Welt welt DEZ. 2018 - FEB. 2019 C 51 78 - Mission - Nordkirche weltweit

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Welt welt DEZ. 2018 - FEB. 2019 C 51 78 - Mission - Nordkirche weltweit
welt        DEZ. 2018 – FEB. 2019   C 51 78

Mission
Wie
42 sieht  sie heute aus?
    weltbewegt
Welt welt DEZ. 2018 - FEB. 2019 C 51 78 - Mission - Nordkirche weltweit
Schwerpunkt

                                                                                                                                                                                                                                                                   Aus dem Inhalt                                                                                                                         Editorial
                                                                                                                                                                                                                                                                        Mission –                                               Wir sind heute vor
                                                                                                                                                                                                                                                                        Eine Lerngeschichte                                     allem Berater
                                                                                                                                                                                                                                                                    4   Das Missionsverständnis än-
                                                                                                                                                                                                                                                                        dert sich, so Dr. Klaus Schäfer.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Die Aufgabe der Mission hat
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                sich gewandelt. Ökumene-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         21                               Liebe Leserin, lieber Leser,
Werbung für die Schönheit eines Lebens-
                                                                                                                                                                                                                                                                        Wichtig ist heute zunehmend                             Mitarbeiter Uwe Nissen
konzeptes
                                                                                                                                                                                                                                                                        soziales Engagement.                                    erklärt, warum das gut ist.                                               welche Bilder und Wörter kommen
Mission ist die gewaltlose und ressentimentlose Werbung                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   uns heute in den Sinn, wenn wir an
für die Schönheit eines Lebenskonzepts. Ich werbe für den                                                                                                                                                                                                               Besondere christliche                                   Nicht nur Seelen retten                                                   Mission denken? Mission hat eine

                                                                                Fotos: C. Plautz (1), C. Wenn (3), C. Hunzinger (1), E. v. d. Heyde (1), ZMÖ-Bildarchiv (1), adpic (2), H. Gafga (1), V. Schauer (1), A. Hillert/WCC (1), D. Z. Lupi/REUTERS (1)
Glauben, indem ich ihn lebe und indem ich ihn erkläre.                                                                                                                                                                                                                  Literatur                                                                                                                         lange Geschichte hinter sich. Sie ist
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Um „verändernde Nachfolge“
                                                                                                                                                                                                                                                                    8                                                                                                    22
Eine andere Werbung gibt es nicht. Wenn ich etwas liebe,                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  längst nicht mehr die Pioniermission, die die Klischees von
                                                                                                                                                                                                                                                                        An wen richten sich die                                 ging es auf der Weltmissions-
wenn ich an etwas glaube, dann liegt es im Wesen dieser                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Mission bis heute prägt. Missionare sind vielerorts zu Bera-
                                                                                                                                                                                                                                                                        vielen Missionserklärungen                              konferenz in Arusha/Tansania,
Liebe und dieses Glaubens, dass ich sie öffentlich zeige.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 terinnen und Beratern geworden. „Und das ist auch gut so“,
                                                                                                                                                                                                                                                                        und was bewirken sie?, fragt                            die Anne Freudenberg
    Mission heißt nicht, darauf aus sein, dass alle anderen                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               meint zum Beispiel Pastor Uwe Nissen, der heute in Tansa-
                                                                                                                                                                                                                                                                        Dr. Michael Biehl                                       besucht hat.
unseren Glaubensweg gehen. Es gibt andere Wege des                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        nia an der Bibelschule Mwika unterrichtet. Auf der diesjäh-
Geistes und andere Dialekte der Hoffnung als unsere                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       rigen Weltmissionskonferenz in Arusha in Tansania, ging
eigenen. Wir Christen haben es nötig, dass wir öffentlich                                                                                                                                                                                                               Reise und Ziel                                          Von Hoffnung und                                                          es darum, dass Mission auch von den Menschen geprägt
werden; dass dieses Christentum nicht in seinem Winkel                                                                                                                                                                                                                  zugleich                                                Hindernissen                                                              und gestaltet werden muss, die „ von den Rändern“ („from

                                                                                                                                                                                                                                                                   10                                                                                                    24
bleibt, weil wir uns nur wirklich aneignen, was wir öffent-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               the margins“) herkommen, am Rand der Gesellschaft leben.
lich machen und zeigen. Die alte Gefahr des Christentums                                                                                                                                                                                                                Mission geschieht beim Ge-                              Dr. Mutale Mulenga-Kaunda                                                 Ihre Erfahrungen und Perspektiven sind zentral für die
war die Arroganz der Einzigartigkeit: Ohne uns gibt es                                                                                                                                                                                                                  hen, Hören, Lernen und Sein,                            fordert die Weltmissionskon-                                              Mission der Zukunft. So schildert die Theologin Dr. Mutale
kein Heil und keine Rettung. Die neue Gefahr der Kirche                                                                                                                                                                                                                 ist die Erkenntnis des indischen                        ferenz auf, den Ruf der Afri-                                             Mulenga-Kaunda in ihrem Eröffnungsvortrag auf der Kon-
könnte die Undeutlichkeit sein, die Selbstverbergung, der                                                                                                                                                                                                               Arztes Dr. John Oommen.                                 kanerinnen ernst zu nehmen.                                               ferenz eindrucksvoll ihren Weg. Nach dem Tod ihrer Mut-
Unwillen, sich zu zeigen. Ich wünsche uns den Stolz auf                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   ter musste sie als 17-Jährige ihre Geschwister allein durch-
unsere eigenen Schätze und Traditionen. Ich wünsche uns                                                                                                                                                                                                                 Verhältnis von Dialog                                   Mission?!                                                                 bringen. An ein Studium war nicht zu denken. Heute for-
die Gewissheit des Glaubens. Und ich wünsche uns, dass                                                                                                                                                                                                                  und Mission                                             Welche Rolle spielt Mission
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          dert sie Kirchen dazu auf, den Ruf von jungen afrikanischen
wir charmant finden, woran wir glauben. Vielleicht brau-
chen gerade junge Menschen in unserem Land nichts                                                                                                                                                                                                                  12   Der Dialog zwischen den
                                                                                                                                                                                                                                                                        Religionen gehört zur
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                in einem laizistischen Land
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                wie Frankreich? fragt Axel
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         26                               Frauen nach Gerechtigkeit ernst zu nehmen. Auch Joy
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Devakani Hoppe, erste indische Vikarin in der Nordkirche,
dringender als dies: Dass sich Menschen und Institutionen                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 bringt eine andere Perspektive mit, nicht zuletzt aufgrund
                                                                                                                                                                                                                                                                        christlichen Identität, erklärt                         Matyba, Pastor in Paris, in
ihnen zeigen; dass ihr Gesicht und ihre Lebenskontur                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      ihrer Erfahrungen als Dalit und Frau in einer vom Kasten-
                                                                                                                                                                                                                                                                        Dr. Detlef Görrig                                       seinem Zwischenruf.
erkennbar werden. Lehren heißt, zeigen, was man liebt.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    system geprägten Gesellschaft.
Missionieren heißt, zeigen, was man liebt und woran man                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Mission hat heute viele Gesichter, so wie die Menschen, die
glaubt.                                                                                                                                                                                                                                                                 Verschiedenheit                                         Innere Mission hat für                                                    sich in ihrem Namen für Gerechtigkeit, Frieden und
    Eine andere Absichtserklärung von Mission heißt:                                                                                                                                                                                                                    würdigen                                                Russland Priorität                                                        Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Mission findet aber

                                                                                                                                                                                                                                                                   15
Horizonte öffnen! Wer keine Heimat hat, verzweifelt. Wer                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  auch im gewöhnlichen Alltag statt. Das ist die Erfahrung
nicht mehr als seine Heimat hat, verblödet. Wer nur sich
selber kennt, verdummt. Darum die Läden aufgestoßen,
                                                                                                                                                                                                                                                                        In der säkularen Gesellschaft
                                                                                                                                                                                                                                                                        müssen auch Kirchen um
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Wie wichtig ein Dialog zwi-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                schen Kirchen ist, schildern             28                               des indischen Arztes Dr. John Oommen: „Mission geschieht
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          beim Gehen, Hören, Lernen, Sein und Tun. Sie ist Reise und
die Fenster geöffnet zu anderen Welten! Horizonte öffnen                                                                                                                                                                                                                Aufmerksamkeit werben, so                               die Erzpriester Vladimir Fedo-                                            Ziel zugleich.“
heißt nicht nur andere Lebensauffassungen und Glaubens-                                                                                                                                                                                                                 Dr. Sönke Lorberg-Fehring.                              rov und Vladimir Khulap.
wege wahrnehmen und kennen lernen. Es heißt auch                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Gesegnete Weihnachtstage und ein gutes neues Jahr
andere nicht im Stich lassen. Toleranz heißt lassen und                                                                                                                                                                                                                 „Ich habe andere                                        Haus mit Missions-                                                        wünscht
nicht im Stich lassen. Mission ist die Stelle, wo die Fenster                                                                                                                                                                                                           Perspektiven“                                           geschichte(n)
                                                                                                                                                                                                                                                                   18                                                                                                    30
aufgestoßen und Horizonte der Kirche geöffnet werden.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Ihre
Nur eine Kirche, die nicht in den eigenen Horizonten ge-                                                                                                                                                                                                                Joy Devakani Hoppe ist die                              Christiane Wenn erinnert an
fangen ist, ist schön!                                                                                                                                                                                                                                                  erste indische Vikarin in der                           die Geschichte der heutigen
                                          Fulbert Steffensky                                                                                                                                                                                                            Nordkirche und schildert ihre                           Geschäftsstelle des Zentrums
                                                                                                                                                                                                                                                                        Erfahrungen.                                            für Mission und Ökumene.

    weltbewegt-Post-Anschrift: Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit, Postfach                                                                                                                                                                                                             52 03 54, 22593 Hamburg, Telefon 040 88181-0, Fax -210, E-Mail: info@nordkirche-weltweit.de
    IMPRESSUM: weltbewegt (breklumer sonntagsblatt fürs Haus) erscheint viermal jährlich. HERAUSGEBER UND V     ­ ERLEGER: ­Zentrum für Mission und Ökumene                                                                                                                                                DRUCK, VERTRIEB UND VERARBEITUNG: Druckzentrum Neumünster, JAHRESBEITRAG: 15,– Euro, SPENDENKONTO: IBAN DE77 5206 0410 0000 1113 33
    – Nordkirche weltweit, Breklum und ­Hamburg. Das Zentrum für Mission und Ökumene ist ein Werk der ­Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.                                                                                                                                                 EVANGELISCHE BANK, BIC GENODEF1EK1. Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben die Meinung des Autors/der Autorin und nicht unbedingt die Ansicht des
    DIREKTOR: Pastor Dr. Klaus Schäfer (V.i.S.d.P.), REDAKTION: Ulrike Plautz, GESTALTUNG: Christiane Wenn, KONZEPT: Andreas Salomon-Prym, SCHLUSS­                                                                                                                                                        ­herausgebenden Werkes wieder. Die Redaktion behält sich vor, Manuskripte redaktionell zu ­bearbeiten und gegebenenfalls zu kürzen. Gendergerechte Sprache
    KORREKTUR: Hedwig Gafga, ADRESSE: Agathe-Lasch-Weg 16, 22605 H      ­ amburg, Telefon 040 88181-0, Fax: 040 88181-210, ­w ww.nordkirche-weltweit.de.                                                                                                                                                   wenden wir in dieser Publikation an, indem wir u. a. abwechselnd die männliche und weibliche Form benutzen. Gedruckt auf TCF – total chlorfrei gebleichtem Papier.

