VON DER TRAUMLANDSCHAFT ZUM ÜBERNUTZTEN BERGGEBIET - Tourismus in den bayerischen Alpen
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BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM INHALT 4 TOURISMUS HEUTE 5 VERKEHR 20 TAGESTOURISMUS 24 Kapazitätssteigerungen 25 Seilbahninfrastruktur 28 HOTELLERIE UND FERIENWOHNUNGEN 30 TECHNISIERUNG 31 Wintersport und Schneeerlebnisse 32 Sommersport 34 E-Mountainbikes 36 GROSSVERANSTALTUNGEN 37 DIGITALISIERUNG UND NATURNUTZUNG 38 FLÄCHENVERBRAUCH IN DEN TALRÄUMEN 39 ZWEITWOHNUNGEN UND CHALETDÖRFER 41 BERGLANDWIRTSCHAFT UND TOURISMUS 43 ERNEUERBARE ENERGIEN UND TOURISMUS 44 ANGRIFF AUF DIE NACHT 45 TOURISTISCHE ALTERNATIVEN 46 DAMIT DIE ALPEN EINE TRAUMLANDSCHAFT BLEIBEN 2 3
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM Tourismus in den bayerischen Alpen VON DER TRAUMLANDSCHAFT ZUM ÜBERNUTZTEN BERGGEBIET D ie Zeiten, in denen die Alpen ein Hort den, deutlich abnehmen. Krisen wie die Corona- der Ruhe und intakter Natur waren, sind Pandemie führen zu erheblich mehr Nahurlaub, vorbei. Inzwischen wächst der Ansturm auf mit allen Problemen der Überfüllung des alpinen die alpinen Räume in einem bisher für unmöglich Raums. Reiseziele in Europa, Deutschland und gehaltenen Ausmaß. in den Alpen werden an Attraktivität gewinnen. Bereits heute kommt ein Großteil der Urlauberin- Durch die Klimakrise muss der Tourismus global nen und Urlauber im bayerischen Alpenraum aus neu gedacht werden. Der internationale Flugver- Deutschland. kehr muss, insbesondere aus Klimaschutzgrün- 4 5
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM CORONA EIN GANZ BESONDERER, SCHÜTZENSWERTER Der Ausbruch der Corona- NATURRAUM: DIE BAYERISCHEN ALPEN Der Weg zur Kappeler I Pandemie mit dem Lock- Alp bei Pfronten n großen Teilen der baye- Mensch und Natur setzt sich down hat zunächst zu rischen Alpen finden sich eine Anspruchshaltung durch, großer Ruhe in den Bergen, noch intakte Naturräume die kaum noch Grenzen akzep- gleichzeitig aber auch zu mit höherer Biodiversität und tiert. Das macht den Schutz Sorgen in den vom Touris- geringerer Nutzungsintensität der biologischen Vielfalt und mus abhängigen Gemein- als in anderen Regionen des der alten Kulturlandschaften den geführt. Es konnte Landes. Diesen Reichtum gilt es in den Alpen so schwierig. Das allerdings davon ausge- zu bewahren. Allerdings ist er Besondere geht verloren, denn gangen werden, dass bei durch einen immer intensiveren die Faszination der bayerischen einer Lockerung der Coro- Tourismus in Gefahr. Alpen hat viel mit der geringen na-Beschränkungen der Erschließungsdichte, mit Wild- Besucherdruck aufs Gebirge Wie viele Touristinnen und nis, mit Unverfügbarkeit zu tun: wieder steigen würde. Ur- Touristen verträgt die sensib- Das ist das Geheimnis dieser laub im Inland ist angesagt le Berglandschaft? Auch das faszinierenden, anderen – und und das Ventil der Fernrei- Verhalten der Gäste ändert gefährdeten – Welt. sen fehlt. Die Situation im sich: Statt Rücksichtnahme auf TOURISMUS HEUTE Sommer und Herbst 2020 in den Alpen war geprägt Der berühmte Satz von Hans Magnus Enzensberger von unglaublichen Men- wird auch in den Alpen zur Realität schenmassen, die vorwie- gend mit dem eigenen Auto „Der Tourist zerstört, was er anreisten. Parkplätze waren sucht, indem er es findet.” in den bayerischen Alpen überfüllt, Wiesen waren zu- geparkt und Sportlerinnen Im Tourismus macht derzeit das Schlagwort des Overtourism (Übertourismus) die und Sportler auf (E-)Moun- Runde. Bekannte Tourismusdestinationen leiden massiv unter ständig steigenden tainbikes fuhren häufig in Die Klimakrise trifft die alpinen Besucherzahlen und die früher üblichen Nebensaisonzeiten, in denen nicht viel los Gruppen auf schmalsten Gebiete in mehrfacher Hinsicht. war, gibt es kaum noch. Dieser andauernde Besucherstrom beginnt in manchen Steigen und verdrängten Die Durchschnittstemperaturen Gebieten die Stimmung gegenüber den Gästen zu trüben. die Bergwanderinnen und steigen hier doppelt so schnell Bergwanderer. wie im globalen Durchschnitt. Ob Vegetationsperiode, Wasser- Ziel muss es sein, aus den Corona-Erfahrungen zu haushalt, Schneegrenze oder Gletscher: Das ganze System In den südlichen Schweizer Alpen MASSENTOURISMUS OVERTOURISM ODER OVERCROWDING lernen und die richtigen gerät aus dem Takt. Zudem trifft flüchten die Schneehühner bereits in höhere Lagen – so schnell wie kaum Beschreibt eine große Anzahl ÜBERTOURISMUS („ÜBERMENGEN“) Schlüsse für die Touris- die Temperaturerhöhung auf eine andere Tierart. In Bayern ist das auf von Reisenden an einem Verstärkung des Massentouris- Bezeichnet die Überfüllung musentwicklung zu ziehen: hoch spezialisierte Ökosysteme, Grund der Höhenlage kaum möglich. bestimmten Reiseziel. mus. Hier treten im Tourismus von stark besuchten Vor allem der Tagestouris- die besonders unter der Temperaturerhöhung und der zuneh- Konflikte zwischen Einheimi- touristischen Zielen. mus mit dem Auto muss menden Konkurrenz der von unten nachdrängenden Aller- schen und Besucherinnen und zugunsten eines etwas weltsarten leiden. Diese hohen Belastungen werden durch Besuchern offen zutage. Die ruhigeren und verkehrsär- überbordende Freizeitaktivitäten und den stark wachsenden Gäste werden als Störfaktor meren Übernachtungstou- Tourismus verstärkt. Im Übrigen ist zu erwarten, dass die wahrgenommen, der das rismus begrenzt werden. Tourismusnachfrage im bayerischen Alpenraum wegen der tägliche Leben belastet. Klimakrise noch weiter steigen wird. 6 7
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM Der Tourismus hat die einst armen Gebirgstäler im Alpenraum wohlhabend gemacht. DER BAYERISCHE ALPENRAUM WIRD Die Tourismusorte stehen heute allerdings vor der Frage: IMMER INTENSIVER GENUTZT D ie bayerischen Alpen waren lange Zeit auf Grund der Topographie und des geringen Welchen Tourismus Erschließungsgrades ein extensiv genutz- tes Gebiet, welches der Tourismus ab Mitte des wollen wir?" 19. Jahrhunderts entdeckte. Nach Beginn des 20. Jahrhunderts und besonders nach dem Zwei- ten Weltkrieg begann der Erschließungsboom. I n manchen Gebieten kippt die Stimmung der Menschen aus Europa ein begehrtes Reiseziel 1972 trat als wichtigstes Instrument zum Schutz Einwohner insbesondere gegenüber den Tages- wird. Das hängt nicht nur von der schwierigen der bayerischen Alpen der bayerische Alpenplan touristinnen und -touristen. Demonstrationen Sicherheitssituation in vielen Urlaubsländern in Kraft. Er regelt, wo und in welchem Maße die am Walchensee, Verkehrskollaps am Eibsee, ab. Auch die Folgen des Klimawandels werden Berge