Neuerscheinungen Herbst 2021
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Neuerscheinungen Herbst 2021 Verlag Bibliothek der Provinz GmbH. art edition – edition linz – edition münchen – edition seidengasse – edition sommerfrische Verlagssitz: Die Fabrik Litschauerstr. 23, A-3950 Gmünd Postadresse: A-3970 Weitra, Großwolfgers 29, T +43 (0) 2856/37 94, F +43 (0) 2856/37 92 verlag@bibliothekderprovinz.at bestellung@bibliothekderprovinz.at lektorat@bibliothekderprovinz.at presse@bibliothekderprovinz.at www.bibliothekderprovinz.at Geschäftsinhaber: Richard Pils Zuständiges Gericht: Landesgericht Krems an der Donau Firmenbuchnummer FN 386485 k Zuständiges Finanzamt Gmünd UID-Nr. ATU67603845 A-1140 Wien, Rettichgasse 12 (edition seidengasse) A-4040 Linz, Pfeifferstraße 1, T/F +43 (0) 732/71 61 11 (edition linz) D 80469 München, Pils, Auenstraße 102 (edition münchen) café der provinz A-1080 Wien, Maria-Treu-Gasse 3, T +43 (0) 1/944 22 72, www.cafederprovinz.at Öffnungszeiten: täglich 8–23 Uhr, Bio-Brunch: Sa, So und an den Feiertagen 9–15 Uhr Verlagsauslieferung für Österreich und Südtirol: Mohr-Morawa Buchvertrieb GmbH, A-1230 Wien, Sulzengasse 2 T +43 (0) 1/680 14, F +43 (0) 1/688 71-30 Verlagsauslieferung für Deutschland, Österreich, Schweiz und Südtirol: KNV Zeitfracht GmbH D 70565 Stuttgart, Schockenriedstraße 37, T +49 (0) 711/78 60-0 Verlagsauslieferung mit Post oder Bücherwagen: Verlag Bibliothek der Provinz T +43 (0) 2856/37 94, F +43 (0) 2856/37 92 bestellung@bibliothekderprovinz.at www.bibliothekderprovinz.at Verkehrsnummer: VN 129018 Bei KNV Zeitfracht ist die Verkehrsnummer 7510 Auskünfte über Veranstaltungen wie Lesungen, Ausstellungen und Präsentationen direkt beim Verlag oder unter: www.bibliothekderprovinz.at Bei Bedarf erhältlich: Kinderbuch-, Kunstbuchprospekt; Frühjahrs- und/oder Herbstvorschau, diverse Plakate, Folder … Die Verkaufspreise einiger Titel, vor allem jener, die noch in Produktion sind, können sich noch ändern! Preisangaben daher wie bei der Wettervorhersage: Alle Angaben ohne Gewähr. Irrtümer, Änderungen und ähnliche Ärgernisse versuchen wir zu vermeiden. Die Bücher und Autoren der Bibliothek der Provinz wurden ausgezeichnet: Österreichischer Staatspreis, Schönste Bücher Österreichs, Büchner-Preis, Österreichischer Kunstpreis, Deutscher Jugendliteraturpreis für das Lebenswerk, Rauriser Li- teraturpreis, Bachmann-Preis, Veza-Canetti-Preis der Stadt Wien, Landeskulturpreise, Literaturpreis der A und Kultur- stiftung Berlin, Outstanding Artist Award, Österreichischer Förderungspreis für Kinder- & Jugendliteratur, Luchs-Preis der ZEIT, Kinder- & Jugendbuchpreis der Stadt Wien, Premio Andersen, Josef Binder Award, Österreichischer Kinder- & Jugendbuchpreis, Printissimo, Beste Bücher für junge Leser u. dgl. m. Die Bücher des Verlages Bibliothek der Provinz finden Sie in gut sortierten Buchhandlungen, in unserer Verlagsbuch handlung in Großwolfgers, in den Ausstellungsräumen auf Schloss Raabs und auch im Internet, sowohl über unsere Webseite wie bei diversen Versanddiensten. – Wir würden uns freuen, Sie bei unseren Leseveranstaltungen und Ausstel- lungen begrüßen zu dürfen. Abb. Cover: „Blick vom Corcovado nach Catumbi“ von Thomas Ender aus dem Buch „Brasilianische Reisen“ von Robert Wagner 2 Verlag Bibliothek der Provinz
Belletristik Bilger Margret Du fragst was werden wird Seite 4 Bletschacher Richard Eine Liebe in Außerfern Seite 4 Egger Christian Bleiern liegt der späte Abend Seite 5 Feinig Willibald Vorübergang Seite 5 Ganglbauer Petra Die Tiefe der Zeit Seite 6 Goller Edi Winternacht Seite 6 Heidegger Günter George Klimt geht Seite 7 Höller Norbert Flut über alle Menschen Seite 7 Pirker Herbert ka grund zum rean Seite 8 Pollack Ilse/Rendl Kurt Von Katzen und Menschen Seite 8 Salem Gemma/Emeder Annemarie Wo sind sie, die deine Seele liebt? Seite 9 Scarpetta Guy/Sieder Erika Die Lyrische Suite Seite 9 Schreyer Ingrid Guatbächi z’Alp Seite 10 Sengstbratl Gerda Afrika – Anläufe – Anreisen Seite 10 Strasser Joano Die Erstbesteigung des Mount Chutney Seite 11 Szabó Thomas Örs Durch den Spiegel der Versenkung Seite 11 | Kinder Jugend Natter Isabel Dumpelchen geht Schritt für Schritt Seite 12 Konzett Bernadette/Krieg Horst Ada in Trouble Seite 12 | | Kunst Wissenschaft Musik Regionalia | Absolon Kurt Ein Zeichen des hier gewesen Seins Seite 13 Bazant-Hegemark Christian Trauma Seite 13 Brandenstein Gabriela Vom Glück des Schauens Seite 14 Dencker Klaus Peter Ziffern und Zahlen Seite 14 Fink Tone ARCHE.TONE Seite 15 Fuchs Rainer Frankenberger Seite 15 Huainigg Franz-Joseph Den Menschen sehen Seite 16 Ivanceanu Ina Toolbox – A toolbox for urban governance in action Seite 16 Kauer Wolfgang Kult- und Schalensteine in den Alpen und im Granithochland Seite 17 Reich Ludwiga Velania Seite 17 Schuler Romana Karl Mostböck Seite 18 Strasser Raffael/Vortisch Bernardo Nutztier – Fakten, Zusammenhänge und Hintergründe … Seite 18 Trumler Gerhard Alte Mühlen in Südtirol und Trentino Seite 19 Wiesbauer Heinz Traun im Fluss Seite 19 Verlag Bibliothek der Provinz 3
Bilger Margret Bletschacher Richard Du fragst was werden wird Eine Liebe in Außerfern Gesamtausgabe der Gedichte Acht Erzählungen, die Liebe betreffend 13/21 cm, 244 Seiten, Softcover, 24 ¤ 12/19 cm,160 Seiten, Softcover, 15 ¤ ISBN 978-3-99126-029-5 ISBN 978-3-99126-030-1 Transkription und Handschrift in zeitlicher Reihenfolge In Wales, an der felsigen Küste bei der Halbinsel Penygo- zusammengestellt von Melchior Frommel und Ingrid Uhl garth, um es genau zu sagen für einen der dort ortskundig ist, hätten, so erzählte man mir damals in Llanfairfechnan, haben im sechsten Jahrhundert – oder war es im siebenten Du bist jung – haben, so sagt man, einige Fischer eine Sirene gefangen. Freudenbrunn Eine Sirene, ihr lest richtig, eine Sirene, keine Meerfrau. wasserklar Eine solche wäre ja nicht so ganz fremd gewesen in der Sonnenjahr Gegend. Zumindest die Älteren hätten eine solche erkannt doch auch Wein an ihrem Fischleib anstelle der Beine. Nein, also, keine gegorensein Meerfrau, keine Nixe: eine Sirene. Die wäre in manchen und Begehr Abendstunden, ohne dass man vorhersagen konnte wann, Leiden schwer aus dem Meer aufgetaucht, hätte die salzigen Wasser aus ruft im Sinn den Haaren gewunden und hätte sich niedergelassen auf Neubeginn. einem der Felsen. Dort hätte sie dann in einer Sprache, die keinem der Lauschenden vertraut war, zu singen begonnen. Zu singen, ihr habt richtig gehört. Zu singen. Meerfrauen Freudenviel singen nicht, das weiß man, wenn man sich auskennt mit Sommerspiel Frauen. Sommerglück Die Fischer, die sie von weitem sahen, wollten es zuerst weist dein Blick nicht so recht glauben und hielten sich abseits mit ihren nie zurück Booten, sprachen auch wenig