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vm Ve r b a nd s M a g a z i n Themen, Trends und Fakten der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft – VdW Rheinland Westfalen #4 2021 36 JETZT ANMELDEN! VDW-FORUM WOHNUNGSWIRTSCHAFT AM 22. JUNI 2021 16 BESCHLEUNIGTER AUSBAU: GEBÄUDE-ELEKTROMOBILITÄTSINFRASTRUKTUR-GESETZ (GEIG) IST IN KRAFT GETRETEN 4 SCHWERPUNKT – KLIMAZIELE IM WOHNGEBÄUDESEKTOR Auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand
EDITORIAL 1 Klimaschutz als gesellschaftliche Herausforderung unter neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen I m Zusammenhang mit klimaschonen- Ebenfalls bleibt abzuwarten, wie sich die dem Bauen und Wirtschaften gibt es eine neue EEG 2021 auf die Verwendung und das Vielzahl neuer Gesetze und Vorschriften Angebot auf den Mieterstrom nun auswirkt. auf nationaler Ebene, wie das Gebäudeener- Der seit Juli 2017 im EEG eingeführte Mie- giegesetz (GEG), die Änderung des Brenn- terstromzuschlag hat die erhoffte Wirkung stoffemissionshandelsgesetzes zur Einfüh- aufgrund bürokratischer, steuerlicher sowie rung einer CO2-Bepreisung für Wärme und technischer Hindernisse jedenfalls nicht Verkehr, die Novellierung des Erneuerbare- gezeigt. Wir bei der WBG arbeiten zurzeit mit Energien-Gesetzes (EEG) sowie das Gebäu- Juristen an einer praktikablen Lösung. de-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG). Hier wird es zu unterschiedlichen Eine sehr interessante Möglichkeit ist – trotz Einflüssen und Auswirkungen auf technische hoher energetischer Verluste – Solarstrom Innovationen und Konzepte auch unter Be- durch Elektrolyse („power 2 gas“) in Was- rücksichtigung der Vielzahl von Fördermög- serstoff als Energiespeichermedium um- lichkeiten kommen. zuwandeln. Dieser klimaneutral erzeugte Wasserstoff kann gespeichert werden und Für die Wohnungswirtschaft dürften in die- in einem Blockkraftheizwerk zur Erzeugung Quelle: Roland Baege/VdW Rheinland Westfalen sem Zusammenhang refinanzierbare Inves- von Wärme und Strom ebenso wie für eine titionskosten bei maximaler Reduzierung der Kfz-Wasserstofftankstelle verwendet wer- „Der Klimawandel CO2-Emissionen wichtig sein. Von besonde- den. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, Gas betrifft Mieter und Ver- rer Bedeutung ist für Mieter und Wohnungs- ins Erdgasnetz einzuspeisen. unternehmen die diskutierte Aufteilung der mieter gleichermaßen“ CO2-Bepreisung. Zu erwarten ist, dass die Zu hoffen bleibt, dass bei der Vielzahl der derzeit komplett von den Mietern übernom- Möglichkeiten beim Einsatz erneuerbarer menen Mehrkosten der CO 2-Bepreisung Energien sehr zügig die richtigen Konzepte zukünftig in Teilen auch auf den Vermieter gefunden werden, um die gesteckten und übertragen werden. Ein Hinweis hierauf fin- dringend erforderlichen Klimaziele auch zu det sich im Klimaschutzprogramm 2030 der erreichen. Der Klimawandel betrifft Mieter Bundesregierung, wonach eine Änderung und Vermieter gleichermaßen. Klimaneutra- des Mietrechtes zur Begrenzung der Umla- les Bauen und Wirtschaften ist nicht erst seit gefähigkeit der CO2-Abgabe geprüft wird. heute eine gesellschaftliche Aufgabe und ei- Damit soll nicht nur der Wohnungsnutzer zu ne große Herausforderung. Dies spiegelt sich energieeffizientem Verhalten, sondern auch auch in der gesetzlichen Entwicklung der der Eigentümer zur Vornahme klimafreund- letzten Jahre sehr deutlich wider, denn das licher Investitionen zur Reduzierung des sagte die Schriftstellerin Marie von Ebner- CO2-Ausstoßes veranlasst werden. Die po- Eschenbach vor weit über 100 Jahren: „Was litisch bereits geforderte hälftige Aufteilung wir heute tun, entscheidet darüber, wie die könnte ein Ergebnis aus dieser Debatte sein. Welt morgen aussieht.“ Die Diskussion darüber wird jedenfalls mit der deutlich steigenden Erhöhung der CO2- Abgabe an Fahrt aufnehmen. Rainer Heubrock Eine gesetzliche Aufteilung der CO 2-Be- preisung sieht der GdW allerdings kritisch Vorsitzender der Wohnungsbaugenossen- und hat sich stattdessen für die Begrenzung schaft Lünen eG der Umlage unter Berücksichtigung des Vorsitzender Arbeitskreis Energie, Umwelt, energetischen Standards und des Energie- Bautechnik und Normung im VdW Rhein- verbrauchs des Gebäudes ausgesprochen. land Westfalen 04/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
2 INHALT 4 16 26 Auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudeintegrierte Lade- und Landtagswahl: Die Zeichen stehen Gebäudestand Leitungsinfrastruktur für die auf Kontinuität Elektromobilität Quelle: Landtag Rheinland-Pfalz/Piel Quelle: dena/Energiedaten BMWi Quelle: RS-Studios – stock.adobe.com SCHWERPUNKT AKTUELLES 23 Weiterbildung von neuen Aufsichts- räten erfolgreich abgeschlossen 4 Auf dem Weg zum klimaneutralen 16 Gebäudeintegrierte Lade- und Wohnungswirtschaft nach den Kom- munalwahlen Gebäudebestand Leitungsinfrastruktur für die Klimaziele im Wohngebäudesektor Elektromobilität Ausbau der Elektromobilität 24 Neue Website für engagierte 6 Wohnungswirtschaftliche Initiative Quartiere erarbeitet Instrumente 17 Kompetenzzentrum für Integration Audit Generationengerechtes Woh- nen im Quartier Ziel: Klimaneutralität bis 2050 im Quartier gefordert Integrationsgipfel der Bundesregie- 7 Für das Wohnen von morgen rung 25 Energiewende zum Mithören Wohnungsunternehmen und Podcast-Gespräch zum seriellen -genossenschaften des VdW 18 Wohnungswirtschaft erarbeitet Sanieren im Rheinischen Revier Rheinland Westfalen sind dabei neue Position für einen bezahlbaren Breitbandausbau 8 Streit um die Umlagefähigkeit der Telekommunikationsmodernisie- AKTUELLES RLP CO2-Bepreisung rungsgesetz (TKMoG) Wohnungswirtschaft fordert differen- zierte Betrachtung 19 Mitgliedergerecht agieren – 26 Landtagswahl: Die Zeichen stehen zu Hause und digital auf Kontinuität 10 Mieterstrom als zentraler Baustein Verein Wohnen in Genossenschaften Ergebnis der Landtagswahl für den Klimaschutz stellt neue Studien vor Rheinland-Pfalz EEG 2021 erfüllt die meisten Forde- rungen der Wohnungswirtschaft 28 Kampagne „Modernisieren mit Rabatt“ der Förderbank ISB 12 Beweggründe und Potenzial von AKTUELLES NRW Wohnraumförderung und Klimaschutz Wasserstoff im Wohngebäudesektor Beeinflusst Homeoffice den Interview mit Anja Surmann, Geschäftsführerin von KlimaDiskurs. 20 Energieeffizienter Wohnraum für Wohnungsmarkt? 25.000 Menschen Bauforum Rheinland-Pfalz NRW Projekt der EnergieAgentur.NRW „100 Klimaschutzsiedlungen in 14 Wasserstoff als möglicher Schlüssel Nordrhein-Westfalen“ für einen klimaneutralen Woh- VDW-ARBEITSKREISE nungsbestand 21 VdW-Mietrechtstag 2021 Zum ersten Mal digital Vonovia forscht in Energiezentrale für eine CO2-neutrale Zukunft 29 Barrierefrei, öffentlich gefördert Ausweisung von und generationengerecht! Radonvorsorgegebieten Arbeitskreis Generationengerechtes 15 Landesregierung setzt Rahmen für Radon in Nordrhein-Westfalen Wohnen Klimaziele NRW will bis 2050 Wie Corona unsere Quartiere treibhausgasneutral wirtschaften 22 Neue Förderkonditionen wecken verändert großes Interesse Informationsveranstaltung zur Arbeitskreis Stadt- und Quartiersent- Wohnraumförderung 2021 wicklung 04/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
