VALIE EXPORT BILLY WILDER - COLLECTION ON SCREEN Len Lye COLLECTION ON SCREEN John Cassavetes 26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022
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26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022 VALIE EXPORT BILLY WILDER COLLECTION ON SCREEN Len Lye COLLECTION ON SCREEN John Cassavetes WERKSTATTGESPRÄCHE MIT FILMPIONIERINNEN www.filmmuseum.at
Willkommen im Österreichischen Filmmuseum Das Österreichische Filmmuseum widmet sich seit 1964 der Sammlung, Bewahrung, Erforschung und Vermittlung des Mediums Film in all sei- nen Aspekten. Das beinhaltet ganz zentral die Ausstellung und Ver- mittlung von Film – als Kunstform, Kulturtechnik und Zeitdokument – in unserem Kinosaal, dem »Unsichtbaren Kino« in der Albertina. Wir sind bestrebt, Werke aus der Geschichte des Films grundsätz- lich im jeweiligen Originalformat und in den weltweit bestmöglich er- haltenen Filmkopien (35mm bzw. 16mm) zu zeigen. Aus konservato- rischen oder kuratorischen Gründen ergibt sich aber immer öfter die Notwendigkeit, auch auf Film hergestellte Werke digital vorzuführen, weil kein Filmmaterial zugänglich ist. Filme werden bei uns grundsätzlich in ihrer originalen Sprach- fassung gezeigt und gegebenenfalls untertitelt. Für unsere inter- nationalen Gäste weisen wir Vorführungen in englischer Sprache bzw. Untertitelfassung gesondert aus. Screenings in English or with English subtitles are marked with this symbol ★ INHALT Allgemeine Informationen 2 VALIE EXPORT 3 Billy Wilder 15 Punto y Raya Festival 2021 30 Collection on Screen 33 Collection on Screen Len Lye 34 Collection on Screen John Cassavetes 37 Amos-Vogel-Atlas Kapitel 6 Wendepunkte 47 Werkstattgespräche mit Filmpionierinnen 50 Weihnachten im Filmmuseum 52 Zyklisches Programm. Was ist Film 21–30 54 Schule im Kino 57 Spielplan. Alle Filme von 26. November 2021 bis 12. Jänner 2022 58 Dank/Impressum 64 Innerhalb eines Themas sind die Filme in der Reihenfolge ihrer Programmierung geordnet.
ALLGEMEINE INFORMATIONEN SPIELORT/VEREINSSITZ 1010 Wien, Augustinerstraße 1 TICKETS Kassa: geöffnet ab einer Stunde vor Beginn der ersten Vorführung Einzelkarte für Mitglieder sowie Kinder und Jugendliche bis 18: 6 Euro Ermäßigung für Studierende mit Mitgliedschaft: 5 Euro bzw. 3 Euro für regelmäßige Programme (Was ist Film, Collection on Screen, Amos-Vogel-Atlas) Zehnerblock (für Mitglieder): 45 Euro Einzelkarte ohne Mitgliedschaft: 10,50 Euro Herbstmitgliedschaft 2021: 9,50 Euro Herbstpartnermitgliedschaft 2021: 15 Euro Jahresmitgliedschaft 2022 (ab 15.12.2021): 15 Euro Jahrespartnermitgliedschaft 2022 (ab 15.12.2021): 25 Euro Informationen zur Fördernden Mitgliedschaft finden Sie auf Seite 63 und auf unserer Website www.filmmuseum.at. RESERVIERUNGEN T 01/533 70 54 oder www.filmmuseum.at NEU: KAUFEN SIE IHRE TICKETS ONLINE Sie können Tickets für Vorstellungen im Filmmuseum, Mitgliedschaften und Zehnerblöcke auch online und ohne Wartezeiten kaufen. Häufig gestellte Fragen zum Online-Ticketing finden Sie hier: www.filmmuseum.at/faq BÜRO/BIBLIOTHEK 1010 Wien, Hanuschgasse 3, Stiege 2, 1. Stock Bibliothek: Benutzung nur mit Voranmeldung: e.streit@filmmuseum.at; Katalog online unter: www.filmmuseum.at/bibliothek/online-recherche Büro: Mo bis Do 10–18 Uhr, Fr 10–13 Uhr, T 01/533 70 54, E-Mail office@filmmuseum.at FILMBAR IM FILMMUSEUM Täglich von 12 bis 23 Uhr Häufig gestellte Fragen zu den Corona-Maßnahmen finden Sie hier: www.filmmuseum.at/besuch/covid-19_massnahmen_faq ABKÜRZUNGEN R Regie B Drehbuch K Kamera S Schnitt M Musik D Darsteller*innen MA Mitarbeit UT Untertitel ZT Zwischentitel • Veranstaltungen mit Gästen oder Einführungen ★ English language or subtitles FILMTEXTE VON Brigitta Burger-Utzer, Christoph Huber, Gertrud Koch, Olaf Möller, Miguel Pires de Matos, Julia Pühringer, Dietmar Schwärzler, Harry Tomicek, Theus Zwakhals NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 2
9. BIS 22. DEZEMBER 2021 VALIE EXPORT © VIOLETTA WAKOLBINGER Zum 80. Geburtstag und anlässlich der Schenkung ihres filmischen Werks an das Filmmuseum war bereits für Dezember 2020 eine umfassende Retrospektive zu VALIE EXPORT s Schaffen geplant. Aufgrund der Pandemie mussten wir verschieben und freuen uns jetzt umso mehr, VALIE EXPORTs Spiel-, Kurz-, und Dokumentarfilme sowie die Dokumentationen von Performances zu präsentieren und ihr Werk mit einem hochkarätig besetzten Symposium zu beleuchten (S. 13). VALIE EXPORT gilt weltweit als eine der einflussreichsten Künst- ler*innen, in ihrer Arbeit verbinden sich multimediale Kunstpraxis und Theorie mit einem feministischen Anliegen. Bereits 1967 wählte sie programmatisch einen Künstler*innen- namen, der sie symbolisch von der ihr zugewiesenen Rolle als Frau in der Kunstwelt innerhalb einer männerdominierten Gesell- schaft distanzierte. In ihren Ausdrucksformen – darunter Zeichnung, NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT 3
konzeptuelle Fotografie, Installation, Skulptur, Performance – spielen Die Praxis der Film und Video eine zentrale Rolle. Als eine der größten Transgressi- Liebe (1985) ven in der Kunst überschreitet sie damit beständig Medien und Ka- tegorien wie analog/digital, physisch/virtuell. EXPORTs Interesse an der Struktur und Wirkung bewegter Bilder steht die Auseinandersetzung mit dem Körper gegenüber, als Teil einer »gespaltenen Existenz« zwischen Realität und Repräsentation. Diese fundamentale Gebrochenheit ist bei EXPORT Prinzip und Grundlage ihrer Ästhetik so sehr wie ihrer Politik. Das macht ihre Me- dienkritik nach wie vor aktuell, und ihr Werk angesichts der tiefgrei- fenden Verwerfungen, die das Digitale in Gesellschaft, Körperver- ständnis und Politik hervorruft immer noch so pointiert und unbe- quem wie zu seiner Entstehungszeit. Die Auswahl schlägt einen Bogen von den grenzüberschreitenden Aktionen und frühen 8mm-Filmen der 1960er Jahre (TAPP und TAST- KINO ) über die radikalen Film-Performances (Mann & Frau & Animal, …Remote…Remote…) und Spielfilme wie Unsichtbare Gegner (1977) oder Die Praxis der Liebe (1985) bis hin zu EXPORT s Dokumentarfil- men – z. B. über Elfriede Jelinek, Oswald Wiener, die Geschichte des Avantgardefilms und die Entwicklung der internationalen Aktions- In Kooperation kunst. (Brigitta Burger-Utzer, Michael Loebenstein) mit sixpackfilm NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT 4
