WEIN ZEIT - // S.06 - Ausgabe//25 - Wirte mit Werten
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Ausgabe//25 WEIN ZEIT Wein radikal anders// // S.06 oden-mehr als nur Dreck B // S.09 ein-Sprache W // S.16 ber das Bio im Wein Ü // S.22 ein radikal anders W
WEINZEIT//25 Editorial Pinot Noir vom Feinsten Aus Kalifornien. Biodynamik. Schmeckbares Handwerk. Kompetenz. Die Alternative zu Burgund. Kalifornischer Pinot Noir erobert die Weinwelt. Burgund Werte Kundin, werter Kunde, ist albern teuer geworden, qualitativ unzuverlässig, ein Minenfeld für Fools und Freaks gleichermaßen. Kalifor- als wir vor 20 Jahren unser Konzept »Wein radikal anders« formu- niens Top-Pinot Noir-Winzer sind weiter. Sie lierten, ahnten wir nicht, wie schnell es gehen würde, den Handel mit beantworten die Herausforderungen des Wein tatsächlich radikal anders betreiben zu müssen. Klimawandels mit intensiver Arbeit an Heute erfüllt der meiste Wein simple Klischees. Vorhersehbar im Ge- der Physiologie ihrer Reben. Weil sie im schmack, belanglos im Charakter, neuerdings gerne wieder infantil Keller nicht manipulieren wollen. Vom restsüß, immer verfügbar, ohne Anspruch an Qualität und Geschmack sanften Rebschnitt über die Begrünung produziert wie konsumiert. Seine verbale Ansprache ist wertlos und bis zur Beschattung der Trauben haben verkommen. Es reichen Punkte, um ihn zu vermarkten. Der Wert hin- sie gemeinsam über Jahre diskutiert und ter seinem Preis wird einer »Leistung« geopfert, die ihn zur oberfläch- ausprobiert, was möglich ist. Heute liegen lichen Geschmackssache macht. Er wird nach Etikett und Name ge- ihre Pinots unter 13,5 Vol.% und sind frei handelt, Kriterien für Qualität scheinen nicht gefragt. von Schäden und Bitterkeit durch Hitze Diese Welt des Weines ist nicht die unsere. Wir suchen und handeln oder Trockenstress. Sie mazerieren je radikal anderen Wein und diese WeinZeit möchte Ihnen zeigen, wie nach Jahr mehr oder weniger mit Stiel wir denken und warum wir anders handeln. Unsere engagiert hand- und Stängeln, extrahieren schonend werklich arbeitenden WinzerInnen haben einen kritischen Handel ver- ohne Eingriffe, ohne Zusatz von dient, der ihr Anderssein kompetent vermittelt, der Kriterien für Quali- Wasser oder Enzymen, und bauen tät hat und diese auch formuliert, und der seine Kunden mitnimmt auf überwiegend in neutralen, geb- die spannende Reise zu einem Weinerleben, das mehr kann als nur rauchten Fässern aus. So fand vorhandene Klischees zu erfüllen. Kaliforniens Pinot zu spannender Dem radikal Anderen im Wein widmen wir nicht nur unsere Wein- Identität. Stilistisch bunt und Zeit, sondern auch unsere wöchentlich publizierte elektronische vielfältig, im Typ wärmer als eFl@schenpost (siehe S. 21), die per eMail viele Tausend Abonnen- europäische Pinots, aber weder ten kritisch und frei von Superlativen über unsere Winzer und inter- schwer noch alkoholisch. Eric essante Themen aus der Welt des Weines informiert. Das perfekte Sussman von Radio Coteau Medium für den Austausch zwischen Ihnen und uns. produziert an der kühlen Sonoma Wir sehen es als unsere Aufgabe, aus dem riesigen Angebot für Sie Coast Kult-Pinots rarer Spitzen- jene charaktervollen, originellen und aufregenden Tropfen herauszu- klasse. Dunkelfarbig und intensiv, filtern, die den Unterschied schmeckbar machen. Weine von beson- komplex würzig, mundfüllend deren Menschen mit besonderen Ansprüchen an sich selbst. Für den weich und atemberaubend schön kundigen Genuß eines anderen Wertes als nur des Preises ... ❙ in des Wortes Sinne. Qualität, die Burgund das Fürchten lehrt. Ihr Martin Kössler im Namen aller Mitarbeiter von K&U Pinot Noir »La Neblina« Radio Coteau, Sonoma Coast, Kalifornien Infos und Preise zu den Weinen aller Winzerporträts in dieser WeinZeit finden Sie unter www.weinhalle.de › Weinzeit Oder Sie rufen uns an unter 0911 525153. Wir beraten Sie gerne. //2
WEINZEIT//25 Klischee oder Charakter? Warum wir Wein anders einkaufen Seit vierzig Jahren handeln wir mit Wein. Epochen des technischen »Fortschritts« haben wir dabei durchschritten, vom Festnetztelefon übers Faxgerät und die elektronische Mail bis zum Taschentelefon Einkauf bedeutet für uns auch, und täglicher Video-Konferenz. Die Evolution hat uns in das Zeitalter uns intensiv mit unseren Winzern auszutauschen. der Digitalisierung katapultiert. Trotz allen technischen Fortschritts, den wir in der Spitze seiner Entwicklung nutzen wo immer wir ihn für sinnvoll halten, ist für uns der Handel mit Wein aber grundsätzlich und Mannoprotein-Präparaten aus den Weinen »geschönt« werden, archaisch analog geblieben. Denn wir von K&U handeln nicht mit Fla- und selbst das Mundgefühl darf noch im bereits füllfertigen Wein schen, die irgendwelche Bewertungen, ein bekannter Name oder ein mittels diverser Mannoprotein-, Gummi Arabicum- und Tannin-Prä- Pseudo-Image verkaufen sollen, wir handeln mit Weinen von Men- parate manipuliert, geschmacklich verändert und geschönt, sprich schen, deren Gedanken, Intention und Arbeit für den Unterschied aufgefrischt, werden. Anreicherung und Auf- oder Entsäuerung sind zwischen Langeweile und Faszination sorgen. Dieser Unterschied längst Standard bei dieser Art von Wein und der Klimawandel hält trennt Welten im Wein. neue Herausforderungen bereit. So reifen durch Bodenverdichtung und hohe Erträge viele Weine heute zu früh, es kommt zu UTA (un- Hier der konventionelle Wein, der vom niedrigsten bis zum höchsten typischer Alterston), den man mit Ascorbinsäure-Zugaben aufzufri- Preis-Niveau, vom kleinen Winzer um die Ecke bis zum renommier- schen versucht (was nur kurz gelingt, danach altern die Weine umso ten Spitzenbetrieb, im permanenten Kampf gegen die Natur im Wein- schneller), und um die steigenden Alkoholgehalte durch mehr Fülle berg entsteht, um im Keller nach den Rezepten der Önologie (der und Struktur geschmacklich zu kompensieren, setzt man verstärkt Wissenschaft der Weinbereitung) systemisch und technisch sicher auf Zugabe von Tanninen, auch und gerade bei uns in Deutschland. gezielt auf die spezifischen Bedürfnisse seiner jeweiligen Käufer- Die Liste wäre fortzusetzen.... schaft »eingestellt« zu werden. Umgehen kann man diese Manipulationen im Keller nur durch kom- Dort der originelle, individuell andere Wein, der mit Esprit, Können petenten Weinbau. Nur lebendiger Boden, niedrige Erträge und eine und Leidenschaft riskant mit der Natur im Weinberg auf lebendi- Rebphysiologie in Balance machen sie überflüssig. Deshalb ist für gen Böden entsteht und deshalb Charakter wagt, der nicht jedem uns der Mensch