INHALT 3 32 38 44 Spatenstich für das erste Neubau- Ermäßigter Steuersatz bei Haus- Forschungsprojekt „BaltBest“ deckt projekt seit 30 Jahren wasseranschlüssen Effizienzpotenziale bei Anlagen- technik und Nutzerverhalten auf Quelle: VdW Rheinland Westfalen Quelle: IRINA – stock.adobe.com Quelle: dimaris – stock.adobe.com 30 Was tun, wenn das Unternehmen 35 Die Schuhe werden im Herbst RECHT von einer Cyberattacke betroffen geschnürt ist? Arbeitskreis Datenschutz Verschiebung des 9. VIVAWEST- Marathons 41 Stand der Novellierung der Bundes- bodenschutzverordnung Mantelverordnung VERBAND UND GREMIEN / TERMINE 42 Umgang mit Asbest Nationaler Asbestdialog ARBEITSGEMEINSCHAFTEN 36 Live, digital und online aus dem Van 31 Franz-Bernd Große-Wilde folgt auf der Valk Airport Hotel in Düsseldorf TECHNIK UND MULTIMEDIA Ulrich Bimberg 20. VdW-Forum Wohnungswirtschaft Wechsel des Spartenvorsitzes der am 22. Juni 2021 Genossenschaften 43 Sind Daten und Privatsphäre jetzt besser geschützt? Gestiegene Fertigstellungszahlen Bundeskabinett beschließt und stabile Mieten STEUERN Telekommunikation-Telemedien- Wohnbarometer der Datenschutzgesetz Arbeitsgemeinschaft Kölner 37 Strittige Kaufpreisaufteilung bei Wohnungsunternehmen Immobilien: Gerichte dürfen nicht 44 Forschungsprojekt „BaltBest“ deckt einfach auf BMF-Arbeitshilfe Effizienzpotenziale bei Anlagen- zurückgreifen technik und Nutzerverhalten auf Einkommensteuer Energieeffizienz durch smarte Gebäu- AUS DEN UNTERNEHMEN detechnik Koalition beschließt Entwurf eines 32 Spatenstich für das erste Neubau- Dritten Corona-Steuerhilfegesetzes projekt seit 30 Jahren Gesetzgebung Neubauquartier der Margarethe Kapitalertragsteuer-Anmeldung Krupp-Stiftung Solidaritätszuschlag 33 Bahn frei für die „Weiler Höfe“ 38 Ermäßigter Steuersatz bei Hauswas- Kooperation der GAG Immobilien AG seranschlüssen für Neubauquartier in Köln Umsatzsteuer 46 FÜR SIE GELESEN Kilowatt statt Liter aus der Zapfsäule 39 Änderung in der Abgabenordnung – 47 SEMINARE Höhere Pauschalen für Ehrenamt- Erster E-Mobilitäts-Hub der Neusser liche Bauverein AG gestartet Jahressteuergesetz Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbar- 34 Seit 100 Jahren für bezahlbaren 40 Umkehr der Steuerschuldnerschaft keit wird die männliche Personenbezeichnung Wohnraum in Wesel Telekommunikationsdienstleistun- gewählt. Die Angaben beziehen sich jedoch auf Jubiläum der Wohnungsbaugenossen- gen / § 13b beide Geschlechter. schaft Wesel eG Umsatzsteuer 04/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
4 SCHWERPUNKT Auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand KLIMAZIELE IM WOHNGEBÄUDESEKTOR >> Um die festgeschriebenen Klimaschutzziele zu erreichen und Treibhausgasemissionen in Deutschland zukünftig stark zu reduzieren, kommt dem Gebäude- sektor eine wichtige Rolle zu – immerhin sind Gebäude für etwa 30 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Ein maßgebliches Ziel der deutschen Energie- und Klimapolitik ist daher bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudesektor zu schaffen. Wer verbraucht in Deutschland die meiste Energie *? Quelle: dena/Energiedaten BMWi * Endenergie Auf Haushalte entfallen mehr als 30 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland, rund 75 Prozent davon für Raumwärme Der Klimaschutz zählt seit Jahren zu den gemacht wird und die festgelegten Klima- bäudebereich führt, muss für Mieter der Schwerpunktthemen auf allen politischen schutzziele der EU erreicht werden. Anreiz geschaffen werden, energieeffizient Ebenen und nimmt an Bedeutung stetig zu. zu heizen, und für Vermieter, in klimascho- Mit dem European Green Deal zeigt die EU, Politische Ausgangslage 2021 nende Heizungssysteme sowie energetische dass sie weiterhin eine internationale Vorrei- Im Fokus des Klimaschutzprogramms steht Sanierungen zu investieren. Es gilt folglich, terrolle im Klimaschutz einnimmt. Als wich- eine im Januar 2021 eingeführte Beprei- finanzielle Lasten gerecht zu verteilen und tiger Bestandteil dieser Wachstumsstrategie sung der CO2-Emissionen für Verkehr und von einer pauschalen Lösung abzusehen. für eine klimafreundliche Wirtschaft wurde Gebäudewärme. Um den Einsatz fossiler 2020 der Vorschlag für ein Europäisches Energieträger für die Gebäudeheizung und Auch mit der im Januar 2021 in Kraft getre- Klimagesetz vorgelegt. Erstmals will sich die in der Mobilität zu reduzieren, wird der CO2- tenen Novelle des Erneuerbare-Energien- EU gesetzlich dazu verpflichten, bis 2050 kli- Ausstoß verteuert und der Einsatz erneuer- Gesetzes (EEG) setzt die Bundesregierung auf maneutral zu sein und formuliert zudem das barer Energie gefördert. Der CO2-Preis für die Steigerung des Anteils emissionsfreier, Zwischenziel, bis 2030 mindestens 55 Prozent fossile Brennstoffe soll von zunächst 25 Euro erneuerbarer Energien am Bruttostromver- Treibhausgasminderung im Vergleich zu bis zum Jahr 2025 auf 55 Euro pro Tonne brauch. Hervorzuheben sind aus Perspektive 1990 zu erreichen. Kohlenstoffdioxid steigen. der Wohnungswirtschaft hier v. a. die subs- tanziellen Verbesserungen für Mieterstrom, Auch die deutsche Klimaschutzpolitik ist Unklar ist jedoch weiterhin, wer die Mehr- um die dezentrale Stromversorgung durch mit der europäischen eng verbunden. Mit kosten des CO2-Preises für Gebäude zahlen Photovoltaikanlagen auszubauen. Außerdem dem Klimaschutzprogramm und dem Kli- soll und wann eine rechtliche Regelung, z. B. hat der Deutsche Bundestag eine Entschlie- maschutzgesetz will die Bundesregierung mit der Novelle der Heizkostenverordnung, ßung angenommen, in der für mehrere un- sicherstellen, dass der Weg zu einem kli- in Kraft treten wird. Damit der CO2-Preis gelöste Punkte notwendige Nachkorrekturen maneutralen Gebäudebestand bis 2050 frei tatsächlich zu mehr Klimaschutz im Ge- genannt werden. Hier wird u. a. gefordert, 04/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
