Welt welt DEZ. 2018 - FEB. 2019 C 51 78 - Mission - Nordkirche weltweit
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Schwerpunkt Aus dem Inhalt Editorial Mission – Wir sind heute vor Eine Lerngeschichte allem Berater 4 Das Missionsverständnis än- dert sich, so Dr. Klaus Schäfer. Die Aufgabe der Mission hat sich gewandelt. Ökumene- 21 Liebe Leserin, lieber Leser, Werbung für die Schönheit eines Lebens- Wichtig ist heute zunehmend Mitarbeiter Uwe Nissen konzeptes soziales Engagement. erklärt, warum das gut ist. welche Bilder und Wörter kommen Mission ist die gewaltlose und ressentimentlose Werbung uns heute in den Sinn, wenn wir an für die Schönheit eines Lebenskonzepts. Ich werbe für den Besondere christliche Nicht nur Seelen retten Mission denken? Mission hat eine Fotos: C. Plautz (1), C. Wenn (3), C. Hunzinger (1), E. v. d. Heyde (1), ZMÖ-Bildarchiv (1), adpic (2), H. Gafga (1), V. Schauer (1), A. Hillert/WCC (1), D. Z. Lupi/REUTERS (1) Glauben, indem ich ihn lebe und indem ich ihn erkläre. Literatur lange Geschichte hinter sich. Sie ist Um „verändernde Nachfolge“ 8 22 Eine andere Werbung gibt es nicht. Wenn ich etwas liebe, längst nicht mehr die Pioniermission, die die Klischees von An wen richten sich die ging es auf der Weltmissions- wenn ich an etwas glaube, dann liegt es im Wesen dieser Mission bis heute prägt. Missionare sind vielerorts zu Bera- vielen Missionserklärungen konferenz in Arusha/Tansania, Liebe und dieses Glaubens, dass ich sie öffentlich zeige. terinnen und Beratern geworden. „Und das ist auch gut so“, und was bewirken sie?, fragt die Anne Freudenberg Mission heißt nicht, darauf aus sein, dass alle anderen meint zum Beispiel Pastor Uwe Nissen, der heute in Tansa- Dr. Michael Biehl besucht hat. unseren Glaubensweg gehen. Es gibt andere Wege des nia an der Bibelschule Mwika unterrichtet. Auf der diesjäh- Geistes und andere Dialekte der Hoffnung als unsere rigen Weltmissionskonferenz in Arusha in Tansania, ging eigenen. Wir Christen haben es nötig, dass wir öffentlich Reise und Ziel Von Hoffnung und es darum, dass Mission auch von den Menschen geprägt werden; dass dieses Christentum nicht in seinem Winkel zugleich Hindernissen und gestaltet werden muss, die „ von den Rändern“ („from 10 24 bleibt, weil wir uns nur wirklich aneignen, was wir öffent- the margins“) herkommen, am Rand der Gesellschaft leben. lich machen und zeigen. Die alte Gefahr des Christentums Mission geschieht beim Ge- Dr. Mutale Mulenga-Kaunda Ihre Erfahrungen und Perspektiven sind zentral für die war die Arroganz der Einzigartigkeit: Ohne uns gibt es hen, Hören, Lernen und Sein, fordert die Weltmissionskon- Mission der Zukunft. So schildert die Theologin Dr. Mutale kein Heil und keine Rettung. Die neue Gefahr der Kirche ist die Erkenntnis des indischen ferenz auf, den Ruf der Afri- Mulenga-Kaunda in ihrem Eröffnungsvortrag auf der Kon- könnte die Undeutlichkeit sein, die Selbstverbergung, der Arztes Dr. John Oommen. kanerinnen ernst zu nehmen. ferenz eindrucksvoll ihren Weg. Nach dem Tod ihrer Mut- Unwillen, sich zu zeigen. Ich wünsche uns den Stolz auf ter musste sie als 17-Jährige ihre Geschwister allein durch- unsere eigenen Schätze und Traditionen. Ich wünsche uns Verhältnis von Dialog Mission?! bringen. An ein Studium war nicht zu denken. Heute for- die Gewissheit des Glaubens. Und ich wünsche uns, dass und Mission Welche Rolle spielt Mission dert sie Kirchen dazu auf, den Ruf von jungen afrikanischen wir charmant finden, woran wir glauben. Vielleicht brau- chen gerade junge Menschen in unserem Land nichts 12 Der Dialog zwischen den Religionen gehört zur in einem laizistischen Land wie Frankreich? fragt Axel 26 Frauen nach Gerechtigkeit ernst zu nehmen. Auch Joy Devakani Hoppe, erste indische Vikarin in der Nordkirche, dringender als dies: Dass sich Menschen und Institutionen bringt eine andere Perspektive mit, nicht zuletzt aufgrund christlichen Identität, erklärt Matyba, Pastor in Paris, in ihnen zeigen; dass ihr Gesicht und ihre Lebenskontur ihrer Erfahrungen als Dalit und Frau in einer vom Kasten- Dr. Detlef Görrig seinem Zwischenruf. erkennbar werden. Lehren heißt, zeigen, was man liebt. system geprägten Gesellschaft. Missionieren heißt, zeigen, was man liebt und woran man Mission hat heute viele Gesichter, so wie die Menschen, die glaubt. Verschiedenheit Innere Mission hat für sich in ihrem Namen für Gerechtigkeit, Frieden und Eine andere Absichtserklärung von Mission heißt: würdigen Russland Priorität Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Mission findet aber 15 Horizonte öffnen! Wer keine Heimat hat, verzweifelt. Wer auch im gewöhnlichen Alltag statt. Das ist die Erfahrung nicht mehr als seine Heimat hat, verblödet. Wer nur sich selber kennt, verdummt. Darum die Läden aufgestoßen, In der säkularen Gesellschaft müssen auch Kirchen um Wie wichtig ein Dialog zwi- schen Kirchen ist, schildern 28 des indischen Arztes Dr. John Oommen: „Mission geschieht beim Gehen, Hören, Lernen, Sein und Tun. Sie ist Reise und die Fenster geöffnet zu anderen Welten! Horizonte öffnen Aufmerksamkeit werben, so die Erzpriester Vladimir Fedo- Ziel zugleich.“ heißt nicht nur andere Lebensauffassungen und Glaubens- Dr. Sönke Lorberg-Fehring. rov und Vladimir Khulap. wege wahrnehmen und kennen lernen. Es heißt auch Gesegnete Weihnachtstage und ein gutes neues Jahr andere nicht im Stich lassen. Toleranz heißt lassen und „Ich habe andere Haus mit Missions- wünscht nicht im Stich lassen. Mission ist die Stelle, wo die Fenster Perspektiven“ geschichte(n) 18 30 aufgestoßen und Horizonte der Kirche geöffnet werden. Ihre Nur eine Kirche, die nicht in den eigenen Horizonten ge- Joy Devakani Hoppe ist die Christiane Wenn erinnert an fangen ist, ist schön! erste indische Vikarin in der die Geschichte der heutigen Fulbert Steffensky Nordkirche und schildert ihre Geschäftsstelle des Zentrums Erfahrungen. für Mission und Ökumene. weltbewegt-Post-Anschrift: Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit, Postfach 52 03 54, 22593 Hamburg, Telefon 040 88181-0, Fax -210, E-Mail: info@nordkirche-weltweit.de IMPRESSUM: weltbewegt (breklumer sonntagsblatt fürs Haus) erscheint viermal jährlich. HERAUSGEBER UND V ERLEGER: Zentrum für Mission und Ökumene DRUCK, VERTRIEB UND VERARBEITUNG: Druckzentrum Neumünster, JAHRESBEITRAG: 15,– Euro, SPENDENKONTO: IBAN DE77 5206 0410 0000 1113 33 – Nordkirche weltweit, Breklum und Hamburg. Das Zentrum für Mission und Ökumene ist ein Werk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. EVANGELISCHE BANK, BIC GENODEF1EK1. Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben die Meinung des Autors/der Autorin und nicht unbedingt die Ansicht des DIREKTOR: Pastor Dr. Klaus Schäfer (V.i.S.d.P.), REDAKTION: Ulrike Plautz, GESTALTUNG: Christiane Wenn, KONZEPT: Andreas Salomon-Prym, SCHLUSS herausgebenden Werkes wieder. Die Redaktion behält sich vor, Manuskripte redaktionell zu bearbeiten und gegebenenfalls zu kürzen. Gendergerechte Sprache KORREKTUR: Hedwig Gafga, ADRESSE: Agathe-Lasch-Weg 16, 22605 H amburg, Telefon 040 88181-0, Fax: 040 88181-210, w ww.nordkirche-weltweit.de. wenden wir in dieser Publikation an, indem wir u. a. abwechselnd die männliche und weibliche Form benutzen. Gedruckt auf TCF – total chlorfrei gebleichtem Papier. 2 weltbewegt weltbewegt 3