davon untereinander und doch dein Schritt schwiegen vor allem zu Hause in Penmaermawr oder in wie vollbracht Llandudno, wo sie eben ihre Hütten hatten, so genau weiß nach dem Ziel man es nicht mehr wo. Auch auf dem Fischmärkten oder in geht leicht und sacht –. den Wirtschaften in den Dörfern am Strand schwatzten sie nicht. Fremde hätten ohnehin nicht viel verstanden von Margret Bilgers Verse fanden sich auf losen Blättern ver- dem, was damals gesprochen worden wäre in Wales. Und streut im Nachlass oder in Briefen an Nahestehende. Die die Einheimischen hatten vom Meer das Schweigen gelernt. Mehrzahl liegt heute zusammen mit dem 2015 erstellten Ihre kymrische Sprache lag ihnen so schwer im Mund, dass Typoskript sämtlicher Gedichte im Archiv, das der Verein sie kaum wussten, wie sie sich mit ihr verständigen sollten… Bilger-Haus in Taufkirchen an der Pram unterhält. Gedichte, die 1939 Alfred Kubin mitgeteilt wurden, befinden sich mit den Briefen im Kubin-Archiv der Städtischen Galerie in München, solche an Wolfgang Graninger im Oberösterrei- chischen Landesmuseum in Linz. Verse in den an P. Joseph Kaufmann gerichteten Briefen liegen in Stift Schlierbach und die an Franz Xaver Hofer bei Helga Hofer in Rainbach bei Schärding. Gedichte mit einem Bestand von 450 Nummern aus fünf Jahrzehnten liegen vor. Manche Verse gibt es in zehn und mehr Niederschriften, andere nur in einer einzigen. Bis zu dreißig Jahre Abstand können zwischen den aus dem Gedächtnis angefertigten Handschriften ein und desselben Gedichts liegen. 4 l i t e r at u r H e r b s t 2 0 2 1 Verlag Bibliothek der Provinz
Egger Christian Feinig Willibald Bleiern liegt der späte Abend Vorübergang Lyrische Balladen, Reimgedichte, Kurzgeschichten, Novellen Prosa 15/21 cm, 168 Seiten, Hardcover, 18 ¤ 13/19 cm, 112 Seiten, Broschur, 12 ¤ ISBN 978-3-99126-031-8 ISBN 978-3-99126-011-0 „Der Vorübergang“ entstand während der Osterquaran- Im städtischen Problemviertel „Stalingrad“ gibt es die Her- täne 2020 und erscheint zusammen mit drei anderen berge „Hotelo Baracko“. Angeschlossen ist eine Gaststätte, Erzählungen: „Glöckel“ (über die Gründung einer Reform- die bekannt ist für ihren knusprigen Ferkelbraten. schule in den Trümmern der k. u. k. Monarchie), „Hinter In diesem Wirtshaus herrscht stets reges Treiben. Der spin- dem Kreuzberg“ (über Abschied und zugleich Einandernä- deldürre Edy, der Mann ohne Schatten, spielt den Koch. herkommen eines Schweizer Managerpaars im Hochge- Der Hausknecht ist Ratomir, der Berserker. Er schimpft, birge) und „Ero“ über die illegale Landung afrikanischer flucht und schüttet das alte, stinkende Frittieröl in den Flüchtlinge an einem Mittelmeerbadestrand. Gulli. Mimi, die Küchenschabe, ist die Beiköchin. Sie lässt „Aus dem Hof in seiner Mitte erhob sich Rauch – vor der den Kuchen aufgehen, bis er überquillt. Dann vergisst sie hohen Front des Allerheiligsten mit dem vielen Gold daran, ihn im Rohr, bis er verkohlt ist. das blendete. Hier war alles anders. Kein einziger Soldat; von Die Gäste bekommen heute altbackenes Brot, gefrorene überall, am meisten aus der Halle im Süden, strömten Men- Butter und fette Würste. Dazu gibt es zimmerwarmes Bier. schen herbei, darunter solche, die Schafe trieben. Ich folgte Die Kinder schnupfen aus Langeweile Pfeffer aus dem den Eltern zwischen den Friseuren, den Käfigen der Vieh- Streuer, worauf sie heftig niesen und verzweifelt plärren. händler, den Tischen der Geldwechsler, die die Denare mit Vom nahen Friedhof ruft die Glocke herüber. Eine Sterbe- Caesars Bild zählten und die grünen Münzen mit den Palm- glocke hört sich hell und blechern an. Sie klingt nicht nach, zweigen, während die Pilger Silberschekel mit den Zähnen und ihr Ton ist kurz und alarmierend. Ihr erschreckender prüften, bunt gekleidet die einen, hochgewachsen und Hall schlägt die Singvögel in die Flucht. Nur die Raben, die schwarzhäutig, durch aufgetürmte Turbane noch größer die Totenvögel, verweilen starr und lassen den nachdenklichen anderen, Ägypter, Griechinnen, Gelehrte und einfache Leute Spaziergänger erschauern. wie wir. An den Ständen gab es Menorot und Gebetsriemen, Die Turmuhr verweigert sich. Sie will die Zeit nicht anzei- Ringe, Siegelwalzen und Abdrucke davon. Selbst Früchte gen. Fußmarode schleppen sich den Gehsteig entlang und und Eier, Körbe, um sie zu tragen, Tücher und Mäntel, Tep- versuchen, dem Hundekot auszuweichen. piche, Sandalen und Parfumfläschchen gab es – Mama Dicke, dunkle Wolken ziehen über das Land. Der einfal- bekam eines, aus grünem Glas. Und überall Leviten in Sei- lende Duschregen wird versuchen, alles theatralisch unter dengewändern, jung und alt, Priester in Leinen mit bunten sich zu vergraben. Gürteln, manche trugen Mützen, manche hielten die Tora im Arm, bei anderen standen die Leute an, um eine Auskunft Im Italienischen gibt es das Wort Allora. Ich möchte es zu bekommen, eine Entscheidung. Es wurde nicht geschrien einmal leichtfertig mit „also“ übersetzen. – Allora ist aber wie auf den Märkten in Arad und Hebron, trotzdem verstand viel mehr als das, es ist philosophisch und banal gleichzei- man sein eigenes Wort nicht. tig. – Allora ist allgegenwärtig, wird aus Verlegenheit ver- wendet, dient auch zur Bestärkung und zur Animation. – Allora ist ein Füllwort und ist doch viel mehr als das. Wer daran ist, Italienisch zu lernen, fängt am besten einmal mit Allora an. Das ist ein gelungener Einstieg. – Allora ist ein Wort der italienischen Solidarität. Es bestätigt das Zusam- menhalten und den gemeinsamen Geist. – Mit Allora kann man den Tag flott beginnen und würdig beschließen. – Dass Allora im Wörterbuch mit: „nun, dann, etc.“ übersetzt wird, ist nur eine schwache Annäherung. Das sagt gar nichts aus über die Bedeutung und eigentliche Tragweite, die diesem Begriff innewohnt. – Allora ist eine Zukunfts- vision und eine Lebensrückschau gleichzeitig. Wer Allora sagt, ist mitten im Leben. – Und ich will es glauben, wenn gesagt wird, dass das erste Wort, das ein neugeborener Ita- liener von sich gibt, Allora ist! Verlag Bibliothek der Provinz l i t e r at u r H e r b s t 2 0 2 1 5
