                 lich dargelegt werden.
        Spiel, die indirekt den Informations-
        begriff in die Diskussion bringt: näm-

         Personales Wissen
                                                    ist dem Bewusstsein                         ist sprachlich
         Begriffliches Wissen                       zugänglich                                  artikulierbar
         Bildhaftes Wissen                          über Vorstellungen                          i.d.R. nicht artikuliert
                                                    z.T. zugänglich
         Enaktives Wissen                           nicht (mehr) zugänglich                     nicht artikulierbar
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd      23.05.2008   21:10    Seite 14

 14 UNESCOheute                 1|2008

                                            Öffentliches Wissen ist Wissen, das               macht) wird, unterliegt einer his-
                                            im Gegensatz zum personalen Wis-                  torischen Entwicklung und wird seit
                                            sen nicht nur einer Person (der, die              jeher durch technologische Errun-
                                            das Wissen hervorgebracht hat),                   genschaften enorm beeinflusst. So
                                            sondern auch anderen prinzipiell zu-              auch heute: Das im Internet verfüg-
                                            gänglich ist. Diese Form des Wissens              bare öffentliche Wissen wächst
                                            lässt sich mit anderen teilen, weil es            unaufhörlich, weil man es immer
                                            in irgendeiner Form materialisiert ist.           leichter, schneller und in größeren
                                            Auch das öffentliche Wissen kommt                 Mengen verbreiten kann und immer
                                            in verschiedenen Ausprägungen vor:                mehr Menschen darauf zugreifen.
                                            • Kollektives Wissen ist für den Aus-             Die digitale Wissenswelt wächst aber
                                              tausch von Wissen am wichtigsten.               auch deshalb, weil Nutzer des In-
                                              Es entsteht, wenn Menschen Be-                  ternets im Vergleich zu früher öfter
                                              deutungen aushandeln, verdichten,               von der Konsumenten- in die Pro-
                                              vereinheitlichen und systematisch               duzentenrolle wechseln und tech-
                                              durch Zeichen (vor allem durch                  nische Werkzeuge zur Publikation von

      Öffentliches Wissen
                                  ist transformiert                 wird weiter verarbeitet                  heißt auch
      Kollektives Wissen          in Zeichen                        durch menschlichen Dialog                Information
      Formalisiertes Wissen       nach festen Regeln                in elektronischer Form                   Daten

                                              Sprache) darstellen. Diese Form                 Wissen unkomplizierter werden –
                                              des Wissens kann man als Infor-                 auch für den technischen Laien (Stich-
                                              mation bezeichnen. Wissen im                    wort: Web 2.0). Nun könnte man auf
                                              objektivierten Zustand – also Infor-            die Idee kommen, man müsse das
                                              mation – ist ein in Zeichen »einge-             Internet nur sich selbst überlassen,
                                              frorenes« Wissen und kann von                   und das öffentliche, vielleicht auch
                                              Individuen aktualisiert und ver-                personale Wissen würde quasi selbst-
                                              standen werden, die wissen, was                 organisiert seinen Weg finden. Dem
                                              diese Zeichen bedeuten.                         ist allerdings nicht so.
                   Bei Medien- und          • Formalisiertes Wissen ist kollek-
            Informationskompetenz             tives Wissen, das noch einmal nach              Mehr denn je wird es für eine Gesell-
                kann man auch von             festgelegten Kriterien und Zuord-               schaft wichtig, dafür zu sorgen, dass
           »persönlichem Wissens-             nungsregeln transformiert wird,
           management« sprechen.              sodass Daten entstehen, die sich                Literatur
                                              elektronisch weiterverarbeiten und
                                              speichern lassen. Dies erfolgt                  • Thomas Bernhard Seiler:
                                              jedoch ohne Steuerung und Kon-                    Wissen zwischen Sprache,
                                              trolle denkender Individuen.                      Information, Bewusstsein.
                                                                                                Probleme mit dem Wissens-
                                                                                                begriff. MV Wissenschaft,
                                            Welchen Einfluss nimmt das                          2008.
                                            Internet?
                                                                                              • The Open Knowledge
                                            Jeder baut im Laufe seines Lebens                   Foundation: The Three
                                            personales Wissen auf. Welchen                      Meanings of Open:
                                            Umfang und welche Qualität dieses                   www.okfn.org/
                                            Wissen hat, ist Ergebnis einer Inter-               three_meanings_of_open/
                                            aktion zwischen uns und unserer
                                                                                              • Portal für Persönliches
                                            Umwelt, also auch dem jeweils
                                                                                                Wissensmanagement:
                                            öffentlich zugänglichen Wissen. Das                 www.persoenliches-
                                            war doch, so könnte man sagen,                      wissensmanagement.
                                            schon immer so. Was allerdings an                   com
                                            Wissen tatsächlich öffentlich (ge-
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd         23.05.2008   21:11   Seite 15

