Unisex - der Sündenfall - aok-bw-presse.de

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2/2021
AOK BADEN­-WÜRTTEMBERG

                         GENDERMEDIZIN

                         Unisex – der
                         Sündenfall
                         Alle gleich zu behandeln, ist ein Grundsatz der
                         Menschenrechte. Doch in der Medizin
                         muss man es differenziert angehen

22 ALTER & Für die 24-Stunden-Pflege zu Hause        29 STUTTGART Die Landarztquote aus dem Ländle kann
   PFLEGE gibt es endlich erste Standards               & BERLIN  auch ein Modell für den Bund sein
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Seite 2            INHALT

08                                    16                                       20
                                                                                                                                         04     TREFFPUNKT
                                                                                                                                                Nachrichten, Positionen, Meinungen
                                                                                                                                                aus dem Gesundheitswesen

                                                                                                                                         08     SEISMOGRAF
                                                                                                                                                Gendermedizin rückt Unterschiede
                                                                                                                                                in den Mittelpunkt

                                                                                                                                         12     GESUNDHEIT & VERSORGUNG
                                                                                                                                                Schauen Heranwachsende zu viel
                                                                                                                                                auf Bildschirme, leidet die Gesundheit

Gendermedizin: Frauen sind             Pandemie: Ein Forum gibt                 Versandhandel: Immer
keine weiblichen Männer                Impulse für künftige Krisen              mehr Pillen kommen per Post
                                                                                                                                         14     HIER & JETZT
                                                                                                                                                Modellprojekte und Erfahrungen
                                                                                                                                                aus Baden-Württemberg

                                                                                                                                         16     STANDPUNKT
                                                                                                                                                Der Verwaltungsrat der AOK Baden-
                                                                                                                                                Württemberg bezieht Stellung

                                                                                                                                         18     PRÄVENTION & INNOVATION
                                                                                                                                                Eine Coaching-App soll gesunde
                                                                                                                                                Gewohnheiten etablieren
                                    ZAHL DER AUSGABE
                                                                                                                                         20     VERSORGUNG & IT
                                                                                                                                                Der Versandhandel mit Arzneimitteln
                                                                                                                                                boomt – dank Pandemie und E-Rezept

                                                                                                                                         22     ALTER & PFLEGE
                                                                                                                                                Für die 24-Stunden-Pflege zu Hause
                                                                                                                                                braucht es klare Regeln

       Chefinnen im Gesundheitswesen                                                                                                     24     RECHT & GESUNDHEIT
                                                                                                                                                Reformdruck bei der Bundeszentrale
Allen Forderungen nach mehr Gleichberechtigung von Frauen zum                                                                                   für gesundheitliche Aufklärung
  Trotz: Der Anteil weiblicher Führungskräfte in der Gesundheits-
       wirtschaft ist innerhalb der vergangenen fünf Jahre um                                                                            26     REDE & ANTWORT
   vier Prozent zurückgegangen. Obwohl in der Branche mehr als                                                                                  Ärztin Nicola Buhlinger-Göpfarth
75 Prozent der Beschäftigten weiblich sind, ist nur noch knapp jede                                                                             wirbt für mehr Parität in Gremien
dritte leitende Position (29 Prozent) von einer Frau besetzt, berich-
 tet die Studie „Frauen in der Gesundheitswirtschaft 2020“, für die
                                                                                                                                         28     GESUNDHEIT & WIRTSCHAFT
PricewaterhouseCoopers (PwC) die Daten von 8.000 Unternehmen,
                                                                                                                                                Bis zum Jahr 2030 will die Südwest-
Krankenhäusern, Versicherungen und Verbänden ausgewertet hat.
                                                                                                                                                AOK klimaneutral werden
   Bei der AOK Baden-Württemberg ist der Anteil von Frauen in
      Führungspositionen von 29,9 Prozent im Jahr 2011 auf                                                                               30     WEBSNACKS & TERMINE
aktuell 44,7 Prozent gestiegen. Der Vorstand ist zugegebenermaßen                                                                               Was macht die Leopoldina und
  immer noch rein männlich. Auch deswegen ist dieses Thema der                                                                                  welche Gesundheitsapps trenden?
 AOK wichtig – wie diese Ausgabe unterstreicht, in der es an vielen
   Stellen um Geschlechtergerechtigkeit in der Gesundheit geht.                                                                          31     AUS & EINSICHT
                                                                                                                                                Andrea Scheiter radelt mit dem
                                                                                                                                                VERAHmobil zu ihren Patienten

IMPRESSUM
Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt: AOK Baden-Württemberg, Presselstraße 19, 70191 Stuttgart; Verlag: ­KomPart ­Verlagsgesellschaft
mbH & Co. KG, Rosen­t haler Straße 31, 10178 Berlin; Geschäftsführer: Frank Schmidt, Martin Gosen; C­ reative ­D irector: Sybilla Weidinger;
Redaktionelles Konzept: Robin Halm, Anne Wäschle; Koordination: Stefan Rösch; Chefredaktion: Anne W           ­ äschle (awa), Telefon: 030
22011 121; Redaktion: Caroline Friedmann (cf), Anette Frisch (af), Stephan Funk (stef), Grit Horn (gh), Ines Körver (ink), Fabian Obergföll
(fob), Stefan Rösch (srö); Grafisches Konzept und Umsetzung: Katharina Doering; Nachdruck oder Weiterverwendung von Inhalten nur
mit Genehmigung des Herausgebers. Der Redaktionsschluss für die Ausgabe 02/2021 war der 12. März 2021. Nächster Redak­t ionsschluss:
21. Mai 2021. Adressänderungen per E-Mail an agendagesundheitmagazin@bw.aok.de                                              IDENT.-NR . 21- 0055

                                                                                                             2/2021
Unisex - der Sündenfall - aok-bw-presse.de
S ietiet e3 3 R UEBI RN IBKLNI AC M
                                            Se                                 KE
Bild: (c) EPFL

                 Große
                                 Andrea Ablasser ist eine von vier Forschenden, die den Deutschen Krebspreis 2021 g
                                                                                                                  ­ ewonnen
                                 haben. Die gebürtige Baden-Württembergerin hat ihre Wirkungsstätte in Lausanne, an der ­École

                 Signalwirkung   Polytechnique Fédérale und untersucht dort die Signalwege von Zellen, die ein Tumorwachstum
                                 ­fördern oder hemmen können. Ihre Arbeiten zur körpereigenen Immunabwehr von Tumorzellen
                                  haben dazu beigetragen, neuartige und vielversprechende Krebstherapien zu entwickeln.

                                                                        2/2021
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Seite 4      TREFFPUNKT

                                                 MENSCH MIT MISSION
                                                                                                                       S P Ä TA U S L E S E

               Guter Start ins Leben
                                                                                                                       UNZENSIERTER
                                                                                                                        GEDANKEN

               Ein Novum in der Gesundheitspolitik: Erstmalig waren Eltern an einem Runden
               Tisch zur geburtshilflichen Versorgung beteiligt. Nicht immer herrschte Konsens

                                                                                                                       »Ein Großteil
                  »Bessere                           Runde Tische werden gebildet, um mit unterschiedlichen          der Beschäftig-
                Versorgung                           Akteurinnen und Akteuren drängende Probleme zu einem
                                                                                                                         ten in der
                                                     bestimmten Thema anzugehen. In Baden-Württemberg
                rund um die
                Geburt funk-
                                                     rief Anfang 2017 Staatssekretärin Bärbl Mielich den Run-
                                                                                                                          Pflege, in
                                                     den Tisch Geburtshilfe ins Leben. Ihr Ziel: die Stärken und
                tioniert nur,                        Herausforderungen der Geburtshilfe im Land erfassen, ei-          Krankenhäu-
               wenn Eltern an                        ne Vision entwickeln und Maßnahmen auf den Weg brin-
                                                                                                                        sern, Super-
                                                     gen. Lydia Abdallah vom Verein Mother Hood war als
               Veränderungs-
                 prozessen
                                                     Elternvertreterin dabei. Der 2015 gegründete und                 märkten oder
                                                     deutschlandweit aktive Verein setzt sich unter anderem
                  beteiligt                          für eine frauen- und familienzentrierte Versorgung wäh-         im Erziehungs-
                  werden«                            rend Schwangerschaft, Geburt und früher Kindheit ein.
                                                                                                                         bereich ist
                                                     „Eltern gehören bei solchen Gremien deshalb mit an den

                         Lydia Abdallah
                                                     Tisch“, sagt Lydia Abdallah, die über alle berufsständi-        weiblich. Diese
                                                     schen und politischen Interessen hinweg die Perspektive
                  Ärztin und Interessenvertreterin
               der 2015 gegründeten Bundeseltern-    der Eltern einbrachte und verteidigte.                          Frauen sind die
                       initiative Mother Hood
                                                         Nicht immer bestand Konsens – wie etwa bei der               Heldinnen der
                                                     Frage, ob kleinere Geburtsstationen für eine sichere Ge-
                                                     burtshilfe nötig sind. Einigkeit herrschte hingegen bei           Coronakrise.
                                                     grundlegenden Themen. Zum Beispiel, dass eine gute
                                                     Zusammenarbeit der Berufsgruppen notwendig ist, die
                                                                                                                      Gleichberech-
                                                     Schwangere und Gebärende begleiten. Oder, dass ei-                tigung heißt
                                                     ne optimale Versorgung nur mit ausreichender Perso-
                                                     naldichte möglich ist. Auch besondere Konzepte für ver-           auch, Berufe,
                                                     sorgungsschwache Regionen begrüßten die Beteiligten
                                                                                                                      die hauptsäch-
                                                     einhellig. Darunter die Förderung sogenannter Lokaler
                                                     Versorgungszentren (LGZ), die mittlerweile beispielhaft         lich von Frauen
                                                     für andere Bundesländer sind. Wenngleich viele An-
Bild: Privat