Schwerpunkt Überfahrt nach China, um 1930. M anchmal kommen Missionare und Missionarin- nen sogar in Romanen vor. Ein Beispiel ist jüngst der von Stefan Thome publizierte Roman „Gott der Bar- Zur Mission gehört das Ein- treten für eine gerechte Welt- wirtschaftsordnung baren“, der es mit seiner Darstellung der – teilweise christlich inspirierten – Taiping-Rebellion im China des Bemerkenswert ist zudem, dass Fragen nach der missio- 19. Jahrhundert immerhin auf die Shortlist für den deut- narischen Ausrichtung des Glaubens die Christenheit schen Buchpreis 2018 geschafft hat. Durchaus zu Recht, weltweit weiterhin stark bewegen. Die große Weltmissi- wie ich finde. onskonferenz, an der im März dieses Jahres im tansa- In der Regel ist die Zeichnung der Missionarsfiguren nischen Arusha beinahe 1 000 Teilnehmer und Teilneh- in solchen Romanen kritisch. Auch bei Thome ist dies so, merinnen aus aller Welt teilgenommen hatten, ist nur wenn da etwa berichtet wird, dass die Basler Mission zwei ein Beispiel für dieses Interesse. Auch in der Nordkirche „junge Männer aus dem Badischen, fromm und eifrig“ in ist die Frage nach der missionarischen Ausstrahlung das große Land schickt und dann festgestellt wird: „Über unserer Kirche in unserem Umfeld auf Synoden ange- China wussten sie nur, dass es ein Hort des Heidentums sprochen worden und mit dem Arbeitsheft „Das muss war, und nichts als ihre mangelnde Sprachkenntnis hielt ich Dir erzählen… und andere Anstöße zum Thema sie davon ab, am Tag der Ankunft die erste Straßenpredigt `Mission´“ auch in unsere Gemeinden transportiert wor- zu halten“. Die Missionare sind, unfreiwillig und den. Auffallend und für manche überraschend ist dann widerwillig, in Strategien westlicher Kolonialmächte aber auch wieder die Vielfalt der Themen, die gerade in verwickelt, was ihr Engagement immer wieder zu dis- Arusha und in den Kirchen des globalen Südens unter kreditieren droht. „Missionare bestimmen nun mal nicht dem Stichwort „Mission“ diskutiert wird. Dazu gehört die Politik… Wir versuchen, das Beste aus der Situation selbstverständlich die Aufgabe, in Wort und Tat Zeugnis zu machen, und zwar nicht für uns…“ Zweifel kommen von der befreienden Botschaft des Evangeliums für Men- ihnen aber doch auch immer wieder, ob ihre Arbeit schen in der Nähe und in der Ferne zu geben. Es mag wirklich sinnvoll ist: „Die Chinesen glauben an Gott wie manchen verwundern, der Mission bisher ausschließlich an einen ihrer vielen Haus- und Herdgeister, die man als Weitergabe des Glaubens verstanden hat, dass unter Mission – durch Gebete gnädig stimmten musste, und es war schwer zu sagen, ob sie nicht in Wahrheit uns gnädig stimmen dem Leitwort Mission besonders auch Anliegen wie das soziale und politische Engagement von Christinnen und wollten. Oft genug lief das, was wir Bekehrung nannten, Christen, der Einsatz für Menschenrechte und ein ak- Eine Lerngeschichte auf ein gegenseitiges Täuschungsmanöver hinaus: Sie wussten, was sie tun mussten, damit wir so taten, als tives und geradezu parteiisches Eintreten für eine ge- rechte Weltwirtschaftsordnung verhandelt werden und wären sie unsere Brüder und Schwestern…“ dass sie als integraler Bestandteil der missionarischen Das Verständnis von Mission hat sich gewandelt. Angesichts solcher Beschreibungen und der in der Agenda von Kirchen angesehen werden. Für Kirchen des Neben der Predigt des Evangeliums geht es heute allgemeinen Öffentlichkeit weiterhin stark verbreiteten Südens ist Mission, anders als oft bei uns, ein Begriff, der um vielfältige Hilfen gegen Armut und Ausbeutung. Annahme, dass Mission und Kolonialismus eng verquickt das Ganze des kirchlichen Handelns in der Welt, die sind, sind dann einige Tatsachen doch außerordentlich Rolle und Verantwortung der Kirche in ihren jeweiligen Dr. Klaus Schäfer erstaunlich. Dazu gehört etwa die Wahrnehmung, dass Gesellschaften im Blick hat. das Christentum gerade durch einheimische Konversionen Tatsächlich hat sich das Verständnis von Mission seit erst so richtig nach dem Ende der Kolonialherrschaft den Aufbrüchen der neuzeitlichen Mission im 19. Jahr- massenhaft gewachsen ist, entgegen den Erwartungen, die hundert – in dem auch die Geschichte spielt, die Stefan dem Christentum als Implantat des kolonialistischen Thome in seinem Roman erzählt – massiv gewandelt. War Westens keine Zukunft in der fremden Umwelt zugetraut die neuzeitliche Missionsbewegung von einem stark haben. Statistiken sind mit Vorsicht zu genießen, doch geographisch orientierten Verständnis von Mission ge- ist die Aussage, dass der christliche Anteil an der afri- prägt, wonach die christlichen Länder der westlichen Fotos: ZMÖ-Bildarchiv (1), C. Wenn (1) kanischen Bevölkerung von 1965 bis 2001 von 25 auf 46 Hemisphäre das Evangelium zu den nicht-christlichen Prozent gestiegen ist, gut begründet. Und dass das Ländern tragen sollten, so ist diese Sicht im Laufe des Christentum heute in China rasant wächst, wo aus- 20. Jahrhunderts zunehmend überholt. Durch zwei ländische Missionare verboten sind, dürfte sich in- Weltkriege wurden das Selbstbewusstsein der so genann- zwischen herumgesprochen haben. Eine eurozentrische ten christlichen Länder und die Reputation dieser Länder Perspektive verstellt leicht den Blick dafür, dass das in der Welt tief erschüttert. Durch eine oft brutale, an Christentum längst eine massive Schwerpunktverlage- Ausbeutung und Profit orientierte Kolonialherrschaft, an Fortsetzung rung in den globalen Süden erfahren hat. der man viele Jahrzehnte trotz einheimischer Un- Seite 6 4 weltbewegt weltbewegt 5
In der Mission war man Schwerpunkt früher in mehrfacher Hinsicht anders unterwegs als heute. Foto: Vor dem Aufbruch in die umliegenden Orte: China-Missionar Felix Paulsen (Mitte) mit seinen Mitarbeitern um das Jahr 1930. Andere Perspektive: Ein tansanischer Künstler aus der Nyssa-Region hat den Missionar Franz Riesch von der Herrnhuter Brüdergemeine geschnitzt, Holzskulptur um 1930. abhängigkeitsbewegungen festzuhalten suchte, diskre- Evangeliums war selbstverständlich wichtig, bot sie den Kirchen oft beklagte Paternalismus – die durchaus rassisti- 5. Und schließlich ist in diesem Zusam- ditierte sich die westliche Welt. Die Rhetorik von Freiheit, Menschen doch eine Deutung ihres Lebens und Hoffnung sche Vorstellung von „the White Man´s Burden“ (Rudyard menhang noch ein weiterer Aspekt zu nennen. Gerechtigkeit und Wohlstand für alle erschien oft hohl, vor für ein sinnerfülltes Leben an. Daneben traten Bemühungen, Kipling) – sitzt immer noch tief im Selbstverständnis Zwar ist durchaus ein erhebliches Wachstum einem historischen Hintergrund, der geprägt war durch die die ganz konkreten Lebensumstände der Menschen zu westlicher Kulturen. Tatsächlich haben Missionare lernen des Christentums zu verzeichnen, doch ist die Zweiteilung der Welt in den West- und Ostblock mit verbessern: Das Bildungsniveau anheben durch die müssen, dass der christliche Glaube und seine Ausdrucks- „Evangelisierung der Welt in dieser Gene- Stellvertreterkriegen in ärmeren Regionen der Welt sowie Einrichtung von Schulen – und zwar für Jungen und formen – in Musik und Liturgie, in Kirchenstrukturen und ration“, wie sie der Weltmissionskonferenzen in der zunehmend prekär werdende Situation