erschlossen werden dürfen und wo nicht. Drehkreuze an der Partnachklamm, alarmieren- spürbar. Viele Urlaubsdestinationen werden für Damit wurden die gröbsten Erschließungen einer Andrang an der Partnachklamm de Zunahme der Rettungseinsätze am Berg und Sommertouristen auf Grund der Hitze unattraktiv. bisher nicht verfügten Landschaft abgewendet. Widerstand gegen weitere Erschließungsmaß- Ziel internationaler Umweltpolitik in Zeiten der In der Zone C des bayerischen Alpenplans, die Event-Kulisse und zur Geschäftsidee. Auch die nahmen, wie zum Beispiel am Grünten, prägen Klimakrise muss zudem sein, den touristischen 43 Prozent des bayerischen Alpenraums umfasst, "Geheim-Tipp"-Preisgaben von bisher unverfüg- zunehmend die Diskussionen. Flugverkehr zu begrenzen. ist der Bau von öffentlichen Straßen und Berg- ten Landschaften wie einsame Bergregionen, stil- Die Frage, wie viele Touristinnen und Touristen bahnen nicht zulässig (siehe BN Informiert "Der le Seen und wilde Wälder durch Journalistinnen die sensible Berglandschaft verträgt, bewegt Alpenplan" unter www.bund-naturschutz.de/ und Journalisten, Bücher, Prospekte, Fernsehbe- zunehmend mehr Menschen. alpen/alpenplan richte, Online-Karten – und in guter Absicht sogar Doch auch das bewahrt die bayerischen Alpen die veröffentlichten Erfahrungen von Naturschüt- In den vergangenen Jahren haben nicht vor anwachsenden Besuchszahlen. Ein zern – erschließen deutlich und auch Menschen aus dem asiatischen Grund ist die bessere Erreichbarkeit durch den schnell die beschriebenen Raum, insbesondere aus China, Euro- massiven Ausbau von Straßen und des forst- und Gebiete. pa als Urlaubsziel entdeckt. Ob das in landwirtschaftlichen Wegenetzes in Kombination Bei vielen kom- Zeiten der Klima- und der Corona-Krise mit neuen Formen der individuellen Mobilität merziellen Ange- so bleiben kann, ist abzuwarten. (Mountainbikes, E-Mountainbikes, siehe boten wird die Gleichzeitig ist davon auszugehen, www.bund-naturschutz.de/alpen/tourismus Natur nur noch dass der Alpenraum für immer mehr Ein weiterer Grund ist der Kapazitätsausbau von als Kulisse benutzt. Bergbahnen. Diese Infrastrukturen bedienen das Im Mittelpunkt stehen Bedürfnis nach Erlebnis, nach Freizeit und Aben- schnell durchzuführende teuer in der Natur, in den Bergen. Darauf gehen Events, welche die Kasse bei zahllose Freizeitaktivitäten (siehe Grafik) und den Betreiberinnen und Betreibern kommerzielle Angebote ein – Natur wird hier zur klingeln lassen. 8 9
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM DIE VIELZAHL DER AKTIVITÄTEN IN DER ALPINEN NATUR IST FAST UNÜBERSCHAUBAR UND WÄCHST STÄNDIG Bergsteigen und Bergwandern, Skibergsteigen, Biken, E-Biken, Mountainbiken, Rennradfahren, Down-Hill-Racing, Canyoning, Surfen, Angeln, Rafting, Wasserskifahren, Kanufahren, Rudern, Stand-up-Paddling, Wildwasserfahren, Tauchen, Alpinski, Freeriding, Snowboarden, Rodeln, Freeride Snowboarden, Nachttourenskiing, Schneeschuhwandern, Langlaufen, Schlittschuhlau- fen, Winterrodeln, Apres Ski, Ziplining (Flying-Fox, Rollglider, etc.), Seilbahnfahren, Ballonfahren, Motorfliegen, Segelfliegen, Paragliding, Drachenfliegen, Motorradsport, Autorennen, Reiten, Gol- fen, Inlineskaten, Klettern (Sportklettern), Klettersteig gehen, Klettergarten besuchen, Wandern, Trailrunning, Nordic Walking, 24-Stunden-Läufe, Marathonlaufen, Jagen, Bogenschießen, Paint- ball, Sommerrodeln, Feiern in den Bergen, Fackelwanderungen, Campieren/Biwakieren in der Nacht, Sonnenaufgangswandern, Festveranstaltungen auf Berghütten, Junggesellenabschiede, Drohnenfliegen, Iglu-Übernachtung, Hüttenübernachtung, Berggottesdienste, nächtliche Öffnung der Hütten, Open Air-Konzerte, Sportgroßveranstaltungen, Hängebrücken überqueren, Aussichts- plattformen besuchen, Spielplätze besuchen, und vieles mehr. 10 11
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM STETIGES WACHSTUM BEI DEN TOURISMUSZAHLEN IN DEN VERGANGENEN JAHREN ENTWICKLUNG GÄSTEÜBERNACHTUNGEN ENTWICKLUNG GÄSTEÜBERNACHTUNGEN IN DEN BAYERISCHEN ALPENLANDKREISEN 2000-2019 2019 sind über 7 Millionen Übernachtungsgäste Die Entwicklung lief allerdings äußerst uneinheit- in8den bayerischen Alpengemeinden der Alpenlandkreise 2000-2019 mit knapp 28 Millionen Übernachtungen in die lich. Viele traditionelle Urlaubsorte in Oberbayern 7 etwa 100 bayerischen Alpengemeinden1 gereist hatten gerade Anfang der 2000er Jahre erhebli- (siehe Abbildung Folgeseite). Dazu kommen che Einbrüche in den Übernachtungszahlen zu Gästeübernachtungen in Millionen 6 rund 90 Millionen Tagesgäste. Beachtenswert ist, verzeichnen, während diese im Allgäu in diesem dass im Oberland südlich von München auf eine Zeitraum relativ stabil geblieben sind. Ab 2010 5 Übernachtung im Schnitt 5 Tagesgäste kamen, setzt dann in praktisch allen Landkreisen wieder 4 während im Allgäu und dem südostbayerischen ein leichtes bis erhebliches Wachstum ein. Spit- Alpenland im Durchschnitt 3 Tagesgäste auf eine zenreiter sind die Alpengemeinden in den Land- 3 Übernachtung kamen. kreisen Ostallgäu (plus 26 Prozent, 2010-2019), 2 Die Gästezahl hat in den bayerischen Alpenge- Rosenheim (plus 19 Prozent, 2010-2019) und meinden zwischen 2000 (rund 4,5 Millionen) Oberallgäu (plus 18 Prozent, 2010-2019). 1 und 2019 (7,2 Millionen) um rund 37 Prozent Gerne wird aber übersehen, dass zur Nutzung zugenommen. Durch den starken Rückgang der und Übernutzung unserer Landschaft nicht nur 0 2000 2005 2010 2015 2019 Aufenthaltsdauer (Halbierung in den vergange- die Gäste beitragen. Auch die Freizeitansprüche Jahre nen 25 Jahren, siehe Abbildung) fällt der Anstieg der Einheimischen sind stark gestiegen und Lkr. Bad Tölz Wolfratshausen Lkr. Berchtesgadener Land Lkr. Garmisch-Partenkirchen Lkr. Lindau (Bodensee) der Gesamtübernachtungen deutlich geringer tragen zur Gesamtbelastung bei. Viel Freizeit Lkr. Miesbach Lkr. Oberallgäu Lkr. Ostallgäu Lkr. Rosenheim Lkr. Traunstein Lkr. Weilheim-Schongau aus. Diese sind zwischen 2000 (26,8 Millionen) und Nutzungsdruck auf leichter erreichbare und 2010 (23,5 Millionen) zunächst noch zurück- Naturschönheiten veranlasst zudem ortskundige Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik gegangen, um dann wieder bis 2019 (27,6 Millio- Einheimische, dem Rummel zu entfliehen und in nen) deutlich anzuwachsen (siehe Abbildung). bisher ruhige Gebiete vorzudringen. ENTWICKLUNG DER AUFENTHALTSDAUER 1 Alpengemeinden nach bayerischem Landesentwicklungsprogramm: Gemeinden des Alpenplans der Touristen in den bayerischen Alpengemeinden der Alpenlandkreise 2000-2019 VERGLEICH VERGLEICHGÄSTEÜBERNACHTUNGEN GÄSTEÜBERNACHTUNGEN– TAGESREISEN (2013) (2013) - TAGESREISEN 10 30 9 25 8 20 7 Aufenthaltsdauer in Tagen 15 6 10 5 5 4 0 3 Allgäu Zugspitz-Region, Tölzer Land, Chiemsee-Alpenland, Pfaffenwinkel, Starnberger Fünf- Chiemgau, Alpenregion 2 Seen-Land, Ammersee-Lech Tegernsee Schliersse, Inn-Salzach, 1 2000 2005 2010 2015 2019 Berchtesgadener Land Jahre Lkr. Bad Tölz Wolfratshausen Lkr Berchtesgadener Land Lkr. Garmisch-Partenkirchen Lkr. Lindau (Bodensee) Lkr. Miesbach Gästeübernachtungen in Mio. pro Jahr Anzahl der Tagesreisen in Mio. pro Jahr Lkr. Oberallgäu Lkr. Ostallgäu Lkr. Rosenheim Lkr. Traunstein Lkr. Weilheim-Schongau Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik Quelle: dwif 2013: Tagesreisen der Deutschen 12 13