                                                     liegen der Elternvertretung nicht in die Beschlüsse des
                                                                                                                          ausgeübt
                                                     Runden Tisches aufgenommen wurden, sind die konst-              werden, endlich
                                                                 ruktive Arbeitsatmosphäre und die beschlos-
                                                                 senen Maßnahmen sehr positive Schritte in           angemessen zu
                                                                 die richtige Richtung.    srö     mother-hood.de
                                                                                                                         bezahlen.«
                                                       Lydia Abdallah
                                                                                                                         Stefanie Seiler
                                                       ist in der Landesgruppe des Eltern­vereins Mother                Oberbürgermeisterin
                                                                                                                            von Speyer
                                                        Hood aktiv. Die Ärztin setzt sich dafür ein, dass Frau-
                                                         en gut begleitet und selbstbestimmt gebären kön-
                                                         nen. Vier Jahre vertrat sie die Interessen der Eltern
                                                          am „Runden Tisch Geburtshilfe Baden-Württem-
                                                          berg“, der inzwischen abgeschlossen ist. Zudem
                                                           hat sie für Mother Hood 2019 den interdisziplinä-
                                                            ren Kongress „WIR – von Anfang an“ in Stuttgart
                                                                                                                                              Bild: K. xxring

                                                             mitorganisiert.

                                                                                               2/2021
Unisex - der Sündenfall - aok-bw-presse.de
Seite 5                                                     TREFFPUNKT

 UMFRAGE                 GIBT ES EIN RECHT AUF SELBSTBESTIMMTES STERBEN?

Viele Menschen fürchten, an ihrem Lebensende im Stich gelassen zu werden. Seit dem vergangenen Jahr räumt das
Bundesverfassungsgericht jedem das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ein – und die Freiheit, Hilfe zu suchen

                                     Ohne gesellschaftlichen Druck                                                                                                                   Keine Tötung auf Verlangen
                                     Selbstbestimmung am Lebensende ist                                                                                                              Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten

                                                                                                                                                       Bild: LÄK Baden-Württemberg
                                     gewahrt, wenn Menschen ohne gesell-                                                                                                             ist es, Leben zu erhalten. Und unsere
                                     schaftlichen Druck sterben dürfen. Es                                                                                                           Berufsordnung regelt klar, dass wir
                                     braucht dazu geschützte Orte, an de-                                                                                                            Sterbenden unter Wahrung ihrer
                         Bild: EKD

                                     nen man sich nicht ständig mit der Opti-                                                                                                        Würde ihres Willens beizustehen
                                     on, sich selbst zu töten, auseinanderset-                                                                                                       haben. Die Tötung des Patienten, auch
    Dr. Stefanie                     zen muss. Wir müssen jetzt dringend eine                                                    Dr. Wolfgang Miller                                 wenn sie auf dessen Verlangen erfolgt,
     Schardien                                                                                                                        Präsident der
 Theologin, Sprecherin
                                     Kultur des Lebensendes entwickeln, die                                                                                                          ist rechtlich und ethisch-moralisch
                                                                                                                                  Landesärztekammer
  Wort zum Sonntag                   Schutz und Freiheit zusammen denkt.                                                          Baden-Württemberg                                  ausgeschlossen für jedermann.

Am Ende selbst entscheiden                                                                                                       Lebensbejahende Begleitung
Ja. Und wenn jemand dem Sterbewilli-                                                                                             Das Bundesverfassungsgericht zwingt
gen dabei helfen will, dann darf er das.                                                                                         uns zu einer Regulierung, die um gutach-
So war die Rechtslage, bis der Bundestag                                                                                         terliche Überprüfung des Willens,
im Jahr 2015 die Sterbehilfe verbot. Im                                                                                          Beratungspflicht und Dokumentation­s­
                                                                                                                Bild: privat

                                                                                                                                                                                                                                  Bild: Privat
Jahr 2020 hat das Bundesverfassungs-                                                                                             auflagen nicht herumkommen wird.
gericht diesen Paragrafen für nichtig er-                                                                                        Ich hoffe, dass eine lebensbejahende und
klärt. Diese Auffassung habe ich immer                            Ingrid                                                         stärkende Begleitung von Menschen,                                          Dr. Michael
                                                            Matthäus-Maier                                                                                                                                      Wunder
unterstützt aus juristischen und mit-                        Beiratsmitglied der
                                                                                                                                 die einen Suizidwunsch äußern, nicht                                       Beratungs­zentrum
menschlichen Gründen.                                     Giordano-Bruno-Stiftung                                                desavouiert wird.                                                           Alsterdorf, Leiter

           FALSCH                    NACHRICHTEN
                                                                                                               Beteiligt sich die PKV fair an
                                                                                                               den Coronakosten?
                                                                                                               Ja, sogar mehr als fair, sagt Florian Reuther, Verbandschef der
                                                                                                               Privaten Krankenversicherung. Zeit, einmal nachzurechnen

                                                                                                               Auf einer Pressekonferenz zur Zwischenbilanz der Coronapandemie im
                                                                                                               September verwehrte sich Florian Reuther, Verbandsdirektor der Priva-
                                                                                                               ten Krankenversicherung (PKV), gegen den Vorwurf, die PKV beteili-
                                                                                                               ge sich zu wenig an den Coronakosten. „Wir leisten zur Bewältigung
                                                                                                               der Krise sogar höhere Zahlungen an das Gesundheitssystem, als es ih-
                                                                                                               rem zehnprozentigen Versichertenanteil im Vergleich zur gesetzlichen
                                                                                                               Krankenversicherung entspricht.“ Dem widerspricht Johannes Bauern-
                                                                                                               feind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, deutlich:
                                                                                                               „Den weitaus größten Teil der Kosten stemmen bislang allein die ge-
                                                                                                               setzlich Versicherten und ihre Arbeitgeber.“ Die Finanzierung der Impf-
                                                                                                               zentren ist eines der wenigen Beispiele, an der die PKV mit 3,5 Prozent
                                                                                                               beteiligt ist. Allerdings müsste sie entsprechend ihres Versichertenan-
                                                                                                               teils mindestens fünf Prozent der Kosten tragen – von denen das Land
                                                                          Bild: iStock.com © Feodora Chiosea

                                                                                                               die Hälfte stemmt und die GKV 46,5 Prozent. Weitere Beispiele zeigen,
                                                                                                               dass sich die PKV ihrer Verantwortung entzieht. Darunter die Corona­
                                                                                                               pflegeprämie, der Bonus für zusätzliche Intensivbetten in Kliniken oder
                                                                                                               die asympto­matischen Testungen, die die GKV über die Liquiditätsreser-
                                                                                                               ve sogar für PKV-Versicherte mitbezahlt. gh

                                                                                                                                     2/2021
Unisex - der Sündenfall - aok-bw-presse.de
Seite 6     TREFFPUNKT

                        KREUZVERHÖR
                                                                                                             TAT E N & TAT S A C H E N

     KREUZ VERHÖR
Nach der Landtagswahl:
                                                                                                                      Mobile Verwaltung
Gesundheit braucht kreative                                                                                           Auch die Beschäftigten von

und praxistaugliche Konzepte                                                                                          Städten und Gemeinden arbei-
                                                                                                                      ten vermehrt mobil und von zu
Die Wiederauflage des grün-schwarzen Regierungsbündnisses                                                             Hause aus. „Zugleich sind dem
ist gesetzt. Was bringt der neue Koalitionsvertrag?                                                                   Homeoffice in Rathäusern und
                                                                                                                      Landratsämtern gewisse Gren-
                                                      In den Sondierungs­                                             zen gesetzt“, sagt Gudrun Heu-
                                                    ergebnissen von Grünen und                                        te-Bluhm, geschäftsführendes
                                                    CDU kommt Gesundheit nahezu                      Gudrun           Vorstandsmitglied des Städte-
                                                                                                  Heute-Bluhm
                                                    nicht vor – trotz Corona. Ist das                                 tags Baden-Württemberg. „Bei
                                                                                                 Geschäftsführendes
                                                    ein Fehler?                                  Vorstandsmitglied,   der Beantragung von Personal-
                                                                                                  Städtetag Baden­-
                                   Sondierungsgespräche loten Ge-                                   Württemberg       ausweisen oder bei Sterbefällen
                                   meinsamkeiten und Unterschiede                                                     benötigen die Bürger unbedingt
                               Bild: Ralf Killian