2       weltbewegt                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        weltbewegt            3
Welt welt DEZ. 2018 - FEB. 2019 C 51 78 - Mission - Nordkirche weltweit
Schwerpunkt
                                                                                                              Überfahrt nach China, um 1930.

                                                                                                              M      anchmal kommen Missionare und Missionarin-
                                                                                                                     nen sogar in Romanen vor. Ein Beispiel ist jüngst
                                                                                                              der von Stefan Thome publizierte Roman „Gott der Bar-
                                                                                                                                                                          Zur Mission gehört das Ein-
                                                                                                                                                                          treten für eine gerechte Welt-
                                                                                                                                                                          wirtschaftsordnung
                                                                                                              baren“, der es mit seiner Darstellung der – teilweise
                                                                                                              christlich inspirierten – Taiping-Rebellion im China des    Bemerkenswert ist zudem, dass Fragen nach der missio-
                                                                                                              19. Jahrhundert immerhin auf die Shortlist für den deut-    narischen Ausrichtung des Glaubens die Christenheit
                                                                                                              schen Buchpreis 2018 geschafft hat. Durchaus zu Recht,      weltweit weiterhin stark bewegen. Die große Weltmissi-
                                                                                                              wie ich finde.                                              onskonferenz, an der im März dieses Jahres im tansa-
                                                                                                                  In der Regel ist die Zeichnung der Missionarsfiguren    nischen Arusha beinahe 1 000 Teilnehmer und Teilneh-
                                                                                                              in solchen Romanen kritisch. Auch bei Thome ist dies so,    merinnen aus aller Welt teilgenommen hatten, ist nur
                                                                                                              wenn da etwa berichtet wird, dass die Basler Mission zwei   ein Beispiel für dieses Interesse. Auch in der Nordkirche
                                                                                                              „junge Männer aus dem Badischen, fromm und eifrig“ in       ist die Frage nach der missionarischen Ausstrahlung
                                                                                                              das große Land schickt und dann festgestellt wird: „Über    unserer Kirche in unserem Umfeld auf Synoden ange-
                                                                                                              China wussten sie nur, dass es ein Hort des Heidentums      sprochen worden und mit dem Arbeitsheft „Das muss
                                                                                                              war, und nichts als ihre mangelnde Sprachkenntnis hielt     ich Dir erzählen… und andere Anstöße zum Thema
                                                                                                              sie davon ab, am Tag der Ankunft die erste Straßenpredigt   `Mission´“ auch in unsere Gemeinden transportiert wor-
                                                                                                              zu halten“. Die Missionare sind, unfreiwillig und           den. Auffallend und für manche überraschend ist dann
                                                                                                              widerwillig, in Strategien westlicher Kolonialmächte        aber auch wieder die Vielfalt der Themen, die gerade in
                                                                                                              verwickelt, was ihr Engagement immer wieder zu dis-         Arusha und in den Kirchen des globalen Südens unter
                                                                                                              kreditieren droht. „Missionare bestimmen nun mal nicht      dem Stichwort „Mission“ diskutiert wird. Dazu gehört
                                                                                                              die Politik… Wir versuchen, das Beste aus der Situation     selbstverständlich die Aufgabe, in Wort und Tat Zeugnis
                                                                                                              zu machen, und zwar nicht für uns…“ Zweifel kommen          von der befreienden Botschaft des Evangeliums für Men-
                                                                                                              ihnen aber doch auch immer wieder, ob ihre Arbeit           schen in der Nähe und in der Ferne zu geben. Es mag
                                                                                                              wirklich sinnvoll ist: „Die Chinesen glauben an Gott wie    manchen verwundern, der Mission bisher ausschließlich
                                                                                                              an einen ihrer vielen Haus- und Herdgeister, die man        als Weitergabe des Glaubens verstanden hat, dass unter

                                   Mission –                                                                  durch Gebete gnädig stimmten musste, und es war schwer
                                                                                                              zu sagen, ob sie nicht in Wahrheit uns gnädig stimmen
                                                                                                                                                                          dem Leitwort Mission besonders auch Anliegen wie das
                                                                                                                                                                          soziale und politische Engagement von Christinnen und
                                                                                                              wollten. Oft genug lief das, was wir Bekehrung nannten,     Christen, der Einsatz für Menschenrechte und ein ak-
                         Eine Lerngeschichte                                                                  auf ein gegenseitiges Täuschungsmanöver hinaus: Sie
                                                                                                              wussten, was sie tun mussten, damit wir so taten, als
                                                                                                                                                                          tives und geradezu parteiisches Eintreten für eine ge-
                                                                                                                                                                          rechte Weltwirtschaftsordnung verhandelt werden und
                                                                                                              wären sie unsere Brüder und Schwestern…“                    dass sie als integraler Bestandteil der missionarischen
                  Das Verständnis von Mission hat sich gewandelt.                                                 Angesichts solcher Beschreibungen und der in der        Agenda von Kirchen angesehen werden. Für Kirchen des
                 Neben der Predigt des Evangeliums geht es heute                                              allgemeinen Öffentlichkeit weiterhin stark verbreiteten     Südens ist Mission, anders als oft bei uns, ein Begriff, der
                 um vielfältige Hilfen gegen Armut und Ausbeutung.                                            Annahme, dass Mission und Kolonialismus eng verquickt       das Ganze des kirchlichen Handelns in der Welt, die
                                                                                                              sind, sind dann einige Tatsachen doch außerordentlich       Rolle und Verantwortung der Kirche in ihren jeweiligen
                                                Dr. Klaus Schäfer                                             erstaunlich. Dazu gehört etwa die Wahrnehmung, dass         Gesellschaften im Blick hat.
                                                                                                              das Christentum gerade durch einheimische Konversionen          Tatsächlich hat sich das Verständnis von Mission seit
                                                                                                              erst so richtig nach dem Ende der Kolonialherrschaft        den Aufbrüchen der neuzeitlichen Mission im 19. Jahr-
                                                                                                              massenhaft gewachsen ist, entgegen den Erwartungen, die     hundert – in dem auch die Geschichte spielt, die Stefan
                                                                                                              dem Christentum als Implantat des kolonialistischen         Thome in seinem Roman erzählt – massiv gewandelt. War
                                                                                                              Westens keine Zukunft in der fremden Umwelt zugetraut       die neuzeitliche Missionsbewegung von einem stark
                                                                                                              haben. Statistiken sind mit Vorsicht zu genießen, doch      geographisch orientierten Verständnis von Mission ge-
                                                                                                              ist die Aussage, dass der christliche Anteil an der afri-   prägt, wonach die christlichen Länder der westlichen
                                                                     Fotos: ZMÖ-Bildarchiv (1), C. Wenn (1)

                                                                                                              kanischen Bevölkerung von 1965 bis 2001 von 25 auf 46       Hemisphäre das Evangelium zu den nicht-christlichen
                                                                                                              Prozent gestiegen ist, gut begründet. Und dass das          Ländern tragen sollten, so ist diese Sicht im Laufe des
                                                                                                              Christentum heute in China rasant wächst, wo aus-           20. Jahrhunderts zunehmend überholt. Durch zwei
                                                                                                              ländische Missionare verboten sind, dürfte sich in-         Weltkriege wurden das Selbstbewusstsein der so genann-
                                                                                                              zwischen herumgesprochen haben. Eine eurozentrische         ten christlichen Länder und die Reputation dieser Länder
                                                                                                              Perspektive verstellt leicht den Blick dafür, dass das      in der Welt tief erschüttert. Durch eine oft brutale, an
                                                                                                              Christentum längst eine massive Schwerpunktverlage-         Ausbeutung und Profit orientierte Kolonialherrschaft, an        Fortsetzung
                                                                                                              rung in den globalen Süden erfahren hat.                    der man viele Jahrzehnte trotz einheimischer Un-                Seite 6

4   weltbewegt                                                                                                                                                                                                                           weltbewegt     5
Welt welt DEZ. 2018 - FEB. 2019 C 51 78 - Mission - Nordkirche weltweit
In der Mission war man
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Schwerpunkt
                                                                                                                                                                                                                                                                                               früher in mehrfacher
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Hinsicht anders unterwegs
                                                                                                                                                                                                                                                                                               als heute.
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Foto: Vor dem Aufbruch
                                                                                                                                                                                                                                                                                               in die umliegenden Orte:
                                                                                                                                                                                                                                                                                               China-Missionar Felix
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Paulsen (Mitte) mit seinen
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Mitarbeitern um das Jahr
                                                                                                                                                                                                                                                                                               1930.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Andere Perspektive: Ein tansanischer
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Künstler aus der Nyssa-Region hat den
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Missionar Franz Riesch von der
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Herrnhuter Brüdergemeine
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       geschnitzt, Holzskulptur um 1930.

