Westfalen Sport - Inklusion im Sport - # 2 - FLVW

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Westfalen Sport - Inklusion im Sport - # 2 - FLVW
Das Journal des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen                                #2

 WestfalenSport
                                                                                             April 2018
                                                                                            Preis € 2,50

                                                    1. FLVW-Vereinsforum
                                                    Premiere geglückt – Fortsetzung folgt

                                                    Klemens Wittig
                                                    Mit 80 Weltspitze

Willkommenskultur schaffen

Inklusion im Sport
Westfalen Sport - Inklusion im Sport - # 2 - FLVW
Liebe Vereinsvertreterinnen
                                             und Vereinsvertreter,
                                             schön, dass Sie bei uns waren und schade, dass Sie nicht dabei waren beim 1. FLVW-
                                             Vereinsforum. Mehr als 90 Vereinsvertreterinnen und -vertreter haben zusammen mit den
                                             Gremien des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen (FLVW) am vergangenen
                                             Wochenende intensive Gespräche geführt, gestritten, diskutiert und neuen Input für die
                                             Vereinsarbeit bekommen. Es war ein toller Austausch, den wir wiederholen werden.

                                             Und ich persönlich habe auf dem FLVW-Vereinsforum noch eine ganz besondere Erfah-
                                             rung gemacht. Nach einer Fußoperation sitze ich im Moment im Rollstuhl, weil ich den
                                             Fuß nicht belasten darf. Ich bin also, wie eine Mitarbeiterin des Verbandes bemerkte, das
                                             FLVW-interne Inklusionsprojekt. Im Rahmen dieses Projektes musste ich dann also am
                                             eignen Leib erfahren, was es heißt, wenn die Eingangstür zu schwer ist, der Gang für den
                                             Rollstuhl ziemlich eng und die Gläser auf einem Stehtisch stehen. Alles Dinge, von denen
                                             ich weiß, dass sie schwierig für Menschen, die im Rollstuhl sitzen, sind – aber es selber zu
                                             erfahren hat meine Perspektive noch einmal grundsätzlich geändert.

                                             Genau das wollen wir auch mit dieser Ausgabe des WestfalenSports bei Ihnen bewirken.
                                             Es geht auf den folgenden Seiten um das Thema Inklusion. Der FLVW hat in den ver-
                                             gangenen Jahren viel dazu angestoßen und umgesetzt. Wir wollen unseren Inklusions-
                                             vereinen ein Forum bieten, ihre großartige Arbeit zu dem Thema bekannt machen.
                                             Synergien schaffen und einen Austausch untereinander anregen.

                                             Schauen Sie sich die Beiträge an über unsere Inklusions-Turnierserie oder den Verein
                                             Blau-Weiß Aasee, der gerade mit Sepp-Herberger-Urkunde für sein besonderes ehren-
                                             amtliches Engagement im Bereich Behindertenfußball ausgezeichnet wurde. Am Rande
                                             der Preisverleihung erzählte Dieter Sonius, der Vorsitzende von Blau-Weiß Aasee: „Zu
                                             Beginn war es vielleicht ein Kind mit Down-Syndrom, das Fußball spielen wollte. Daraus
                                             hat sich alles entwickelt. Wir wollten unseren Verein für alle öffnen.“

                                             Ein Motto, das auch für den FLVW gilt – gelten muss.

                                             Herzlichst Ihr

                                             Gundolf Walaschewski
                                             Präsident

                   HER E T O CR E AT E
                        adidas.de/fussball
© 2018 adidas AG
Westfalen Sport - Inklusion im Sport - # 2 - FLVW
Inhalt                                                                                                                                                                                                                                     Inhalt

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     29                                                                                                                                                                                50
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 3   Editorial
 4   Inhalt
                                                                                                                                                                                      Freizeit- und Breitensport
Titel: Inklusion im Sport                                                                                              Fußball-Auslese                                                50   Ü55-Sport bei Waldesrand Linden
 6   Jeder Mensch soll am Sport teilhaben                                                                              34   Neuer Optimismus an der Lohrheide                         		   FC Schwerte Meister der Futsal-Oberliga
 8   Viel erreicht – Träumen erlaubt                                                                                   35   Trainer Schrank bleibt in Ahlen                           51   UFC Münster: Futsal-Frauen holen Titelhattrick
 9   DFB-Stiftung startet Inklusionsturnierserie                                                                       36   David Odonkors zwei Welten
10   Eine Willkommenskultur für Inklusion:                                                                             37   Ballsport total in den Messehallen Dortmund               Leichtathletik