so wichtig hinter dem Wein. Nur er garantiert uns schmeckt und gefällt. durch seine Qualitätsphilosophie und Arbeit, daß seine Weine »Kor- rekturen« nicht nötig haben. Seine Transparenz im Produktionspro- Hier also das marktkonforme Klischee, dort das Abenteuer von Cha- zess muß unserer Überzeugung dienen. Dazu sind wir regelmäßig rakter und Individualität. Neurologen und Psychologen wissen ge- vor Ort. Weniger im Keller, als in den Reben. Vierzig Jahre Weinhan- nau, was der gemeine Weintrinker von »seinem Wein« erwartet. Ein del haben uns eine direkte Beziehung zwischen dem Menschen und wohlbekanntes Klischee, das die Kellerwirtschaft mittels zahlreicher, seinem Wein gelehrt. Deshalb arbeiten wir nur mit Winzerinnen und nicht zu deklarierender chemisch-physikalischer Zusatzstoffe ent- Winzern zusammen, die uns menschlich überzeugen. Tun sie dies sprechend präziser Kenngrößen einstellen kann. Was kaum jemand nicht, interessieren uns ihre Weine nicht. weiß: Wein ist das einzige Lebensmittel, dessen Zusatzstoffe, vom Will der Fachhandel in Zukunft überleben, muß er die Kompetenz Schwefel abgesehen, nicht deklariert werden müssen. So werden besitzen, die immer raffinierter werdenden Manipulationen der Agro- Enzyme und zahlreiche adsorbierende »Hilfsstoffzusätze« einge- chemie vom Weinberg bis auf die Flasche erkennen und entlarven setzt, um Spritzmittelrückstände von kontaminierten und Schimmel zu können. Es reicht nicht mehr, nur »gut schmeckenden« oder »gei- sowie Essigbakterien von vergammelten Trauben aus dem Most zu len« Wein anzubieten. Den liefert die Industrie inzwischen nach Plan. entfernen. Da dürfen rund 200 synthetisch hergestellte Reinzuchthe- Deshalb orientieren wir uns im Einkauf an anderen, profunderen Kri- fen und Enzyme eingesetzt werden, um Duft und Geschmack gezielt terien. ❙ zu beeinflussen (sobald ein Wein als »fruchtig« beschrieben werden kann, wurde er so vergoren). Da dürfen vielfältig wirkende Hefenähr- stoffe zugesetzt werden, damit die Gärung laufen kann, obwohl ka- Übrigens: Wenn Sie glauben, daß der nette kleine Winzer um die putte Böden die dafür notwendigen Nährstoffe nicht liefern konnten Ecke ohne önologische Zusatzstoffe arbeitet, täuschen Sie sich. (weshalb so viele Winzer nicht spontan, also mit Wildhefen, vergären Davor sind Sie nur bei engagierten Biowinzern, im Naturwein und bei können). Da sorgen Enzyme für Aroma- und Farbintensivierung so- kantigen Individualisten des konventionellen Weinbaus sicher. wie höhere Ausbeute beim Pressen. Da können Bitterkeiten, Fehltöne Gerne schicken wir Ihnen Material zu den erlaubten Manipulationen und frühe Alterungsnoten mit entsprechenden Kasein-, PVPP-, Citrat im Wein per PDF zu. info@weinhalle.de, Stichwort: Önologie. //3
WEINZEIT//25 -P i- n A gr of or st ric ht be i de D un ja U lb n un d B en oi t rn S eb as tie on ie r- W in ze im R ou ss ill on D an jo u Wer ist K&U? In den frühen 1980er Jahren beginnt K&U spontane Vergärung, der Verzicht auf syn- D ie n ä c h s te G e n u n te rw e e ra ti o n is als einer der ersten in Deutschland italie- thetische Spritz- und Düngemittel im Wein- g s . D a rj t auch s chon von Les a U lb ri c h nischen Qualitätswein zu importieren. Wir E m in a d e t m it L u c berg und die »Korrekturen« der modernen s B e tt o n i bieten ihn direkt vom Winzer per Versand Önologie im Keller strategische Grundlage an. Das ist neu, Wein per Versand gibt es unseres Einkaufs- und Qualitäts-Konzeptes noch nicht. Verpackungsmaterial muss kon- »Wein radikal anders« (siehe Seite 22). Trittbrettfahrer und ärgerlicher Winzerlügen struiert und beschafft, der Versand per Post, nicht mehr. Viel zu viele Winzer stellen sich Bahn und Spedition organisiert werden. Die Den »Geiz-ist-geil«-Aberwitz nach dem im Internet als nachhaltig grüne Betriebe Anfänge des Versandhandels gestalten sich Millennium durchlebt K&U, ohne sich pro- dar, sind in Wahrheit aber skandalös willfäh- schwierig. Dann aber beginnt K&U rasant zu grammatisch und preislich anzubiedern. rige Handlanger der Agrarchemie. Verloge- wachsen. Dem rasanten Siegeszug der uniformen al- ne Verbrauchertäuschung. Der einsetzende Hype um den italienischen koholhaltigen Wirkungsgetränke aus dem Deshalb arbeiten wir mit Winzern zusam- Wein, die Unloyalität zahlreicher Winzer SB-Regal setzt K&U die individuelle Kul- men, die uns menschlich überzeugen, deren und deren Preistreiberei sorgen dafür, daß tur des Handwerks im Wein als ideellen Betriebe biologisch zertifiziert sind und die sich K&U schon bald Frankreich und dessen wie geschmacklichen Mehrwert entgegen. eine glaubhaft transparente Qualitätsphilo- Winzern zuwendet. Dunja Ulbricht, das U, Die anhaltende Abwanderung vieler, auch sophie in Weinberg und Keller praktizieren. und Martin Kössler, das K von K&U, begin- renommierter deutscher Winzer auf von Wir haben die Kompetenz, diese auf Augen- nen Mitte der achtziger Jahre später gefei- institutionellen Investoren mit obszönen höhe beurteilen zu können. erte »Garagenweingüter« wie Le Pin in Po- Millionenbeträgen ausgestattete anonyme merol, L´Angelus oder Tertre Roteboeuf in Vertriebsplattformen im Internet und ihr gie- Seit seiner Gründung treibt K&U eine Dy- St.Emilion direkt ab Château zu importieren. riges Drängen in die Selbstbedienungsrega- namik an, für die neben Dunja Ulbricht und Sie lernen den damals noch unbekannten le des Lebensmittelhandels deutet K&U als Martin Kössler ein passioniertes Team lang- Robert Parker kennen und probieren mit ihm Strukturwandel und zieht sich, bis auf lang- jähriger Mitarbeiter steht, das in einer kreati- in Bordeaux über Jahre hinweg auf den Châ- jährig enge und loyale Kontakte, aus dem ven Mischung aus Kompetenz, Engagement teaus die Weine, die sie dann als erste hier- deutschen Wein zurück. und Leidenschaft »Wein radikal anders« im zulande »en Primeur«, also in Subskription, Die im Fachhandel übliche Agenturware, täglichen Geschäft umsetzt und weiterentwi- zum Kauf anbieten. Schon Mitte der achtzi- die so viele Sortimente so ähnlich macht, ckelt. Inzwischen steht mit Darja Ulbricht die ger Jahre finden die ersten deutschen Wein- verweigern wir. Wir arbeiten nur mit Fami- nächste Generation am Start. Die Kontinui- güter Eingang in das Portfolio von K&U, zwei lien-Betrieben überschaubarer Größe. Bei tät der Dynamik ist also gewährleistet. Jahrzehnte bevor hierzulande jemand vom uns gibt es keine Markenweine, keine an- »deutschen Weinwunder« spricht. Schon onyme Handelsware, keine Großbetriebe, Wir von K&U handeln aus Überzeugung damals setzen wir konzeptionell als einzi- sondern ausschließlich Erzeugerabfüllun- antizyklisch. Wir folgen nicht wie die Lem- ge hierzulande die Vergärung mittels wilder gen, direkt vom Winzer bezogen, die wir alle minge vermeintlichen Geheimtipps, scheren Hefe voraus. Ende der achtziger Jahre ent- persönlich kennen. uns nicht um Trends oder Moden, um große wickelt sich K&U zum führenden Anbieter Angeblich »biologisch« zu arbeiten, sich Namen oder berühmte Etiketten, nicht um kleiner wegweisender Spitzenbetriebe aus aber nicht zertifizieren zu lassen, akzeptie- Bewertungen und auch nicht um den Markt. Kalifornien. In den neunziger Jahren werden ren wir in Anbetracht der Vielzahl unseriöser Wir wollen nicht »alles, was geil schmeckt« //4