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM WAS MACHT DER TOURISMUS MIT Der bayerische Alpenraum kann diesen Ansprü- chen noch in weiten Bereichen gerecht werden, DEM BAYERISCHEN ALPENRAUM? denn es handelt sich nach wie vor um eine der Zentrale Beweggründe für eine Reise in die Alpen naturnächsten Regionen Bayerns und Deutsch- sind oft Bilder, die in den Köpfen der Besuche- lands. Diesen Schatz gilt es zu bewahren. rinnen und Besucher verankert sind: Schöne Die Realität weicht an immer mehr Orten des Landschaft, ländliche Idylle, einsame Gebiete, bayerischen Alpenraumes zunehmend von diesen saubere Luft, Ruhe und Entspannung. Dies zeigen Bildern ab und die Probleme durch die intensive seit Jahren auch die entsprechenden Umfragen Nutzung nehmen zu. (siehe Grafik). WICHTIGE ASPEKTE BEI DER AUSWAHL ALS URLAUBSZIEL: ALLGÄUER ALPENZIELE WICHTIGE ASPEKTE BEI DER AUSWAHL ALS URLAUBSZIEL: ALLGÄUER ALPENZIELE (IN %) Überfüllter Parkplatz in Prozent am Ende der Mautstra- ße zur Scheidwangalpe Natur/Landschaft 88 VERKEHR (Lkr. Oberallgäu) Ruhe und Erholung 80 Preis-Leistungsverhältnis 76 gutes Essen 71 komfortable Unterkunft 60 preiswerte Unterkunft 57 Der motorisierte Individualverkehr ist das Hauptproblem. Wetter 52 Er wird durch wachsenden Tagestourismus und einer immer geringe Verkehrsbelastung am Urlaubsort 50 kürzer werdenden Aufenthaltsdauer der Übernachtungs- kurze Anreisezeit 43 touristinnen und -touristen gefördert. Vielfalt des Angebots an Freizeiteinrichtungen 33 Vielfalt des Angebots für sportliche Aktivitäten 30 U Angebot an Bademöglichkeiten (Seen, Naturbäder, Frei-/Hallenbäder) 29 ngefähr 75 Prozent der Kohlendioxid- Die übliche Reaktion auf Staus und überfüllte regionales Brauchtum 27 Emissionen im Alpentourismus kommen Parkplätze ist meist der Ausbau von Straßen- und Vielfalt des Angebots an kulturellen Sehenswürdigkeiten (z. B. Museen, …) 26 aus dem Verkehrssektor. Parkplatzkapazitäten. Außerdem ist zu beobach- größere Stadt/Städte als bequem zu erreichendes Tagesausflugziel 20 ten, dass viele touristische Infrastruktur-Investi- Shopping-Möglichkeiten 13 Die Blechlawinen, die sich an Wochenenden und tionen in die bisher noch unberührteren Hochla- 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 in den Ferien in die Alpen wälzen, verbreiten gen, abseits vom Lärm und Gestank der Talräume, Lärm und Luftschadstoffe. In den Tälern sind die geplant werden. Quelle: Mittelstandsinstitut der Hochschule Kempten, CenTouris an der Universität Passau und GfK SE im Auftrag der DB Regio Allgäu-Schwaben (2015): Das Allgäu im alpinen Wettbewerb negativen Folgen aufgrund der Topographie noch Eine Vielzahl verkehrswissenschaftlicher Studi- viel gravierender als im Flachland. Ganz beson- en und Erfahrungen im bayerischen Alpenraum ders störend ist unnötiger Motorradlärm, den zeigen: „Wer Straßen und Parkplätze sät, wird einige Fahrerinnen und Fahrer als besonderen Verkehr ernten.“ Die Nachfrage wird durch neue Spaßfaktor mit lautem Röhren zelebrieren. Die Straßen immer weiter gesteigert (siehe Kasten Aufenthalts- und Lebensqualität für Einwohne- Erreichbarkeitszunahme), so dass mit Straßen- rinnen und Einwohner sowie Touristinnen und baumaßnahmen der Stau nur verlagert wird und Touristen im Umfeld von stark befahrenen Stra- neue Parkplätze nach kürzester Zeit auch wieder ßen ist inzwischen erheblich eingeschränkt. Oft überquellen. Das alte Problem ist dann auf höhe- sind solche Orte auch kein attraktives Urlaubsziel rem Level wieder da. für Übernachtungsgäste mehr. 14 15
B23 Nordportal Kramertunnel BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM Beispiel PARKSITUATION AM KOCHEL- UND WALCHENSEE Insbesondere der Walchensee, das umgeben- Durchfahrtsverbote an den übrigen Ufer- de Landschaftsschutzgebiet und die umlie- straßen und parken illegal im Landschafts- genden Dörfer sehen sich an schönen Tagen schutzgebiet. im Sommer einem regelrechten Massenan- Zusätzlich verschärft wird die Situation sturm ausgesetzt. An der Süduferstraße, einer insbesondere für den Ort Walchensee durch Mautstraße im Besitz der Bayerischen Staats- die Herzogstandbahn, deren Parkplatz regel- forsten, parken teilweise bis zu 1500 Fahrzeu- mäßig überfüllt ist. Die Gäste weichen dann in Beispiel Beispiel ge. Hierfür wird eine geringe Maut erhoben, den Ort aus und parken an den innerörtlichen jedoch keine Parkgebühr. Nun will man durch Straßen, vor Einfahrten oder auf Wiesen. B19 KEMPTEN– B2 ESCHENLOHE– eine Schrankenlösung Parkgebühren erheben Am Kochelsee werden insbesondere am SONTHOFEN GARMISCH-PARTENKIRCHEN und am Ost- und Westende der Mautstraße Wochenende viele Straßen in den Ortschaften Durch den vierspurigen Ausbau des letzten Das Autobahnende bei Eschenlohe erfüllt zusätzlich jeweils einen Parkplatz für 200 um den See (Kochel und Schlehdorf) zuneh- noch zweispurigen Abschnitts der B19 zwi- bisher eine Art „Pförtnerfunktion“. Die Fahrzeuge schaffen, um einen Rückstau auf mend von parkenden Fahrzeugen nahezu schen Kempten und Sonthofen hat sich die Verengung der A95 auf eine zweispurige die Bundesstraße zu vermeiden. unpassierbar, ein unhaltbarer Zustand für Anzahl der Kraftfahrzeuge zwischen 2005 Bundesstraße führt heute dazu, dass sich Aufgrund der räumlich beengten Situation Einheimische sowie Rettungsdienste. (durchschnittlich 18 700 Fahrzeuge) über die Blechlawinen hier stauen und nur rund um den See ignorieren Gäste regelmäßig 2010 (23 300 Fahrzeuge) im Jahr 2015 auf dosiert ins Loisachtal fahren können. Nun 27 600 Kraftfahrzeuge stark erhöht2. wird im Wahlkreis von Ex-Bundesverkehrs- Die Folge: Ständige Staus am Ende des minister Alexander Dobrindt rund 1 Milli- vierspurigen Abschnitts bei Sonthofen und arde Euro in neue Straßenbauprojekte im Ungefähr 75 Prozent der Kohlendioxid-Emissionen im im weiteren Verlauf an den Ampeln der B19 Loisachtal investiert. Neben