DIGITALISIERUNG - Akademie für Raumforschung und ...

 
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DIGITALISIERUNG - Akademie für Raumforschung und ...
Nachrichten der ARL _ 02 / 2018 _ 48. Jahrgang

                                             DIGITALISIERUNG

SMART CIT Y GESTALTEN
Jens Libbe 

DIGITALISIERUNG UND MOBILITÄT
Klaus J. Beckmann                                   

DIGITALISIERUNG UND ONLINE- HANDEL
Frank Osterhage 

VERNET ZTE NACHBARN
Anna Becker, Kirsten Krüger, Olaf Schnur 

ZWISCHEN INFORMATIONSFLUT
UND SAMMELWUT?
Sarah Ginski 

DIGITALISIERUNG UND WISSENSGESELLSCHAF T
IN DER ARL
Martina Hülz, Martin Sondermann 

DIGITALISIERUNG - Akademie für Raumforschung und ...
Nachrichten der ARL                         Bitte beachten Sie:
Herausgeber:                                Die Geschäftsstelle der ARL ist umgezogen!
ARL
Akademie für Raumforschung                  Seit dem 17.12.2018 sind wir unter neuer
und Landesplanung                           Adresse zu erreichen:
Vahrenwalder Straße 247
30179 Hannover                              Vahrenwalder Straße 247, 30179 Hannover.
Tel. +49 511 34842-0
Fax +49 511 34842-41                        Telefon und E-Mail bleiben unverändert.
arl@arl-net.de
www.arl-net.de

Redaktion:
Prof. Dr. Rainer Danielzyk (v.i.S.d.P.)
Sprachliches Lektorat:
C. M. Hein
Satz und Layout:
G. Rojahn, O. Rose
Cover:
© Adobe Stock – metamorworks
Druck:
Linden-Druck Verlagsgesellschaft mbH
30453 Hannover

Dies ist das letzte Heft für 2018.
Ab 2019 erscheinen die Nachrichten
der ARL dreimal im Jahr.
Die PDF-Version ist unter shop.arl-net.de
frei verfügbar (Open Access).
CC-Lizenz BY-ND 3.0 Deutschland

Heft 02/2018
48. Jahrgang
Auflage: 2200

ISSN 1612-3891 (Print-Version)
ISSN 1612-3905 (PDF-Version)

Inhalt gedruckt auf
100% Recyclingpapier
DIGITALISIERUNG - Akademie für Raumforschung und ...
02 / 2 018 _ N AC H R I C H T EN D ER A R L                                                                   I N H A LT   1

EDITORIAL                                                   Informations- und Initiativkreis Regionalplanung
                                                            Hans-Jörg Domhardt, Petra Schmidt-Kaden                 42
Rainer Danielzyk                                      2
                                                            Neuerscheinungen                                       44

                                                            Personen 
AK TUELL                                                                                                              47

Gemeinsam in sozialer Verantwortung
Gabriele Schmidt, Rainer Danielzyk                    5
                                                            AUS R AUMFORSCHUNG
                                                            UND -PL ANUNG
THEMA                                                       Transdisziplinäre Forschungskooperationen
                                                           im globalen Maßstab
Smart City gestalten                                        Runrid Fox-Kämper                                       49
Jens Libbe                                            9
                                                            Volkswagen-Stiftung bewilligt 920.000 Euro
Digitalisierung und Mobilität – Chancen und Risiken         für Forschungsprojekt
für eine Verkehrswende                                      Nadir Kinossian                                         50
Klaus J. Beckmann                                    12
                                                          Neue Junior Research Group am IRS
Digitalisierung und Online-Handel – Was verändert           Felix Claus Müller                                      51
sich für die räumliche Planung?
Frank Osterhage                                      17    Förderkreis für Raum- und Umweltforschung
                                                            Ausschreibung eines Forschungsauftrags                  52
Vernetzte Nachbarn – Wie wirken digitale Medien
auf analoge Nachbarschaft?                                  FRU-Infobörse                                           53
Anna Becker, Kirsten Krüger, Olaf Schnur             21
                                                            Ausgewählte Zeitschriftenbeiträge                       54
Zwischen Informationsflut und Sammelwut?
Sarah Ginski                                         25    Neuerscheinungen aus anderen Verlagen                   58

Digitalisierung und Wissensgesellschaft in der ARL
Martina Hülz, Martin Sondermann                      29


AUS DER ARL

Digitale Transformation und gleichwertige räumliche
Entwicklung
Christian Strauß, Julia Diringer                     32

UrbanRural SOLUTIONS.
Themenschwerpunkt „Mobilität“
 Bernhard Koldert, Anna Jung, Saskia Reuschel        34

Der Daseinsvorsorgeatlas
Charlotte Pusch, Gesine Nitsios                      36

Transdisziplinarität in der ARL
Ina Peters                                           39

Die Rolle von Klein- und Mittelstädten
als „windows of opportunities“
Angelina Göb                                         40
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2   E D I TO R I A L                                                                        02 / 2 018 _ N AC H R I C H T E N D ER A R L

    EDITORIAL

    Liebe Leserinnen und Leser,

    der Schwerpunkt dieses Nachrichten-Heftes ist der „Digita-      räumlich bereits erheblich auswirkt und die städtischen
    lisierung“ sowie ihren weitreichenden Auswirkungen auf          Zentren auch weiter gravierend verändern wird. Er plädiert
    Raumstrukturen und unsere täglichen Raumnutzungen ge-           für neue Ideen und Visionen der Nutzungsmischung, um
    widmet.                                                         Innenstädte und Nebenzentren, die jenseits des stationä-
           Digitale Anwendungen und Innovationen erzeugen           ren Handels zugleich wichtige Orte der Begegnung, Kultur
    rasant wachsende Datenmengen und immer neue Nut-                und Identifikation, aber auch der Produktion sowie der
    zungs- und Anwendungsmöglichkeiten. Das erweitert den           räumlichen Konzentration von Infrastruktur, Dienstleistun-
    Wissensbestand zur Nutzung des Raumes, ermöglicht aber          gen und Verwaltung sind, zukunftsfähig zu gestalten.
    auch die digitale Erfassung, die Auswertung und die Kont-             Dr. Anna Becker, Kirsten Krüger und Dr. Olaf Schnur
    rolle sowie das Hacken oder den Missbrauch dieser Daten         stellen die vom vhw e. V. beauftragte Explorationsstudie
    in einem bisher nicht bekannten Ausmaß.                         „Vernetzte Nachbarn“ vor. Die innovative Studie unter-
           Ohne die Risiken aus dem Blick zu verlieren, zeigt der   sucht die sozialen Wirkungen digitaler Nachbarschafts-
    Schwerpunkt vor allem Potenziale der Digitalisierung für        plattformen in Deutschland und belegt das Potenzial für
    unterschiedliche Handlungs- und Anwendungsfelder, für           lokale Begegnung, Kommunikation und Identifikation. Sie
    tägliche Raumnutzungen und die räumliche Entwicklung            warnt aber auch vor den Gefahren erhöhter (lokal-)politi-
    insgesamt. Diskutiert wird, welche Auswirkungen Digitali-       scher Polarisierung. Der Beitrag schließt mit konkreten
    sierung auf die räumliche Planung hat und wie sich digitale     Handlungsempfehlungen an Politik und Praxis.
    Veränderungsprozesse aktiv im Sinne einer nachhaltigen                Der Beitrag von Sarah Ginski basiert auf den empiri-
    und sozial inklusiven Entwicklung nutzen lassen bzw. wel-       schen Untersuchungen eines DFG-Projektes an der RWTH
    che Rahmenbedingungen dafür notwendig sind.                     Aachen und analysiert die Bedeutung und Reichweite, die
           Dabei bestimmt der Begriff „Smart City“ schon lange      Halbwertzeiten und das Zusammenspiel von Online- und
    die öffentlichen und fachlichen Debatten. Doch welche           Offline-Kommunikation in 50 dialogorientierten Stadtent-
    Konzepte und Ideen werden in Deutschland in der Praxis          wicklungsprozessen.
    tatsächlich bereits umgesetzt?                                        Abschließend bieten Dr. Martina Hülz und Dr. Martin
           Der Beitrag von Dr. Jens Libbe vom Deutschen Insti-      Sondermann von der ARL-Geschäftsstelle einen Überblick
    tut für Urbanistik leistet eine Bestandsaufnahme und zeigt      über die laufenden ARL-Aktivitäten zum Themenspektrum
    aktuelle Anwendungsfelder und Grenzen smarter Vernet-           „Digitalisierung, Wissensgesellschaft und Raumwirkun-
    zung in deutschen Städten auf.                                  gen“.
           Besonders dynamisch entwickeln sich technische In-             Die Rubrik „Aus der ARL“ startet mit einem Beitrag zu
    novationen und digitale Anwendungen zudem im Mobili-            digitaler Transformation und gleichwertiger räumlicher
    tätsbereich. Prof. Dr. Ing. Klaus J. Beckmann, Mobilitätsfor-   Entwicklung. Es folgen Ergebnisse aus dem Drittmittelpro-
    scher und u. a. ehemals Präsident der ARL, untersucht in        jekt UrbanRural SOLUTIONS, ein Rückblick auf das Som-
    seinem Beitrag, ob und wie die Digitalisierung von Fahrzeu-     merkolloquium zur Transdisziplinarität in der ARL und kur-
    gen, Fahrwegen und Verkehr sowie die neuen Formen der           ze Berichte zum Informations- und Initiativkreis Regional-
    Mobilität, die durch digitale Dienste und Endgeräte ermög-      planung sowie zur Rolle von Klein- und Mittelstädten für die
    licht werden, die Chancen auf die Um- und Durchsetzung          Raumentwicklung.
    einer Mobilitäts- und Verkehrswende erhöhen und welche                In der Rubrik „Aus Raumforschung und -planung“ er-
    (neuen) Herausforderungen damit ggf. auch verbunden             warten Sie wie gewohnt Neuigkeiten, Neuerscheinungen
    sind.                                                           und Ausschreibungen.
           Frank Osterhage vom ILS, einer der Leiter der AG               Ich möchte dieses Editorial gerne nutzen, Dr. Gabrie-
    „Onlinehandel und Raumentwicklung“ der LAG NRW der              le Schmidt sehr herzlich dafür zu danken, dass sie bis zum
    ARL, bestätigt, dass der wachsende Online-Handel sich           30.09.2018 die Stabsstelle Wissenschaftskommunikation
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02 / 2 018 _ N AC H R I C H T EN D ER A R L                                                                        E D I TO R I A L   3