SCHWERPUNKT KLIMASCHUTZ 5 eine gesetzliche Regelung zu beschließen, gesetzes, mit dem die Landesregierung den lem Energieträger geprägt. Für die Energie- nach der Wohnungsunternehmen die erwei- ambitionierten Klimaschutzzielen der EU wende könnte grüner Wasserstoff demnach terte Kürzung bei der Gewerbesteuer nicht folgt und sich verpflichtet, bis 2050 treibhaus- ein Schlüsselelement sein, da überschüssiger verlieren, wenn sie u. a. Mieterstrom über gasneutral zu wirtschaften. Gleichzeitig zur Strom aus erneuerbaren Energien bei Bedarf Solaranlagen auf ihren Gebäuden erzeugen Novelle des Klimaschutzgesetzes wurde der wieder ans Netz abgegeben oder für andere und veräußern. Am 26. März 2021 vereinbarte Entwurf für das bundesweit erste Klimaanpas- Sektoren, wie z. B. im Bereich Wärme oder die Koalition zwei Änderungen in im Rahmen sungsgesetz beschlossen. Ziel ist es, ein Zei- Mobilität, nutzbar gemacht werden kann. der EEG-Reform, die gewerbesteuerliche chen zu setzen, dass neben dem Klimaschutz Hemmnisse für Mieterstrom beseitigen und auch die Anpassung an den Klimawandel Änderungen der wirtschaftlichen ein positives Signal an die Wohnungswirt- eine bedeutende Rolle spielt. Bei politischen und politischen Rahmenbedingungen schaft senden. Ein weiteres Hemmnis besteht Entscheidungen und kommunalen Planungs- benötigt allerdings weiterhin: Lokaler Strom aus Kraft- vorhaben soll künftig Klimaanpassung stets Die Wohnungswirtschaft hat in den vergan- Wärme-Kopplung-Anlagen bleibt weiterhin mitbedacht werden, sodass die Widerstands- genen Jahren bereits viel in die energetische von den zulässigen Nebentätigkeiten für fähigkeit gegen negative Folgen und Gefah- Sanierung ihres Bestands investiert und so- Wohnungsunternehmen und -genossen- ren des Klimawandels erhöht werden kann. mit signifikante CO2-Einsparungen erzielt. schaften ausgeschlossen. Dennoch sind die festgelegten Ziele, insbe- Rheinland-Pfalz hatte 2014 als eines der sondere mit Blick auf den gegebenen zeitli- Im November 2020 ist zudem das Gebäude- ersten Bundesländer ein landeseigenes Kli- chen Rahmen, sehr ambitioniert. Speziell im energiegesetz (GEG) in Kraft getreten. Dieses maschutzgesetz verabschiedet. Mit einem Gebäudebestand existieren weiterhin enor- führt das Energieeinsparungsgesetz (EnEG), dazugehörigen Klimaschutzkonzept und me Potenziale, den Energieverbrauch und die Energieeinsparverordnung (EnEV) und einem allerdings nicht bindenden Maß- den CO2-Ausstoß zu mindern – auch wenn das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EE- nahmenkatalog werden 107 Maßnahmen diese aus wirtschaftlichen Gründen oftmals WärmeG) in einer Gesetzgebung zusammen aufgezählt, die verschiedene politische Ebe- ungenutzt bleiben. Aus technischer Sicht und legt u. a. energetische Anforderungen an nen adressieren und dabei helfen sollen, das lassen sich durch energetische Sanierungen beheizte oder klimatisierte Gebäude fest – Landesziel der Klimaneutralität bis 2050 zu von Bestandsgebäuden und energieeffizien- etwa an die Gebäudehülle, an die Heizungs- erreichen. Der Katalog wurde im Dezember te Neubauten Treibhausgasemissionen zwar und Klimatechnik und an den Hitzeschutz. 2020 überarbeitet, u. a. soll die Einführung leicht reduzieren, trotzdem existieren bisher Die bestehenden energetischen Anforde- eines CO 2-Mietspiegels geprüft werden, nur wenige Gebäude, die lediglich geringe rungen an Neubauten und an den Bestand was der VdW Rheinland Westfalen in einer Mengen fossiler Energie benötigen oder wurden im GEG jedoch nicht erhöht. Für die Stellungnahme kritisch kommentiert hatte. sogar mehr regenerative Energie erzeugen Wohnungswirtschaft ist v. a. die vorgesehene als verbraucht wird. Innovationsklausel von hoher Bedeutung, Wasserstoff als universeller da sie u. a. Quartierslösungen ermöglicht, Energieträger Auch wenn Bund und Länder mithilfe un- bei denen nicht jedes einzelne Gebäude den Um die anstehenden Herausforderungen zu terstützender Förderprogramme die wirt- Energieanforderungen entsprechen muss, meistern und die festgelegten Klimaziele zu schaftlichen Auswirkungen mindern, steht sondern das Quartier, für das zusätzliche erreichen, gilt es zudem weitere Handlungs- die Wohnungswirtschaft vor einer großen Energiekonzepte umgesetzt werden können. felder, wie z. B. Energiespeicher, zu nutzen, Aufgabe und immensen finanziellen Her- ohne welche die Energiewende kaum reali- ausforderungen. Insbesondere das Thema Das Landeskabinett in Nordrhein-Westfalen sierbar zu sein scheint. Aktuell wird die ener- Mieterstrom wird hier als Schlüsselkompo- beschloss darüber hinaus Ende 2020 eine giepolitische Diskussion in Europa und in nente der Energiewende und zum Erreichen Verschärfung des existierenden Klimaschutz- Deutschland von Wasserstoff als universel- der Klimaziele verstanden. Entsprechend gilt es, die dezentrale und nachhaltige Ener- Entwicklung der Investitionsleistungen 2008 – 2020 gieerzeugung drastisch zu vereinfachen und bei den vom GdW repräsentierten Unternehmen zu entbürokratisieren, sodass nicht allein die Förderung den Ausschlag für eine Inves- tition gibt, sondern die Wirtschaftlichkeit. Neben der klimapolitischen Überlegung haben die politischen Maßnahmen, wie z. B. die eingeführte Bepreisung der CO2-Emis- sionen, verstärkt auch eine sozialpolitische Debatte ausgelöst. Um die Themen Energie- effizienz und Bezahlbarkeit des Wohnens in Einklang zu bringen, werden weitere Änderungen der politischen Rahmenbe- dingungen benötigt, die der energetischen Modernisierung und dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit gleichermaßen verpflich- tet sind. IB 04/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
6 SCHWERPUNKT ZIEL: KLIMANEUTRALITÄT BIS 2050 Wohnungswirtschaftliche Initiative erarbeitet Instrumente Die Initiative Wohnen.2050 (IW.2050) un- Rege Resonanz aktuell rund 1,8 Millionen deutsche Wohn- terstützt Wohnungsunternehmen dabei, Vor diesem Hintergrund trat vor gut einem einheiten stehen – unerwartet zu einem individuelle Strategien zur Erreichung Jahr die Initiative Wohnen.2050 (IW.2050) Schub verholfen. der Pariser Klimaziele 2050 zu entwi- auf den Plan: Sie hat 2020 intensiv genutzt, Vom Handbuch bis zu Werkzeugen ckeln. Seit über einem Jahr ist der un- um für – und mit – den zahlreichen, nach abhängige Branchen-Zusammenschluss Unterstützung suchenden Wohnungsun- Die Ergebnisse können sich sehen lassen: bereits erfolgreich aktiv. Zeit für ein erstes ternehmen Instrumente für individuelle Bilanzierungsregeln wurden erstellt, drei Resümee einer trotz Pandemie intensiven Klimastrategien zu erarbeiten und deren Werkzeuge zu Bilanzierung, Technik und Arbeit. praktische Realisierung voranzutreiben. Ein Finanzierung erarbeitet, Lehrvideos und Vorhaben, das starke Nachfrage und rege ein umfassendes Glossar. Die Ende 2020 Bis zum Jahr 2050 soll der Gebäudebestand Beteiligungen erfuhr. Verzeichnete die Ini- vom GdW publizierte Arbeitshilfe zum in Deutschland klimaneutral sein. Noch 29 tiative zur Gründung 24 Unternehmen und CO2-Monitoring