dem geplanten Alpentourismus kommen aus dem Verkehrssektor. bis Oberstdorf, sowie heillos überfüllte Auerbergtunnel am Autobahnende sind Parkplätze in Oberstdorf und dem die Tunnelumfahrung von Oberau und der 75% Kleinwalsertal. Kramertunnel in Garmisch bereits im Bau. 2 Zählstelle 83279137 der amtlichen Straßenverkehrszählung Geplant sind zudem ein Wanktunnel um Partenkirchen und ein neuer Anschluss der B23 an die B2 bei Oberau. Die Automassen werden künftig noch schneller als heute an Anstatt einer neuen Verkehrspolitik mit einem viele ohnehin schon übernutzte Attraktio- konsequenten Ausbaustopp für Straßen und nen gelangen. Neue Parkplätze und weitere Parkplätze, um den Verkehr auf öffentliche Ver- Straßenbauten werden die Folge sein. Im kehrsmittel zu verlagern, investieren Landkreise, benachbarten Österreich wächst dadurch Land und Bund Milliarden in den Neu- und Aus- der Druck, die Fernpassroute mit weiteren bau von Straßen in sensibelsten Gebieten. In den Tunneln auszubauen, obwohl die Alpen- bayerischen Alpenlandkreisen sind im aktuell konvention den Bau neuer hochrangiger gültigen Staatsstraßenausbauplan 83 Neu- und Alpentransitrouten verbietet. Ausbauprojekte mit einem Investitionsvolumen von über 300 Millionen (Kalkulation von 2011!) und im aktuell gültigen Bundesverkehrswegeplan 52 Projekte mit einem Volumen von 4,1 Milli- arden Euro (Stand 2015) enthalten. Aufgrund der Baukostensteigerungen ist mit weit höheren Kosten zu rechnen. 16 17
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM STRASSENBAUPROJEKTE IM BAYERISCHEN ALPENRAUM STRASSENKLASSEN Staatsstraßen (Aus- und Neubau-Vorhaben lt. Staatsstraßenausbauplan von 2011) Autobahnen und Bundesstraßen (lt. Bundesverkehrswegeplan von 2016) 18 19
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM UM DIESE VERKEHRSPROBLEME ABZUMILDERN, MUSS, NEBEN EINER MODERNEN VERKEHRSPOLITIK, DER STRASSENAUSBAU UND STRASSENNEUBAU IN DEN BAYERISCHEN ALPENLANDKREISEN GESTOPPT WERDEN! € INVESTITIONEN PARKPLATZBAUTEN PARKGEBÜHREN VERLAGERN Es müssen die Investitionen in einen gut ausgebauten öffent- lichen Nahverkehr verlagert BEENDEN Es müssen die Parkplatz- aus- und -neubauten an touristischen Infra- ERHÖHEN Es muss ein Parkraum- management mit einer deutlichen Erhöhung der TAGESTOURISMUS werden, damit Bahn und Bus strukturen und an Parkplatzgebühren Durch die Straßenneu- und -ausbauten ist es für einen immer größeren Kreis an sowohl bei der Anreise also touristischen Destinatio- eingeführt werden, Menschen möglich und attraktiv, an einem Tag in die bayerischen Alpen und zurück zu auch bei der Fortbewegung in nen beendet werden. Sie um im Regelfall eine fahren. Das hat zu einer enormen Zunahme des Tagestourismus geführt. den bayerischen Alpen (West- kosten wertvolle Natur- Anreise mit öffentlichen E Ost) eine echte Alternative zum flächen und ziehen zusätz- Verkehrsmitteln deutlich iner Erhebung von 2013 des Deutschen 2,4 Millionen Einwohner, Ende 2018 bereits 2,9 Auto werden. Gerade der lichen Verkehr an. günstiger zu gestalten. Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Millionen, und die Tendenz ist steigend. Tagestourismus sollte Fremdenverkehr (dwif) zufolge besuchen Beworben wird der Wirtschafts- und Wohnstand- dabei im Fokus stehen. etwa 90 Millionen Tagesgäste jährlich den bay- ort München mit seinem schönen Umland. Der erischen Alpenraum. Ein weiterer Grund ist das gesamte bayerische Alpenraum gehört inzwi- Wachstum des Großraums München. Am 31. schen zum Tageseinzugsgebiet von München. Dezember 2000 lebten in der Region München3 Beispiel OBERSTDORF – TAGESREISE-EINZUGSGEBIET VERDREIZEHNFACHT! STRASSEN MOTORRÄDER Massive Straßenausbauten und das Bevölkerungswachstum in Süddeutschland haben dazu geführt, dass sich der Kreis an Personen, die mit dem Auto innerhalb von 2,5 Stunden nach SPERREN EINSCHRÄNKEN Oberstdorf fahren können, zwischen 1970 und 2020 in etwa verdreizehnfacht hat. Lebten 1970 Es müssen Bergstraßen/ Es müssen Fahrverbote für nur rund 660 000 Menschen im deutschen 2,5-Stunden-Umkreis um Oberstdorf, können im Jahr Mautstraßen in abgelegenen laute Motorräder nach dem 2020 über 8,5 Millionen Deutsche den Urlaubsort im Allgäu in derselben Zeit erreichen. Alpentälern gesperrt Vorbild Österreichs und Teil- Auch die Anzahl der Deutschen, die in weniger als einer Stunde nach Oberstdorf mit dem Pkw werden, siehe sperrungen für Motorräder kommen können, hat stark zugenommen. Waren es 1970 nur etwa 160 000 Menschen, so kön- www.bund-naturschutz.de/ an bestimmten, besonders nen 2020 in etwa 470 000 Menschen in einer Stunde oder weniger nach Oberstdorf gelangen. alpen/siedlung-verkehr- belasteten Strecken Der mit Abstand größte Teil der Zunahme des Einzugsgebietes beruht dabei auf Straßenausbau- energie eingeführt werden. ten. Das Bevölkerungswachstum spielt nur eine untergeordnete Rolle (Analyse Einzugsgebiet Oberstdorf: Eigene Berechnungen des BN). 3 Die Planungsregion München umfasst neben Stadt und Landkreis München die Landkreise Starnberg, Fürstenfeldbruck, Dachau, Erding, Freising, Ebersberg und Landsberg. 20 21
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BEDEUTUNG VON TAGES- UND ÜBERNACHTUNGSGÄSTEN IM ALLGÄU 2015 in Prozent BEDEUTUNG VON TAGES- UND ÜBERNACHTUNGSGÄSTEN IM ALLGÄU 2015 (IN %) Aufenthaltstage: 108,16 Mio. Tage | Umsätze: 5048,1 Mio € 49,2 Tagesgäste 77,7 50,8 Übernachtungsgäste 22,3 UM DIE PROBLEME DES TAGESTOURISMUS EINZUGRENZEN, MÜSSEN 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 • i n den Kommunen klare Ziele in Richtung • w enn die Parkplätze voll sind, die Zufahrts- Ökologie und Umweltfreundlichkeit definiert straßen in die Hochtäler für weitere Besu- Umsatz Aufenthaltstage werden, cherinnen und Besucher gesperrt werden. Quelle: DWIF 2016 Diese müssen dann auf den Bus umsteigen. • a lle touristischen Aktivitäten und Investi- tionen auf den Übernachtungstourismus • w enn Parkplätze in Tourismusgebieten ausgerichtet und keine zusätzlichen Infra- voll sind, der Verkehr durch großräumige 80% strukturen geschaffen werden, die weitere Informationskampagnen über App, Tagesgäste anziehen (Sommer-Event- Verkehrsfunk und Verkehrsleitsysteme Infrastrukturen, wie Sommerrodelbahnen; entflochten werden, damit potenzielle Ski-Alpin-Infrastrukturen), Besucherinnen und Besucher überlastete TAGESGÄSTE Bereiche gar nicht mehr anfahren. • der ÖPNV im bayerischen Alpenraum flächendeckend ausgebaut werden, Wenn die Parkplätze überfüllt sind, werden die Straßenränder über Kilometer zugeparkt, wie hier in Reichenbach bei Oberstdorf • A lpenpässe für Motorradfahrerinnen und -fahrer gesperrt werden, • h ohe und flächendeckende Parkplatzgebüh- ren an allen Parkmöglichkeiten im bayeri- schen Alpengebiet erhoben werden. Außer- halb von ausgewiesenen Parkplätzen sind Beschränkungen zu erlassen. • N achtparkverbote – mit Ausnahme von Hüttengästen auf Wanderparkplätzen – Eine Studie des Tourismusconsulting-Unternehmens dwif von 2016 ergab, dass fast 80 Prozent der nächtliches Campieren verhindern, Aufenthalte im Allgäu Tagesaufenthalte waren. Bei einer Wertschöpfung der Tagesgäste von nur knapp 50 Prozent gegenüber den Übernachtungsgästen haben die Tagesgäste aber einen weit überproportio- nalen Anteil zum motorisierten Individualverkehr beigetragen. 22 23