Die Praxis der Liebe R, B: VALIE EXPORT K: Jürgen Schmidt-Reitwein S: Juno Sylva Englander M: Stephen Ferguson, Harry Sokal D: Adelheid Arndt, Rüdiger Vogler, Hagnot Elischka, Günther Nenning, Gary Indiana. AT/BRD, 1985, 35mm, Farbe, 90 min. Deutsch Eine engagierte Journalistin wird mit dem männlich dominierten DONNERSTAG Machtapparat in den Medien und der Politik konfrontiert: Ihre Re- 9.12. / 18.30 cherchen werden nicht veröffentlicht und bleiben nur für sie selbst • Einführung und ihr Privatleben relevant. Dies gilt für die Aufdeckung eines inter- von Michael Loebenstein nationalen Waffenschmuggelrings, in den ihr Geliebter involviert ist (zeitgleich passierte die Noricum-Affäre in Österreich) und für einen FREITAG Beitrag über bezahlte Sexdienste. Videoüberwachungsbilder aus 17.12. / 21.00 dem städtischen Raum, Foto- und Videokunstpassagen verstärken • Einführung die düstere Stimmung im Wien der 1980er. EXPORT führt zudem eine von Brigitta Burger-Utzer grundsätzliche Diskrepanz vor: Weibliche Sexualität und heterose- xuelle Erotik (die Hauptfigur hat zwei Liebhaber) verbunden mit einem intellektuellen Geist führen zu energieraubenden Konflikten und herben Enttäuschungen. (B. B. U.) Performancefilme von VALIE EXPORT 1 * Aus der Samm- Gedichte AT, 1966/80, DCP, sw, 8 min lung Generali Asemie – die Unfähigkeit, sich durch Mienenspiel ausdrücken zu Foundation – können AT, 1973, DCP, sw, 8 min Dauerleihgabe am Museum Body Politics AT, 1974, DCP, sw, 3 min. Deutsche/Englische ZT der Moderne Delta. Ein Stück AT, 1976/77, DCP, sw, 18 min Salzburg the voice as performance, act and body AT, 2007, DCP, Farbe, 11 min Adjungierte Dislokationen AT, 1973, DCP, sw, 10 min* Raumsehen und Raumhören AT, 1973/74, DCP, sw, 6 min …Remote…Remote… AT, 1973, 16mm, Farbe, 10 min VALIE EXPORTs Performances sind in jeder Hinsicht multimedial: be- SAMSTAG stehend aus ihrer Literatur und/oder ihren theoretischen, strukturel- 11.12. / 18.30 len, gesellschaftspolitischen und visuellen Überlegungen. Sie selbst • Einführung schreibt 1989 retrospektiv über den feministischen Aktionismus: von Brigitta Burger-Utzer »Wenn schon pathologische Momente wie Selbsthass, minderes Selbstbewusstsein, Identifikation mit Leid, Unterwerfung oder gar MONTAG mit dem Unterdrücker aus solchen Aktionen interpretatorisch rezi- 20.12. / 18.30 piert werden, dann sind diese Momente der Wahrheit der Geschichte der Frau so wahr, dass viele Frauen nicht einmal den Lack so gründlich abkratzen lassen wollen. Der Schein des belanglosen Glamours ist NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT 5
TAPP und TASTKINO (1968), Elfriede Jelinek. News from Home 18.8.88 (1988) vielen lieber als die Souveränität eines ausgetragenen Schmerzes, als die schmerzliche Energie des Widerstands.« (B. B. U.) Performancefilme von VALIE EXPORT 2 ★ TAPP und TASTKINO AT, 1968, DCP, sw, 2 min Body Tape AT, 1970, DCP, sw, 4 min. Englische ZT Hyperbulie AT, 1973, DCP, sw, 7 min Sehtext: Fingergedicht AT, 1973, DCP, sw, 2 min Hauchtext: Liebesgedicht AT, 1970/73, DCP, sw, 2 min Die Zweiheit der Natur AT, 1986, DCP, Farbe, 2 min Vaginan AT, 1997, DCP, Farbe und sw, 3 min Mann & Frau & Animal AT, 1970/73, 16mm, Farbe und sw, 8 min Elfriede Jelinek. News from Home 18.8.88 AT, 1988, DCP, Farbe, 30 min. Deutsch mit engl. UT »Der Körper und seine mediale Spiegelung« hat die Kunsthistorikerin SAMSTAG Annette Tietenberg einen Vortrag über VALIE EXPORT genannt und 11.12. / 21.00 damit die Verschiedenheit und Beeinflussung von Körpererfahrung und -repräsentation auf den Punkt gebracht. Bereits in ihren filmi- MONTAG schen Anfängen stellte EXPORT sich selbst als weibliches Objekt ver- 20.12. / 21.00 schiedenster (aus gesellschaftlichen Normen und Konstruktionen be- stehenden) Festschreibungen dar, aber auch als sinnliches Subjekt, das immer wieder »angemessene Sprachen überlegt für das, was sie ausdrücken möchte«. Eine Performance Elfriede Jelineks, die österrei- chische Nachrichten hört und kommentiert, beschließt das Pro- gramm. (B. B. U.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT 6
Facing a Family (1971), Ein perfektes Paar oder die Unzucht wechselt ihre Haut (1986) Kurzfilme von VALIE EXPORT ★ Selbstportrait mit Kopf AT, 1966/67, DCP, sw, 4 min I turn over the pictures of my voice in my head AT, 2009, DCP, Farbe, 12 min. Deutsch mit engl. UT Facing a Family AT, 1971, DCP, sw, 5 min Interrupted Line AT, 1971/72, 16mm, sw, 9 min Ein perfektes Paar oder die Unzucht wechselt ihre Haut AT, 1986, DCP, Farbe, 12 min Schnitte/Elemente der Anschauung AT, 1971/74, DCP, sw, 17 min Syntagma AT, 1983, 16mm, Farbe, 18 min Die Kurzfilme bilden einen möglichen Querschnitt durch die Film- MONTAG und Videoarbeit von VALIE EXPORT: das Selbstportrait in bewusster 13.12. / 18.30 Verwandlung und Ausgesetztheit; die Stimme und Sprache als wich- tige Teile der Identität; Kritik an der medialen Berichterstattung und MITTWOCH ihren bewusstlosen Konsument*innen; familiäre Abhängigkeit und 22.12. / 18.30 die Gefangenschaft der Kinder; das strukturelle Interesse an Zeit und Raum und die Möglichkeiten des Bewegtbildes, die Wahrnehmung zu verschieben, zu erweitern; das Statement zum Zustand der Welt, ausnahmsweise als schrille Komödie inszeniert; das Dokumentari- sche mit dem Seriellen verbunden in einer Untersuchung der Stadt und des privaten Lebensraumes; und schließlich als einer der Höhe- punkte: Syntagma, der EXPORTs unnachahmliche Vielfalt an Techni- ken mit feministischen und aktionistischen Inhalten verbindet. (B. B. U.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT 7
Unsichtbare Gegner R: VALIE EXPORT (MA: Peter Weibel) B: Peter Weibel (MA: VALIE EXPORT) K: Wolfgang Simon S: VALIE EXPORT D: Susanne Widl, Peter Weibel, Dr. Josef Plavec, Monika Helfer-Friedrich, Helke Sander. AT, 1977, 16mm, Farbe, 108 min. Deutsch mit engl. UT ★ Anna, Fotografin und Videoreporterin in Wien, hört im Radio von der MONTAG Invasion fremder, unsichtbarer Wesen – den Hyksos, die die Men- 13.12. / 21.00 schen und die Erde in Besitz nehmen wollen. »Die für uns interessan- ten Dimensionen bekommt VALIE EXPORTs Film nicht nur durch die MITTWOCH Thematik einer schizophrenen, jungen Frau und ihrer Beziehung zu 22.12. / 21.00 einem paternalistischen Typ, sondern durch die Ästhetik, die sie dabei entwickelt hat. Der Film macht nämlich die säuberliche Tren- nung zwischen objektiver, normaler Umwelt und schizophrener, anor- maler Verzerrung und Projektion auch ästhetisch nicht mehr mit. Weder trennt er quasi-objektiv filmisch die Projektionen und Träume von der Umwelt ab, noch verliert er sich an die Ausmalung der subjek- tiven Perspektive der Frau, indem er vorgibt, aus dieser heraus erzählt zu sein. Vielmehr besteht die Ästhetik des Films gerade darin, dass er die verschiedenen Ebenen ineinander verwebt.« (G. K.) Das Bewaffnete Auge – VALIE EXPORT im Dialog mit der Filmavantgarde B, KONZEPT, PRÄSENTATION: VALIE EXPORT R, GESTALTUNG: Zoltan Pataky K: Walter Hendl, Johann Weninger, Hans Georg Havlik S: Rudolf Pfabigan. AT, 1984, DCP, Farbe, 174 min. Deutsch mit engl. UT ★ Mit der dreiteiligen ORF -Kunst-Stücke-Serie Das Bewaffnete Auge MITTWOCH wendet sich VALIE EXPORT entlang der Themenschwerpunkte Insze- 15.12. / 18.30 nierter Raum – Inszenierte Zeit, Reale Bewegung – bewegliche Realität und Struktureller Film einer jener filmischen Gattungen zu, die aktuell im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht mehr existieren. Anhand medienspezifisch aufbereiteter Filmbeispiele u. a. von Wojciech Brus- zewski, Malcolm Le Grice, Sergej Eisenstein, Maya Deren, Kurt Kren, Yvonne Rainer, Anne Severson, Alfred Hitchcock, Linda Christanell, Gary Beydler und Marc Adrian werden narrative und nicht-narrative Erzählformen untersucht und gegenübergestellt. Adrian wird auch via »Live-Interview« direkt in die Sendung geschaltet, wo er die Pro- duktionsbedingungen, die Methodik und den Zeitgeist anhand sei- ner Arbeit – u. a. seines ersten Computerfilms Random (1963) – zu er- läutern versucht. (D. S.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT 8