der ARL geleitet und sich in diesem Rahmen ganz beson-         Wir wünschen Ihnen eine anregende und informative
ders für die Weiterentwicklung der ARL-Nachrichten einge-      Lektüre!
setzt hat. Mit Innovationsfreude, Ideenreichtum und Aus-
dauer hat sie das Profil der ARL-Nachrichten erheblich
geschärft und viele hoch interessante Ausgaben zu einem
breiten Spektrum relevanter Fragen der Raumentwicklung                         P R O F. D R . R A I N E R DA N I E L Z Y K
realisiert. So sind die Nachrichten ein zentrales Element                      Generalsekretär der ARL
der Transferstrategie der ARL geworden, eine wichtige
Brücke zwischen Forschung und Praxis, auf die wir vielfälti-                   Tel. +49 511 3484237
ge und immer sehr positive Resonanz bekommen.                                  danielzyk@arl-net.de
       Mitte Januar 2019 hat Dr. Tanja Ernst, zuvor im ILS
tätig, die Stabsstelle Wissenschaftskommunikation und da-
mit auch die Redaktion der ARL-Nachrichten übernom-
men. Ich begrüße Sie herzlich im Team der ARL-Geschäfts-
stelle. Sie ist jetzt für alle redaktionellen Fragen Ihre
Ansprechpartnerin.
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AKTUELL
4   A K T U EL L    02 / 2 018 _ N AC H R I C H T E N D E R A R L
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02 / 2 018 _ N AC H R I C H T EN D ER A R L                                                                  A K T U EL L                           5

Gabriele Schmidt, Rainer Danielzyk

GEMEINSAM IN SOZIALER
VER ANTWORTUNG
12. Bundeskongress Nationale Stadtentwicklungspolitik (NSP)
vom 17. bis 19. September 2018 in Frankfurt am Main

„Gemeinsam in sozialer Verantwortung für Stadt und Land“     für nachhaltige Wohnraumentwicklung aufgelegt und stelle
– so lautete der Titel des diesjährigen Stadtentwicklungs-   1,7 Milliarden Euro für die Schaffung von gefördertem
politikkongresses in der Frankfurter Paulskirche. Und der    Wohnraum bereit. Dennoch seien die Wohnungsnot in
Titel war Programm: Auch wenn wegen des akuten Woh-          Großstädten wie Frankfurt und der Erhalt von lebenswer-
nungsmangels die Suche nach Möglichkeiten, in wachsen-       ten Dörfern in infrastrukturschwachen Regionen nur in ei-
den Städten schnell und ausreichend bezahlbaren Wohn-        ner gemeinsamen Anstrengung von Bund, Ländern und
raum zu schaffen, im Zentrum stand, wurde vielfach           Kommunen zu bewältigen.
gefordert, die unterschiedlichen Herausforderungen                 Wie eng die Wohnungsfrage an die Bodenpolitik ge-
wachsender Städte auf der einen und schrumpfender Ge-        knüpft ist, machte der Frankfurter Planungsdezernent Mike
meinden auf der anderen Seite nicht isoliert voneinander     Josef anhand von zwei Zahlen deutlich: Im Hinblick auf die
zu betrachten. Vielmehr gelte es, diese Aspekte als zwei     Einwohnerzahl sei Frankfurt die fünftgrößte deutsche
Seiten derselben Medaille zu begreifen und die unter-        Stadt, im Hinblick auf die Fläche belege die Stadt hingegen
schiedlich gelagerten Problemstellungen durch den Aus-
bau von Stadt-Land-Kooperationen, durch integrierte
Handlungsansätze und eine stärkere Verknüpfung der
Wohnungs- und Verkehrspolitik zusammenzudenken und
auch zusammen zu lösen.
       In seiner Eröffnungsrede betonte Gunther Adler,
Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren, für Bau
und Heimat, wie wichtig es sei, Wohnungspolitik und
Stadtentwicklung miteinander zu verbinden. Mehr bezahl-
baren Wohnraum zu schaffen, sei dringend geboten. Den-
noch gehe es um eine uneingeschränkte Betrachtungswei-
se, denn Menschen wohnen nicht nur in ihren Wohnungen,
sondern leben in Quartieren. Adler verwies auf den wenige
Tage nach dem NSP-Kongress stattfindenden Wohngipfel
im Bundeskanzleramt und hier insbesondere auf die ge-
plante Anhebung des Wohngeldes sowie die Entbürokrati-
sierung des Wohnungsbaus über eine Vereinheitlichung
der Planungsverfahren.
       Priska Hinz, Staatsministerin für Umwelt, Klima-
schutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Hessen
(und in dieser Funktion auch zuständig für Stadtentwick-
lung und Wohnungsbau), forderte mehr Unterstützung
des Bundes für den Bau bezahlbarer Wohnungen. Im Hin-
blick auf das starke Gefälle zwischen der boomenden
Rhein-Main-Metropole Frankfurt und dem strukturschwa-
                                                                                                                             Quelle: Christian Vas

chen Nordhessen warb sie dafür, Wohnungsbau und Mobi-
lität stärker im regionalen Zusammenhang zu denken und
in beiden Bereichen die Städtekooperation weiter zu ver-
tiefen. Hessen habe bereits ein eigenes Förderprogramm
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6   A K T U EL L                                                                            02 / 2 018 _ N AC H R I C H T E N D E R A R L