WEINZEIT//25 tiert, eingelagert und kommuniziert werden. Wenn sie unseren Mehrwert-Kriterien ent- sprechen, fragen wir nicht nach dem besten hu ng Preis. Wir kommunizieren ihren Wert, ihre di e Re be rz ie ky lä ßt si ch Ra m on W itz s er kl är en besondere Machart, ihre Herkunft und ihre im Pe ne de au f M on tru bi Geschichte. Ihren Preis kalkulieren wir auf Ma rtin Kös sle r auf Jah rga ngs exk urs ion der Basis reeller Kennzahlen, um unsere bei Ma tthi eu Boe sch Mitarbeiter motivierend entlohnen und un- im Els aß sere Winzer pünktlich bezahlen zu können. führen. Wir handeln nicht mit Flaschen, wir Um ohne Zwänge von Banken oder Umsatz handeln mit Wein. das tun zu können, was wir wollen, versu- Wir sehen es als unsere Aufgabe, aus der chen wir uns in der Kunst klein zu bleiben. unüberschaubaren Fülle des Angebotes be- Wir sind aber groß genug, um international sonders werte Weine von Winzer-Persön- mitspielen zu können. Wir gieren nicht nach lichkeiten herauszufiltern, die eine eigen- Wachstum um jeden Preis und können uns ständige Qualitäts-Philosophie wagen. Das deshalb dem dramatischen Wandel im Han- beschränkt den Umfang unseres Sortimen- del sehenden Auges stellen. Dabei scheuen tes, denn wir kennen nicht nur unsere Win- wir die kontroverse Sicht der Dinge nicht. zer alle persönlich, egal wo auf der Welt, wir Deshalb kommen wir in Fernsehen, Rund- wissen auch, wie sie in Weinberg und Keller funk und Presse immer wieder zu Wort. Der arbeiten. Dazu sind wir viele Tausend Kilo- Stachel im Fleisch zu sein, ist uns nach all meter im Jahr unterwegs, oft in abgelege- den Jahren so selbstverständlich geworden, on e ch te t m it Si m nen Regionen. So haben wir unseren Markt wie die Fähigkeit, Entwicklungen und Trends hl ee be gu ta Ch ris to ph Sc In ge lh ei m bereitet und so manchen Winzer als Partner vorherzusehen, anzustoßen und mitzuge- Ja hr ga ng in Ad am s de n durch Jahrzehnte hinweg begleitet. stalten. Vermutlich sagt man uns deshalb Unsere Winzer wollen nicht nur entdeckt, nach, einer der wegweisenden Weinhändler sondern auch besucht, ihre Weine transpor- Deutschlands zu sein. ❙ K&U tickt auch im Versand anders… Bei K&U arbeiten Menschen, keine anony- men Algorithmen, die den höchsten Profit Stand der Technik selbst. Unsere Weine la- und die schnellste Umschlagsgeschwindig- gern ausschließlich in eigenen Räumen. Ihre keit Ihrem Kaufverhalten anpassen. Wir gau- Kommissionierung erfolgt durch langjährig keln Ihnen nicht mit der Zustellung am Tag erfahrene Mitarbeiter mittels modernster Sven Persau, verantwortlich für der Bestellung eine Service-Qualität vor, die Technik. Deshalb sind wir so schnell, indi- unsere Logistik, im täglichen Einsatz keine ist. Wir praktizieren individuellen Ser- viduell und zuverlässig, wie Sie es von uns vice und machen uns krumm für Sie. Unsere kennen. handwerklich »langsamen« Weine müssen Auf die Zustellung bei Ihnen vor Ort haben wir aber nicht am Tag ihrer Bestellung bei Ihnen allerdings keinen Einfluß. Sie droht für den im Glas stehen. Viel wichtiger scheint uns gesamten, rasant wachsenden Online-Handel haltigkeit und Zustellqualität stellen Logistik guter Service vom Einkauf vor Ort bis zu Ih- zum schwächsten Glied zwischen Ihnen und und Handel vor enorme Herausforderun- nen ins Glas. Um diesen garantieren zu kön- uns zu werden. Lobbyhörige Verkehrspolitik gen. Wir müssen also sehr vieles ganz neu nen, haben wir Lager und Versand nicht an ohne jede Vision, ausgebeutete LKW-Fah- denken. Bitte haben Sie Verständnis für einen anonymen Dienstleister ausgelagert, rer, verstopfte Autobahnen und Innenstädte, alle, die Ihnen in der Logistik mit ihrer Arbeit sondern betreiben sie auf dem neuesten sowie immer höhere Ansprüche an Nach- dienen. ❙ //5
Der Boden Schon von außen ist klar, Mehr als der Dreck welcher Boden lebendig ist... unter unseren Füßen Seit vielen Jahren beschäftigen wir uns mit chert. Das Wasser kann je nach Bodenqua- dem Boden, besuchen Boden-Tagungen, lität bis in den Grundwasserleiter vordringen Seminare und Workshops. Weil im Boden oder durch Pflanzen wieder zur Oberfläche die Zukunft des Weinbaus steckt. Zwar transportiert werden. reden die Winzer über ihn und benennen Wir nutzen sie, die Böden der Welt, als Weine nach den Mineralien, auf denen ihre wären sie unerschöpflich. Doch sie sind in Reben stehen, doch das ist Hokuspokus. Der menschlichen Zeiträumen nicht erneuerbar, Einfluß des Bodens auf Rebe und Traube ist denn die Bildung von Boden vollzieht sich komplex und unzureichend erforscht, sicher langsam: In 2.000 Jahren entstehen gerade aber ist, daß sie nicht nach den Mineralien mal 10 cm Boden. Dafür gehen wir ganz schmecken, nach denen sie benannt sind. schön nachlässig mit unserem Boden um. Trotzdem beeinflußt der Boden, auf dem die Wir leben ganz selbstverständlich von und Lebensmittelproduktion. Sie filtern Regen- Reben stehen, Mundgefühl und Charakter auf dem Boden, aber wir schenken ihm im- wasser und schaffen neues, sauberes Trink- unmittelbar. Das gelingt aber nur Winzern, mer weniger Beachtung, nennen ihn abfällig wasser. Sie regulieren das Klima, denn sie die ihre Böden kompetent bewirtschaften »Dreck«. Aufmerksame Weintrinker meinen, sind nach den Ozeanen der größte Kohlen- und ihren Weinen im Keller ohne die Korrek- den Geschmack des Bodens im Wein wieder- stoffspeicher der Erde: Sie speichern mehr turen der Kellerwirtschaft freien Lauf lassen. finden zu können. Doch wer denkt darüber Kohlenstoff als alle Wälder der Welt ge- hinaus beim Essen und Trinken schon an meinsam. Böden sind höchst lebendig: In In Fachbüchern wird Boden als die »belebte den Boden, auf dem unsere Lebensmittel einem Kubikzentimeter Erde leben mehr Or- oberste Haut der Erdkruste« beschrieben. gedeihen? Dabei wäre das so wichtig, denn ganismen als Menschen auf unserem Plan- Diese wird nach unten begrenzt