der damals Mädchen, die berufliche Bildung zu fördern, die Land- Theologie – sich in unterschiedlichen Kulturen je neu und Edinburgh 1910 vorschwebte, tatsächlich sogenannten Dritten Welt. Die alte „West-mission“, wie wirtschaft zu entwickeln, medizinische Versorgung zu ge- frei artikulieren, und zwar formuliert und verantwortet nicht gelungen. Andere Religionen sind man jetzt intern in selbstkritischen Missionskreisen währleisten, vielfältige Hilfe zu schaffen, um der Armut und von den Menschen dieser Kultur selbst. Mission, so wurde geblieben, haben sich – zum Teil auch formulierte, kam an ihr Ende. der oft auch drückenden Ausbeutung zu entrinnen. hier deutlich, ist nicht einfach Weitergabe von etwas bereits in und durch die Begegnung mit dem Aber in den Diskussionen um die „Krise der Mission“ Die Missionsleitungen sahen darin manchmal eine fest geprägtem, sondern in einem je neuen Kontext und in Christentum – erneuert und sich als – ein Begriff, der in den 1950er Jahren virulent war – unbillige Ablenkung vom „eigentlichen“ Auftrag. Doch es einer je neuen Zeit die Entdeckung der befreienden außerordentlich vital erwiesen. Es Fotos: E. v. d. heyde (1), ZMÖ-Bildarchiv (1), E. Winkler/Völkerkundemuseum Herrnhut, © Staatliche Kunstsammlungen Dresden (1) wurden Konturen einer Lerngeschichte formuliert, die ging immer darum, den ganzen Menschen im Blick zu Botschaft für gerade diesen Kontext. Dass dabei auch gibt unterschiedliche Religionen in unser Verständnis von Mission heute prägen. Einige dieser haben, mit Leib, Seele und Geist. Zwar sprach man in der manche eigenartigen Blüten und Gewächse entstehen, dass der Welt, und nichts spricht für Lernerfahrungen, die für das Nachdenken über frühen Zeit noch nicht von Entwicklung, doch war hier ein Spannungen zwischen verschiedenen kulturellen Formen die Annahme, dass sich dies in missionarische Präsenz in unserem näheren kirchlichen Menschenbild und auch ein Verständnis von Gottes Heil des Christentums aufbrechen, kann man übrigens auch aus nächster Zeit ändern wird. Zur Umfeld wichtig sind, möchte ich nennen. für die Menschen leitend, das man heute vielleicht als dem genannten Roman von Stefan Thome lernen. Lerngeschichte der Mission ge- ganzheitlich bezeichnen würde. In Zeiten des Unabhängig- 4. War die sogenannte Äußere Mission früher ein hört, diese Tatsache ohne Ressenti- Mission bezieht sich immer auf die konkrete keitsbewegungen und des Aufbaus der jungen Staaten, die Unternehmen von freien Werken am Rande der so genannten ment zu akzeptieren und zugleich da- Lebenssituation auch von Christen mit gestaltetet werden sollten, trat neben verfassten Kirche, so hatte die Entstehung von eigenständigen raus die Konsequenz zu ziehen, mit Men- die konkrete Hilfe nun eine deutliche politische Orien- Kirchen wiederum Rückwirkungen auf das Selbstverständnis schen anderen Glaubens in ein gutes und 1. Nicht ein Befehl – der sogenannte Missionsbefehl am tierung: der Kampf gegen Hunger und Elend in der Welt, und die Rolle von Kirche bei uns. Das betraf zum einen die freundschaftliches, für die Welt insgesamt Ende des Matthäus-Evangeliums – ist die Begründung die Beteiligung am Aufbau junger Nationen, der Einsatz für Frage nach den Strukturen, in denen missionarisches fruchtbares und friedliches Zusammenleben für die christliche Sendung in die Welt, sondern der die Erhaltung und Bewahrung von Menschenrechten. So Engagement seinen Platz hatte: Das Gegenüber oder zu kommen und doch auch zugleich den Glaube an diesen Gott selbst, der sich uns in Jesus Chri- wurde das Verständnis von Mission erweitert: Es umfasste Nebeneinander von Missionsgesellschaft und Missionsfeld eigenen Glauben fröhlich in der Welt zu stus zu erkennen gegeben hat. Gott, der das Heil aller auch das Engagement in und für die Gesellschaft, in der – ja, so formulierte man früher – oder auch sendender und vertreten. Interreligiöser Dialog und christ- Menschen und seiner gesamten Schöpfung will, ist selbst Christen sich positiv, einbringen wollten und sollten, orien- empfangender Kirche – mit einem klaren hierarchischen liches Zeugnis gehen, auch wenn es mitunter missionarisch, in dieser Welt präsent und gegenwärtig tiert an den Werten des Reiches Gottes. Gefälle – war veraltet. Weil jetzt gleichberechtigt Kirche und spannungsvoll erscheint, zusammen. Wie zur Heilung der Welt. Glaube als Verbindung mit diesem Kirche einander als Partner gegenüberstehen und in einer das gehen kann, haben der Ökumenische Gott und als Erfahrung seiner Liebe zu den Menschen Aus freien Missionsgesellschaften wurden weltweiten Gemeinschaft – im Ökumenischen Rat der Rat der Kirchen, der Päpstliche Rat für den stellt Menschen hinein in die Bewegung Gottes auf die kirchliche Werke Kirchen (ÖRK) – verbunden sind, wurden aus den freien Interreligiösen Dialog und die Weltweite Welt zu. Glaube will von dieser Erfahrung erzählen, Missionsgesellschaften kirchliche Werke. Und zugleich Evangelische Allianz vor einigen Jahren in Anteil an ihr geben, gelassen und fröhlich, ohne Dränge- 3. Es konnte wohl nicht anders sein, dass die Missionare begannen die Kirchen in Deutschland sich als Kirchen in ihrem Dokument „Christliches Zeugnis in lei und Ressentiment. und Missionarinnen damals mit den Kirchenordnungen Mission zu verstehen. Mission galt nicht als etwas, was man einer multireligiösen Welt“ zu formulieren 2. Im Aufbruch der christlichen Mission in der Neuzeit ihrer Heimat in die Fremde zogen und das, was sie kannten, an Gesellschaften delegiert, sondern was Kirche selbst in versucht (vgl. dazu www.missionrespekt.de). machten Missionare schon früh die Erfahrung, dort implementieren wollten. Nicht selten gingen sie dabei ihrem Wesen bestimmt, sowohl in der Theorie als auch in Die Lerngeschichte der Mission ist selbst- dass ein Perspektivwechsel notwendig sei: Nicht von rigoros vor, etwa indem sie zum Beispiel einheimische der Praxis, und zwar sowohl in weltweiter Perspektive als verständlich heute noch nicht zu Ende. Wir Dr. Klaus Schäfer, kirchlichen und institutionellen Interessen her sollte und Musik und Instrumente verboten oder Riten kritisierten. auch – und dies vornehmlich – in ihrem eigenen Kontext. selbst sollten sie fortsetzen, durch missiona- Direktor des Zen- konnte gedacht werden – etwa dem Interesse, möglichst Missionarinnen und Missionaren fiel es auch lange Zeit Mission galt jetzt als Aufgabe jeder Kirche in jedem Teil rische Ausstrahlung in unserem eigenen trums für Mission viele Menschen zu taufen – , sondern auf die konkrete schwer, die Leitung einer von ihnen gegründeten Kirche in dieser Welt; Mission war jetzt verstanden als „Mission in Umfeld und in ökumenischer Gemeinschaft und Ökumene – Lebenssituation der Menschen sollte eingegangen und einheimische Hände zu legen. Oft wurde das erst durch sechs Kontinenten“, wie es ein Slogan von der Weltmissions- mit christlichen Geschwistern in anderen Nordkirche weltweit darauf eine Antwort gesucht werden. Die Predigt des äußere Umstände erzwungen. Der von den einheimischen konferenz in Mexiko City 1963 formulierte. Teilen der Welt. 6 weltbewegt weltbewegt 7