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     SV Blau-Weiß Aasee
     Das etwas andere Revierderby                                                              61                      38
                                                                                                                       39
                                                                                                                            BZgA und DFB verlängern Partnerschaft
                                                                                                                            Julius Hirsch Preis 2018 – jetzt bewerben!
                                                                                                                                                                                      52
                                                                                                                                                                                      54
                                                                                                                                                                                           Aktuelles aus der Leichtathletik
                                                                                                                                                                                           Sosthene Moguenara springt zu Bronze
16   TuS Haltern: Integrativ im Team seit 2010                                                                         40   Gegen Antonio Rüdiger an der Torwand                   55     Klemens Wittig: Mit 80 Weltspitze
17   SV Schermbeck baut „Gebäude für alle“               FLVW                                                          41   Drei Westfalen in Luxemburg
18   „Rothosen“ mit Feuereifer am Ball                  24   1. FLVW-Vereinsforum: Premiere geglückt                                                                                 Aus den FLVW-Kreisen
19   Mit Lauf-Guide synchron über die Bahn „fliegen“     25   SC Halen gewinnt Filmprojekt „Integration“               Schiedsrichter                                                 56   „Der Kopf ist das Wichtigste“
20   Special Olympics Nordrhein-Westfalen                26   FLVW Fairplay-Sieger des Monats                          42   FLVW sagt „Danke“ Schiri                                  57   Auf eine Pasta beim Ex
                                                         27   Sepp-Herberger-Urkunde für BW Aasee                                                                                     58   Klafeld setzt Führungskonzept spielerisch um
                                                         28   „Frauen gestalten Sport – couragiert und menschlich“     Fußball Juniorinnen/Junioren                                   59   Budenzauber für den guten Zweck
22   Gastkommentar:                                      29   DFB-Integrationspreis für Hans-Tilkowski-Schule          44   Bronze für U16-Juniorinnen nur ein schwacher Trost        60   Aktionstag „Fußball im Kindergarten“
		   Prof. Dr. Maike Tietjens                            30   #NichtOhneMeineMädels                                    46   Sophie Krall und Bente Fischer
		   Präsidentin des Willibald Gebhardt Institutes       31   Datenschutzgrundverordnung: Was Vereine wissen sollten   47   #FLVWeltweit                                              61   Westfalenporträt: Christoph Metzelder
		   Über psycho-mentale Stärke von Talenten und         32   „goldgas Talent-Team NRW“
		   internationale Zusammenarbeit                       33   Bundesverdienstkreuz für Horst Weischenberg              48   Panorama                                                  62   Vorschau/Impressum
Westfalen Sport - Inklusion im Sport - # 2 - FLVW
Titel                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Titel

    JEDER MENSCH SOLL „MIT SEINEN                                                                                                                                       örtliche Prominenz aus Politik und Sport kommt regelmäßig vorbei
                                                                                                                                                                        und unterstützt so die heimischen Ausrichter und erkennt die Leis-