ist ein großer Meilenstein Jahre Zeit – viel für die einen, zu wenig für vier institutionelle Partner, zählten zwölf für die Branche hinsichtlich einheitlicher andere. Ein Patentrezept, wie Wohnungs- Monate später bereits 80 Unternehmen und Bilanzierungsregeln. Aufgrund der guten unternehmen mit ihrer großen sozialen zehn Institutionelle zum Verbund. Von An- und engen Zusammenarbeit zwischen Verantwortung diese Mammutaufgabe be- fang dabei: der Bundesverband deutscher GdW und Initiative Wohnen.2050 ist hier wältigen – und v. a. finanzieren – sollen, gibt Wohnungs- und Immobilienunternehmen eine wichtige Grundlage für die weitere ge- es nicht. Politische Entscheider lassen hier (GdW), die EBZ Business School GmbH, der meinsame Arbeit in der gesamten Branche noch immer viele Fragen offen. Auch wenn Verband der Wohnungs- und Immobilien- und innerhalb der Initiative geschaffen. mit der neuen „Bundesförderung Energieef- wirtschaft Rheinland Westfalen e. V. (VdW Austausch und Wissenstransfer unter den fiziente Gebäude“ (BEG) in großem Umfang RW) und der VdW südwest – Verband der Partnern erfolgen kontinuierlich: Allein 2020 investive Zuschüsse für Wohnungsunter- Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft. gab es insgesamt 30 Web-Veranstaltungen: nehmen bereitstehen: Vielen Wohnungs- Sechs weitere Regionalverbände sind mitt- Konferenzen, Seminare, Workshops, Dia- unternehmen, besonders den kleineren, lerweile hinzugekommen, die Know-how loge, Regio-Praxisaustausch – mit bis zu 90 fehlen die Ressourcen – sowohl personell und Sachkompetenz einbringen. Die un- Teilnehmern pro Veranstaltung. Auch für als auch finanziell. In der Branche herrscht vorhersehbaren Pandemie-bedingten Ein- 2021 hat der Zusammenschluss Großes vor: daher nach wie vor große Unsicherheit bei schränkungen unmittelbar nach Gründung Auf Grundlage interner Umfragen wird der- der Frage, wie das Thema zeitnah und ziel- taten dem Erfolg keinen Abbruch. Im Ge- zeit eine umfassende Datenbank mit Fakten führend angegangen werden kann. genteil: Corona hat der IW.2050 – hinter der aus der Praxis erstellt. Deren Inhalte werden in einen ersten Praxisbericht einfließen, der Best Practice und Pilotprojekte erfasst, aber auch Herausforderungen und Hemm- Felix Lüter, geschäftsführender nisse aufzeigt. Er kann von allen Partnern Vorstand der Initiative Wohnen.2050 genutzt werden und dient parallel dazu, die Verbände bei ihrer politischen Arbeit im „Die IW.2050 versteht sich als Unterstüt- laufenden Superwahljahr noch intensiver zer-Netzwerk von Wohnungsunterneh- zu unterstützen. Bis Ende 2021 strebt die men und ihren Verbänden. Unser Ziel Initiative Wohnen.2050 an, dass 60 Prozent ist es unter anderem, Lösungen für die der Gründungspartner über eine eigene Klimaneutralität zu entwickeln. Zugleich Klimastrategie verfügen. hd…s/IW.2050 wollen wir aus der Umsetzungsperspektive der Unternehmen Handlungsbedarfe und Forderungen für die politische Arbeit des GdW auf Bundesebene und für die Arbeit ÜBER DIE INITIATIVE der Regionalverbände auf Landesebene WOHNEN.2050 bereitstellen. Neben dem interdisziplinä- ren Austausch, der zeitnahen Entwicklung Mehr Informationen zur Initiative Woh- von Konzepten und Lösungsstrategien nen.2050 unter: www.iw.2050.de, wird gemeinsam mit dem Dachverband twitter.com/Wohnen2050 und im eigenen aktiv die finanzielle Unterstützung seitens Youtube-Kanal: Quelle: Walter Vorjohann der Politik eingefordert.“ https://bit.ly/3lppINQ 04/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
SCHWERPUNKT KLIMASCHUTZ 7 WOHNUNGSUNTERNEHMEN UND -GENOSSENSCHAFTEN DES VDW RHEINLAND WESTFALEN SIND DABEI Für das Wohnen von morgen „Als kommunales Wohnungsunternehmen STATEMENTS VON MITGLIEDSUNTERNEHMEN UND -GENOSSENSCHAFTEN >> der Stadt Mönchengladbach sieht sich die Seit der Gründung der Initiative Wohnen.2050 haben sich zahlrei- WohnBau zum einen als Vorreiter und zum che Mitgliedsunternehmen und -genossenschaften des Verbandes anderen als Vorbild für einen verantwortungs- vollen Umgang mit unserer Umwelt und den dazu entschlossen, Mitglied bei der wohnungswirtschaftlichen vorhandenen Ressourcen, ohne dabei die wirt- Initiative für Klimaschutz im Wohngebäudesektor zu werden und schaftlichen Anforderungen unserer Kunden dabei zu unterstützen, Fachwissen und konkrete Handlungsinst- über ein erträgliches Maß hinaus zu belasten. Als Partner der IW.2050 erhoffen wir uns fach- rumente zu entwickeln. lichen Wissensaustausch und die erforderliche Welche Beweggründe haben sie? Was wurde schon umgesetzt Verzahnung von Ökonomie und Ökologie. In Anlehnung an diese Leitideen wurden bereits und welche Rolle übernimmt die Initiative Wohnen.2050 auf dem Gründächer im öffentlich geförderten Woh- Weg zur Klimaneutralität bis 2050? nungsbau realisiert, Kitas mit Gründächern und in Holzbauweise werden ab diesem Jahr er- richtet. Aktuell werden in zwei Bauvorhaben – erstmalig in Deutschland – Kunststofffenster- „Klimaschutz und bezahlbaren Wohnraum profile aus 100 Prozent recyceltem Kunststoff- in Einklang zu bringen, ist die aktuell größte material verbaut. Herausforderung unserer Branche. Als Woh- Einen weiteren Beitrag für den Klimaschutz leis- nungsunternehmen, das sich klar zu christli- ten wir mit der bereits gestarteten Umstellung chen Werten bekennt, gehört Nachhaltigkeit der Dienstfahrzeugflotte auf E-Mobilität. Aber im Sinne der Schöpfungserhaltung zum fes- ihren Erfahrungen im Sinne des Klimaschut- auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ten Bestandteil unserer DNA. Gleichzeitig ist zes zusammenschließt, nur dann haben wir WohnBau sensibilisieren sich immer mehr für es unser Satzungsauftrag, bedarfsgerechten eine Chance, den Klimawandel zu stoppen.“ den Klimawandel und Klimaschutz und versu- und bezahlbaren Wohnraum für breite Bevöl- Marion Sett chen, dies in den täglichen Ablauf einzubauen, kerungsschichten zur Verfügung zu stellen. indem sie beispielsweise so oft wie möglich das Damit diese beiden Ziele nicht in Konkurrenz eigens dafür angeschaffte (E-)Bike für Ortster- zueinander treten, braucht es kluge Lösungen. mine nutzen.“ Christian Heinen, Frank Meier Wir setzen daher auf den offenen Erfahrungs- austausch innerhalb der Initiative IW.2050. Denn das Klimaziel erreicht kein Unternehmen im Alleingang. Bei der Aachener arbeiten wir nach der Leitidee „Gemeinsam stark“. Ich denke, dieser Ansatz lässt sich auch auf die Initiative Wohnen.2050 übertragen. Wenn sich Quelle: Catrin Moritz Quelle: WohnBau MG die Wohnungswirtschaft mit ihrem Wissen und „Als Zusammenschluss der Wohnungswirtschaft ist die Initiative Wohnen.2050 ein wichtiger Im- pulsgeber für die Branche. Die hier entwickelten Handlungsansätze liefern allen Wohnungsun- CO2-Emissionen bis 2050. Dies erreichen wir durch ternehmen und -genossenschaften praxisnahe ein jährliches Benchmarking unserer Ziele, die Lösungen zur Erreichung der Klimaschutzziele. Planung und Umsetzung von nachhaltigen Moder- nisierungen sowie Neubauprojekten in unserem Auch uns als Traditionsgenossenschaft von 1893 Bestand. Die Erreichung der Klimaschutzziele ist nachhaltiges Wirtschaften sehr wichtig. Mit verstehen wir dabei auch als genossenschaftli- unserem strategischen Nachhaltigkeitsmanage- chen Auftrag der Mitgliederförderung. In unserem ment wollen wir langfristig unseren Beitrag zum jährlich erscheinenden Nachhaltigkeitsbericht Klimaschutz in Deutschland leisten. Allen voran kommunizieren wir transparent unsere Arbeit und Quelle: Roland Baege/VdW Rheinland Westfalen ist unser Ziel die Reduzierung von 80 Prozent Ergebnisse.“ Franz-Bernd Große-Wilde 04/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