    nur Platz 44 unter Deutschlands Städten. Mit anderen Wor-       eine Musterbauordnung einander anzugleichen und die Ge-
    ten: Frankfurt ist viel dichter bebaut als andere Städte, der   nehmigungsverfahren insgesamt zu verschlanken. Ferner
    Spielraum der Stadtverwaltung, in die Stadtentwicklung          müsse der Breitbandausbau im ländlichen Raum vorankom-
    und den Wohnungsmarkt einzugreifen, sei wegen des Man-          men, damit er attraktiver für Gewerbeansiedlungen wird.
    gels an freien Flächen gering und werde durch Finanzspe-
    kulationen eines globalen Immobilienkapitals herausgefor-       Stadt und Gemeinschaft
    dert. „Wohnungspolitik ist die Schwester der Bodenpolitik“,     Einen ganz anderen Blick auf die aktuelle Problemlage bot
    so Josef; Bund, Länder und Kommunen müssten deswegen            Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, Professor für Philosophie an
    aufhören, Grundstücke zu Höchstpreisen zu verkaufen und         der Ludwig-Maximilians-Universität München und ehemali-
    stattdessen Flächen nach dem besten Konzept vergeben.           ger Kulturstaatsminister. In einem historischen Rückblick
    Weiterhin forderte er den Bund auf, Kommunen stärker als        auf die Stadt der Antike, die Politeia, erläuterte er Platons
    bislang dabei zu unterstützen, auch in Gebieten ohne Be-        Verständnis von Stadtentwicklung und (wirtschaftlicher)
    bauungspläne und öffentlichen Grundbesitz soziale Belan-        Gerechtigkeit. Kooperation und Tausch bildeten für Platon
    ge durchzusetzen, um kostengünstigen Wohnraum zu                gleichsam die Basis für den über die familiäre Hausgemein-
    schaffen.                                                       schaft hinausgehenden Zusammenschluss der Stadtbür-
           Die anschließende Podiumsdiskussion mit den Spre-        ger. Anschließend machte Nida-Rümelin unter Rückgriff
    cherinnen und Sprechern für Wohnen und Stadtentwick-            auf Aristoteles deutlich, dass ein gelingendes soziales Mit-
    lung der Fraktionen im Bundestag stand dieses Jahr ganz         einander damals wie heute nicht voraussetzungslos ist,
    im Zeichen der Landtagswahlen in Bayern und Hessen und          sondern in regelmäßiger gemeinsamer Praxis erlernt und in
    machte deutlich, welche gesellschaftspolitische Brisanz das     Gegensätze überwölbenden Riten und Bräuchen zelebriert
    Wohnungsthema mittlerweile entfaltet. So kritisierten die       werden muss. In Anbetracht der gegenwärtigen Demokra-
    Sprecherinnen und Sprecher der Linken und von Bündnis           tiekrise betonte er die integrierende und identitätsstiften-
    90/Die Grünen auch gleich zu Beginn die Zusammenset-            de Funktion von partizipativen Stadtentwicklungsprojekten
    zung des Wohnungsgipfels: Während sieben Verbände der           und die symbolische Bedeutung von niedrigschwelligen
    Immobilienwirtschaft und vier Verbände der Baubranche           Gemeinschaftserlebnissen wie z. B. Nachbarschaftsfesten.
    eingeladen worden seien, seien Sozial-, Umwelt- oder Woh-              Die Frage, wie Stadtentwicklung den sozialen Zusam-
    nungslosenverbände gar nicht vertreten – noch nicht ein-        menhalt stärken könne, stand auch im Mittelpunkt der an-
    mal „am Katzentisch“. Die anschließend vorgetragenen            schließenden Podiumsdiskussion. Schnell bestand Einigkeit
    Statements spiegelten – wenig überraschend – u. a. die Dif-     darin, dass angesichts der Größe heutiger Städte nicht die
    ferenzen in der aktuellen Bundesregierung wider.                Stadt, sondern das Quartier den Referenzrahmen bilde.
                                                                    Prof. Dr.(I.) Elisabeth Merk, Münchner Stadtbaurätin und
    NSP-Kongress im Schatten                                        Präsidentin der Deutschen Akademie für Städtebau und
    der Regierungskrise                                             Landesplanung (DASL), plädierte diesbezüglich dafür, das
    Die Turbulenzen in der Bundesregierung prägten auch den         Quartier und damit auch die Stadt über einen qualitativ
    Auftakt des zweiten Tages: Die Rede von Minister Horst          hochwertigen Städtebau „empathischer“ zu machen. Die
    Seehofer wurde kurzfristig abgesagt. Stellvertretend eröff-     Stadtpolitik müsse Räume der Begegnung und des gemein-
    nete der Parlamentarische Staatssekretär Marco Wander-          schaftlichen Lebens fördern, z. B. durch die Bereitstellung
    witz den Kongress. Er betonte die Bedeutung der Städte-         von Grundstücken für gemeinschaftlichen Wohnungsbau.
    bauförderung für den sozialen Zusammenhalt und die              Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetags und
    nachhaltige Entwicklung von Kommunen und sicherte zu,           Oberbürgermeister der Stadt Münster, ergänzte in diesem
    diese auf Rekordniveau zu halten. Weiterhin arbeite das         Zusammenhang die Bedeutung von transformativen Or-
    BMI daran, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020 vor-        ten, wie z. B. Repair-Cafés und Gemeinschaftsgärten.
    zubereiten, u. a. mit dem Ziel, eine aktualisierte Leipzig-     Hans-Joachim Grote, Minister für Inneres, ländliche Räume
    Charta beschließen zu können.                                   und Integration des Landes Schleswig-Holstein und Vorsit-
          Wie zuvor bereits Priska Hinz, betonte auch Volker        zender der Bauministerkonferenz, betonte die Bedeutung
    Bouffier, Ministerpräsident von Hessen, in seinem Vortrag       von sogenannten „dritten Orten“ für Begegnungen und ge-
    die doppelte Herausforderung, vor der das Bundesland ste-       meinschaftliche Nutzungen (z. B. Sportvereine, Bücherei-
    he: Wohnungsnot und steigende Mietpreise in boomenden           en). Diese gelte es in ausreichendem Maße bereitzustellen
    Städten auf der einen, Abwanderung aus den infrastruktur-       – auch in Städten mit steigenden Mieten oder in schrump-
    schwachen ländlichen Gebieten Nordhessens auf der ande-         fenden Gemeinden. Damit auch „ärmere“ Kommunen die-
    ren Seite. Mit der „Offensive für den ländlichen Raum“ ver-     se Aufgaben wahrnehmen können, müssten sie stärker
    suche man deswegen, Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor        vom Bund unterstützt werden, so Roland Schäfer, Vizeprä-
    bewusst in ländliche Gebiete zu verlegen. Darüber hinaus        sident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und
    sei es gelungen, über die „Allianz für Wohnen“ alle wichti-     Bürgermeister der Stadt Bergkamen.
    gen Akteure der Wohnungswirtschaft an einem Tisch zu                   Nach einem inspirierenden Einblick in die afrikani-
    versammeln. Um Bauvorhaben zukünftig zu erleichtern,            schen Perspektiven der Stadtentwicklung durch Prof. Ed-
    forderte Bouffier, die Bauverordnungen der Länder über          gar Pieterse, Direktor des African Centre for Cities der Uni-
DIGITALISIERUNG - Akademie für Raumforschung und ...
02 / 2 018 _ N AC H R I C H T EN D ER A R L                                                    A K T U EL L   7

versität Capetown, verkündete Marco Wanderwitz die           D R . G A B R I E L E S C H M I DT
Ergebnisse des Projektaufrufs der Nationalen Stadtent-       SRL – Vereinigung für Stadt-, Regional- und
wicklungspolitik. Anschließend wurden in sechs dezentral     Landesplanung
stattfindenden Arenen anhand konkreter Projektbeispiele
                                                             Tel. +49 30 27874680
aktuelle Themen der Stadtentwicklung diskutiert. Der zwei-   info@srl.de
te Kongresstag endete mit internationalem Streetfood im
Frankfurter YARD – eine Zwischennutzung in einer Markt-
halle in der östlichen Innenstadt Frankfurts.
       Insgesamt machte die Veranstaltung deutlich, dass
die Herausforderungen in der Wohnungs- und Stadtent-
wicklungspolitik nur über ressortübergreifendes Handeln
                                                             P R O F. D R . R A I N E R DA N I E L Z Y K
– hier insbesondere über eine stärkere Zusammenführung       ist Generalsekretär der Akademie für Raum-
von Stadtentwicklungs- und Verkehrspolitik – und durch       forschung und Landesplanung (ARL) und
den Ausbau von Stadt-Umland-Kooperationen zu lösen           Hochschullehrer an der Leibniz-Universität
sind. Umso bedauerlicher, dass das Ministerium für Ver-      Hannover.
kehr und digitale Infrastruktur beim diesjährigen NSP-Kon-
gress nicht anwesend war. Bleibt zu hoffen, dass dies im     Tel. +49 511 3484237
nächsten Jahr anders sein wird.                              danielzyk@arl-net.de
DIGITALISIERUNG - Akademie für Raumforschung und ...
THEMA
8   THEMA    02 / 2 018 _ N AC H R I C H T E N D E R A R L
02 / 2 018 _ N AC H R I C H T EN D ER A R L                                                                          THEMA                               9

Jens Libbe

SMART CIT Y GESTALTEN

Diskutiert wird über die „Smart City“ schon lange. Es han-
delt sich dabei im Kern um eine Stadt, in der systematisch
Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)
eingesetzt werden, um neuartige Lösungen für ganz unter-
schiedliche Bereiche der Stadtentwicklung bereitzustel-
len. Die Intelligenz dieser Lösungen drückt sich nicht allein
in der Digitalisierung von Prozessen und Produkten aus,
sondern vor allem auch dadurch, dass – so die Erwartung
– durch IKT-basierte Angebote die Lebensqualität der Bür-
gerinnen und Bürger erhöht, die Energie- und Ressourcen-
effizienz verbessert oder auch die Wettbewerbsfähigkeit
der Städte gestärkt wird. Smarte Lösungen sollen mithin
die Zukunftsfähigkeit der Städte unterstützen und Berei-
che wie Gebäude, Energie oder Mobilität enger vernetzen
(vgl. Libbe 2018).
       Doch welche Konzepte und Ideen der Smart City wer-
den in der Praxis tatsächlich realisiert? Nachfolgend wird
ein Überblick über die gegenwärtige Umsetzung von
Smart-City-Konzepten in deutschen Städten gegeben.