                                                                                                                                         15

        Menschen nicht nur über »nutzer-
        generierte Inhalte« verfügen, die
        rasch wachsen, ohne dass deren
        Qualität gesichert ist. Vielmehr muss
        auch der Zugang zu wissenschaft-
        lichem oder didaktisch aufbereitetem
        Wissen möglichst vielen Menschen
        offen sein, damit jeder sein perso-
        nales Wissen erweitern oder ver-
        tiefen kann. Genau das haben Be-
        wegungen wie Open Educational
        Resources (OER) zum Ziel: Man kann
        den OER-Ansatz im weitesten Sinne
        als einen Wissensmanagement-
        Ansatz bezeichnen, geht es doch
        darum, öffentliches Wissen im In-
        ternet aufzufinden, transparent und
                                                     Wissen,
        zugänglich zu machen, es zu verbrei-         wie’s geht!
        ten, bei Bedarf für neue Zielgruppen         Zeigen, wie’s
        aufzubereiten und zu nutzen. Von
        allein entwickelt sich ein solches           geht!
        Wissensmanagement in den sel-
        tensten Fällen. Es muss aktiv ge-            www.internet-abc.de
        staltet, gefördert und letztlich auch
        »belohnt« werden; es muss sich für           Das Internet-ABC bietet als Ratgeber im Netz Hilfestellung und Informationen
        den Staat, die Hochschulen und               zum sicheren Umgang mit dem Internet. Die werbefreie Plattform richtet sich an
        andere Forschungs- und Bildungs-             Kinder von fünf bis zwölf Jahren sowie Eltern und Pädagogen. Der Kinderbereich
        institutionen wie auch für die               hält Seiten zum Spielen, Lernen und Kommunizieren bereit, um sich gefahrlos mit
        forschenden und lehrenden Per-               dem Netz vertraut zu machen. Kinder können sich Schritt für Schritt Grundlagen
        sonen lohnen.                                aneignen, zum Beispiel zu Viren, Chat oder Sicherheit im Netz. Sie haben auch die
                                                     Möglichkeit, sich zu jedem Thema Rat von einem Experten einzuholen. Die
        Der Einzelne kann sich dabei weder           Features im Erwachsenenbereich liefern Tipps und Informationen rund um das
        zurücklehnen und darauf hoffen, dass         World Wide Web. Eltern erwerben Kenntnisse, die sie ihrem Kind weitervermitteln
        man ihm die freien Bildungsressour-          können. Pädagogen erhalten Anregungen für die Praxis, in Form von fachgerecht
        cen zuhause vorbeibringt, noch sollte        aufbereiteten Unterrichtseinheiten für die Primarstufe.
        er sich der Illusion hingeben, es ge-
        nüge der Zugang zu öffentlichem              Herausgeber der Website ist der Verein Internet-ABC e.V., dem zwölf Landes-
        Wissen als Ersatz für die mühsame            medienanstalten angehören. Die Deutsche UNESCO-Kommission hat die
        Entwicklung eigenen personalen               Schirmherrschaft über die Plattform.
        Wissens. Wer die im Netz verfüg-
        bare Information sinnvoll nutzen will,
        braucht Medien- und Informations-
        kompetenz: Man muss geeignete
        Ressourcen finden, beurteilen, aus-
        wählen, verstehen und letztlich auch
        anwenden können. Aber Kompeten-
        zen dieser Art allein genügen im Zeit-
        alter des Internets nicht: Letztlich
        sind es das personale Wissen und
        Bildung, die dem Individuum die
        Chance geben, an einer Wissens-
        gesellschaft aktiv zu partizipieren.

        Prof. Dr. Gabi Reinmann ist Professorin
        für Medienpädagogik an der Universität
        Augsburg.
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd      23.05.2008    21:11   Seite 16

 16 UNESCOheute                    1|2008

     Hermann Engesser
    Bildung im Stand-by-Modus?
    Zum Bildungsbegriff im Internetzeitalter
     Immer mehr Studierende können dem gesprochenen Wort in Vorträgen nur noch dann folgen, wenn es
     multimedial unterstützt wird. In diesem »PowerPointilismus« zeigt sich beispielhaft der Übergang vom
     Lesen und Zuhören zum Schauen. Mit dem stürmischen Wachstum des Internets hat sich auch der Bildungs-
     begriff verändert. Professionalisierung gewinnt an Bedeutung.