8 SCHWERPUNKT WOHNUNGSWIRTSCHAFT FORDERT DIFFERENZIERTE BETRACHTUNG Streit um die Umlagefähigkeit der CO2-Bepreisung Seit Januar 2021 muss erstmals ein CO 2-Preis für Emissionen aus der Ver- brennung fossiler Brennstoffe in den Position der Wohnungswirtschaft: Umlage der CO2- Bereichen Gebäudewärme und Verkehr Bepreisung entsprechend des Modernisierungsgrades bezahlt werden. Bei der Frage, wer die des Gebäudes zusätzlichen Kosten trägt, herrscht in der Bundesregierung jedoch Uneinigkeit. Die Lasten, die durch den Klimaschutz entste- erhebliche Investitionen in die energetische hen, müssen gerecht verteilt werden. Vermieter, Modernisierung gesteckt haben, derzeit die Die Dekarbonisierung von Gebäuden ist die bereits energetisch modernisiert haben, entsprechenden Kredite tilgen und die ihre Be- entscheidend, wenn die Klimaziele in müssen gegenüber denjenigen, der dies noch stände nur über Jahrzehnte hinweg entwickeln Deutschland erreicht werden sollen. Die nicht getan hat, bessergestellt werden. Da- können. Wohnungswirtschaft will bis zum Jahr her ist der Regelgeber gehalten, durch kluge 2050 ihren Wohnungsbestand CO2-neutral Gestaltung eine vernünftige Lastenverteilung Energetisch bereits modernisierte Gebäude, bewirtschaften und damit wirksam zum umzusetzen: die im Klimaschutzprogramm vor- die weniger als 120 KwH/m²a verbrauchen, Klimaschutz beitragen. gesehene Anreizwirkung muss erreicht werden, entsprechen den Energieeffizienzklassen A+,A, ohne den Gebäudeeigentümern einfach nur er- B und C im GEG. Und zwar umgerechnet vom Die zu Beginn des Jahres eingeführte CO2- hebliche Mittel zu entziehen und diese damit in Bezug auf die Nutzfläche in den Bezug auf die Bepreisung ist Teil des Klimaschutzpro- die faktische Handlungsunfähigkeit zu treiben. Wohnfläche. Die Gebäude mit dem höchsten gramms 2030 und ein zentrales Instrument Energieverbrauch sind diejenigen, welche mehr des umfangreichen Maßnahmenpakets Für energetisch bereits modernisierte Gebäude als 190 kWh/m²a Endenergie pro m² Wohnfläche der Bundesregierung. Bei den Kosten der darf keine begrenzte Umlagefähigkeit vorge- für Heizung und Warmwasserbereitung benöti- CO 2-Bepreisung im Gebäudesektor han- sehen werden. Dies wäre eine Bestrafung der gen. Dies entspricht wiederum den Energieeffi- delt es sich im Allgemeinen um Kosten der Gebäudeeigentümer, die Portfolien bewirtschaf- zienzklassen F, G und H im GEG. GdW/AT Versorgung mit Wärme und Warmwasser. ten, in die sie in den vergangenen 25 Jahren CO2-Bepreisung erhöht die Heizkosten < 120 kWh/m2a > 190 kWh/m2a Die rechtliche Grundlage für den national eingeführten Emissionshandel bildet das Bundesemissionshandelsgesetz (BEHG). Unternehmen, die mit Brennstoffen han- 0 120 190 deln, werden verpflichtet, für den CO 2 - Ausstoß ihrer Produkte ab 2021 ein Zerti- fikat zu erwerben. Diese Zertifikate werden 40 % ab 2024 zu einem jährlich steigenden Festpreis niemals ausgegeben, der von zunächst 25 Euro 40 % ab 2027 80 % ab 2027 schrittweise auf bis zu 55 Euro im Jahr 2025 steigt. Ab 2026 sind bis zu 65 Euro möglich. Quelle: eigene Darstellung nach GdW Die Bundesregierung reinvestiert die zu- sätzlichen Einnahmen vorerst vollständig, Die prozentualen Angaben zeigen den Anteil der Vermieter an den Kosten der um die in den Strompreis einkalkulierte CO2 -Bepreisung: Vermieter von energetisch bereits modernisiertem Wohnraum dürfen EEG-Umlage zu senken und so Haushalte nicht pauschal belastet werden, für alle anderen werden Anreize gesetzt, in die Energie- zu entlasten. effizienz der Wohngebäude zu investieren Novelle der Heizkostenverordnung Unklar ist hingegen, wer die Mehrkosten entsprechende Reform in Kraft treten müs- Ein im September 2020 vorgelegtes Eck- des CO2-Preises für Gebäude zahlen soll. sen. Das Gesetzgebungsverfahren war je- punktepapier der Ministerien für Finanzen Ein geeigneter Regelungsort für die kon- doch zwischenzeitlich politisch blockiert, (BMF), Umwelt (BMU) und Justiz (BMJV) krete Bestimmung zur Umlagefähigkeit der da in der Regierungskoalition die Frage zur Begrenzung der Umlagefähigkeit der Kosten aus der CO2-Bepreisung wäre eine der Aufteilung von Zusatzkosten zwischen CO2-Bepreisung sieht vor, die Mehrkosten, novellierte Heizkostenverordnung. Bereits Mietern und Vermietern stark umstritten unabhängig vom energetischen Zustand im Oktober 2020 hätte im Zuge der Umset- ist. Derzeitig geht es bei der bereits über- des Gebäudes, hälftig zwischen Mieter zung der europäischen Energieeffizienz- fälligen Novelle der Heizkostenverordnung und Vermieter aufzuteilen. Dieses Modell Richtlinie (EED) in nationales Recht eine zur Umsetzung der EED wieder voran. fand in der Bundesregierung jedoch keinen 04/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
SCHWERPUNKT KLIMASCHUTZ 9 Konsens und ist auch aus Sicht der Woh- nehmen den notwendigen finanziellen GEGENÜBERGESTELLT nungswirtschaft strikt abzulehnen. Freiraum für dringend benötigte Investi- tionen zu geben. Vermieter, die bereits in Da eine Einigung bei den Verhandlungen energetische Modernisierungen investiert über die Umlage der Kosten aus der CO2- haben, müssen demzufolge gegenüber den- Bepreisung weiterhin nicht in Sicht ist, sind jenigen, die dies noch nicht getan haben, in dem im März vorgelegten Entwurf der bessergestellt werden. Zudem wird außer Heizkostenverordnung keine Regelungen Acht gelassen, dass alle Mieter in Hinblick zur begrenzten Umlagefähigkeit des CO2- auf Energiepreise über die verminderte Preises enthalten. Diese soll nun doch im EEG-Umlage weiter entlastet werden. Mietrecht geregelt werden. Seit Januar 2021 diskutieren die Ministerien Wohnungswirtschaft fordert differen- ein modifiziertes Modell, wonach der ener- zierte Betrachtung getische Standard von Gebäuden darüber Insbesondere