VALIE EXPORT BILLY WILDER - COLLECTION ON SCREEN Len Lye COLLECTION ON SCREEN John Cassavetes 26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022

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VALIE EXPORT BILLY WILDER - COLLECTION ON SCREEN Len Lye COLLECTION ON SCREEN John Cassavetes 26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022
26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022
VALIE EXPORT
BILLY WILDER
COLLECTION ON SCREEN Len Lye
COLLECTION ON SCREEN John Cassavetes
WERKSTATTGESPRÄCHE MIT FILMPIONIERINNEN

www.filmmuseum.at
VALIE EXPORT BILLY WILDER - COLLECTION ON SCREEN Len Lye COLLECTION ON SCREEN John Cassavetes 26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022
VALIE EXPORT BILLY WILDER - COLLECTION ON SCREEN Len Lye COLLECTION ON SCREEN John Cassavetes 26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022
Willkommen im
Österreichischen Filmmuseum
Das Österreichische Filmmuseum widmet sich seit 1964 der Sammlung,
Bewahrung, Erforschung und Vermittlung des Mediums Film in all sei-
nen Aspekten. Das beinhaltet ganz zentral die Ausstellung und Ver-
mittlung von Film – als Kunstform, Kulturtechnik und Zeitdokument –
in unserem Kinosaal, dem »Unsichtbaren Kino« in der Albertina.
    Wir sind bestrebt, Werke aus der Geschichte des Films grundsätz-
lich im jeweiligen Originalformat und in den weltweit bestmöglich er-
haltenen Filmkopien (35mm bzw. 16mm) zu zeigen. Aus konservato-
rischen oder kuratorischen Gründen ergibt sich aber immer öfter die
Notwendigkeit, auch auf Film hergestellte Werke digital vorzuführen,
weil kein Filmmaterial zugänglich ist.
    Filme werden bei uns grundsätzlich in ihrer originalen Sprach-
fassung gezeigt und gegebenenfalls untertitelt. Für unsere inter-
nationalen Gäste weisen wir Vorführungen in englischer Sprache
bzw. Untertitelfassung gesondert aus.
Screenings in English or with English subtitles are marked with this symbol ★

INHALT
Allgemeine Informationen 2
VALIE EXPORT 3
Billy Wilder 15
Punto y Raya Festival 2021 30
Collection on Screen 33
Collection on Screen Len Lye 34
Collection on Screen John Cassavetes 37
Amos-Vogel-Atlas Kapitel 6 Wendepunkte 47
Werkstattgespräche mit Filmpionierinnen 50
Weihnachten im Filmmuseum 52
Zyklisches Programm. Was ist Film 21–30 54
Schule im Kino 57
Spielplan. Alle Filme von 26. November 2021 bis 12. Jänner 2022 58
Dank/Impressum 64
Innerhalb eines Themas sind die Filme in der Reihenfolge
ihrer Programmierung geordnet.
VALIE EXPORT BILLY WILDER - COLLECTION ON SCREEN Len Lye COLLECTION ON SCREEN John Cassavetes 26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022
ALLGEMEINE INFORMATIONEN

SPIELORT/VEREINSSITZ 1010 Wien, Augustinerstraße 1
TICKETS
Kassa: geöffnet ab einer Stunde vor Beginn der ersten Vorführung
Einzelkarte für Mitglieder sowie Kinder und Jugendliche bis 18: 6 Euro
Ermäßigung für Studierende mit Mitgliedschaft: 5 Euro bzw. 3 Euro für regelmäßige Programme
(Was ist Film, Collection on Screen, Amos-Vogel-Atlas)
Zehnerblock (für Mitglieder): 45 Euro
Einzelkarte ohne Mitgliedschaft: 10,50 Euro
Herbstmitgliedschaft 2021: 9,50 Euro
Herbstpartnermitgliedschaft 2021: 15 Euro
Jahresmitgliedschaft 2022 (ab 15.12.2021): 15 Euro
Jahrespartnermitgliedschaft 2022 (ab 15.12.2021): 25 Euro
Informationen zur Fördernden Mitgliedschaft finden Sie auf Seite 63
und auf unserer Website www.filmmuseum.at.
RESERVIERUNGEN T 01/533 70 54 oder www.filmmuseum.at
NEU: KAUFEN SIE IHRE TICKETS ONLINE
Sie können Tickets für Vorstellungen im Filmmuseum, Mitgliedschaften und Zehnerblöcke auch
online und ohne Wartezeiten kaufen.
Häufig gestellte Fragen zum Online-Ticketing finden Sie hier: www.filmmuseum.at/faq
BÜRO/BIBLIOTHEK 1010 Wien, Hanuschgasse 3, Stiege 2, 1. Stock
Bibliothek: Benutzung nur mit Voranmeldung: e.streit@filmmuseum.at;
Katalog online unter: www.filmmuseum.at/bibliothek/online-recherche
Büro: Mo bis Do 10–18 Uhr, Fr 10–13 Uhr, T 01/533 70 54, E-Mail office@filmmuseum.at
FILMBAR IM FILMMUSEUM Täglich von 12 bis 23 Uhr
Häufig gestellte Fragen zu den Corona-Maßnahmen finden Sie hier:
www.filmmuseum.at/besuch/covid-19_massnahmen_faq

ABKÜRZUNGEN
R Regie B Drehbuch K Kamera S Schnitt M Musik D Darsteller*innen MA Mitarbeit
UT Untertitel ZT Zwischentitel
• Veranstaltungen mit Gästen oder Einführungen ★ English language or subtitles
FILMTEXTE VON
Brigitta Burger-Utzer, Christoph Huber, Gertrud Koch, Olaf Möller, Miguel Pires de Matos,
Julia Pühringer, Dietmar Schwärzler, Harry Tomicek, Theus Zwakhals

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VALIE EXPORT BILLY WILDER - COLLECTION ON SCREEN Len Lye COLLECTION ON SCREEN John Cassavetes 26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022
9. BIS 22. DEZEMBER 2021

                         VALIE EXPORT
© VIOLETTA WAKOLBINGER

                         Zum 80. Geburtstag und anlässlich der Schenkung ihres filmischen
                         Werks an das Filmmuseum war bereits für Dezember 2020 eine
                         umfassende Retrospektive zu VALIE EXPORT s Schaffen geplant.
                         Aufgrund der Pandemie mussten wir verschieben und freuen uns
                         jetzt umso mehr, VALIE EXPORTs Spiel-, Kurz-, und Dokumentarfilme
                         sowie die Dokumentationen von Performances zu präsentieren und
                         ihr Werk mit einem hochkarätig besetzten Symposium zu beleuchten
                         (S. 13).
                             VALIE EXPORT gilt weltweit als eine der einflussreichsten Künst-
                         ler*innen, in ihrer Arbeit verbinden sich multimediale Kunstpraxis
                         und Theorie mit einem feministischen Anliegen.
                             Bereits 1967 wählte sie programmatisch einen Künstler*innen-
                         namen, der sie symbolisch von der ihr zugewiesenen Rolle als
                         Frau in der Kunstwelt innerhalb einer männerdominierten Gesell-
                         schaft distanzierte. In ihren Ausdrucksformen – darunter Zeichnung,

                         NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT                            3
VALIE EXPORT BILLY WILDER - COLLECTION ON SCREEN Len Lye COLLECTION ON SCREEN John Cassavetes 26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022
konzeptuelle Fotografie, Installation, Skulptur, Performance – spielen    Die Praxis der
Film und Video eine zentrale Rolle. Als eine der größten Transgressi-    Liebe (1985)

ven in der Kunst überschreitet sie damit beständig Medien und Ka-
tegorien wie analog/digital, physisch/virtuell.
   EXPORTs Interesse an der Struktur und Wirkung bewegter Bilder
steht die Auseinandersetzung mit dem Körper gegenüber, als Teil
einer »gespaltenen Existenz« zwischen Realität und Repräsentation.
Diese fundamentale Gebrochenheit ist bei EXPORT Prinzip und
Grundlage ihrer Ästhetik so sehr wie ihrer Politik. Das macht ihre Me-
dienkritik nach wie vor aktuell, und ihr Werk angesichts der tiefgrei-
fenden Verwerfungen, die das Digitale in Gesellschaft, Körperver-
ständnis und Politik hervorruft immer noch so pointiert und unbe-
quem wie zu seiner Entstehungszeit.
   Die Auswahl schlägt einen Bogen von den grenzüberschreitenden
Aktionen und frühen 8mm-Filmen der 1960er Jahre (TAPP und TAST-
KINO ) über die radikalen Film-Performances (Mann & Frau & Animal,
…Remote…Remote…) und Spielfilme wie Unsichtbare Gegner (1977)
oder Die Praxis der Liebe (1985) bis hin zu EXPORT s Dokumentarfil-
men – z. B. über Elfriede Jelinek, Oswald Wiener, die Geschichte des
Avantgardefilms und die Entwicklung der internationalen Aktions-          In Kooperation
kunst. (Brigitta Burger-Utzer, Michael Loebenstein)                      mit sixpackfilm