Unsichtbare Gegner (1977, oben), Das Bewaffnete Auge (1984) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT 9
Aktionskunst International. Dokumente zum Internationalen Aktionismus R, B: VALIE EXPORT K: Michael Anderson, Bert van Munster, Joe Friedman, Kurt Oblak, Peter Roehsler, Walter Köhler, Erwin Mayer, Sepp Thoma INTERVIEW- PARTNER: Vito Acconci, Jean Baudrillard, Karen Finley, Dick Higgins, Allan Kaprow, Otto Muehl, Jorgen Nash, Gina Pane, Mark Pauline/Survival Research Laboratories, Gerhard Rühm, Carolee Schneeman, Jens Jørgen Thorsen, Wolf Vostell. AT, 1989, Video, Farbe, 73 min. Deutsch mit engl. UT ★ Ursprünglich wollten die ORF-Kunst-Stücke von VALIE EXPORT eine MITTWOCH Sendung über den Wiener Aktionismus, sie konnte die Redaktion je- 15.12. / 21.00 doch von einer darüber hinaus gehenden Betrachtung der internatio- nalen Wurzeln und Strömungen überzeugen. Dennoch beginnt sie mit der Vorstellung der literarischen Aktionen der Wiener Gruppe, die EXPORT selbst als junge Künstlerin in den frühen 1960er Jahren ge- prägt haben. Wie schon in Das Bewaffnete Auge steht auch in dieser Fernseharbeit der vermittelnde Aspekt im Vordergrund, ohne dass EXPORT auf eine zeitgemäße Verwendung des Mediums und seiner Möglichkeiten verzichtet. (B. B. U.) Dokumentationen von VALIE-EXPORT-Performances Adjungierte Dislokationen II AT, 1973/78, DCP, sw, 17 min I (Beat (It)) AT, 1978, DCP, sw, 39 min Restringierter Code AT, 1979, DCP, Farbe, 31 min Die Videoaufzeichnungen dreier zentraler Performances von VALIE DONNERSTAG EXPORT: Für das Wahrnehmungsexperiment Adjungierte Dislokatio- 16.12. / 18.30 nen II hat sie zwei 8mm-Kameras am Oberkörper festgeschnallt – eine vorne, eine hinten. Die Filme werden parallel auf Monitor übertragen und die dislozierten Bilder so zusammengefügt. Für I (Beat (It)) legt EXPORT Gelenkbänder aus Blei an und verschüttet trotz einge- schränkter Bewegungsfähigkeit Öl um das Bild einer liegenden Frau, umgeben von drei Monitoren mit bellenden Hunden (der Dreifaltig- keit männlicher Überwachungs-Ordnung) – ein mehrdeutiges Sinn- bild zu Arbeit und Unterdrückung. Restringierter Code entwirft eine absurde Reflexion über Körperkontrolle als Sozialkontrolle: EXPORT teilt die Bühne mit Vogel, Hamster, Hund und Kind und ahmt deren Bewegungen nach, bis zur übersteigerten Trance. (C. H.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT 10
Menschenfrauen R: VALIE EXPORT B: Peter Weibel (MA: VALIE EXPORT) K: Wolfgang Dickmann, Karl Kases S: Tina Frese, Friedl Mayer M: bananen & zitronen, gesungen von monsti-ingrid wiener und VALIE EXPORT, Zither: Karl Swoboda; Hotel Morphila Orchester D: Renée Felden, Maria Martina, Susanne Widl, Klaus Wildbolz, Lukas Resetarits. AT, 1979, 35mm, Farbe, 116 min. Deutsch mit engl. UT ★ Der Journalist Franz (Klaus Wildbolz) versucht seine drei Geliebten DONNERSTAG und die Ehefrau (Susanne Widl) bei der Stange zu halten und pendelt 16.12. / 21.00 von einer vernachlässigten Frau zur nächsten. Unwissentlich beför- dert er damit bei zweien ein utopisch anmutendes Streben nach Soli- darität und Unabhängigkeit. Aus einem für alle unbefriedigenden Be- ziehungsgeflecht entwickelt sich für die einen visionäre Freiheit, für die anderen der Abgrund. Das feministische Anliegen der Unabhän- gigkeit von entfremdenden Rollenbildern wird bei Menschenfrauen nie ohne Ironie vorgeführt. Der Film vereint bravourös Elemente der Farce, der Komödie, des Melodrams und der politischen Kritik mit ex- perimentellen filmischen und performativen Ideen. (B. B. U.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT 11
Oswald Wiener – »Tischbemerkungen November 1985.« (1985) Das Unsagbare Sagen R: VALIE EXPORT, Ingrid Wiener, Oswald Wiener B: Oswald Wiener K: VALIE EXPORT, Ingrid Wiener, Robert Pammer, Bernhard Wallentin, Armin Paar, Peter Kogler S: Kurt Studeny. AT, 1992, Video, Farbe, 45 min. Deutsch Oswald Wiener – »Tischbemerkungen November 1985.« R: VALIE EXPORT K: Peter Roehsler, Moritz Gieselmann (16mm), Ingrid Wiener, Oswald Wiener (Super-8), VALIE EXPORT (Video) S: Ewa Fichtel. AT, 1985, Video, Farbe, 45 min. Deutsch Beide Produktionen entstanden im Rahmen der legendären ORF- FREITAG Kunst-Stücke. Das Unsagbare Sagen: Sprache unterstützt als ein 17.12. / 18.30 Werkzeug des Denkens ganz wesentlich menschliche Ausdrucks- • Einführung möglichkeiten. Was passiert allerdings, wenn diese Funktion krank- von Brigitta Burger-Utzer heitsbedingt durch den Verlust des Sprechvermögens oder Sprach- verständnisses – der Aphasie – durch Automatismen des Sprech- apparates oder bewusste künstlerische Eingriffe außer Kraft gesetzt wird? Oswald Wiener – »Tischbemerkungen November 1985.« kenn- zeichnet eine eigenwillige Kadrierung, Wahl von Details und Schnitt- folge. So beginnt der auf Video, 16mm und Super-8 gedrehte Film sehr intim – Wiener beim Rasieren und beim Duschen – und verfolgt den Protagonisten entlang seines Wirkungsbereiches in Wien, Berlin, Island und seiner heutigen Wahlheimat Kanada. (D. S.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT 12
10. DEZEMBER 2021 VALIE EXPORT Symposium 14.00–14.10 UHR • Begrüßung Michael Loebenstein, Katharina Müller 14.15–15.00 UHR • Vortrag Gertrud Koch Gertrud Koch (Film- und Kunsttheoretikerin) beschäftigt sich in ihrem Vortrag mit VALIE EXPORT s Spielfilmen. Ihr Fokus liegt dabei auf dem transformativen Modus von Spiel und Performance und der internen Überschreitung generischer Formen. 15.15–16.00 UHR • Vortrag Sabeth Buchmann Sabeth Buchmann (Kunsthistorikerin und -kritikerin, Professorin für Kunstgeschichte der Moderne und Nachmoderne an der Akademie der bildenden Künste Wien) beschäftigt sich in ihrem Vortrag mit VALIE EXPORTs Performance-Arbeiten. Ausgangspunkt ist die Wahr- nehmung des Körpers als Ort, Medium und Werkzeug sozio-techni- scher und architektonisch-urbaner Infrastrukturen. 16.15–17.00 UHR • Vortrag Hedwig Saxenhuber Hedwig Saxenhuber (Kuratorin und Mitherausgeberin von springerin Hefte für Gegenwartskunst) nimmt in ihrem Vortrag VALIE EXPORTs Bewegtbildinstallationen in den Blick. 17.15–17.45 UHR • Performance und Vortrag Ira Konyukhova Ira Konyukhova (Künstlerin, Stipendiatin am VALIE EXPORT Center Linz) beschäftigt sich mit Stimme und ihrer technischen Umsetzung in der Künstlichen-Intelligenz-Technologie. Dabei nimmt sie Bezug auf die späteren Arbeiten von VALIE EXPORT , die Stimme, ihre Die Vorträge Körperlichkeit sowie ihre sozio-ökonomische Signifikanz. In Perfor- finden bei freiem mance und Vortrag »Das Lied des Raubvogels« werden Möglich- Eintritt statt, 1 Euro Solidar- keiten des Zusammenspiels zwischen Stimme, Technologie und beitrag für die Weiblichkeit ausgelotet. Aktion Kulturpass • Das Symposium findet in Anwesenheit von VALIE EXPORT statt. NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Symposium VALIE EXPORT 13