                                   zwischen den Beteiligten aus, um                                                   einen persönlichen Kontakt mit
                                   abzuschätzen, ob sich Koalitions-                                                  den Verwaltungsmitarbeitern.“
                                   verhandlungen inhaltlich überhaupt
                                   lohnen. Es geht also um die zentra-
   »Ich erwarte len Ziele und Leitlinien für die kom-                                            Gedruckte Arzneimittel
 von jeder neuen mende Legislaturperiode, konkret                                                Das Ulmer Start-up Digital Health
 Regierung neue um diejenigen Themen, die in Poli-                                               Systems (DiHeSys) will die medizi-
                                   tik und Öffentlichkeit als besonders                          nische Versorgung über die Apo-
       Impulse«                    drängend empfunden werden. Grü-                               theke digitalisieren und zuneh-
                                   ne und CDU haben hierbei den Kli-                             mend individualisieren. Die
      Prof. Dr. Ulrich Eith        maschutz, die Transformation des                              digitalisierte Herstellung von Arz-
    Seminar für Wissenschaftliche  Industriestandorts, den gesellschaft-                         neimitteln hält Geschäftsführer
     Politik, Universität Freiburg
                                   lichen Zusammenhalt und die Pan-                              Christian Franken für „extrem zu-
                                   demiebekämpfung besonders her-                                kunftsrelevant“. Mit DiHeSys will          Prof. Dr.
                                                                                                                                           Christian
ausgestellt. Das kann man aktuell so vertreten. Im Koalitionsvertrag                             der ehemalige DocMorris-Manager            Franken
                                                                                                                                          Geschäftsführer
müssen sich dann weitere konkrete Konzepte etwa zu Bildung, Ge-                                  künftig mithilfe persönlicher Pati-       von DiHeSys
sundheit, Landwirtschaft, innerer Sicherheit oder auch zur Wahl-                                 entendaten wie Gewicht oder
rechtsänderung finden.                                                                           Lebensstil Medikamente direkt in
                                                                                                 der Apotheke herstellen.
   Kann eine Wiederauflage der grün-schwarzen Koalition
überhaupt neue Impulse setzen?
Das erwarte ich von jeder neuen Regierung. Nur ein „weiter so“ ­wäre                                                  Stabiles Erfolgsmodell
fatal. Wenn die neue Regierung es schafft, konsequent und in allen                                                    Mit Gabriele Regina Overwiening
Bereichen den Klimaschutz umzusetzen, hat das auch über Deutsch-                                                      steht seit Anfang 2021 zum ers-
land hinaus Signalwirkung. Immerhin ist Baden-Württemberg als                                                         ten Mal eine Frau an der Spitze
­„Autoland“ ein zentraler Industriestandort mitten in Europa.                                                         der Bundesvereinigung Deutscher
                                                                                                                      Apothekerverbände (ABDA). Die
   Welche gesundheitspolitischen Baustellen müssten in                                                                58-jährige Präsidentin aus Re-
Baden-Württemberg sofort oder prioritär angegangen                                                                    ken in Nordrhein-Westfalen will
werden?                                                                                                               die Apotheke vor Ort stabilisieren
Zwei Dinge erscheinen mir gerade besonders wichtig: Zum einen                                        Gabriele         und zukunftsfest machen. „Das
                                                                                                      Regina
bereitet die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum zunehmend                                    Overwiening         wird nur gelingen, wenn wir die
                                                                                                   Präsidentin der
Probleme. Für Haus- und Fachärzte muss die Eröffnung einer                                       Bundesvereinigung
                                                                                                                      Digitalisierung im Gesundheits-
                                                                                                                                                            Bilder: Städtetag BW; DiHeSys; ABDA

Praxis auch jenseits der größeren Städte attraktiv sein. Dasselbe                                    Deutscher        wesen aktiv mitgestalten und
                                                                                                 Apothekerverbände
gilt für Hebammen. Es braucht kreative Konzepte und praxistaugli-                                      (ABDA)
                                                                                                                      dafür sorgen, dass die pharma-
che Umsetzungen. Darüber hinaus ist die Situation in der Pflege ein                                                   zeutischen Dienstleistungen ein
Dauerthema. Ausbildung und Bezahlung sind hierbei wichtige Stell-                                                     Erfolgsmodell werden.“
schrauben. awa

                                                                                        2/2021
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Seite 7         TREFFPUNKT

                                 ZEITSPRUNG

        Kleine Karte, große Tat:
        Der Organspendeausweis wird 50
        Glaubt man dem ­Hamburger            Organe nach dem Hirntod ent-
        Abendblatt, dann wurde der           nommen werden dürfen und
        erste Organspendeausweis             welche nicht. Auch die Anga-
        1971 in der Stadt an der Elbe        be, gar kein Organ spenden zu
        ausgestellt. Zuvor musste das        wollen, ist legitim und für
        Uniklinikum Hamburg-Eppen­-          Angehörige im Fall des Falles

                                                                                Bild: iStock.com © Praneat
        dorf die Erfahrung machen,           eine Erleichterung.
        dass von jährlich neun trans-           Die Bereitschaft, diese Ent-
        plantierten Nieren lediglich eine    scheidung zu treffen, steigt.
        aus der Region kam, während          In einer repräsentativen Befra-
        die restlichen aus Skandinavien      gung der Bundeszentrale für
        eingeflogen wurden.                  gesundheitliche Aufklärung                                      gegenüber steht allerdings die                    die über das Thema informie-
            Die Niere ist bis heute das      (BZgA) aus dem Jahr 2020 ga-                                    Tatsache, dass 2020 bei der                       ren, konnten nicht stattfinden.
        am meisten transplantierte           ben 62 Prozent an, über eine                                    BZgA lediglich 3,46 Millionen                        Keinen Einfluss hatte die
        Organ. 1954 gelang die ers-          Organspende befunden zu ha-                                     Bestellungen für Organspen-                       Pandemie im Übrigen auf die
        te Verpflanzung des blutfiltern-     ben – sechs Prozent mehr als                                    deausweise eingingen – und                        Zahl der gespendeten Organe.
        den Körperteils. Seitdem hat         im Jahr 2018. Von 39 auf 44                                     damit rund eine halbe Million                     Waren es 2019 genau 932
        die Transplantationsmedizin ei-      Prozent ist auch der Anteil de-                                 weniger als im Vorjahr, wie die                   Organspender, zählte die
        ne rasante Entwicklung erlebt        rer gestiegen, die ihre Ent-                                    BZgA auf Anfrage des Bran-                        Deutsche Stiftung Organtrans-
        und der Spendeausweis hat            scheidung schriftlich in einem                                  chendienst Business Insider                       plantation im vergangenen
        dazu beigetragen. Darin steht,       Organspendeausweis, einer Pa-                                   mitteilte. Die Ursache sieht die                  Jahr 913 Menschen, die nach
        wozu Trägerin oder Träger be-        tientenverfügung oder in bei-                                   Bundeszentrale in der Corona-                     dem Tod Organe zur Verfü-
        reit ist beziehungsweise welche      dem festgehalten haben. Dem-                                    krise. Viele Veranstaltungen,                     gung stellten.   awa

                                                                    PRO                                        KONTRA

                                                           Spitzensport:
                                                          Sponsoring von
                               Mark Schober                                                                                                        Prof. Gerd Glaeske
                           Vorstandsvorsitzender des                                                                                               Wissenschaftlicher Leiter
                           Deutschen Handballbundes                                                                                                 des Instituts „Länger

                                                         Krankenkassen?                                                                             besser leben“ an der
                                                                                                                                                     Universität Bremen                          Bild: Uni Bremen
Bild: DHB

                  »Partnerschaft mit Konzept«                                                                »Im Breitensport sinnvoller«
         Das Engagement der Krankenkassen muss auf allen Ebenen des                                          Spitzensport braucht kein Krankenkassen-Sponsoring. Je-
        Sports weiter erlaubt werden. Was die seit 2014 bestehende Ko-                                       der Euro, der unnötig ausgegeben wird, fehlt an anderer
          operation mit dem Deutschen Handballbund und der AOK be-                                           Stelle. Unnötig sind Ausgaben, die nicht der Gesundheit
             trifft, ist das für uns auch kein Sponsoring im klassischen Sin-                                zugutekommen. Die Krankenkassen sollten im Sinne des
        ne, sondern eine Gesundheitspartnerschaft mit klarem Konzept.                                        Präventionsziels „Mehr Bewegung“ investieren, die viele
          Sichtbar wird das über das Logo auf den Trikots unserer Natio-                                     Menschen erreichen – insbesondere aus sozial schwachen
        nalmannschaften. Die Gesundheitsvorsorge bildet den Kern die-                                        Schichten. Der Breitensport braucht die finanzielle Unter-
         ser gemeinsamen Geschichte, die wir mit unseren Handballstars                                       stützung, denn Hallen, Bäder und Sportplätze müssten
           in die Breite tragen. Jüngstes Beispiel ist die Kampagne „Imp-                                    instand gehalten und gemietet sowie Trainer verpflichtet
            fen rettet Leben!“. Die Partnerschaft leben wir über alle Ebe-                                   werden. Die Einrichtung von Bewegungsparcours, das Be-
         nen des Verbandes. Dazu zählen unsere Nationalmannschaften                                          schaffen von Sportgeräten oder die Initiierung von nach-
            jeder Altersklasse, unsere Angebote in der Trainerausbildung                                     haltigen Sportprogrammen ist wichtig. Hier ist das Geld
             oder dem Amateur- und Breitensport. Mit dem AOK-Grund-                                          sinnvoller angelegt.
              schulaktionstag erreichen wir jährlich über 1.000 Schulen.                                     Quelle: Presse-Info des Instituts „Länger besser leben“ der Universität Bremen

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Unisex - der Sündenfall - aok-bw-presse.de
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   Unisex –
ein Sündenfall
                    2/2021
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Seite 9           SEISMOGRAF