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT                                                4
VALIE EXPORT BILLY WILDER - COLLECTION ON SCREEN Len Lye COLLECTION ON SCREEN John Cassavetes 26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022
Die Praxis der Liebe
R, B: VALIE EXPORT K: Jürgen Schmidt-Reitwein S: Juno Sylva Englander
M: Stephen Ferguson, Harry Sokal D: Adelheid Arndt, Rüdiger Vogler,
Hagnot Elischka, Günther Nenning, Gary Indiana. AT/BRD, 1985, 35mm, Farbe,
90 min. Deutsch
Eine engagierte Journalistin wird mit dem männlich dominierten               DONNERSTAG
Machtapparat in den Medien und der Politik konfrontiert: Ihre Re-            9.12. / 18.30
cherchen werden nicht veröffentlicht und bleiben nur für sie selbst           • Einführung
und ihr Privatleben relevant. Dies gilt für die Aufdeckung eines inter-      von Michael
                                                                             Loebenstein
nationalen Waffenschmuggelrings, in den ihr Geliebter involviert ist
(zeitgleich passierte die Noricum-Affäre in Österreich) und für einen        FREITAG
Beitrag über bezahlte Sexdienste. Videoüberwachungsbilder aus                17.12. / 21.00
dem städtischen Raum, Foto- und Videokunstpassagen verstärken                 • Einführung
die düstere Stimmung im Wien der 1980er. EXPORT führt zudem eine             von Brigitta
                                                                             Burger-Utzer
grundsätzliche Diskrepanz vor: Weibliche Sexualität und heterose-
xuelle Erotik (die Hauptfigur hat zwei Liebhaber) verbunden mit
einem intellektuellen Geist führen zu energieraubenden Konflikten
und herben Enttäuschungen. (B. B. U.)

Performancefilme von VALIE EXPORT 1
                                                                             * Aus der Samm-
Gedichte AT, 1966/80, DCP, sw, 8 min                                         lung Generali
Asemie – die Unfähigkeit, sich durch Mienenspiel ausdrücken zu               Foundation –
können AT, 1973, DCP, sw, 8 min                                              Dauerleihgabe
                                                                             am Museum
Body Politics AT, 1974, DCP, sw, 3 min. Deutsche/Englische ZT                der Moderne
Delta. Ein Stück AT, 1976/77, DCP, sw, 18 min                                Salzburg
the voice as performance, act and body AT, 2007, DCP, Farbe, 11 min
Adjungierte Dislokationen AT, 1973, DCP, sw, 10 min*
Raumsehen und Raumhören AT, 1973/74, DCP, sw, 6 min
…Remote…Remote… AT, 1973, 16mm, Farbe, 10 min
VALIE EXPORTs Performances sind in jeder Hinsicht multimedial: be-           SAMSTAG
stehend aus ihrer Literatur und/oder ihren theoretischen, strukturel-        11.12. / 18.30
len, gesellschaftspolitischen und visuellen Überlegungen. Sie selbst          • Einführung
schreibt 1989 retrospektiv über den feministischen Aktionismus:              von Brigitta
                                                                             Burger-Utzer
»Wenn schon pathologische Momente wie Selbsthass, minderes
Selbstbewusstsein, Identifikation mit Leid, Unterwerfung oder gar             MONTAG
mit dem Unterdrücker aus solchen Aktionen interpretatorisch rezi-            20.12. / 18.30
piert werden, dann sind diese Momente der Wahrheit der Geschichte
der Frau so wahr, dass viele Frauen nicht einmal den Lack so gründlich
abkratzen lassen wollen. Der Schein des belanglosen Glamours ist

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VALIE EXPORT BILLY WILDER - COLLECTION ON SCREEN Len Lye COLLECTION ON SCREEN John Cassavetes 26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022
TAPP und TASTKINO (1968), Elfriede Jelinek. News from Home 18.8.88 (1988)

vielen lieber als die Souveränität eines ausgetragenen Schmerzes, als
die schmerzliche Energie des Widerstands.« (B. B. U.)

Performancefilme von VALIE EXPORT 2 ★
TAPP und TASTKINO AT, 1968, DCP, sw, 2 min
Body Tape AT, 1970, DCP, sw, 4 min. Englische ZT
Hyperbulie AT, 1973, DCP, sw, 7 min
Sehtext: Fingergedicht AT, 1973, DCP, sw, 2 min
Hauchtext: Liebesgedicht AT, 1970/73, DCP, sw, 2 min
Die Zweiheit der Natur AT, 1986, DCP, Farbe, 2 min
Vaginan AT, 1997, DCP, Farbe und sw, 3 min
Mann & Frau & Animal AT, 1970/73, 16mm, Farbe und sw, 8 min
Elfriede Jelinek. News from Home 18.8.88
AT, 1988, DCP, Farbe, 30 min. Deutsch mit engl. UT
»Der Körper und seine mediale Spiegelung« hat die Kunsthistorikerin         SAMSTAG
Annette Tietenberg einen Vortrag über VALIE EXPORT genannt und              11.12. / 21.00
damit die Verschiedenheit und Beeinflussung von Körpererfahrung
und -repräsentation auf den Punkt gebracht. Bereits in ihren filmi-          MONTAG
schen Anfängen stellte EXPORT sich selbst als weibliches Objekt ver-        20.12. / 21.00
schiedenster (aus gesellschaftlichen Normen und Konstruktionen be-
stehenden) Festschreibungen dar, aber auch als sinnliches Subjekt,
das immer wieder »angemessene Sprachen überlegt für das, was sie
ausdrücken möchte«. Eine Performance Elfriede Jelineks, die österrei-
chische Nachrichten hört und kommentiert, beschließt das Pro-
gramm. (B. B. U.)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT                                                   6
VALIE EXPORT BILLY WILDER - COLLECTION ON SCREEN Len Lye COLLECTION ON SCREEN John Cassavetes 26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022
Facing a Family (1971), Ein perfektes Paar oder die Unzucht wechselt ihre Haut (1986)

Kurzfilme von VALIE EXPORT ★
Selbstportrait mit Kopf AT, 1966/67, DCP, sw, 4 min
I turn over the pictures of my voice in my head
AT, 2009, DCP, Farbe, 12 min. Deutsch mit engl. UT
Facing a Family AT, 1971, DCP, sw, 5 min
Interrupted Line AT, 1971/72, 16mm, sw, 9 min
Ein perfektes Paar oder die Unzucht wechselt ihre Haut
AT, 1986, DCP, Farbe, 12 min
Schnitte/Elemente der Anschauung AT, 1971/74, DCP, sw, 17 min
Syntagma AT, 1983, 16mm, Farbe, 18 min
Die Kurzfilme bilden einen möglichen Querschnitt durch die Film-                         MONTAG
und Videoarbeit von VALIE EXPORT: das Selbstportrait in bewusster                       13.12. / 18.30
Verwandlung und Ausgesetztheit; die Stimme und Sprache als wich-
tige Teile der Identität; Kritik an der medialen Berichterstattung und                  MITTWOCH
ihren bewusstlosen Konsument*innen; familiäre Abhängigkeit und                          22.12. / 18.30
die Gefangenschaft der Kinder; das strukturelle Interesse an Zeit und
Raum und die Möglichkeiten des Bewegtbildes, die Wahrnehmung
zu verschieben, zu erweitern; das Statement zum Zustand der Welt,
ausnahmsweise als schrille Komödie inszeniert; das Dokumentari-
sche mit dem Seriellen verbunden in einer Untersuchung der Stadt
und des privaten Lebensraumes; und schließlich als einer der Höhe-
punkte: Syntagma, der EXPORTs unnachahmliche Vielfalt an Techni-
ken mit feministischen und aktionistischen Inhalten verbindet. (B. B. U.)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT                                                               7
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Unsichtbare Gegner
R: VALIE EXPORT (MA: Peter Weibel) B: Peter Weibel (MA: VALIE EXPORT)
K: Wolfgang Simon S: VALIE EXPORT D: Susanne Widl, Peter Weibel,
Dr. Josef Plavec, Monika Helfer-Friedrich, Helke Sander.
AT, 1977, 16mm, Farbe, 108 min. Deutsch mit engl. UT ★
Anna, Fotografin und Videoreporterin in Wien, hört im Radio von der        MONTAG
Invasion fremder, unsichtbarer Wesen – den Hyksos, die die Men-           13.12. / 21.00
schen und die Erde in Besitz nehmen wollen. »Die für uns interessan-
ten Dimensionen bekommt VALIE EXPORTs Film nicht nur durch die            MITTWOCH
Thematik einer schizophrenen, jungen Frau und ihrer Beziehung zu          22.12. / 21.00
einem paternalistischen Typ, sondern durch die Ästhetik, die sie
dabei entwickelt hat. Der Film macht nämlich die säuberliche Tren-
nung zwischen objektiver, normaler Umwelt und schizophrener, anor-
maler Verzerrung und Projektion auch ästhetisch nicht mehr mit.
Weder trennt er quasi-objektiv filmisch die Projektionen und Träume
von der Umwelt ab, noch verliert er sich an die Ausmalung der subjek-
tiven Perspektive der Frau, indem er vorgibt, aus dieser heraus erzählt
zu sein. Vielmehr besteht die Ästhetik des Films gerade darin, dass er
die verschiedenen Ebenen ineinander verwebt.« (G. K.)