The Golden Pixel Cooperative »Re: Syntagma« Syntagma VALIE EXPORT. AT, 1984, 16 mm, Farbe, 18 min das bin nicht ich, das ist ein bild von mir Christiana Perschon. AT, 2018, DCP, Farbe, 9 min Artist statement Enar de Dios Rodríguez. US, 2014, DCP, Farbe, 2 min Palmus /Digitus Bárbara Palomino Ruiz. ES, 2018, DCP, Farbe, 2 min Half of the Sky Was ausgestellt wird Nathalie Koger. AT, 2011, DCP (von 16mm), sw, 6 min (2020, The Golden Pixel Übungen zum Balanceakt Verena Dürr & Lisa Truttmann. Cooperative) AT, 2005–2021, DCP, sw, 3 min © MARLIES PÖSCHL, BILDRECHT WIEN, Turning into a tree Katharina Swoboda. AT/LT, 2014, DCP, sw, 2 min 2021 Doublage Iris Blauensteiner. AT, 2007, DCP, Farbe, 6 min Atem Miae Son. DE, 2010, DCP, Farbe, 3 min Simple Whistles Marlies Pöschl. FR/AT, 2020, DCP, Farbe, 11 min Half of the Sky The Golden Pixel Cooperative. AT, 2020, DCP, Farbe, 12 min Ausgehend von VALIE EXPORT s Film Syntagma (1984) besteht das FREITAG Programm »Re: Syntagma« aus einer Reihe von (audiovisuellen) Ein- 10.12. / 19.30 heiten und performativen Übergängen. Diese konzeptionelle Organi- sation des Programms – die sich auf den Film von EXPORT und die Verbindungen zwischen den Filmen bezieht – zielt nicht nur darauf ab, die vielfältigen künstlerischen Sprachen der Mitglieder von The Golden Pixel Cooperative zu präsentieren, sondern auch eine be- stimmte kollektive Äußerung zu konstruieren. Infolgedessen ist »Re: Syntagma« die Artikulation einer Botschaft, die mit der Herstellung von Bildern, der Präsenz von Körpern, dem Auftreten von Doppelun- gen und dem Potenzial des Kollektivs experimentiert. Text und Kuratierung: Enar de Dios Rodríguez und Nathalie Koger Zum Auftakt: MALA SIRENA CHOIR / HOT TOPIC MALA SIRENA versteht sich als queer-feministischer Konzeptchor, der sich (vor allem) auf Popmusik bezieht. Er setzt auf Methoden des Medleys, der Montage, des Remixes. Das Programm HOT TOPIC wurde speziell für VALIE EXPORT zusammengestellt. www.mala-sirena.net Kunstinstallation (Filmmusems-Foyer) To Hand. A Projection for the Palm Olena Newkryta. AT, 2017, Videoprojektion, Farbe, 7 min (Loop) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Symposium VALIE EXPORT 14
26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022 Billy Wilder »Nobody’s perfect!«, lautet die gefeierte Schlusspointe seines Komö- Sunset Boule- dien-Welterfolgs Some Like It Hot (1959) mit Marilyn Monroe, aber der vard (1950) Weg zum Hollywood-Ruhm führte für Billy Wilder (1906–2002) über Perfektionismus. Der als Samuel Wilder in Österreich-Ungarn gebo- rene jüdische Autor-Regisseur floh vor den Nazis 1934 in die USA und eignete sich sofort die Sprache des neuen Landes an, mit Gespür für Redewendungen des Alltags, die er auf der Leinwand zu besonderen Pointen formte – unzählige Oscar-Nominierungen sind der Beweis. Nachdem ihm der schreiberische Erfolg den Weg in den Regie- stuhl geebnet hatte, arbeitete Wilder als Regisseur an der Perfektio- nierung eines »unsichtbaren« Inszenierungstils, um das Geschrie- bene (»80 % des Films« laut Wilders Credo) ideal auf die Leinwand zu bringen. Mit außergewöhnlichem Gespür für Rhythmus und flüssige NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 15
Konstruktion wurde der Emigrant Wilder so zu einem Traumfabrik- Klassiker, der seinen satirischen europäischen Blick mühelos mit den Anforderungen des US-Unterhaltungskinos verband. Seine drei wich- tigsten Regeln fürs Filmemachen war die Verdreifachung eines Sat- zes: »Du sollst nicht langweilen.« Dass Wilder dabei vor allem auch als Kritiker des American Way of Life reüssieren konnte, lag nicht zuletzt daran, dass er Amerika ab- grundtief liebte: Im Gegensatz zu vielen anderen Exilanten war für ihn die Ankunft in den USA ein Einzug ins gelobte Land. Schon in sei- nen Berliner Jahren, wo er als Filmautor mit Stoffen wie Menschen am Sonntag (1929) oder Emil und die Detektive (1931) erste Erfolge feierte, hatte er seine Amerikanophilie durch die Wahl des zunächst als Billie geschriebenen Vornamens untermauert, und ging einen Film wie Der Mann, der seinen Mörder sucht (1931) als »amerikanische Groteske« an. Schon 1939 wurde Wilder US-Bürger und wie sein Idol Ernst Lubitsch fand er als Emigrant in Hollywood die optimalen Mittel, um seine oft komische Vision vom Kino umzusetzen. Doch obwohl man Wilder vorrangig mit seinem komödiantischen Talent assoziiert – seine public persona als amüsanter Raconteur und Schöpfer von zynischen Bonmots trug gewisslich dazu bei –, über- zeugte er gleichermaßen im ernsten Fach: Sein kometenhafter Auf- stieg als Regisseur in den 1940ern führte über den Noir Double In- demnity (1944) und das Alkoholiker-Drama The Lost Weekend (1945) zu Sunset Boulevard (1950), dem Nonplusultra der tragikomischen Hollywood-Selbstkritik. Die dunklen Seiten seiner Weltsicht und seine Abrechnungen mit gesellschaftlicher Doppelmoral sind dabei aber in seinen Lustspielen oft noch schärfer ausformuliert, sei es der Coca- Cola-Imperialismus im frenetischen Berlin-Gastspiel One, Two Three (1961) oder der desolate Unterton seines Meisterwerks Kiss Me, Stupid (1964), das damals als vulgäre Sexkomödie abgetan wurde. Dabei ist schon eine Abgeklärtheit zu spüren, die sich in den Höhe- punkten von Wilders Spätwerk – The Private Life of Sherlock Holmes (1970) oder Fedora (1978), einem bitteren Nachwort zu Sunset Boule- vard – fortschreibt. Seine letzten Filme handelten buchstäblich von der verlorenen Zeit: Auch wenn Wilder dabei selten an seine großen Publikumserfolge anschließen konnte, zeigte er als Künstler jene Reife, die ihm seine Kritiker manchmal abgesprochen hatten. Unsere Auswahl aus seinem Werk versucht, alle Epochen dieses Entwick- lungsprozesses abzubilden. (Christoph Huber) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 16