          Frauen sind keine weiblichen Männer. Sie leiden an anderen Erkrankungen
          und Symptomen als männliche Patienten. Gesundheitsversorgung darf deshalb
          nicht unisex sein. Die Erkenntnisse der Gendermedizin müssen in Lehre und
                    Forschung, in Praxis und Politik ein Umdenken anstoßen

   D
                ie biologischen Unterschie-     betrachtet. Dabei sind auch häufig Frauen              Schwäche, Übelkeit, Schmerzen in den
                de zwischen Mann und Frau       betroffen – nur auf etwas andere Art.                  Schultern und im Oberbauch.“ Der
                sind so alt wie die Mensch-     „Bei einem Herzinfarkt zeigen Frauen und               Schmerzauslöser sei bei Frauen oft unklar.
                heit. Vergleichsweise jung      Männer oft unterschiedliche Symptome.                  Deshalb werde ein Herzinfarkt nicht im-
                ist die Disziplin der Gender-   Bei Männern ist es meist ein Engegefühl in             mer gleich als solcher erkannt.
medizin, die sich mit dem Einfluss von Ge-      der Brust, bei dem die Beschwerden vor                     Außerdem hat ein Herzinfarkt bei
schlecht auf Krankheit und Gesundheit           allem in den linken Arm aus­strahlen“, er-             weiblichen Betroffenen oft eine andere
beschäftigt. Frauen und Männer können           klärt die Kardiologin „Frauen haben oft                Ursache. Auch in puncto Häufigkeit und
bei derselben Erkrankung auch andere            ein bunteres Symptombild mit unter-                    Altersverteilung gibt es Unterschiede. So
Symptome zeigen. Außerdem können Me-            schiedlichen Beschwerden wie starker                   trifft der klassische Herzinfarkt, der infol-
dikamente im weiblichen Organismus eine                                                                ge eines Arterienverschlusses auftritt,
andere Wirkung haben als im männlichen.           »Bei Frauen werden                                   Männer im Durchschnitt zehn Jahre frü-
Trotzdem findet das Geschlecht in medi-           Symptome für Herz-                                   her. Daher bringen Frauen weitere Risiko-
zinischen Studien, Lehrbüchern, in der Di-                                                             faktoren und Erkrankungen älterer Men-
agnostik und Gesundheitsversorgung bis
                                                   erkrankungen oft                                    schen mit, die eine Prognose nach dem
heute nur wenig Berücksichtigung.                  nicht verstanden«                                   Infarkt verschlechtern. Zudem kommen
    Zu wenig, meint Vera Regitz-Zagrosek,                                                              bei Frauen häufiger unbekanntere Formen
Professorin an der Berliner Charité. Schon                       Prof. Dr. Vera                        vor, etwa ein Herzinfarkt, der durch einen
                                                                Regitz-Zagrosek
als junge Kardiologin fiel ihr auf, dass                         Kardiologin und
                                                                                                       Riss in der Innenwand der Herzkranzgefä-
Herzerkrankungen bei Frauen eine andere                         Gendermedizinerin                      ße entsteht. „Und ein solcher Infarkt kann
Herangehensweise erfordern. „In meiner
Zeit als Oberärztin merkte ich, dass bei
Frauen Symptome oft nicht verstanden                                    HERZINFARKT: STERBEFÄLLE IN DEUTSCHLAND
wurden, dass die Frauen bestimmte Medi-
kamente nicht vertragen haben oder die                         42.549                                                                          Frauen
Dosierungen nicht passten“, erklärt sie.                                                                                                       Männer
                                                                                    36.803
„So habe ich angefangen, mich vermehrt                34.412                                          33.563
mit dem Thema zu beschäftigen.“ Die                                        30.346
                                                                                                                           28.503
Kardiologin untersucht den Ein­fluss des                                                     26.590                                          25.921

                                                                                                                  21.601
Geschlechts auf die Prävention, Entste­
                                                                                                                                    18.361
hung, Diagnose, Therapie und Erfor-
schung von Krankheiten. Von 2007 bis
2019 leitete sie das Institut für Geschlech-
terforschung in der Medizin an der Chari-
té in Berlin, den bis heute einzigen Lehr-
                                                                                                                                                        Quelle: Destatis

stuhl für Gendermedizin in Deutschland.                  1999                 2004              2009                 2014             2019
Entsprechend weiß Regitz-Zagrosek ge-
nau, wie unterschiedlich sich manche Er-        Unterschätztes Risiko: Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache bei Frauen
                                                und Männern in Deutschland. Etwa 40 Prozent aller Todesfälle bei Frauen sind darauf zurückzufüh-
krankungen äußern können.
                                                ren. Das bedeutet, dass Frauen häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben als an Brustkrebs.
      Ein Herzinfarkt zum Beispiel wird im-     Trotzdem gelten diese Erkrankungen weiterhin als typisch männlich und ärztliches Personal, aber
mer noch von vielen als Männerkrankheit         auch Frauen selbst unterschätzen häufig das Erkrankungsrisiko.

                                                                                    2/2021
Unisex - der Sündenfall - aok-bw-presse.de
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                                                                 entscheide man sich oft nur für männliche      tätsklinikum Tübingen, kritisiert das fehlen-
                                                                 Probanden, kritisiert Regitz-Zagrosek. Eine    de Bewusstsein für geschlechtsspezifische
                                                                 systematische Untersuchung beider Ge-          Unterschiede in der Medizin. Innerhalb des
                                                                 schlechter gebe es häufig nicht. „Weniger      Forschungsprojekts „Frauengesundheit und
                                                                 als zehn Prozent der Tierversuche werden       Präventionsmedizin“ haben Joos und ihr
                                                                 an beiden Geschlechtern durchgeführt“,         Team um Professorin Stephanie Wallwiener
                                                                 so die Professorin. Grund dafür sei, dass      von der Unifrauenklinik Heidelberg, dem
                                                                 man lange geglaubt habe, dass es bei           Forschungsinstitut für Frauengesundheit
                                                                 weiblichen Mäusen zu starke hormonelle         des Uniklinikums Tübingen und der AOK
                                                                 Schwankungen gebe, um in Tierversuchen         Baden-Württemberg die anonymisierten
                                                                 aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen.        Daten von knapp vier Millionen AOK-Ver-
                                                                                                                sicherten analysiert und nach geschlechts-
                                                                          »Frauen                               spezifischen Gesichtspunkten ausgewertet.
                                                                                                                Dabei untersuchten sie auch den Verlauf
                                                                         bekommen
                                                                                                                verschiedener Erkrankungen bei Männern
                                                                      Arzneimittel, die                         und Frauen. Auf Basis ihrer Auswertungen
                                                                       kaum an ihrem                            wollen die Wissenschaftlerinnen und Wis-
                                                                         Geschlecht                             senschaftler herausfinden, ob Männer und
                                                  Bild: Privat

                                                                      getestet wurden«                          Frauen eine spezifische Versorgung oder
Herz für Frauen: Die Kardiologin Vera Regitz­-                                                                  spezielle Präventionsangebote brauchen.
Zagrosek vom Institut für Geschlechterforschung
                                                                               Prof. Dr. Vera
                                                                                                                   „Neben den gynäkologischen und uro-
in der Medizin an der Charité in Berlin                                       Regitz-Zagrosek                   logischen Besonderheiten, die für beide
                                                                              Gendermedizinerin
                                                                                                                Geschlechter spezifisch sind, gibt es eine
Frauen durchaus schon in jüngerem Alter                                                                         ganze Menge weiterer Aspekte, die bei
treffen“, so Regitz-Zagrosek.                                    „Manche Forscher geben das Geschlecht          der gendersensiblen Gesundheit eine Rolle
   Depressionen und Autoimmunerkran-                             der Versuchstiere gar nicht an“, so Regitz-­   spielen“, sagt Joos. So sei etwa bekannt,
kungen wie Rheuma oder Multiple Sklero-                          Zagrosek. Es sei jedoch wichtig, in Studien    dass einige Arzneistoffe bei Männern und
se werden ebenfalls häufiger bei Frauen di-                      beide Geschlechter zu betrachten – sowohl      Frauen unterschiedlich wirken. „Östrogen
agnostiziert. Gleichzeitig sind Mädchen                          in Tierversuchen als auch bei Medikamen-       beeinflusst zum Beispiel die Reizleitung
und Frauen in der Kindheit und als Erwach-                       tentests am Menschen. „In der ersten Pha-      am Herzen, weshalb sogenannte QT-ver-
sene gesünder als Jungen und Männer. In                          se von Arzneimittelstudien am Menschen         längernde Medikamente, also etwa Anti-
der Jugendzeit ist es umgekehrt. Denn in                         werden oft nur Männer genommen, weil           depressiva, möglicherweise bei Frauen
der Pubertät leiden Mädchen vergleichs-                          bei Frauen erst eine mögliche Schwanger-       häufiger Nebenwirkungen am Herzen aus-
weise häufiger unter Schmer­zen, Schlaf-                         schaft ausgeschlossen werden müsste“, er-      lösen können“, so die Medizinerin. Das
oder Essstörungen und unter Depressio-                           klärt die Wissenschaftlerin. Frauen nähmen     weibliche Geschlecht könne aber auch ein
nen. Das zeigt auch der erste Bericht zum                        häufig erst in einer sehr späten Phase an      Risikofaktor für zu spät gestellte Diagno-
Thema „Gesundheitliche Lage der Frauen                           Medikamentenstudien teil. „Das heißt also,     sen sein, zum Beispiel im Falle eines Herz-
in Deutschland“ des Robert Koch-Instituts                        sie bekommen Arzneimittel, die kaum an         infarkts oder bei einer HIV-Infektion, da
und des Statistischen Bundesamtes, der im                        ihrem Geschlecht getestet wurden.“             diese Erkrankungen als „untypisch“ für
Dezember 2020 veröffentlicht wurde.                                                                             Frauen eingeordnet würden.
   Trotz der teils großen Unterschiede                           BIOLOGISCHE UND SOZIALE FAKTOREN                  Auch am Thema Corona gehe die Ge-
zwischen den Geschlechtern kommen                                Auch Stefanie Joos, Ärztliche Direkto-         schlechterfrage nicht vorbei, meint Joos.
Frauen in der medizinischen Forschung oft                        rin des Instituts für Allgemeinmedizin und     „Männer haben bei einer Covid-Erkran-
zu kurz. In Studien und bei Tierversuchen                        ­Interprofessionelle Versorgung am Universi-   kung je nach Altersgruppe ein drei- bis
                                                                                                                                                             Quelle: RKI, Gesundheitliche Lage der Frauen in Deutschland, Berlin 2020