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM SEILBAHNINFRASTRUKTUR E s gibt unterschiedliche Gründe, warum Men- dern ohne Infrastruktur. Durch die umfangreichen schen einen Weg von ein oder zwei Stunden Marketingmaßnahmen der Infrastrukturbetreiber und mehr einfache Strecke im Auto auf sich werden Bedürfnisse für Ausflüge in die Alpen nehmen, um in die Alpen zu fahren. geweckt, die es ansonsten nicht gäbe. Um im Winter Alpinskifahren in Zeiten des Kli- Ein wesentliches Kriterium bei der Wahl des mawandels in den bayerischen Alpen möglich Urlaubsortes sind „Aufstiegshilfen“. Viele der zu machen, wird der Aufwand insbesondere für Tagesausflüglerinnen und -ausflügler in den die energieintensive künstliche Beschneiung Alpen nutzen eine Seilbahn. Im Winter zum Alpin- immer größer. Der erhöhte finanzielle Aufwand Skifahren, zum Rodeln oder Winterwandern rund muss durch steigende Nutzungszahlen ausge- um die Gipfelstation, im Sommer einfach, um die glichen werden, sonst rentiert sich das Geschäft Aussicht von der Bergstation zu genießen, eine nicht mehr. Zudem muss auch die klimabedingt Wanderung von der Bergstation aus zu unter- rückläufige Anzahl der Skitage pro Winter kom- nehmen, eine Fun-/Action-Infrastruktur (wie eine pensiert werden. Deshalb war in den vergange- Sommerrodelbahn) zu benutzen oder um eine nen Jahren eine Welle von Seilbahnneubauten Veranstaltung im Umfeld der Bergstation zu be- und Lifterneuerungen zu beobachten, die in der suchen. Bergbahnen werben aktiv um Kundinnen Regel mit einer Erhöhung der Transportkapazität und Kunden. Das ist der Unterschied zum Wan- verbunden waren. KAPAZITÄTS- STAATLICHE SEILBAHNFÖRDERUNG VON 2009 BIS 2019 STAATLICHE SEILBAHNFÖRDERUNG VON 2009 BIS 2019 STEIGERUNGEN Sudelfeld Hochfelln Ofterschwang-Gunzesried Kolben 4 878 500 € 4 500 000 € Nesselwang 421 000 € Rettenberg 500 000 € 1 350 000 € 6 657 000 € Hocheck Kranzberg Jenner Steibis 248 000 € Unterjoch 51 000 € 10 416 000 € 1 775 000 € 1 970 500 € Der Tourismus in den bayerischen Alpen ist derzeit geprägt von hohen Wachstumsraten. Diese verlocken zum Aus- und Neubau von Infrastrukturen aller Art, die dann durch intensive Werbemaßnahmen ausgelastet werden sollen. Hündle Winklmoosalm/Steinplatte Götschen 2 712 000 € Karwendelbahn 2 102 000 € 140 000 € 2 362 000 € Nebelhorn 78 000 € 12 266 300 € Oberjoch Hochplatte Balderschwang Eckbauerbahn Söllereck 7 390 000 € 403 500 € STAND 2 328 000 € 3 200 000 € in Prüfung 14 822 900 € bewilligt Förderung von Seilbahnen und Beschneiungsanlagen durch Seilbahnrichtlinie und Bayerisches Regionales Förderprogramm Quelle: Landtagsanfrage vom 23.10.2019 24 25
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM U teilweise sogar ersetzt. Insgesamt steigen damit Die Angaben über Gesamtkapazitäten trügen zum Über 1000 Demonstrierende bilden eine m die erhöhten Kapazitäten auch im Som- rote Linie gegen noch mehr Freizeit- bei hohen Beförderungskapazitäten die Beförde- Teil, da sie die Gesamtkapazität von einzelnen infrastruktur am Grünten im Allgäu. mer besser auszulasten, wurden vielerorts rungszahlen der Seilbahnen. Liften mit beinhalten. Die Grundkapazität der gro- ergänzende Action- und Fun-Elemente im Andere, besonders attraktive Seilbahnen, wie die ßen Bahnen, die den Zutritt in die Skigebiete vom Umfeld der Bergstationen errichtet: Sommerro- Nebelhornbahn in Oberstdorf oder die Zugspitz- Tal aus ermöglichen, ist deutlich stärker gewach- delbahnen, Rollglider, Ziplines, Klettergärten, Seilbahn in Grainau, sind aber jetzt schon ohne sen. Damit werden immer mehr Menschen zu Ta- Mountainbike-Parks, Großspielplätze oder Aus- größere Event-Infrastruktur auch im Sommer an gesausflügen in die bayerischen Alpen animiert. sichtsplattformen unterschiedlichster Art. ihren Kapazitätsgrenzen angelangt und wurden oder werden mit erheblichen Kapazitätserweite- Diese Rummelplätze am Berg werden dann noch rungen erneuert. zusätzlich in den voralpinen Agglomerations- Der Neubau von Seilbahnen und die damit Ob der Besucher oder die Besucherin angesichts räumen beworben und ziehen täglich tausende des Massenandrangs und völlig überlasteter Zu- verbundenen Kapazitätsausweitungen Besucherinnen und Besucher an. Durch den Umbau von Schleppliften in Sessellifte fahrtswege mit langen Staus die in der Werbung werden inzwischen im Regelfall von der dargestellten Qualitäten der Bergwelt dann noch bayerischen Staatsregierung mit rund oder Kabinenbahnen entsteht bei vielen Skige- erleben kann, ist fraglich. bietsbetreibern der Wunsch, einen Liftbetrieb 30 Prozent aus Steuergeldern gefördert. In den vergangenen Jahren wurden die Seilbahn- auch im Sommer anzubieten. Die bayerische Seil- kapazitäten in den großen bayerischen Skigebie- bahnförderrichtlinie verlangt das auch explizit als 30% ten massiv ausgeweitet. Demgegenüber haben ei- Förderbedingung. Die Sommernutzung ist damit nige kleinere Skigebiete den Betrieb aufgegeben. für viele Skigebiete ein wichtiges neues Stand- Im Saldo sind die Kapazitäten jedoch gestiegen. bein geworden, welches den Winter ergänzt und STEUERGELDER ENTWICHLUNG DER SEILBAHNKAPAZITÄTEN IN GROSSEN BAYERISCHEN SEILBIS ENTWICKLUNGVONDER2000 SKIGEBIETEN NKAPAZITÄTEN IN BAH2020 GROSSEN BAYERISCHEN SKIGBIETEN VON 2000 bis 2020 * Jenner Ausbau der Jennerbahn im Kapazitäten in Personen/Stunde Sudelfeld Berchtesgadener Land Brauneck 2000: 4 500 2000: 21 000 Ofterschwang 2020: 19 100 2020: 9 500 2000: 19 200 + 111 % 2000: 6 800 Garmisch Classic 2020: 19 700 –9% Balderschwang 2020: 10 400 2000: 15 860 +3% 2000: 7 300 + 53 % 2020: 21 100 2020: 12 200 + 33 % Der Tourismus soll der Bevölkerung dienen und nicht Einzelinteressen. Nur angepasste Strukturen + 67 % werden auf Dauer auch wirtschaftlich sein. DAHER IST BEI KAPAZITÄTSAUSWEITUNGEN ZU BEACHTEN • V iele Naturräume werden durch die Kapazitätssteigerungen überlastet. Daher ist der weitere Ausbau von Kapazitäten zu