                                                                                                                                 © Adobe Stock – HURCA!
Anwendungsfelder smarter Vernetzung
Digitale Informations- und Kommunikationstechniken wer-
den in ganz unterschiedlichen Bereichen der Stadtentwick-
lung angewendet: In der öffentlichen Verwaltung geht es
beispielsweise um die Reorganisation von Prozessen in Ver-
bindung mit Formen von E-Government. Smarte Lösungen
sollen es Bürgerinnen und Bürgern gleichermaßen wie Un-          schen lässt sich digital gestützt intelligenter organisieren,
ternehmen ermöglichen, nahezu alle Dienstleistungen on-          wenn beispielsweise multimodales Mobilitätsverhalten er-
line abrufen zu können. Die Basis hierfür ist die Verfügbar-     möglicht, geteilte Mobilität unterstützt oder der öffentli-
keit digitaler Identitäten und Signaturen, die den Zugriff auf   che Personennahverkehr gestärkt wird. Im Bereich der so-
miteinander kommunizierende Datenbanken erlauben. Mit            zialen Daseinsvorsorge wiederum sind exemplarisch der
Blick auf demokratische Teilhabe geht es zudem um For-           verbesserte Zugang zu medizinischer Beratung oder digita-
men von Echtzeit-Nutzerinformationssystemen oder digi-           le Bildungsformate zu nennen.
tale Beteiligungsformate.                                               Mit all diesen Lösungen ist die Erwartung eines Aus-
       Doch nicht nur innerhalb des politisch-administrati-      baus der digitalen Infrastruktur verknüpft, wobei es nicht
ven Systems, sondern auch weit darüber hinaus zeigen sich        nur um den Ausbau von Breitbandnetzen und Funkverbin-
Anwendungsfelder. So werden im Bereich der Gebäude-              dungen geht, sondern auch um die stärkere Verbreitung
technik und Gebäudeautomation digitale Mess-, Steue-             von Geräten zur Datenerhebung und -übertragung. Ausge-
rungs- und Regelsysteme eingesetzt, etwa um die Energie-         hend von Art. 3 Abs. 1 (Gleichbehandlungsgebot) sowie
versorgung oder Innenraumklimatisierung abzustimmen.             Art. 20 (Sozialstaatsprinzip) des Grundgesetzes ist zu fra-
In Bereichen von technischen Ver- und Entsorgungsinfra-          gen, inwieweit es nicht einen Anspruch der Bürgerinnen
strukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge wiederum             und Bürger auf einen flächendeckenden Ausbau der digita-
geht es um die bidirektionale Energiefluss- und Laststeue-       len Infrastruktur gibt, um am digitalen sozialen Leben teil-
rung (Smart Grid, Smart Meter, virtuelle Kraftwerke), die        haben zu können. Derzeit ist mit Blick auf fehlende Netze
bedarfsgerechte Energiebereitstellung in Verbindung mit          gleichermaßen ein Markt- wie auch ein Politikversagen fest-
Demand-Side-Management, die steuerungstechnische Op-             zustellen (vgl. Beirat für Raumentwicklung 2017: 19). Die
timierung des hydraulischen Systems der Kanalisation, die        großen Telekommunikationsanbieter sind unwillig, eine flä-
Erfassung von Umweltdaten und vieles andere mehr. Auch           chendeckende Versorgung sicherzustellen, der Politik
die räumliche Mobilität der in den Städten lebenden Men-         mangelt es an der regulatorischen Durchsetzung.
10   THEMA                                                                                    02 / 2 018 _ N AC H R I C H T E N D E R A R L

     Die Auseinandersetzung mit dem                                   sierung öffentlicher Dienste, liegt Deutschland in der
     Smart-City-Konzept                                               Umsetzung jedoch weit zurück. Eine flächendeckende di-
     In einer Umfrage des Deutschen Städte- und Gemeinde-             gitale Verwaltungsstruktur ist nicht vorhanden. Bei dem
     bundes (DStGB) aus dem Jahr 2018 erkennen rund 90                verfügbaren Angebot handelt es sich meist um ein reines
     Prozent der Kommunen die Bedeutung des digitalen Wan-            Informationsangebot, während die Online-Interaktion zwi-
     dels an, offenbaren aber auch, dass sie derzeit über keine       schen Bürgerinnen/Bürgern und Behörden ausbaufähig ist.
     geeignete Umsetzungsstrategie verfügen (Hornbostel et                  Ein Grund für die verzögerte Umsetzung liegt nicht
     al. 2018). Das Deutsche Institut für Urbanistik hat mit          zuletzt darin, dass die Gestaltung der Smart City quer liegt
     Stand 2017 unter den 200 größten Städten Deutschlands            zu klassischen Ressortzuständigkeiten. Die Gestaltung der
     rund ein Drittel identifiziert, die sich gezielt und umfassend   Smart City ist eine Querschnittsaufgabe über die verschie-
     mit dem Thema Smart City beschäftigen (vgl. Soike/Libbe          denen Politik- und Verwaltungsbereiche hinweg. Zugleich
     2018). Dies sind in erster Linie Großstädte. In Städten un-      müssen aber auch die einzelnen Ressorts ihre spezifischen
     ter 100.000 Einwohnern – sie machen immerhin die unte-           Umsetzungsstrategien entwickeln. Damit verbindet sich
     ren rund 60 Prozent der 200 einwohnerstärksten deut-             das bekannte Problem, dass bestehende Strukturen der öf-
     schen Kommunen aus – lassen sich nur noch vereinzelt             fentlichen Verwaltung oftmals im Widerspruch zu Innovati-
     Projekte im Sinne der Smart City ausfindig machen.               on und Veränderung stehen, da sie hierfür nicht aufgebaut
            Gerade weil die Digitalisierung so rasch voranschrei-     wurden. Fehlende Ressourcen in Form von Know-how, Zeit
     tet und die Möglichkeiten des Einsatzes intelligenter Steue-     oder Geld bewirken ein Übriges. Nicht zu unterschätzen ist
     rungstechnologien nahezu alle Bereiche des öffentlichen          zudem, dass das Personal zumeist nicht über die nötigen
     Sektors betreffen, besteht ein großer Bedarf am Austausch        digitalen Kompetenzen verfügt. Nach Jahrzehnten des Per-
     über Erwartungen und Erfahrungen. Dies fängt auf der             sonalabbaus ist die Situation in etlichen Verwaltungen an-
     Ebene der einzelnen Kommune an, wo die Relevanz des              gespannt; vielerorts ist das Personal überaltert und gehört
     Themas längst nicht in allen Ressorts bereits voll erkannt       damit nicht der Generation der „Digital Natives“ an.
     ist. Es betrifft aber auch den interkommunalen Erfahrungs-             Der vielfach zu hörende Ruf nach Installierung von
     austausch über Projekte, geeignete Kooperationspartner           Stabs- und Leitstellen bzw. eines „Digital Officer“ wird das
     oder gangbare Umsetzungsschritte. Umgekehrt haben                strukturelle Problem nur begrenzt beheben können. Not-
     auch Telekommunikationsanbieter und Industrie ein star-          wendig ist stattdessen ein kultureller Wandel, der zum ei-
     kes Interesse daran, ihre Dienstleistungen und Produkte          nen digitale Kompetenzen zur Selbstverständlichkeit bei
     noch genauer mit den Anwendern abzustimmen. Hier be-             Personalrekrutierungen, Karrierewegen usw. werden lässt
     steht Handlungsbedarf für den Bund und die Länder, im            und zum anderen unproduktive Abgrenzungen von Zustän-
     Rahmen von Digitalisierungsstrategien geeignete Plattfor-        digkeiten zwischen Ressorts auflöst. Insbesondere im Um-
     men für smarte Städte und Regionen zu organisieren und           gang mit Daten wird deutlich, dass Prozesse konsequent
     dabei eng mit den Kommunen und der Digitalwirtschaft zu-         von der zu erbringenden Dienstleistung und damit von
     sammenwirken.                                                    möglichst einfachen Verfahren her zu denken sind. Die Bür-
            Nicht selten werden Projekte auch in Kooperation          gerinnen und Bürger dürfen erwarten, künftig mehr oder
     mit Akteuren aus der privaten Wirtschaft sowie aus dem           weniger alle Verwaltungsdienstleistungen online abwickeln
     Bereich von Technologieanbietern und IKT-Dienstleistern          zu können, sieht man vielleicht von Eheschließungen oder
     realisiert. Für die öffentliche Hand liegt dabei die Heraus-     Immobiliengeschäften ab. Der einfache digitale Zugriff auf
     forderung darin, einerseits eine Innovationspartnerschaft        öffentliche Dienstleistungen ist dabei nicht mit einer Ver-
     einzugehen, sich andererseits aber nicht in die ausschließli-    nachlässigung von Datenschutz und Persönlichkeitsrech-
     che Abhängigkeit einer spezifischen technischen Lösung zu        ten zu verwechseln. Vielmehr geht es um sichere Datenaus-
     begeben oder gar technische Lösungen zu installieren, die        tauschsysteme zwischen Verwaltungseinheiten und deren
     in ihren möglichen ökonomischen oder auch sozialen oder          Datenbanken.
     ökologischen Folgewirkungen nicht wirklich abgeschätzt
     sind. Zahlreiche Anwendungen der Smart City befinden             Kommunale Unternehmen als Innovatoren
     sich derzeit im Stadium der Erprobung. Vielerorts werden         der Smart City
     Reallabore und Innovationslabore eingerichtet und geför-         Die allermeisten smarten Lösungen im öffentlichen Sektor
     dert, um Experimentierräume für Innovation im öffentli-          betreffen die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse.
     chen Sektor zu schaffen und gemeinschaftlich im Kreis von        Sie sind damit vor allem auch ein Gegenstand der wirt-
     Wissenschaft, Technologieanbietern und Nutzern passfähi-         schaftlichen Betätigung der Kommunen. Kommunale Un-
     ge Lösungen zu erkunden.                                         ternehmen erfüllen einen öffentlichen (hoheitlichen) Auf-
                                                                      trag, der gemeinwohlorientiert ist und der Daseinsvorsorge
     Die Rolle von Politik und Verwaltung                             dient. Die öffentliche Wirtschaft ist (im Grundsatz) allein
     Das Thema Smart City ist mit Blick auf den Kern von Ver-         öffentlichen Aufgaben verpflichtet, die sich aus öffentli-
     waltungshandeln im Grundsatz nicht neu. Digitale Verwal-         chen Interessen von Staat und Gesellschaft ableiten lassen.
     tung und E-Government sind keine neuen Themen, bereits           Sie ist zugleich kommunalwirtschaftlichen Schranken un-
     2013 wurde ein „E-Government-Gesetz“ von der Bundes-             terworfen. So bedarf die wirtschaftliche Betätigung eines
     regierung verabschiedet. Im Vergleich zu anderen europä-         öffentlichen Zwecks. Dieser kann sich auf soziale oder öko-
     ischen Ländern mit einer ausgeprägten Politik der Digitali-      logische Zwecke, die Erschließung des Gemeindegebiets
02 / 2 018 _ N AC H R I C H T EN D ER A R L                                                                                  THEMA     11