in energetisch modernisier- entscheidet, wie die Kosten verteilt werden. Quelle: DMB Deutscher Mieterbund ten Gebäuden ist nicht allein der Vermieter Bei energetisch wenig sanierten Gebäuden verantwortlich für die Treibhausgasemissi- sollen Vermieter demnach mehr als 50 Pro- Lukas Siebenkotten ist seit 2019 Präsi- onen im Betrieb, sondern ebenso der Mieter zent der Mehrkosten aus der CO₂-Bepreisung dent des Deutschen Mieterbundes, für durch seine Verhaltensweise. Damit der tragen, bei gut sanierten Gebäuden weniger den er seit 2008 als Direktor tätig war CO2-Preis tatsächlich zu mehr Klimaschutz als 50 Prozent. So werden Vermieter belohnt, im Gebäudebereich führt, gilt es folglich die bereits Geld in die Erhöhung der Energie- „Mit der Einführung des CO2-Preises zum für Mieter, Anreize zum energieeffizienten effizienz ihrer Gebäude gesteckt haben, und 1. Januar 2021 werden im Gebäudesektor Heizen zu schaffen, und für Vermieter, in für Mieter Anreize geschaffen, energieeffizi- die Kosten zu 100 Prozent an die Mieter klimaschonende Heizungssysteme sowie ent zu heizen. Dieser Lösungsansatz würde durchgereicht. Dadurch verpufft der Effekt energetische Sanierungen zu investieren. im Wesentlichen den Vorschlägen des GdW der CO2-Bepreisung im Mietwohnbereich Um energetische Sanierungen weiter vor- Bundesverbands deutscher Wohnungs- und völlig. Vermieter werden nicht zum Austausch anzutreiben, muss davon abgesehen wer- Immobilienunternehmen entsprechen. ihrer Heizanlagen angehalten, da sie die den, den Wohnungsunternehmen erhebli- Kosten vollständig umlegen können. Mieter che Mittel für entsprechende Maßnahmen Aufgrund einer noch fehlenden sondergesetz- stehen trotz Corona-Krise und wirtschaftli- durch pauschale Lösungen zu entziehen lichen Regelung zu einer begrenzten Umla- cher Folgen vor steigenden Heizkosten, die und diese so handlungsunfähig zu machen. gefähigkeit des CO2-Preises tragen die Mieter allein dieses Jahr in einer durchschnittlichen Es bedarf einer differenzierten Betrachtung, zunächst die vollen zusätzlichen Kosten. Es Wohnung bis zu 125 Euro betragen können. um das Vertrauen in die Zukunftssicherheit wird jedoch damit gerechnet, dass im Laufe von Investitionen zu stärken und Unter- des Jahres eine Regelung gefunden wird. IB Schon jetzt sind die Heizkosten in einem ener- getisch schlechteren Haus im Schnitt mehr als doppelt so hoch wie in einem energetisch C02-Ausstoß nach Heizungstyp guten Haus. Die CO2-Bepreisung vergrößert diese Schere deutlich auf Kosten derjenigen Mieter, die sich keine Wohnung in einem Heizöl* 2.792 ökologischen Haus mit klimafreundlicher Heizanlage leisten können. Die geplanten Rückerstattungsmechanismen entlasten die- Erdgas* 2.392 se Gruppe nur ungenügend, da nicht per se alle Mieter in energetisch schlechten Gebäu- Fernwärme 2.160 den von einer gestiegenen Pendlerpauschale profitieren oder Wohngeld mit CO2-Zuschuss Wärmepumpe 600 beziehen. Die geplante Begrenzung der EEG- Umlage reicht nicht aus, um die gestiegenen 424 Quelle: Statista Pellets Heizkosten abzufedern. Eine Änderung der Umlagefähigkeit des Fernwärme 328 CO2-Preises ist unmittelbar und einfach durch (Biomasse) geringfügige Anpassungen in der Heizkosten- * Brennwert Emissionsangaben in Kilogramm C02-Äquivalent und der Betriebskostenverordnung umsetz- pro 8 Megawattstunden erzeugter Wärme. bar.“ Lukas Siebenkotten Sowohl die verschiedenen Heizungstypen als auch das individuelle Verhalten der Mieter sind im Hinblick auf die Umlagefähigkeit der CO2-Bepreisung relevant 04/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
10 SCHWERPUNKT EEG 2021 ERFÜLLT DIE MEISTEN FORDERUNGEN DER WOHNUNGSWIRTSCHAFT Mieterstrom als zentraler Baustein für den Klimaschutz Mit der im Januar 2021 in Kraft getretenen Novelle des Erneuerbare-Energien-Geset- zes (EEG) setzt die Bundesregierung auf die Steigerung des Anteils emissionsfreier, erneuerbarer Energien am Bruttostrom- verbrauch. Insbesondere in den Städten bietet Mieterstrom eine Chance für die Energiewende und das Erreichen der Kli- maziele. Im Dezember 2020 haben Bundestag und Bundesrat die Änderung des Erneuerbare- Energien-Gesetzes beschlossen. Die Novelle ist in weiten Teilen bereits zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist, dass 2030 der Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien auf 65 Prozent steigt und noch vor 2050 der gesamte erzeugte wie verbrauchte Strom in Deutschland treibhausgasneutral wird. Auch die Rahmenbedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien werden Quelle: VdW RW hier neu geregelt. Nach vielen Jahren jetzt endlich auf dem Weg: Bereits im Jahr 2016 setzte sich der VdW Rhein- Hervorzuheben sind aus Perspektive der land Westfalen im Rahmen des Bündnisses "Mieterstrom jetzt!" unter Federführung der Ver- Wohnungswirtschaft v. a. die substanziellen braucherzentrale NRW für den Mieterstrom ein Verbesserungen für Mieterstrom. Gleich mehrere Änderungen im EEG 2021 machen liefert werden darf und nicht mehr nur vom Mieterhaushalte bringen und somit einen die Anschaffung und den Betrieb von Photo- Anlagenbetreiber selbst. Beim Lieferketten- wichtigen Beitrag zu einem klimaneutralen voltaikanlagen für Wohnungsunternehmen modell kann der Betreiber einer Photovolta- Energiesystem in Deutschland leisten. Die weniger bürokratisch und wirtschaftlich ikanlage einen Energiedienstleister mit der erhoffte Wirkung am Markt blieb jedoch aus. attraktiver. Strombelieferung von Letztverbrauchern Das EEG 2021 soll nun u. a. auch durch die beauftragen, ohne dass der Anspruch auf den Anhebung der Förderung bzw. des Mieter- Positive Signale für die Mieterstromzuschlag verloren geht. stromzuschlags neue Investitionsanreize für Wohnungswirtschaft Vermieter schaffen. Für bis zu zehn Kilowatt Ein wichtiger Punkt beim Abbau administ- Klare Verbesserung gegenüber installierte Leistung liegt der Mieterstromzu- rativer Hürden für den Mieterstrom ist der dem EEG 2017 schlag bei 3,79 Cent pro Kilowattstunde. Für eingeführte Quartiersansatz. Dieser erlaubt, Darüber hinaus wird im Zuge der Ände- bis zu 40 Kilowatt gibt es 3,52 Cent pro Kilo- dass der Strom nicht mehr ausschließlich in rungen die für die Höhe des Mieterstrom- wattstunde und für bis zu 100 Kilowatt liegt dem Gebäude verbraucht wird, auf dem die zuschlags nachteilige Anlagenzusammen- der Zuschuss bei 2,37 Cent pro Kilowattstun- Solaranlage installiert ist. Sofern der Mieter- fassung verbessert. Da Mieterstromanlagen de. Positiv wird außerdem gesehen, dass im strom nicht durch das öffentliche Netz gelei- aufgrund unterschiedlichster Dachkon- Zuge der Reform bei Anlagen mit Eigenver- tet wird, ist es ausreichend, wenn dieser im struktionen häufig aus mehreren