durch festes Böden sind die Grundlage für unsere gesa- eten. Zwei Drittel aller Arten der Welt leben oder lockeres Gestein, nach oben durch die mte Lebensmittelproduktion. Sie versorgen versteckt unter der Erdoberfläche! Vegetation und die Atmosphäre. Boden ist die Pflanzen mit Nährstoffen und Wasser. In Böden erfüllen ihre Funktionen aber nur ein mit Wasser, Luft, organischer Substanz jeder Kartoffel, jedem Brot, aber auch in dann, wenn ihr Bodenleben intakt, die Hu- und Lebewesen durchsetzter und unter dem jedem Schnitzel und jedem Brathähnchen musschicht gesund und die Landrechte Einfluss der Umwelt an der Erdoberfläche stecken Nährstoffe, die aus dem Boden kom- gesichert sind. Trotz ihrer lebenswichtigen über Jahrmillionen entstandener Naturkörp- men. Ohne gesunde und lebendige Böden Funktionen und zentralen Bedeutung schüt- er. Im Boden findet steter Austausch von kann gute und gesunde Nahrung nicht pro- zen wir unsere Böden aber nicht. Jedes Jahr Luft und Wasser statt: Regenwasser dringt duziert werden. gehen weltweit rund 24 Milliarden Tonnen in den Boden ein, wird gefiltert und gespei- Böden sind aber nicht nur wichtig für die fruchtbarsten Bodens durch falsche Nutzung //6
WEINZEIT//25 Hinzu kommt, dass der Zugang zu Böden weltweit in immer rasanterem Tempo un- gleich verteilt wird. Landgrabbing, das von wenigen, die Landwirtschaft global kon- trollierenden Riesenkonzernen längst in erschreckendem Ausmaß betrieben wird, bedroht uns alle. Landlosigkeit und konven- tionelle Bewirtschaftung bedrohen das Über- leben von Millionen von Familien. 1,3 Hektar braucht ein durchschnittlicher Europäer im Jahr für die Produktion der von ihm konsumierten Nahrungsmittel. Das ist rund sechsmal mehr als einer Person in Bangladesch zur Verfügung steht. Fast 60 Prozent der für den europäischen Konsum genutzten Flächen liegen zudem außerhalb der EU. So werden in Südamerika Mais und So sieht ein biodynamisches Humuspräparat aus, Soja auf illegal brandgerodeten Flächen pro- mit dessen Mikrobiom Boden regeneriert wird duziert, die bayrische Kühe ernähren usw. usw. Immer mehr wächst der weltweite Hun- ger nach Nahrungsmitteln, Futtermitteln und Biomasse für Treibstoffe. Immer mehr wächst damit auch der Wert von Land und Boden. Der Kampf um sichere Landrechte, seien sie gemeinschaftlich oder individuell, wird schon bald zur entscheidenden Über- lebens-Frage in vielen Regionen der Welt. Die globale Bedeutung der Böden verlangt nach globalen Antworten. Antworten, die die Menschenrechte aller Nutzer ernst nehmen. Und doch konnte bis heute - auch aufgrund deutschen Widerstands! - der Vorschlag für einen gemeinsamen europäischen Bodenschutz nicht umgesetzt werden! Die ... und welcher über Jahre totgespritzt wurde. zaghaften Reformen der EU-Agrarpolitik, Hier lebt nichts mehr. die in erschreckendem Ausmaß von rück- wärtsgewandten Bauernverbänden und den aber auch die Landwirtschaft, die unmittel- allmächtigen Lobbys der Agrarindustrie be- bar von der Qualität ihrer Böden abhängig hindert werden, zeigen, wie schwer es ist, ist, trägt entscheidend zum Verlust wertvol- Strukturen zu verändern und nachhaltige, len Bodens bei: Immer größere Maschinen natur- und menschengerechte Produktions- Typischer Herbizideinsatz verdichten die Bodenstruktur, Pestizide und weisen zu stärken. Der Boden geht uns alle im konventionellen Weinbau Mineraldünger verringern bzw. vernichten an, ob wir wollen oder nicht! Deshalb soll- wertvolles Bodenleben, Wind und Wasser- ten wir uns unbedingt für eine gerechte und erosion führen deshalb zu katastrophalem nachhaltige Land- und Bodenpolitik interes- verloren. Die Ursachen für den Verlust sind Verlust an fruchtbarem Boden. sieren und z. B. auch beim täglichen Einkauf vielfältig: Städte und das Straßennetz deh- Wir nutzen die Böden der Welt, als wären an den Schutz der Böden denken (Biopro- nen sich aus; Asphalt versiegelt fruchtbaren sie unerschöpflich, und heben dabei von ei- dukte). Boden und schädigt ihn unwiederbringlich nem Konto ab, auf das wir nicht einzahlen. Der Boden und seine Wirkungen auf uns (alleine in Bayern werden auf diese Weise Es braucht mehrere tausend Jahre, um eine Menschen scheint für uns alle weit weg. 77 ha fruchtbaren Ackerbodens pro Tag dünne Schicht fruchtbaren Oberbodens zu Nicht mal die konventionelle Landwirtschaft vernichtet. Das sind mehr als 100 Fußball- bilden, aber nur eine Stunde starken Regens scheint sich seiner Bedeutung bewußt zu felder, die nicht mehr für die Produktion von oder heftigen Windes, um ihn durch Erosion sein. Noch nicht, denn das böse Erwachen Nahrungsmitteln zur Verfügung stehen), zu verlieren. steht kurz bevor. Über den Wein, für dessen //7
WEINZEIT//25 Qualität der Boden auch und gerade in Zeit- en des Klimawandels existentiell ist, möcht- en wir auf die Bedeutung des Bodens auf- merksam machen. Fast alle unsere Weine stammen von Winzern, die ihre Böden auf- bauen und lebendig erhalten. Das machen sie in einem Mundgefühl schmeck- und fühlbar, das simple Frucht durch komplexe Würze in Duft und Geschmack ersetzt und die gewohnten Geschmacksmuster, die wir gefühl, das eine andere, neue Sinnlichkeit hinnehmen ohne über sie nachzudenken, und Sensorik für die Beurteilung und den durch spürbar dichte, physische Wirkung im Genuß dieser Weine verlangt. Der radikale Mund ersetzt. Der Unterschied ist eklatant Wandel in der Weinwelt wird schmeck- und und auch für den Laien ohne Vorkenntnisse fühlbar. Unser Konzept »Wein radikal an- nachvollziehbar. Weil nur lebendiger Boden ders« will die Bedeutung des Bodens im den notwendigen Nährstofftransport vom wertvollen landwirtschaftlichen Produkt Wein Boden in die Traube garantiert. Diese es- geschmacklich nachvollziehbar machen. sentiellen Nährstoffe beeinflussen die Biolo- Noch liefert der konventionelle Anbau gie und Chemie der Rebe und damit deren berühmte und begehrte Spitzenweine. Es Physiologie. Nur deshalb kann die Gärung ist der Klimawandel, der dafür sorgen wird, mit den natürlich wilden Hefen von alleine daß sich die Qualitäts-Paradigmen wandeln. starten und ohne Eingriffe durchlaufen. Dann wird die Spitze im Wein von heute von Professionelle Bodenprobe mit Fachberater So entsteht ein grundsätzlich anderes Mund- gestern sein. ❙ Dr. Patzwahl (r) im Weingut Zang, Franken Naturgewalt Bellet uralte Terrassen | klimatische Extreme | archaische Weine Weinbau kann den Menschen in Grenzen verweisen. Wenn steile Lagen und niedrige Erträge ihn unrentabel und klima- tische Extreme und karge oder zerstörte Böden fordernd machen. Deshalb wird der Anbau immer mehr