oder die Unterstützung von kommunaler Stadtplanung,              ziele allerdings in Smart-City-Konzepten so gut wie nie
Siedlungspolitik und Wirtschaftsförderung beziehen.              quantifiziert. Sie lassen sich nur indirekt, beispielsweise
Grundsätzlich dürfte der öffentliche Zweck einer wirt-           über vorhandene Energie-, Klimaschutz- oder auch Mobili-
schaftlichen Betätigung im Feld neuer IKT-basierter Ange-        tätskonzepte ableiten. Jedoch wird in der Begründung für
bote nicht im Wege stehen, da die Kommunen ein Interesse         einzelne Maßnahmen durchaus auf positive Effekte verwie-
daran haben, ihre Leistungen zeitgemäß bereitzustellen.          sen (etwa auf zu erwartende CO2-Einsparungen infolge ei-
Grenzen könnten sich vor allem dort ergeben, wo neue An-         ner voll vernetzten LED-Straßenbeleuchtung mit Telema-
gebote der Smart-City-Betätigung in unzulässige Konkur-          nagementsystem). Ob diese Effekte sich dann in der
renz zur privaten Wirtschaft treten (Beachtung des Subsi-        längerfristigen Perspektive tatsächlich einstellen, ist eine
diaritätsprinzips). Die rechtlichen Schranken der Bundes-        andere Frage. Hier fehlt es derzeit an entsprechenden Be-
länder sind hier unterschiedlich gesetzt. Die Auseinander-       wertungen. Aufgrund der Datenlage dürfte ein solcher
setzung um eine Beteiligung des Regionalversorgers Rhein-        Nachweis am ehesten bei energiebezogenen Anwendun-
energie an einem auf Smart Services spezialisierten Dienst-      gen zu führen sein. Eine wichtige Unterscheidung in Hin-
leister zeigt exemplarisch, dass die Grenzen datenbasierter      blick auf mögliche Umweltwirkungen ist dabei jene zwi-
Geschäftsmodelle aktuell neu ausgelotet werden.                  schen materieller Basis (Effekte durch Einsatz physischer
       Unübersehbar ist jedenfalls, dass sich die Smart City     Mittel zur Bereitstellung des Produkts / der Dienstleistung)
unmittelbar auf die Geschäftsmodelle der kommunalen Un-          und den hierauf aufbauenden Anwendungen (und damit
ternehmen und Betriebe auswirkt, egal ob es sich nun um          den veränderten Nutzungsroutinen, die durch das Produkt
intelligente Netz- und Systemdienstleistungen im Bereich         bzw. die Dienstleistung ausgelöst werden). Derzeit gilt: Im-
der Energieversorgung, smarte Services für Gebäude oder          mer neue technische Geräte und der exorbitant steigende
auch Angebote smarter Mobilität handelt. Die Digitalisie-        Datenumsatz bewirken auch größere ökologische Folge-
rung verändert ganz grundsätzlich existierende Skalenöko-        kosten und schaffen immer neue Anreize zur Konsum-
nomien und spaltet Wertschöpfungsketten auf. Zwischen            steigerung (Rebound-Effekt).
Produktion und Konsum treten zunehmend internetbasier-
te Plattformen und wecken aufgrund ihrer andersartigen
Dienstleistungen die Aufmerksamkeit der Kunden. Für den          Literatur
öffentlichen Sektor hat dies dort Folgen, wo er in Konkur-       Beirat für Raumentwicklung beim Bundesministerium für Verkehr
renz zu privaten Marktakteuren steht: Strombörsen als            und digitale Infrastruktur (2017): Empfehlung des Beirats für Raum-
Marktplatz dezentraler Energieversorgung oder Mobilitäts-        entwicklung: Smart Cities und Smart Regions für eine nachhaltige
                                                                 Raumentwicklung. 18. Legislaturperiode. Berlin.
plattformen zur Koordination von Mobilitätsangebot und
                                                                 Hornbostel, Lorenz; Nerger, Michael; Wittpahl, Volker; Handschuh,
-nachfrage bewirken einen raschen Wandel traditioneller          Alexander; Salden, Janina (2018): Zukunftsradar Digitale Kommune.
Geschäftsmodelle. Welche Lösungen dabei auf Dauer pass-          Ergebnisbericht zur Umfrage 2018. Berlin.
fähig sind, lässt sich kaum festlegen. So finden sich heute in   https://www.iit-berlin.de/de/publikationen/zukunftsradar-2018
der städtischen Energieversorgung zelluläre Lösungen, wie        (28.05.2018)
                                                                 Libbe, Jens (2018): Smart City. In: Rink, Dieter; Haase, Annegret
sie noch vor zehn Jahren kaum denkbar schienen. Umge-
                                                                 (Hrsg.): Handbuch Stadtkonzepte. Analysen, Diagnosen, Kritiken und
kehrt zeigt sich etwa im Bereich des plattformgestützten         Visionen. Stuttgart, 429-449.
Car-Sharing, dass diese Dienstleistung zumeist erst ab einer     Soike, Roman; Libbe, Jens (2018): Smart Cities in Deutschland – eine
Einwohnerzahl von 50.000 Einwohnern aufwärts anzutref-           Bestandsaufnahme. Berlin.
fen ist, da andernfalls die Nachfrage zu gering wäre.