Teilanlagen brauch bis zu einer Größe von 30 Kilowatt die gleichen Quartier verbraucht wird. Dennoch bestehen, sind die Investitionskosten oftmals EEG-Umlage gestrichen worden ist. Bis dato bleibt zu beachten, dass sonstige gesetzliche unweigerlich höher. Das EEG 2021 stellt nun war der Eigenverbrauch lediglich bis zehn Regelungen zur Eingrenzung des räumlichen klar, dass für die Ermittlung der Höhe des Kilowatt von Abgaben und Steuern befreit. Zusammenhangs beim Mieterstrom außer- Mieterstromzuschlags Solaranlagen, die an Entsprechend wurden die wirtschaftlichen halb des EEG ebenso bestehen bleiben wie unterschiedlichen Anschlusspunkten liegen, Rahmenbedingungen insgesamt verbessert. die damit verbundenen Rechtsfolgen. auch dann nicht zusammengefasst werden, wenn sie unmittelbar benachbart sind oder Wichtiges Zwischenziel zum Mieterstrom Des Weiteren schafft die EEG-Novelle Klar- auf einem Grundstück stehen. erreicht heit hinsichtlich des Lieferkettenmodells. Im Zuge eines Entschließungsantrags wur- Der Betrieb von Mieterstromprojekten wird Eigentlich sollte das im Jahr 2017 einge- den bereits im Dezember 2020 für mehrere vereinfacht, da Mieterstrom nun auch von führte Mieterstromgesetz bereits dezentral ungelöste Punkte notwendige Nachkorrek- einem Dritten an die Endverbraucher ge- erzeugten Strom kostengünstig in Millionen turen genannt. Ein großes Hemmnis für die 04/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
SCHWERPUNKT KLIMASCHUTZ 11 weitere Ausbreitung von Mieterstrom war WAS IST MIETERSTROM? bisher stets die Gefährdung der Gewerbe- steuerfreiheit der Vermietungserträge, wenn Wohnungsunternehmen unter anderem Mieterstrom über Solaranlagen auf ihren Gebäuden erzeugen und veräußern. Diese Barriere soll nach 15 Jahren nun endlich betreibt entfernt werden. Strom- Anlagenbetreiber Strom- preis für Im März 2021 hat sich die Regierungskoaliti- weiter- EE-Strom on geeinigt, dass künftig bis zu zehn Prozent gabe Quelle: Bundesnetzagentur, Bundesregierung, BMWi der Einnahmen aus der Lieferung von Strom Mieterstrom aus erneuerbaren Energien und dem Betrieb Mieter- von Ladestationen für Elektroautos generiert strom- werden können, ohne dass Mieterträge mit vertrag Gewerbesteuer belastet werden. Diese Än- derungen im Rahmen der Reform des EEG sollen den Weg für mehr Mieterstrom in Wohngebäude Strompreis für Stromlieferant Deutschland freimachen. Die zusätzlichen Letztverbraucher Gesamtstromlieferung (Dritter) Einkünfte aus den erneuerbaren Energien un- Strom- terliegen dabei weiterhin der Gewerbesteuer. Zusatz- preis für Zusatzstrom strom- Zusatz- Trotz des großen Erfolges, gilt es weiterhin öffentliches Netz vertrag strom an den richtigen Stellschrauben zu drehen, um Wohnungsunternehmen und Mietern die nötigen Anreize für Mieterstrommodelle Strom zu bieten. Geld Stromhändler Lokal erzeugter Strom aus Kraft-Wärme- Vertragsbeziehung Kopplung-Anlagen bleibt nach wie vor von den zulässigen Nebentätigkeiten ausge- schlossen. Die Wohnungswirtschaft fordert diesbezüglich ebenfalls eine Änderung. Als Mieterstrom wird Strom bezeichnet, der von Photovoltaikanlagen in unmittelbarer Nähe zum Die meisten Forderungen der Wohnungs- Abnehmer erzeugt und ohne die Nutzung des allgemeinen Stromnetzes an Endverbraucher im wirtschaft wurden folglich mit dem EEG 2021 selben Gebäude oder im selben Quartier geliefert und verbraucht wird. erfüllt und die Steine für einen attraktiven und sinnvollen Mieterstrom scheinen vorerst Um Mieterstrommodelle wirtschaftlich attraktiver zu machen, wurde 2017 das Gesetz zur För- aus dem Weg geräumt. Ob das EEG 2021 derung von Mieterstrom verabschiedet. Beim sog. Mieterstromzuschlag handelt es sich um eine neuen Schwung in den Mieterstrom und Sonderform der EEG-Förderung, die voraussetzt, dass der Strom in registrierten Photovoltaikanla- in die urbane Energiewende bringt, bleibt gen mit einer installierten Leistung von maximal 100 Kilowatt erzeugt wird, welche auf, an oder jedoch abzuwarten. Um das große Potential in einem Wohngebäude installiert sind. Der Mieterstromanbieter muss die volle EEG-Umlage für für den Ausbau erneuerbarer Energien im den gelieferten Mieterstrom zahlen. städtischen Raum zu nutzen, ist es wichtig, dass die rechtlichen und wirtschaftlichen In der Praxis erzeugt und liefert der Vermieter den Strom oft nicht selbst, sondern beauftragt Rahmenbedingungen hinreichend Anreize Dritte, denen er die entsprechenden Dachflächen zur Verfügung stellt. Hier handelt es sich häufig schaffen. Die Modelle Eigenverbrauch und um auf Energiedienstleistungen spezialisierte Unternehmen. Mieterstrom sind schließlich weiterhin nicht gleichgestellt. „Die gemeinwohlorientierten Mitgliedsunternehmen und -genossenschaften im VdW Rheinland Westfalen setzen sich bereits seit Jahren für die Energiewende und ein erweitertes Spektrum der Kritisiert wurde die EEG-Novelle aufgrund Möglichkeiten zur Nutzung regenerativer Energien – wie beispielsweise Mieterstrom – ein. Das der fehlenden Erhöhung des Ausbaupfades vorrangige Hemmnis der Gewerbesteuerproblematik ist nun durch die Reform des Erneuerbare- für die erneuerbaren Energien. Viele Studi- Energien-Gesetzes vom 1. Januar 2021 gelöst. en deuten darauf hin, dass der für 2030 hier prognostizierte Stromverbrauch deutlich zu Die Wohnungswirtschaft nimmt die Reform als positives Signal für den Mieterstrom auf, der nach niedrig angesetzt ist. Die klare Festlegung vielen Jahren für Vermieter jetzt deutlich attraktiver geworden ist. Davon profitieren Mieter, Ver- der Ausbauziele wurde der Bundesregierung mieter und die Umwelt gleichermaßen.", so VdW-Verbandsdirektor Alexander Rychter. ebenfalls per Entschließung als Hausaufgabe BMWi/IB mitgegeben und somit vorerst vertagt. IB 04/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