mechani- siert und der Ausbau standardisiert. So konnte Wein billig werden, uniform und langweilig. Es sind nicht mehr viele Winzer, die sich der Heraus- forderung besonderer Qualität mit ihrer Hände Arbeit stellen. Sich diese Arbeit entsprechend bezahlen zu lassen, gelingt nur wenigen. Auf dem Markt zählt der Preis. Für ihn wird billig produziert. Der Wert dahinter wird kaum kommuniziert. Auf den uralten, steilen und schmalen Terrassen von Bellet, im Stadtgebiet von Nizza im Osten der Pro- Neun Weinbaubetriebe bewirtschaften dort noch vence, gibt es noch ein paar Winzer, die sich die harte 50 ha Rebfläche. Seit zehn Jahren versuchen wir Handarbeit hoch über dem windigen Tal der Var antun. die Weine des besten Betriebes dort zu kriegen. Auf ihren spektakulären Lagen betreiben sie archaisch Tochter Niña hat mit einem Besuch das Unmögli- handwerklichen Weinbau. Für Weine, deren Eigenstän- che möglich gemacht. Clos Saint-Vincent steht digkeit so polarisiert, wie sie beeindruckt. Sie kosten für zertifizierte Biodynamik; die Rotweine wild, Geld, sind aber so begehrt, daß die winzige Produktion eigensinnig und ausdrucksstark, die Weißweine in der Saison an der Côte d´Azur verdunstet. hinreißend saftig, salzig, dicht und charaktervoll. »Les Clos« Blanc, Vin de Bellet Clos Saint-Vincent, Nizza, Frankreich //8
WEINZEIT//25 Wein-Sprache ... auf daß der Wein nicht sprachlos macht Gute Weinsprache ist nicht elitär, nicht ausgrenzend und schon gar Capsaicin einer Chili-Schote als besonders scharf und Alkohol im nicht überheblich. Sie sollte nicht rassistisch und sexistisch sein, Wein als heiß empfinden, weshalb sie Weine mit hohem Alkoholge- sondern offen, ehrlich und auch für jene verständlich und nachvoll- halt ablehnen; Süße-Schmecker nehmen auch das aromaprägende ziehbar sein, die nicht zur Weinwelt gehören. Methoxypyrazin im Sauvignon Blanc oder in Cabernet Sauvignon als unangenehm bitter wahr. Es hat uns intensive Diskussionen gekostet, unsere Weinbeschrei- bungen sprachlich zu entrümpeln. Der branchenübliche Wein-Jubel à Hypersensible Weinschmecker bevorzugen die filigrane Komple- la »die Nase erinnert an einen frisch gebackenen Hefezopf aus Groß- xität des Pinot Noir, schätzen seine duftigen Aromen, seine transpa- mutters Küche. Dazu satte Schwarzkirsche, Holunder, Eukalyptus rente Struktur und nehmen Dinge in ihm wahr, die ein anderer Ver- und Minze, reife reiche Amarena-Kirsche, satte schwarze Pflaume, koster nicht oder kaum erkennt. Erde, Gewürzbrot, Holunder. Nicht fett, aber so reich ...« mag sich Der sogenannte sensible Verkoster weiß Pinot Noir zwar zu schät- nett lesen, läßt aber den Leser in seinen ganz persönlichen, vielleicht zen, liebt aber auch Cabernet Sauvignon. ganz anderen Empfindungen außen vor und ist eine in höchstem Der unempfindliche Verkostertyp schließlich versteht weder die Auf- Maße geschmäcklerische Beurteilung, die eine Objektivität der Wahr- regung um Pinot Noir noch um Wein mit niedrigem Alkoholgehalt. Er nehmung suggeriert, die jeder Grundlage entbehrt. Sie trägt auch bevorzugt eindeutig kräftige, geschmacksintensive Weine, die es in dem Wandel von der vordergründigen Frucht der Technik von ges- sich haben und steht mit Weißweinen oft auf Kriegsfuß. tern zur strukturell würzigen Komplexität guter Weine von heute, die ambitioniert auf lebendigen Böden entstehen, keinerlei Rechnung. Zu diesen vier grundsätzlichen Schmecker-Typen zählt die Wissen- schaft noch Menschen mit biologischen Barrieren. Manche Verkoster Trotzdem ist die Weinbeschreibung entsprechend der Aromen noch nehmen z. B. die Verbindung Beta-Ionon, die Pinot Noir besonders immer das Maß aller Dinge in der Weinbranche. Sie bekommen die prägt, und Beta-Damascenon, das in vielen Rotweinen zu finden ist, Anwärter auf den Master of Wine ebenso unbeirrt eingehämmert, wie nicht wahr. Zahlreiche weitere solcher Beispiele bestätigen nur, daß jeder Sommelier-Anwärter vom ersten Tag seiner Ausbildung an. Da- es wenig zielführend erscheint, aromatisch zu beschreiben, was man bei hat sich der Wein durch den Einfluß der Naturweinbewegung und persönlich im Glas erlebt. die Rückbesinnung auf die Arbeit im Weinberg im biologischen wie im biodynamischen Anbau grundlegend aromatisch wie strukturell ge- Deshalb haben wir nach Jahren intensiver Diskussion beschlos- wandelt. Außerdem belegen neueste Forschungen eindrücklich, daß sen, Wein vor allem in seiner physischen Wirkung im »Mundge- Vanille nicht für jeden Vanille ist, bzw. in der aromatischen Intensität fühl« zu beschreiben. sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Die Unterschiede, wie wir Ob also ein Wein schlank, mager und sauer ist, ob er sich rau und Menschen Aromen und Geschmack sensorisch empfinden, sind nun widerspenstig oder eher rund, samtig und weich anfühlt, ob er warm mal signifikant. Aromen, die von einer bestimmten Gruppe wahrge- ist im Charakter oder kühl, ob er süßlich oder herb und trocken da- nommen werden, entziehen sich einer anderen völlig. Das sollte und herkommt, sollte ihn über das Mundgefühl als Beschreibung seiner müßte eigentlich Konsequenzen für die Weinwelt haben, die bis heu- physischen Wirkung auch dem Einsteiger vorstellbar machen. Vor te unbeirrt auf blumige Beschreibungen setzt, um ihre Produkte zu allem macht es den Unterschied zwischen konventionell und regene- verkaufen. rativ bewirtschafteten Reben derart einprägsam deutlich, daß er auch für den absoluten Laien fühl- und erlebbar wird. Wissenschaftliche Erkenntnis ist, daß die große Mehrheit der Men- schen, unabhängig des Kulturkreises, in dem sie lebt, eine große Eine qualifizierte Beschreibung des Gefühls, das der Wein im Mund Bandbreite an Geschmacksrichtungen, Texturen und Aromen in fünf auslöst, ein paar Zeilen zu Herkunft, Machart, Boden und Klima, also Kategorien wahrnehmen kann: süß, salzig, sauer, bitter und umami. zum Wert hinter dem Preis, und schon sollte sich ein Bild von dem Doch weil die Anzahl der Geschmackspapillen von Zunge zu Zunge Wein ergeben, das es Ihnen erlaubt, ihn in seiner geschmacklichen so unterschiedlich ist, wie deren sensorische Empfindlichkeit, gibt Wirkung einzuschätzen und mit Ihren persönlichen Vorlieben abzu- es Menschen, die besonders gut Süße wahrnehmen und z. B. das gleichen. ❙ //9