Schwerpunkt Besondere christliche Literatur Die Zahl von Missionserklärungen steigt. Aber an wen richten sich die Erklärungen, die oft so verfasst sind, dass sie nur von missionstheologischen Fachleuten verstanden werden? Und wer sind die Verfasser, die sich hinter dem allgemeinen Wort „Kirche“ verbergen? Dr. Michael Biehl E in klares und knappes mission statement zu haben, ist für jede Organisation ein Qualitätsmerkmal. für Kirchen in Europa“ der Gemein- schaft Evangelischer Kirchen in Eu- ropa (GEKE) (2006) oder die um- als Teil der viel umfassenderen mis- sionarischen Dimension von Kir- che. Die Themen, die in den jünge- zwischen den Verfassern und möglichen Adressaten, dann fallen beim Lesen verschiedene Aspekte Eine ganze Branche lebt gut von der fangreiche Erklärung des Luthe- ren Erklärungen aufgerufen werden, auf. Alle genannten Erklärungen Prozessbegleitung, mit deren Hilfe rischen Weltbunds (LWB) von 2005 spiegeln in fast atemberaubender sind solche einer bestimmten Kirche ein solches Statement in partizipa- „Mission im Kontext. Verwand- Weite diese Veränderung wider: Bei oder einer Gemeinschaft von torischer Weise erarbeitet werden lung, Versöhnung, Bevollmächti- Mission geht es um das Evangelium, Kirchen, sie sind deren mission soll, um daraus ihre Tätigkeiten und gung“. Die EKD hat Erklärungen die Bibel und den Glauben, aber statement. Doch im Sinne der Aufgaben abzuleiten. Dass Kirche zur Mission im Umfeld ihrer Sy- auch um Diakonie, Zeugnis, Dialog, Teilhabe dieser einzelnen Kirchen an ein mission statement hat, wird da- nodensitzungen 1999 und 2011 in Heilung, Versöhnung, Bevollmäch- Gottes Mission (missio Dei) ist in den gegen kritisch beurteilt, weil in Leipzig herausgegeben, die Weltge- tigung, Nachfolge, die Einheit der Texten mit wenigen Ausnahmen ihrem Fall „Mission“ mit bestimm- meinschaft der Reformierten Kir- Kirche, Frieden, Ökumene, Gewalt, allgemein von „der Kirche“, der ten Formen und Aktivitäten im chen hat bei ihrer letzten General- Ökonomie, Klimagerechtigkeit, die Gemeinschaft der Jüngerinnen und Umfeld von Kolonialismus und Im- versammlung in Leipzig (2017) gesellschaftliche Rolle von Kirchen Jünger oder dem christlichen perialismus assoziiert wird. Dieses einen Entwurf für eine Missions- heute, Religionsfreiheit. Weil Missi- Zeugnis die Rede. Die konkreten Image von Mission hat sich in jün- erklärung beraten, und vor Kurzem on zum Wesen der Kirche gehört, Verfasser werden im Text oft nicht gerer Zeit verbessert, vor allem weil hat die Weltweite Brüderunität gibt es kein theologisches Thema, explizit identifiziert und sind nur es gelingt, sie mit dem Wesen und (Herrnhuter) in Südafrika ein „Mis- das nicht unter dem Gesichtspunkt verschwommen erkennbar. Kon- dem Auftrag der Kirche hier und sion Unity Statement“ verabschie- Mission der Kirche verhandelt wer- fessionelles oder Spezifisches für heute zu verknüpfen. Nun könnte det. Im weiteren Umfeld wäre dann den könnte. Dafür ist gerade die bestimmte kirchliche Traditionen man meinen, dass mit einem missi- an die ausführliche Exhortatio ÖRK-Erklärung „Gemeinsam für das wird indirekt an den Akzenten on statement wie Matthäus 28, dem „Evangelium Gaudii“ (2013) von Leben“ ein Beispiel. ablesbar, die jeweils gesetzt werden: so genannten Taufbefehl, alles ge- Papst Franziskus zu erinnern. Manche Missionserklärungen be- Etwa ob es stärker um die Einladung sagt ist: Machet zu Jüngern alle Völ- ziehen sich dabei auf den eigenen zum Glauben oder um Gerechtig- ker. Tatsächlich besteht jedoch an Konkrete Verfasser sind nur Kontext. Etwa wenn wie in „Evan- keitsfragen geht, eher um Diakonie Missionserklärungen kein Mangel, verschwommen erkennbar gelisch evangelisieren“ Europa in oder um Liturgie, eher um Kirche selbst wenn man nur in die jüngere unterschiedlicher Hinsicht charak- oder die einzelnen Jüngerinnen und Adressaten der meisten Erklä- eines fehlt: Sie benennen nicht die Vergangenheit blickt und nur an Diese Erklärungen wollen darstel- terisiert wird – nämlich als säkular, Jünger. rungen die verfassenden Kirchen unterschiedlichen Überzeugungen den Bereich der Mitgliedskirchen len, wie Mission und Evangelisation multi-religiös, pluralistisch etc. – selbst und die Texte damit Klä- oder gar Konflikte, die hinter den des Ökumenischen Rates der Kir- verstanden werden, auch wie beides oder wie in der LWB-Erklärung auf Konflikte, die zugrunde lie- rungen des Selbstverständnisses. Konsensen liegen, die die Erklä- chen denkt. Aktuell wäre da an den zusammengehört. Über das letzte Kontexte in der Globalisierung gen, werden nicht benannt Das mag eigenartig klingen, doch rungen formulieren. Welche Dissen- „Aufruf von Arusha“ zu denken, Jahrhundert hinweg lässt sich dabei eingegangen wird. Andere haben viele der Dokumente sind so christ- se herrschen in den Kirchen oder den die Weltmissionskonferenz im gut beobachten, wie zunächst Evan- ein Thema, wie die Kundgebung der Überraschend ist weiterhin, dass lich-theologisch verfasst, dass sie Bünden, wenn es um die Botschaft März 2018 veröffentlicht hat, in dem gelisation der umfassendere Begriff EKD-Synode von 2011 „Was hin- auch nicht immer wirklich deutlich außerhalb der missionstheologi- für diese Welt oder das Engagement buchstabiert wird, wozu Christen war, während Mission sich meist auf dert‘s, dass ich Christ werde“, in der wird, wer die Adressaten der Erklä- schen Diskurse kaum verstanden in dieser Welt geht? Worüber strei- und Christinnen in der Nachfolge die Tätigkeiten von Missionsgesell- die Schritte des Hinhörens, Auf- rung sind. Sehr eindeutig ist dies bei werden, schon gar nicht von kir- ten sie untereinander und wie unter- Fotos: f. Dutz (1), privat (1), adpic (1) Dr. Michael Biehl aufgerufen sind. Davor war es die schaften bezog. Mit dem Aufkom- brechens, Weitersagens in den Focus dem „Christlichen Zeugnis“, weil chenfernen Menschen oder solchen schiedlich lesen sie die Bibel, um ist im Evangeli- umfangreiche Erklärung „Gemein- men der missio Dei-Theologie in den gestellt werden. 2001 hieß es in der die Unterzeichner – der ÖRK, die anderen Glaubens. Was wären denn ihre Mission zu bestimmen? Mis- schen Missionswerk sam für das Leben“ des ÖRK (2012) 1950er Jahren dreht sich das um: EKD-Kundgebung „Das Evangelium Weltweite Evangelische Allianz und Botschaften der Christlichen Missi- sionserklärungen sind damit mission (EMW) zuständig für und in gewisser Weise das „Christ- Was bisher vorrangig als eine Tätig- unter die Leute bringen“, dass die der Päpstliche Rat für den Interreli- on, die von anderen gehört werden statements und eine besondere die Referate liche Zeugnis in einer multi-religi- keit beschrieben wurde, wird nun Evangelisation ein Jubelruf, Weckruf giösen Dialog – ihre Mitgliedskir- könnten? Gattung christlicher Literatur in Theologische ösen Welt“ (2011). Etwas weiter zu- zum Wesensmerkmal von Kirche und Alarmruf sei. chen auffordern, sich dieses Doku- Angesichts dieser Beobachtung einem. Sie verdient es, näher be- Ausbildung und rück liegen Dokumente wie „Evan- erklärt. Von nun an meint Evangeli- Betrachtet man die Missions- ment zu eigen zu machen. Im Sinne ist dann wiederum auffallend, dass trachtet, aber auch übersetzt zu Grundsatzfragen. gelisch Evangelisieren. Perspektiven sation die Glaubensverkündigung erklärungen als Kommunikation von mission statements sind die in den allermeisten Erklärungen werden. 8 weltbewegt weltbewegt 9