                                                                                       Der Weg in die Wiki-Welt

                                                                                       Seit der Aufklärung hat das Buch eine
                                                                                       besondere Bedeutung bei der Or-
                                                                                       ganisation, Verteilung und Vermitt-
                                                                                       lung von Bildung und Wissen für die
                                                                                       bürgerliche Gesellschaft. Standard-
                                                                                       werk der Aufklärung wurde das von
                                                                                       D. Diderot und J. le Rond d’Alembert
                                                                                       herausgegebene Werk »Encyclo-
                                                                                       pédie ou Dictionnaire raisonné des
                                                                                       sciences, des arts et des métiers«,
                                                                                       das von 1751 bis 1780 in 35 Bänden
                                                                                       erschien. Etwa 60.000 durch ein Ver-
                                                                                       weissystem vernetzte Stichwort-
                                                                                       beiträge spiegelten das »gebändigte«
                                                                                       Wissen der damaligen Zeit. Ähnliche
      Digitale Medien in der                                                           Bedeutung errangen die von W.
                                                                                       Smellie 1768 bis 1771 herausgege-
      Hochschullehre                                                                   bene Encyclopaedia Britannica und
                                                                                       das von F.A. Brockhaus ab 1805 ver-
      www.e-teaching.org
                                                                                       legte Konversationslexikon. Während
      Das frei zugängliche Portal e-teaching.org bietet auf über 1000 Seiten wissen-   die gedruckte Version der Encyclo-
      schaftlich fundierte Informationen und praxisorientiertes Wissen zur Nutzung     paedia Britannica bereits in den
      digitaler Medien in der Hochschullehre. Dozenten finden hier Materialien und     1990er Jahren herbe Umsatzrück-
      Praxisbeispiele zu methodisch-didaktischen, technischen, gestalterischen und     gänge hinnehmen musste und nach
      organisatorischen Aspekten von E-Teaching. Der »NotizBlog« informiert täglich    1995 keine Neuauflage mehr ge-
      über neue Inhalte und aktuelle Nachrichten aus dem Bereich E-Learning.           druckt wurde, schaffte es die »ge-
      Regelmäßig finden Online-Events wie Live-Webcast oder Chats mit E-Learning-      druckte« Brockhaus-Enzyklopädie
      Experten statt. Über 50 Partnerhochschulen geben auf dem Portal Einblick in      gerade noch ins neue Jahrtausend.
      ihre E-Learning-Aktivitäten.
                                                                                       Zum Jubiläum im Jahr 2005 startete
      Das Portal e-teaching.org wurde von der Bertelsmann Stiftung und der Heinz-      der Verlag die Auslieferung der 21.
      Nixdorf Stiftung 2002 initiiert. Das Institut für Wissensmedien in Tübingen      Auflage. Multimediale Versionen
      wurde mit der Konzeption, redaktionellen Betreuung und Evaluation des Portals    wurden parallel dazu im Internet und
      beauftragt. Finanziert wird das Portal vom Ministerium für Wissenschaft und      auf Speichermedien angeboten. Vor
      Kunst Baden-Württemberg. Verbunden mit der Finanzierung ist der Auftrag, ein     einigen Wochen erklärten die Lexi-
      Landesportal zur Darstellung der E-Learning-Aktivitäten der Hochschulen          konmacher aus Mannheim, dass es
      Baden-Württembergs zu entwickeln.                                                keine weitere Auflage in gedruckter
                                                                                       Form mehr geben werde, da es nicht
                                                                                       mehr genügend Käufer gebe. Man
                                                                                       werde die Brockhaus-Enzyklopädie
                                                                                       nur noch im Internet »lesen« können.