    Die geschlechtsspezifische Medizin
    Die Gendermedizin ist ein Teilgebiet der Humanmedizin. Sie                          turelle Geschlecht („gender“), etwa im Hinblick auf Geschlech-
    beschäftigt sich mit dem Einfluss von Geschlecht auf die Prä-                       terrollen und Lebensstile. Ziel ist eine Verbesserung der Qualität
    vention, Entstehung, Diagnose, Therapie und Erforschung von                         der medizinischen Versorgung durch mehr Gendersensibilität.
    Erkrankungen. Dabei werden sowohl Fragen thematisiert, die                          Die Gründung der ersten Gendermedizin-Institute erfolgte im
    das biologische Geschlecht („sex“) betreffen, beispielsweise die                    Jahr 2001 in New York, 2002 am Karolinska-Institut in Stock-
    Genetik und den Hormonstoffwechsel, als auch das soziokul-                          holm und 2003 an der Charité in Berlin.

                                                                                               2/2021
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          vierfach höheres Risiko als Frauen für ei-           wusstsein für die Relevanz von geschlech-                   S TA N D P U N K T
          nen schweren Verlauf. Die Ursachen sind              tersensiblen Aspekten angekommen“,
          zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geklärt,           heißt es. Es sei aber auch „sehr deutlich“,
          ebenso wenig wie die Frage, ob sich die              dass die Integration von geschlechtersen-
          Wirkung und Nebenwirkungen der Impf-                 siblen Aspekten in die Lehre „noch nicht
          stoffe in Abhängigkeit des Geschlechts               genügend vorangeschritten ist“.                PD Dr. Sabine Knapstein

                                                                                                                                                        Bild: AOK
          unterscheiden.“                                          Stefanie Joos fordert deshalb ein stär-     Medizinische Expertin bei der
                                                                                                                AOK Baden-Württemberg
             Bei der Betrachtung geschlechtsspezifi-           keres Bewusstsein für das Thema in der
          scher Unterschiede müssten aber nicht nur            Lehre, der Versorgung und der öffentli-
          anatomische und physiologische Beson-                chen Wahrnehmung sowie ein „generelles
          derheiten von Mann und Frau berücksich-
          tigt werden, sondern auch das soziale und
                                                               Umdenken“ in der Forschung. „Es ist
                                                               wichtig, dass die gendersensible Medizin
                                                                                                               Großer kleiner
          kulturelle Umfeld sowie der persönliche              mehr Aufmerksamkeit bekommt, dass                Unterschied
          Lebensstil der Geschlechter, meint Joos.             weitere Forschungsprojekte spezifisch
          „Denn auch diese Aspekte wirken sich auf             gefördert werden, dass aber auch – und        Die Pandemie hat auch das bewirkt:
          Erkrankungshäufigkeiten, Selbstmanage-               das halte ich für elementar – in allen an-    Durch die unterschiedlichen Krank-
          mentkompetenzen und die Inanspruch-                  deren Forschungsprojekten, die nicht          heitsverläufe von Covid-19 bei Frau-
          nahme medizinischer Leistungen aus.“                 speziell auf das Thema ausgelegt sind, im-    en und Männern rückt das Thema
                                                               mer auch geschlechtersensible Analysen        Gendermedizin stärker in den Blick.
          FEHLENDE VERMITTLUNG IM STUDIUM                      mitberücksichtigt und dann auch publi-        Der vermeintlich kleine Unterschied
          Schon bei der Ausbildung von Ärztinnen               ziert werden“, so Joos. „Das ist kein so      hat medizinisch oft gravierende Fol-
          und Ärzten zeigt sich Handlungsbedarf.               großer Aufwand und würde unser bisher         gen. Trotz dieses Wissens sind die Ver-
          Denn in der Lehre ist gendermedizinisches            noch sehr löchriges Bild der Geschlechter-    schiedenheiten nicht ausreichend er-
          Wissen nicht weit verbreitet. Ein Gutach-            unterschiede im Bereich der Medizin           forscht, geschweige denn werden sie
          ten der Charité Berlin, des Deutschen Ärz-           vervollständigen.“                            in der Praxis berücksichtigt. Das Ziel
          tinnenbundes und der Deutschen Gesell-                   Auch Vera Regitz-Zagrosek sieht gro-      der Gendermedizin ist eine bedarfs-
          schaft für Geschlechtsspezifische Medizin            ßen Nachholbedarf – in Lehre, Forschung       gerechte Versorgung von Frauen und
          aus dem Jahr 2020 zeigt, dass Medizinstu-            und Politik. „Wir müssen bei heranwach-       Männern. In der Kardiologie ist das
          dierende zu wenig darüber lernen, wie                senden Ärztinnen und Ärzten ein Bewusst-      angekommen. In vielen anderen Dis-
          sich das Geschlecht auf Krankheiten und              sein für das Problem schaffen und die         ziplinen nicht. Das muss sich ändern.
          Therapien auswirkt. Zwar sei an den meis-            Gendermedizin in der Lehre fördern“, sagt     Frauen dürfen nicht erst in der al-
          ten Medizinischen Fakultäten „ein Be-                sie. „Und die Politik sollte vor allem die    lerletzten Runde in Testreihen ein-
                                                                                                             bezogen werden. Auch wenn das
                                                                     »Das weibliche                          vielleicht teurer ist. Geschlechtsspezi-
                                                                                                             fische Faktoren müssen in der Diag-
                                                                    Geschlecht ist ein
                                                                                                             nostik, bei der Entwicklung von The-
                                                                   Risikofaktor für zu                       rapien und auch in der Prävention
                                                                      spät gestellte                         von Beginn an mitgedacht werden.
                                                                       Diagnosen«                            Genauso wie es selbstverständlich
                                                                                                             sein muss, dass die Gendermedizin
                                                                                                             in die medizinischen Lehrpläne ge-
                                                                            Prof. Dr. Stefanie
                                                                                     Joos                    hört. Alles was wir heute wissen,
                                                                            Ärztliche Direktorin am          muss auch gelehrt werden. Und das
                                                                            Uniklinikum Tübingen
                                                                                                             Wissen muss sich vermehren. Dafür
                                                               Arzneimittelforschung dazu verpflichten,      braucht es Forschung. Daran arbei-
                                                               statistisch zu testen, also Daten zu Män-     ten die Teams um Stefanie Joos und
                                                               nern und Frauen zu erheben und offenzu-       Stephanie Wallwiener in engem Aus-
                                                               legen.“ Zwar sei das Bewusstsein für gen-     tausch mit dem Team medizinischer
                                                               dermedizinische Fragen in den letzten         Expertinnen der AOK Baden-Würt-
                                                               Jahren schon etwas gewachsen, dennoch         temberg. Mit unserem Engagement
                                                               sei die Medizin in Deutschland immer noch     in Kooperationsprojekten wie diesem
Bild: Privat

                                                               sehr geschlechterblind, meint Vera Re-        stehen wir für den Anspruch ein, Ver-
                                                               gitz-Zagrosek. „Es gibt zwar Tropfen auf      sorgung weiterzuentwickeln.
          Mehr Aufmerksamkeit: Allgemeinmedizinerin
          Stefanie Joos wirkt mit im Forschungsprojekt Frau-   den heißen Stein, aber die reichen noch
          engesundheit und Präventionsmedizin in Tübingen      lange nicht, um den Stein zu kühlen.“ cf

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Bildschirm bevorzugt: Das frisst
viel Zeit und ist nicht gesund

         Hoher Medienkonsum schadet
              der Entwicklung
                  Kinder und Jugendliche sitzen zu viel vor Handy, Fernseher und PC.
                        Die gesundheitlichen Folgen können erheblich sein