Schwerpunkt Mission ist Reise und Ziel zugleich gehen, wie er es vorgemacht hat. So ähnlich verhält es sich für mich mit der Mission. Sie entzieht sich aller Logik, Machtspiele auf dem Feld der Spiritualität auslebten. Ihre Frage war: Wer gehört dazu und wer nicht? Dabei führten jeglichen weltlichen Maßstäben und Werten. Sie sie sich auf wie die Grenzpolizei des Himmels. Diese Mission hieß lange Zeit vor allem: Aufbruch in neue Kulturen. Aber das eigentliche Missi- schwimmt gegen den Strom. Ihre Regeln sind andere. schrillen Auswüchse haben nichts mit dem Licht Gottes zu tun und gehören zum Glück meist der Vergangenheit onsfeld liegt in uns, meint Dr. John Oommen. Er ist Arzt im Christlichen Krankenhaus in Was heißt das konkret? an. Denn das ist nicht der Weg von Jesus, der mit den Bissamcuttack im indischen Bundesstaat Odisha. Wenn es nach den weltlichen Regeln heißt, der Stärkere Menschen mitgefühlt, für sie gesorgt und sie geliebt hat. soll gewinnen, alles muss sich rechnen und jeder Mensch Dennoch war dies alte Missionsmodell vorherrschend, soll erst einmal sehen, dass er am dieses traditionelle kulturelle „Cross-over“-Modell. Dort meisten für sich rausschlägt, dann hieß es immer: Verlasse deinen Ursprung und Deine Kultur verfolgt Mission andere Werte. Hier und gehe zu neuen Kulturen, die meist weit entfernt sind. geht es nicht darum, den meisten Diese Missionsregionen entwickelten sich manchmal wie Profit zu erwirtschaften und andere Ghettos, in denen alle so aussehen sollten wie Missionare, runterzumachen, damit man selbst auch wenn sie andere Hautfarben hatten. Dort wurden die besser da steht. Hier geht es darum, Verschiedenheiten betont und durch physische und Heilsames zu bewirken. Das beginnt mentale Mauern noch gefördert. Es gab ein „Wir“ und „die mit dem eigenen Blick: Wo immer Anderen“, mit dem Ziel, dass die anderen so werden ich Leid oder Unrecht sehe, ist Gott sollten wie wir. Es schien, als ob in den Räumen die anwesend. Das ist eine völlig andere „eigene Reinheit“ konserviert werden sollte. Diese Art von Sichtweise als die, die sagt: Was Mission ist eher eine Botschafterin des Kolonialismus. geht mich das an? Jeder Mensch ist Das Modell, das ich bevorzuge, ist das Inkarnationsmodell. seines Glückes Schmied und soll Oft ist Mission mit der Vorstellung verbunden, dass sie sehen, wie er oder sie allein außerhalb stattfindet, an anderen Orten als bei uns, etwa zurechtkommt. Der Blick der Mission in Asien oder Afrika, in Odisha oder Chattisgarh. Doch ich hingegen ruft zu Mitgefühl auf, dazu, bin überzeugt, dass das eigentliche Missionsfeld in uns Leid zu teilen. Diese Perspektive liegt. zieht keine Trennlinien zwischen Menschen, sondern öffnet uns dafür, Wie sieht diese Form der Mission aus? dass wir uns alle als Teil einer großen Bei dem Modell der Inkarnation geht es darum, dass wir Gemeinschaft begreifen. Diese Hal- selbst die Veränderung sind und selbst die Veränderung tung wird zu einem anderen Handeln leben, die wir uns wünschen. Das müssen wir täglich führen – wie auch immer das in der einüben. Dazu gehört, dass wir uns nicht von anderen jeweiligen Lebenswirklichkeit kon- Menschen abgrenzen. Im Gegenteil. Wir sind ein Teil der kret aussehen mag. Menschen, denen wir dienen. Darum ist heute meine Frage: Wie können wir es schaffen, von einem Klischee Was heißt das im Hinblick auf des Christentum wieder zu seinem Kern zu kommen? Wie missionarische Aktivitäten? kann Jesus Christus zum Zentrum unseres Lebens Es gibt zahlreiche Missionsprojekte, werden, zu einem Leben, in dem Grenzen keine Rolle die sich für eine bessere Wasser- spielen? Können wir zu einer Kirche werden, die an die versorgung oder Technologie ein- Ränder nach außen geht und sich nicht über ihre setzen, damit sich die Infrastruktur Mitgliedschaften definiert? und das Leben der Menschen im Ich habe auch noch keine Antwort und bin nach wie vor Alltag verbessert. Das ist wichtig auf der Suche, wie Mission in diesem Sinne im Alltag und es ist sehr gut, dass es das gibt. gelingen kann. Neben aller Theologie und allen Gebeten Mission sollte sich allerdings darin bleiben die grundlegenden Fragen: Wer sind wir? Warum Dr. John Oommen nicht erschöpfen. Als Arzt des sind wir so, wie wir sind? Einen Hinweis finden wir in der ist stellvertretender „Mission Was verstehen Sie heute unter Mission? Leben gegenüber. Diese Einstellung hat sich bei mir in den Krankenhauses in Bissmacuttack und Leiter von Dorf- Person von Jesus Christus, der die Macht der Machtlosen Leiter des Kranken- geschieht beim John Oommen: Mission ist heute in erster Linie keine vergangenen Jahren noch verstärkt. Wichtig ist doch, entwicklungsprogrammen habe ich selbst große Freude und damit eine Logik verkörpert, die vollkommen irrational hauses Bissamcut- Fotos: A. Siegemund (1), C. Wenn (1) Gehen, Hören, Sache des Handelns, sondern eine des Seins. Eines welchen Ausdruck die Prägung durch Gott in unserem daran, gemeinsam mit anderen etwas für Menschen zu ist, die aber die Welt in uns und um uns herum verändern tack. Außerdem Lernen, Sein Seins, das von Gott geprägt ist. Es geht dabei darum, die Alltag findet und vor allem welche Auswirkungen sie auf tun, Projekte aufzubauen und weiterzuentwickeln. Es ist könnte. Mission ist für mich heute wie eine aufregende leitet er die Abtei- und Tun“ Muster zu erkennen, wie Gott in der Welt wirkt: es geht unseren Umgang mit anderen Menschen hat. Mehr als schön, wenn etwas gelingt. Aber daneben gibt es auch Entdeckungsreise zu Gott. Sie geschieht beim Gehen, lung für Gesund- darum, seiner Musik zu lauschen und nach seiner Melodie früher erkenne ich heute, in welchem Gegensatz sie oft die andere Form von Mission. In der Vergangenheit ist Hören, Lernen, Sein und Tun. Sie ist Reise und Ziel heitsversorgung in zu tanzen. Unsere Aufgabe ist es demnach, genau in dem zu den weltlichen Gesetzen steht. Mission ist manchmal Mission meist missverstanden worden als etwas, was zugleich. Odisha und Umfeld, in das Gott uns hinein gestellt hat, möglichst so, als wenn wir über das Wasser gehen würden. Jesus man auf der Grundlage des Missionsbefehls in Matthäus engagiert sich in wahrhaftig zu leben. Mission ist kein Konzept und keine hatte die Jünger ja damals aufgerufen, das Boot zu 28 alleine durchzieht. Es gab oft aggressive und arrogante Dorfentwicklungs- Methode. Sie ist vor allem eine Sache der Haltung dem verlassen und sie aufgefordert, so über das Wasser zu Missionare, die sich anderen überlegen fühlten und ihre Das Interview führte Ulrike Plautz programmen. 10 weltbewegt weltbewegt 11