Ganglbauer Petra Goller Edi Die Tiefe der Zeit Die Winternacht Zwei langsame Geschichten Erzählungen 13/19 cm, 80 Seiten, vierfärbig, Broschur, 12 ¤ 13/19 cm, 184 Seiten, Broschur, 18 ¤ ISBN 978-3-99126-024-0 ISBN 978-3-99028-966-2 DIE TIEFE DER ZEIT Sechs Kurzgeschichten entführen in ebenso viele ver- schiedene Schicksale, die sich in einer Winternacht ent- Es fächelte und flügelte von allen Seiten. Es sirrte. scheidend verändern. Sie entführen uns nach Wien und Das Kind fand sich in der Wärme des großmütterlichen St. Petersburg, ins Salzburgerland, nach Deauville, in die Schoßes und empfand sich so sehr zuhause, als wollte es Wachau und ins Weinviertel. dort für immer bleiben. Inmitten kalter Temperaturen wollen sie unterhalten und Es rieb das Gesicht am hauchdünnen Stoff des Hauskleids wärmen und die Hoffnung aufzeigen, die nie erfrieren soll. der alten Frau. Sah mit geschlossenen Augen in die Tiefe Nach der Präsentation ihres ersten Romans „Schokolade des geblümten Musters: und Stein“ veröffentlicht Edi Goller nun einen Band mit Ein Nachhall von Blau und Rot, von Rosa und Grün Winter-Geschichten, dem weitere für Frühling, Sommer sammelte sich in seinem Gedächtnis. und Herbst folgen werden. Und das Gedächtnis glich einer vertieften Geste. Einladungen der Kinder gab es genug. Einmal im Jahr Und das Gedächtnis tut es heute noch. besuchte sie ihre Tochter in Washington, war Granny für zwei Wochen und ging täglich staunend durch die Flucht Manchmal bewegte das Kind den Kopf, die Sonne, die Mitte an hohen Räumen in dem eleganten Stadthaus. Dinnerge- ein wenig weg von diesem warmen Nest, sellschaften gab es da – bis zu zwanzig Menschen aus aller lauschte kurz, blinzelte. Herren Länder, in allen Hautfarben. Eines Abends fand sie Bewegte zögernd die Augen, als suchten diese eine sich zwischen einem japanischen und einem türkischen andere Jahreszeit, einen anderen Ort. Diplomaten am Tisch. Das Englisch der beiden verstand Doch es war Sommer. Durch und durch. sie nicht. Sie verstummte und beobachtete die anderen, lauschte dem Auf und Ab ihrer Stimmen und der Musik Dann wieder bewegte das Kind seine Augen fluchtartig, ihrer Unterhaltung, bewunderte ihre Tochter, die gelassen als wollte es sich genau dieses einen Sommers wirkte und sich in diesem Kreis wohl zu fühlen schien, vergewissern. genoss die Vorspeisen, winzige, exotische Häppchen, auch Und es bewegte seine Innerseele zeitgleich mit den noch das Sorbet nach dem Fischgericht. Dann sagte der Augen. elegante Türke neben ihr – in seinem Versuch, ein Die jedoch verschwand sogleich wieder gemeinsam Gespräch zu beginnen – ein Wort, das einem deutschen mit dem Kind im Stoffnest. Die Innerseele war ebenso Schimpfwort sehr ähnlich klang … lebendig wie zerbrechlich. Nach außen trug sie stets ein Lächeln, ein Sosein. 6 l i t e r at u r H e r b s t 2 0 2 1 Verlag Bibliothek der Provinz
Heidegger Günter George Höller Norbert Klimt geht Flut über alle Menschen Das Epos von Atramhasis Kunstroman 13/19 cm, 152 Seiten, Broschur, 20 ¤ 13/19 cm, 160 Seiten, Broschur, 15 ¤ ISBN 978-3-99126-034-9 ISBN 978-3-99126-033-2 Die Geschichte von Klimt spielt sich im Sommer ab. Es ist Zwischen den Jahren 1636 und 1635 v. Chr. – vermutlich im ein ungewöhnlicher Sommer, lang heiß und schwül. Und Einflussgebiet der Enlil-Stadt Nippur – saß ein ‚Schreiberge- dieser ungewöhnliche Sommer lässt den Klimt der Vergan- sell‘, ein Juniorschreiber, namens Ipiq-Aja bei der Abschrift – genheit auferstehen und da gibt es den Anderen, der oder Niederschrift – eines Textes, der mit der Zeile ‚inuma ilu Gegenwart. Beide sind eine Person, die Grenzen sind flie- ma wilum‘ beginnt. Nach der Datierung der Tafeln, dürfte er ßend, und beide sind nicht wirklich freie Künstler. Sie vermutlich mehrere Kopien jener Erzählung angefertigt ha- unterwerfen sich, Klimt von damals, seiner Zeit, der ben, die in den ersten Tagen der Welt, zur Zeit als die Götter Schönheit, dem Oberflächlichen und der moderne Klimt Mensch waren, ihren Anfang nimmt, die berichtet, wie es zur von heute, dem Geschäft, dem Business. Erschaffung des Menschen kam und die damit endet, wie der Wer ist, wer war Klimt wirklich? Mensch und alles Leben auf Erden der sicheren Vernichtung Welche Art von Kunst würde er in dieser Zeit machen? durch die Sintflut entkommen konnten. Diese Fragen aufspüren, ihnen nachspüren, auch davon Dieses Buch orientiert sich – mit minimalen Abweichungen handelt diese Geschichte. – am Manuskript der Quellensynopse des Atramhasis-Epos, Auf einer anderen Ebene ist Klimt geht aber auch eine Lie- das mir der Altorientalist Claus Wilcke für mein Vorhaben besgeschichte. Er wird geliebt, von Monique, aber er zur Verfügung stellte. Um einen Einblick in den Klang und nimmt diese Liebe einfach nicht wahr und benützt sie nur, die Sprache dieses Epos zu ermöglichen – und in der vagen als Modell und Partnerin etc. Hoffnung, die Eine oder den Anderen für diese alte semiti- sche Sprache begeistern zu können –, möchte ich meiner Das Auge des Erzählers bewegt sich durch eine Straße, Übertragung auch die Transkription der ersten 124 Zeilen bleibt bei einem Haus stehen, schwenkt nach oben. Dort, der altbabylonischen Fassung beilegen, wie sie sich auf Mar- offene Fenster, die von fächelnden, leichten Rollos ver- tin Worthingtons Seite der School of Oriental and African deckt werden. Ein Atelier, auch hier die Hitze, sie wird von Studies (SOAS) London finden. einem Ventilator, der sich träge an der Decke dreht, umge- Trotz aller Fußnoten und der schmalen Bibliographie stellt rührt. Das Atelier hat weiße, hohe Wände an denen Bilder mein Versuch nicht den Anspruch der Wissenschaftlichkeit. hängen, stehen, zwei Stühle, ein Tisch, die Staffelei. und Eher liegt in diesen Zeilen das Logbuch einer wundersamen ein großes Bett. Irrfahrt durch diesen Text vor. Und wenn es auch vornehm- Dort liegt Klimt, nackt, im Dämmerschlaf mit geschlosse- lich die Tafeln des Ipiq-Aja sind, nach denen ich mich dabei nen Augen. Er atmet hörbar. Seine Haut glänzt. Ein feiner richte – jene Zeilen, die durch die Zeilennummern ohne Zu- Schweißfilm bedeckt seinen muskulösen Körper. sätze gekennzeichnet sind –, so sind hier die Fragmente aller Zeiten und Gegenden zu einem einzigen Text vermengt. Günther George Heidegger flut über alle menschen flut über Klimt GeHt alle menschen Roman Das Epos von Atramhasis übertragen von Norbert Höller Verlag Bibliothek der Provinz Verlag Bibliothek der Provinz Verlag Bibliothek der Provinz l i t e r at u r H e r b s t 2 0 2 1 7