Das Bewaffnete Auge –
VALIE EXPORT im Dialog mit der Filmavantgarde
B, KONZEPT, PRÄSENTATION: VALIE EXPORT R, GESTALTUNG: Zoltan Pataky
K: Walter Hendl, Johann Weninger, Hans Georg Havlik S: Rudolf Pfabigan.
AT, 1984, DCP, Farbe, 174 min. Deutsch mit engl. UT ★
Mit der dreiteiligen ORF -Kunst-Stücke-Serie Das Bewaffnete Auge MITTWOCH
wendet sich VALIE EXPORT entlang der Themenschwerpunkte Insze- 15.12. / 18.30
nierter Raum – Inszenierte Zeit, Reale Bewegung – bewegliche Realität
und Struktureller Film einer jener filmischen Gattungen zu, die aktuell
im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht mehr existieren. Anhand
medienspezifisch aufbereiteter Filmbeispiele u. a. von Wojciech Brus-
zewski, Malcolm Le Grice, Sergej Eisenstein, Maya Deren, Kurt Kren,
Yvonne Rainer, Anne Severson, Alfred Hitchcock, Linda Christanell,
Gary Beydler und Marc Adrian werden narrative und nicht-narrative
Erzählformen untersucht und gegenübergestellt. Adrian wird auch
via »Live-Interview« direkt in die Sendung geschaltet, wo er die Pro-
duktionsbedingungen, die Methodik und den Zeitgeist anhand sei-
ner Arbeit – u. a. seines ersten Computerfilms Random (1963) – zu er-
läutern versucht. (D. S.)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT                                                 8
Unsichtbare Gegner (1977, oben), Das Bewaffnete Auge (1984)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT                    9
Aktionskunst International.
Dokumente zum Internationalen Aktionismus
R, B: VALIE EXPORT K: Michael Anderson, Bert van Munster, Joe Friedman,
Kurt Oblak, Peter Roehsler, Walter Köhler, Erwin Mayer, Sepp Thoma INTERVIEW-
PARTNER: Vito Acconci, Jean Baudrillard, Karen Finley, Dick Higgins, Allan
Kaprow, Otto Muehl, Jorgen Nash, Gina Pane, Mark Pauline/Survival Research
Laboratories, Gerhard Rühm, Carolee Schneeman, Jens Jørgen Thorsen,
Wolf Vostell. AT, 1989, Video, Farbe, 73 min. Deutsch mit engl. UT ★
Ursprünglich wollten die ORF-Kunst-Stücke von VALIE EXPORT eine MITTWOCH
Sendung über den Wiener Aktionismus, sie konnte die Redaktion je- 15.12. / 21.00
doch von einer darüber hinaus gehenden Betrachtung der internatio-
nalen Wurzeln und Strömungen überzeugen. Dennoch beginnt sie
mit der Vorstellung der literarischen Aktionen der Wiener Gruppe, die
EXPORT selbst als junge Künstlerin in den frühen 1960er Jahren ge-
prägt haben. Wie schon in Das Bewaffnete Auge steht auch in dieser
Fernseharbeit der vermittelnde Aspekt im Vordergrund, ohne dass
EXPORT auf eine zeitgemäße Verwendung des Mediums und seiner
Möglichkeiten verzichtet. (B. B. U.)

Dokumentationen von VALIE-EXPORT-Performances
Adjungierte Dislokationen II AT, 1973/78, DCP, sw, 17 min
I (Beat (It)) AT, 1978, DCP, sw, 39 min
Restringierter Code AT, 1979, DCP, Farbe, 31 min
Die Videoaufzeichnungen dreier zentraler Performances von VALIE DONNERSTAG
EXPORT: Für das Wahrnehmungsexperiment Adjungierte Dislokatio- 16.12. / 18.30
nen II hat sie zwei 8mm-Kameras am Oberkörper festgeschnallt – eine
vorne, eine hinten. Die Filme werden parallel auf Monitor übertragen
und die dislozierten Bilder so zusammengefügt. Für I (Beat (It)) legt
EXPORT Gelenkbänder aus Blei an und verschüttet trotz einge-
schränkter Bewegungsfähigkeit Öl um das Bild einer liegenden Frau,
umgeben von drei Monitoren mit bellenden Hunden (der Dreifaltig-
keit männlicher Überwachungs-Ordnung) – ein mehrdeutiges Sinn-
bild zu Arbeit und Unterdrückung. Restringierter Code entwirft eine
absurde Reflexion über Körperkontrolle als Sozialkontrolle: EXPORT
teilt die Bühne mit Vogel, Hamster, Hund und Kind und ahmt deren
Bewegungen nach, bis zur übersteigerten Trance. (C. H.)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT                                      10
Menschenfrauen
R: VALIE EXPORT B: Peter Weibel (MA: VALIE EXPORT) K: Wolfgang Dickmann,
Karl Kases S: Tina Frese, Friedl Mayer M: bananen & zitronen, gesungen von
monsti-ingrid wiener und VALIE EXPORT, Zither: Karl Swoboda; Hotel Morphila
Orchester D: Renée Felden, Maria Martina, Susanne Widl, Klaus Wildbolz,
Lukas Resetarits. AT, 1979, 35mm, Farbe, 116 min. Deutsch mit engl. UT ★
Der Journalist Franz (Klaus Wildbolz) versucht seine drei Geliebten DONNERSTAG
und die Ehefrau (Susanne Widl) bei der Stange zu halten und pendelt 16.12. / 21.00
von einer vernachlässigten Frau zur nächsten. Unwissentlich beför-
dert er damit bei zweien ein utopisch anmutendes Streben nach Soli-
darität und Unabhängigkeit. Aus einem für alle unbefriedigenden Be-
ziehungsgeflecht entwickelt sich für die einen visionäre Freiheit, für
die anderen der Abgrund. Das feministische Anliegen der Unabhän-
gigkeit von entfremdenden Rollenbildern wird bei Menschenfrauen
nie ohne Ironie vorgeführt. Der Film vereint bravourös Elemente der
Farce, der Komödie, des Melodrams und der politischen Kritik mit ex-
perimentellen filmischen und performativen Ideen. (B. B. U.)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT                                     11
Oswald Wiener – »Tischbemerkungen November 1985.« (1985)

Das Unsagbare Sagen
R: VALIE EXPORT, Ingrid Wiener, Oswald Wiener B: Oswald Wiener
K: VALIE EXPORT, Ingrid Wiener, Robert Pammer, Bernhard Wallentin, Armin Paar,
Peter Kogler S: Kurt Studeny. AT, 1992, Video, Farbe, 45 min. Deutsch

Oswald Wiener –
»Tischbemerkungen November 1985.«
R: VALIE EXPORT K: Peter Roehsler, Moritz Gieselmann (16mm),
Ingrid Wiener, Oswald Wiener (Super-8), VALIE EXPORT (Video) S: Ewa Fichtel.
AT, 1985, Video, Farbe, 45 min. Deutsch
Beide Produktionen entstanden im Rahmen der legendären ORF-                      FREITAG
Kunst-Stücke. Das Unsagbare Sagen: Sprache unterstützt als ein                   17.12. / 18.30
Werkzeug des Denkens ganz wesentlich menschliche Ausdrucks-                       • Einführung
möglichkeiten. Was passiert allerdings, wenn diese Funktion krank-               von Brigitta
                                                                                 Burger-Utzer
heitsbedingt durch den Verlust des Sprechvermögens oder Sprach-
verständnisses – der Aphasie – durch Automatismen des Sprech-
apparates oder bewusste künstlerische Eingriffe außer Kraft gesetzt
wird? Oswald Wiener – »Tischbemerkungen November 1985.« kenn-
zeichnet eine eigenwillige Kadrierung, Wahl von Details und Schnitt-
folge. So beginnt der auf Video, 16mm und Super-8 gedrehte Film
sehr intim – Wiener beim Rasieren und beim Duschen – und verfolgt
den Protagonisten entlang seines Wirkungsbereiches in Wien, Berlin,
Island und seiner heutigen Wahlheimat Kanada. (D. S.)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 VALIE EXPORT                                                    12
10. DEZEMBER 2021

VALIE EXPORT Symposium
14.00–14.10 UHR • Begrüßung
Michael Loebenstein, Katharina Müller

14.15–15.00 UHR • Vortrag Gertrud Koch
Gertrud Koch (Film- und Kunsttheoretikerin) beschäftigt sich in
ihrem Vortrag mit VALIE EXPORT s Spielfilmen. Ihr Fokus liegt dabei
auf dem transformativen Modus von Spiel und Performance und der
internen Überschreitung generischer Formen.