Schwerpunkt D er Begriff Mission hat im Laufe der Geschichte und in seinen konfessionellen und kontextuellen licher Kirchen und Missionsgesell- schaften während der europäischen Kolonialzeit. Die bis heute nach- Ausprägungen sehr unterschied- wirkende Verstrickung christlicher liche Inhalte transportieren kön- Missionsaktivitäten mit den militä- nen. Missio meint zunächst „Sen- risch expansiven und kulturell domi- dung“. In einem religionswissen- nanten Haltungen dieser Zeit hat schaftlichen Sinne ist damit jede auch den Begriff der Mission in Aktivität einer Religionsgemein- Mitleiden-schaft gezogen, um nicht Dialog steht für eine neue schaft gemeint, die den eigenen zu sagen in eine Krise gestürzt. Das Haltung in Begegnungen Glauben, Vorstellungen und Bräu- oft triumphalistisch missverstan- che anderen mitteilen möchte. In dene „Gehet hin in alle Welt“ (Mt Nahezu zeitgleich mit der Krise des diesem Sinne gelten das Christen- 28,20, sog. „Missionsbefehl“) wurde Missionsbegriffes hat seit Mitte des tum, aber in der Regel auch Islam einer Neubewertung unterzogen, die 20. Jahrhunderts ein Begriff Auf- und Buddhismus als missionarische auch Rücksicht auf das Gegenüber trieb erfahren, der wesentliche As- Religionen. und dessen Eigenständigkeit – und pekte des christlichen Weltverhält- damit auf wesentliche Aspekte und nisses auszudrücken vermochte Demut statt Triumphalismus Aussagen der Evangelien – nimmt. und zugleich historisch unbelasteter Nur langsam bewegt sich der Be- war: der des Dialogs. Als biblische Das spezifisch christliche Verständ- griff Mission aus seiner historischen Grundlage diente dabei nicht selten nis des Missionsbegriffes lehnt sich Belastung heraus. Das gelingt nicht 1Petr 3,15b: „Seid allezeit bereit zur an die Sendung Gottes in die Welt in zuletzt durch die Aufnahme immer Verantwortung vor jedermann, der Jesus Christus an. Insofern meint weiterer Bedeutungsaspekte und -fa- von euch Rechenschaft fordert über Mission zunächst kein mensch- cetten. Während manche Christen die Hoffnung, die in euch ist.“ Der liches, sondern ein göttliches Han- und Nichtchristen bis heute unter Mensch tritt mit seinem Nächsten deln, das auf die Errettung des Mission vor allem das Ansinnen ver- in den Dialog, so wie zuvor Gott mit Menschen und der Welt zielt. Um- stehen, Menschen anderer oder ohne den Menschen in den Dialog getre- stritten ist, wie sich die Gemein- Religionszugehörigkeit zum Chris- ten ist. Im Hinblick auf die Begeg- schaft der Glaubenden, jeder Einzel- tentum zu „bekehren“, was in der nung mit Menschen anderer Reli- ne und dann auch die Kirche bezie- Praxis mitunter erhebliche soziale gionen hat sich daraus in den letz- hungsweise die Kirchen insgesamt Spannungen und Verwerfungen aus- ten Jahrzehnten eine Vielzahl von zu dieser Sendung Gottes zu verhal- löst, reicht die Bandbreite der De- Projekten und kirchlichen Arbeits- ten haben. In der neueren Missions- finition von dieser Engführung auf feldern entwickelt. Der Ökumeni- wissenschaft wird seit der zweiten der einen Seite bis hin zu jenem sche Rat der Kirchen hat eine eigene Hälfte des 20. Jahrhunderts der umfassenden Verständnis, wonach Programmabteilung „Interreligöser Begriff der Missio Dei (Mission jede Aktivität aus Glauben als Mission Dialog und interreligiöse Zusam- Gottes) diskutiert, der die Teilhabe bezeichnet werden kann. In diesem menarbeit“ und die Römisch-Ka- des Menschen und der Kirche an der letzteren Sinne wird dann auch der tholische Kirche verfügt über einen Sendung des dreieinigen Gottes Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit „Päpstlichen Rat für den Interreli- betont, aber eben nicht die Inbesitz- und Bewahrung der Schöpfung als giösen Dialog“. Den Anstoß zu die- nahme dieser Mission durch Men- christliche Mission gesehen. Damit ser Entwicklung gab nicht zuletzt schen oder Kirchen. Das heißt, auch entwickelt sich der Begriff Mission die historische Aufarbeitung des als Teilhaber an der Sendung Gottes mehr und mehr zu einem Terminus, christlichen Verhältnisses gegen- in die Welt bleibe ich Empfangender unter dessen Dach Vieles Platz fin- über dem Judentum, in deren Zuge und bin nicht Besitzender. det. Er bildet gewissermaßen die immer mehr die schuldhaften Ver- In diesem Zusammenhang ist Klammer für christliches Handeln in strickungen christlicher Theologie auch der Aspekt der Kenosis (Ent- der Welt insgesamt – wenn auch auf und Kirche zutage traten. Eine Neu- äußerung, nach Phil 2,7) bedeutsam Kosten seiner Präzision und Klarheit. bewertung dieses Verhältnisses vor geworden, der die Nachfolge Jesu in Ein ähnlich weites Bedeutungsspek- dem Hintergrund der fürchter- Zum Verhältnis von Dialog und Mission einer Haltung verstanden wissen will, die nicht von Triumphalismus trum deckt auch der oft synonym verwendete Begriff der Evangelisation lichen Ereignisse der Schoah ging einher mit einer neuen Begegnungs- oder Überlegenheitsgefühlen ge- ab, der ebenfalls von der individuellen haltung, die das Gespräch suchte, Der interreligiöse Dialog dient nicht nur der Sicherung des sozialen Friedens in einer prägt ist, sondern die Niedrigkeit Bekehrung des Einzelnen bis hin zur Respekt zeigte und bereit war, die multikulturellen Gesellschaft, sondern gehört zur christlichen Identität. und Demut gemäß dem Hymnus im christlichen Weltverantwortung der theologische Andersartigkeit des an- Philipperbrief (Phil 2) ernst- und Kirche insgesamt reicht. In der kon- deren als legitim zu akzeptieren. Aus Dr. Detlef Görrig aufnimmt. Ursache für diesen Para- kreten Begegnung mit Menschen an- dieser Neuorientierung des christ- digmenwechsel christlicher Mis- deren Glaubens wird es deshalb lich-jüdischen Gespräches sind we- Foto: C. Wenn (1) sionstheologie waren nicht zuletzt darum gehen, sich über die jeweilige sentliche Impulse auch für den inter- historische Erfahrungen mit der Motivation dialogisch zu verstän- religiösen Dialog insgesamt hervor- Fortsetzung Rolle und dem Verhalten christ- digen. gegangen. Seite 14 12 weltbewegt weltbewegt 13
Schwerpunkt Die Verschiedenheit von Menschen würdigen In der Folge wurden Regeln, Unterschiedliche Einschätzungen auch das Wort Märtyrer herleitet, er- Richtlinien und Empfehlungen her- gibt es gegenwärtig darüber, welcher innert daran, dass es sich dabei um In der postsäkularen Gesellschaft müssen ausgegeben, die von dem Ziel be- Stellenwert im Dialog der Frage nach ein ganzheitliches Geschehen han- stimmt waren, ein friedliches und der „Wahrheit Gottes und der mensch- delt, das in Worten, in Taten, aber auch die Kirchen für ihre Perspektive werben. respektvolles Miteinander zwischen lichen Existenz“ zukommt bezie- auch in der bloßen Präsenz christ- Menschen unterschiedlicher Religi- hungsweise, ob eine gemeinsame licher Existenz in der Welt bestehen Dr. Sönke Lorberg-Fehring onszugehörigkeiten zu ermöglichen. Suche nach Wahrheit überhaupt kann. Insofern ist das christliche Zentral wurde dabei die Einsicht, dass erfolgreich sein kann, wenn das Ziel Zeugnis immer auch Teil des interre- die jeweilige Wahrnehmung der des interreligiösen Dialogs nicht ligiösen Dialogs, der ja von der Vor- Religiosität des anderen einer steten darin besteht, eine Einheitsreligion aussetzung lebt, dass der christliche Überprüfung im Dialog bedarf. Nur wenn ich den anderen so wahr- zunehmen lerne, dass er sich in zu schaffen. Zunehmend einig ist man sich hingegen, dass der Zweck des Dialogs nicht in der Be-kehrung Dialogpartner darin als solcher er- kennbar wird. Welche Form dieses Zeugnis im Dialog einnimmt, wird D ie zunehmende Vielfalt fordert uns heraus. Im politischen Bereich sind die Veränderungen am Religion ist heute ein (Sinn-) Angebot unter vielen meiner Wahrnehmung wiederer- liege und dass Dialog auch nicht ein- je nach Gesprächsrahmen, Gegen- offensichtlichsten. Die Wahlerfolge Was heißt das für das Verständnis kennen kann, und wenn umgekehrt fach mit Mission oder Evangelisati- über und Verlauf unterschiedlich aus- populistischer Parteien sind Symp- von Mission und Ökumene? Auch auch ich mich