                      abhängigkeitsbewegungen festzuhalten suchte, diskre-           Evangeliums war selbstverständlich wichtig, bot sie den                                                                                                                                          Kirchen oft beklagte Paternalismus – die durchaus rassisti-          5. Und schließlich ist in diesem Zusam-
                      ditierte sich die westliche Welt. Die Rhetorik von Freiheit,   Menschen doch eine Deutung ihres Lebens und Hoffnung                                                                                                                                             sche Vorstellung von „the White Man´s Burden“ (Rudyard           menhang noch ein weiterer Aspekt zu nennen.
                      Gerechtigkeit und Wohlstand für alle erschien oft hohl, vor    für ein sinnerfülltes Leben an. Daneben traten Bemühungen,                                                                                                                                       Kipling) – sitzt immer noch tief im Selbstverständnis            Zwar ist durchaus ein erhebliches Wachstum
                      einem historischen Hintergrund, der geprägt war durch die      die ganz konkreten Lebensumstände der Menschen zu                                                                                                                                                westlicher Kulturen. Tatsächlich haben Missionare lernen         des Christentums zu verzeichnen, doch ist die
                      Zweiteilung der Welt in den West- und Ostblock mit             verbessern: Das Bildungsniveau anheben durch die                                                                                                                                                 müssen, dass der christliche Glaube und seine Ausdrucks-         „Evangelisierung der Welt in dieser Gene-
                      Stellvertreterkriegen in ärmeren Regionen der Welt sowie       Einrichtung von Schulen – und zwar für Jungen und                                                                                                                                                formen – in Musik und Liturgie, in Kirchenstrukturen und         ration“, wie sie der Weltmissionskonferenzen in
                      der zunehmend prekär werdende Situation der damals             Mädchen, die berufliche Bildung zu fördern, die Land-                                                                                                                                            Theologie – sich in unterschiedlichen Kulturen je neu und        Edinburgh 1910 vorschwebte, tatsächlich
                      sogenannten Dritten Welt. Die alte „West-mission“, wie         wirtschaft zu entwickeln, medizinische Versorgung zu ge-                                                                                                                                         frei artikulieren, und zwar formuliert und verantwortet          nicht gelungen. Andere Religionen sind
                      man jetzt intern in selbstkritischen Missionskreisen           währleisten, vielfältige Hilfe zu schaffen, um der Armut und                                                                                                                                     von den Menschen dieser Kultur selbst. Mission, so wurde         geblieben, haben sich – zum Teil auch
                      formulierte, kam an ihr Ende.                                  der oft auch drückenden Ausbeutung zu entrinnen.                                                                                                                                                 hier deutlich, ist nicht einfach Weitergabe von etwas bereits    in und durch die Begegnung mit dem
                          Aber in den Diskussionen um die „Krise der Mission“          Die Missionsleitungen sahen darin manchmal eine                                                                                                                                                fest geprägtem, sondern in einem je neuen Kontext und in         Christentum – erneuert und sich als
                      – ein Begriff, der in den 1950er Jahren virulent war –         unbillige Ablenkung vom „eigentlichen“ Auftrag. Doch es                                                                                                                                          einer je neuen Zeit die Entdeckung der befreienden               außerordentlich vital erwiesen. Es

                                                                                                                                                     Fotos: E. v. d. heyde (1), ZMÖ-Bildarchiv (1), E. Winkler/Völkerkundemuseum Herrnhut, © Staatliche Kunstsammlungen Dresden (1)
                      wurden Konturen einer Lerngeschichte formuliert, die           ging immer darum, den ganzen Menschen im Blick zu                                                                                                                                                Botschaft für gerade diesen Kontext. Dass dabei auch             gibt unterschiedliche Religionen in
                      unser Verständnis von Mission heute prägen. Einige dieser      haben, mit Leib, Seele und Geist. Zwar sprach man in der                                                                                                                                         manche eigenartigen Blüten und Gewächse entstehen, dass          der Welt, und nichts spricht für
                      Lernerfahrungen, die für das Nachdenken über                   frühen Zeit noch nicht von Entwicklung, doch war hier ein                                                                                                                                        Spannungen zwischen verschiedenen kulturellen Formen             die Annahme, dass sich dies in
                      missionarische Präsenz in unserem näheren kirchlichen          Menschenbild und auch ein Verständnis von Gottes Heil                                                                                                                                            des Christentums aufbrechen, kann man übrigens auch aus          nächster Zeit ändern wird. Zur
                      Umfeld wichtig sind, möchte ich nennen.                        für die Menschen leitend, das man heute vielleicht als                                                                                                                                           dem genannten Roman von Stefan Thome lernen.                     Lerngeschichte der Mission ge-
                                                                                     ganzheitlich bezeichnen würde. In Zeiten des Unabhängig-                                                                                                                                             4. War die sogenannte Äußere Mission früher ein              hört, diese Tatsache ohne Ressenti-
                      Mission bezieht sich immer auf die konkrete                    keitsbewegungen und des Aufbaus der jungen Staaten, die                                                                                                                                          Unternehmen von freien Werken am Rande der so genannten          ment zu akzeptieren und zugleich da-
                      Lebenssituation                                                auch von Christen mit gestaltetet werden sollten, trat neben                                                                                                                                     verfassten Kirche, so hatte die Entstehung von eigenständigen    raus die Konsequenz zu ziehen, mit Men-
                                                                                     die konkrete Hilfe nun eine deutliche politische Orien-                                                                                                                                          Kirchen wiederum Rückwirkungen auf das Selbstverständnis         schen anderen Glaubens in ein gutes und
                      1. Nicht ein Befehl – der sogenannte Missionsbefehl am         tierung: der Kampf gegen Hunger und Elend in der Welt,                                                                                                                                           und die Rolle von Kirche bei uns. Das betraf zum einen die       freundschaftliches, für die Welt insgesamt
                      Ende des Matthäus-Evangeliums – ist die Begründung             die Beteiligung am Aufbau junger Nationen, der Einsatz für                                                                                                                                       Frage nach den Strukturen, in denen missionarisches              fruchtbares und friedliches Zusammenleben
                      für die christliche Sendung in die Welt, sondern der           die Erhaltung und Bewahrung von Menschenrechten. So                                                                                                                                              Engagement seinen Platz hatte: Das Gegenüber oder                zu kommen und doch auch zugleich den
                      Glaube an diesen Gott selbst, der sich uns in Jesus Chri-      wurde das Verständnis von Mission erweitert: Es umfasste                                                                                                                                         Nebeneinander von Missionsgesellschaft und Missionsfeld          eigenen Glauben fröhlich in der Welt zu
                      stus zu erkennen gegeben hat. Gott, der das Heil aller         auch das Engagement in und für die Gesellschaft, in der                                                                                                                                          – ja, so formulierte man früher – oder auch sendender und        vertreten. Interreligiöser Dialog und christ-
                      Menschen und seiner gesamten Schöpfung will, ist selbst        Christen sich positiv, einbringen wollten und sollten, orien-                                                                                                                                    empfangender Kirche – mit einem klaren hierarchischen            liches Zeugnis gehen, auch wenn es mitunter
                      missionarisch, in dieser Welt präsent und gegenwärtig          tiert an den Werten des Reiches Gottes.                                                                                                                                                          Gefälle – war veraltet. Weil jetzt gleichberechtigt Kirche und   spannungsvoll erscheint, zusammen. Wie
                      zur Heilung der Welt. Glaube als Verbindung mit diesem                                                                                                                                                                                                          Kirche einander als Partner gegenüberstehen und in einer         das gehen kann, haben der Ökumenische
                      Gott und als Erfahrung seiner Liebe zu den Menschen            Aus freien Missionsgesellschaften wurden                                                                                                                                                         weltweiten Gemeinschaft – im Ökumenischen Rat der                Rat der Kirchen, der Päpstliche Rat für den
                      stellt Menschen hinein in die Bewegung Gottes auf die          kirchliche Werke                                                                                                                                                                                 Kirchen (ÖRK) – verbunden sind, wurden aus den freien            Interreligiösen Dialog und die Weltweite
                      Welt zu. Glaube will von dieser Erfahrung erzählen,                                                                                                                                                                                                             Missionsgesellschaften kirchliche Werke. Und zugleich            Evangelische Allianz vor einigen Jahren in
                      Anteil an ihr geben, gelassen und fröhlich, ohne Dränge-       3. Es konnte wohl nicht anders sein, dass die Missionare                                                                                                                                         begannen die Kirchen in Deutschland sich als Kirchen in          ihrem Dokument „Christliches Zeugnis in
                      lei und Ressentiment.                                          und Missionarinnen damals mit den Kirchenordnungen                                                                                                                                               Mission zu verstehen. Mission galt nicht als etwas, was man      einer multireligiösen Welt“ zu formulieren
                      2. Im Aufbruch der christlichen Mission in der Neuzeit         ihrer Heimat in die Fremde zogen und das, was sie kannten,                                                                                                                                       an Gesellschaften delegiert, sondern was Kirche selbst in        versucht (vgl. dazu www.missionrespekt.de).
                      machten Missionare schon früh die Erfahrung,                   dort implementieren wollten. Nicht selten gingen sie dabei                                                                                                                                       ihrem Wesen bestimmt, sowohl in der Theorie als auch in              Die Lerngeschichte der Mission ist selbst-
                      dass ein Perspektivwechsel notwendig sei: Nicht von            rigoros vor, etwa indem sie zum Beispiel einheimische                                                                                                                                            der Praxis, und zwar sowohl in weltweiter Perspektive als        verständlich heute noch nicht zu Ende. Wir
Dr. Klaus Schäfer,    kirchlichen und institutionellen Interessen her sollte und     Musik und Instrumente verboten oder Riten kritisierten.                                                                                                                                          auch – und dies vornehmlich – in ihrem eigenen Kontext.          selbst sollten sie fortsetzen, durch missiona-
  Direktor des Zen-   konnte gedacht werden – etwa dem Interesse, möglichst          Missionarinnen und Missionaren fiel es auch lange Zeit                                                                                                                                           Mission galt jetzt als Aufgabe jeder Kirche in jedem Teil        rische Ausstrahlung in unserem eigenen
  trums für Mission   viele Menschen zu taufen – , sondern auf die konkrete          schwer, die Leitung einer von ihnen gegründeten Kirche in                                                                                                                                        dieser Welt; Mission war jetzt verstanden als „Mission in        Umfeld und in ökumenischer Gemeinschaft
    und Ökumene –     Lebenssituation der Menschen sollte eingegangen und            einheimische Hände zu legen. Oft wurde das erst durch                                                                                                                                            sechs Kontinenten“, wie es ein Slogan von der Weltmissions-      mit christlichen Geschwistern in anderen
Nordkirche weltweit   darauf eine Antwort gesucht werden. Die Predigt des            äußere Umstände erzwungen. Der von den einheimischen                                                                                                                                             konferenz in Mexiko City 1963 formulierte.                       Teilen der Welt.