15.15–16.00 UHR • Vortrag Sabeth Buchmann
Sabeth Buchmann (Kunsthistorikerin und -kritikerin, Professorin für
Kunstgeschichte der Moderne und Nachmoderne an der Akademie
der bildenden Künste Wien) beschäftigt sich in ihrem Vortrag mit
VALIE EXPORTs Performance-Arbeiten. Ausgangspunkt ist die Wahr-
nehmung des Körpers als Ort, Medium und Werkzeug sozio-techni-
scher und architektonisch-urbaner Infrastrukturen.

16.15–17.00 UHR • Vortrag Hedwig Saxenhuber
Hedwig Saxenhuber (Kuratorin und Mitherausgeberin von springerin
Hefte für Gegenwartskunst) nimmt in ihrem Vortrag VALIE EXPORTs
Bewegtbildinstallationen in den Blick.

17.15–17.45 UHR • Performance und Vortrag Ira Konyukhova
Ira Konyukhova (Künstlerin, Stipendiatin am VALIE EXPORT Center
Linz) beschäftigt sich mit Stimme und ihrer technischen Umsetzung
in der Künstlichen-Intelligenz-Technologie. Dabei nimmt sie Bezug
auf die späteren Arbeiten von VALIE EXPORT , die Stimme, ihre         Die Vorträge
Körperlichkeit sowie ihre sozio-ökonomische Signifikanz. In Perfor-    finden bei freiem
mance und Vortrag »Das Lied des Raubvogels« werden Möglich-           Eintritt statt,
                                                                      1 Euro Solidar-
keiten des Zusammenspiels zwischen Stimme, Technologie und            beitrag für die
Weiblichkeit ausgelotet.                                              Aktion Kulturpass

• Das Symposium findet in Anwesenheit von VALIE EXPORT statt.

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Symposium VALIE EXPORT                               13
The Golden Pixel Cooperative
»Re: Syntagma«
Syntagma VALIE EXPORT.
AT, 1984, 16 mm, Farbe, 18 min
das bin nicht ich, das ist ein bild
von mir Christiana Perschon.
AT, 2018, DCP, Farbe, 9 min
Artist statement Enar de Dios Rodríguez.
US, 2014, DCP, Farbe, 2 min
Palmus /Digitus Bárbara Palomino Ruiz.
ES, 2018, DCP, Farbe, 2 min                                                            Half of the Sky
Was ausgestellt wird Nathalie Koger. AT, 2011, DCP (von 16mm), sw, 6 min               (2020, The
                                                                                       Golden Pixel
Übungen zum Balanceakt Verena Dürr & Lisa Truttmann.                                   Cooperative)
AT, 2005–2021, DCP, sw, 3 min                                                          © MARLIES PÖSCHL,
                                                                                       BILDRECHT WIEN,
Turning into a tree Katharina Swoboda. AT/LT, 2014, DCP, sw, 2 min
                                                                                       2021
Doublage Iris Blauensteiner. AT, 2007, DCP, Farbe, 6 min
Atem Miae Son. DE, 2010, DCP, Farbe, 3 min
Simple Whistles Marlies Pöschl. FR/AT, 2020, DCP, Farbe, 11 min
Half of the Sky The Golden Pixel Cooperative. AT, 2020, DCP, Farbe, 12 min
Ausgehend von VALIE EXPORT s Film Syntagma (1984) besteht das FREITAG
Programm »Re: Syntagma« aus einer Reihe von (audiovisuellen) Ein- 10.12. / 19.30
heiten und performativen Übergängen. Diese konzeptionelle Organi-
sation des Programms – die sich auf den Film von EXPORT und die
Verbindungen zwischen den Filmen bezieht – zielt nicht nur darauf
ab, die vielfältigen künstlerischen Sprachen der Mitglieder von The
Golden Pixel Cooperative zu präsentieren, sondern auch eine be-
stimmte kollektive Äußerung zu konstruieren. Infolgedessen ist »Re:
Syntagma« die Artikulation einer Botschaft, die mit der Herstellung
von Bildern, der Präsenz von Körpern, dem Auftreten von Doppelun-
gen und dem Potenzial des Kollektivs experimentiert.
Text und Kuratierung: Enar de Dios Rodríguez und Nathalie Koger
Zum Auftakt: MALA SIRENA CHOIR / HOT TOPIC
MALA SIRENA versteht sich als queer-feministischer Konzeptchor, der sich (vor allem)
auf Popmusik bezieht. Er setzt auf Methoden des Medleys, der Montage, des Remixes.
Das Programm HOT TOPIC wurde speziell für VALIE EXPORT zusammengestellt.
www.mala-sirena.net

Kunstinstallation (Filmmusems-Foyer)
To Hand. A Projection for the Palm Olena Newkryta.
AT, 2017, Videoprojektion, Farbe, 7 min (Loop)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Symposium VALIE EXPORT                                                 14
26. NOVEMBER 2021 BIS 12. JÄNNER 2022

Billy Wilder

»Nobody’s perfect!«, lautet die gefeierte Schlusspointe seines Komö- Sunset Boule-
dien-Welterfolgs Some Like It Hot (1959) mit Marilyn Monroe, aber der vard (1950)
Weg zum Hollywood-Ruhm führte für Billy Wilder (1906–2002) über
Perfektionismus. Der als Samuel Wilder in Österreich-Ungarn gebo-
rene jüdische Autor-Regisseur floh vor den Nazis 1934 in die USA und
eignete sich sofort die Sprache des neuen Landes an, mit Gespür für
Redewendungen des Alltags, die er auf der Leinwand zu besonderen
Pointen formte – unzählige Oscar-Nominierungen sind der Beweis.
   Nachdem ihm der schreiberische Erfolg den Weg in den Regie-
stuhl geebnet hatte, arbeitete Wilder als Regisseur an der Perfektio-
nierung eines »unsichtbaren« Inszenierungstils, um das Geschrie-
bene (»80 % des Films« laut Wilders Credo) ideal auf die Leinwand zu
bringen. Mit außergewöhnlichem Gespür für Rhythmus und flüssige

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder                                           15
Konstruktion wurde der Emigrant Wilder so zu einem Traumfabrik-
Klassiker, der seinen satirischen europäischen Blick mühelos mit den
Anforderungen des US-Unterhaltungskinos verband. Seine drei wich-
tigsten Regeln fürs Filmemachen war die Verdreifachung eines Sat-
zes: »Du sollst nicht langweilen.«
   Dass Wilder dabei vor allem auch als Kritiker des American Way of
Life reüssieren konnte, lag nicht zuletzt daran, dass er Amerika ab-
grundtief liebte: Im Gegensatz zu vielen anderen Exilanten war für
ihn die Ankunft in den USA ein Einzug ins gelobte Land. Schon in sei-
nen Berliner Jahren, wo er als Filmautor mit Stoffen wie Menschen am
Sonntag (1929) oder Emil und die Detektive (1931) erste Erfolge
feierte, hatte er seine Amerikanophilie durch die Wahl des zunächst
als Billie geschriebenen Vornamens untermauert, und ging einen
Film wie Der Mann, der seinen Mörder sucht (1931) als »amerikanische
Groteske« an. Schon 1939 wurde Wilder US-Bürger und wie sein Idol
Ernst Lubitsch fand er als Emigrant in Hollywood die optimalen Mittel,
um seine oft komische Vision vom Kino umzusetzen.
   Doch obwohl man Wilder vorrangig mit seinem komödiantischen
Talent assoziiert – seine public persona als amüsanter Raconteur und
Schöpfer von zynischen Bonmots trug gewisslich dazu bei –, über-
zeugte er gleichermaßen im ernsten Fach: Sein kometenhafter Auf-
stieg als Regisseur in den 1940ern führte über den Noir Double In-
demnity (1944) und das Alkoholiker-Drama The Lost Weekend (1945)
zu Sunset Boulevard (1950), dem Nonplusultra der tragikomischen
Hollywood-Selbstkritik. Die dunklen Seiten seiner Weltsicht und seine
Abrechnungen mit gesellschaftlicher Doppelmoral sind dabei aber in
seinen Lustspielen oft noch schärfer ausformuliert, sei es der Coca-
Cola-Imperialismus im frenetischen Berlin-Gastspiel One, Two Three
(1961) oder der desolate Unterton seines Meisterwerks Kiss Me, Stupid
(1964), das damals als vulgäre Sexkomödie abgetan wurde.
   Dabei ist schon eine Abgeklärtheit zu spüren, die sich in den Höhe-
punkten von Wilders Spätwerk – The Private Life of Sherlock Holmes
(1970) oder Fedora (1978), einem bitteren Nachwort zu Sunset Boule-
vard – fortschreibt. Seine letzten Filme handelten buchstäblich von
der verlorenen Zeit: Auch wenn Wilder dabei selten an seine großen
Publikumserfolge anschließen konnte, zeigte er als Künstler jene
Reife, die ihm seine Kritiker manchmal abgesprochen hatten. Unsere
Auswahl aus seinem Werk versucht, alle Epochen dieses Entwick-
lungsprozesses abzubilden. (Christoph Huber)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder                               16
Some Like It Hot
R: Billy Wilder B: I. A. L. Diamond,
Billy Wilder nach einem Drehbuch
von Robert Thoeren und Michael
Logan K: Charles Lang Jr. S: Arthur
P. Schmidt M: Adolph Deutsch
D: Marilyn Monroe, Tony Curtis,
Jack Lemmon, George Raft,
Pat O’Brien. US, 1959, 35mm, sw,
120 min. Englisch mit dt. UT ★
Die denkbar perfekteste aller
perfekten Kinokomödien, dem
Schlusswort zum Trotz, das
die menschliche Natur unwiderlegbar auf den Punkt bringt. Keine                          FREITAG
Travestie, sondern der Exzess einer Travestie, Parodie plus Drama mit-                   26.11. / 18.30
eingeschlossen. Der Anlass ist mörderisch, desgleichen das Tempo,
das dem Wechseln der Kleider, Rollen und Geschlechter aufgenötigt                        DONNERSTAG
wird. Wir befinden uns im Jahr der Chicago-Blutbäder und MG-Salven                        30.12. / 21.00
aus Geburtstagstorten. Eine Maskerade jagt die nächste, ein Gag den
anderen, und doch ist alles an diesem Staffellauf der Höhepunkte ein-                    MITTWOCH
fach, solide und evident konstruiert wie eine Moccamaschine oder                         12.1. / 18.30
ein Fallbeil. (H. T.)