    D
                       die Coronapandemie       Zipp, Kinder- und Jugendarzt bei der AOK       Knapp die Hälfte der befragten Eltern
                       hinterlässt bei Kin-     Baden-Württemberg, und bezieht sich da-        (44 Prozent) bemerken laut Forsa-Be-
                       dern und Jugendli-       bei auf die 40 Prozent der 15- bis 18-Jähri-   fragung bei ihrem Kind mindestens ei-
                       chen Spuren – so-        gen, die sich laut Forsa-­Studie täglich       ne der folgenden Beschwerden oder Ver-
                       wohl in seelischer als   3 Stunden oder länger mit Medien be-           haltensweisen: Konzentrationsprobleme
auch in körperlicher Hinsicht. Kontakte zu                                                     (14 Prozent), ungesunde Ernährung oder
Gleichaltrigen sind eingeschränkt. Schul-         »Täglich etwa zwei                           unregelmäßiges Essen (13 Prozent), Schlaf-
und Vereinssport finden nicht statt. Dass                                                      probleme (11 Prozent) und Kurzsichtig-
Medien dann eine noch wichtigere Rolle
                                                  Stunden raus an die                          keit (10 Prozent). Für den AOK-Experten
spielen, verwundert nicht. 51 Prozent der          frische Luft senkt                          Hans-Peter Zipp ist diese Rückmeldung
Kinder in Baden-Württemberg schauen an             das Risiko für eine                         Anlass zur Besorgnis, da auch häufige Me-
einem durchschnittlichen Tag mindestens             Kurzsichtigkeit«                           diennutzung gerade im Kindesalter die all-
eine Stunde auf einen Fernsehbildschirm,                                                       gemeine Entwicklung gefährden kann.
Monitor oder auf ein Smartphonedisplay.                                                            Um die Kinder und Jugendlichen vom
                                                            Dr. Hans-Peter Zipp
Am Wochenende ist es sogar noch mehr.                    Kinder- und Jugendarzt bei der        Bildschirm fernzuhalten und beispielswei-
Jeder Dritte gibt an, dass sein Kind mehr-                 AOK Baden-Württemberg               se einer Kurzsichtigkeit vorzubeugen, hat
mals pro Woche fragt, ob es länger vor                                                         Hans-Peter Zipp deshalb einen Tipp: Täg-
den Bildschirm darf.                            schäftigen. Vor allem ältere Kinder ver-       lich etwa zwei Stunden raus an die frische
   An erster Stelle steht der Fernseher         bringen hierzulande damit viel Zeit.           Luft. Das senkt das Risiko, dass eine Kurz-
(78 Prozent). Das ergab eine Umfrage des           Die Mehrheit der befragten Eltern (67       sichtigkeit entsteht oder sich stark aus-
Meinungsforschungsinstituts Forsa unter         Prozent) gibt an, dass ihr Kind an einem       prägt.
507 Eltern von Kindern zwischen einem           durchschnittlichen Samstag beziehungs-             Die Initiative „Schau hin! Was Dein
und 18 Jahren, die im Auftrag der AOK           weise Sonntag mindestens eine Stunde           Kind mit Medien macht“ unterstützt El-
Baden-Württemberg im Herbst durchge-            auf einen Bildschirm schaut – darunter         tern mit Kindern bis 13 Jahren dabei, ih-
führt wurde. Heranwachsende verbringen          27 Prozent, die schätzen, dass es sogar                     ren Nachwuchs im Umgang mit
inzwischen ebenso viel Zeit vor dem Bild-       mindestens drei Stunden sind, was vor al-                   Medien stark zu machen. srö
schirm wie in der Schule, sagt Hans-Peter       lem Jungen betrifft.                                                        schau-hin.info

                                                                                 2/2021
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Trampolin macht stark                                                                                                                    S TA N D P U N K T

Sucht isoliert nicht nur die Süchtigen, sondern auch ihre Kinder. Die AOK
stärkt Letztere deshalb im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts

                                                                                                                                                                      Bild: privat
                                                                                                                                Alexander Kölle

 B
                                                                                                                            Kinderpräventionsexperte der
            estimmt ist Papa so unglück-      Die AOK übernimmt seit 2017 die Kos-                                            AOK Baden-Württemberg
            lich und trinkt, weil ich ihn     ten für die rund 20 von zertifizierten
            enttäuscht habe.“ Für Außen-      Kräften geleiteten Gruppen, für die Pro-
stehende kaum nachvollziehbar, aber           jektorganisation, die Koordinationsge-
                                                                                                                                    SUCHTPRÄVENTION
viele Kinder halten sich für schuldig oder    spräche und vieles mehr. „Andere Bun-
zumindest für mitschuldig an den Sucht-       desländer neiden uns diese einzigartige
problemen ihrer Eltern – ganz gleich, ob      AOK-Förderung des so hochwertigen                                                   Raus aus der
es um Alkohol, Tabletten oder andere          Programms“, so Niemeier. Trampolin
Drogen geht. Daher kommen sie auch            wurde vom Uniklinikum Eppendorf und                                                  Isolation
nicht auf die Idee, dass es noch andere       der Katholischen Hochschule Köln ent-
Kinder in der gleichen Situation gibt.        wickelt, erprobt und evaluiert.                                               Wir wissen alle, wie bedeutend für
Oft haben sie zudem nicht die Zeit, sich         Kinder von Suchtkranken entwickeln                                         uns die Worte von Vater und Mutter
auf die Suche nach Leidensgenossen zu         Studien zufolge zu einem Drittel eine                                         waren und wie wir uns an ihrem Le-
machen, müssen sie sich doch neben            Abhängigkeitserkrankung, ein weiteres                                         bensmodell orientiert oder abgear-
der Schule noch um den Haushalt, Ge-          Drittel psychische oder psychiatrische Er-                                    beitet haben. Eltern prägen bis ins
schwister und das Aufrechterhalten der        krankungen – außerdem fallen 32 Pro-                                          eigene hohe Alter. Was aber, wenn
Fassade kümmern.                              zent höhere Gesundheitskosten an. Nie-                                        der Vater oder die Mutter nicht klar-
    „Dabei kann der Austausch mit Lei-        meier mahnt, Kinder suchtkranker Eltern                                       kommt mit der eigenen Existenz,
densgenossen viel bewirken. Wenn man          auch in Pandemiezeiten nicht zu verges-                                       überfordert zur Flasche greift und
erkennt, dass ein anderes Kind nichts         sen: „Von vielen Standorten habe ich                                          dem Nachwuchs kein gutes Vorbild
für die Probleme seiner Eltern kann, hat      gehört, dass man sich dort große Sor-                                         sein kann? Solche Kinder leiden oft
man schon fast verstanden, dass man           gen um die Schützlinge macht.“ Rund                                           still und werden nicht selten selbst
selbst auch nicht für die Lage des ei-        jedes sechste Kind ist nach Schätzungen                                       krank. Sehr lange wurden sie als
genen Vaters oder Mutter verantwort-          betroffen, in Baden-Württemberg rund                                          mögliches Ziel wirkungsvoller Inter-
lich ist“, weiß Christa Niemeier von der      150.000 Kinder bis 15 Jahre. ink                                              vention völlig übersehen. Immerhin
Landesstelle für Suchtfragen. Sie ist Teil                                                                                  hat sie die aktuelle Stellungnahme
des in Deutschland einmaligen Projekts                                                                                      der Bundesregierung zum Präventi-
Trampolin. Es kümmert sich pro                                                                                              onsbericht der nationalen Präventi-
Gruppe um fünf bis acht Kin-                                                                                                onskonferenz nun als Bevölkerungs-
der suchtkranker Eltern                                                                                                     gruppe identifiziert, der man mehr
im Alter von acht bis                                                                                                       Unterstützung angedeihen lassen
zwölf Jahren. Für die                                                                                                       sollte. Ich bin stolz, dass die AOK und
                                                                                           Bild: iStock.com © shapecharge

Eltern findet zum Start                                                                                                     die Landesstelle für Suchtfragen be-
und Abschluss jeweils                                                                                                       reits seit 2017 solche Kinder fördern.
ein 90-minütiger Eltern-                                                                                                    Wir wären nicht die AOK, wenn wir
abend statt.                                                                                                                nicht auch hier auf bewährte regio-
                                                                                                                            nale Netzwerkstrukturen setzen wür-
                                                                                                                            den, deren Partner ein echtes Inte­
                                                                                                                            resse haben und sich mit dem Thema
    Mehr Selbstbewusstsein lernen                                                                                           und den lokalen Gegebenheiten sehr
                                                                                                                            gut auskennen. Bislang konnten wir
    Um die Kinder suchtkranker Eltern zu unterstützen und ihnen zu helfen,                                                  mehr als 70 Gruppen von Kindern
    nicht zu erkranken, wurde das modulare Gruppenprogramm entwickelt. In                                                   suchtkranker Eltern unterstützen. Je
    neun Terminen à 90 Minuten können sie sich austauschen. Jede Woche geht                                                 gesünder und stabiler Kinder in der
    es um ein anderes Thema. Dazu gehören: Wie wirken Drogen? Wie kann ich                                                  Jugend sind, desto größer sind die
    mit der schwierigen Situation umgehen? Was kann ich für mich selbst tun,                                                Chancen, dass sie als Erwachsene gut
    um stabil zu bleiben? Wo bekomme ich Hilfe? So werden gesundheitsförder-                                                durchs Leben kommen.
    liche Verhaltensweisen eingeübt und das Selbstbewusstsein gestärkt.