Pirker Herbert Pollack Ilse (Übersetzerin) ka grund zum rean Rendl Kurt (Illustrator) Dialektgedichte Katzen und Menschen Gedichte und Prosa aus Portugal 13/21 cm, 96 Seiten, Hardcover, 12 ¤ ISBN 978-3-99126-035-6 12/19 cm, 80 Seiten, vierfärbig, Broschur, 15 ¤ woanung ISBN 978-3-99126-021-9 waun s mi Ausgewählt und übersetzt von Ilse Pollack es kenntad jo sei Zeichnungen von Kurt Rendl amoe obduzian wean duad ma jezd scho dea patolog laad Manuel de Freitas waun a de grodn in mein mogn Schatten eines Katers zön muass Für Eugénio de Andrade de i mei lem laung Wie bemerkt man das Alter eines Katers? Im Fall von Bar- hob schlukkn miassn nabé ist die Antwort einfach: Er hat praktisch aufgehört, mich zu attackieren (das war sein Lieblingssport zwischen sechs am Nachmittag und zwei Uhr früh), sein Fell hat dod immer mehr an Dichte verloren und er ist viel magerer. Die i hob mi Gesten wurden, wie immer im Alter, langsamer und selte- mei lebdog ner. Ein Schleier legte sich in stummer Trauer über seine ned fadisiad Augen, die mich seit fünfzehn Jahren begleiten. und i fiachd mi eigentli ned Ich hoffe, Freund Kater, dass dies nicht der letzte Sommer vuam schdeam sein wird, den wir miteinander verbringen. Auch ich bin owa vuam dodsei jetzt ein Gewoge aus Kurzhaar und Falten, die sich über ein fiachd i mi müdes Gesicht breiten. Vielleicht ist auch für mich, mit weu wos moch i daun vollem Recht, die Stunde dieser schrecklichen Frage ge waun i dod bin kommen: „Wie lange noch werden wir sie lieben können, in gaunzn dog? diese Jungen, ohne sie zu beleidigen?“ Ich würde gerne über eine andere Angelegenheit zu dir sprechen, ein ande- Herbert Pirker ist im Oktober 1935 in Wien auf die Welt res Thema für die Dichtkunst finden, zu der ich schon gekommen. In seinem Elternhaus war der Dialekt verpönt, nicht mehr fähig bin. und wenn er aus dem Hof, wo er gespielt hat, oder aus der Meine Hand ruht auf deinem müden Rücken, während Schule, in die er sehr gern gegangen ist, ein Dialektwort uns die Nacht umgibt. Scheiß auf die Literatur. mitgebracht hat, mußte er es sich schnellstens abgewöhnen. Und weil gerade von der Schule die Rede war: In Erdberg im dritten Wiener Gemeindebezirk hat er auch die Matura des Realgymnasiums bestanden, im Gebiet zwischen dem Drit- ten und dem Ersten hat er auf der Akademie für Musik und darstellende Kunst Klavier beim Professor Dichler und Orgel beim Professor Walter studiert, dann kam noch Musikwissenschaft auf der Uni dazu. Nach einer schweren Krankheit war’s aber mit dem Studium vorbei, und er wurde Sparkassenangestellter, meldete sich dort schleunigst in die Werbeabteilung, verließ jedoch nach hier erduldetem lan- gem schweren Leiden den Sparkassensektor und wurde Werbetexter. Jetzt begann er, Sendungen fürs Radio und fürs Fernsehen zu schreiben, war mit seinen Dialogen etwa für „Im Wiener Konzertcafé“ und „Der Kaffee ist fertig“ wie auch mit seinen Hör- und Fernsehspielen sehr erfolgreich und verfaßte schließlich für das von Jörg Mauthe gegrün- dete „Wiener Journal“ monatliche Feuilletons … 8 l i t e r at u r H e r b s t 2 0 2 1 Verlag Bibliothek der Provinz
Salem Gemma Schreyer Ingrid Emeder Annemarie (Übersetzerin) GUETBÄCHI Z‘ALP Wo sind sie, die deine Seele liebt? Aufzeichnungen meines ersten Almsommers (1998) Am Grab von Thomas Bernhard 12/19 cm, 80 Seiten, Hardcover, 12 ¤ 13/21 cm, 88 Seiten, Hardcover, 12 ¤ ISBN 978-3-99126-036-3 ISBN 978-3-99126-025-7 Montag, 15. September Wieder konnte ich die Haube vom Küheholen gleich in den Stall übertragen. Die Straßenbahnhaltestelle befindet sich am unteren Jetzt liege ich in meiner kalten Kammer, oben auf einem Ende der Straße, die zum Friedhof führt. Ein steiler Kinder-Stockbett in halbwegs trockenem, halbwegs sau- Anstieg von ungefähr 400 Meter, gekrönt vom Eingangs- berem Gewand. Habe bereits einen halben Liter Milch- tor. Hier heißt es An den langen Lüssen. Ein Flurname. wasser, siedend heiß, gesoffen, friere trotzdem, bin müde Die vor Kurzem in Google gefundene Übersetzung von von der Fünf-Uhr-Tagwache. Würde – ‚ wenn es denn Lüssen wäre: gehen lassen. Entlang des Gehen-lassens. Ster- hätte‘ (so sagen die Schweizer) – sogar schon in der Früh ben bedeutet also gehen lassen. Wie soll man es sonst ‚heißes Wasser‘ (so sagen die Schweizer zum Hochprozen- übersetzen? Am langen Aufgeben? Am unendlichen Ver- tigen) in den Kaffee schütten. Es herrscht Dämmergrau im zicht? Unterstafel, und ich möchte am liebsten wieder hinauf, Wenn es nach ihr ginge, würde sie sagen, entlang des Was in den mittleren. Ich warte auf Toni, der die Kinder in die soll‘s, ja sogar des Umso besser, aber sie weiß. Er hatte sich Schule, und die Milch in die Zentrale liefert; und die Kühe weder gehen lassen noch aufgegeben noch verzichtet. warten im Stall. Noch immer macht sie sich solche Gedanken, seit nun- mehr dreißig Jahren, die sie hier lebt. Ihre alten Lungen Eine beeindruckende Szene aus dem Film ‚Am Stein‘ geht protestieren, und trotzdem schreitet sie zügig voran. Links mir durch den Kopf: Wie die Bauern – es ist Sommer – auf eine Reihe von kleinen, unscheinbaren Gebäuden, rechts die tief verschneite Grafenberg Alm kommen, um sich die Villen mit ihren offenen Garagen und großen Autos ums Vieh zu kümmern. Wie sie in der dampfenden Hütte darin. Blühende Gärten und hundert Jahre alte Bäume. bei der Jause diskutieren. Sie schaut nicht mehr, was um sie herum ist, sie kommt, So war es auch gestern: Als Köchin für zwölf Leute gefiel um Ihn hier oben kurz zu besuchen, eine Anwesenheitsbe- ich mir in der Rolle meiner eigenen Großmutter: Nach zeugung ist es. Ein intimer und einsamer Pakt, der regel- herzhafter Würstlsuppe kredenzte ich Nudeln mit recht mäßig erneuert wird. viel ‚Chas‘ und Bier dazu. Die wollten, schlürften noch ei- Warum, weswegen? nen knappen Schnapskaffee, und dann ging’s auf: Er steht übrigens nicht an erster Stelle derjenigen, die ihr Die Galten, das sind die trockengestellten Kühe, müssen wichtig sind. Dieser Platz gehört auf ewig Franz, Franz wir separieren. Schubert. Ein Wiener, wie er im Buche steht. Ein noch älterer Pakt. Verlag Bibliothek der Provinz l i t e r at u r H e r b s t 2 0 2 1 9
Scarpetta Guy Sengstbratl Gerda Sieder Erika (Übersetzerin) AFRIKA Die Lyrische Suite Anläufe Anreisen Roman 13/21 cm, 232 Seiten, Hardcover, 24 ¤ 15/21 cm, 480 Seiten, Broschur, 34 ¤ ISBN 978-3-99126-038-7 ISBN 978-3-99126-023-3 Im Traum Es ist weit und still. Weißer Sand und heller Staub, elfen- Der Entwurf eines solchen Romans, der ganz bewusst beinfarbene Hörner von Rindern vor einer milchweißen Urkunde und Dichtung mischt, enthebt mich, in meinen Lehmwand mit einem kreideweiß verstaubten Mann in Augen, der Verpflichtung „Quellen“ anzugeben. einem rahmfarbigen Kapuzenkleid. Alle Hörner, alle Tiere, Meine Dankesschuld an Marcel Faust möchte ich jedoch alle Umrisse voneinander abgehoben, nur durch Schatten zum Ausdruck bringen. Er hat mich in seiner Wohnung und Licht. Die staubweiße Hand des Mannes liegt auf dem am Opernring empfangen und bewirtet. All das, was in Horn des vordersten Tieres. Der Mann, das bin ich. Ich bin diesem Buch zum politischen, ideologischen und kulturel- der Leithammel der Geschichte und alles und alle folgen len „Klima“ im Österreich der Nachkriegsjahre zu finden dem Leittier. ist, verdanke ich seinen Erzählungen. Guy Scarpetta Auf der Fahrt zum Flughafen ist es schon dunkel. Wir fah- Die Lyrische Suite spiegelt Guy Scarpettas kritische, bis ren durch Absperrungen vor dem Flughafen. Wir kennen heute unveränderte und wohl nicht ganz unberechtigte keine andere Zufahrt zur Abflughalle. Kiku ist ein kluger Sicht dieser Epoche. Sprachliche Brillanz und