    MÖGLICHKEITEN“ AM SPORT TEILHABEN                                                                                                                                   tung sowohl der Organisatoren als auch der Sportlerinnen und
                                                                                                                                                                        Sportler an.
                                                                                                                                                                        Bei mittlerweile sieben verschiedenen Vereinen (St. Vit, BW Aasee,
    Inklusion ist ein Menschenrecht                                                                                                                                     Germania Datteln, SuS Volmarstein, SC Delbrück, SC Hörstel,
                                                                                                                                                                        SSV Buer) werden die Turniere jeweils in vier Altersklassen (U12/
    Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung wurde Ende 2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) ver-                          Ü12/Ü15/Ü18) durchgeführt. Durchschnittlich nehmen jeweils
    abschiedet. Sie fordert Inklusion, die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben. Inklusion ist ein Menschenrecht! Jeder                rund 200 Kinder, Jugendliche und Erwachsene daran teil. Im Fokus
    Mensch soll danach mit seinen Möglichkeiten gleichberechtigt an der Gesellschaft, am Sport, teilhaben. Im Sport verstehen wir hierunter das gemeinsame              der Spiele stand und steht aber immer das gemeinsame Fußballspie-
    Sporttreiben von Sportlerinnen und Sportlern mit und ohne Behinderung. Inklusion ist daher eines der großen gesellschaftlichen Themen, mit dem sich                 len, nicht der Leistungsgedanke.
    der Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW) seit einigen Jahren intensiv beschäftigt.                                                                  Und um die Trainerinnen und Trainer regelmäßig zu qualifizieren
                                                                                                                                                                                                                                                        Aus einem
                                                                                                                                                                        und zu vernetzen, findet in diesem Jahr die dritte ÜL-Fortbildung
                                                                                                                                                                                                                                               Turnier wurde eine
                                                                                           In Deutschland leben circa zehn Millionen Menschen mit Behinde-              im SportCentrum statt. Der Dank gilt der hierbei der Westfalen           ganze Serie: die
                                                                                           rung, das macht etwa 13 Prozent der Gesamtbevölkerung aus und                Sport-Stiftung für ihre Unterstützung.                                   Turnierplakate für
                                                                                           viele von ihnen haben Spaß am Fußball. Um den Gedanken „Inklu-               Seit der Saison 2017 nimmt der FLVW (ebenso wie die Fußballver-              die Ausrichter
                                                                                                                                                                                                                                                    übergab Uwe
                                                                                           sion“ bundesweit umzusetzen, haben die DFB Landesverbände mit                bände Mittel- und Niederrhein) aktiv bei der Durchführung der             Steinebach (M.)
                                                                                           Unterstützung der Sepp-Herberger-Stiftung seit 2012 „Koordinato-             westdeutschen Meisterschaft teil. Die Siegermannschaft nimmt             im SportCentrum
                                                                                           ren für den Behindertenfußball/Inklusion“ ernannt. Der FLVW hat              dann an der von der Sepp-Herberger-Stiftung maßgeblich unter-
                                                                                           seinerzeit mit Uwe Steinebach einen sehr aktiven ehrenamtlichen              stützten deutschen Meisterschaft teil. Mit Recklinghausen und
                                                                                           Vertreter für das Themengebiet gefunden.                                     Münster kamen im Übrigen bereits zwei Mal Sieger aus unserem
                                                                                                                                                                        Verbandsgebiet.                                                                               Kontaktdaten:
                                                                                           Zu den aktuellen Aufgaben gehören:                                           Wer einmal gesehen hat, mit welcher Begeisterung und Freude                                   Uwe Steinebach / Koordinator Inklusion
                                                                                           • Ansprechpartner für Vereine sein, die sich neu mit diesem Thema            Menschen mit Behinderung Fußball spielen, der wird sofort verste-                             Telefon    0177-212 37 20
                                                                                             beschäftigten möchten                                                      hen, warum der FLVW sich weiter um dieses Thema intensiv küm-                                 Mail       u.steinebach@t-online.de
                                                                                           • Netzwerkbildung der bekannten Vereine untereinander pflegen                mern wird. „Sie können gerne mal bei den Turnieren vorbeischauen
                                                                                           • Leitung der „Arbeitsgruppe Inklusion im FLVW“                              und sich persönlich von der Lebensfreude und dem Spaß am Fuß-                                 Elke Robert / FLVW Hauptamt
                                                                                           • Organisation und Durchführung der Inklusionsturnierserie                   ball überzeugen“, lädt Lichtnecker ein. |                                                     Telefon      02307-371 523
                                                                                           • Kooperationen zwischen Werkstätten für behinderte Menschen                                                                        Elke Robert                            Mail         Elke.Robert@flvw.de
                                                                                             und Sportvereinen initiieren
                                                                                           • Kooperationsverträge zwischen Vereinen und Verband
                                                                                           • Organisation von Übungsleiter-Fortbildungen                                 Termine der Inklusionsturnierreihe
                                                                                           • Aufbau und Kontakt zu anderen Verbänden und Organisationen                  Datum          Verein                         Stadion/Halle                                  Straße                         Ort
                                                                                             wie BRSNW und Special Olympics.                                             18.02.2018     RW St.Vit                      Sporthalle des Einstein-Gymnasium              Fürst-Bentheim-Straße 60       Rheda-Wiedenbrück
                                                                                                                                                                         25.02.2018     BW Aasee-Münster               Schulzentrum Münster-Wolbeck                   Von-Holte-Straße 56            Münster
                                                                                           Hauptaufgabe ist natürlich die Zusammenarbeit mit Vereinen aus                21.04.2018     Germania Datteln               Ostring-Stadion                                Elisabethstraße 26             Datteln
                                                                                           unserem Verbandsgebiet, die sich mit dem Thema Inklusion in ir-               06.05.2018     SuS Volmarstein                Sportplatz Köhlerwaldstraße                    Köhlerwaldstraße 10            Wetter a. d. Ruhr/Volmarstein
                                                                                           gendeiner Art und Weise beschäftigen. Bis heute sind circa 80 Ver-            17.06.2018     SC Delbrück                    Stadion „Laumes Kamp“                          Boker Straße 31                Delbrück
                                                                                           eine bekannt, die Inklusion leben. Es kommen aber regelmäßig                  30.06.2018     SC Hörstel                     Waldstadion                                    Alter Postweg 102              Hörstel
                                                                                           Anfragen von Vereinen, die sich neu mit dem Thema beschäftigen.               Sept. 2018     SSV Buer                       n.n.
                                                                                           Dank des Koordinators und den seit 2017 neu installierten An-
                                                                                           sprechpartnern in den Kreisen, können der Verband und die Kom-
                                                                                           mission gesellschaftliche Herausforderungen auf kompetente Hilfe