                                                                             2/2021
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  MELDUNGEN             MODELLPROJEKTE & ERFAHRUNGEN
                                                                                                                          Erfolgskonzept wird
                                                                                                                          weiter ausgebaut
                                                                                                                          Entlastungsassistentin. Seit 2014 fördern
                                                                                                                          die AOK Baden-Württemberg und die Bosch
                                                                                                                          BKK die besondere Tätigkeit der Entlastungs-
                                                                                                                          assistentin in der Facharztpraxis (EFA). Mitt-
                                                                                                                          lerweile sind im gemeinsamen FacharztPro-
                                                                                                                          gramm bereits mehr als 600 EFAs in den Fach-
                                                                                                                          gebieten Gastroenterologie, Kardiologie, Neu-
                                                                                                                          rologie, Orthopädie, Rheumatologie und Uro-
                                                                                                                          logie aktiv. Sie unterstützen die Ärztin oder
                                                                                                                          den Arzt durch die Übernahme delegations-
                                                                                                                          fähiger Aufgaben und tragen so zu höherer
                                                                                                                          Versorgungssicherung und -qualität bei. Nun

                                                                                    Bild: Adobestock.com © coldwaterman
                                                                                                                          sind zwei weitere Ausbildungsprogramme für
                                                                                                                          die Fachbereiche Nephrologie und Pneumolo-
                                                                                                                          gie in Vorbereitung. Außerdem wird zukünftig
                                                                                                                          rund ein Viertel des 80-stündigen EFA-Lehr-
                                                                                                                          programms durch Online-Schulungen auf
                                                                                                                          dem Mediverbund Campus angeboten – einer
In der Praxis: Entlastungsassistentinnen
                                                                                                                          im vergangenen Herbst gestarteten digitalen
übernehmen Aufgaben von Ärztinnen und Ärzten
                                                                                                                          Fortbildungs- und Vernetzungsplattform.

Unternehmen                                        Mehr Gesundheit und
rücken zusammen                                    Jobzufriedenheit in der Pflege
Mitarbeitergesundheit. Gemeinsam die               Modellprojekt. Ziel einer guten Pflege ist es, die Mobilität und Unabhängigkeit
Gesundheit in den Blick nehmen, das haben          von Pflegebedürftigen bestmöglich zu erhalten. „Gleichzeitig ist es für die Versor-
sich die beiden Betriebsnachbarschaften vor-       gung von Pflegebedürftigen wesentlich, dass die Pflegekräfte selbst gesund blei-
genommen, zu denen sich Unternehmen in             ben und mit ihrer Arbeit zufrieden sind“, sagt Andreas Hoffmann, Vorstand der
Oberkirch und in Freiburg auf Initiative der       Caritas Konstanz. Beide Aspekte stehen im Mittelpunkt des neuen Modellpro-
AOK-Bezirksdirektion Südlicher Oberrhein           jekts „Kinästhetik“, das die Caritas mit Unterstützung der AOK Baden-Württem-
zusammengeschlossen haben. In vielen Un-           berg realisiert. Alle Beschäftigten werden dabei in die Lage versetzt, die Mobilität
ternehmen ist die Betriebliche Gesundheits-        der Pflegebedürftigen positiv zu beeinflussen. Das soll helfen, die Arbeit der Pfle-
förderung als Thema angekommen, aber               gekräfte zu erleichtern und deren körperliche und psychische Belastungen zu
oft scheitern die Vorhaben an der Umset-           reduzieren. Die wissenschaftliche Begleitung des bisher einmaligen Modellpro-
zung, zum Beispiel mangels geeigneter Räu-         jekts hat die Universität Konstanz übernommen.
me oder entsprechend geschultem Personal.
Dabei gibt es viele mögliche Synergieeffekte:
Das eine Unternehmen hat vielleicht einen          Noch mehr Vorteile für Chroniker
Sportplatz, das andere eigene Gymnastik-           HausarztProgramm. Auch die vierte Evaluation des Vertrags zur Hausarztzentrier-
räume und wieder ein drittes eine geeignete        ten Versorgung (HZV) bestätigt eine umfassend bessere Versorgungssteuerung für
Küche. Im Verbund profitieren die Unterneh-        die aktuell 1,73 Millionen teilnehmenden AOK-Versicherten. So ermittelte Professor
men von vielfältigen Aktivitäten, die sie fi-      Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Uni Frankfurt,
nanziell und personell alleine nicht umsetzen      bei HZV-Patientinnen und -Patienten mit koronaren Herzerkrankungen und Herzin-
können. Im Rahmen der Betriebsnachbar-             suffizienz einen signifikanten Rückgang der Klinikaufenthalte: „Im Jahr 2018 wa-
schaft stellt die AOK ein breites und flexib-      ren das allein bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz fast 3.000 weni-
les Angebot an Kursen, Seminaren und Vor-          ger als in der Regelversorgung.“ Speziell bei chronisch Kranken werden die Vorteile
trägen bereit. Sie geht dabei stark auf die in-                stetig größer, wie Analysen zeigen. Die Wissenschaftsteam führt das auf
dividuellen Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen                   die besser koordinierte und intensivere Versorgung durch die Hausärztin
und Mitarbeiter ein.                                           oder den Hausarzt zurück.                    aok.de/bw/hausarztprogramm

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                                                                                                    Mit Luft nach oben
                                                                           Ein neuer Bericht zeigt, wie sich die medizinische Versorgung in Deutschland im
                                                                        europäischen Vergleich schlägt. Wir geben viel Geld aus, aber nicht alles läuft optimal

                                                                    Ländervergleich: Wie gesund sind die EU-Bürgerinnen und                  braucht, wird versorgt. Aber es ist bekanntlich nicht alles Gold,
                                                                    -Bürger und was leisten die Gesundheitssysteme der EU-Län-               was glänzt. Bei der Lebenserwartung sind die Deutschen nur im
                                                                    der? Das analysiert alle zwei Jahre der Bericht „State of Health         Mittelfeld. Auch werden in Deutschland noch viel zu häufig Pa-
                                                                    in the EU“, den die Organisation für wirtschaftliche Zusammen-           tientinnen und Patienten ins Krankenhaus eingewiesen, die auch
                                                                    arbeit und Entwicklung (OECD) gemeinsam mit der EU-Kom-                  ambulant behandelt werden könnten.
                                                                    mission veröffentlicht. Deutschland ist in gewisser Hinsicht Spit-          Fazit: Durch eine Stärkung der Primärversorgung – wie sie die
                                                                    ze, denn kein anderes Land gibt prozentual so viel Geld für die          AOK Baden-Württemberg vorantreibt – ließe sich die Versorgung
                                                                    Gesundheit seiner Bürger aus. Den Menschen hierzulande steht             verbessern und Kosten senken. Die hohe Zahl der Klinikaufnah-
                                                                    vergleichsweise viel medizinisches Personal zur Seite. Wer Hilfe         men könnte man durch bessere Koordination senken.

                                                                          GESUNDHEITSAUSGABEN                              PRO-KOPF-AUSGABEN                                 LEBENSERWARTUNG

                                                                     11,7 % 8,3 %
                                                                            des BIP                 des BIP
                                                                                                                      4.504
                                                                                                                          pro Kopf
                                                                                                                                             2.572
                                                                                                                                                  pro Kopf              81 81Jahre                   Jahre

                                                                          Im Vergleich zu anderen Ländern in               Die Pro-Kopf-Ausgaben sind die              Die Lebenserwartung entspricht dem EU-
                                                                         der EU sind die Gesundheitsausgaben            höchsten in der EU und liegen deutlich         Durchschnitt, ist allerdings niedriger als in
                                                                                 in Deutschland hoch.                        über dem EU-Durchschnitt.                 den meisten westeuropäischen Ländern.

                                                                                ÄRZTLICHE                                                                            UNGEDECKTER MEDIZINISCHER
                                                                                                                           KRANKENHAUSBETTEN
                                                                            VERSORGUNGSDICHTE                                                                           BEHANDLUNGSBEDARF

                                                                         4,3                     3,6
                                                                       Ärztinnen & Ärzte

                                                                        13,2
                                                                                             Ärztinnen & Ärzte

                                                                                                 8,2                      8                        5
Quelle: Health at a Glance: Europe 2020, OECD/European Union 2020

                                                                           Kranken-               Kranken-              Krankenhaus-            Krankenhaus-         0,2 % 1,8 %
                                                                                                                                                                       der Gesamt-               der Gesamt-
                                                                       pflegekräfte pro       pflegekräfte pro           betten pro              betten pro
                                                                       1.000 Einwohner        1.000 Einwohner         1.000 Einwohner         1.000 Einwohner          bevölkerung               bevölkerung

                                                                          Deutschland weist im europäischen                  Deutschland hat die höchste                  Deutschland verzeichnet ein äußerst
                                                                        Vergleich eine überdurchschnittlich hohe             Zahl an Krankenhausbetten                     niedriges Niveau an ungedecktem
                                                                            ärztliche Versorgungsdichte auf.                          in Europa.                          medizinischen Behandlungsbedarf.