Der Beitrag zur nachhaltigen
Stadtentwicklung
                                                                                        DR. JENS LIBBE
Die möglichen Wirkungen der Smart City in Hinblick auf                                  ist Leiter des Forschungsbereichs Infrastruk-
eine nachhaltige Stadtentwicklung sind bisher wenig unter-                              tur, Wirtschaft und Finanzen am Deutschen
sucht. Gerade durch Effizienzgewinne können digitale Lö-                                Institut für Urbanistik (Difu), Berlin.
sungen helfen, sowohl finanzielle als auch ökologische Res-
sourcen zu sparen. Unter Berücksichtigung notwendiger                                   Tel. +49 30 39001115
Investitionen für eine optimierte und medienbruchfreie di-                              libbe@difu.de
gitale Verwaltung sind beispielsweise relative Einsparungen
für die Verwaltungen sowie für Bürgerinnen und Bürger
und Unternehmen zu erwarten. Ihre tatsächliche Höhe ist
indes schwer zu beziffern.
       Nur wenig verallgemeinerbare Aussagen lassen sich
derzeit auch in Hinblick auf intendierte oder nicht inten-
dierte Umweltwirkungen von Ansätzen der Smart City tref-
fen. Intelligente Lösungen besitzen vielfältige Potenziale,
den Energie- und Ressourcenverbrauch oder auch den Mo-
bilitätsaufwand zu minimieren sowie suffiziente Lebensstile
und Wirtschaftsformen zu fördern. Bisher werden Umwelt-
12   THEMA                                                                                  02 / 2 018 _ N AC H R I C H T E N D E R A R L

     Klaus J. Beckmann

     DIGITALISIERUNG UND MOBILITÄT –
     CHANCEN UND RISIKEN FÜR EINE
     VERKEHRSWENDE

     Die Digitalisierung von gesellschaftlichen und wirtschaftli-           Dies gilt für andere Verkehrsmittel gleichermaßen:
     chen Prozessen verändert die Rahmenbedingungen für die          Autopiloten in Flugzeugen, Steuerung des hybriden Mus-
     Verkehrs- und Raumentwicklung. Es verändern sich Pro-           kel-Elektro-Antriebs von Pedelecs, Strommanagement in
     duktionsprozesse („Automatisierung“) und Kommunikati-           U-/S-Bahnen, Stadt- oder Straßenbahnen sowie Elektro-
     onsvorgänge. Neben der Ausstattung von Einzelpersonen           bussen.
     und Haushalten mit PCs und Smartphones zeigt vor allem                 Der Verkehrsbereich weist somit schon viele Jahre –
     deren Einsatz im Verkehrsbereich eine hohe Dynamik: in          auch vor der massenhaften Verbreitung von intelligenten
     der Digitalisierung von Fahrzeugen und Fahrwegen, in der        individuellen Kommunikationsgeräten („Smartphone“) –
     Automatisierung von Fahrzeugen wie auch in der Verände-         einen hohen Grad an Digitalisierung für Fahrzeuge, Fahrwe-
     rung der Mobilitäts-/Transportnachfrage. Die möglichen          ge und Anlagen auf: adaptive Steuerung von Signalanlagen
     Effekte wie Substitution physischen Verkehrs durch Kom-         an Kreuzungen, Steuerung des Betriebs in Verkehrstunneln
     munikation („virtueller Verkehr“), Induktion zusätzlichen       und Parkhäusern, Zugkontrollsysteme wie ETCS („Europe-
     Verkehrs durch Fernkontakte, modale Verlagerung auf an-         an Train Controlling System“), Flugsicherung und Flugfüh-
     dere Verkehrsträger und Effizienzsteigerung sind hinsicht-      rung, Stau- und Verspätungsmeldungen. Das Smartphone
     lich der Wirkungsausrichtung und -intensität bisher kaum        wird zur Informationsplattform und zur individuellen Mobi-
     empirisch belegt. Einflüsse des Einsatzes von Informations-     litätszentrale.
     und Kommunikationstechnologien (IKT) auf Verkehr – in                  In großen deutschen und europäischen Forschungs-
     der Folge auch auf Raumstrukturen, Standortmuster, Um-          programmen (z. B. PROMETHEUS 1993, „Mobilität in Bal-
     weltqualitäten und Stadtqualitäten – sind noch offen (vgl.      lungsräumen“ 1998) standen Möglichkeiten der Digitali-
     acatech 2015, Beckmann 2019). Für die Wirkungen der             sierung, der Lenkung und Steuerung des Verkehrs – auf
     digitalen Innovationen spielen gesellschaftliche, politische,   der Basis von Echtzeit-Informationen – im Vordergrund:
     rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen eine           Telematik als Verknüpfung von Telekommunikation und In-
     entscheidende Rolle.                                            formatik. Wesentliche Ziele sind: Erhöhung der Verkehrs-
                                                                     sicherheit, Effizienzsteigerung durch Ausschöpfung der
     Fahrzeuge, Fahrwege und Verkehr – bewährte                      Kapazitätsreserven von Anlagen oder durch zeitliche oder
     Einsatzbereiche der Digitalisierung                             räumliche Verkehrsverlagerung, Umweltschutz durch Har-
     Es gibt fast keine Fahrzeuge – weder Personen- und Last-        monisierung des Verkehrsflusses und/oder durch modale
     kraftwagen noch Busse, U- und S-Bahnen –, die nicht schon       Verkehrsverlagerung auf umweltverträgliche(re) Ver-
     heute zu ihrem Betrieb vielfältige Elemente der Digitalisie-    kehrsmittel des Umweltverbundes (ÖPNV, Fuß- und Rad-
     rung und Automatisierung einsetzen: die elektronische           verkehr).
     Steuerung der Zündung und Einspritzung in Verbrennungs-                Informationen über Verkehrszustände und Trans-
     motoren, die Start- und Abschaltautomatik, die Schließ-         portangebote, aber auch über Mitfahrgelegenheiten, Sha-
     und Sicherungssysteme, das ABS (Anti-Blocker-System)            ring-Angebote u. a. können zu Veränderungen individuellen
     und das ESC (Electronic Stability Control), zunehmend           Mobilitätsverhaltens genutzt werden (Routenwahl, Ver-
     aber auch Assistenten zur Abstandhaltung, zur Spurhaltung       kehrsmittelwahl, Wahl der Transportzeitpunkte). Insge-
     oder zum Einparken. Die notwendigen Informationen wer-          samt werden durch digitale Verkehrsinformationen zeitli-
     den durch Detektion in Echtzeit erhoben und/oder in Echt-       che und räumliche Bindungen gelockert, was zu einer
     zeit bereitgestellt. So können Geschwindigkeitsbegrenzun-       erweiterten Wahlfreiheit führen kann (vgl. auch Konrad/
     gen in Straßenabschnitten automatisch kontrolliert und          Wittowsky 2016).
     Überschreitungen vereinfacht sanktioniert werden.                      Navigation, Verkehrssteuerung, Verkehrstelematik
     Rechtsabbiegehilfen für Fahrer von Lastkraftwagen können        und Vernetzung von Verkehrsmitteln sind die Ziele der Digi-
     zur Vermeidung von Unfällen mit Fahrradfahrern durch            talisierung. Dabei steigt zunehmend die Dichte der verfüg-
     elektronische Detektions- und Warnhilfen ebenso einge-          baren Informationen über Verkehr durch deren Erfassung
     setzt werden wie zur Vermeidung von Unfällen mit Fahrrad-       mithilfe automatisierter – bis hin zu „autonomen“ – Fahr-
     fahrern durch das Öffnen von Fahrzeugtüren.                     zeugen, aber auch durch fahrwegseitige und luftseitige Er-
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                             fassungen (Drohnen, Satelliten). Insgesamt kommt im            Elemente einer „Smart Mobility“ sind:
                             Verkehr vermehrt „Künstliche Intelligenz“ (KI) zum Ein-
                             satz, die Erhebungen, Auswertungen, Analysen, Echtzeit-        >> Echtzeit-Verkehrs(angebots/zustands)-Informationen
                             prognosen und Optimierung der Verkehrsvorgänge er-
                             möglicht bzw. erleichtert. Der Einsatz von Informations- und   >> nachfragegesteuerte Verkehrsangebote und -dienste
                             Kommunikationstechnologien (IKT) dient auch der Ver-
                             netzung verschiedener Verkehrsmittel und der Automati-         >> Mobilitätspunkte zur intermodalen physischen Verknüp-
                             sierung von Fahrzeugen und Verkehrsvorgängen.                     fung von Verkehrsmitteln
                                   Der Verkehrsbereich hat auch vielfältige intersektora-
                             le Kooperationen angestoßen bzw. forciert:                     >> Sharing-Angebote

                             >> Einsatz von Fahrzeugbatterien in „Smart-Grid-Netzen“        >> (teil-)individualisierte öffentliche Verkehrsmittel
                                der dezentralen Stromversorgung und -speicherung, in
                                die Batterien als Antriebsaggregate für Fahrzeuge oder      >> automatisierte bis autonome Fahrzeuge
                                auch als Zwischenspeicher zur Rückspeisung ins Netz
                                eingebunden werden                                          >> neue Antriebsformen (Elektro, Hybrid usw.)