   6    weltbewegt                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            weltbewegt   7
Welt welt DEZ. 2018 - FEB. 2019 C 51 78 - Mission - Nordkirche weltweit
Schwerpunkt

                        Besondere christliche Literatur
                        Die Zahl von Missionserklärungen steigt. Aber an wen richten sich die Erklärungen, die oft so
                        verfasst sind, dass sie nur von missionstheologischen Fachleuten verstanden werden? Und
                        wer sind die Verfasser, die sich hinter dem allgemeinen Wort „Kirche“ verbergen?

                        										Dr. Michael Biehl

                        E     in klares und knappes mission
                              statement zu haben, ist für jede
                        Organisation ein Qualitätsmerkmal.
                                                                 für Kirchen in Europa“ der Gemein-
                                                                 schaft Evangelischer Kirchen in Eu-
                                                                 ropa (GEKE) (2006) oder die um-
                                                                                                        als Teil der viel umfassenderen mis-
                                                                                                        sionarischen Dimension von Kir-
                                                                                                        che. Die Themen, die in den jünge-
                                                                                                                                                                                             zwischen den Verfassern und
                                                                                                                                                                                             möglichen Adressaten, dann fallen
                                                                                                                                                                                             beim Lesen verschiedene Aspekte
                        Eine ganze Branche lebt gut von der      fangreiche Erklärung des Luthe-        ren Erklärungen aufgerufen werden,                                                   auf. Alle genannten Erklärungen
                        Prozessbegleitung, mit deren Hilfe       rischen Weltbunds (LWB) von 2005       spiegeln in fast atemberaubender                                                     sind solche einer bestimmten Kirche
                        ein solches Statement in partizipa-      „Mission im Kontext. Verwand-          Weite diese Veränderung wider: Bei                                                   oder einer Gemeinschaft von
                        torischer Weise erarbeitet werden        lung, Versöhnung, Bevollmächti-        Mission geht es um das Evangelium,                                                   Kirchen, sie sind deren mission
                        soll, um daraus ihre Tätigkeiten und     gung“. Die EKD hat Erklärungen         die Bibel und den Glauben, aber                                                      statement. Doch im Sinne der
                        Aufgaben abzuleiten. Dass Kirche         zur Mission im Umfeld ihrer Sy-        auch um Diakonie, Zeugnis, Dialog,                                                   Teilhabe dieser einzelnen Kirchen an
                        ein mission statement hat, wird da-      nodensitzungen 1999 und 2011 in        Heilung, Versöhnung, Bevollmäch-                                                     Gottes Mission (missio Dei) ist in den
                        gegen kritisch beurteilt, weil in        Leipzig herausgegeben, die Weltge-     tigung, Nachfolge, die Einheit der                                                   Texten mit wenigen Ausnahmen
                        ihrem Fall „Mission“ mit bestimm-        meinschaft der Reformierten Kir-       Kirche, Frieden, Ökumene, Gewalt,                                                    allgemein von „der Kirche“, der
                        ten Formen und Aktivitäten im            chen hat bei ihrer letzten General-    Ökonomie, Klimagerechtigkeit, die                                                    Gemeinschaft der Jüngerinnen und
                        Umfeld von Kolonialismus und Im-         versammlung in Leipzig (2017)          gesellschaftliche Rolle von Kirchen                                                  Jünger oder dem christlichen
                        perialismus assoziiert wird. Dieses      einen Entwurf für eine Missions-       heute, Religionsfreiheit. Weil Missi-                                                Zeugnis die Rede. Die konkreten
                        Image von Mission hat sich in jün-       erklärung beraten, und vor Kurzem      on zum Wesen der Kirche gehört,                                                      Verfasser werden im Text oft nicht
                        gerer Zeit verbessert, vor allem weil    hat die Weltweite Brüderunität         gibt es kein theologisches Thema,                                                    explizit identifiziert und sind nur
                        es gelingt, sie mit dem Wesen und        (Herrnhuter) in Südafrika ein „Mis-    das nicht unter dem Gesichtspunkt                                                    verschwommen erkennbar. Kon-
                        dem Auftrag der Kirche hier und          sion Unity Statement“ verabschie-      Mission der Kirche verhandelt wer-                                                   fessionelles oder Spezifisches für
                        heute zu verknüpfen. Nun könnte          det. Im weiteren Umfeld wäre dann      den könnte. Dafür ist gerade die                                                     bestimmte kirchliche Traditionen
                        man meinen, dass mit einem missi-        an die ausführliche Exhortatio         ÖRK-Erklärung „Gemeinsam für das                                                     wird indirekt an den Akzenten
                        on statement wie Matthäus 28, dem        „Evangelium Gaudii“ (2013) von         Leben“ ein Beispiel.                                                                 ablesbar, die jeweils gesetzt werden:
                        so genannten Taufbefehl, alles ge-       Papst Franziskus zu erinnern.              Manche Missionserklärungen be-                                                   Etwa ob es stärker um die Einladung
                        sagt ist: Machet zu Jüngern alle Völ-                                           ziehen sich dabei auf den eigenen                                                    zum Glauben oder um Gerechtig-
                        ker. Tatsächlich besteht jedoch an       Konkrete Verfasser sind nur            Kontext. Etwa wenn wie in „Evan-                                                     keitsfragen geht, eher um Diakonie
                        Missionserklärungen kein Mangel,         verschwommen erkennbar                 gelisch evangelisieren“ Europa in                                                    oder um Liturgie, eher um Kirche
                        selbst wenn man nur in die jüngere                                              unterschiedlicher Hinsicht charak-                                                   oder die einzelnen Jüngerinnen und       Adressaten der meisten Erklä-         eines fehlt: Sie benennen nicht die
                        Vergangenheit blickt und nur an          Diese Erklärungen wollen darstel-      terisiert wird – nämlich als säkular,                                                Jünger.                                  rungen die verfassenden Kirchen       unterschiedlichen Überzeugungen
                        den Bereich der Mitgliedskirchen         len, wie Mission und Evangelisation    multi-religiös, pluralistisch etc. –                                                                                          selbst und die Texte damit Klä-       oder gar Konflikte, die hinter den
                        des Ökumenischen Rates der Kir-          verstanden werden, auch wie beides     oder wie in der LWB-Erklärung auf                                                    Konflikte, die zugrunde lie-             rungen des Selbstverständnisses.      Konsensen liegen, die die Erklä-
                        chen denkt. Aktuell wäre da an den       zusammengehört. Über das letzte        Kontexte in der Globalisierung                                                       gen, werden nicht benannt                Das mag eigenartig klingen, doch      rungen formulieren. Welche Dissen-
                        „Aufruf von Arusha“ zu denken,           Jahrhundert hinweg lässt sich dabei    eingegangen wird. Andere haben                                                                                                viele der Dokumente sind so christ-   se herrschen in den Kirchen oder
                        den die Weltmissionskonferenz im         gut beobachten, wie zunächst Evan-     ein Thema, wie die Kundgebung der                                                    Überraschend ist weiterhin, dass         lich-theologisch verfasst, dass sie   Bünden, wenn es um die Botschaft
                        März 2018 veröffentlicht hat, in dem     gelisation der umfassendere Begriff    EKD-Synode von 2011 „Was hin-                                                        auch nicht immer wirklich deutlich       außerhalb der missionstheologi-       für diese Welt oder das Engagement
                        buchstabiert wird, wozu Christen         war, während Mission sich meist auf    dert‘s, dass ich Christ werde“, in der                                               wird, wer die Adressaten der Erklä-      schen Diskurse kaum verstanden        in dieser Welt geht? Worüber strei-
                        und Christinnen in der Nachfolge         die Tätigkeiten von Missionsgesell-    die Schritte des Hinhörens, Auf-                                                     rung sind. Sehr eindeutig ist dies bei   werden, schon gar nicht von kir-      ten sie untereinander und wie unter-
                                                                                                                                                 Fotos: f. Dutz (1), privat (1), adpic (1)

  Dr. Michael Biehl     aufgerufen sind. Davor war es die        schaften bezog. Mit dem Aufkom-        brechens, Weitersagens in den Focus                                                  dem „Christlichen Zeugnis“, weil         chenfernen Menschen oder solchen      schiedlich lesen sie die Bibel, um
     ist im Evangeli-   umfangreiche Erklärung „Gemein-          men der missio Dei-Theologie in den    gestellt werden. 2001 hieß es in der                                                 die Unterzeichner – der ÖRK, die         anderen Glaubens. Was wären denn      ihre Mission zu bestimmen? Mis-
schen Missionswerk      sam für das Leben“ des ÖRK (2012)        1950er Jahren dreht sich das um:       EKD-Kundgebung „Das Evangelium                                                       Weltweite Evangelische Allianz und       Botschaften der Christlichen Missi-   sionserklärungen sind damit mission
(EMW) zuständig für     und in gewisser Weise das „Christ-       Was bisher vorrangig als eine Tätig-   unter die Leute bringen“, dass die                                                   der Päpstliche Rat für den Interreli-    on, die von anderen gehört werden     statements und eine besondere
         die Referate   liche Zeugnis in einer multi-religi-     keit beschrieben wurde, wird nun       Evangelisation ein Jubelruf, Weckruf                                                 giösen Dialog – ihre Mitgliedskir-       könnten?                              Gattung christlicher Literatur in
       Theologische     ösen Welt“ (2011). Etwas weiter zu-      zum Wesensmerkmal von Kirche           und Alarmruf sei.                                                                    chen auffordern, sich dieses Doku-           Angesichts dieser Beobachtung     einem. Sie verdient es, näher be-
    Ausbildung und      rück liegen Dokumente wie „Evan-         erklärt. Von nun an meint Evangeli-        Betrachtet man die Missions-                                                     ment zu eigen zu machen. Im Sinne        ist dann wiederum auffallend, dass    trachtet, aber auch übersetzt zu
  Grundsatzfragen.      gelisch Evangelisieren. Perspektiven     sation die Glaubensverkündigung        erklärungen als Kommunikation                                                        von mission statements sind die          in den allermeisten Erklärungen       werden.