unterlassen. Stümpfling/Sutten Winkelmoos/Steinplatte • D ie Seilbahnförderrichtlinien müssen völlig neu ausgerichtet werden. Im Zentrum sollten Ersat- Oberjoch 2000: 23 000 zinvestitionen von bestehenden Seilbahnen ohne Kapazitätssteigerungen stehen. Im Rahmen 2000: 10 400 2020: 32 800 Fellhorn/Kanzelwand 2000: 5 300 Zugspitze 2020: 12 168 2020: 12 400 + 43 % eines regionalen seilbahntouristischen Konzeptes muss ein öffentliches Interesse als Grundla- 2000: 18 200 2000: 11 500 + 17 % 2020: 22 000 + 134 % 2020: 13 100 ge für eine Förderung dargestellt werden. Zuschüsse für Wintersportanlagen sind zu streichen. + 21 % + 14 % • E ine Rückbaupflicht der Anlagen bei neuen Seilbahngenehmigungen, kombiniert mit einer Ver- ltene Skizentrum Grafenherberg-Su delfeld durch die Berechunungsmethode. Einerseis wird das abgespa pflichtung zur Rücklagenbildung für den Abbau, ist bindend in den Genehmigungsbescheiden * Der Rückgang der Kapazitäten ist nur scheinbar und entsteht ten früher zusammengezählt wurden, durch einen längeren Lift ersetzt worden. ts sind mehrere kürzere Lifte, deren Kapazitä nicht mehr mitgerechnet, andersei zu verankern. Quelle: ADAC SkiGuide Alpen 2001 und www.skiresort.de 26 27
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM HOTELLERIE UND Hotel-Neubau der Kette aja. Großhotels von externen Investoren erhöhen die Beispiel RUHPOLDING FERIENWOHNUNGEN Übernachtungskapazitäten enorm, passen sich oft nicht in das Ortsbild ein und sind eine starke Konkurrenz zu familiengeführten Kleinbetrieben. Im Ort Ruhpolding hat 2019 auf 2,7 Hektar Fläche ein Hotel der aja-Kette eröffnet. Mit I m Gegensatz zu anderen Urlaubsregionen wird 488 Betten im unteren Preisbereich, mit ein Großteil der Übernachtungsbetriebe im einem Restaurant, zwei Pools und Spa- bayerischen Alpenraum von Familien aus der Bereich bedeutet das eine starke Konkur- Region getragen. Das soll auch weiterhin so blei- renz für die lokalen Kleinvermieterinnen ben. Allerdings wächst der Druck, große Beherber- und -vermieter. Schon von 2012 bis 2017 gungsbetriebe in Außenbereichen und in land- haben bereits über 20 Prozent der Beher- schaftlich attraktiven Höhenlagen anzusiedeln. bergungsbetriebe aufgegeben, die durch- Viele Kleinvermieterinnen und -vermieter gaben schnittliche Auslastung der angebotenen in jüngster Zeit ihr Geschäft auf. Neu hinzuge- Gästebetten lag 2017, also noch vor der kommen sind meist Großbetriebe. Viele Gemein- Hoteleröffnung, nur bei knapp 40 Prozent. den buhlen um Großinvestoren und Hotelketten, Dieser Trend könnte nun verstärkt werden. die den Gemeinden dann ihre Vorstellungen von Zudem passt der große Hotelkasten nicht Architektur und Gestaltung aufzwingen und das in die dörfliche Baustruktur und der riesige ursprüngliche Bild der Alpengemeinde zerstören. Parkplatz für fast 200 Fahrzeuge verschan- Großinvestitionen mit Großbauten bringen delt den Dorfrand. Mit einem Bürgerbegeh- zusätzlich noch mehr Menschen, mehr Verkehr ren hatten sich auch viele Einwohnerinnen und weiteren Lärm, und die zugebauten Talräume und Einwohner gegen die Planungen aus- machen die Gegend für Gäste, die länger bleiben gesprochen, aber internationale Investoren wollen, immer unattraktiver. Zusätzlich sanie- waren hier stärker. ren Bestandsbetriebe nicht mehr regelmäßig und verlieren an Wettbewerbsfähigkeit, das gilt besonders für Modelle, in denen im Rahmen eines Hotelbetriebs (zur Querfinanzierung) Ferienwoh- In weiten Bereichen des Alpenraums ist DAZU DÜRFEN nungen oder Zimmer einzeln veräußert wurden. der Tourismus eine wichtige, manchmal Die Hotellerie und auch die Umwandlung von • die Übernachtungszahlen nur noch in Aus- • k eine Hotelneubauten mit mehr als 100 Zim- bestimmende Existenzgrundlage. Wohnungen in Ferienwohnungen verschärfen die nahmefällen gesteigert werden. Stattdessen mern errichtet werden, um die Familienhotel- Problematik bezahlbaren Wohnraums für die ein- sind Qualitätsverbesserungen der Bestands- lerie zu erhalten, DESHALB MÜSSEN betriebe erforderlich, um wettbewerbsfähig zu heimische Bevölkerung und für benötigte Arbeits- • i n Gebieten mit angespanntem Wohnungs- kräfte. Der Tourismus stößt heute bereits auch • d ie Identität der Orte und ihr Reiz für bleiben, unter anderem mit Hilfe eines staat- markt kein Dauerwohnraum mehr in Ferien- durch Mangel an Arbeitskräften an seine Grenzen. die Gäste erhalten werden und lichen Förderprogramms von energetischen wohnungen umgewandelt werden und Natur und Landschaft, die Identität der Alpenge- Sanierungen von Übernachtungsbetrieben, • d er Übernachtungstourismus gegen- • k eine Ausnahmen bei Eingriffen oder Ver- meinden, das zentrale Kapital des Alpentouris- über dem Tagestourismus gestärkt • k eine Hotels oder andere Übernachtungs- kleinerungen von Schutzgebieten gewährt mus, ging und geht mit jedem Straßenbauprojekt, werden. betriebe in sensiblen Außenbereichslagen werden. mit jedem Bauprojekt und mit jedem Gewerbege- gestattet werden, biet ein Stück weit verloren. 28 29
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM WINTERSPORT UND S CHNEEERLEBNISSE E in zentraler Grund für viele Winterreisende, „Alpinskifahren“ lösen. Je früher das erfolgt, die bayerischen Alpen zu besuchen, ist das umso weniger Geld wird falsch investiert und Erleben von Schnee, der in Zeiten der Kli- umso weniger Naturlandschaft wird verbraucht. makrise immer rarer wird. Auch die bayerischen Die heute notwendigen Infrastrukturen für die Alpen können diese Schneeerlebnisse vom Tal bis Alpinskigebiete beeinträchtigen und zerstören in in die mittleren Lagen immer seltener bieten. erheblichem Maße die sensible Alpenlandschaft. Das geschieht unter anderem bei Pistenplanie- Insbesondere der lange Jahre zuverlässige rungen und Pistenpräparierungen, dem Ausbau Alpinski-Tourismus ist für die bayerischen Alpen von Liftinfrastrukturen, Beschneiungsinfrastruk- kein zukunftsfähiger Tourismuszweig mehr. Die turen (Speicherbecken, Leitungsschächte im Gesamtzahl der Skifahrerinnen und Skifahrer ist gesamten Skigebiet) und Verkehrsinfrastrukturen rückläufig. Es herrscht ein heftiger inneralpiner (Straßen, Parkplätze) und durch den Betrieb Verteilungskampf. Die bayerischen Skigebiete im Skigebiet und darüber hinaus (zum Beispiel haben keine Chance, trotz Aufrüstung durch durch Variantenfahrerinnen und -fahrer). Beschneiungsanlagen und immer aufwendigere Die Räume, in denen Schneeerlebnisse in den TECHNISIERUNG Infrastruktur, der hochgelegenen Konkurrenz in bayerischen Alpen auch in Zukunft noch möglich den Nachbarländern Paroli zu bieten. Sie können sein werden, schrumpfen immer