aktuelle Chauffeur. Männer zielen mit Maschinengewehren auf Verknüpfungen des faktenbasierten Romans über das kul- uns. Wir sind auf dem Gelände des Militärflughafens turelle, musikalische und politische Leben in Wien, New gelandet. Andere Bewaffnete laufen auf uns zu. Schreien. York, in der Schweiz und Frankreich zwischen 1920 und Richten auch die Waffen auf uns. Erklärungen, Beteuerun- 1985 ziehen den Leser in Bann. gen, Entschuldigungen. Alles plausibel. Sie beruhigen sich. Wir auch. Guy Scarpetta (*1946) erhielt 1993 den Prix Louis- „Wenn das so weitergeht, werden sich die Abflüge Barthou für La Suite Lyrique . irgendwo in der Dunkelheit verstecken und man muss dann jeden einzelnen suchen und aufstöbern“, sagt Kiku. Von Mittersill herauf kamen Laute – Stimmen, Motorge- räusch der Jeeps, Hundegebell. Die Dunkelheit schien die Einparken, Autotürenzu schlagen, Kofferraumtüröffnen, Töne zu vereinzeln und klarer unterscheidbar zu machen. Ausladen und Abschiedsumarmungen. Sie entsprangen gleichsam der Stille und dem Unsichtba- ren, heben sich einen Augenblick mit der für die Geräu- In Wien-Schwechat mit Rollkoffern, Anoraks, Handschu- sche der Nacht eigenen Ausdehnung von der Oberfläche hen und Wollschals um die Köpfe gewickelt, umarmen wir ab, um dann wieder in die Stille und das Unsichtbare zu einander zur Verabschiedung. Lilli nimmt den Zug nach versinken. Stille … Hause, ich die Schnellbahn. 10 l i t e r at u r H e r b s t 2 0 2 1 Verlag Bibliothek der Provinz
Strasser Johano Szabó Thomas Örs Die Erstbesteigung des Mount Chutney Durch den Spiegel der Versenkung 16 subversive Geschichten Roman 13/21 cm, 132 Seiten, Broschur, 18 ¤ 15/21 cm, 296 Seiten, Broschur, 28 ¤ ISBN 978-3-99126-022-6 ISBN 978-3-99126-048-6 Als ich in den Fünfzigern zur Schule ging, war eine der wich- Verbittert erduldet der namenlose Schuhputzer Suha Vratas tigsten Botschaften, die uns von unseren Lehrern vermittelt ein Dasein, das er bestenfalls als Qual bezeichnen kann, bis wurde: Der erste Gedanke ist falsch. Der spontane Einfall ist ein schiffbrüchiges Romaquartett im Port der Stadt stran- bestenfalls ein Einfall, vermutlich eine Sackgasse, die man det. Die Neuankömmlinge bringen einen Stein ins Rollen, am besten gar nicht betreten hätte, jedenfalls keine präsen- der den Schuhputzer beinahe Kopf und Kragen kostet. table Antwort, eine vage Vorahnung der richtigen Lösung Schließlich verliert dieser bei einer nächtlichen Verfol- vielleicht oder ein Zufallstreffer. Sackgassen zu betreten gungsjagd den Boden unter den Füßen und stürzt in eine galt als Zeitverschwendung, Zufallstreffer wurden nicht als tiefe Grube, aus der es kein Entrinnen gibt. Dem Tode nahe, Treffer gewertet. Als richtige Antwort galt stets nur, was befördern ihn Träume in das Leben seiner Mitmenschen. Ergebnis methodischen Vorgehens, sorgfältiger Prüfung Schließlich lernt er am Beispiel der Zigeunerin D’Artagnan, und Abwägung verschiedener Möglichkeiten im Lichte der wie er seine eigenen Fallstricke entwirrt. Keine Minute zu Vernunft war. Die meisten meiner Lehrer sahen es als ihre früh. Aufgabe, Spontaneität und ungezügeltes Drauflosdenken Das üble Schattentheater, das die zerschlissene Haut des möglichst zu unterbinden und all unsere Äußerungen den alten Herrn zur Leinwand ihrer Erzählung werden ließ, so Anforderungen einer strengen, asketischen Vernunft zu un- konnte man wohl sagen, flößte seinen Betrachtern eine terwerfen, deren Triftigkeit sich an richtigen Ergebnissen unwillkürliche Abscheu ein. Eine rationale Erklärung für messen ließ. den Schauder, vielleicht sogar Ekel, der ein Gegenüber zu bannen vermochte, entsprang seiner Kaltherzigkeit. Die for- Wir Schüler lernten so, dass es eine unendlich große Zahl cierte Distanz gegenüber seinen Mitmenschen und das falscher Antworten gab und nur eine einzig richtige. Und Unverständnis für lebendige Freude hatten seine Krähen- im Zweifelsfall war es immer der Lehrer, der diese einzig füße so tief bis über die Wangenknochen gegraben, dass sie richtige Antwort parat hatte. Vernunft walten lassen hieß, seine Außenwelt wie Gitterstäbe vor einem Blick in seine vorsichtig sein, sich zusammenreißen, seinen Intuitionen Wirklichkeit zu bewahren schienen. Der tranige Schlaf sei- mißtrauen, sorgsam alle Möglichkeiten abwägen, hieß sich ner Augenwinkel und der milchig glasige Blick verrieten, wie an den vorgegebenen Lösungsweg halten, nicht trödeln, loc- sehr die zerfurchten Klüfte und das Ornament seines kende Abwege meiden, keine Luftsprünge machen, keine Gesichts durch Gram geschaffen wurden. Weder Weisheit Pirouetten drehen. Zucht und Ordnung sollten in unseren noch Milde zeichneten sich hier ab. Den Blick mal nach Köpfen walten, Schritt für Schritt, bei einer stets gleichen vorn, dann wieder gen Boden gerichtet, streifte der Namen- mittleren Betriebstemperatur sollten wir uns auf vorgegebe- lose wie blind durch seine gepflasterten Straßen. Die Jahre, nen Lösungswegen voranarbeiten, um am Ende die einzig die er in freiwilliger Isolation in einem kleinen Städtchen richtige Antwort zu finden oder zu versagen. verbrachte, hinterließen dicke Schwaden von Nebel vor sei- nem geistigen Auge. Jedes der Gebäude am Straßenrand konnte er mit einer sehr Johano Strasser Die ErstEbEstEigung des Mount ChutnEy spezifischen Erinnerung verknüpfen. Sie waren für ihn chte einzu- Johano Strasser jedoch nicht, wie für viele andere, in erster Linie bewohnt, : enen Die ErStBEStEIGUNG sondern besetzt von den Tagen der Vergangenheit, so wie er ht mit des MoUNt CHUtNEy afür n. sich an sie zu erinnern vermochte. In Summa, daran gab es 16 subversive Geschichten aunlich bedeu- keinen Zweifel, schlich der Namenlose völlig automatisiert enke ich, mmer durch ein Raster, das er zu seinem ganz persönlichen Laby- dacht en sein. rinth werden ließ. Unglücklicherweise, und obwohl dieses ja seinem eigenen Geist entsprang, konnte er sich zwar frei in ihm bewegen, schien aber keinerlei Ausweg zu finden, sofern man überhaupt davon ausgehen konnte, dass er nach einem suchte. Seine Tage zogen schemenhaft an ihm vor- über, ohne dass er Notiz vom Zauber seiner Gegenwart nahm, sich seiner Gefangenschaft gewahr wurde oder etwas Verlag Bibliothek der Provinz unternahm, seiner Zelle zu entfliehen. Verlag Bibliothek der Provinz l i t e r at u r H e r b s t 2 0 2 1 11