Some Like It Hot R: Billy Wilder B: I. A. L. Diamond, Billy Wilder nach einem Drehbuch von Robert Thoeren und Michael Logan K: Charles Lang Jr. S: Arthur P. Schmidt M: Adolph Deutsch D: Marilyn Monroe, Tony Curtis, Jack Lemmon, George Raft, Pat O’Brien. US, 1959, 35mm, sw, 120 min. Englisch mit dt. UT ★ Die denkbar perfekteste aller perfekten Kinokomödien, dem Schlusswort zum Trotz, das die menschliche Natur unwiderlegbar auf den Punkt bringt. Keine FREITAG Travestie, sondern der Exzess einer Travestie, Parodie plus Drama mit- 26.11. / 18.30 eingeschlossen. Der Anlass ist mörderisch, desgleichen das Tempo, das dem Wechseln der Kleider, Rollen und Geschlechter aufgenötigt DONNERSTAG wird. Wir befinden uns im Jahr der Chicago-Blutbäder und MG-Salven 30.12. / 21.00 aus Geburtstagstorten. Eine Maskerade jagt die nächste, ein Gag den anderen, und doch ist alles an diesem Staffellauf der Höhepunkte ein- MITTWOCH fach, solide und evident konstruiert wie eine Moccamaschine oder 12.1. / 18.30 ein Fallbeil. (H. T.) Sunset Boulevard R: Billy Wilder B: Billy Wilder, Charles Brackett, D. M. Marshman Jr. K: John F. Seitz S: Arthur P. Schmidt M: Franz Waxman D: Gloria Swanson, William Holden, Erich von Stroheim, Cecil B. DeMille, Buster Keaton. US, 1950, 35mm, sw, 110 min. Englisch ★ Die Qualitäten dieses Meisterwerks rühmen, hieße offene Türen ein- SAMSTAG rennen und Eulen nach Athen tragen. Es genügt der Hinweis, dass 27.11. / 18.30 Wilder folgende Unglaublichkeit gelingt: Sunset Boulevard ist ein Film noir, ein nocturnes Melodram, eine düstere Groteske, eine Etüde FREITAG in schwarzem Humor, ein romantischer Horrorfilm, eine Tragödie, ein 3.12. / 21.00 Autorenfilm, Hollywoods bestes Schlüsselwerk über Hollywood und in all dem geschlossen, einheitlich, intensiv, bewegend – ein Film voll MITTWOCH Witz, Mitleid und Schrecken. (H. T.) 29.12. / 21.00 Herzlichen Dank an Virgil Widrich, der im Rahmen des Projekts Filmpatenschaft den Erwerb dieses Films für die Sammlung des Filmmuseums ermöglicht hat. NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 17
Der Mann, der seinen Mörder sucht (1931) Der Mann, der seinen Mörder sucht R: Robert Siodmak B: Ludwig Hirschfeld, Kurt Siodmak, Billie Wilder nach Jim, der Mann mit der Narbe von Ernst Neubach K: Konstantin Tschet S: Victor Gertler M: Friedrich Hollaender D: Heinz Rühmann, Lien Deyers, Friedrich Hollaender. DE, 1931, 35mm, sw, 54 min. Deutsch DANACH: Die Todesmühlen Hanuš Burger & Billy Wilder. DE, 1945, 35mm, sw, 22 min. Deutsch Der Schuldner Hans Herfort plant zögerlich den Selbstmord, wird MONTAG aber von einem Einbrecher gestört, woraufhin sich sein Leben schlag- 29.11. / 18.30 artig zum Besseren wandelt … Der Mann, der seinen Mörder sucht ist eine Krimikomödie, deren Sujet von Hollywood bis Aki Kaurismäki va- MITTWOCH riiert wurd, aber nie wieder so flott wie in der deutschen Erst- 5.1. / 18.30 umsetzung durch die baldigen Emigranten Robert Siodmak (stim- mungsvolle Regie) und Billie Wilder (gewitztes Drehbuch). Die Nazis • Zwischen den lassen den Film 1937 verbieten, es überlebt nur ein Fragment, dem je- Filmen einfüh- rendes Gespräch doch nicht anzumerken ist, dass der Film ursprünglich 98 Minuten zu Die Todes- lang war. Wilder, der seine Familie in den Konzentrationslagern ver- mühlen und dem loren hat, kehrt nach dem Krieg zurück, um am außerordentlichen Projekt Visual History of the Holocaust-Dokument Die Todesmühlen mitzuarbeiten. (C. H.) Holocaust. NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 18
Double Indemnity R: Billy Wilder B: Raymond Chandler, Billy Wilder nach dem Roman von James M. Cain K: John F. Seitz S: Doane Harrison M: Miklós Rózsa, César Franck, Franz Schubert D: Fred MacMurray, Barbara Stanwyck, Edward G. Robinson. US, 1944, 35mm, sw, 107 min. Englisch mit dt. UT ★ Los Angeles. Sterbend und schwarzweiß gegittert vom Schatten MONTAG der Jalousie greift Fred MacMurray im nächtlich leeren Büro zum 29.11. / 21.00 Diktaphon. »I didn’t get the money and I didn’t get the woman. I remember …« Der Film ein Geständnis: Erinnerung ohne Hoffnung. MITTWOCH Auch ein Film zum Tode; mit den Flashbacks verrinnen Blut und 29.12. / 18.30 Lebensfrist des Helden. Unter allen Exkursionen über Eros und Ver- brechen, die der Film noir unternimmt, ist Double Indemnity die aus- wegloseste Reise hinab zu den Abgründen. Als Antithese der Beginn, eine Verführung, die nach Geißblatt duftet. »Murder can sometimes smell like honeysuckle«, sagt müde die Stimme des Erzählers. Double Indemnity überführt diesen Geruch von Begehren und Ruchlosigkeit, Verwirrung und Verhängnis furios in die Schatten-, Licht- und Zei- chensprache des Film noir. Wie in einem Alptraum, in dem alles ver- geblich sein wird, leitet der Weg von Falle zu Falle aus dem Gefilde des Alltags in die Todeszelle. (H. T.) Emil und die Detektive R: Gerhard Lamprecht B: Billie Wilder nach dem Roman von Erich Kästner K: Werner Brandes M: Allan Gray D: Käthe Haack, Rolf Wenkhaus, Fritz Rasp, Rudolf Biebrach, Olga Engl. DE, 1931, 35mm, sw, 72 min. Deutsch Emil wird zur Oma nach Berlin geschickt: Im Zug trifft er einen merk- SAMSTAG würdigen Mann namens Grundeis, dessen Süßigkeiten Emil ins Reich 4.12. / 18.30 der Träume schicken. Als der Bub am Bahnhof erwacht, ist sein Geld weg. In der fremden Großstadt macht sich Emil auf die Jagd nach dem DONNERSTAG Dieb, die aussichtslos scheint – bis er neue Freunde findet. Gustav mit 30.12. / 18.30 der Hupe und seine Kinderbande spielen Detektive und treiben den Schurken in die Enge. Mit Empathie und Bewegungslust inszenierte Gerhard Lamprecht diesen alterslosen Klassiker nach Erich Kästner, ein Bindeglied zwischen Menschen am Sonntag und Fritz Langs M, das den halbdokumentarischen Blick auf das Berlin von 1931 mit einer kineti- schen Energie kombiniert, die US-Krimivorbildern nicht nachsteht. Billie Wilder schrieb das schlaue Drehbuch nach dem Scheitern der Zu- sammenarbeit von Emeric Pressburger und Kästner – der als Zeitungs- leser in der Straßenbahn nach Emils Berlin-Ankunft zu sehen ist. (C. H.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 19
The Lost Weekend R: Billy Wilder B: Charles Brackett, Billy Wilder K: John F. Seitz S: Doane Harrison M: Miklós Rózsa D: Ray Milland, Jane Wyman, Phillip Terry, Howard Da Silva, Doris Dowling, Frank Faylen. US, 1945, 35mm, sw, 101 min. Englisch ★ Ein Weekend in der Hölle oder zwei Tage aus dem Leben eines Trin- SAMSTAG kers. Flackernd wechseln Irritation und Qual auf Ray Millands Miene. 4.12. / 21.00 Die Suche nach einem Pfandleiher (um die Schreibmaschine in Geld umzusetzen und dieses in Schnaps) verläuft auf der vom Sonntag MONTAG (und von Jom Kippur) entleerten Third Avenue im Labyrinth, und die 3.1. / 18.30 Pein des Entzugs mündet in einem von delirischen Wahnbildern um- spülten Kollaps. Unter allen Trinkerfilmen gebührt The Lost Weekend die Krone. Statt Abziehbildern der Wahrscheinlichkeit eine phantasti- sche Kinoerfindung, geleitet von der abstrakten wie unerbittlichen Logik des Traums. (H. T.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 20