                                                                                       Im neuen Jahrtausend wurde ein
                                                                                       neues, die interaktiven Möglichkeiten
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd           23.05.2008      21:11   Seite 17

                                                                                                                                        17

                                                                                                                                        © ZKM, Foto: ONUK
        Ronald Genswaider. Evolvr, 2007, interaktive Netz-Installation

        des Internets nutzendes lexikalisches          Wissen wird flüchtig                    garantieren. Die aus der Welt der
        Wissensprojekt gestartet, die Wiki-                                                    Bücher stammende internationale
        pedia. Zu der 2001 verwirklichten in-          Über die Jahrhunderte hat sich ein      Standardbuchnummer ISBN wurde
        ternationalen Internet-Enzyklopädie            riesiger Schatz an Wissen auf Buch-     1998 durch den Document Object
        kann grundsätzlich jeder als Autor             seiten angesammelt. Beinahe das         Identifier (DOI) ergänzt, der das Auf-
        sein Wissen beitragen. Nach eigenen            gesamte Wissen der Menschheit ist       finden von digitalen Inhalten ermög-
        Angaben schreiben 285.000 ange-                in Büchern gespeichert und für die      licht, auch wenn sich die Informa-
        meldete Autoren regelmäßig für die             Zukunft archiviert. Auch dies ändert    tionen über das entsprechende
        Wikipedia. Bis jetzt wurden in der             sich. Wir sind weit davon entfernt,     Objekt im Laufe der Zeit verändert
        Wikipedia über zehn Millionen Bei-             anzunehmen, dass das im World           haben.
        träge in mehr als 250 Sprachen ge-             Wide Web vorhandene Wissen für
        speichert. In deutscher Sprache sind           Jahrhunderte vorgehalten wird. Im       Mit dem Internet ändert sich die
        mehr als 700.000 Artikel vorhanden.            Gegenteil, bereits nach wenigen Mo-     Bedeutung von Bildung und der sie
        Sämtliche Inhalte stehen unter der             naten können Webseiten verschwun-       ermöglichenden und begleitenden
        Maßgabe, dass sie von jedermann                den sein. Auch die Zugangsbedingun-     Medien radikal. Die Wissensinhalte
        unentgeltlich genutzt, verändert und           gen können sich ändern, oder der        sind nun auf einem Bildschirm an-
        verbreitet werden können. Im Ge-               gesuchte Inhalt ist nicht mehr unter    zuschauen. In der digitalen Welt
        gensatz zur klassischen Enzyklo-               dem ursprünglichen Link erreichbar,     fluten Buchstaben und Bilder auf
        pädie, in der wenige Spezialisten              sondern auf einer neuen Webseite        dem Bildschirm am Betrachter vor-
        schreiben, publizieren in der Wiki-            mit anderer Adresse. Möglich ist        bei. Der Effekt, der sich beim Lernen
        pedia viele Leser ihr Wissen. Eine             ferner, dass sich das Gesuchte zwar     mit einem Buch einstellt, dass näm-
        Qualitätssicherung ist in dieser freien        auf der ursprünglichen Webseite         lich der Ort des Gelernten, ob das
        Internet-Enzyklopädie nur dadurch              befindet, jedoch verändert wurde.       Gelernte vorne oder hinten im Lehr-
        gegeben, dass Fehler oder Manipula-            Bei der Archivierung digitaler Wis-     buch stand, »automatisch« mitge-
        tionen in Wortbeiträgen irgendwann             sensinhalte geht es also darum,         lernt wird, und ein gelernter Sachver-
        Nutzer finden, die es besser wissen            Authentizität, Integrität und Funk-     halt, den man vergessen hat, da-
        und korrigieren.                               tionalität der Inhalte langfristig zu   durch wieder aufgefunden werden
Unesco_heute_1_08_b:Unesco_heute_rz_a.qxd     23.05.2008   21:11   Seite 18