Konzett Bernadette (Text) Natter Isabel Krieg Horst (Illustrator) Dumpelchen geht Schritt für Schritt Ada in Trouble Dumpelchen will hoch hinaus 13/19 cm, 184 Seiten, Hardcover, 20 ¤ 18/18 cm, 40 Seiten, Hardcover, 18 ¤ ISBN 978-3-99126-045-5 ISBN 978-3-99126-046-2 Meine Eltern haben mich für die Sommerferien zur Oma Dumpelchen ist ein kleiner Zwerg mit roter Mütze, der in aufs Land gebracht, weil ich mich geweigert habe, in die einer großen Blumenwiese wohnt. Er ist neugierig, unbe- Ferienbetreuung in den Hort zu gehen. fangen und mutig. Am Vorabend haben sie gestritten und sich angeschrien. Der rotbemützte Zwerg Dumpelchen ist so klein, dass er Mein Vater war dagegen, mich hierherzubringen. „Du seine geliebte Wiese vor lauter Gräsern nicht sehen kann. hältst deine Mutter keine zwei Stunden aus und bringst Dieses Problem versucht er durch die abenteuerliche Reise Ada für fünf Wochen dahin?“, schrie er. Türen knallten, auf den nahegelegenen Berg zu lösen. Auf dem Weg setzt er dann war es ruhig. Vor dem Einschlafen erinnerte ich sich mit seinem (Selbst-)Zweifel auseinander. Er begreift, mich an „Hänsel und Gretel“. Steinchen und Brotkru- dass man sein Ziel nur erreichen kann, wenn man trotz men, um den Weg zurückzufinden. Aber wenn man mit Angst und Zweifel immer wieder mutig vorangeht – und dem Auto gebracht wird, ist das schwierig. Ich packte zwar Schritt für Schritt. aber für alle Fälle eine Landkarte und den Busfahrplan ein, mein Sparbuch konnte ich gerade nicht finden. Dafür es war einmal aber mein Smartphone. Dass ich das Ladekabel vergessen in einer wiese, hatte, würde ich erst viele Tage später merken, so aufre- am fuß von einem berg, gend waren die Ferien da draußen in dem kleinen ober- da wohnt österreichischen Dorf. Aber das wusste ich an diesem -im schutze eines steines Abend noch nicht und so schlief ich tränennass ein. ein klitzekleiner zwerg! Meine Oma hat einen schwarzen Kater, eine Tigerkatze „hallo, du! und eine gefleckte Katze. Am liebsten mag ich die getiger- ich bin dumpelchen!“, te. Sie heißt Tiger und lässt sich aufheben und streicheln. ruft er und zum gruß, Flecki, das ist die mit den roten, weißen und schwarzen winkt er ganz höflich Flecken, hat mich am ersten Tag voll gekratzt. Und Bla- mit dem linken fuß. cky, der Schwarze mit den runden grünen Augen, ist so- wieso meistens irgendwo beim Schuppen oder auf dem für einen zwerg Feld unterwegs. ist dumpelchen klein, Als ich am ersten Tag aus dem Auto kletterte und mein kaum größer Papa das Fahrrad und die Koffer auslud, saß Tiger auf als ein kieselstein. dem Holzstapel vor dem Haus. Ihr Fell glänzte in der Sonne und war ganz warm. Ich durfte sie streicheln und sie schnurrte wie mein Einschlafbär, den ich als Kleine hatte. Brrrrgrrrr brrrrrrgrrrrrr. Meine Eltern blieben noch auf einen Kaffee, meine Mama schimpfte, weil Oma mir zu viel Kakaopulver in die Milch getan hatte und er- mahnte mich, immer gut die Zähne zu putzen. Mein Papa blätterte in einer kleinen bunten Zeitung, die bei Oma auf dem Küchentisch gelegen war. Dann fuhren sie. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und setzte mich mit Tiger vor die Haustür. Oma kam mit einem lee- ren Topf. „Ich geh’ Ribiseln pflücken, magst mit?“. Ich blieb sitzen. Tränen tropften in Tigers Fell. „Aber geh´, es wird dir schon gefallen“, sagte die Oma. Ich schaute zum Garten hinüber, wie sie Ribiseln pflückte. Beim Hineinge- hen gab sie mir welche zum Kosten. Sie waren aber sauer. Auch Tiger mochte sie nicht und rollte sie mit ihrer Pfote herum, nachdem sie neugierig daran geschnuppert hatte. 12 kinder | jugend Herbst 2021 Verlag Bibliothek der Provinz
Absolon Kurt Bazant-Hegemark Christian Ein Zeichen des Hiergewesenseins Trauma Monografie und Werkverzeichnis Monografie 24/27 cm, 352 Seiten, vierfärbig, Hardcover, 48 ¤ 24/30cm, 176 Seiten, vierfärbig, Hardcover, 30 ¤ ISBN 978-3-99126-044-8 ISBN 978-3-99126-020-2 Textbeiträge von Matthias Boeckl, Cornelia Cabuk, Berthold Textbeiträge von Andrea Kopranovic, Günther Oberhollenzer, Ecker, Bernhard Hainz, Elisabeth von Samsonow, Ferdinand Jaqueline Scheiber Schmatz, Stefan Üner herausgegeben von Bernhard Heinz und Stefan Üner Anlässlich seiner ersten institutionellen Einzelausstellung (Museum Angerlehner, 2021) bietet “Christian Bazant- Kurt Absolon, dem jung Verstorbenen, dem leichthändigen Hegemark: Trauma” einen vielfältigen Einblick in das Zeichner und zur exzentrischen Komposition Begabten, Schaffen der letzten 15 Jahre. Großformatige Malereien gebührt eine ausführliche Betrachtung, und zwar eine und detaillierte Zeichnungen werden visuell und mit Betrachtung nicht nur seines Werkes, sondern auch seiner Gedichtfragmenten des Künstlers assoziativ verbunden. Motive, Anregungen und Vorlagen. Absolon gehört einer Künstler-Generation an, die es nicht leicht hatte. Er wird Ein roter Faden führt durch viele Jahre des künstlerischen geboren 1925, wenige Jahre nach dem Ende des Ersten Prozesses: welche Bildersprachen können genutzt wer- Weltkrieges, der mit der hoffnungsvollen Blüte Wiens um den, um Menschen in Traumaaufarbeitung darzustellen? 1900 endgültig Schluss gemacht hat. Absolon ist 14 Jahre Wie bildet man Trauma ab? alt, als der Zweite Weltkrieg beginnt, und genau zwanzig, In oft rätselhaften Settings werden Assoziationen des als er endet. Der äußerst talentierte, tiefsinnige und bele- Unterbewusstseins genauso gezeigt wie herkömmliche sene erst Zwanzigjährige zeichnet und malt das Nahelie- Alltagsmomente: „Zwischen den Wirkungsräumen der gende: Gehöfte, Verwandte und einige Topfblumen. An mitunter stillen Bildmomente öffnet sich eine Variable, Absolon lässt sich gut ablesen, mit welchen Schwierigkei- die das Verständnis von Alltäglichkeit und Trauma ver- ten diese Generation zu kämpfen hatte, um sich aus dem eint. Die unmittelbare Begegnung mit Arbeiten, die auf historischen Griff der Kunstgattungen und -genres zu den ersten Blick keinerlei Sensationslust stillen und sich lösen, und wie sie sich, aller Einschränkung von Mitteln, in vielen Fällen auch nicht der üblichen Bildsprache des Radius und Ermutigung zum Trotz, erfolgreich eigenes Schmerzes bedienen, weitet die Vorstellung aus, die wir Terrain erobert. Die auffällige und geistvolle Erscheinung mit dem Bruch assoziieren. Die Werke bilden trotz ihrer Kurt Absolons, die die Zeitgenossen an den jungen Schiele räumlichen Wucht oftmals Momente fernab von Tragik erinnert, erregt Aufmerksamkeit, er erhält Zuspruch und ab. Es ist, als hätte man die Stille zwischen den Zeilen Unterstützung, er wird in seinem Kreis als hochbegabt unter eine Lupe gehalten.“ (Jaqueline Scheiber) erkannt, geschätzt und gefördert. Oftmals bekommen die eigenen Wunden erst später einen Namen. Später, zu einem Zeitpunkt, wo schon längst eine Ver- Elisabeth von Samsonow narbung stattfand und nur noch eine Hautunebenheit an den Einschnitt erinnert. Verlag Bibliothek der Provinz kunst | wissenschaft | musik | regionalia Herbst 2021 13