Menschen am Sonntag R: Edgar G. Ulmer, Robert Siodmak B: Robert Siodmak, Edgar G. Ulmer, Billie Wilder, Fred Zinnemann nach einer Idee von Curt Siodmak K: Eugen Schüfftan S: Robert Siodmak D: Erwin Splettstößer, Brigitte Borchert, Wolfgang von Waltershausen. DE, 1930, 35mm, sw, ca. 74 min. Deutsche ZT Eine Gruppe junger Männer, die nach ihrer Emigration allesamt Großes in Hol- lywood leisten würden, erfand mit dem letzten »großen« (eigentlich aber be- wusst sehr kleinen) deutschen Stumm- film gewissermaßen die Nouvelle Vague avant la lettre. Vier junge Menschen beim Sonntagsausflug an den Wannsee, voller lyrischer und komischer Details: Aus der Großstadtsymphonie, aus dem Rhythmus der Masse schälen sich die in- dividuellen Schicksale in ihrer schlichten Schönheit heraus. Menschen MONTAG am Sonntag, von Eugen Schüfftan bestechend fotografiert, ist ein Film, 6.12. / 18.30 der mit seiner Spontaneität wirbt (»ein Film ohne Schauspieler«, schwin- delt stolz der erste Titel, wo er doch nur Laiendarsteller meint) und in seinem unprätentiösen Charme Recht behält: Es genügt ihm, mit der Wärme eines neugierig auf der Haut kitzelnden Sonnenstrahls jenes banale Wunder zu feiern, das man gemeinhin Leben nennt. (C. H.) Five Graves to Cairo R: Billy Wilder B: Charles Brackett, Billy Wilder nach Hotel Imperial von Lajos Bíró K: John F. Seitz S: Doane Harrison M: Miklós Rózsa D: Franchot Tone, Erich von Stroheim, Anne Baxter. US, 1943, DCP (von 35mm), sw, 96 min. Englisch ★ Während die Schlacht um Nordafrika noch tobt, extemporiert Five MONTAG Graves to Cairo über die Ereignisse, als wäre die Front fern wie die 6.12. / 21.00 Anabasis. Wilder hält sich ans Gerüst eines Stücks namens Hotel Imperial von Lajos Bíró und leistet sich die Kleinigkeit, Lemberg in die SAMSTAG libysche Wüste und 1916 in jenen Juni 1942 zu verwandeln, in dem 8.1. / 18.30 die Deutschen nach dem Fall Tobruks die britische achte Armee auf Alexandria zujagen. Ein Kinokammerspiel à la Key Largo um Mut, Ver- rat, Loyalität in einem Sahara-Hotel. Stroheim (neben Lubitsch einer von Wilders Regiegöttern) spielt Rommel, von dem 1943 in Holly- wood niemand weiß, wie er eigentlich aussieht. (H. T.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 21
Ace in the Hole R: Billy Wilder B: Walter Newman, Lesser Samuels, Billy Wilder K: Charles Lang Jr. S: Doane Harrison, Arthur Schmidt M: Hugo Friedhofer D: Kirk Douglas, Jan Sterling. US, 1951, DCP (von 35mm), sw, 111 min. Englisch ★ Der ehrgeizige Reporter Chuck Tatum (Kirk Douglas) hat sich durch MITTWOCH seine Egozentrik und Rücksichtslosigkeit die Karriere verbaut und ist 8.12. / 18.30 bei einem Provinzblatt gestrandet. Als er von einem verschütteten Mann in einer nahen Höhle hört, wittert er den Ausweg aus der Frus- DONNERSTAG tration und sein Comeback durch eine Sensations-Reportage. Was 6.1. / 21.00 heißt, dass er die Bergungsarbeiten verzögert, um die Geschichte aus- zuschlachten und sich selbst zum heldenhaften Retter zu stilisieren. Der Plan geht auf: Unter stetem Zustrom von Schaulustigen entsteht rund um die Unfallstelle ein regelrechter Rummelplatz. Damals einer von Wilders schmerzhaftesten Flops, inzwischen allerdings längst als eine seiner stärksten Arbeiten rehabilitiert. Bei seiner scharfen Ab- rechnung mit Boulevardpresse, Gier und Ruhmsucht hätte er dem Publikum die bittere Wahrheit zu schonungslos serviert, sagt Wilder selbst und beschließt, seine Kritik fortan subtiler zu schmuggeln. (C. H.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 22
Stalag 17 R: Billy Wilder B: Edwin Blum, Billy Wilder nach dem Stück von Donald Bevan und Edmund Trzcinski K: Ernest Laszlo S: George Tomasini M: Franz Waxman D: William Holden, Don Taylor, Otto Preminger. US, 1953, DCP (von 35mm), sw, 120 min. Englisch ★ »Irgendwo an der Donau«, knapp vor Weihnachten 1944: Im Stalag 17 MITTWOCH – einem deutschen Gefangenenlager für US-Soldaten – scheitert ein 8.12. / 21.00 weiterer Fluchtversuch. Die Amerikaner vermuten, dass es in den eigenen Reihen einen Verräter gibt. Hauptverdächtiger ist der Einzel- DONNERSTAG gänger Sefton (William Holden), der cleveren Schwarzmarkthandel 6.1. / 18.30 treibt, auch mit den deutschen Wachen. Als sich Wilder das später in Weltkriegsfilmen (und TV-Serien) so populäre Gefangenenlager- Sujet mit typischer Gewandtheit als doppelbödiges moralisches Spannungsstück mit galliger Komik aneignete, galt es als Kassengift. Bei Paramount lag Stalag 17 nach dem Dreh ein Jahr auf Eis, im deutschen Sprachraum wurde der Film von der Freiwilligen Selbst- kontrolle wegen »einseitig negativer Darstellung der deutschen Wachmannschaften« sieben Jahre unter Verschluss gehalten. Als Lagerkommandant brilliert dabei übrigens ein prominenter Kollege von Wilder: Exil-Regiegenie Otto Preminger. (C. H.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 23
Kiss Me, Stupid R: Billy Wilder B: I. A. L. Diamond, Billy Wilder nach dem Stück L’ora della fantasia von Anna Bonacci K: Joseph LaShelle S: Daniel Mandell M: André Previn D: Dean Martin, Kim Novak, Ray Walston, Cliff Osmond, Felicia Farr, Skip Ward. US, 1964, 35mm, sw, 126 min. Englisch mit dt. UT ★ Home sweet home. Kiss Me, Stupid ist eine von Billy Wilders und I. A. L. DONNERSTAG Diamonds grimmigsten Satiren, die sich 1964 annähernd ganz Ame- 9.12. / 21.00 rika zum Feind macht – zumindest jenen Teil, der noch gesund, ehr- bar und amerikanisch ist. Um erfolgreich zu sein, funktioniert der SAMSTAG Tüchtige auf dem Weg nach oben sein Haus in ein Bordell und seine 1.1. / 21.00 Frau in eine Prostituierte um. Die Moral des Films ist kurz, verletzend wie ein Stachel, wortwörtlich gemeint und durch und durch unmora- lisch. (»›Tender gums‹. That’s a hell of a thing to say to a married woman.«) Dass solch ein Film sich nicht bezahlt mache, dafür tragen die Legion of Decency und Frauenvereine 1964 Sorge. US-Stadt für US-Stadt vermeldet mit Stolz, von Kiss Me, Stupid befreit zu sein. (H. T.) A Foreign Affair R: Billy Wilder B: Billy Wilder, Charles Brackett, Richard Breen K: Charles Lang Jr. S: Doane Harrison M: Frederick Hollander D: Marlene Dietrich, Jean Arthur, John Lund. US, 1948, DCP (von 35mm), sw, 116 min. Englisch ★ »Moralische Malaria!«, diagnostiziert die republikanische Kongress- SAMSTAG abgeordnete Phoebe Frost (Jean Arthur), als sie im zerstörten Nach- 18.12. / 18.30 kriegsberlin ankommt, um dem Sittenverfall der US-Besatzungs- truppen Einhalt zu gebieten. Ihre Widersacherin findet sie in der FREITAG Nachtklubsängerin Erika von Schlütow (Marlene Dietrich), ehemalige 7.1. / 21.00 Nazi-Geliebte und Schwarzmarktprofiteurin dank jenes Verbindungs- offiziers, den Phoebe für ihren Alliierten hält. 1945 kam Billy Wilder als Propagandabeauftragter nach Deutschland zurück, aus seinen Erfah- rungen speist sich diese schwarze Komödie über vermeintliche (Un-) Moral und organsierte Korruption zwischen deutschem Elend und doppelmoralischen US-»Befreiern«: ein Terrain, auf dem später Fass- binder-Meldoramen gedeihen. Marlene lässt Wilder vom alten Mit- streiter (Der Mann, der seinen Mörder sucht) Friedrich Holländer Schwarzmarktlieder auf den Leib schreiben und persönlich am Klavier begleiten. Bei seinem nächsten Berlin-Besuch One, Two, Three ver- zichtet Wilder dann auch noch aufs romantische Zwischenspiel. (C. H.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 24