 18 UNESCOheute                    1|2008

     kann, stellt sich beim Lernen mit        mationen verdoppeln sich in immer        und nutzen zu können. Wenn das
     elektronischen Systemen nicht mehr       kürzeren Zeiträumen von wenigen          Wissensmanagement immer effek-
     ein, da es dort kein »vorne« und         Jahren. Aber die Informationen im        tiver wird, wandert immer mehr
     »hinten« gibt.                           Internet besitzen nur eine kurze Halb-   Wissen ins Netz. Es ist für den
                                              wertszeit. Die über 500 Milliarden       Menschen im Stand-by-Modus vor-
     In der Welt des globalen Informa-        Webseiten im Internet haben eine         handen. Der Mensch in der Wissens-
     tionsaustauschs verlieren regionale      durchschnittliche Lebensdauer von        gesellschaft benötigt im Wesent-
     oder nationale Ausprägungen verläss-     etwa 100 Tagen. Damit wird das           lichen das Wissen über die Zugangs-
     licher Bildungsideale an Gewicht. Es     Finden einer geeigneten Information      mechanismen zum »elektronischen«
     stellt sich der kleinste gemeinsame      zur Hauptaufgabe. Das globale Infor-     Wissen. Ob dies wirklich ausreicht,
     Nenner der Soft Skills ein, durch den    mationsangebot wird gleichzeitig als     wenn man das in Giga- und Terabytes
     Kommunikation und Kooperation            Informationsüberflutung und als          gemessene Datenuniversum des
     ohne Grenzen ermöglicht werden.          Informationsmangel wahrgenom-            Internets betrachtet, ist zu hinter-
     Da gleichzeitig die Innovationszyklen    men. Suchmaschinen helfen häufig         fragen. Unabhängig von der Medien-
     in immer kürzerer Zeit ablaufen,         nicht wirklich weiter, da das Angebot    kompetenz scheint ein zweckfreies
     reicht es in vielen Disziplinen nicht    des Gefundenen vielfach zu groß ist.     Basiswissen unverzichtbar, um für
     mehr aus, ein Leben lang auf einmal      In diesem Zusammenhang gewinnen          den unvorstellbar großen Datenozean
     Gelerntes zu vertrauen. Man muss         Wissensportale an Bedeutung, da da-      überhaupt sinnvolle Fragen zu finden.
     ständig in der Lage sein, Gelerntes      durch ein effizienter Zugriff auf das    Hierfür dürfte der humanistische
     falls erforderlich zu entsorgen und      digital vorhandene Wissen und ein        Bildungshintergrund nach wie vor
     Neues zu lernen. Bei diesem Life-        sowohl für das Unternehmen als           eine gute Wahl sein.
     long-Learning haben interaktive Lern-    auch für den Einzelnen vorteilhaftes
     umgebungen viele Vorteile. Aus-          Wissensmanagement möglich wird.
     bildung und berufliche Weiterbildung     Wissensportale, die vor allem in Un-     Hermann Engesser ist Programmleiter
     wachsen zusammen.                        ternehmen eingesetzt werden, er-         für den Bereich Informatik beimSpringer-
                                              möglichen neben der schnellen Ver-       Verlag Heidelberg und Chefredakteur der
     Inzwischen wird E-Learning von vie-      breitung von Informationen auch die      Zeitschrift Informatik-Spektrum.
     len in Studium und Beruf genutzt.        gezielte Suche und die Aufbereitung
     Selbst das Fach- und Lehrbuch findet     von Wissen. Ferner stellen sie An-
     in seiner elektronischen Form, dem       wendungen zur Verfügung, unter-
     E-Book, große Verbreitung. Die Flexi-    stützen Unternehmensprozesse und
     bilität der elektronischen Lernwelt      ermöglichen die Zusammenarbeit
     scheint unbegrenzt und zeigt sich in     und die gemeinsame Wissensnut-
     virtuellen Seminaren und Tutorien mit    zung über Abteilungs- oder gar Unter-
     Telekooperation, Televorlesungen,        nehmensgrenzen hinweg, sie erzeu-
     virtuellen Praktika und virtuellen La-   gen somit im Unternehmen einen
     borplätzen. Interaktives Lernen ist      permanenten Lernprozess.
     zeitlich sehr flexibel möglich. Der
     Lernende kann sich seine Lernzeiten      Wissen im Stand-by-Modus
     selbst aussuchen. So ist das E-Lear-
     ning sehr attraktiv für die berufliche   Mit der stürmischen Entwicklung der
     Weiterbildung, da der Lernende seine     Technik und der Globalisierung haben
     Lernaktivitäten mit seinen beruflichen   sich die Schwerpunkte des Wissens-
     und privaten Terminen koordinieren       erwerbs verschoben. Nicht mehr der
     kann.                                    Bildungsbürger, der auch Interessen
                                              an zweckfreiem Wissen pflegte,
     Tore zum Wissen                          steht im Vordergrund. Ihn hat der
                                              Professional abgelöst, der virtuos
     Der hohe Grad an Vernetzung und          die Techniken der digitalen Welt be-
     das Zusammenwachsen von Fest-            herrscht. Mit den elektronischen
     netzen und mobilen Netzen schaffen       Medien lässt sich explizites oder
     neue Möglichkeiten der Information       explizit gemachtes Wissen digital
     und Kommunikation. Sowohl über           erfassen, managen und mit Such-
     den PC als auch über mobile Geräte       maschinen wiedergewinnen. Für den
     wie Notebook, Handy usw. kann fast       Professional kommt es darauf an, zur
     unbegrenzter Datenaustausch erfol-       rechten Zeit den Zugang zum Wissen
     gen. Die weltweit verfügbaren Infor-     zu haben, um es optimal gewinnen
Sie können auch lesen