Brandenstein Gabriela Dencker Klaus Peter (Hg.) Vom Glück des Schauens ZIFFERN-Texte & ZAHLEN-Poesie Photografien von 1965–2020 poetisch – rätselhaft – kurios 24/26 cm, ca. 200 Seiten, vierfärbig, Hardcover, 38 ¤ 17/24 cm, ca. 300 Seiten, Hardcover, 28 ¤ ISBN 978-3-99126-019-6 ISBN 978-3-99126-039-4 Textbeitbeiträge von Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Christine Poetisch, rätselhaft und kurios ist die Gattung der Zahlen- de Grancy, André Heller, Michael Heltau, Peter Stephan Jungk, poesie, die Klaus Peter Dencker in einer Anthologie vom Peter Rosei 7. Jh. v. Chr. bis in die Gegenwart zum ersten Mal in die- herausgegeben von Semirah Heilingsetzer sem historischen Umfang vorstellt. Das Spektrum reicht von den traditionellen Formen der Lyrik und Prosa, in Gabriela Brandenstein, geboren 1944 in Wien, begann ihre denen Ziffern und Zahlen den Text bestimmend poetische Arbeit als Pressephotographin beim Kurier und ist seit 1974 Rollen spielen, bis zu Formen und Gebilden, die nur Zif- als freiberufliche Fotografin tätig. fern enthalten. Sie schuf Musikerporträts für Schallplatten und CD-Covers In ihm spiegelt sich die schon immer existierende Verbin- großer Plattenfirmen des klassischen Fachs, wie Deutsche dung von exakter Mathematik und frei spielender Poesie Grammophon, Philips, Sony etc. Brandenstein war zudem im zunehmenden Suchen der Autoren nach literarischen als Standfotografin für nationale und internationale Ausdrucksformen, um die Grenzen der alphabetischen Filmproduktionen tätig, darunter „Geschichten aus dem Sprache zu erkunden. Das numerische tektonische Gerüst Wiener Wald“ (1979), „Schubert – Mit meinen heißen eines Inhalts, die Zähl- und Beweisbarkeit als scheinbare Tränen“ (1986), „Before Sunrise“ (1995) u. a. In Zusammen Voraussetzung für Genauigkeit und Glaubhaftigkeit des arbeit mit dem Residenz Verlag entstanden Porträts zahl Beschriebenen nimmt über die Jahrhunderte zu und zeigt reicher österreichischer Autoren und Autorinnen. Ihre sich nicht nur in der Literatur sondern auch in der bilden- Fotografien sind in zahlreichen Publikationen abgebildet, den Kunst und innerhalb der musikalischen Kompositio- etwa „Vienna-Warhol-Vienna“ von André Heller. nen. Dieses Lese- und Sehbuch zum Schmunzeln, Staunen Er schreibt: „Dann gibt es Wesen, die tatsächlich vom und Entdecken konzentriert sich mit nahezu 250 Beispie- Schöpfer oder der Schöpferin eine Blickbegabung, eine len zwar auf die Literatur, - in einem ausführlichen Vor- Kunst des Schauens, eine Nuancenwahrnehmung verliehen wort wird aber auch mit Beispielen sowie weiterführen- erhielten, der kaum jemand das Wasser reichen kann. Ihre den Quellen- und Literaturangaben der Blick auf das Bildergebnisse sind die optische Entsprechung zu ‚zwischen ganze Umfeld des Themas ZIffern & Zahlen geworfen. den Zeilen lesen‘. Gabriela Brandenstein ist von dieser raren Art und als Fotografin eine eigene Spielklasse.“ Und Michael Gedichte und Prosa von Achleitner . Agrippa . Aguiar . Ana- Heltau notiert: „Fotografie ist ein indiskretes Medium. kreon . Anonym . Abzählreime . Arithmetisches Sonett . Gabriela Brandenstein ist der diskreteste Mensch! In diesem Fratasien . Kurioses . Nachtwächterlied . Palatina . Wun- Spannungsverhältnis kommen ihre unverwechselbaren derhorn . Archimedes . Arp . Artmann . Asklepiades . Baader Bilder zustande. Sie sind dadurch auch zeitlos.“ . Bäcker . Balestrini . Ball . Bayer . Behrens . Bellarmino . Belloli . Bense . Bergengrün . Berger . Bezzel . Bienek . Blaine . Block . Blumauer . Bogner . Bonn . Born . Bremer . Brink- mann . Bruno . Calleja . Castro . Catull . Charms . Chlebni- kov . Chopin . Clavin . Cobbing . Cointet . Corfou . Costis . Czepko . Czernin . Czurda . Dehmel . Dencker . Döhl . Droste . Einszehn . Engel . Endler . Enzensberger . Faust d. Jüngere . Ferrando . Fichte . Fontana . Fried . Fuchs . Gabirol . Gappmayr . Garnier . Geerken . Gerhardt . Gernhardt . Gerz . Gilgamesch . Glück . Goeritz . Goethe . Gomringer . Gosewitz . Grillparzer . Grögerova/Hirsal . Groh . Grünbein . Grünewald . Guilera . Haggada . Handke . Harig . Harsdörf- fer . Haufs . Haug . Hausmann . Havel . Hein . Heine . Hei- ßenbüttel . Hell . Hesiod . Hoffmanswaldau . Hofstadter . Honoratus . Horaz . Hrdy . Hülsmann . Isou . Jacob . Jandl . Jap. Volkslied . Jarry . Jaschke . Joseph . Kästner . Kazakov . Kempton . Klaj . Kircher . Kirves … 14 kunst | wissenschaft | musik | regionalia Herbst 2021 Verlag Bibliothek der Provinz
Fink Tone Fuchs Rainer und ARCHE.Tone Rauchenberger Johannes (Hg.) tiere anderer art.en Richard Frankenberger Natur. Gesellschaft. Widerstand/Nature. Society. Resistance 21/29 cm, 104 Seiten, vierfärbig, Hardcover, 24 ¤ ISBN 978-3-99126-049-3 28/24 cm, 304 Seiten, zahlreiche Abb., Text dt./engl., vierfärbig, Hardcover, 49 ¤ Tone Finks Tierbilder, die er mit dem ersten Lockdown ISBN 978-3-99028-993-8 intensiv zu malen begonnen hat, sprechen für mich von seinem Wunsch, dem Wahnsinn der Pandemie etwas Textbeiträge von Bianca Bachmann, Erwin Fiala, Rainer Fuchs, Schönes entgegenzusetzen. Tone konzentriert sich unter Robert Menasse, Eva Pichler, Johannes Rauchenberger, Gerald anderem auf vom Aussterben bedrohte Arten. Seine Arche Raunig, Walter Titz und Wolfgang Ulrich umfasst inzwischen bis zu 50 Tierzeichnungen. Manchmal Richard Frankenbergers Kunst ist eng mit seinem kultur- sind sie zart und liebevoll, manchmal mit herausfordern und gesellschaftspolitischem Engagement verknüpft. Uner- der Mimik gemalt. Sie wirken auf den ersten Blick bieder müdlich und mit kritischer Sensitivität beobachtet der meierlich brav. Auf den zweiten Blick, manchmal wie in einer Fußnote, zeigt sich das Schelmische in diesen Künstler sein unmittelbares ländliches Umfeld, um mit Werken. Kunst, die sich an internationalen Maßstäben und aktuellen So unterschiedlich seine Tierbilder sind, so individuell Diskursen orientiert, gegen provinzielles Denken und Han- werde ich auch auf sie reagieren, sei es in Form von deln vorzugehen. Natur und Landschaft werden dabei als Gedichten, Miniaturen oder Prosa. Das Thema des gesellschaftliche Umräume wahrgenommen, die fernab Überlebens, Weiterlebens und vor allem des Überlieferns idyllischer Verklärung einer aufklärerischen Beobachtung als Tätigkeit des Künstlers wird sicher im Mittelpunkt und künstlerischen Nutzung unterliegen. Seit den 1970er meiner Arbeit stehen. Die Angst vor dem Verlust, das Jahren lotet Frankenberger mit seinem Werk sowie als Ini- panische Festhalten von Schönheit und die Liebe zur tiator künstlerischer und wissenschaftlicher Veranstaltun- „Schöpfung“ interessieren mich und animieren mich zum gen konsequent das Spannungsfeld zwischen ökologischer Erzählen. Wie bei unserer gemeinsamen Arbeit Mono.Tone, Nachhaltigkeit und ökonomischen Fehlleistungen aus. In zu der ich einige Gedichte beigesteuert habe, werde ich einer durch die Klimakatastrophe, die Umweltzerstörung auch diesmal auf die Zeichnungen von Tone Fink reagieren, und die damit