    Sieben Turniere spielen die Teams (Foto: Felix Schemmann)
                                                                                           vor Ort zurückgreifen. „Die ist im Deutschen Fußball-Bund bisher
                                                                                           übrigens einmalig und zeigt unsere tolle Vernetzung und das Enga-          Unsere
                                                                                                                                                                     sportlichen
                                                                                           gement der Kreisverantwortlichen“, lobt Kommissionsvorsitzender
                                                                                           Michael Lichtnecker.

                                                                                                                                                                  Durst loscher
                                                                                           Turnierserie für Handicap Mannschaften
                                                                                           Aus den anfänglich vereinzelt organisierten Turnieren erwuchs dann
                                                                                           schnell die Idee, eine komplette Turnierserie anzubieten. Diese fin-
                                                                                           det in diesem Jahr zum dritten Mal statt und erfreut sich bei allen
                                                                                           Beteiligten großer Beliebtheit. Sei es der Gütersloher Landrat Sven-
                                                                                           Georg Adenauer, Wiedenbrücks Bürgermeister Theo Mettenborg
                                                                                                                                                                  Ob spritziges Mineralwasser oder fruchtige
                                                                                           oder der Präsident von Preußen Münster, Christoph Strässer – die       „GO“ Getränke mit Sportscap-Verschluss –
                                                                                                                                                                  Germeta bietet für jeden Geschmack die
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6   WestfalenSport #2_2018                                                                                                                                                                                                                                                                                     WestfalenSport #2_2018   7
                                                                                                                                                                  www.germeta.de
Westfalen Sport - Inklusion im Sport - # 2 - FLVW
Titel                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Titel