weiter zusam- allenfalls Nischen besetzen. Siehe dazu die BN- men. Es sind die Gipfelstationen der Bergbahnen Studie „Der gekaufte Winter“ zu finden unter: und die wenigen hochgelegenen Bergtäler der des Tourismus www.bund-naturschutz.de/alpen/tourismus Daher müssen sich die Tourismusdestinationen bayerischen Alpen. Hier droht die Übernutzung. der bayerischen Alpen vom Winter-Leitprodukt Während zu Beginn der touristischen Erschließung die Erholung fast ausschließlich aus eigener Kraft erfolgte, hat sich das im Laufe der vergangenen Jahrzehnte geändert. Begonnen hat es mit der Erschließung der Berge durch Seilbahnen und Zahnradbahnen. Verstärkt hat sich das mit dem Aufschwung des brachte. Dieser Massentourismus war in der Re- Wintersports. In den vergangenen Jahren war der gel – trotz negativer Auswirkungen auf die Natur Fokus der Naturschutzverbände schwerpunktmä- – von der Bevölkerung akzeptiert und entsprach ßig auf den Wintertourismus gerichtet, der einen nicht dem, was wir heute als Overtourism be- Massenansturm auf die Skigebiete mit harten, zeichnen. Der Sommertourismus verlief dagegen energieaufwendigen Infrastrukturen mit sich eher sanft und aus eigener Kraft. Auch in vielen Skigebieten in niedrigen Lagen, wie hier am Hündle bei Obers- In den meisten bayerischen Skigebieten ist Schneesicherheit trotz künstlicher taufen, versucht man, mit Beschneiungsanlagen und Pistenplanierungen noch Beschneiung nicht mehr gegeben. Wintersport zu ermöglichen. 30 31
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM SOMMERTOURISMUS nen Tagen bis zu 50 Mobilhomes außerhalb der Campingplätze gezählt. Bei hoher Naturbelastung ZUM ERHALT DER ALPINEN NATUR ist die Wertschöpfung für die Kommunen gering, UND LANDSCHAFT, WIE WIR SIE der Aufwand für die Beseitigung der Hinterlassen- KENNEN UND SCHÄTZEN, FORDERT I n den fünf Hauptkategorien Rad- schaften hingegen enorm. sport, Laufen/Joggen/Wandern, DER BUND NATURSCHUTZ Der Anstieg der Outdoorsportlerinnen und Kanu/Kajak, Klettern/Bouldern -sportler führt zur Überlastung der bestehenden • d ie Ausrichtung der Bergbahnen auf ein und Bergsteigen finden sich über Infrastrukturen. Viele Wandergebiete, Seen oder sanftes Erholungserlebnis im Umfeld der die Hälfte der Gesamtbevölkerung Radwege platzen aus allen Nähten. Da viele Bergstationen, mit Winterwanderwegen in ihrer Freizeit wieder. Dazu ge- Menschen in ihrer Freizeit auch allein sein und und ohne zusätzliche Eventinfrastruktur, sellen sich in den letzten Jahren abschalten möchten, werden immer abgelegene- • die Beendigung des Förderprogramms sogenannte Trendsportarten wie re Gebiete aufgesucht. Sogenannte Geheimtipps für kleine und mittlere Skigebiete zu- Stand-up-Paddling, Outdoor-Fitness, werden auf Internet-Plattformen schnell verbreitet gunsten der Förderung eines naturver- Slacklining, Trailrunning, Geocaching, und touristisch überfallartig erschlossen, ohne träglichen Strukturwandels im Tourismus Crossgolfen, Wakeboarding oder dass die betreffende Region Strukturen aufbauen und Streichung aller Steuermittel und Snowkiting. Sowohl die klassischen kann (siehe Kapitel Digitalisierung und Tourismus). staatlichen Subventionen für künstliche als auch die neueren Sportarten Beschneiung, Spitzensportstätten und haben eines gemeinsam – sie finden draußen und immer öfter auch in WIE KANN DIESE ENTWICKLUNG Neuerschließungen mit Seilbahnen, sensiblen Naturbereichen, in vielen SINNVOLL GELENKT WERDEN? • V erkehrsbeschränkungen für Strecken in Fällen auch abseits von Wegen oder in die Hochtäler. Hohe und flächendecken- Die Lösung liegt sicher nicht ausschließlich in der Gebieten statt, die bislang weitestge- de Parkplatzgebühren an allen Parkmög- Schaffung von strengeren Gesetzen oder Betre- hend unberührt waren. lichkeiten im bayerischen Alpengebiet. tungsverboten. Es braucht dazu mehr, nämlich Parkverbote außerhalb von ausgewiese- die Selbstverantwortung der Konsumentinnen Ständig neue Formen von Landschaftsmöblie- nen Parkplätzen, und Konsumenten, der touristischen Anbieterin- rungen wurden installiert, seien es Themenwe- nen und Anbieter sowie der Industrie. • einen deutlich verbesserten ÖPNV in ge, Aussichtsplattformen, Sommerrodelbahnen exorbitant teuren Neufahrzeuge finden zuneh- die Hochtäler mit Reduzierung oder Flying Foxes. Die Erholung in der Natur mend Interessentinnen und Interessenten. Diese der Parkplätze, findet zunehmend mit Sportgeräten statt. In der Form des Urlaubens und der Freizeitgestaltung • die Sperrung, da bei den vorherigen Luft fliegen Drachen und Gleitschirme, auf den verspricht die Erfüllung aller Sehnsüchte unserer Aufzählungen auch Artikel der Zufahrts- Bächen und Flüssen dominieren Kajaks und modernen Gesellschaft: ungetrübter Naturgenuss Viele suchen den ungetrübter Naturgenuss fernab straßen für den Individualverkehr, wenn Schlauchboote. Die Wege und Steige werden zu- fernab der Zivilisation in Traumlandschaften. der Zivilisation mit sogenannten Mobilehomes. die Parkplätze voll sind. Weitere Gäste nehmend von Mountainbikes okkupiert. Outdoor- Digitale Plattformen wie „park4night“ lotsen die müssen dann auf den Bus umsteigen. Sportarten erobern (nicht nur) die Alpen. naturhungrigen Mobilhome-Besitzerinnen und Seit einigen Jahren etabliert sich Campen im -Besitzer in die entlegensten und reizvollsten • e ine allgemeinverständliche Darstellung Alpenraum zum regelrechten Megatrend. Insbe- Ecken – oft genau dorthin, wo ihr Aufenthalt der der Gebote und Verbote in Schutzgebieten. sondere junge Erwachsene und sportlich Ambiti- Natur besonderen Schaden zufügt. Zwar ist ein onierte entdecken gerade diese abenteuerliche Großteil der Wohnmobile mit allen erdenklichen Form des Übernachtens inmitten der Natur neu. Einrichtungen ausgestattet, um einige Tage un- Störungen werden damit in die Nacht getragen. abhängig von Entsorgungseinrichtungen zurecht- zukommen, doch weisen die entsprechenden Die steigende Nachfrage nach Wohnmobilen hat Plätze ohne touristische Infrastrukturen eindeuti- sich in der Corona-Krise verstärkt, der Gebraucht- ge Spuren menschlicher Kurzzeitbesiedelung auf. wagenmarkt ist leergefegt, doch auch die oft So werden zum Beispiel am Kochelsee an schö- 32 33