12 SCHWERPUNKT INTERVIEW MIT >> ANJA SURMANN, GESCHÄFTSFÜHRERIN VON KLIMADISKURS.NRW Beweggründe und Potenzial von Wasserstoff im Wohngebäudesektor Anja Surmann ist seit April 2019 Geschäfts- führerin von KlimaDiskurs.NRW. Als Lob- by für gemeinsames Handeln sieht sich der Verein dem Doppelziel verpflichtet, das Klima zu schützen und gleichzeitig den Wirtschafts- und Industriestandort zu stärken. Neben der Akteursinitiative Zukunft Wasserstoff.NRW befasst sich der KlimaDiskurs.NRW aktuell mit Aspekten rund um das Thema Mobilität und hat ge- rade eine eigene KMU-Strategie erarbeitet. Bereits 2016 hat der Verein die Gebäude- allianz NRW für Klimaschutz gegründet. VM: Im November 2020 wurde unter dem Dach des Vereins KlimaDiskurs.NRW die Akteursinitiative Zukunft Wasserstoff. NRW gegründet. Was waren die Beweg- gründe, eine themenbezogene Initiative Quelle: KlimaDiskurs.NRW zu gründen, und welche Ziele wurden bei der Gründung gesetzt? Wissenschaft an. Sie arbeiten daran, bestehen- wirtschaftlichen Umsetzbarkeit kontrovers Anja Surmann: Bis 2050 will NRW klimaneu- de und zukünftige Kontroversen zu identifi- diskutiert wird, tragen hohe Wirkungsgrade, tral werden. Um die Klimaschutzziele auch zieren, passende Lösungen zu finden und mit sinkende Energiekosten und Fördermittel zu nur annähernd zu erreichen, muss in den gemeinsamen Positionen und Forderungen durchaus beachtlichen Wachstumsraten beim Sektoren Mobilität, Wärme und Industrie an politische Entscheidungsträger und die Einbau von Brennstoffzellenheizungen bei. deutlich mehr CO2 eingespart werden als breite Öffentlichkeit heranzutreten. Wir freuen bisher. Grüner Wasserstoff ist DER Hoffnungs- uns sehr, dass auch der VdW mit an Bord ist. Vor allem das Quartier als Teil der dezentralen träger für Klimaschutz in unterschiedlichen Energiewende ist ein spannender Ort. Neue Anwendungsgebieten: Sektor- und techno- VM: Grüner Wasserstoff gilt als eins der Formen der Wärmeversorgung, die auch logieübergreifend anwendbar, speicher- und Schlüsselelemente für das Erreichen der wasserstoffbasierte Modelle einbeziehen, transportierbar spielt er im Industrie- und Klimaziele. Warum bietet Wasserstoff werden auch in NRW derzeit erprobt. Die Energieland NRW eine entscheidende Rolle. auch eine Chance für das Erreichen eines Wohnungswirtschaft vor Ort könnte sowohl klimaneutralen Gebäudebestands? Energieverbraucher, aber auch Erzeuger und Auf dem Weg dorthin stellen sich aber eine Verteiler von Energie in ihren Quartieren sein ganze Reihe Fragen und liegen auch noch Anja Surmann: Wasserstoff kann mit zahl- und so das Klima schützen. Voraussetzung: viele Kontroversen: Woher soll er kommen reichen Anwendungsmöglichkeiten in der Der eingesetzte Strom muss aus erneuerbaren und welche Farbe darf er haben? Welche An- Industrie, im Verkehr, im Energie- und im Energien kommen. wendungen bieten sich für NRW an? Und wo Gebäudesektor genutzt werden. Er ist v. a. für liegen die wirtschaftlichen und gesellschaftli- schwer zu dekarbonisierende Sektoren eine VM: Die Technologien zur Herstellung von chen Konfliktlinien? wichtige Lösung, um Treibhausgasemissio- Wasserstoff sind nicht neu. Dennoch hat nen zu verringern. Deutschland und die EU sich Wasserstoff als Energieträger bisher Diesen und weiteren Fragen will sich die setzen in ihren Wasserstoffstrategien deshalb nicht in der Breite durchsetzen können. Akteursinitiative Zukunft Wasserstoff.NRW im Hinblick auf die Anwendungsbereiche auf Woran liegt das Ihrer Meinung nach und widmen und Wege ausloten, wie der Auf- und unterschiedliche Phasen und Prioritäten. Dies welche Rahmenbedingungen müssen Ausbau einer Wasserstoffwirtschaft in NRW gilt beispielsweise für Industriezweige wie die sich ändern, um die Energieversorgung so gestaltet werden kann, dass er mit breiter Stahlerzeugung oder den Schwerlastverkehr. in Wohngebäuden durch Wasserstoff gesellschaftlicher Akzeptanz auch in die Re- Aber auch für das Gelingen der Wärmewende voranzutreiben? alisierung geht. kann grüner Wasserstoff eine Rolle spielen. Die Nutzung in großen KWK-Anlagen wie der Anja Surmann: Die Vision einer wasser- Der bundesweit einzigartigen Initiative gehö- hier in Düsseldorf würde über die Fernwär- stoffbasierten und damit emissionsarmen ren aktuell 24 institutionelle Mitglieder aus me zu einem klimaneutralen Gebäudebe- Zukunft ist in der Tat nicht neu und geht Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Industrie sowie stand beitragen. Und auch wenn die Frage der zurück bis in die 60er-Jahre. Letztendlich 04/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
SCHWERPUNKT KLIMASCHUTZ 13 blieb die Technologie jedoch weitgehend in die notwendige Akzeptanz werden wir am den Kinderschuhen stecken – zu teuer, zu Ende nicht besonders weit kommen. aufwendig war die Umstellung. 2020 war das Jahr der Wasserstoffstrategien: EU, Bund und VM: Die Herstellung der zukünftig benö- Land NRW haben ihre Vorstellungen veröf- tigten Mengen an grünem Wasserstoff fentlicht und der Energieträger ist wieder in wird, aufgrund der hohen Kosten und aller Munde. Die Umstellung auf die geplan- begrenzten Flächen, nicht in Deutschland te Wasserstofftechnologie stellt aber auch möglich sein. Welche Anforderungskri- heute noch eine immense Herausforderung terien müssen festgelegt werden, damit für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft dar. nachhaltiger Import von Wasserstoff Wasserstoff auch in Deutschland möglich Green Deal, Nationale Wasserstoffstrategie gelingen kann? ist und positive Effekte auf die heimische und die Wasserstoff-Roadmap in NRW geben Wertschöpfung und den Arbeitsmarkt hat. einen guten Rahmen für den jetzt anstehen- Anja Surmann: Die Mengen an Wasserstoff, Wir sind gut beraten, die Herstellung im ei- den Markthochlauf. Angesichts der ambiti- die wir benötigen, werden derart groß sein, genen Land weiter voranzutreiben und eine onierten Ziele muss es nun v. a. schnell mit dass die Versorgung der unterschiedlichen nachhaltige Importstrategie vorzubereiten. der Umsetzung losgehen. Zu den sektor- Sektoren nur unter Einbeziehung verschiede- Dabei müssen wir aus den Fehlern der De- übergreifend wichtigsten Rahmenbedingun- ner, klimafreundlicher Herstellungsmetho- sertec-Initiative lernen und auch bereit sein, gen gehört es, den Ausbau der heimischen den im In- und Ausland möglich sein wird. Verantwortung für die Produktionsländer Erneuerbaren Energien voranzutreiben, und ihre energie- und klimapolitischen Ziele mit dem die Herstellung und Bereitstellung Eine zu einseitige Fokussierung auf den Im- zu übernehmen. großer Mengen klimafreundlichen Wasser- port birgt nicht nur Unsicherheiten in der stoffes ja erst möglich wird. Versorgungssicherheit, sondern erscheint im Wichtig ist es, Nachhaltigkeitskriterien mög- Hinblick auf die eigenen Anstrengungen vor lichst auf internationaler Ebene zu vereinba- Letztendlich geht es neben regulatorischen Ort auch zu wenig ambitioniert und bleibt ren und gemeinsam anzuwenden. Koope- und gesetzlichen Rahmenbedingungen aber hinter unseren Möglichkeiten. So kommt rationen und Beziehungen sollten meines auch um den Dialog mit der Zivilgesellschaft, eine im November 2020 veröffentlichte Studie Erachtens nach nur mit demokratisch, poli- denn diese dürfen wir auf dem Weg in eine des Wuppertal Instituts zu dem Schluss, dass tisch und wirtschaftlich stabilen Produktions- Wasserstoffwirtschaft nicht verlieren. Ohne eine wirtschaftliche Herstellung von grünem ländern angestrebt werden. Quelle: malp – stock.adobe.com 04/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
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