verbundene Polarisierung zwischen Arm und der für mich produktivere, auch schwierigere Weg, weil es Reich – im Schatten Coronas – charakterisierten Zeit, eben eine Vorgabe gibt. Wahrscheinlich benötigen manche erweist sich sein Werk als hellsichtig und aktuell zugleich. der Bilder, die sehr brav geraten sind, auch ein textliches Rainer Fuchs Gegengewicht. Im Vorfeld der Arbeit werden sicher auch Äsops Tier fabeln zu Rate gezogen und die Fabeln von La Fontaine. Wobei diese Texte, die das Tier immer vermenschlichen, vermutlich weniger relevant sind in Bezug auf Tones Werkserie. Eher ist seine Tendenz ins Mythologische für mich spannend, die auf manchen Bildern, die keinen Foto grafien, sondern mittelalterlichen Tierdarstellungen folgen, erkennbar ist. Max Lang ARCHE.TONE ARCHE.TONE Tiere anderer ART.en me ex et et la- cullu ptation et, Tiere anderer ART.en ciet omnis am, TONE FINK agni culparist, cto dit opta sin- pit im qui omni- TONE FINK Text Max Lang Verlag Bibliothek der Provinz Verlag Bibliothek der Provinz kunst | wissenschaft | musik | regionalia Herbst 2021 15
Huainigg Franz-Joseph Ivanceanu Ina, Pfeifer Richard, DEN MENSCHEN SEHEN Dobre Catalina (Hg.) Leitfaden zu einem selbstbestimmten Leben mit persönlicher A toolbox for urban governance Assistenz und der Delegation von Pflegetätigkeiten in action Ein Werkzeugkofer für alle, die zukunftsfähige, gerechte und 16/24 cm, 220 Seiten, vierfärbig, Hardcover, 20 ¤ grüne Städte mitgestalten wollen ISBN 978-3-99126-026-4 16/22 cm, 168 Seiten, vierfärbig, Softcover, 48 ¤ Wenn ich mich selbst im Fernsehen sehe, erschrecke ich ISBN 978-3-99126-027-1, englisch, Kartonschuber mit immer wieder. Puh, so behindert. Bin das wirklich ich? Ich Handbuch, Methodenkarten und Daten-Stick erlebe mich ganz anders. Ich bin mobil, viel unterwegs, schreibe Mails am Computer, mache Postings, checke mein Textbeiträge von 19 Autor*innen aus Wissenschaft und Praxis, Handy, unternehme Reisen und Ausflüge, arbeite beim u.a. aus den Bereichen Soziologie, Architektur, Stadt- und Österreichischen Rundfunk (ORF), wo ich als Beauftragter Raumplanung, Sozialarbeit, analoge und digitale Partizipation, für Barrierefreiheit und Sozialaktionen viele Konzepte Humangeographie, Bewertung ökologischer Nachhaltigkeit, schreibe und in Besprechungen Ideen und Vorschläge skiz- Kultur- und Sozialanthropologie, interkultureller Stadtteilarbeit ziere, die ich in Zusammenarbeit mit anderen umsetze. Und nicht zuletzt habe ich eine großartige Familie und ein 2050 wird etwa jeder dritte Mensch auf der Welt in einer ausgefülltes Privatleben. „Wie funktioniert das alles?“, Stadt leben. Wie können wir den urbanen Wandel gerech- bekomme ich immer wieder als Frage gestellt. Ich lächle ter, grüner und zukunftsfähig gestalten? Wie wird das dann immer und stelle mir vor, wie es für die Person wäre, gute Leben in der Stadt für alle möglich? Wie schaffen wir wenn wir einen Tag tauschen würden. gemeinsam Urban Commons? Die Stadt von morgen Für mich wäre es ein extrem großer Einschnitt, durchs braucht dafür neue Beteiligungskonzepte, die die schöpfe- Leben zu hatschen, letztlich nicht mehr mit einem Men- rische Kompetenz aller Menschen fördern, auf Nachhal- schen gemeinsam durchs Leben zu gehen – wie ich es mit tigkeit abzielen und die Bedürfnisse von benachteiligten meinen Assistentinnen tagtäglich mache, sondern plötz- Bewohner*innen in den Fokus rücken. lich ganz alleine auf mich gestellt zu sein, oder den Mist- Die „Toolbox for urban governance in action“ bietet dazu kübel hinuntertragen zu müssen. Das ist natürlich ein eine Vielzahl von wissenschaftlichen Informationen und Scherz! Natürlich wünscht sich jeder, nicht behindert zu praktisch umsetzbaren Ideen. Das Handbuch bietet inno- sein – so auch ich. Aber es liegt auf der Prioritätenliste vative Konzepte und zahlreiche, aus dem Leben gegrif- meiner Wünsche bei Weitem nicht an erster Stelle, wie fene, Beispiele. Dazu enthält sie elf Methodenkarten mit man es sich wahrscheinlich erwarten würde. Aber wie praktischer Anleitung, und zehn neue Tools für Partizipa- wäre es umgekehrt? Es wäre wohl ein Schock für viele, tion und Nachhaltigkeit in Stadtprozessen. wenn sie plötzlich nicht mehr herumlaufen könnten, auf Die Vision: Städte, in denen sich die Grenze zwischen Hilfe angewiesen wären, wenn sie sich beispielsweise nur Planungsexpert*innen, Stadtverwaltung und Bürger*innen im Gesicht kratzen wollen oder Durst haben, es aber allein auflöst, hin zu einer geteilten Governance. Städte, in denen nicht mehr können. Wie es sich für sie anfühlen würde, wenn sie ein Loch im Hals hätten und jemand mit einem die Bewohner*innen, unabhängig von ihrem sozioökono- Absaugkatheder den Schleim aus der Lunge saugen würde. mischen oder kulturellen Hintergrund, in Synergie mit dem Ich weiß nicht, mit welcher Behinderung die Person mehr Ort leben, arbeiten und lernen. Städte, die sich in Einklang zu kämpfen hätte, die Arme und Beine nicht mehr bewe- mit den natürlichen Ressourcen und den Prinzipien der gen oder nicht selbstständig atmen zu können. Oder, diese Nachhaltigkeit weiterentwickeln und erneuern. Behinderung habe ich bisher verschwiegen, schlecht sehen zu können. Diese Behinderung kam als letztes auf die Her- ausforderungsliste meines Lebens. Erstaunlicherweise ist This toolbox was developed in a collaborative effort between the Syncity partners. www.syncity4.eu es für mich eine Selbstverständlichkeit, nicht herumlaufen a toolbox for urban governance in action zu können, sondern im Rollstuhl durch das Leben zu rol- transform a toolbox for How to make an urban project truly len. Aber natürlich, wenn ich mich zurückerinnere, habe engaging and sustainability-oriented? This box offers a handbook for urban urban governance commons, 11 innovative methods and ich als Kind und Jugendlicher sehr damit gekämpft. Ich 10 tools, ranging from analogue to digital. The vision: cities where residents, no matter their socio-economic or cultural wollte tanzen, mit anderen Kindern Fußball spielen oder background, can live, work and learn in synergy with the place, growing and renewing it together — all in balance in action anderen Mädchen „nachlaufen“. Das war ein Abschieds- with natural ressources. transform schmerz. Als ich mit Mitte 30 durch die fortschreitende Lähmung meine Arme nicht mehr bewegen konnte, war This project has received funding in the framework of the Joint Programming Initiative Urban Europe. das eine massive Einschränkung meiner Möglichkeiten und des gesamten Lebens. Verlag Bibliothek der Provinz 9 783991 260271 Ina Ivanceanu, Richard Pfeifer, Catalina Dobre (eds.) 1 16 kunst | wissenschaft | musik | regionalia Herbst 2021 Verlag Bibliothek der Provinz
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