     8     weltbewegt                                                                                                                                                                                                                                                                                              weltbewegt   9
Welt welt DEZ. 2018 - FEB. 2019 C 51 78 - Mission - Nordkirche weltweit
Schwerpunkt

                   Mission ist Reise und Ziel zugleich                                                                                                                             gehen, wie er es vorgemacht hat. So ähnlich verhält es
                                                                                                                                                                                   sich für mich mit der Mission. Sie entzieht sich aller Logik,
                                                                                                                                                                                                                                                   Machtspiele auf dem Feld der Spiritualität auslebten. Ihre
                                                                                                                                                                                                                                                   Frage war: Wer gehört dazu und wer nicht? Dabei führten
                                                                                                                                                                                   jeglichen weltlichen Maßstäben und Werten. Sie                  sie sich auf wie die Grenzpolizei des Himmels. Diese
                   Mission hieß lange Zeit vor allem: Aufbruch in neue Kulturen. Aber das eigentliche Missi-                                                                       schwimmt gegen den Strom. Ihre Regeln sind andere.              schrillen Auswüchse haben nichts mit dem Licht Gottes
                                                                                                                                                                                                                                                   zu tun und gehören zum Glück meist der Vergangenheit
                   onsfeld liegt in uns, meint Dr. John Oommen. Er ist Arzt im Christlichen Krankenhaus in                                                                         Was heißt das konkret?                                          an. Denn das ist nicht der Weg von Jesus, der mit den
                   Bissamcuttack im indischen Bundesstaat Odisha.                                                                                                                  Wenn es nach den weltlichen Regeln heißt, der Stärkere          Menschen mitgefühlt, für sie gesorgt und sie geliebt hat.
                                                                                                                                                                                   soll gewinnen, alles muss sich rechnen und jeder Mensch         Dennoch war dies alte Missionsmodell vorherrschend,
                                                                                                                                                                                                        soll erst einmal sehen, dass er am         dieses traditionelle kulturelle „Cross-over“-Modell. Dort
                                                                                                                                                                                                        meisten für sich rausschlägt, dann         hieß es immer: Verlasse deinen Ursprung und Deine Kultur
                                                                                                                                                                                                        verfolgt Mission andere Werte. Hier        und gehe zu neuen Kulturen, die meist weit entfernt sind.
                                                                                                                                                                                                        geht es nicht darum, den meisten           Diese Missionsregionen entwickelten sich manchmal wie
                                                                                                                                                                                                        Profit zu erwirtschaften und andere        Ghettos, in denen alle so aussehen sollten wie Missionare,
                                                                                                                                                                                                        runterzumachen, damit man selbst           auch wenn sie andere Hautfarben hatten. Dort wurden die
                                                                                                                                                                                                        besser da steht. Hier geht es darum,       Verschiedenheiten betont und durch physische und
                                                                                                                                                                                                        Heilsames zu bewirken. Das beginnt         mentale Mauern noch gefördert. Es gab ein „Wir“ und „die
                                                                                                                                                                                                        mit dem eigenen Blick: Wo immer            Anderen“, mit dem Ziel, dass die anderen so werden
                                                                                                                                                                                                        ich Leid oder Unrecht sehe, ist Gott       sollten wie wir. Es schien, als ob in den Räumen die
                                                                                                                                                                                                        anwesend. Das ist eine völlig andere       „eigene Reinheit“ konserviert werden sollte. Diese Art von
                                                                                                                                                                                                        Sichtweise als die, die sagt: Was          Mission ist eher eine Botschafterin des Kolonialismus.
                                                                                                                                                                                                        geht mich das an? Jeder Mensch ist         Das Modell, das ich bevorzuge, ist das Inkarnationsmodell.
                                                                                                                                                                                                        seines Glückes Schmied und soll            Oft ist Mission mit der Vorstellung verbunden, dass sie
                                                                                                                                                                                                        sehen, wie er oder sie allein              außerhalb stattfindet, an anderen Orten als bei uns, etwa
                                                                                                                                                                                                        zurechtkommt. Der Blick der Mission        in Asien oder Afrika, in Odisha oder Chattisgarh. Doch ich
                                                                                                                                                                                                        hingegen ruft zu Mitgefühl auf, dazu,      bin überzeugt, dass das eigentliche Missionsfeld in uns
                                                                                                                                                                                                        Leid zu teilen. Diese Perspektive          liegt.
                                                                                                                                                                                                        zieht keine Trennlinien zwischen
                                                                                                                                                                                                        Menschen, sondern öffnet uns dafür,        Wie sieht diese Form der Mission aus?
                                                                                                                                                                                                        dass wir uns alle als Teil einer großen    Bei dem Modell der Inkarnation geht es darum, dass wir
                                                                                                                                                                                                        Gemeinschaft begreifen. Diese Hal-         selbst die Veränderung sind und selbst die Veränderung
                                                                                                                                                                                                        tung wird zu einem anderen Handeln         leben, die wir uns wünschen. Das müssen wir täglich
                                                                                                                                                                                                        führen – wie auch immer das in der         einüben. Dazu gehört, dass wir uns nicht von anderen
                                                                                                                                                                                                        jeweiligen Lebenswirklichkeit kon-         Menschen abgrenzen. Im Gegenteil. Wir sind ein Teil der
                                                                                                                                                                                                        kret aussehen mag.                         Menschen, denen wir dienen. Darum ist heute meine
                                                                                                                                                                                                                                                   Frage: Wie können wir es schaffen, von einem Klischee
                                                                                                                                                                                                         Was heißt das im Hinblick auf             des Christentum wieder zu seinem Kern zu kommen? Wie
                                                                                                                                                                                                         missionarische Aktivitäten?               kann Jesus Christus zum Zentrum unseres Lebens
                                                                                                                                                                                                         Es gibt zahlreiche Missionsprojekte,      werden, zu einem Leben, in dem Grenzen keine Rolle
                                                                                                                                                                                                         die sich für eine bessere Wasser-         spielen? Können wir zu einer Kirche werden, die an die
                                                                                                                                                                                                         versorgung oder Technologie ein-          Ränder nach außen geht und sich nicht über ihre
                                                                                                                                                                                                         setzen, damit sich die Infrastruktur      Mitgliedschaften definiert?
                                                                                                                                                                                                         und das Leben der Menschen im             Ich habe auch noch keine Antwort und bin nach wie vor
                                                                                                                                                                                                         Alltag verbessert. Das ist wichtig        auf der Suche, wie Mission in diesem Sinne im Alltag
                                                                                                                                                                                                         und es ist sehr gut, dass es das gibt.    gelingen kann. Neben aller Theologie und allen Gebeten
                                                                                                                                                                                                         Mission sollte sich allerdings darin      bleiben die grundlegenden Fragen: Wer sind wir? Warum          Dr. John Oommen
                                                                                                                                                                                                         nicht erschöpfen. Als Arzt des            sind wir so, wie wir sind? Einen Hinweis finden wir in der     ist stellvertretender
      „Mission     Was verstehen Sie heute unter Mission?                      Leben gegenüber. Diese Einstellung hat sich bei mir in den                                          Krankenhauses in Bissmacuttack und Leiter von Dorf-             Person von Jesus Christus, der die Macht der Machtlosen        Leiter des Kranken-
geschieht beim     John Oommen: Mission ist heute in erster Linie keine        vergangenen Jahren noch verstärkt. Wichtig ist doch,                                                entwicklungsprogrammen habe ich selbst große Freude             und damit eine Logik verkörpert, die vollkommen irrational     hauses Bissamcut-
                                                                                                                                            Fotos: A. Siegemund (1), C. Wenn (1)

 Gehen, Hören,     Sache des Handelns, sondern eine des Seins. Eines           welchen Ausdruck die Prägung durch Gott in unserem                                                  daran, gemeinsam mit anderen etwas für Menschen zu              ist, die aber die Welt in uns und um uns herum verändern       tack. Außerdem
  Lernen, Sein     Seins, das von Gott geprägt ist. Es geht dabei darum, die   Alltag findet und vor allem welche Auswirkungen sie auf                                             tun, Projekte aufzubauen und weiterzuentwickeln. Es ist         könnte. Mission ist für mich heute wie eine aufregende         leitet er die Abtei-
      und Tun“     Muster zu erkennen, wie Gott in der Welt wirkt: es geht     unseren Umgang mit anderen Menschen hat. Mehr als                                                   schön, wenn etwas gelingt. Aber daneben gibt es auch            Entdeckungsreise zu Gott. Sie geschieht beim Gehen,            lung für Gesund-
                   darum, seiner Musik zu lauschen und nach seiner Melodie     früher erkenne ich heute, in welchem Gegensatz sie oft                                              die andere Form von Mission. In der Vergangenheit ist           Hören, Lernen, Sein und Tun. Sie ist Reise und Ziel            heitsversorgung in
                   zu tanzen. Unsere Aufgabe ist es demnach, genau in dem      zu den weltlichen Gesetzen steht. Mission ist manchmal                                              Mission meist missverstanden worden als etwas, was              zugleich.                                                      Odisha und
                   Umfeld, in das Gott uns hinein gestellt hat, möglichst      so, als wenn wir über das Wasser gehen würden. Jesus                                                man auf der Grundlage des Missionsbefehls in Matthäus                                                                          engagiert sich in
                   wahrhaftig zu leben. Mission ist kein Konzept und keine     hatte die Jünger ja damals aufgerufen, das Boot zu                                                  28 alleine durchzieht. Es gab oft aggressive und arrogante                                                                     Dorfentwicklungs-
                   Methode. Sie ist vor allem eine Sache der Haltung dem       verlassen und sie aufgefordert, so über das Wasser zu                                               Missionare, die sich anderen überlegen fühlten und ihre                               Das Interview führte Ulrike Plautz       programmen.