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM REVOLUTION DER EROSIONS- UND KONFLIKTE MIT ERREICHBARKEIT DES VEGETATIONSSCHÄDEN WANDERNDEN ALPINEN RAUMS Insbesondere das Befahren Das bayerische Naturschutzge- Die besondere Qualität der bay- von Pfaden mit Rädern führt zu setz legt zu Recht bei der Nut- erischen Alpen für Mensch und erheblichen Erosionsschäden. zung von Wegen fest: „Den Fuß- Natur hat viel mit der geringen Zusätzlich sind bei zunehmen- gängern gebührt der Vorrang“. Erschließungsdichte und dem der Nutzungsintensität Vegeta- Das Wandern ist die verträg- Erhalt von Ruheräumen zu tun. tionsschäden durch eine Ver- lichste Form des Naturgenusses Das E-MTB stellt eine Erreich- zweigung der Pfade die Folge. in den Alpen. Doch mit massiv barkeitsrevolution im alpinen Eine ausführliche Beschreibung zunehmender Nutzungsinten- E-MOUNTAINBIKES IM Gelände dar, es ist der flächen- der Problemlage finden Sie im sität von Wanderwegen durch deckende „Lift unterm Hintern“. BN-Diskussionspapier E-Mountainbike-Fahrerinnen "Das E-Bike in alpinen Räumen" und -Fahrer wird nicht nur der ALPINEN GELÄNDE – MEGATREND Daraus ergibt sich eine massive räumliche, tageszeitliche und und im BN-Handlungsleitfaden kontemplative Naturgenuss des saisonale Ausweitung des Nut- "Rechtlicher Hintergrund und Wanderers stark beeinträchtigt, zungsdrucks im alpinen Gelän- Handlungsmöglichkeiten" es kommt auch immer häufiger Elektro-Fahrräder sind ein wichtiges Element zur Umsetzung einer ökologischen Verkehrswende. de. Bedeutsame ökologische beides zu finden unter zu Gefahrensituationen. Der Verkauf und die Nutzung von E-Mountainbikes (E-MTB) nehmen seit Jahren rasant zu, zudem Schutzgüter und Ruheräume www.bund-naturschutz.de/ werden sie immer leistungsfähiger. Das führt, besonders im alpinen Gelände, zu erheblichen geraten dadurch in Gefahr. alpen/tourismus Problemen und Konflikten: Um die Alpennatur und das Wandern auf Steigen dauerhaft zu erhalten, darf das freie Befahrungsrecht im alpinen Gelände nur auf geeigneten Wegen und nur „nicht motorisier- ten Fahrrädern“ zugestanden werden, so wie es auch im bayerischen Naturschutzgesetz im Wortlaut verankert ist. Ergänzend dazu können im alpinen Gelände Ausnahmen von dieser Regelung vorgesehen werden, das Alpensalamander kommen bei feuchtem Wetter heißt, die Landratsämter können für E-Bikes gerne auf Wege. Dort werden sie regelmäßig von geeignete breite Wege im alpinen Gelände Radfahrern und Autos überfahren. freigeben. 34
BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM BN INFORMIERT – TOURISMUS IM ALPENRAUM GROSSVER A NSTALTUNGEN DIGITALISIERUNG W intersport-Großveran- staltungen werden in vielen Regionen der bayerischen Alpen immer noch Geld und Verschuldung, son- dern auch um den Verbrauch von Natur und Landschaft. Großveranstaltungen, insbe- ZUKUNFTSORIENTIER- TES WIRTSCHAFTEN UND NAT URNUTZUNG D BEDEUTET HIER ie Königsbachwasserfälle im Nationalpark spielt es bei Instagram-Posts oder Touren-Be- als wichtiges Element im Desti- sondere im Wintersport, die nationsmarketing gesehen. einen massiven Ausbau der • K eine Großsportver- Berchtesgaden, der Geroldsee und der schreibungen für Influencerinnen und Influencer Infrastruktur zur Bedingung ha- anstaltungen, die mit Barmsee im Werdenfelser Land oder der sowie Userinnen und User oft keine Rolle mehr, Ob sich einmalige Massenver- ben, können angesichts der oh- einem Ausbau der In- Schrecksee im Oberallgäu: Nicht nur diese Natur- was in Schutzgebieten erlaubt oder verboten ist anstaltungen wie Weltmeis- nehin angespannten Verkehrs- frastruktur verbunden juwele erlebten in den letzten Jahren einen Hype bzw. was Schutzgüter zerstören kann. Digitale terschaften oder Olympische bedingungen, bei beginnenden sind. Sie bringen der in den sozialen Medien und wurden überrannt – Ranger haben hier die wichtige Aufgabe, auch im Spiele positiv auf eine nach- Übertourismuserscheinungen ansässigen Bevölke- teilweise nur für ein Foto auf Instagram, teilweise Netz präsent zu sein. Auf der anderen Seite ist es haltige Tourismusentwicklung und vor allem durch den rasant rung keine dauerhaften aber auch zum Zelten für ein ganzes Wochenende inzwischen ein zentraler Bestandteil der meisten auswirken, ist höchst zwei- fortschreitenden Klimawandel Vorteile und sind zu im Naturschutzgebiet. Marketing-Kampagnen, dass Orte, Veranstalter felhaft. Weltmeisterschaften keine Option mehr sein. unterlassen, und Infrastruktur-Betreiber für Beiträge in den führen selbst in Orten, die Neben den Wintersport-Groß- • k eine Förderung von Bei den Instagram-Foto-Trips geht es meist nicht sozialen Medien Influencerinnen und Influencer jährlich Gastgeber für Weltcup- veranstaltungen werden auch Großsportveranstaltun- mehr darum, das Gebiet, in dem man sich befin- bezahlen. Allerdings gibt es keine eindeutigen veranstaltungen sind, zu Infra- immer öfter andere Freizeit- gen aus öffentlichen det, in seiner Gesamtheit zu erleben, sondern Vorschriften, wie diese Art von Werbung gekenn- strukturausbauten erheblichen Massenveranstaltungen im Mitteln und das eine Foto zu machen, um sich damit in den zeichnet werden muss. Ausmaßes. Dies zeigen die bayerischen Alpenraum orga- sozialen Medien darstellen zu können. Studien er Verzicht auf laute • d gehen inzwischen davon aus, dass die „Insta- Ski-Alpin-Weltmeisterschaften nisiert. So fanden in Garmisch- Großveranstaltungen gram-Bildfähigkeit (instagramability)“ bei unter 2011 in Garmisch-Parten- Partenkirchen jährlich die (wie Motorradtreffen 30-Jährigen zu den zentralen Entscheidungskrite- kirchen oder die nordische BMW-Motorrad-Days mit rund oder Autorennen). rien für die Urlaubsortwahl gehört. Dieser Over- Ski-Weltmeisterschaft 2021 in 40 000 Teilnehmern statt. Das Oberstdorf. Die Infrastrukturan- Jochpass-Memorial in Bad tourism-Massenansturm führt an vielen Orten zu forderungen von olympischen Hindelang mit laut röhrenden Problemen für Natur und Einheimische. Dabei Winterspielen übersteigen je- Oldtimern am Jochpass zieht doch diese Ansprüche bei Wei- bis zu 20 000 Zuschauerinnen tem. Hier geht es nicht nur um und Zuschauer an. DAMIT DIGITALE AKTIVITÄTEN NICHT ZU EINEM ANSTURM AUF NATURRÄUME FÜHREN, SIND EINE REIHE VON MASSNAHMEN NOTWENDIG • Ausbau der digitalen Ranger, • D urchsetzungskompetenz der digitalen Ranger zur Löschung von verbotenen • eine breite Sensibilisierung in den Medien Outdoor-Aktivitäten auf digitalen Outdoor- und Plattformen, • die Nutzung von touristischen Apps für Be- • d ie Bitte, Standorte, an denen Fotos ent- sucherinnen-/Besucherlenkung und Natur- standen sind, auf Instagram und entspre- schutzinformationen. Baumaßnahmen an der Kandahar-Abfahrt in Landwirte wehren sich gegen die Olympia-Bewer- Zu den BMW-Motorrad-Days in Garmisch-Partenkir- chenden Medien nicht mehr preiszugeben, Garmisch-Partenkirchen für die Ski-WM 2011 bung in Garmisch-Partenkirchen chen kamen bis zu 40.000 Teilnehmer. 36 37
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