Sunset Boulevard
R: Billy Wilder B: Billy Wilder, Charles Brackett, D. M. Marshman Jr. K: John F. Seitz
S: Arthur P. Schmidt M: Franz Waxman D: Gloria Swanson, William Holden,
Erich von Stroheim, Cecil B. DeMille, Buster Keaton. US, 1950, 35mm, sw, 110 min.
Englisch ★
Die Qualitäten dieses Meisterwerks rühmen, hieße offene Türen ein-                       SAMSTAG
rennen und Eulen nach Athen tragen. Es genügt der Hinweis, dass                          27.11. / 18.30
Wilder folgende Unglaublichkeit gelingt: Sunset Boulevard ist ein
Film noir, ein nocturnes Melodram, eine düstere Groteske, eine Etüde                     FREITAG
in schwarzem Humor, ein romantischer Horrorfilm, eine Tragödie, ein                       3.12. / 21.00
Autorenfilm, Hollywoods bestes Schlüsselwerk über Hollywood und
in all dem geschlossen, einheitlich, intensiv, bewegend – ein Film voll                  MITTWOCH
Witz, Mitleid und Schrecken. (H. T.)                                                     29.12. / 21.00
Herzlichen Dank an Virgil Widrich, der im Rahmen des Projekts Filmpatenschaft den
Erwerb dieses Films für die Sammlung des Filmmuseums ermöglicht hat.

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder                                                               17
Der Mann, der
                                                                           seinen Mörder
                                                                           sucht (1931)

Der Mann, der seinen Mörder sucht
R: Robert Siodmak B: Ludwig Hirschfeld, Kurt Siodmak, Billie Wilder nach
Jim, der Mann mit der Narbe von Ernst Neubach K: Konstantin Tschet
S: Victor Gertler M: Friedrich Hollaender D: Heinz Rühmann, Lien Deyers,
Friedrich Hollaender. DE, 1931, 35mm, sw, 54 min. Deutsch
DANACH: Die Todesmühlen Hanuš Burger & Billy Wilder.
DE, 1945, 35mm, sw, 22 min. Deutsch
Der Schuldner Hans Herfort plant zögerlich den Selbstmord, wird            MONTAG
aber von einem Einbrecher gestört, woraufhin sich sein Leben schlag-       29.11. / 18.30
artig zum Besseren wandelt … Der Mann, der seinen Mörder sucht ist
eine Krimikomödie, deren Sujet von Hollywood bis Aki Kaurismäki va-        MITTWOCH
riiert wurd, aber nie wieder so flott wie in der deutschen Erst-            5.1. / 18.30
umsetzung durch die baldigen Emigranten Robert Siodmak (stim-
mungsvolle Regie) und Billie Wilder (gewitztes Drehbuch). Die Nazis         • Zwischen den
lassen den Film 1937 verbieten, es überlebt nur ein Fragment, dem je-      Filmen einfüh-
                                                                           rendes Gespräch
doch nicht anzumerken ist, dass der Film ursprünglich 98 Minuten           zu Die Todes-
lang war. Wilder, der seine Familie in den Konzentrationslagern ver-       mühlen und dem
loren hat, kehrt nach dem Krieg zurück, um am außerordentlichen            Projekt Visual
                                                                           History of the
Holocaust-Dokument Die Todesmühlen mitzuarbeiten. (C. H.)                  Holocaust.

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder                                                18
Double Indemnity
R: Billy Wilder B: Raymond Chandler, Billy Wilder nach dem Roman von
James M. Cain K: John F. Seitz S: Doane Harrison M: Miklós Rózsa, César Franck,
Franz Schubert D: Fred MacMurray, Barbara Stanwyck, Edward G. Robinson.
US, 1944, 35mm, sw, 107 min. Englisch mit dt. UT ★
Los Angeles. Sterbend und schwarzweiß gegittert vom Schatten                      MONTAG
der Jalousie greift Fred MacMurray im nächtlich leeren Büro zum                   29.11. / 21.00
Diktaphon. »I didn’t get the money and I didn’t get the woman.
I remember …« Der Film ein Geständnis: Erinnerung ohne Hoffnung.                  MITTWOCH
Auch ein Film zum Tode; mit den Flashbacks verrinnen Blut und                     29.12. / 18.30
Lebensfrist des Helden. Unter allen Exkursionen über Eros und Ver-
brechen, die der Film noir unternimmt, ist Double Indemnity die aus-
wegloseste Reise hinab zu den Abgründen. Als Antithese der Beginn,
eine Verführung, die nach Geißblatt duftet. »Murder can sometimes
smell like honeysuckle«, sagt müde die Stimme des Erzählers. Double
Indemnity überführt diesen Geruch von Begehren und Ruchlosigkeit,
Verwirrung und Verhängnis furios in die Schatten-, Licht- und Zei-
chensprache des Film noir. Wie in einem Alptraum, in dem alles ver-
geblich sein wird, leitet der Weg von Falle zu Falle aus dem Gefilde
des Alltags in die Todeszelle. (H. T.)