10    weltbewegt                                                                                                                                                                                                                                                                                                weltbewegt     11
Welt welt DEZ. 2018 - FEB. 2019 C 51 78 - Mission - Nordkirche weltweit
Schwerpunkt
                                                                                                                                  D    er Begriff Mission hat im Laufe
                                                                                                                                       der Geschichte und in seinen
                                                                                                                                  konfessionellen und kontextuellen
                                                                                                                                                                          licher Kirchen und Missionsgesell-
                                                                                                                                                                          schaften während der europäischen
                                                                                                                                                                          Kolonialzeit. Die bis heute nach-
                                                                                                                                  Ausprägungen sehr unterschied-          wirkende Verstrickung christlicher
                                                                                                                                  liche Inhalte transportieren kön-       Missionsaktivitäten mit den militä-
                                                                                                                                  nen. Missio meint zunächst „Sen-        risch expansiven und kulturell domi-
                                                                                                                                  dung“. In einem religionswissen-        nanten Haltungen dieser Zeit hat
                                                                                                                                  schaftlichen Sinne ist damit jede       auch den Begriff der Mission in
                                                                                                                                  Aktivität einer Religionsgemein-        Mitleiden-schaft gezogen, um nicht        Dialog steht für eine neue
                                                                                                                                  schaft gemeint, die den eigenen         zu sagen in eine Krise gestürzt. Das      Haltung in Begegnungen
                                                                                                                                  Glauben, Vorstellungen und Bräu-        oft triumphalistisch missverstan-
                                                                                                                                  che anderen mitteilen möchte. In        dene „Gehet hin in alle Welt“ (Mt         Nahezu zeitgleich mit der Krise des
                                                                                                                                  diesem Sinne gelten das Christen-       28,20, sog. „Missionsbefehl“) wurde       Missionsbegriffes hat seit Mitte des
                                                                                                                                  tum, aber in der Regel auch Islam       einer Neubewertung unterzogen, die        20. Jahrhunderts ein Begriff Auf-
                                                                                                                                  und Buddhismus als missionarische       auch Rücksicht auf das Gegenüber          trieb erfahren, der wesentliche As-
                                                                                                                                  Religionen.                             und dessen Eigenständigkeit – und         pekte des christlichen Weltverhält-
                                                                                                                                                                          damit auf wesentliche Aspekte und         nisses auszudrücken vermochte
                                                                                                                                  Demut statt Triumphalismus              Aussagen der Evangelien – nimmt.          und zugleich historisch unbelasteter
                                                                                                                                                                              Nur langsam bewegt sich der Be-       war: der des Dialogs. Als biblische
                                                                                                                                  Das spezifisch christliche Verständ-    griff Mission aus seiner historischen     Grundlage diente dabei nicht selten
                                                                                                                                  nis des Missionsbegriffes lehnt sich    Belastung heraus. Das gelingt nicht       1Petr 3,15b: „Seid allezeit bereit zur
                                                                                                                                  an die Sendung Gottes in die Welt in    zuletzt durch die Aufnahme immer          Verantwortung vor jedermann, der
                                                                                                                                  Jesus Christus an. Insofern meint       weiterer Bedeutungsaspekte und -fa-       von euch Rechenschaft fordert über
                                                                                                                                  Mission zunächst kein mensch-           cetten. Während manche Christen           die Hoffnung, die in euch ist.“ Der
                                                                                                                                  liches, sondern ein göttliches Han-     und Nichtchristen bis heute unter         Mensch tritt mit seinem Nächsten
                                                                                                                                  deln, das auf die Errettung des         Mission vor allem das Ansinnen ver-       in den Dialog, so wie zuvor Gott mit
                                                                                                                                  Menschen und der Welt zielt. Um-        stehen, Menschen anderer oder ohne        den Menschen in den Dialog getre-
                                                                                                                                  stritten ist, wie sich die Gemein-      Religionszugehörigkeit zum Chris-         ten ist. Im Hinblick auf die Begeg-
                                                                                                                                  schaft der Glaubenden, jeder Einzel-    tentum zu „bekehren“, was in der          nung mit Menschen anderer Reli-
                                                                                                                                  ne und dann auch die Kirche bezie-      Praxis mitunter erhebliche soziale        gionen hat sich daraus in den letz-
                                                                                                                                  hungsweise die Kirchen insgesamt        Spannungen und Verwerfungen aus-          ten Jahrzehnten eine Vielzahl von
                                                                                                                                  zu dieser Sendung Gottes zu verhal-     löst, reicht die Bandbreite der De-       Projekten und kirchlichen Arbeits-
                                                                                                                                  ten haben. In der neueren Missions-     finition von dieser Engführung auf        feldern entwickelt. Der Ökumeni-
                                                                                                                                  wissenschaft wird seit der zweiten      der einen Seite bis hin zu jenem          sche Rat der Kirchen hat eine eigene
                                                                                                                                  Hälfte des 20. Jahrhunderts der         umfassenden Verständnis, wonach           Programmabteilung „Interreligöser
                                                                                                                                  Begriff der Missio Dei (Mission         jede Aktivität aus Glauben als Mission    Dialog und interreligiöse Zusam-
                                                                                                                                  Gottes) diskutiert, der die Teilhabe    bezeichnet werden kann. In diesem         menarbeit“ und die Römisch-Ka-
                                                                                                                                  des Menschen und der Kirche an der      letzteren Sinne wird dann auch der        tholische Kirche verfügt über einen
                                                                                                                                  Sendung des dreieinigen Gottes          Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit        „Päpstlichen Rat für den Interreli-
                                                                                                                                  betont, aber eben nicht die Inbesitz-   und Bewahrung der Schöpfung als           giösen Dialog“. Den Anstoß zu die-
                                                                                                                                  nahme dieser Mission durch Men-         christliche Mission gesehen. Damit        ser Entwicklung gab nicht zuletzt
                                                                                                                                  schen oder Kirchen. Das heißt, auch     entwickelt sich der Begriff Mission       die historische Aufarbeitung des
                                                                                                                                  als Teilhaber an der Sendung Gottes     mehr und mehr zu einem Terminus,          christlichen Verhältnisses gegen-
                                                                                                                                  in die Welt bleibe ich Empfangender     unter dessen Dach Vieles Platz fin-       über dem Judentum, in deren Zuge
                                                                                                                                  und bin nicht Besitzender.              det. Er bildet gewissermaßen die          immer mehr die schuldhaften Ver-
                                                                                                                                      In diesem Zusammenhang ist          Klammer für christliches Handeln in       strickungen christlicher Theologie
                                                                                                                                  auch der Aspekt der Kenosis (Ent-       der Welt insgesamt – wenn auch auf        und Kirche zutage traten. Eine Neu-
                                                                                                                                  äußerung, nach Phil 2,7) bedeutsam      Kosten seiner Präzision und Klarheit.     bewertung dieses Verhältnisses vor
                                                                                                                                  geworden, der die Nachfolge Jesu in     Ein ähnlich weites Bedeutungsspek-        dem Hintergrund der fürchter-
                         Zum Verhältnis von Dialog und Mission                                                                    einer Haltung verstanden wissen
                                                                                                                                  will, die nicht von Triumphalismus
                                                                                                                                                                          trum deckt auch der oft synonym
                                                                                                                                                                          verwendete Begriff der Evangelisation
                                                                                                                                                                                                                    lichen Ereignisse der Schoah ging
                                                                                                                                                                                                                    einher mit einer neuen Begegnungs-
                                                                                                                                  oder Überlegenheitsgefühlen ge-         ab, der ebenfalls von der individuellen   haltung, die das Gespräch suchte,
                  Der interreligiöse Dialog dient nicht nur der Sicherung des sozialen Friedens in einer                          prägt ist, sondern die Niedrigkeit      Bekehrung des Einzelnen bis hin zur       Respekt zeigte und bereit war, die
                                  multikulturellen Gesellschaft, sondern gehört zur christlichen Identität.                       und Demut gemäß dem Hymnus im           christlichen Weltverantwortung der        theologische Andersartigkeit des an-
                                                                                                                                  Philipperbrief (Phil 2) ernst- und      Kirche insgesamt reicht. In der kon-      deren als legitim zu akzeptieren. Aus
                                                                                         Dr. Detlef Görrig                        aufnimmt. Ursache für diesen Para-      kreten Begegnung mit Menschen an-         dieser Neuorientierung des christ-
                                                                                                                                  digmenwechsel christlicher Mis-         deren Glaubens wird es deshalb            lich-jüdischen Gespräches sind we-
                                                                                                              Foto: C. Wenn (1)

                                                                                                                                  sionstheologie waren nicht zuletzt      darum gehen, sich über die jeweilige      sentliche Impulse auch für den inter-
                                                                                                                                  historische Erfahrungen mit der         Motivation dialogisch zu verstän-         religiösen Dialog insgesamt hervor-        Fortsetzung
                                                                                                                                  Rolle und dem Verhalten christ-         digen.                                    gegangen.                                  Seite 14

12   weltbewegt                                                                                                                                                                                                                                              weltbewegt      13
Welt welt DEZ. 2018 - FEB. 2019 C 51 78 - Mission - Nordkirche weltweit
Schwerpunkt