Witness for the Prosecution R: Billy Wilder B: Harry Kurnitz, Billy Wilder nach dem Stück von Agatha Christie K: Russell Harlan S: Daniel Mandell M: Matty Malneck D: Tyrone Power, Marlene Dietrich, Charles Laughton, Elsa Lanchester. US, 1958, 35mm, sw, 115 min. Englisch ★ Der bekannte Londoner Strafverteidiger Sir Wilfrid Robarts (Charles SAMSTAG Laughton) übernimmt nach einem Herzinfarkt einen scheinbar aus- 18.12. / 21.00 sichtslosen Fall: Die Beweislage gegen einen mutmaßlichen Witwen- mörder scheint erdrückend, doch im Verlauf eines sensationellen Jus- FREITAG tizprozesses kommt es zu einer Reihe spektakulärer Offenbarungen. 7.1. / 18.30 Dame Agatha Christie nannte Witness for the Prosecution die einzige Verfilmung einer ihrer Arbeiten, die das Original übertroffen habe. Als Inszenator eines Gerichtsfilms kann Billy Wilder tatsächlich zu absoluter Höchstform auflaufen. Es braucht sein spezielles Flair für Timing, penible Konstruktion und Schauspielerarbeit. Den Superstar- Auftritt hat Marlene Dietrich, aber unschlagbar bleibt natürlich das Traumpaar (Elsa) Lanchester & (Charles) Laughton, letzterer Schnaps im Spazierstock schmuggelnd und auch sonst dem spannenden Drama gern perfekte Pointen aufsetzend, very british, of course. (C.H.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 25
The Apartment R: Billy Wilder B: Billy Wilder, I. A. L. Diamond K: Joseph LaShelle S: Daniel Mandell M: Adolph Deutsch D: Jack Lemmon, Shirley MacLaine, Fred MacMurray, Ray Walston, Jack Kruschen. US, 1960, 35mm, sw, 125 min. Englisch mit dt. UT ★ The Apartment lebt von der schlüssig- sten Durchdringung jener Gegensätze in Billy Wilders Werk, die Andrew Sarris als »a mixture of cynicism and romanti- cism« beschreibt. Eine Mixtur, die für prekäre wie brillante Zerreißproben sorgt. Die Widersprüche finden sich in dieser wahrhaft verzweifelt traurigen Komödie über die Welt der Büroange- stellten bis zum Limit getrieben. These: Keiner, der sich nicht als Ratte oder Wolf entpuppt im nationalen Sport der Jagd zur Chefetage empor. In The DONNERSTAG Apartment feiern die Kontrahenten Starkino und Autorenfilm, Enga- 23.12. / 18.30 gement und Entertainment spannungsgeladen Versöhnung. Billy Wilder: »Ein Film, der nicht unterhält, bewirkt nichts.« (H. T.) SAMSTAG 8.1. / 21.00 The Fortune Cookie R: Billy Wilder B: I. A. L. Diamond, Billy Wilder K: Joseph LaShelle S: Daniel Mandell M: Andre Previn D: Jack Lemmon, Walter Matthau. US, 1966, 35mm, sw, 125 min. Englisch mit dt. UT ★ Kameramann Harry Hinkle wird bei einer Football-Live-Übertragung MONTAG vom bärenstarken, aber herzensguten Spieler »Boom Boom« Jackson 27.12. / 18.30 über den Haufen gerannt. Sein Schwager Willie Gingrich, ein skrupel- loser Winkeladvokat, überredet den widerwilligen Biedermann Harry, MONTAG teilweise Lähmung vorzutäuschen und stellt eine Schadenersatz-Milli- 3.1. / 21.00 onenklage. Die Versicherungsgesellschaft schickt einen hartnäckigen Detektiv … Der letzte Film von Wilders Sixties-Komödienquartett im seltenen Schwarzweiß-Breitwandformat, eine publikumsfreundlicher abgemischte Proto-Sitcom-Weiterführung von Ace in the Hole: die Rückseite des Amerikanischen (Erfolgs-)Traums – Geldgier, Korrup- tion, Lügen, Betrug, Eitelkeit. Wo Frank Capras Magie darauf basiert, die USA zu zeigen, wie sie gern wäre, ist Wilders Rezept der Blick auf die Wirklichkeit. Zudem Geburtsstunde einer Partnerschaft, die Kino- geschichte schreiben wird: Jack Lemmon und Walter Matthau, der als Berufsschwindler Willie einen titanischen Auftritt hinlegt. (C. H.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 26
One, Two, Three R: Billy Wilder B: Billy Wilder, I. A. L. Diamond nach Egy, kettő, három von Ferenc Molnár K: Daniel L. Fapp S: Daniel Mandell M: André Previn D: James Cagney, Horst Buchholz, Pamela Tiffin, Leon Askin, Liselotte Pulver. US, 1961, 35mm, sw, 108 min. Englisch mit dt. UT ★ Billy Wilders schnellster Film, eine in Höchstgeschwindigkeit vorange- MONTAG peitschte Satire, das halsbrecherische Tempo vorgegeben durch die 27.12. / 21.00 Maschinengewehrdialogsalven von James Cagney, der hier als Leiter der Westberliner Coca-Cola-Filiale von Ost-Expansion träumt – just da MITTWOCH verliebt sich die Chef-Tochter in einen jungen Hardliner-Kommunis- 5.1. / 21.00 ten (Horst Buchholz). Eine provozierend aggressive Ost-West-Kalte- Kriegs-Klamotte, gedreht in Berlin knapp vor dem Mauerbau. (Da die Mauer vor dem Film fertig wurde, war sein kommerzielles Schicksal beim Erscheinen besiegelt.) Das Bildformat (schwarzweißes Cine- maScope) ist seriös, der Rest des Films gellend, schräg, grell, verzerrt, zotig, ein Galopp in hinreißend schlechtem Geschmack, bestückt mit Knallköpfen und Klischees. Schläge nach ringsum, immer unter die Gürtellinie und haarscharf ins Schwarze. (C. H. / H. T.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 27
Love in the Afternoon R: Billy Wilder B: I. A. L. Diamond, Billy Wilder nach Ariane, jeune fille russe von Claude Anet K: William Mellor S: Leonid Azar M: Franz Waxman D: Gary Cooper, Audrey Hepburn, Maurice Chevalier. US, 1957, DCP (von 35mm), sw, 130 min. Englisch ★ Audrey Hepburn als Unschuldsengel Ariane, die als femme fatale po- DIENSTAG siert, um den reichen Amerikaner Frank Flanagan (Gary Cooper) an- 28.12. / 18.30 zusprechen, der von ihrem Detektiv-Papa (Maurice Chevalier) obser- viert wird. »Wie hätte es Lubitsch gemacht?