in der Wahrnehmung on identisch sei, wie es auch die fallen dürfen. Hier pauschale Forde- tome einer Verschiebung des kultu- hier entstehen neue Konfliktlinien des anderen wiederfinde, sind we- Erklärung des Ökumenischen Rates rungen erheben zu wollen, würde rellen, gesellschaftlichen und religi- quer zu alten Zuordnungen. Wäh- sentliche Weichen für ein gewalt- der Kirchen (Gemeinsam für das weder der Vielfältigkeit mensch- ösen Koordinatensystems. Wir rend einige davon ausgehen, dass freies Zusammenleben gestellt. Mi- Leben: Mission und Evangelisation licher Begegnungssituatonen noch haben es gegenwärtig mit einer die Chancen zur Mission nie größer gration und Mobilität haben in die- in sich wandelnden Kontexten, Kreta der Freiheit göttlicher Geistesgegen- strukturellen Veränderung unge- waren als jetzt, hoffen andere auf ser Hinsicht vielerorts die Notwendig- 2012) formuliert. wart gerecht. Die Mehrdimensiona- ahnten Ausmaßes zu tun. ökumenische Weggenossenschaften keit zum interreligiösen Dialog er- lität des Begriffes Zeugnis ermög- Von den Auswirkungen sind Par- in gemeinsamen Hilfs-, Lern- und höht, aber zugleich auch dessen Auch im Dialog ist das eigene licht es zudem, ihn nicht einseitig teien, Vereine, Religionen und Kir- Festgemeinschaften. Daran zeigt Möglichkeiten erweitert. Zeugnis gefragt und nur bezogen auf die eigene chen gleichermaßen betroffen. Ihr sich: Es geht auch hier nicht mehr Glaubenserfahrung zu verstehen, zentraler Ausdruck ist das Ende der um ehemals zentrale Abgrenzungen Im Nächsten und Fremden Es sieht so aus, dass die beiden sondern auch im Blick auf die gleich- Links-Rechts-Aufteilung, die lange wie konservativ und liberal, katho- kann mir Gott begegnen Begriffe Mission und Dialog un- berechtigte Partnerschaft der An- Zeit das europäische Selbstverständ- lisch, evangelisch oder freikirchlich. trennbar zur christlichen Identität dersglaubenden. In diesem Sinne nis geprägt hat. An ihre Stelle tritt Die neuen Konfliktlinien verlaufen Dabei ist Dialog nicht nur eine gehören. Ihr Verhältnis zueinander lauten auch die Empfehlungen für kein neues wirtschaftlich-politisches quer zu allen kirchlichen Organisa- gewaltpräventive Methode zur Er- ist dabei allerdings nicht abschlie- einen Verhaltenskodex zum christ- Paradigma, sondern ein kulturell- tionen. langung oder zum Erhalt des sozia- ßend zu klären. Wenn unter Mission lichen Zeugnis in einer multireligi- identitäres. Die zentrale Zukunftsfra- Es ist zweifellos eine Chance, dass Dr. Detlef Görrig, len Friedens in religiös pluralen das Weltverhältnis der Christen in ösen Welt, auf die sich der Ökume- ge wird sein, ob sich Gesellschaften die neue Vielfalt die Anzahl mög- Oberkirchenrat, Gesellschaften. Zunehmend steht er einem umfassenden Sinne gemeint nische Rat der Kirchen, der Päpst- und Religionen stärker abgrenzen licher Interessierter für kirchliche Referent für interre- auch für die theologisch begründete ist, dann ließe sich der interreligiöse liche Rat für den Interreligiösen Dia- oder neue Strategien des Miteinan- Themen potenziert. Allerdings ist ligiösen Dialog in Haltung, dass mir im Nächsten, Dialog als eine Teilmenge dieses Ver- log und die Weltweite Evangelische ders entwickeln. diese Chance ambivalent. Sie findet der Hauptabteilung Fremden und Andersglaubenden hältnisses im Blick auf Menschen Allianz im Januar 2011 in Bangkok Seit dem Fußmarsch verzweifelter in einem Umfeld statt, in dem Reli- Ökumene und Gott begegnen kann und dass ich anderer religiöser Zugehörigkeiten verständigt haben. Dort heißt es un- Menschen über ungarische Auto- gionsthemen zwar Hochkonjunktur Auslandsarbeit des deshalb gut daran tue, ihm oder ihr verstehen. Wenn allerdings die dia- ter anderem: „Christen/innen müssen bahnen Richtung Deutschland und haben – allerdings in einem post- Kirchenamtes der mit Liebe, Offenheit und Neugier logische Grundstruktur Gottes und aufrichtig und respektvoll reden; sie die Öffnung der Grenze hat die Fra- säkularen Umfeld. Weder Kirchen EKD in Hannover. entgegenzutreten – verbunden mit seines Verhältnisses zum Menschen müssen zuhören, um den Glauben ge des Umgangs mit Pluralität höch- noch gesellschaftliche Einzelgruppen In dieser Funktion der gleichzeitigen Bereitschaft zu als Mitte des Evangeliums angesehen und die Glaubenspraxis anderer ken- ste Dringlichkeit. Ehemals gegensätz- haben Deutungshoheit über Werte ist er in nationale lernen und mich auch selbst kritisch werden, dann ließe sich auch umge- nen zu lernen und zu verstehen, und liche Positionen ordnen sich dabei und moralische Normen. Ent- Foto: C. Wenn (1), Illustration: adpic (1) und internationale befragen zu lassen. Ein solches neu- kehrt der Missionsbegriff diesem sie werden dazu ermutigt, das anzu- neu. Die stärksten Ausschläge sind sprechende Fragen werden immer Dialoginitiativen zeitliches Dialogverständnis unter- Dialogverständnis unterordnen. Wie erkennen und wertzuschätzen, was das „Eintreten für eine Willkommens- wieder neu ausgehandelt, wobei die und Netzwerke scheidet sich von antiken und mittel- immer man hier urteilen mag, fest- darin gut und wahr ist. Alle Anmer- kultur“ und der Aufruf zur „Ver- Kirchen wie alle anderen um Zu- eingebunden. Er alterlichen Vorstellungen, die unter zuhalten ist, dass es zwischen Missi- kungen oder kritischen Anfragen teidigung des Abendlandes“. Ange- stimmung für ihre Argumente wer- war von 2006 bis Dialog vor allem ein Streit- oder Be- on und Dialog Schnittmengen gibt, sollten in einem Geist des gegensei- sichts dieser Entgegensetzungen ben müssen. 2013 Beauftragter lehrungsgespräch verstanden mit die vielleicht am ehesten mit dem tigen Respekts erfolgen. Dabei muss polarisieren sich auch bislang unpo- Besonders herausgefordert wer- der Nordkirche für dem Ziel, den „Gegner“ zu widerle- Begriff des christlichen Zeugnisses sichergestellt werden, dass kein fal- litische Bereiche der Zivilgesellschaft den dadurch alle selbstreferentiellen Christlich-Islami- gen, den eigenen Glauben zu vertei- zu erfassen sind. Der biblische Be- sches Zeugnis über andere Religionen und wirken von dort in die Kirchen Tendenzen innerhalb von Kirche. Fortsetzung schen Dialog. digen oder Irrlehren abzuwehren. griff des Zeugnisses, von dem sich abgelegt wird.“ hinein. Denn die Einrichtung in „religiösen Seite 16 14 weltbewegt weltbewegt 15