                                                                                                                                                             DEUTSCHLAND                    EU-DURCHSCHNITT

                                                                                                                                                   1/2021
Seite 16                                        STANDPUNKT

                                                      REGIONALE VERSORGUNG

                Neue Wege braucht das Land
       Ein Pandemiepapier des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg gibt
       wichtige Impulse für künftige Krisen. Bestehende Strukturen müssen gestärkt werden

                                                                                                  Kosten zur Verfügung stehen           fahrungen lernen und in Zukunft
                                                                                                  müssen. Sie sind für die Akut-        unabhängiger von Importeuren
                                                                                                  behandlung – etwa im Bereich          werden. Deshalb ist es wichtig,
                                                                                                  der Intensivmedizin – der an Co-      den relevanten Bedarf im Bereich
                                                                                                  vid-19 Erkrankten essenziell. Zu-     Medizintechnik und Wirkstoffe
                                                                                                  künftig wird es entscheidend          zu bestimmen und dann zu ent-
                                                                                                  sein, ob der Gesundheitsstand-        scheiden, ob der Aufbau bezie-
                                                                                                  ort gegen Krisen widerstandsfä-       hungsweise die Erweiterung von
                                                                                                  hig aufgestellt und gestärkt wer-     Produktionskapazitäten oder ei-
                                                                                                  den kann. Es ist deshalb wichtig,     ne entsprechende Bevorratung
                                                                                                  die Versorgung mit den notwen-        sinnvoll und finanziell leistbar ist.
                                                                                                  digen Produkten und Techniken         Im Zusammenspiel mit der na-
                                                                                                  abzusichern.                          tionalen und der europäischen
                                                                                                      Ein wichtiger Baustein da-        Ebene geht es dann darum, die
                                                                                                  bei ist eine aktive Standortpoli-     Lieferketten im Hinblick auf Di-
                                                                                                  tik. Baden-Württemberg belegt         versifizierung und Robustheit zu
                                                                                                  bundesweit im Bereich von Phar-       überprüfen und den Produkti-
                                                                 Bilder: (c) Matthias Schmiedel

                                                                                                  ma- und Medizinprodukten den          onsstandort Baden-Württemberg
                                                                                                  ersten Rang. Im Bereich Chemie        gegebenenfalls entsprechend zu
                                                                                                  steht das Land an dritter Stelle.     stärken.
                                                                                                  Gemeinsames Ziel aller Akteure            Auch bei den regulatorischen
                                                                                                  muss es daher sein, diese Bedeu-      Rahmenbedingungen besteht

                                D
                                           er Gesundheits-                                        tung noch stärker zu vermitteln       Handlungsbedarf. Beispielswei-
                                           standort Baden-­                                       und bekannt zu machen. Wir            se, wenn es um Anreize für die
 »Nötig ist                                Württemberg muss                                       brauchen eine aktive Standort-        heimische wirtschaftliche Pro-
eine aktive                   den Schutz der Bevölkerung                                          politik, um qualifizierte Fachkräf-   duktion von Wirkstoffen geht.
 Standort-                    auch bei künftigen Pandemien                                        te für Wissenschaft, Wirtschaft       Hier ist es wichtig, zukünftig
                              bewältigen können. Darüber                                          und Versorgung zu sichern und         Wege für mehr Produktionssi-
politik, um                   besteht Konsens zwischen                                            innovative Produkte und Dienst-       cherheit zu finden. Die AOK Ba-
uns auf den                   Ministerpräsident Winfried                                          leistungen, die für eine Pande-       den-Württemberg hat mit ihren
regionalen,                   Kretschmann und der Themen-                                         mievorsorge wichtig sind, er-         jüngsten Ausschreibungen für

nationalen                    sprechergruppe des Forums Ge-                                       folgreich auf den regionalen,         Arzneimittelrabattverträge wich-
                              sundheitsstandort Baden-Würt-                                       nationalen und internationalen        tige Impulse gesetzt und die
 und inter-                   temberg. Dieses vereint rund                                        Märkten zu platzieren.                Versorgungssicherheit gestärkt.
nationalen                    500 Akteure aus den Bereichen                                                                             Zu guter Letzt sollten der Dia-
                                                                                                  NETZWERKARBEIT STÄRKEN
Märkten zu                    Gesundheitsforschung, -wirt-                                                                              log und die Netzwerkarbeit zwi-
                              schaft und -versorgung.                                             Die Coronapandemie hat auch           schen Wissenschaft, Wirtschaft
platzieren«                      Corona hat eindrücklich ge-                                      gezeigt, dass Wirtschaft und          und Versorgung einschließlich
                              zeigt, dass für den Schutz der                                      Versorgung in einer globalisier-      der Leistungsträger noch mehr
  Peer-Michael Dick           Bevölkerung Arzneimittel, insbe-                                    ten Welt abhängig von Kompo-          gefördert werden. Das Denken
Alternierender Vorsitzender   sondere Impfstoffe, Medizinpro-                                     nenten und Materialien aus dem        in Fachdisziplinen und Zustän-
 des Verwaltungsrates der
AOK Baden-Württemberg,        dukte, Desinfektionsmittel und                                      Ausland sind. Und sie hat ver-        digkeiten muss aufgebrochen
     Arbeitgeberseite         Labordiagnostik zu jedem Zeit-                                      deutlicht, wie fragil Lieferketten    werden. Baden-Württemberg ist
                              punkt und zu verantwortbaren                                        sind. Wir müssen aus diesen Er-       da auf einem guten Weg.

                                                                                                            2/2021
Seite 17       STANDPUNKT

                                                     S E L B S T V E R WA LT U N G

                           Zeit zum Umdenken
   Die Digitalisierung hat dank Corona einen Schub erlebt, der solidarische Wettbewerb
   eine Schlappe. Die Veranstaltung #AgendaGesundheit Forum gab Lösungsimpulse

  Z
             wischenbilanzen sind    zur Kostendämpfung, beispiels-       Umso wichtiger ist es, dass die
             in der Politik eine     weise bei der Pharmaindustrie.       Politik die Finanzautonomie der
             wichtige Sache. Auf         Allein in Baden-Württemberg      Kassen achtet und mehr Spiel-            »Wir
der einen Seite spiegeln sie die     werden Versicherte und Arbeit-       raum für eine verantwortungs-        brauchen im
konkrete Lage zu einem be-           geber in diesem Jahr mit mehr        volle und weitsichtige Finanz-       Interesse der
stimmten Zeitpunkt wider. Auf        als 600 Millionen Euro belas-        planung oder für regionale
der anderen Seite verschaffen        tet. Gepaart mit der Regional-       Gestaltungsmöglichkeiten der
                                                                                                               Versicherten
sie einen guten Ausblick für         komponente im Krankenkassen-­        Gesundheitsversorgung zulässt.       wieder mehr
künftige Entwicklungen. Fakt         Finanzausgleich fließt allein 2021   Es ist Zeit für eine zielgerichte-    Spielraum
ist: In der Gesundheitspolitik       mehr als eine Milliarde Euro aus     te und in vielen Bereichen um-
besteht dringender Handlungs-        dem baden-württembergischen          fassende Reform, die die Struk-
                                                                                                                  für eine
bedarf. Die Coronapandemie hat       Gesundheitswesen ab. Zweifel-        turen weiter verbessert, zugleich      um- und
uns gelehrt, dass vieles auf den     los haben die Strukturen des Ge-     aber auch auf die Kosten achtet      weitsichtige
Prüfstand gehört. Das wurde                                               und Effizienzpotenziale hebt, et-
                                                                                                                  Finanz-
beim ersten digitalen Forum           »Die GKV muss                       wa durch Digitalisierung. Außer-
der AOK Baden-Württemberg                                                 dem müssen Leistungen, die den         planung«
                                       den Anforde-
deutlich. Wenn der renommierte                                            Menschen nicht (mehr) wirklich
Gesundheitsökonom Jürgen                rungen des                        nützen, auf den Prüfstand. Die
Wasem von der Universität Duis-       21. Jahrunderts                     Änderungen sollten so gestaltet
                                                                                                                 Monika Lersmacher
                                                                                                               Alternierende Vorsitzende des
burg-Essen bei seinem State-          gerecht werden                      werden, dass die GKV den An-             Verwaltungsrates der
                                                                                                                AOK Baden-Württemberg,
ment zum Ausdruck bringt, dass
                                          können«                         forderungen des 21. Jahrhun-                Versichertenseite
die „fetten“ Jahre vorbei sind,                                           derts gerecht werden kann.
lässt das aufhorchen.                sundheitswesens angesichts einer
    Verantwortlich für die Mise-     zehnjährigen Phase weitgehen-
re sind neben den spezifischen       der wirtschaftlicher Hochkon-
Mehrausgaben durch Covid-19          junktur Auswüchse erfahren, die
vor allem die zahlreichen Geset-     die GKV und ihre Versicherten in
ze, die vor der Coronapandemie       schwächeren Konjunkturphasen
auf den Weg gebracht wurden.         nur schwer stemmen können.
Wasems These: Der Finanzbedarf
in der gesetzlichen Krankenver-      EFFIZIENZPOTENZIALE HEBEN

sicherung (GKV) wird im nächs-       Lange war es so, dass hohe Bei-
ten Jahr enorm steigen und sei-      tragseinnahmen in den Gesund-
ner Meinung nach zwischen 15         heitsfonds flossen, aus dem die
bis 20 Milliarden Euro liegen. Die   Krankenkassen die Mittel für
jetzt vorgenommene Plünderung        die Versorgung ihrer Versicher-
der Rücklagen erfolgreicher und      ten erhalten. Bereits Ende 2020
gut wirtschaftender Krankenkas-      zeichnete sich jedoch eine Trend-
sen sei im nächsten Jahr nicht       wende ab. Erstmals gaben die
nochmals möglich – ein struktu-      Krankenkassen wieder mehr aus,
relles Defizit unausweichlich. Die   als sie aus dem Fonds erhielten.
Alternativen, um diese Misere        Dass die GKV aktuell enorm be-
abzufedern, wären Beitragssatz-      lastet wird, kommt also nicht
erhöhungen oder Maßnahmen            ganz überraschend.

                                                                            2/2021
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