«, stand auf einem Zettel MONTAG über Billy Wilders Schreibtisch; im Lauf seiner Karriere versuchte er 10.1. / 18.30 mehrfach, dessen vielzitierten Lubitsch touch in Wilder-Witz zu über- setzen. Für Love in the Afternoon dreht Wilder sogar in Paris, durch Lubitsch als Traumstadt des Hollywood-Liebeslustspiels mitetabliert – gleichzeitig greift er auf eigene Erfahrungen zurück: 1932 hat Wilder für die deutsche Komödie Scampolo das Drehbuch zu einem verblüf- fend ähnlichen Sujet mitverfasst. Diesmal wählt er als Schreib-Partner den rumänischen Immigranten I. A. L. Diamond, der im Folgenden für Wilder als Ko-Autor ebenso wichtig wird wie Charles Brackett in seinen ersten beiden Hollywood-Dekaden: a match made in heaven. (C. H.) The Private Life of Sherlock Holmes R: Billy Wilder B: I. A. L. Diamond, Billy Wilder frei nach Sir Arthur Conan Doyle K: Christopher Challis S: Ernest Walter M: Miklós Rózsa D: Robert Stephens, Colin Blakely, Christopher Lee, Genevieve Page. US, 1970, 35mm, Farbe, 125 min. Englisch ★ Eine Art »Unvollendete«, dabei Billy Wilders schönster Film und einer DIENSTAG der besten Sherlock-Holmes-Filme. Der bekennende Holmesianer 28.12. / 21.00 Wilder konnte nach wiederholten Anläufen Sir Arthur Conan Doyles großen Meisterdetektiv auf die Leinwand bringen. Statt direkter MONTAG Adaption: eine Fantasie über Holmes in mehreren Episoden. Nach- 10.1. / 21.00 dem der Rohschnitt als zu unkommerziell eingestuft wurde, blieben • Einführung nur zwei Abenteuer übrig: Im ersten muss Holmes dem unorthodo- von Michael Omasta xen Kinderwunsch einer russischen Ballerina entkommen, im zweiten führt ihn eine schöne Belgierin nach Loch Ness, wo das Monster, eine Gruppe Zwerge und der Schatten des heranziehenden Ersten Welt- kriegs warten. Und gerade weil die Dramaturgie diesmal nicht so per- fekt geschmiert ist, erreicht Wilder einzigartige Eleganz und sanft sur- reale Magritte-Poesie, lässt seinen Witz verhalten ironisch funkeln und altersweise Melancholie spüren: Holmes, c’est moi. (C. H.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 28
DEUTSCHE KINEMATHEK The Private Life of Sherlock Holmes (1970) Fedora R: Billy Wilder B: I.A.L. Diamond, Billy Wilder nach der Novelle von Tom Tryon K: Gerry Fisher S: Frederic Steinkamp, Stefan Arnsten M: Miklós Rózsa D: Marthe Keller, William Holden, Hildegard Knef, Henry Fonda. DE/FR, 1979, 35mm, Farbe, 116 min. Englisch ★ Der unabhängige Filmproduzent »Dutch« Detweiler (William Hol- SAMSTAG den) reist zum Begräbnis des mythischen Filmstars Fedora (Marthe 1.1. / 18.30 Keller), die sich am Gipfel ihres Ruhms zurückgezogen hatte. Kurz davor hatte Dutch sie für ein Filmprojekt besucht und verblüfft fest- MITTWOCH gestellt, dass sie als 67-jährige noch immer das Ebenbild der jungen 12.1. / 21.00 Schönheit war, die er 1947 kennen- und lieben lernte. Seine Nachfor- schungen über ihre mysteriösen Lebensumstände offenbaren eine verstörende Wahrheit. Doch der »Wahrheit« ist bei Wilder nie zu trauen, schon gar nicht, wenn es um die Lügen der Traumfabrik Kino geht: Fedora ist Fortführung von Sunset Boulevard, nur dass selbst der Glamour der goldenen Studio-Ära schon unter die Räder von New Hollywood geraten ist, ein Opfer der in Rückblenden-Kaskaden beschworenen Unerbittlichkeit der Zeit, wie die vermeintliche Göttin Fedora. Wilders letzter großer Film und wie seine anderen allerbesten – insbesondere Kiss Me, Stupid und The Private Life of Sherlock Holmes – beim Erscheinen kaum geliebt. (C. H.) NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder 29
26. BIS 28. NOVEMBER 2021 Punto y Raya Festival 2021 Abstract Art in Motion Punto y Raya ist eine internationale Plattform, die sich der Förderung, Field Notes from Bildung und Produktion von audiovisueller Kunst in ihrem reinsten a Mine (2012, Martijn van Zustand widmet: Form, Farbe, Bewegung und Klang, ohne repräsen- Boven, links) tative Darstellungen in Bild und Ton! Der Geist von Cinéma pur und Darkroom (2014, Billy Roisz) Absolute Film, der in den 1920er Jahren von der europäischen Avant- garde formuliert worden war, soll wiederentdeckt und in seinen vie- len verschiedenen Ausprägungen gefördert werden. So soll diese einzigartige Kunstform als Schnittstelle zwischen Bildender Kunst und Medien einen fixen Platz einnehmen. Das Projekt wurde 2007 vom gemeinnützigen Verein MAD in Barcelona mit dem ersten Punto y Raya Festival ins Leben gerufen. Seither findet es regelmäßig in wichtigen Institutionen für zeitgenös- sische Kunst und neue Technologien in verschiedenen Ländern statt. Mit seiner 7. Ausgabe ist das Punto y Raya Festival in Wien zu Gast (eine Koproduktion von MAD und Mutual Loop) und findet von 25. bis 28. November im Blickle Kino, Künstlerhaus und dem Österreichi- schen Filmmuseum statt, ist Treffpunkt für Künstler*innen und Publi- kum und bietet neben einem umfangreichen Filmprogramm auch Live Performances, ein Kinderprogramm und eine Ausstellung. (Noel Palazzo) www.puntoyrayafestival.com/de/fest NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Punto y Raya 30
From Reality into Abstraction: Dutch works from the LIMA Collection Forest Paths Michiel van Bakel. NL, 2017, DCP, sw, 3 min #67 Joost Rekveld. NL, 2017, DCP, sw, 17 min Grid Corrections Gerco de Ruijter & Michel Banabila. NL, 2016, DCP, Farbe, 2 min Field Notes from a Mine Martijn van Boven. NL, 2012, DCP, Farbe, 20 min Liquid Landscape Nan Wang. NL, 2018, DCP, Farbe, 11 min Zu Hanne Darboven / Abschliessend Thomas Mohr. NL, 2014, DCP, Farbe, 8 min Paranon Zeno van den Broek. NL, 2018, DCP, sw, 15 min Diese Arbeiten aus der Sammlung der Medienkunst-Plattform LIMA FREITAG verwandeln eine bestehende Realität in etwas anderes: neue Sicht- 26.11. / 12.00 weisen auf eine mehr oder weniger abstrahierte Realität. Van Bakel nutzt eine selbstgebaute Scanner-Kamera um die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung auszuloten. Rekveld hat einen Apparat entwickelt, um die elektromagnetische Welt zwischen Mensch und Maschine sichtbar und hörbar zu machen. De Ruiters Arbeit wirkt wie eine Serie von abstrakten Gemälden, die auf den Unzulänglichkeiten von Google Maps basieren. Van Boven stellt sich die Pilgerrouten als eine imaginäre digitale Landschaft vor. Nan Wang erschafft analoge Landschaften, indem er Seifenblasen auf einen 16mm-Filmstreifen sprüht. Mohr arrangiert Fotografien von Hanne Darbovens Werk neu. Van den Broek erzeugt Interferenzen in Bild und Ton für seine sich überlagernden Sinuswellen, Gitter und Linien. Die Welt, wie wir sie kennen, aber anders gesehen. (T. Z.) Who’s afraid of Colors? Die Arbeiten von Billy Roisz Filmprogramm und Masterclass Darkroom Billy Roisz. AT, 2014, DCP, Farbe, 13 min Smokfraqs Billy Roisz & Dieter Kovačič. AT, 2001, DCP, Farbe, 4 min STYX Billy Roisz. AT, 2019, DCP, Farbe, 7 min brRRMMMWHEee II Billy Roisz. AT, 2010, DCP, Farbe, 5 min Close your Eyes Billy Roisz. AT, 2009, DCP, Farbe, 13 min Paris Billy Roisz. AT, 2017, DCP, Farbe, 4 min Who’s Afraid of RGB Billy Roisz. AT, 2019, DCP, Farbe, 8 min Surge Billy Roisz & Dieter Kovačič. AT, 2019, DCP, Farbe, 5 min Billy Roisz ist eine der profiliertesten Protagonist*innen der österrei- SAMSTAG chischen experimentellen Szene. Besonders bemerkenswert ist ihre 27.11. / 10.00 Methode, experimentelle Musik in visuelle Erinnerungsbilder zu über- • In Anwesen- setzen, die Anleihen bei Minimal Art und Konzeptkunst erkennen las- heit von Billy Roisz NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Punto y Raya 31
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