WEINZEIT//25 Der Jahrgang. Benjamin Sinnlos oder Zidarich faszinierend Große Weine aus dem Karst Mit dem Jahrgang versucht der Weinhandel seine Kunden jedes Jahr aufs Das Friaul im Osten Italiens ist als Weinregion weltbe- Neue zum Kauf zu verführen. Bordeaux hat die Illusion des Jahrgangs zur kannt. Den direkt im Süden angrenzenden Karst, auf Perfektion gebracht und (fast) alle Weinschreiber und Händler spielen das italienisch »Carso«, kennt kaum jemand. Ein mit nur 57 Spiel mit. Oder haben Sie jemals gelesen, daß ein Jahrgang doch nicht so Hektar Rebfläche winziges Weinbaugebiet auf einem jahrhundertmäßig ausfiel, wie vorab angepriesen? schmalen Kalksteingebirgszug, der sich von Gorizia bis Es gibt viel mehr schlechte Winzer als schlechte Jahrgänge. Deshalb prä- Triest zieht. Kleine Familienbetriebe produzieren hier gen Agrochemie und Technik konventionell produzierte Weine so in Stil bemerkenswert eigenwillige Weiß- und Rotweine aus und Charakter, daß Jahrgangseinflüsse kaum noch eine Rolle spielen. autochthonen, lokalen Rebsorten, allen voran Vitovska, Nach den Rezepten der Industrie wirtschaftende Winzer schaffen besten- Terrano und Malvasia. falls zuverlässig trinkbare Weine, die in Duft und Geschmack die Rezep- te ihrer Machart reflektieren. Viel mehr können sie nicht, vielmehr kann Benjamin Zidarich, ein stiller, zurückgezogen arbeitender die Technik nicht. Den Herausforderungen des Klimawandels stehen sie Winzer, hat nicht nur die spannende alte Rebsorte Vitovs- hilflos gegenüber. Ihre Weine leiden unter Gärproblemen, UTA (untypi- ka vor dem Aussterben gerettet, er interpretiert sie auch scher Alterston), aromatischer und struktureller Leere, Trockenstress und als einziger in der uralten Tradition des Bitterkeit. Diese müssen mit den Mitteln der Kellerwirtschaft aufwendig Ostens, mazeriert sie also, wie übrigens korrigiert werden, um marktfähig zu sein. alle seine Weißweine, auf der Beeren- Der engagiert wirtschaftende Winzer, der sein Metier mit Leidenschaft schale, um sie nach langer Reifung auf und Kompetenz betreibt, produziert auch im schwierigsten Jahrgang der Hefe unfiltriert und naturtrüb auf der überdurchschnittlich guten Wein. Dessen Menge wird durch rigorose Aus- Feinhefe zu füllen. Archaische Naturwei- lese kleiner ausfallen und er wird den Stempel des Jahrgangs tragen, also ne im wahren Sinne. Ohne Agrarchemie vielleicht kühler, schlanker oder eleganter und in der Säure prononcierter angebaut, spontan vergoren, ohne ausfallen, immer aber wird er handwerklich ausgereizt, hochwertig und Eingriffe verarbeitet, minimal geschwe- charaktervoll sein. Ein Winzer, der seine Böden und die Physiologie der felt. Beeindruckend eigenständig, Reben im Griff hat, wird den Herausforderungen von Hitze und Trocken- von Trends und Moden unberührt, heit etwas entgegensetzen können und selbst einem total verregneten stilistisch eigensinnig, im Auftritt Herbst noch gesunde, reife Trauben abringen. Er beherrscht sein Metier, entspannt und unaufgeregt, im weshalb seine Weine es wagen können, den Jahrgang riech-, schmeck- Mund aber vibrierend frisch und und fühlbar zu machen, ohne ihn durch Manipulationen zu kaschieren. berührend lebendig mit Zug und Engagierte Winzer erkennen das Potential eines Jahrgangs lange vorab Länge. Zidarichs Weine zählen im Weinberg und setzen es in besonderen Charakter um. Bei ihnen unter- zu den Großen Italiens und sind scheidet sich der vermeintlich kleine vom sogenannten großen Jahrgang hierzulande doch weitgehend un- in Würze, Tönung und Mundgefühl, nicht aber in grundsätzlich »besserer« bekannt. Das liegt auch an ihrem oder «schlechterer« Qualität. Sie machen den Unterschied zum spannen- Preis, der weit über die Vorstel- den Spiel mit Stil und Charakter. lungen deutscher Urlaubserinne- Die üblichen Jahrgangsbewertungen sind also wertloser Unsinn. Es gibt rer hinausgeht. Doch Italien hat keine »schlechten« Jahrgänge mehr, weil Technik, Önologie und Winzer mehr zu bieten als Lugana und zu richten wissen, was zu richten ist, wenn auch auf sehr verschiedene Primitivo. Zidarich steht für das Weisen. Man würde dem Wein wie dem interessierten Weinfreund einen wahre Wein-Italien. Mutig eigen- großen Dienst erweisen, würde man die Herausforderungen eines jeden ständig, aufregend leise, unver- Jahrgangs offen und ehrlich kommunizieren. Der Weinfreund bekäme wechselbar in Stil und Charakter. eine Vorstellung vom Wert des Weines und der Arbeit des Winzers, der Ein echter Geheimtipp. Jahrgang bekäme für ihn ein Profil und er die Chance, dieses im Wein wiederzufinden – oder auch nicht. Unser Tipp: Fragen Sie Winzer und Carso Bianco Malvasia, Händler ganz offen nach den Herausforderungen der Jahrgänge. An ihrer Antwort werden Sie sehen, ob Sie ihnen vertrauen wollen oder nicht. Es Benjamin Zidarich, Karst, ist nicht der Jahrgang, der den Wein macht, sondern der Winzer! Die Friaul, Italien kommunikative Transparenz seiner Arbeit in Weinberg und Keller muß Sie überzeugen. Wenn Sie ihr vertrauen, können Sie ihm vertrauen. Jahr für Jahr. ❙ //10
Herausforderung Klimawandel Die Auswirkungen des Klimawandels haben einen bemerkenswert nen, setzt man Ascorbinsäure und Holzprodukte wie Chips oder Tan- deutlichen Unterschied in Stil und Charakter zwischen Weinen aus ninpulver zu. Viele Rotweine aus konventionellem Anbau werden mit konventionellem und aus ambitioniert nachhaltigem Weinbau zur farberhaltenden und strukturgebenden Tanninen, Mannoproteinen Folge, der bis heute keine mediale Beachtung findet. Wir widmen ihm und Hefenährstoffen verkehrsfähig gemacht, Aufsäuerung ist auch unser Konzept. hier ein Dauer-Thema; sie macht Rotweine schlanker und frischt den matten Charakter heißer Jahrgänge auf. Usw..... Die Erklärung dafür ist so einfach, wie die Probleme der Winzer durch den Klimawandel größer werden. Durch den Wachstumswahn der Doch statt nachhaltig regenerative Bewirtschaftungsformen zu dis- letzten Jahre sind viele Betriebe zu groß geworden, weshalb sie zu kutieren, um den Fängen der Agrarchemie zu entkommen, fordern früh mit dem Rebschnitt beginnen müssen; durch zu hohe Frühjahrs- konventionell wirtschaftende Winzer zur Stabilisierung ihrer Erträ- temperaturen finden Austrieb und Blüte verfrüht statt, es kommt zu ge unbeirrt die Bewässerung ihrer Rebflächen, die die Uniformität erhöhter Frostgefahr; Unwetter sind häufiger und fallen heftiger aus, ihrer Weine weiter verstärkt. Unsere Bio- und Biodynamik-Winzer es kommt zu Wind- und Wassererosion; erhöhte Sonneneinstrahlung brauchen nicht zu bewässern, weil ihre Erträge niedriger sind, ihre sorgt für Trockenstress der Rebe und Sonnenbrand auf Blättern und Reben in Balance stehen und ihre Böden so lebendig und nähr- Trauben, Pilzbefall und Schädlinge haben im konventionellen Wein- stoffreich sind, daß ihre Moste problemlos natürlich spontan ver- bau leichteres Spiel; dort sinken trotz Düngung