                                                                                                                                                                                                  Die Verschiedenheit
                                                                                                                                                                                                  von Menschen würdigen
                             In der Folge wurden Regeln,          Unterschiedliche Einschätzungen           auch das Wort Märtyrer herleitet, er-
                         Richtlinien und Empfehlungen her-        gibt es gegenwärtig darüber, welcher      innert daran, dass es sich dabei um                                                   In der postsäkularen Gesellschaft müssen
                         ausgegeben, die von dem Ziel be-         Stellenwert im Dialog der Frage nach      ein ganzheitliches Geschehen han-
                         stimmt waren, ein friedliches und        der „Wahrheit Gottes und der mensch-      delt, das in Worten, in Taten, aber                                                   auch die Kirchen für ihre Perspektive werben.
                         respektvolles Miteinander zwischen       lichen Existenz“ zukommt bezie-           auch in der bloßen Präsenz christ-
                         Menschen unterschiedlicher Religi-       hungsweise, ob eine gemeinsame            licher Existenz in der Welt bestehen
                                                                                                                                                                                                                              Dr. Sönke Lorberg-Fehring
                         onszugehörigkeiten zu ermöglichen.       Suche nach Wahrheit überhaupt             kann. Insofern ist das christliche
                         Zentral wurde dabei die Einsicht, dass   erfolgreich sein kann, wenn das Ziel      Zeugnis immer auch Teil des interre-
                         die jeweilige Wahrnehmung der            des interreligiösen Dialogs nicht         ligiösen Dialogs, der ja von der Vor-
                         Religiosität des anderen einer steten    darin besteht, eine Einheitsreligion      aussetzung lebt, dass der christliche
                         Überprüfung im Dialog bedarf. Nur
                         wenn ich den anderen so wahr-
                         zunehmen lerne, dass er sich in
                                                                  zu schaffen. Zunehmend einig ist
                                                                  man sich hingegen, dass der Zweck
                                                                  des Dialogs nicht in der Be-kehrung
                                                                                                            Dialogpartner darin als solcher er-
                                                                                                            kennbar wird. Welche Form dieses
                                                                                                            Zeugnis im Dialog einnimmt, wird
                                                                                                                                                                                                  D     ie zunehmende Vielfalt fordert
                                                                                                                                                                                                        uns heraus. Im politischen
                                                                                                                                                                                                  Bereich sind die Veränderungen am
                                                                                                                                                                                                                                            Religion ist heute ein (Sinn-)
                                                                                                                                                                                                                                            Angebot unter vielen
                         meiner Wahrnehmung wiederer-             liege und dass Dialog auch nicht ein-     je nach Gesprächsrahmen, Gegen-                                                       offensichtlichsten. Die Wahlerfolge       Was heißt das für das Verständnis
                         kennen kann, und wenn umgekehrt          fach mit Mission oder Evangelisati-       über und Verlauf unterschiedlich aus-                                                 populistischer Parteien sind Symp-        von Mission und Ökumene? Auch
                         auch ich mich in der Wahrnehmung         on identisch sei, wie es auch die         fallen dürfen. Hier pauschale Forde-                                                  tome einer Verschiebung des kultu-        hier entstehen neue Konfliktlinien
                         des anderen wiederfinde, sind we-        Erklärung des Ökumenischen Rates          rungen erheben zu wollen, würde                                                       rellen, gesellschaftlichen und religi-    quer zu alten Zuordnungen. Wäh-
                         sentliche Weichen für ein gewalt-        der Kirchen (Gemeinsam für das            weder der Vielfältigkeit mensch-                                                      ösen Koordinatensystems. Wir              rend einige davon ausgehen, dass
                         freies Zusammenleben gestellt. Mi-       Leben: Mission und Evangelisation         licher Begegnungssituatonen noch                                                      haben es gegenwärtig mit einer            die Chancen zur Mission nie größer
                         gration und Mobilität haben in die-      in sich wandelnden Kontexten, Kreta       der Freiheit göttlicher Geistesgegen-                                                 strukturellen Veränderung unge-           waren als jetzt, hoffen andere auf
                         ser Hinsicht vielerorts die Notwendig-   2012) formuliert.                         wart gerecht. Die Mehrdimensiona-                                                     ahnten Ausmaßes zu tun.                   ökumenische Weggenossenschaften
                         keit zum interreligiösen Dialog er-                                                lität des Begriffes Zeugnis ermög-                                                         Von den Auswirkungen sind Par-       in gemeinsamen Hilfs-, Lern- und
                         höht, aber zugleich auch dessen          Auch im Dialog ist das eigene             licht es zudem, ihn nicht einseitig                                                   teien, Vereine, Religionen und Kir-       Festgemeinschaften. Daran zeigt
                         Möglichkeiten erweitert.                 Zeugnis gefragt                           und nur bezogen auf die eigene                                                        chen gleichermaßen betroffen. Ihr         sich: Es geht auch hier nicht mehr
                                                                                                            Glaubenserfahrung zu verstehen,                                                       zentraler Ausdruck ist das Ende der       um ehemals zentrale Abgrenzungen
                         Im Nächsten und Fremden                  Es sieht so aus, dass die beiden          sondern auch im Blick auf die gleich-                                                 Links-Rechts-Aufteilung, die lange        wie konservativ und liberal, katho-
                         kann mir Gott begegnen                   Begriffe Mission und Dialog un-           berechtigte Partnerschaft der An-                                                     Zeit das europäische Selbstverständ-      lisch, evangelisch oder freikirchlich.
                                                                  trennbar zur christlichen Identität       dersglaubenden. In diesem Sinne                                                       nis geprägt hat. An ihre Stelle tritt     Die neuen Konfliktlinien verlaufen
                         Dabei ist Dialog nicht nur eine          gehören. Ihr Verhältnis zueinander        lauten auch die Empfehlungen für                                                      kein neues wirtschaftlich-politisches     quer zu allen kirchlichen Organisa-
                         gewaltpräventive Methode zur Er-         ist dabei allerdings nicht abschlie-      einen Verhaltenskodex zum christ-                                                     Paradigma, sondern ein kulturell-         tionen.
                         langung oder zum Erhalt des sozia-       ßend zu klären. Wenn unter Mission        lichen Zeugnis in einer multireligi-                                                  identitäres. Die zentrale Zukunftsfra-        Es ist zweifellos eine Chance, dass
 Dr. Detlef Görrig,      len Friedens in religiös pluralen        das Weltverhältnis der Christen in        ösen Welt, auf die sich der Ökume-                                                    ge wird sein, ob sich Gesellschaften      die neue Vielfalt die Anzahl mög-
    Oberkirchenrat,      Gesellschaften. Zunehmend steht er       einem umfassenden Sinne gemeint           nische Rat der Kirchen, der Päpst-                                                    und Religionen stärker abgrenzen          licher Interessierter für kirchliche
Referent für interre-    auch für die theologisch begründete      ist, dann ließe sich der interreligiöse   liche Rat für den Interreligiösen Dia-                                                oder neue Strategien des Miteinan-        Themen potenziert. Allerdings ist
  ligiösen Dialog in     Haltung, dass mir im Nächsten,           Dialog als eine Teilmenge dieses Ver-     log und die Weltweite Evangelische                                                    ders entwickeln.                          diese Chance ambivalent. Sie findet
der Hauptabteilung       Fremden und Andersglaubenden             hältnisses im Blick auf Menschen          Allianz im Januar 2011 in Bangkok                                                          Seit dem Fußmarsch verzweifelter     in einem Umfeld statt, in dem Reli-
      Ökumene und        Gott begegnen kann und dass ich          anderer religiöser Zugehörigkeiten        verständigt haben. Dort heißt es un-                                                  Menschen über ungarische Auto-            gionsthemen zwar Hochkonjunktur
Auslandsarbeit des       deshalb gut daran tue, ihm oder ihr      verstehen. Wenn allerdings die dia-       ter anderem: „Christen/innen müssen                                                   bahnen Richtung Deutschland und           haben – allerdings in einem post-
 Kirchenamtes der        mit Liebe, Offenheit und Neugier         logische Grundstruktur Gottes und         aufrichtig und respektvoll reden; sie                                                 die Öffnung der Grenze hat die Fra-       säkularen Umfeld. Weder Kirchen
  EKD in Hannover.       entgegenzutreten – verbunden mit         seines Verhältnisses zum Menschen         müssen zuhören, um den Glauben                                                        ge des Umgangs mit Pluralität höch-       noch gesellschaftliche Einzelgruppen
 In dieser Funktion      der gleichzeitigen Bereitschaft zu       als Mitte des Evangeliums angesehen       und die Glaubenspraxis anderer ken-                                                   ste Dringlichkeit. Ehemals gegensätz-     haben Deutungshoheit über Werte
  ist er in nationale    lernen und mich auch selbst kritisch     werden, dann ließe sich auch umge-        nen zu lernen und zu verstehen, und                                                   liche Positionen ordnen sich dabei        und moralische Normen. Ent-
                                                                                                                                                     Foto: C. Wenn (1), Illustration: adpic (1)

 und internationale      befragen zu lassen. Ein solches neu-     kehrt der Missionsbegriff diesem          sie werden dazu ermutigt, das anzu-                                                   neu. Die stärksten Ausschläge sind        sprechende Fragen werden immer
    Dialoginitiativen    zeitliches Dialogverständnis unter-      Dialogverständnis unterordnen. Wie        erkennen und wertzuschätzen, was                                                      das „Eintreten für eine Willkommens-      wieder neu ausgehandelt, wobei die
     und Netzwerke       scheidet sich von antiken und mittel-    immer man hier urteilen mag, fest-        darin gut und wahr ist. Alle Anmer-                                                   kultur“ und der Aufruf zur „Ver-          Kirchen wie alle anderen um Zu-
   eingebunden. Er       alterlichen Vorstellungen, die unter     zuhalten ist, dass es zwischen Missi-     kungen oder kritischen Anfragen                                                       teidigung des Abendlandes“. Ange-         stimmung für ihre Argumente wer-
  war von 2006 bis       Dialog vor allem ein Streit- oder Be-    on und Dialog Schnittmengen gibt,         sollten in einem Geist des gegensei-                                                  sichts dieser Entgegensetzungen           ben müssen.
 2013 Beauftragter       lehrungsgespräch verstanden mit          die vielleicht am ehesten mit dem         tigen Respekts erfolgen. Dabei muss                                                   polarisieren sich auch bislang unpo-          Besonders herausgefordert wer-
 der Nordkirche für      dem Ziel, den „Gegner“ zu widerle-       Begriff des christlichen Zeugnisses       sichergestellt werden, dass kein fal-                                                 litische Bereiche der Zivilgesellschaft   den dadurch alle selbstreferentiellen
  Christlich-Islami-     gen, den eigenen Glauben zu vertei-      zu erfassen sind. Der biblische Be-       sches Zeugnis über andere Religionen                                                  und wirken von dort in die Kirchen        Tendenzen innerhalb von Kirche.             Fortsetzung
      schen Dialog.      digen oder Irrlehren abzuwehren.         griff des Zeugnisses, von dem sich        abgelegt wird.“                                                                       hinein.                                   Denn die Einrichtung in „religiösen         Seite 16

     14     weltbewegt                                                                                                                                                                                                                                                                weltbewegt      15
Welt welt DEZ. 2018 - FEB. 2019 C 51 78 - Mission - Nordkirche weltweit
Schwerpunkt