                             >> Verknüpfung von Smart-Home-Systemen (Sicherungs-            Digitale Dienste und Endgeräte als Basis
                                und Schließanlagen, Haushaltsgeräte, Klimaanlagen           für neue Formen der Mobilität
                                usw.) mit Smart-Mobility-Systemen über IKT                  Zunehmend werden Verkehrsangebote einzelner Verkehrs-
                                                                                            mittel intramodal wie auch intermodal/multimodal (ver-
                             >> Vernetzung in Smart-Mobility-Systemen zur Prüfung der       kehrsmittelübergreifend) daten-und informationsgestützt
                                Verfügbarkeit, zur Reservierung, zur Abrechnung, zu         vorbereitet, abgewickelt, begleitet wie auch nachbereitet.
                                Wartungsüberwachungen von Leih- und Sharing-Fahr-           Dazu werden Vorgänge und Zustände von Fahrzeugen und
                                zeugen, aber auch von Parkplätzen usw.                      Fahrwegen durch Sensorik der Fahrzeuge detektiert (Inf-
                                                                                            rarot, Radar, Lidar, Ultraschall usw.). Hinzu kommen fahr-
                                   Smart-City-Konzepte (vgl. Libbe in diesem Heft)          wegseitige Detektionsanlagen (Schleifen, Infrarot, Video-
                             stellen einen wichtigen Rahmen für Smart-Mobility-Ansät-       Aufnahmen, GPS usw.). Zur Einordnung und Interpretati-
                             ze dar. Mobilität ist neben anderen ein zentrales Teilsystem   on der Informationen bedarf es einer digitalen Abbildung
                             in einer Smart City: Gebäude und Wohnungen, Produkti-          der Verkehrsräume/-anlagen und vor allem einer Interpre-
                             on, Ernährung, Ressourcenwirtschaft, Services und              tationslogik („Künstliche Intelligenz“) zur Identifikation
                             Dienstleistungen, Politik und Verwaltung, Energie, Wärme,      von Fahrzeugen, Fahrrädern, Fußgängern, spielenden Kin-
                             Gesundheit, Bildung, Umwelt, Sicherheit, Wasser, Abwas-        dern, Anlageelementen, Hindernissen usw., aber auch von
                             ser, Abfall usw. Smarte Stadtentwicklung dient der Ener-       deren Bewegungen nach Richtung, Geschwindigkeiten und
                             gie- und Ressourceneffizienz, dem Ressourcenschutz und         Verläufen, um Reaktionen wie Abbremsen, Ausweichen,
                             der Klimaneutralität, der Flächeneffizienz und der Sicher-     Abgabe von Warnsignalen zu ermöglichen.
                             heit. Voraussetzungen sind ubiquitäre Informationssyste-             Die über Smartphone als „individuelle Mobilitätszent-
                             me, hochwertige Informationsübertragungen, Vernetzun-          ralen“ vermittelten Informationen beziehen sich vor allem
                             gen öffentlicher und privater Angebote, intra- und inter-      auf
                             sektorale Vernetzungen. Dezentrale Infrastrukturen und
                             dezentrale Verantwortung und Steuerung setzen informa-         >> Verkehrs-/Transportangebote (Wege/Routen, Bedie-
                             tionsgestützte Vernetzungen voraus.                               nungshäufigkeiten, Kapazitäten/Staus, Preise, Kosten,
                                                                                               Qualitätsmerkmale (z. B. Gepäckbeförderung) …) sowie
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     >> Bestell- und Koordinationsfunktionen (Taxi, Anruf Sam-    Telefon (Festnetz, Mobilnetz) oder per Internet und erset-
        meltaxi, Car-Sharing-Fahrzeug, Leih-Fahrrad, Leih-Pe-     zen physische Wege. Aktionsräume mit Arbeits- und Aus-
        delec, Parkraum …).                                       bildungsplätzen, Einkaufs- und Freizeitgelegenheiten und
                                                                  Orten sozialer Kontrolle werden flexibler und größer.
            Die bislang weitgehendste Form der Digitalisierung           Bisher gibt es unterschiedliche – jedoch allenfalls an-
     und der Nutzung künstlicher Intelligenz sind Fahrzeuge un-   satzweise empirisch überprüfte – Hypothesen zu den Mo-
     terschiedlicher Automatisierungsstufen und letztlich „au-    bilitätswirkungen:
     tonome“ Fahrzeuge, in denen Fahrer schrittweise die Len-
     kungs- und Überwachungsaufgaben an die künstliche            >> Ersatz physischer Wege durch virtuelle Wege wegen der
     Intelligenz im Fahrzeug und/oder im Fahrweg abgeben. Au-        Möglichkeit einer Reduktion von Kosten- und Zeitbelas-
     tonome Fahrzeuge setzen keine Rückfallebenen durch Ein-         tungen („Substitutions-Hypothese“)
     griff des „Fahrers“ bei den Bewegungsvorgängen voraus,
     sondern schließen diese sogar aus. Dies ermöglicht allen     >> Anstoß bzw. Verursachung von zusätzlichen Wegen und
     Fahrzeuginsassen während des Transportvorganges ande-           vor allem Wegen über größere Entfernungen durch
     re Aktivitäten wie Kommunikation, Nutzung von Funk und          IKT-gestützte Kontakte zu Menschen, Organisationen,
     Fernsehen, Nutzung von Internetdiensten, also auch Arbeit       Einrichtungen und Orten in großer Entfernung („Induk-
     u. Ä. Diese Fahrzeuge können von einem Parkplatz kom-           tions-Hypothese“)
     mend die Fahrgäste abholen, zu einem Ziel transportieren
     und sich evtl. ohne Fahrgäste zu einem geeigneten Park-      >> Umstrukturierung des Mobilitätsverhaltens mit Substi-
     platz bewegen oder auch andere Fahrgäste abholen. Dies          tutions- und Induktionseffekten bei annähender Kons-
     erscheint für den Transport von Personen ebenso möglich         tanz des Wege- und Zeitaufwands und Wechsel der Ver-
     wie für den Transport von Gütern.                               kehrsmittel („Modifizierungs- und Neutralitäts-Hypo-
            Der Aufwand für das Lenken und Abstellen von Fahr-       these“)
     zeugen kann „objektiv“ und vor allem „subjektiv“ stark re-
     duziert werden, sodass sich die Attraktivitätsrelationen           Dazu kann auf ausgewählte Arbeiten verwiesen wer-
     zwischen Personenkraftwagen, Taxis, ÖPNV oder auch           den von Lenz/Fraedrich (2015), Boesch et al. (2015),
     nichtmotorisierten Fahrzeugen stark verschieben können,      Mokhtarian (1991; 2009), Heinrichs (2015), Friedrich
     was im Personenverkehr zu (unerwünschten) Rückverla-         (2015), Wehner (2017), Konrad/Wittowsky (2016),
     gerungen vom Umweltverbund (ÖPNV, Fahrradverkehr,            Reutter/Wittowsky (2018). Zur Prüfung der Hypothesen
     Fußgängerverkehr) zum motorisierten Straßenverkehr           bedarf es einer Erweiterung bisheriger Mobilitätserhebun-
     führen kann. Dies hätte erhebliche negative bzw. kontra-     gen (SrV System repräsentativer Verkehrserhebungen;
     produktive Auswirkungen auf Straßenraum- und Stadt-          MiD Mobilität in Deutschland) durch Erhebung und Analy-
     qualitäten, auf verkehrsverursachte Umweltbelastungen.       se der Ausstattung von Haushalten mit IKT-Geräten und
     Mögliche Erleichterungen der Erreichbarkeit peripherer       -Diensten und deren Nutzung im Zuge von Arbeits-, Aus-
     und suburbaner Siedlungsstandorte können unerwünsch-         bildungs-, Einkaufs-, Freizeit- und Kontaktaktivitäten.
     te Siedlungsformen stärken oder diese stabilisieren wie            Mit diesen veränderten Optionen für Kontakte und
     Suburbanisierung, Siedlung in Achsen-Zwischenräumen.         Aktivitäten können sich auch die Attraktivität von Standor-
     Dies gilt für Wohngebiete wie auch für Gewerbegebiete        ten und damit Siedlungs- und Raumordnungsmuster verän-
     und Standorte von Großeinrichtungen des Handels und          dern. Insgesamt deuten sich eine Lockerung von individuel-
     der Freizeit (vgl. Beckmann 2019; Beckmann/Sammer            len Standortbindungen physischer Art und eine Aus-
     2016).                                                       dehnung von Aktionsräumen an. Raumnutzungen und Ver-
                                                                  kehrsverhalten können individuell erweitert, effizienter ge-