die Erträge, das Ver- gären. hältnis der Zucker zu den Säuren verändert sich, die pH-Werte im Most steigen, die Beerenhäute werden dicker, Bitterkeit ist die Folge. So unterscheiden sich die beiden divergierenden Weinwelten ekla- tant. Während die fruchtig lauten Technikweine stilistisch von den Vor allem konventionell wirtschaftende Winzer stoßen an Grenzen. Rezepten der Önologie dominiert werden, manifestiert sich der Durch übermäßige Düngung und jahrelangen Pestizid- und Maschi- Unterschied auf der anderen Seite weniger im Geschmack, als in neneinsatz sind ihre Böden biologisch tot und morphologisch ver- einem physisch erlebbaren Mundgefühl, das Dichte und Substanz in dichtet. Ihre Reben wurzeln oberflächlich, ihre Trauben entwickeln eher leisem Charakter zelebriert, der tiefgründige Würze über simple Zuckerreife, werden aber nicht mit den notwendigen Nährstoffen Frucht stellt. Ein Unterschied, der einen neuen, radikal anderen Wein versorgt, können deshalb nicht natürlich vergären. Sie sind auf He- definiert, der nicht mehr wegzudiskutieren ist. ❙ fenährstoffe, Reinzuchthefen, Enzyme und die Manipulationen der Önologie angewiesen, die dem Charakter ihrer Weine aber die Uni- formität der Technik aufzwingen. Die uns vorliegenden Protokolle von Fachlaboren in den Weinbau- gebieten sprechen diesbezüglich eine deutliche Sprache: Weil im konventionellen Weinbau in heißen Jahren die Gesamtsäure zu nied- rig ausfällt, wird bis zur gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgren- ze aufgesäuert, um den pH-Wert für die mikrobiologische Stabilität zu senken. Weil durch zu hohe Erträge die Moste »geschmacklich verhalten« ausfallen, werden sie enzymiert, um so aus den Beeren- schalen Aromastoffe zu lösen. Der hefeverwertbare Stickstoff in den Mosten ist oft zu niedrig, was zu Gärschwierigkeiten, UTA und Böck- sern führen kann. Um der Gefahr des vorschnellen Verfalls zu begeg- //11
WEINZEIT//25 Nachhaltigkeit Nicht reden, sondern machen! Nachhaltigkeit ist nach außen schnell erklärt, suchen wir die nachhaltigste Transportme- papierlos umgestellt, der Versand von Rech- doch wenn man sie ernsthaft realisieren will, thode und die sinnvollste Konsolidierung vor nungen und Lieferscheinen erfolgt soweit wird der Aufwand enorm. Ort; von den Importhäfen geht es dann per möglich per eMail. Für uns bedeutet das: Mal schnell »just in Binnenschiff oder Bahn nach Nürnberg. Um den Datenhunger der globalen Inter- time« irgendwo in Europa Wein abholen ist Wir haben die Weinhalle auf Ökostrom aus net-Giganten einzudämmen, haben wir uns nicht mehr. Die Disposition muß jetzt mit den der Region umgestellt und können per Dach- entsprechend der DSGVO von den Abhän- Winzern Verfügbarkeiten lange vorab ab- begrünung und physikalischer Verfahren auf gigkeiten amerikanischer Clouds und Be- stimmen, Importe müssen präzise im Voraus die Kühlung unseres Lagers verzichten. zahlsysteme gelöst, bieten bestimmte Zah- geplant, Abholungen sinnvoll zusammenge- Das Hosting der Homepage haben wir an lungsdienstleister nicht an, haben unsere legt werden. Am plastikfreien Import arbeiten einen CO2-neutral zertifizierten Hoster ver- Facebook-Präsenz gelöscht und verzichten wir mit Hochdruck. Wir motivieren unsere geben, der die Abwärme seines Rechenzen- auf Analyseprogramme wie Google Analytics Winzer, zu schwere Flaschen durch leichtere trums ökologisch sinnvoll nutzt. Die firmenin- und die üblichen Tracking-Tools zur Verfol- zu ersetzen und ihre Verpackungen von Roh- terne Abfallwirtschaft wird laufend zusammen gung Ihrer Kunden-, Kauf-und Klickdaten. karton-Lieferanten zu beziehen, die nach den mit den Recylingfirmen optimiert. Die Klebe- Kriterien des Forest Stewardship Councils bänder für die Versandkartonagen haben wir All das (und noch viel mehr) gehört für uns zu FSC® zertifiziert sind. Die eigenen Versand- von Plastik auf verstärktes Papier umgestellt. einer nachhaltigen Perspektive. Wie Daten- kartons eingeschlossen. Über CO2-Bilanzen Firmeninterne Abläufe sind weitgehend auf sicherheit auf neuestem Stand der Technik. ❙ Ein junges Paar aus dem brasilianischen Sao Paolo beschließt im Zeichen der politischen Krise des Lan- des alles aufzugeben, um seinen Kindern eine Zukunft frei von täglicher Gewalt in der Kultur menschlichen Zusammenlebens zu ermöglichen. Thama und Bruno Trigueiro geben ihr Architekturbüro auf, verkaufen ihren Besitz und weil Bruno einen Teil seiner Kindheit in Frankreich verbrachte und die Sprache spricht, zieht es die beiden dorthin. Sie landen in der Provence. Dort kommt Bruno zum ersten Mal mit Wein in Berührung, der ihn spontan fasziniert. Wunderwinzer aus Brasilien Chemins de Bassac Als sein Schwager, ein reicher Investor aus den USA, Trigueiros ziehen nach Puimisson ins Hinterland von Be- die beiden in Südfrankreich besucht, keimt er auf, der zier und beginnen die Winzerei von der Pieke auf zu ler- Wunsch nach dem eigenen Weingut. Sie engagieren nen. Den Jahrgang 2018 absolvieren sie bereits alleine. einen Makler und lernen im Frühsommer 2016 in einem Er gelingt ihnen so gut wie keiner des Weingutes zuvor winzigen Weiler im Languedoc Isabelle und Remy und so machen die zwei Naturtalente aus Südamerika Ducellier kennen, die ihr Weingut verkaufen möchten. aus dem netten, aber etwas verschlafenen Biobetrieb Für Trigueiros kommt nur ein Biobetrieb infrage. »Les binnen kürzester Zeit ein hochdynamisches Naturwein- Chemins de Bassac« ist seit 1999 zertifiziert und hat gut, das heute Demeter® zertifiziert ist und mit Weinen alles, was die drei Glücksritter suchen. Sie werden glänzt, deren Preis-Genuß-Verhältnis ein rarer Glücksfall handelseinig und weil Bruno keine Ahnung von Wein ist, an dessen Zukunft wir gerne mitstricken. hat, bietet Remy an, ihn zwei Jahre lang auszubilden. »Pleine Lune« Rouge IGP (Sans Souffre) Les Chemins de Bassac, Languedoc, Frankreich //12