Emil und die Detektive
R: Gerhard Lamprecht B: Billie Wilder nach dem Roman von Erich Kästner
K: Werner Brandes M: Allan Gray D: Käthe Haack, Rolf Wenkhaus, Fritz Rasp,
Rudolf Biebrach, Olga Engl. DE, 1931, 35mm, sw, 72 min. Deutsch
Emil wird zur Oma nach Berlin geschickt: Im Zug trifft er einen merk-             SAMSTAG
würdigen Mann namens Grundeis, dessen Süßigkeiten Emil ins Reich                  4.12. / 18.30
der Träume schicken. Als der Bub am Bahnhof erwacht, ist sein Geld
weg. In der fremden Großstadt macht sich Emil auf die Jagd nach dem               DONNERSTAG
Dieb, die aussichtslos scheint – bis er neue Freunde findet. Gustav mit            30.12. / 18.30
der Hupe und seine Kinderbande spielen Detektive und treiben den
Schurken in die Enge. Mit Empathie und Bewegungslust inszenierte
Gerhard Lamprecht diesen alterslosen Klassiker nach Erich Kästner, ein
Bindeglied zwischen Menschen am Sonntag und Fritz Langs M, das den
halbdokumentarischen Blick auf das Berlin von 1931 mit einer kineti-
schen Energie kombiniert, die US-Krimivorbildern nicht nachsteht.
Billie Wilder schrieb das schlaue Drehbuch nach dem Scheitern der Zu-
sammenarbeit von Emeric Pressburger und Kästner – der als Zeitungs-
leser in der Straßenbahn nach Emils Berlin-Ankunft zu sehen ist. (C. H.)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder                                                        19
The Lost Weekend
R: Billy Wilder B: Charles Brackett, Billy Wilder K: John F. Seitz S: Doane Harrison
M: Miklós Rózsa D: Ray Milland, Jane Wyman, Phillip Terry, Howard Da Silva,
Doris Dowling, Frank Faylen. US, 1945, 35mm, sw, 101 min. Englisch ★
Ein Weekend in der Hölle oder zwei Tage aus dem Leben eines Trin-                      SAMSTAG
kers. Flackernd wechseln Irritation und Qual auf Ray Millands Miene.                   4.12. / 21.00
Die Suche nach einem Pfandleiher (um die Schreibmaschine in Geld
umzusetzen und dieses in Schnaps) verläuft auf der vom Sonntag                         MONTAG
(und von Jom Kippur) entleerten Third Avenue im Labyrinth, und die                     3.1. / 18.30
Pein des Entzugs mündet in einem von delirischen Wahnbildern um-
spülten Kollaps. Unter allen Trinkerfilmen gebührt The Lost Weekend
die Krone. Statt Abziehbildern der Wahrscheinlichkeit eine phantasti-
sche Kinoerfindung, geleitet von der abstrakten wie unerbittlichen
Logik des Traums. (H. T.)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder                                                             20
Menschen am Sonntag
R: Edgar G. Ulmer, Robert Siodmak B: Robert Siodmak, Edgar G. Ulmer,
Billie Wilder, Fred Zinnemann nach einer Idee von Curt Siodmak K: Eugen
Schüfftan S: Robert Siodmak D: Erwin Splettstößer, Brigitte Borchert,
Wolfgang von Waltershausen. DE, 1930, 35mm, sw, ca. 74 min. Deutsche ZT
Eine Gruppe junger Männer, die nach
ihrer Emigration allesamt Großes in Hol-
lywood leisten würden, erfand mit dem
letzten »großen« (eigentlich aber be-
wusst sehr kleinen) deutschen Stumm-
film gewissermaßen die Nouvelle Vague
avant la lettre. Vier junge Menschen
beim Sonntagsausflug an den Wannsee,
voller lyrischer und komischer Details:
Aus der Großstadtsymphonie, aus dem
Rhythmus der Masse schälen sich die in-
dividuellen Schicksale in ihrer schlichten Schönheit heraus. Menschen MONTAG
am Sonntag, von Eugen Schüfftan bestechend fotografiert, ist ein Film, 6.12. / 18.30
der mit seiner Spontaneität wirbt (»ein Film ohne Schauspieler«, schwin-
delt stolz der erste Titel, wo er doch nur Laiendarsteller meint) und in
seinem unprätentiösen Charme Recht behält: Es genügt ihm, mit der
Wärme eines neugierig auf der Haut kitzelnden Sonnenstrahls jenes
banale Wunder zu feiern, das man gemeinhin Leben nennt. (C. H.)

Five Graves to Cairo
R: Billy Wilder B: Charles Brackett, Billy Wilder nach Hotel Imperial von
Lajos Bíró K: John F. Seitz S: Doane Harrison M: Miklós Rózsa D: Franchot Tone,
Erich von Stroheim, Anne Baxter. US, 1943, DCP (von 35mm), sw, 96 min.
Englisch ★
Während die Schlacht um Nordafrika noch tobt, extemporiert Five                   MONTAG
Graves to Cairo über die Ereignisse, als wäre die Front fern wie die              6.12. / 21.00
Anabasis. Wilder hält sich ans Gerüst eines Stücks namens Hotel
Imperial von Lajos Bíró und leistet sich die Kleinigkeit, Lemberg in die          SAMSTAG
libysche Wüste und 1916 in jenen Juni 1942 zu verwandeln, in dem                  8.1. / 18.30
die Deutschen nach dem Fall Tobruks die britische achte Armee auf
Alexandria zujagen. Ein Kinokammerspiel à la Key Largo um Mut, Ver-
rat, Loyalität in einem Sahara-Hotel. Stroheim (neben Lubitsch einer
von Wilders Regiegöttern) spielt Rommel, von dem 1943 in Holly-
wood niemand weiß, wie er eigentlich aussieht. (H. T.)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder                                                        21
Ace in the Hole
R: Billy Wilder B: Walter Newman, Lesser Samuels, Billy Wilder K: Charles Lang Jr.
S: Doane Harrison, Arthur Schmidt M: Hugo Friedhofer D: Kirk Douglas,
Jan Sterling. US, 1951, DCP (von 35mm), sw, 111 min. Englisch ★
Der ehrgeizige Reporter Chuck Tatum (Kirk Douglas) hat sich durch                    MITTWOCH
seine Egozentrik und Rücksichtslosigkeit die Karriere verbaut und ist                8.12. / 18.30
bei einem Provinzblatt gestrandet. Als er von einem verschütteten
Mann in einer nahen Höhle hört, wittert er den Ausweg aus der Frus-                  DONNERSTAG
tration und sein Comeback durch eine Sensations-Reportage. Was                       6.1. / 21.00
heißt, dass er die Bergungsarbeiten verzögert, um die Geschichte aus-
zuschlachten und sich selbst zum heldenhaften Retter zu stilisieren.
Der Plan geht auf: Unter stetem Zustrom von Schaulustigen entsteht
rund um die Unfallstelle ein regelrechter Rummelplatz. Damals einer
von Wilders schmerzhaftesten Flops, inzwischen allerdings längst als
eine seiner stärksten Arbeiten rehabilitiert. Bei seiner scharfen Ab-
rechnung mit Boulevardpresse, Gier und Ruhmsucht hätte er dem
Publikum die bittere Wahrheit zu schonungslos serviert, sagt Wilder
selbst und beschließt, seine Kritik fortan subtiler zu schmuggeln. (C. H.)

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Stalag 17
R: Billy Wilder B: Edwin Blum, Billy Wilder nach dem Stück von Donald Bevan
und Edmund Trzcinski K: Ernest Laszlo S: George Tomasini M: Franz Waxman
D: William Holden, Don Taylor, Otto Preminger. US, 1953, DCP (von 35mm),
sw, 120 min. Englisch ★
»Irgendwo an der Donau«, knapp vor Weihnachten 1944: Im Stalag 17             MITTWOCH
– einem deutschen Gefangenenlager für US-Soldaten – scheitert ein             8.12. / 21.00
weiterer Fluchtversuch. Die Amerikaner vermuten, dass es in den
eigenen Reihen einen Verräter gibt. Hauptverdächtiger ist der Einzel-         DONNERSTAG
gänger Sefton (William Holden), der cleveren Schwarzmarkthandel               6.1. / 18.30
treibt, auch mit den deutschen Wachen. Als sich Wilder das später in
Weltkriegsfilmen (und TV-Serien) so populäre Gefangenenlager-
Sujet mit typischer Gewandtheit als doppelbödiges moralisches
Spannungsstück mit galliger Komik aneignete, galt es als Kassengift.
Bei Paramount lag Stalag 17 nach dem Dreh ein Jahr auf Eis, im
deutschen Sprachraum wurde der Film von der Freiwilligen Selbst-
kontrolle wegen »einseitig negativer Darstellung der deutschen
Wachmannschaften« sieben Jahre unter Verschluss gehalten. Als
Lagerkommandant brilliert dabei übrigens ein prominenter Kollege
von Wilder: Exil-Regiegenie Otto Preminger. (C. H.)

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Kiss Me, Stupid
R: Billy Wilder B: I. A. L. Diamond, Billy Wilder nach dem Stück L’ora della fantasia
von Anna Bonacci K: Joseph LaShelle S: Daniel Mandell M: André Previn
D: Dean Martin, Kim Novak, Ray Walston, Cliff Osmond, Felicia Farr, Skip Ward.
US, 1964, 35mm, sw, 126 min. Englisch mit dt. UT ★
Home sweet home. Kiss Me, Stupid ist eine von Billy Wilders und I. A. L.                DONNERSTAG
Diamonds grimmigsten Satiren, die sich 1964 annähernd ganz Ame-                         9.12. / 21.00
rika zum Feind macht – zumindest jenen Teil, der noch gesund, ehr-
bar und amerikanisch ist. Um erfolgreich zu sein, funktioniert der                      SAMSTAG
Tüchtige auf dem Weg nach oben sein Haus in ein Bordell und seine                       1.1. / 21.00
Frau in eine Prostituierte um. Die Moral des Films ist kurz, verletzend
wie ein Stachel, wortwörtlich gemeint und durch und durch unmora-
lisch. (»›Tender gums‹. That’s a hell of a thing to say to a married
woman.«) Dass solch ein Film sich nicht bezahlt mache, dafür tragen
die Legion of Decency und Frauenvereine 1964 Sorge. US-Stadt für
US-Stadt vermeldet mit Stolz, von Kiss Me, Stupid befreit zu sein. (H. T.)