     Veränderungen des Mobilitätsverhaltens –                     staltet und vor allem durch vorbereitende bzw. begleitende
     Substitution, Induktion oder Neutralität?                    Informationsketten erleichtert werden. Unter der Annah-
     Die Möglichkeiten des Ersatzes physischer Mobilität durch    me modaler Verlagerungen zum Umweltverbund und/oder
     virtuelle Mobilität lassen Mutmaßungen über Veränderun-      zu umweltverträglichen Betriebsformen durch Elektro-/Hy-
     gen des Mobilitätsverhaltens zu. Ursachen sind auch verän-   brid-Antriebe und Mitfahr-, Pooling-/Sharing-Angebote
     derte Arbeitsformen wie Home-Office, wodurch Arbeits-        können Beiträge zur Förderung der Umweltverträglichkeit
     pendlerwege verändert oder verringert, aber auch Dienst-     und der Ressourcensparsamkeit von Verkehrsvorgängen
     reisen ersetzt werden können (Arbeit im Internet, Tele-      geleistet werden (Reduktion von CO2-, NOx-, Lärm-Emissi-
     fon-/Video-Konferenzen). Der physische Besuch von Schu-      onen).
     len und Ausbildungswege können gegebenenfalls durch                Wie die Effekte von Internet-Bestellungen („On-
     Einsatz von Lehr- und Lern-Software, durch Video-Teilnah-    line-Handel“) zeigen, können parallel kontraproduktive
     me an Unterrichtseinheiten ersetzt werden. Einkäufe wer-     Wirkungen entstehen. Personenmobilität zu Einkaufsgele-
     den mit einem steigenden Anteil – je nach Warengruppe        genheiten – zum Teil mit Käufen mehrerer Güter („multi-
     15–20 % – online getätigt (e-commerce). Sie werden durch     funktionale Einkaufswege“) – wird nicht nur zunehmend
     Lieferungen nach Hause (Kurier-, Express-, Postdienste       ersetzt durch Paketlieferungen mit zum Teil nur einer
     KEP) umgesetzt. Soziale Kontakte erfolgen zum Teil per       Ware, sondern ist auch noch verbunden mit hohen „Re-
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toure-Anteilen“ (bis zu 60 % in Abhängigkeit vom erwor-       wenn Private/Kommerzielle diese Daten zu Diensten „vere-
benen Gut) und damit mit hohem Güterverkehrsaufkom-           deln“ und nur gegen Entgelte den Verkehrsteilnehmern zur
men und hohen Güterverkehrsleistungen.                        Verfügung stellen.
      Erweiterte Wirkungen der automatisierten Verkehre             Die Verstärkung der Prozesse elektronischer Steue-
können sich vor allem in verdichteten Räumen der Metro-       rung und Information ermöglicht vermehrte Eingriffe
polen oder Großstädte – bei Vielfalt der Transport- und       (durch „Hacker“) in diese Vorgänge. Begründete Beden-
Vernetzungsangebote – ergeben. In dünn besiedelten            ken bestehen derzeit beispielsweise beim verstärkten Ein-
ländlichen Räumen, in denen seltene Verkehrsangebote          satz von „automatisierten Fahrzeugen“, sodass Anforde-
verschiedener Verkehrsträger bedarfsgerecht verknüpft         rungen des Datenschutzes und der Datensicherheit
werden (müssen), können durch Einsatz von IKT Trans-          zunehmen (vgl. Rannenberg 2015; Beirat für Raument-
portangebote sichergestellt werden, die für die Bewohner      wicklung 2017). Dies gilt insbesondere für Anbieter von In-
eine Teilnahme und für Unternehmen Austauschprozesse          formationsdiensten (z. B. Google, Apple) und von Mobili-
sicherstellen. In ländlichen Räumen können digitale Ange-     tätsdiensten (z. B. Uber, Flinck). Zur Gewährleistung der
bote im Versorgungsbereich (Bestellen von Waren im On-        Datensicherheit – z. B. gegen „Hacken“ von Informationen
line-Handel …), im Gesundheitsbereich (Gesundheits-           und Transportsteuerungen – wie auch des individuellen Da-
überwachung, Notrufsysteme, Bestellung/Lieferung von          tenschutzes sind Anstrengungen auf unterschiedlichsten
Medikamenten …) oder im Bildungsbereich (Tele-Lear-           Ebenen erforderlich.
ning, Online-Übertragung von Lehrveranstaltungen …)
ganzheitlich Lebensqualitäten sicherstellen oder verbes-      Fazit: Chancen und Risiken, neue Treiber von
sern. Diese digitalen Dienste und Leistungen können zu-       Innovationen
meist sehr viel kurzfristiger und schneller angepasst wer-    Die Erweiterung des „intelligenten“ und „vernetzten“ Ein-
den als bauliche Anlagen der Infrastrukturen und der          satzes von IKT im Verkehrsbereich, d. h. die Verschmel-
Fahrzeugbereitstellung.                                       zung von physischer und virtueller Mobilität, wird in den
      So wird der Online-Handel dramatisch wachsen mit        nächsten Jahren weiter stark zunehmen und kann – bei
reduzierten Bedarfsfahrten, aber steigenden Lieferfahrten     entsprechenden flankierenden Rahmenbedingungen im
und einhergehen mit Leerstand und Aufgabe von Geschäf-        Raumordnungs- und Städtebaurecht, Verkehrswege- und
ten (vgl. auch Osterhage in diesem Heft).                     Verkehrsrecht, im Recht der Verkehrsfinanzierung, aber
                                                              auch im Umweltrecht – wichtige Beiträge leisten zur Effizi-
Datenschutz und Datensicherheit                               enzsteigerung des Verkehrs, zur Erweiterung der Trans-
Mit der Nutzung von Internet-Optionen zum Kauf und/oder       portoptionen und zur Verbesserung der Umweltverträg-
zur Information wie auch mit dem Einsatz von Apps zur Or-     lichkeit und Ressourcensparsamkeit des Verkehrs.
ganisation von Verkehrsvorgängen (Verbindungs-Apps,                  „Smarte Mobilität der Zukunft“ wird vermehrt infor-
Car-Sharing-Apps, Einkaufs-Apps …) wird häufig durch den      mierend (über Mobilitätsoptionen und -angebote, Ver-
Nutzer die Bereitschaft erklärt, die Buchungen o. Ä. aus-     kehrszustände, Verkehrswirkungen), intelligent und ver-
werten zu lassen, sodass Käufer- und Kunden-Profile er-       netzt erfolgen. Ihre Chancen liegen in verbesserter Zu-
stellt werden können. Dies bedeutet, dass Handlungen/Be-      verlässigkeit der Verkehrsangebote durch geringere Stör-
dürfnisse/Präferenzen von Käufern und Kunden „trans-          anfälligkeit, im Ersatz eines Ausbaus von Infrastrukturen
parent“ werden und auch für andere Leistungen „adres-         durch intelligentes Nutzungsmanagement (mit den ent-
siert“ werden können. Außerdem können Profile der Ver-        sprechenden freiwerdenden finanziellen Kapazitäten) so-
kehrsabläufe, Wege, Aktionsräume – möglicherweise auch        wie in einer verbesserten Umfeld- und Umweltverträglich-
Orte und Arten der Aktivitäten – erstellt werden. Hier be-    keit.
steht die Gefahr einer Fehlnutzung.                                  Die technologischen Entwicklungen zum (teil-)auto-
       Die Gewinnung und Verwertung von Daten und Infor-      matisierten oder sogar autonomen Fahren werden sich al-
mationen sowie deren Speicherung (Big Data, Crowd             lenfalls mittelfristig, wohl eher langfristig durchsetzen. Der
Sourcing, Clouds …) eröffnet Optionen für neue Dienste,       zukünftige Einsatz bedarf einer Einbindung in integrierte
für innovative Produkte. So wird die Art des Unterwegsseins   Gesamtverkehrskonzepte und der Vermeidung kontrapro-
ebenso beeinflusst wie die Erreichbarkeiten und die zeitli-   duktiver Effekte wie Rückverlagerungen vom „Umweltver-
chen Bindungen für Aktivitäten. Systemgrenzen der Ver-        bund“ auf den motorisierten Straßenverkehr oder Seg-
kehrsmittel – öffentlicher Verkehr und Individualverkehr,     mentierung von Straßenräumen durch bauliche Ab-
nichtmotorisierter Individualverkehr – werden permeabel       grenzung der Fahrstreifen (vgl. Beckmann 2019). Die er-
bzw. vernetzt. Es entsteht ein Interesse an einem zuneh-      warteten Vorteile bzw. Chancen wie Verbesserung der Ver-
menden Austausch personenbezogener Daten, der Daten           kehrssicherheit, Reduktion von Stellplätzen/Parkplatzbe-
privater und der Daten öffentlicher Dienste. So stellt die    darf, Erhöhung der Leistungsfähigkeit von Verkehrsanlagen,
Bundesanstalt für Straßenwesen BAST einen „Marktplatz         Bequemlichkeit der Nutzung etc. müssen gegen die poten-
für Verkehrsdaten MDV“ bereit. Gerade öffentliche Träger      ziellen Nachteile abgewogen werden. Der Einsatz automati-
stehen der Bereitstellung von Daten – z. B. Verkehrszählun-   sierter Fahrzeuge wird sich vor allem auf monofunktiona-
gen, Daten von Signalanlagen und Verkehrszuständen, Mo-       len Verkehrswegen (z. B. Autobahnen, Fern- und Hoch-
bilitätsdaten – jedoch skeptisch gegenüber, insbesondere      geschwindigkeitsstrecken der Züge) und in Metropolregio-
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