Schwerpunkt nach ethnischen und religiösen lungen“ als Konturlosigkeit ausgelegt Gruppen getrennt zu treffen – ein würden. Doch wenn man sich selbst Umstand, den schon Martin Luther mit Hilfe anderer besser verstehen King als große christliche Tragö- möchte, ist es nicht möglich, Denk- die bezeichnet hat. Stattdessen horizonte und Glaubensmuster ab- kommen Menschen miteinander ins solut zu setzten. Stattdessen braucht Gespräch, die im Alltag zwar oft in es eine akzeptierende und anneh- direkter Nachbarschaft leben, deren mende Haltung, die eigene und frem- Lebens- und Glaubensbezüge aber de Eigentümlichkeiten hervortreten kaum Berührungspunkte haben. lässt, ohne sie abzuwerten. Eine Teil- Diese Grenzüberschreitung ist eine nehmerin formuliert es so: „Ich wer- wich-tige Erfahrung. Eine Diakonin de in jedem Abschnitt meines Lebens drückt es so aus: „Die Zusammenset- mit Identitätsfragen konfrontiert – zung der Gruppe von Menschen ÖkuFiT unterstützt mich darin, diese unterschiedlich geprägter Hinter- Aufgabe immer wieder neu anzu- gründe habe ich als große Berei- gehen.“ cherung erlebt. Durch ÖkuFiT habe Die positive Anerkennung von ich von verschiedenen Projekten, Diversität ist nicht neu, sondern eine Initiativen und Angeboten erfahren Grundaussage des Neuen Testaments. und mich mit anderen vernetzen Deswegen spielt die kontextuelle Aus- können.“ legung von Galater 3,28 eine wichtige Blasen“ und „kirchlichen Komfort- können entsprechende Antworten Diese Herausforderung trifft die Als Handwerkszeug werden Grund- Die Unterschiedlichkeit der Teil- Rolle: „Hier ist nicht Jude noch zonen“ verhindert die Einsicht, dass präsentiert werden? Eine Kirche, die Kirche in einer schwierigen Situation. begriffe der interkulturellen Theo- nehmenden ist ein wichtiges Arbeits- Grieche, hier ist nicht Sklave noch Religion an sich nur noch ein (Sinn-) auch in Zukunft theologisch und Genauso wie andere gesellschaftliche logie vermittelt. Mit ihrer Hilfe wid- instrument. Sie spiegelt die gesell- Freier, hier ist nicht Mann noch Frau, Angebot unter vielen ist. Auch wenn gesellschaftlich eine relevante Größe Größen verliert auch Kirche durch men sich die Teilnehmenden den schaftliche Realität vieler europä- denn ihr seid allesamt einer in Chris- die Kirchen offiziell in der Regel sein will, sollte den Umgang mit Individualisierungstendenzen glo- Themen: Bibel, Kirchengeschichte, ischer Ballungsräume wider, in der tus.“ Dieser Vers ist in der christlichen noch davon ausgehen, dass sie den diesen Fragen auf allen Ebenen zu balisierter Gesellschaften zuneh- interreligiöser Dialog, Gemeinde- keine einzelne Ethnie, Gruppe oder Geschichte oft kulturimperialistisch einzig richtigen und wahren Weg ihrer zentralen Aufgabe machen. mend an Bindekraft. Diese Entwick- bilder, Seelsorge, Diakonie, Litur- Schicht mehr eine eigene Mehrheit gedeutet worden. Bei näherer Betrach- bieten, wird diese Haltung schon lung ist weder neu noch kommt sie gie und Kirchenmusik. Einen wich- stellt. In einer solchen „superviel- tung zeigt sich aber, dass es Paulus um lange nicht mehr von großen Teilen Kirche als Heimatort und über Nacht. Sie ist vielmehr das tigen Stellenwert hat das gemein- fältigen“ Gesellschaft kann nicht das genaue Gegenteil geht: Weil alle ihrer Anhängerschaft vertreten. Stein des Anstoßes konsequente Ergebnis der Einsicht, same Bibelgespräch nach der Me- mehr davon ausgegangen werden, Gläubigen Christus überziehen, spielt Welche Entscheidungen stehen also die der Missionstheologe Walter thode des Bibelteilens. dass eine Gruppe sich möglichst es keine Rolle mehr, wie sie in die an? Eine Möglichkeit wäre, die Her- Der vielleicht wichtigste Aspekt Freytag schon Ende der 1950er Jahre Zur Zielgruppe zählen Studieren- störungsfrei in eine andere integriert. christliche Gemeinschaft eintreten. In ausforderungen schlicht zu ver- eines solchen Missionsverständ- formuliert hat: Früher „hatte die de der Theologie, Pädagogik und Zudem zeigen Forschungsergeb- Christus bilden sie unter Beibehaltung schweigen. Aus der Psychologie nisses ist sein umfassender Charak- Mission Probleme, heute ist sie selbst Religionswissenschaft und Verant- nisse, dass die Identität von Men- ihrer Unterschiedlichkeit ein neues wissen wir, dass das vor allem dann ter. Es geht nicht nur darum, dieje- zum Problem geworden.“ Wie aber wortliche aus Volks-, Frei- und Mi- schen in solchen Kontexten nicht auf großes Ganzes. nicht funktioniert, wenn diese The- nigen besser zu verstehen, die nicht soll mit dieser Situation umgegangen grationskirchen. Entsprechend bunt Entweder-oder-Prinzipen beruht. Kann eine solche Kirche eine mis- men als besonders drängend emp- mehr oder noch nicht im Kontakt werden? gemischt ist die Teilnehmerschaft: Ethnische Selbstbeschreibungen und sionarische Kirche sein? Selbstver- funden werden. Da wäre zum an- zur Kirche stehen. Auch diejenigen, Die ehrenamtliche Pastorin einer afri- kulturelle Selbstverortung prägen ständlich! Denn um zu zeigen, wer Dr. Sönke deren die Anpassung an den an- die jetzt Kirche bilden, sind aufge- ÖkuFiT ist Experimentierraum kanischen Pfingstkirche trifft auf ei- offenbar viel weniger stark als es in man ist und was man liebt, braucht es Lorberg-Fehring schwellenden Bocksgesang der Popu- fordert, ihren Glauben neu zu hin- der „Generation Mix“ nen Prädikanten aus Württemberg, der Integrationsdebatte immer wie- erstens Mut, eigene Hoffnungen und ist Studienleiter listen. Doch hier gilt: Menschen- terfragen. Entscheidend ist dabei das katholische Mitglied eines Kri- der behauptet wird. Schließlich zei- Überzeugungen öffentlich sichtbar an der Missions- feindlichkeit widerspricht dem Evan- ein ausgewogenes Maß zwischen Eine Antwort ist „ÖkuFiT“, eine seninterventionteams kommt mit gen europäische Bildungsvergleiche, werden zu lassen und zweitens Bereit- akademie der Fotos: adpic(1), Fotowerker Ganzer & Berg (1) gelium. Bleibt als dritte Mög-lichkeit den zwei Polen: Kirchen als Heimat- Ökumenische Fortbildung in Theo- einer indonesischen Studierenden dass Bildung der zentrale „Türöffner“ schaft, vom Aushalten von Differenz Universität Ham- eine neue Besinnung auf die missio- orte und als Stein des Anstoßes. Es logie der Missionsakademie an der der Sozialen Arbeit zusammen, ein in moderne Gesellschaften ist. zur Würdigung von Diversität zu kom- burg. Er wird ab 1. narische Grundstruktur des christ- braucht Orte, an denen Menschen Universität Hamburg. Diese auf ev.-luth. Pastor aus dem Hamburger men. „ÖkuFiT“ bildet Menschen aus Januar 2019 im lichen Glaubens. tragfähige Angebote zur Konstruk- zwei Semester angelegt Veranstal- Umland tauscht sich mit einer Verschiedenheit anzuer- verschiedenen Kulturen und Hinter- Zentrum für Eine solches Verständnis umfasst tion und Pflege der eigenen, als tung mit zehn Treffen jeweils von Studierenden der Akademie der kennen, forderte schon der gründen zu Brückenbauern aus, um Mission und (mindestens) zweierlei: Eine Suchbe- stimmig empfunden (Glaubens-) Freitag- bis Samstagnachmittag bie- Weltreligionen aus. Apostel Paulus Grenzen zwischen Menschen heilsam Ökumene als wegung und eine selbstbewusste Identität erhalten und umsetzen tet Zeit und Raum, um entspre- „ÖkuFiT“ ist ein Experimentier- zu überschreiten und andere dabei zu Referent für Präsentation der gefundenen Schätze. können; gleichzeitig sollen sich chende Antworten zu finden und raum der „Generation Mix“. Ganz Es wäre ein Missverständnis, wenn begleiten. Dies lässt die Bedeutung von Christlich-Islami- Was sind angesichts der aktuellen diese in einer heilsamen Sperrigkeit sie in einem geschützten Rahmen bewusst wird hier die Tendenz die postmoderne Rede von der „Viel- Evangelium transparent werden und schen Dialog der Herausforderung die wesentlichen vorschnellen und einseitigen Ant- auszuprobieren. Geleitet wird sie kirchlicher Einrichtungen und Ver- heit der Horizonte“ und „Unter- darin zeigt sich, welche Richtung die Nordkirche tätig Aussagen des Evangeliums? Und wie worten verweigern. von Prof. Dr. Werner Kahl und mir. anstaltungen überschritten, sich schiedlichkeit der Rahmenvorstel- Mission der Kirche heute nehmen kann. sein. 16 weltbewegt weltbewegt 17
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