A Foreign Affair
R: Billy Wilder B: Billy Wilder, Charles Brackett, Richard Breen K: Charles Lang Jr.
S: Doane Harrison M: Frederick Hollander D: Marlene Dietrich, Jean Arthur,
John Lund. US, 1948, DCP (von 35mm), sw, 116 min. Englisch ★
»Moralische Malaria!«, diagnostiziert die republikanische Kongress-                     SAMSTAG
abgeordnete Phoebe Frost (Jean Arthur), als sie im zerstörten Nach-                     18.12. / 18.30
kriegsberlin ankommt, um dem Sittenverfall der US-Besatzungs-
truppen Einhalt zu gebieten. Ihre Widersacherin findet sie in der                        FREITAG
Nachtklubsängerin Erika von Schlütow (Marlene Dietrich), ehemalige                      7.1. / 21.00
Nazi-Geliebte und Schwarzmarktprofiteurin dank jenes Verbindungs-
offiziers, den Phoebe für ihren Alliierten hält. 1945 kam Billy Wilder als
Propagandabeauftragter nach Deutschland zurück, aus seinen Erfah-
rungen speist sich diese schwarze Komödie über vermeintliche (Un-)
Moral und organsierte Korruption zwischen deutschem Elend und
doppelmoralischen US-»Befreiern«: ein Terrain, auf dem später Fass-
binder-Meldoramen gedeihen. Marlene lässt Wilder vom alten Mit-
streiter (Der Mann, der seinen Mörder sucht) Friedrich Holländer
Schwarzmarktlieder auf den Leib schreiben und persönlich am Klavier
begleiten. Bei seinem nächsten Berlin-Besuch One, Two, Three ver-
zichtet Wilder dann auch noch aufs romantische Zwischenspiel. (C. H.)

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Witness for the Prosecution
R: Billy Wilder B: Harry Kurnitz, Billy Wilder nach dem Stück von Agatha Christie
K: Russell Harlan S: Daniel Mandell M: Matty Malneck D: Tyrone Power, Marlene
Dietrich, Charles Laughton, Elsa Lanchester. US, 1958, 35mm, sw, 115 min. Englisch ★
Der bekannte Londoner Strafverteidiger Sir Wilfrid Robarts (Charles                    SAMSTAG
Laughton) übernimmt nach einem Herzinfarkt einen scheinbar aus-                        18.12. / 21.00
sichtslosen Fall: Die Beweislage gegen einen mutmaßlichen Witwen-
mörder scheint erdrückend, doch im Verlauf eines sensationellen Jus-                   FREITAG
tizprozesses kommt es zu einer Reihe spektakulärer Offenbarungen.                      7.1. / 18.30
Dame Agatha Christie nannte Witness for the Prosecution die einzige
Verfilmung einer ihrer Arbeiten, die das Original übertroffen habe.
Als Inszenator eines Gerichtsfilms kann Billy Wilder tatsächlich zu
absoluter Höchstform auflaufen. Es braucht sein spezielles Flair für
Timing, penible Konstruktion und Schauspielerarbeit. Den Superstar-
Auftritt hat Marlene Dietrich, aber unschlagbar bleibt natürlich das
Traumpaar (Elsa) Lanchester & (Charles) Laughton, letzterer Schnaps
im Spazierstock schmuggelnd und auch sonst dem spannenden
Drama gern perfekte Pointen aufsetzend, very british, of course. (C.H.)

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The Apartment
R: Billy Wilder B: Billy Wilder, I. A. L. Diamond K: Joseph LaShelle S: Daniel
Mandell M: Adolph Deutsch D: Jack Lemmon, Shirley MacLaine, Fred MacMurray,
Ray Walston, Jack Kruschen. US, 1960, 35mm, sw, 125 min. Englisch mit dt. UT ★
The Apartment lebt von der schlüssig-
sten Durchdringung jener Gegensätze
in Billy Wilders Werk, die Andrew Sarris
als »a mixture of cynicism and romanti-
cism« beschreibt. Eine Mixtur, die für
prekäre wie brillante Zerreißproben
sorgt. Die Widersprüche finden sich in
dieser wahrhaft verzweifelt traurigen
Komödie über die Welt der Büroange-
stellten bis zum Limit getrieben. These:
Keiner, der sich nicht als Ratte oder Wolf
entpuppt im nationalen Sport der Jagd zur Chefetage empor. In The DONNERSTAG
Apartment feiern die Kontrahenten Starkino und Autorenfilm, Enga- 23.12. / 18.30
gement und Entertainment spannungsgeladen Versöhnung. Billy
Wilder: »Ein Film, der nicht unterhält, bewirkt nichts.« (H. T.)  SAMSTAG
                                                                                 8.1. / 21.00
The Fortune Cookie
R: Billy Wilder B: I. A. L. Diamond, Billy Wilder K: Joseph LaShelle
S: Daniel Mandell M: Andre Previn D: Jack Lemmon, Walter Matthau.
US, 1966, 35mm, sw, 125 min. Englisch mit dt. UT ★
Kameramann Harry Hinkle wird bei einer Football-Live-Übertragung                 MONTAG
vom bärenstarken, aber herzensguten Spieler »Boom Boom« Jackson                  27.12. / 18.30
über den Haufen gerannt. Sein Schwager Willie Gingrich, ein skrupel-
loser Winkeladvokat, überredet den widerwilligen Biedermann Harry,               MONTAG
teilweise Lähmung vorzutäuschen und stellt eine Schadenersatz-Milli-             3.1. / 21.00
onenklage. Die Versicherungsgesellschaft schickt einen hartnäckigen
Detektiv … Der letzte Film von Wilders Sixties-Komödienquartett im
seltenen Schwarzweiß-Breitwandformat, eine publikumsfreundlicher
abgemischte Proto-Sitcom-Weiterführung von Ace in the Hole: die
Rückseite des Amerikanischen (Erfolgs-)Traums – Geldgier, Korrup-
tion, Lügen, Betrug, Eitelkeit. Wo Frank Capras Magie darauf basiert,
die USA zu zeigen, wie sie gern wäre, ist Wilders Rezept der Blick auf
die Wirklichkeit. Zudem Geburtsstunde einer Partnerschaft, die Kino-
geschichte schreiben wird: Jack Lemmon und Walter Matthau, der als
Berufsschwindler Willie einen titanischen Auftritt hinlegt. (C. H.)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder                                                      26
One, Two, Three
R: Billy Wilder B: Billy Wilder, I. A. L. Diamond nach Egy, kettő, három von
Ferenc Molnár K: Daniel L. Fapp S: Daniel Mandell M: André Previn
D: James Cagney, Horst Buchholz, Pamela Tiffin, Leon Askin, Liselotte Pulver.
US, 1961, 35mm, sw, 108 min. Englisch mit dt. UT ★
Billy Wilders schnellster Film, eine in Höchstgeschwindigkeit vorange-          MONTAG
peitschte Satire, das halsbrecherische Tempo vorgegeben durch die               27.12. / 21.00
Maschinengewehrdialogsalven von James Cagney, der hier als Leiter
der Westberliner Coca-Cola-Filiale von Ost-Expansion träumt – just da           MITTWOCH
verliebt sich die Chef-Tochter in einen jungen Hardliner-Kommunis-              5.1. / 21.00
ten (Horst Buchholz). Eine provozierend aggressive Ost-West-Kalte-
Kriegs-Klamotte, gedreht in Berlin knapp vor dem Mauerbau. (Da die
Mauer vor dem Film fertig wurde, war sein kommerzielles Schicksal
beim Erscheinen besiegelt.) Das Bildformat (schwarzweißes Cine-
maScope) ist seriös, der Rest des Films gellend, schräg, grell, verzerrt,
zotig, ein Galopp in hinreißend schlechtem Geschmack, bestückt mit
Knallköpfen und Klischees. Schläge nach ringsum, immer unter die
Gürtellinie und haarscharf ins Schwarze. (C. H. / H. T.)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder                                                     27
Love in the Afternoon
R: Billy Wilder B: I. A. L. Diamond, Billy Wilder nach Ariane, jeune fille russe von
Claude Anet K: William Mellor S: Leonid Azar M: Franz Waxman D: Gary Cooper,
Audrey Hepburn, Maurice Chevalier. US, 1957, DCP (von 35mm), sw, 130 min.
Englisch ★
Audrey Hepburn als Unschuldsengel Ariane, die als femme fatale po-                    DIENSTAG
siert, um den reichen Amerikaner Frank Flanagan (Gary Cooper) an-                     28.12. / 18.30
zusprechen, der von ihrem Detektiv-Papa (Maurice Chevalier) obser-
viert wird. »Wie hätte es Lubitsch gemacht?«, stand auf einem Zettel                  MONTAG
über Billy Wilders Schreibtisch; im Lauf seiner Karriere versuchte er                 10.1. / 18.30
mehrfach, dessen vielzitierten Lubitsch touch in Wilder-Witz zu über-
setzen. Für Love in the Afternoon dreht Wilder sogar in Paris, durch
Lubitsch als Traumstadt des Hollywood-Liebeslustspiels mitetabliert
– gleichzeitig greift er auf eigene Erfahrungen zurück: 1932 hat Wilder
für die deutsche Komödie Scampolo das Drehbuch zu einem verblüf-
fend ähnlichen Sujet mitverfasst. Diesmal wählt er als Schreib-Partner
den rumänischen Immigranten I. A. L. Diamond, der im Folgenden für
Wilder als Ko-Autor ebenso wichtig wird wie Charles Brackett in seinen
ersten beiden Hollywood-Dekaden: a match made in heaven. (C. H.)