                                                                                                                                                                                                                                     nach ethnischen und religiösen            lungen“ als Konturlosigkeit ausgelegt
                                                                                                                                                                                                                                     Gruppen getrennt zu treffen – ein         würden. Doch wenn man sich selbst
                                                                                                                                                                                                                                     Umstand, den schon Martin Luther          mit Hilfe anderer besser verstehen
                                                                                                                                                                                                                                     King als große christliche Tragö-         möchte, ist es nicht möglich, Denk-
                                                                                                                                                                                                                                     die bezeichnet hat. Stattdessen           horizonte und Glaubensmuster ab-
                                                                                                                                                                                                                                     kommen Menschen miteinander ins           solut zu setzten. Stattdessen braucht
                                                                                                                                                                                                                                     Gespräch, die im Alltag zwar oft in       es eine akzeptierende und anneh-
                                                                                                                                                                                                                                     direkter Nachbarschaft leben, deren       mende Haltung, die eigene und frem-
                                                                                                                                                                                                                                     Lebens- und Glaubensbezüge aber           de Eigentümlichkeiten hervortreten
                                                                                                                                                                                                                                     kaum Berührungspunkte haben.              lässt, ohne sie abzuwerten. Eine Teil-
                                                                                                                                                                                                                                     Diese Grenzüberschreitung ist eine        nehmerin formuliert es so: „Ich wer-
                                                                                                                                                                                                                                     wich-tige Erfahrung. Eine Diakonin        de in jedem Abschnitt meines Lebens
                                                                                                                                                                                                                                     drückt es so aus: „Die Zusammenset-       mit Identitätsfragen konfrontiert –
                                                                                                                                                                                                                                     zung der Gruppe von Menschen              ÖkuFiT unterstützt mich darin, diese
                                                                                                                                                                                                                                     unterschiedlich geprägter Hinter-         Aufgabe immer wieder neu anzu-
                                                                                                                                                                                                                                     gründe habe ich als große Berei-          gehen.“
                                                                                                                                                                                                                                     cherung erlebt. Durch ÖkuFiT habe             Die positive Anerkennung von
                                                                                                                                                                                                                                     ich von verschiedenen Projekten,          Diversität ist nicht neu, sondern eine
                                                                                                                                                                                                                                     Initiativen und Angeboten erfahren        Grundaussage des Neuen Testaments.
                                                                                                                                                                                                                                     und mich mit anderen vernetzen            Deswegen spielt die kontextuelle Aus-
                                                                                                                                                                                                                                     können.“                                  legung von Galater 3,28 eine wichtige
                  Blasen“ und „kirchlichen Komfort-        können entsprechende Antworten              Diese Herausforderung trifft die                                                     Als Handwerkszeug werden Grund-              Die Unterschiedlichkeit der Teil-     Rolle: „Hier ist nicht Jude noch
                  zonen“ verhindert die Einsicht, dass     präsentiert werden? Eine Kirche, die    Kirche in einer schwierigen Situation.                                                   begriffe der interkulturellen Theo-      nehmenden ist ein wichtiges Arbeits-      Grieche, hier ist nicht Sklave noch
                  Religion an sich nur noch ein (Sinn-)    auch in Zukunft theologisch und         Genauso wie andere gesellschaftliche                                                     logie vermittelt. Mit ihrer Hilfe wid-   instrument. Sie spiegelt die gesell-      Freier, hier ist nicht Mann noch Frau,
                  Angebot unter vielen ist. Auch wenn      gesellschaftlich eine relevante Größe   Größen verliert auch Kirche durch                                                        men sich die Teilnehmenden den           schaftliche Realität vieler europä-       denn ihr seid allesamt einer in Chris-
                  die Kirchen offiziell in der Regel       sein will, sollte den Umgang mit        Individualisierungstendenzen glo-                                                        Themen: Bibel, Kirchengeschichte,        ischer Ballungsräume wider, in der        tus.“ Dieser Vers ist in der christlichen
                  noch davon ausgehen, dass sie den        diesen Fragen auf allen Ebenen zu       balisierter Gesellschaften zuneh-                                                        interreligiöser Dialog, Gemeinde-        keine einzelne Ethnie, Gruppe oder        Geschichte oft kulturimperialistisch
                  einzig richtigen und wahren Weg          ihrer zentralen Aufgabe machen.         mend an Bindekraft. Diese Entwick-                                                       bilder, Seelsorge, Diakonie, Litur-      Schicht mehr eine eigene Mehrheit         gedeutet worden. Bei näherer Betrach-
                  bieten, wird diese Haltung schon                                                 lung ist weder neu noch kommt sie                                                        gie und Kirchenmusik. Einen wich-        stellt. In einer solchen „superviel-      tung zeigt sich aber, dass es Paulus um
                  lange nicht mehr von großen Teilen       Kirche als Heimatort und                über Nacht. Sie ist vielmehr das                                                         tigen Stellenwert hat das gemein-        fältigen“ Gesellschaft kann nicht         das genaue Gegenteil geht: Weil alle
                  ihrer Anhängerschaft vertreten.          Stein des Anstoßes                      konsequente Ergebnis der Einsicht,                                                       same Bibelgespräch nach der Me-          mehr davon ausgegangen werden,            Gläubigen Christus überziehen, spielt
                  Welche Entscheidungen stehen also                                                die der Missionstheologe Walter                                                          thode des Bibelteilens.                  dass eine Gruppe sich möglichst           es keine Rolle mehr, wie sie in die
                  an? Eine Möglichkeit wäre, die Her-      Der vielleicht wichtigste Aspekt        Freytag schon Ende der 1950er Jahre                                                          Zur Zielgruppe zählen Studieren-     störungsfrei in eine andere integriert.   christliche Gemeinschaft eintreten. In
                  ausforderungen schlicht zu ver-          eines solchen Missionsverständ-         formuliert hat: Früher „hatte die                                                        de der Theologie, Pädagogik und          Zudem zeigen Forschungsergeb-             Christus bilden sie unter Beibehaltung
                  schweigen. Aus der Psychologie           nisses ist sein umfassender Charak-     Mission Probleme, heute ist sie selbst                                                   Religionswissenschaft und Verant-        nisse, dass die Identität von Men-        ihrer Unterschiedlichkeit ein neues
                  wissen wir, dass das vor allem dann      ter. Es geht nicht nur darum, dieje-    zum Problem geworden.“ Wie aber                                                          wortliche aus Volks-, Frei- und Mi-      schen in solchen Kontexten nicht auf      großes Ganzes.
                  nicht funktioniert, wenn diese The-      nigen besser zu verstehen, die nicht    soll mit dieser Situation umgegangen                                                     grationskirchen. Entsprechend bunt       Entweder-oder-Prinzipen beruht.               Kann eine solche Kirche eine mis-
                  men als besonders drängend emp-          mehr oder noch nicht im Kontakt         werden?                                                                                  gemischt ist die Teilnehmerschaft:       Ethnische Selbstbeschreibungen und        sionarische Kirche sein? Selbstver-
                  funden werden. Da wäre zum an-           zur Kirche stehen. Auch diejenigen,                                                                                              Die ehrenamtliche Pastorin einer afri-   kulturelle Selbstverortung prägen         ständlich! Denn um zu zeigen, wer             Dr. Sönke
                  deren die Anpassung an den an-           die jetzt Kirche bilden, sind aufge-    ÖkuFiT ist Experimentierraum                                                             kanischen Pfingstkirche trifft auf ei-   offenbar viel weniger stark als es in     man ist und was man liebt, braucht es         Lorberg-Fehring
                  schwellenden Bocksgesang der Popu-       fordert, ihren Glauben neu zu hin-      der „Generation Mix“                                                                     nen Prädikanten aus Württemberg,         der Integrationsdebatte immer wie-        erstens Mut, eigene Hoffnungen und            ist Studienleiter
                  listen. Doch hier gilt: Menschen-        terfragen. Entscheidend ist dabei                                                                                                das katholische Mitglied eines Kri-      der behauptet wird. Schließlich zei-      Überzeugungen öffentlich sichtbar             an der Missions-
                  feindlichkeit widerspricht dem Evan-     ein ausgewogenes Maß zwischen           Eine Antwort ist „ÖkuFiT“, eine                                                          seninterventionteams kommt mit           gen europäische Bildungsvergleiche,       werden zu lassen und zweitens Bereit-         akademie der
                                                                                                                                            Fotos: adpic(1), Fotowerker Ganzer & Berg (1)

                  gelium. Bleibt als dritte Mög-lichkeit   den zwei Polen: Kirchen als Heimat-     Ökumenische Fortbildung in Theo-                                                         einer indonesischen Studierenden         dass Bildung der zentrale „Türöffner“     schaft, vom Aushalten von Differenz           Universität Ham-
                  eine neue Besinnung auf die missio-      orte und als Stein des Anstoßes. Es     logie der Missionsakademie an der                                                        der Sozialen Arbeit zusammen, ein        in moderne Gesellschaften ist.            zur Würdigung von Diversität zu kom-          burg. Er wird ab 1.
                  narische Grundstruktur des christ-       braucht Orte, an denen Menschen         Universität Hamburg. Diese auf                                                           ev.-luth. Pastor aus dem Hamburger                                                 men. „ÖkuFiT“ bildet Menschen aus             Januar 2019 im
                  lichen Glaubens.                         tragfähige Angebote zur Konstruk-       zwei Semester angelegt Veranstal-                                                        Umland tauscht sich mit einer            Verschiedenheit anzuer-                   verschiedenen Kulturen und Hinter-            Zentrum für
                      Eine solches Verständnis umfasst     tion und Pflege der eigenen, als        tung mit zehn Treffen jeweils von                                                        Studierenden der Akademie der            kennen, forderte schon der                gründen zu Brückenbauern aus, um              Mission und
                  (mindestens) zweierlei: Eine Suchbe-     stimmig empfunden (Glaubens-)           Freitag- bis Samstagnachmittag bie-                                                      Weltreligionen aus.                      Apostel Paulus                            Grenzen zwischen Menschen heilsam             Ökumene als
                  wegung und eine selbstbewusste           Identität erhalten und umsetzen         tet Zeit und Raum, um entspre-                                                               „ÖkuFiT“ ist ein Experimentier-                                                zu überschreiten und andere dabei zu          Referent für
                  Präsentation der gefundenen Schätze.     können; gleichzeitig sollen sich        chende Antworten zu finden und                                                           raum der „Generation Mix“. Ganz          Es wäre ein Missverständnis, wenn         begleiten. Dies lässt die Bedeutung von       Christlich-Islami-
                  Was sind angesichts der aktuellen        diese in einer heilsamen Sperrigkeit    sie in einem geschützten Rahmen                                                          bewusst wird hier die Tendenz            die postmoderne Rede von der „Viel-       Evangelium transparent werden und             schen Dialog der
                  Herausforderung die wesentlichen         vorschnellen und einseitigen Ant-       auszuprobieren. Geleitet wird sie                                                        kirchlicher Einrichtungen und Ver-       heit der Horizonte“ und „Unter-           darin zeigt sich, welche Richtung die         Nordkirche tätig
                  Aussagen des Evangeliums? Und wie        worten verweigern.                      von Prof. Dr. Werner Kahl und mir.                                                       anstaltungen überschritten, sich         schiedlichkeit der Rahmenvorstel-         Mission der Kirche heute nehmen kann.         sein.

16   weltbewegt                                                                                                                                                                                                                                                                                                            weltbewegt    17
Welt welt DEZ. 2018 - FEB. 2019 C 51 78 - Mission - Nordkirche weltweit
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