WEINZEIT//25 Elise Dechannes aus der Champagne Darjas Herzensang elegenheit Elise Dechannes macht Champagner. Wieso mich das so begeistert? Was denken Sie, wie viele Frauen Champagner produzieren? Richtig, nicht besonders Dafür wurde sie angefeindet, kompromittiert, Kollegen viele. Daß Elise die in den berühmten, meist kon- haben sie gemobbt, ihre Weinberge wurden verschan- servativ denkenden Weinbaugebieten den Frauen delt und sie von ihrer Familie ausgeschlossen. bis heute üblicherweise zugedachte Rolle als fleißi- Sie hat sich dagegen entschieden, in die große uni- ge Hilfskraft im Weingut des Mannes abgelehnt und forme Gemeinschaft zurückzukehren und ist großes stattdessen ihr eigenes Ding gemacht hat, hätte ge- Risiko eingegangen. Mittlerweile kommen die ersten nügt, bei den Winzerkollegen Mißfallen zu erregen. Winzersöhne für Praktika zu ihr. Doch Elise hat sich getraut, gegen den Willen ihrer Familie biologisch zu arbeiten, sie hat sich getraut ih- Wir konzentrieren uns auf ihre Champagner aus Pinot ren Grundwein spontan zu vergären, und das auch Noir, da Boden und Klima von Ricey (Côte des Bar) noch in verschiedenen Amphoren. Sie arbeitet ohne sich hervorragend für diese Rebsorte eignen, die be- Schnick-Schnack. Die Qualität ihrer Champagner sonders weich perlende Champagner hervorbringt. In entsteht maßgeblich im Weinberg, sie wird nicht nach ihrem »Tradition« hat sie den Zucker in der Dosage Rezept im Keller zusammengebraut. niedrig gehalten, was für Harmonie und Balance sorgt. Seine florale Frische am Gaumen wird Ihnen fröhli- ches Trinkvergnügen bescheren. Probieren Sie es! Champagne Tradition Brut Elise Dechannes, Frankreich Ihre Darja Ulbricht Das »richtige« Weinglas Die Glashersteller brachten in den letzten Deshalb hat ein gutes Weinglas ein gewis- es so wenig, wie man automatisch zum Wein- Jahren eine Vielzahl von Gläsern für den »op- ses Volumen, eine bestimmte Höhe und eine kenner wird, wenn man sich besonders teure timalen« Weingenuß auf den Markt. Manche kleinere Öffnung als den größten Durchmes- Gläser kauft. Grundsätzlich sollten Sie dem Serien bestehen aus bis zu einem Dutzend ser. Über diesen sogenannten Aroma-Kanal Wein mehr Aufmerksamkeit (und monetären unterschiedlich geformter Weingläser. Das ist unterscheiden sich Gläser vor allem im Duft. Aufwand) widmen als seinem Servier-Gefäß. des Guten zu viel, denn wer Glasform und Typ Gutem Wein kann man enorm viele Informa- je nach Wein wechselt, kann die Unterschiede Für die geschmackliche Wirkung eines tionen entnehmen. Sie finden aber erst über in der Wahrnehmung von Rebsorte, Herkunft Weines ist die Wandstärke der Gläser ent- das komplexe Zusammenspiel von Aroma, und Ausbau nicht miteinander vergleichen, scheidend. Die dicken Wandstärken billiger Geschmack und Mundgefühl im Gehirn zum weil jede Glasform etwas anderes im Wein Weingläser transportieren den Wein relativ Erlebnis zusammen, das Weinglas ist nur Ver- hervorhebt oder unterdrückt. weit auf die Mitte der Zunge. Besonders dün- mittler oder Übersetzer. nes Glas läßt ihn dagegen ganz vorne auf der Probieren Sie es aus: Verkosten Sie aus al- Zungenspitze auftreffen. Dadurch nimmt man Ein gutes Weinglas sollte dünnwandig sein, len möglichen Gläsern Ihres Haushaltes, vom Süße und Säure, über die Gerbstoffkonsis- fein und filigran. Es sollte leicht sein, mit In- Zahnputzbecher bis zum Weinglas, ein und tenz auch die Konzentration und Extraktion halt gut ausbalanciert in der Hand liegen und denselben Wein. Sie werden erstaunt fest- von Rotweinen, und, über die Dichte und Sub- den Wein mit dem Sauerstoff versorgen, den stellen, daß der Wein aus jedem Glas anders stanz durch hohe oder niedrige Erträge, auch er braucht, um sich entfalten zu können. Das riecht und schmeckt. das Fließverhalten, die Dichte und Textur von »richtige« Weinglas besitzt eine Haptik, die Das liegt vor allem an der Form der Gläser. Sie Weißweinen vollständiger wahr als bei dicker Respekt vor dem Inhalt vermittelt. Das spürt beeinflußt über das Verhältnis der Weinober- Wandstärke. man sofort. Dann sorgt es für besondere Auf- fläche zur Höhe des Glases und der Größe Nur weil man »das beste« Glas kauft, versteht merksamkeit dem Wein gegenüber und damit seiner Öffnung die aromatische Wirkung. man Wein nicht besser. Das »beste Glas« gibt für größeres Trinkvergnügen. ❙ //13
WEINZEIT//25 Vier Weine von vier Betrieben die uns am Herzen liegen La Grange Tiphaine Amboise, Loire La Grange Tiphaine ist ein bescheiden auftretendes junges Bio- dynamik-Weingut im Herzen der Touraine an der Loire. 13.5 Hektar bewirtschaften Coralie und Damien Delecheneau dort. Ihre Reben stehen auf unterschiedlichen Bodenformationen. In Amboise domi- niert der Lehm, in dem viele Feuersteine (Silex) und Kieselsteine zu finden sind. In Montlouis ist es karger Tuffkalk mit Lehm- und Feuersteinauflage. Markante Böden, die den Charakter ihrer aber vor der Abfüllung eine leichte Filtration, stilistisch faszinierend vielfältigen Weine prägen. Damien schafft damit im Kundenkeller kein Malheur passiert. in den kleinparzellierten Weinbergen die Grundlage für Coralies Ihre Weißweine aus Chenin Blanc und Arbeit im Keller. Sie vergärt auf den eigenen Hefen in neuen Be- Sauvignon Blanc werden den beiden (und tontanks, Edelstahl oder gebrauchten Barriques, klärt den Most uns) buchstäblich aus den Händen gerissen. nicht vor, weil sie eine zügige Gärung für Präzision und Reintö- Ihre Rotweine, charaktervolle Cuvées aus nigkeit anstrebt, sie schwefelt ihre Weine nur minimal, behandelt Gamay, Cot und Cabernet Franc, sind weniger sie während der Weinbereitung grundsätzlich nicht, erlaubt sich bekannt, vereinen aber in ihrem »Ad Libitum« nach Belieben satte Frucht mit Volumen, Ad Libitum Rouge, La Grange Tiphaine, Geschmeidigkeit und raffinierter Opulenz. Loire, Frankreich Hirsch Vineyards Sonoma Coast, Kalifornien Kalifornischer Pinot Noir ist Themenschwerpunkt für uns. Burgund ist zu teuer geworden und noch immer ein Minenfeld der Enttäuschungen. Kalifornien hat sich dagegen in den letzten zwanzig Jahren zu einer Fundgrube bemerkenswerter guter und stilistisch vielfältiger Pinot Noirs entwickelt. Dafür steht Jasmine Hirsch. Die junge Winzerin strotzt vor Ehrgeiz und Dynamik. Sie mußte vor wenigen Jahren den Betrieb übernehmen, als Ihr Vater nach einem Unfall nicht mehr arbeiten konnte. zu einem dichten, wertvoll duftenden Er ist der Pionier der Sonoma Coast, wo Hirsch Vineyards liegen. Auf Amalgam vereint, das reif und ge- einer ehemaligen Schafs-Ranch in 600 m Höhe mit Blick auf den Pazifik, schmeidig samtig die Zunge benetzt, deren Böden so erodiert und heruntergetreten waren, daß nur noch eine selbstbewußt eigenständig, expressiv dünne Erdauflage blieb. Dort pflanzte David Hirsch visionär die ersten saftig und mundfüllend kraftvoll. An- Reben, heute gilt die Sonoma Coast als eine der spannendsten Regio- ders als Burgund und einen Versuch nen für Pinot Noir weltweit. Die Weinberge liegen exakt auf dem Sankt- unbedingt wert. Andreas-Graben, der unter ihnen in den Pazifik läuft. Ihm zu Ehren diese Cuvée aus den besten Partien der vielen kleinen Parzellen, die Jasmine Pinot Noir »Sankt Andreas Fault«, Hirsch Vineyards, Sonoma Coast, Kalifornien //14
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