The Private Life of Sherlock Holmes
R: Billy Wilder B: I. A. L. Diamond, Billy Wilder frei nach Sir Arthur Conan Doyle
K: Christopher Challis S: Ernest Walter M: Miklós Rózsa D: Robert Stephens,
Colin Blakely, Christopher Lee, Genevieve Page. US, 1970, 35mm, Farbe, 125 min.
Englisch ★
Eine Art »Unvollendete«, dabei Billy Wilders schönster Film und einer                 DIENSTAG
der besten Sherlock-Holmes-Filme. Der bekennende Holmesianer                          28.12. / 21.00
Wilder konnte nach wiederholten Anläufen Sir Arthur Conan Doyles
großen Meisterdetektiv auf die Leinwand bringen. Statt direkter                       MONTAG
Adaption: eine Fantasie über Holmes in mehreren Episoden. Nach-                       10.1. / 21.00
dem der Rohschnitt als zu unkommerziell eingestuft wurde, blieben                      • Einführung
nur zwei Abenteuer übrig: Im ersten muss Holmes dem unorthodo-                        von Michael
                                                                                      Omasta
xen Kinderwunsch einer russischen Ballerina entkommen, im zweiten
führt ihn eine schöne Belgierin nach Loch Ness, wo das Monster, eine
Gruppe Zwerge und der Schatten des heranziehenden Ersten Welt-
kriegs warten. Und gerade weil die Dramaturgie diesmal nicht so per-
fekt geschmiert ist, erreicht Wilder einzigartige Eleganz und sanft sur-
reale Magritte-Poesie, lässt seinen Witz verhalten ironisch funkeln und
altersweise Melancholie spüren: Holmes, c’est moi. (C. H.)

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder                                                            28
DEUTSCHE KINEMATHEK

                                                                                                       The Private
                                                                                                       Life of Sherlock
                                                                                                       Holmes (1970)

                      Fedora
                      R: Billy Wilder B: I.A.L. Diamond, Billy Wilder nach der Novelle von Tom Tryon
                      K: Gerry Fisher S: Frederic Steinkamp, Stefan Arnsten M: Miklós Rózsa
                      D: Marthe Keller, William Holden, Hildegard Knef, Henry Fonda.
                      DE/FR, 1979, 35mm, Farbe, 116 min. Englisch ★
                      Der unabhängige Filmproduzent »Dutch« Detweiler (William Hol-                    SAMSTAG
                      den) reist zum Begräbnis des mythischen Filmstars Fedora (Marthe                 1.1. / 18.30
                      Keller), die sich am Gipfel ihres Ruhms zurückgezogen hatte. Kurz
                      davor hatte Dutch sie für ein Filmprojekt besucht und verblüfft fest-            MITTWOCH
                      gestellt, dass sie als 67-jährige noch immer das Ebenbild der jungen             12.1. / 21.00
                      Schönheit war, die er 1947 kennen- und lieben lernte. Seine Nachfor-
                      schungen über ihre mysteriösen Lebensumstände offenbaren eine
                      verstörende Wahrheit. Doch der »Wahrheit« ist bei Wilder nie zu
                      trauen, schon gar nicht, wenn es um die Lügen der Traumfabrik Kino
                      geht: Fedora ist Fortführung von Sunset Boulevard, nur dass selbst
                      der Glamour der goldenen Studio-Ära schon unter die Räder von
                      New Hollywood geraten ist, ein Opfer der in Rückblenden-Kaskaden
                      beschworenen Unerbittlichkeit der Zeit, wie die vermeintliche Göttin
                      Fedora. Wilders letzter großer Film und wie seine anderen allerbesten
                      – insbesondere Kiss Me, Stupid und The Private Life of Sherlock
                      Holmes – beim Erscheinen kaum geliebt. (C. H.)

                      NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Billy Wilder                                                       29
26. BIS 28. NOVEMBER 2021

Punto y Raya Festival 2021
Abstract Art in Motion

Punto y Raya ist eine internationale Plattform, die sich der Förderung, Field Notes from
Bildung und Produktion von audiovisueller Kunst in ihrem reinsten         a Mine (2012,
                                                                          Martijn van
Zustand widmet: Form, Farbe, Bewegung und Klang, ohne repräsen-           Boven, links)
tative Darstellungen in Bild und Ton! Der Geist von Cinéma pur und        Darkroom (2014,
                                                                          Billy Roisz)
Absolute Film, der in den 1920er Jahren von der europäischen Avant-
garde formuliert worden war, soll wiederentdeckt und in seinen vie-
len verschiedenen Ausprägungen gefördert werden. So soll diese
einzigartige Kunstform als Schnittstelle zwischen Bildender Kunst
und Medien einen fixen Platz einnehmen.
   Das Projekt wurde 2007 vom gemeinnützigen Verein MAD in
Barcelona mit dem ersten Punto y Raya Festival ins Leben gerufen.
Seither findet es regelmäßig in wichtigen Institutionen für zeitgenös-
sische Kunst und neue Technologien in verschiedenen Ländern statt.
   Mit seiner 7. Ausgabe ist das Punto y Raya Festival in Wien zu Gast
(eine Koproduktion von MAD und Mutual Loop) und findet von 25. bis
28. November im Blickle Kino, Künstlerhaus und dem Österreichi-
schen Filmmuseum statt, ist Treffpunkt für Künstler*innen und Publi-
kum und bietet neben einem umfangreichen Filmprogramm auch
Live Performances, ein Kinderprogramm und eine Ausstellung. (Noel
Palazzo)
www.puntoyrayafestival.com/de/fest

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Punto y Raya                                           30
From Reality into Abstraction:
Dutch works from the LIMA Collection
Forest Paths Michiel van Bakel. NL, 2017, DCP, sw, 3 min
#67 Joost Rekveld. NL, 2017, DCP, sw, 17 min
Grid Corrections Gerco de Ruijter & Michel Banabila. NL, 2016, DCP, Farbe, 2 min
Field Notes from a Mine Martijn van Boven. NL, 2012, DCP, Farbe, 20 min
Liquid Landscape Nan Wang. NL, 2018, DCP, Farbe, 11 min
Zu Hanne Darboven / Abschliessend Thomas Mohr. NL, 2014, DCP, Farbe, 8 min
Paranon Zeno van den Broek. NL, 2018, DCP, sw, 15 min
Diese Arbeiten aus der Sammlung der Medienkunst-Plattform LIMA FREITAG
verwandeln eine bestehende Realität in etwas anderes: neue Sicht- 26.11. / 12.00
weisen auf eine mehr oder weniger abstrahierte Realität. Van Bakel
nutzt eine selbstgebaute Scanner-Kamera um die Grenzen der
menschlichen Wahrnehmung auszuloten. Rekveld hat einen Apparat
entwickelt, um die elektromagnetische Welt zwischen Mensch und
Maschine sichtbar und hörbar zu machen. De Ruiters Arbeit wirkt wie
eine Serie von abstrakten Gemälden, die auf den Unzulänglichkeiten
von Google Maps basieren. Van Boven stellt sich die Pilgerrouten als
eine imaginäre digitale Landschaft vor. Nan Wang erschafft analoge
Landschaften, indem er Seifenblasen auf einen 16mm-Filmstreifen
sprüht. Mohr arrangiert Fotografien von Hanne Darbovens Werk neu.
Van den Broek erzeugt Interferenzen in Bild und Ton für seine sich
überlagernden Sinuswellen, Gitter und Linien. Die Welt, wie wir sie
kennen, aber anders gesehen. (T. Z.)

Who’s afraid of Colors? Die Arbeiten von Billy Roisz
Filmprogramm und Masterclass
Darkroom Billy Roisz. AT, 2014, DCP, Farbe, 13 min
Smokfraqs Billy Roisz & Dieter Kovačič. AT, 2001, DCP, Farbe, 4 min
STYX Billy Roisz. AT, 2019, DCP, Farbe, 7 min
brRRMMMWHEee II Billy Roisz. AT, 2010, DCP, Farbe, 5 min
Close your Eyes Billy Roisz. AT, 2009, DCP, Farbe, 13 min
Paris Billy Roisz. AT, 2017, DCP, Farbe, 4 min
Who’s Afraid of RGB Billy Roisz. AT, 2019, DCP, Farbe, 8 min
Surge Billy Roisz & Dieter Kovačič. AT, 2019, DCP, Farbe, 5 min
Billy Roisz ist eine der profiliertesten Protagonist*innen der österrei-            SAMSTAG
chischen experimentellen Szene. Besonders bemerkenswert ist ihre                   27.11. / 10.00
Methode, experimentelle Musik in visuelle Erinnerungsbilder zu über-                • In Anwesen-
setzen, die Anleihen bei Minimal Art und Konzeptkunst erkennen las-                heit von Billy Roisz

NOVEMBER 2021 BIS JÄNNER 2022 Punto y Raya                                                          31
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