                                                            VIEL ERREICHT – TRÄUMEN ERLAUBT                                                                   DFB-STIFTUNG STARTET INKLUSIONS-
                                                            Uwe Steinebach mit der Entwicklung in Westfalen (fast) zufrieden                                  TURNIERSERIE – FÜNF PROFIKLUBS MACHEN MIT
                                                                                                                                                              Sepp-Herberger-Stiftung will Strukturen weiter ausbauen
                                                                                    „Fußball ist einfach, so einfach, dass ihn auch Menschen mit Be-
                                                                                    hinderungen spielen können.“ Diesen Leitsatz prägte der damali-           Eine neue Turnierserie soll den Fußball behinderter Menschen sichtbarer machen. Die Bundesligaklubs in Leipzig, Hamburg, Köln, Hoffenheim und
                                                                                    ge Präsident des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen          Mainz machen mit, wenn vom 2. Juni bis zum 30. Juni 2018 wöchentlich inklusive Turniere ausgetragen werden. Die DFB-Stiftung Sepp Herberger or-
                                                                                    (FLVW), Hermann Korfmacher. Uwe Steinebach ging ein paar                  ganisiert gemeinsam mit der DFL Stiftung und den DFB-Landesverbänden die Serie von fünf „FußballFreunde-Cups“, bei der mehr als 40 Mannschaften
                                                                                    Jahre später noch einen Schritt weiter: „Ich werde erst dann zu-          mitspielen werden.
                                                                                    frieden sein, wenn der erste meiner Jungs ein Probetraining bei
                                                                                    einem Bundesligisten absolviert“. Der Koordinator für Handi-              „Längst sind nicht mehr nur Schwimmen und Laufen die beliebtes-
                                                                                    cap-Fußball des FLVW lehnte sich 2013 schon weit aus dem Fens-            ten Sportarten unter behinderten Menschen. Immer mehr spielen
                                                                                    ter. Seitdem hat er allerdings auch viel für „seine“ Jungs und Mäd-       auch Fußball. Ich bin mir sicher, dass wir mit der neuen Turnierserie
                                                                                    chen sowie die Entwicklung des Behindertensports im                       mehr Aufmerksamkeit und damit auch Anerkennung für die Leis-
                                                                                    Verbandsgebiet getan. Im Gespräch mit WestfalenSport-Autorin              tungen behinderter Fußballer generieren können. Und natürlich ist
                                                                                    Carola Adenauer zieht er Bilanz.                                          Sport ein wichtiger Baustein gesellschaftlicher Teilhabe“, sagte Stif-
    Uwe Steinebach                                                                                                                                            tungsgeschäftsführer Tobias Wrzesinski anlässlich der Jahrestagung
                                                                                                                                                              der Inklusionsbeauftragten der DFB-Landesverbände, die vom 7.–9.
    WestfalenSport: Uwe Steinebach, bei unserem ersten Gespräch vor fast            Steinebach: Das ist auch essenziell notwendig. Schließlich wird ein       März 2018 in Edenkoben stattgefunden hat.
    vier Jahren wollten Sie erst dann „Ruhe geben“, wenn der erste Spieler ein      abgespecktes Jugend- oder Seniorentraining den Kickern mit Handi-         Seit 2012 finanziert die Sepp-Herberger-Stiftung bundesweit in allen
    Probetraining bei einem Bundesligisten absolviert hat. Wie sieht’s aus?         cap nicht gerecht. Es gehört schon mehr dazu, eine solche Truppe zu       21 DFB-Landesverbänden Ansprechpartner für Fragen des Behinder-
    Uwe Steinebach: Gut! (Lacht). Allerdings ist es noch nicht der BVB              trainieren. Deshalb haben wir den Trainerlehrgang im Jahr 2015 aus        tenfußballs. Zudem ist die Stiftung gemeinsam mit dem Deutschen
    oder Schalke. Ein Junge hat den Sprung von Dattelns Inklusions-                 der Taufe gehoben mit finanzieller Unterstützung der Westfalen            Behindertensportverband und dem Deutschen Blinden- und Sehbe-
    mannschaft in den Regelspielbetrieb im Nachbarort geschafft. Das ist            Sport-Stiftung. Wir bieten die Fortbildungen mindestens einmal im         hindertenverband seit 2008 Ausrichter der Blindenfußball-Bundesliga,
    eine tolle Sache und genau die Richtung, die mir vorschwebt.                    Jahr an. Die Resonanz ist ausgesprochen gut. Für den kommenden            Europas einziger nationaler Fußballliga für blinde Menschen.
                                                                                    Lehrgang haben wir schon wieder mehr als 30 Anmeldungen.                  Zum Auftakt in Edenkoben referierte Thorsten Richter, Inklusionsbe-
    WestfalenSport: Also die Trauben schön hoch hängen …                                                                                                      auftragter des Südwestdeutschen Fußballverbandes (SWFV), über die
    Steinebach: Wir haben uns von Anfang an große Ziele gesteckt.                   WestfalenSport: Das Fußball-Leistungszentrum Frechen ermöglicht erst-     Vorgehensweise innerhalb seines Landesverbandes. Zur Entwick-
    Wenn ich mich an unseren Erstaufschlag erinnere, war das auch gut               mals in Deutschland, Fußball als Werkstattberuf auszuüben. Professio-     lung von Inklusion wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich aus
    so. Elke Robert – als hauptamtliche Mitarbeiterin des FLVW zustän-              nelle Rahmenbedingungen für Werkstattfußball – wie realistisch ist das?   elf Inklusionsexpertinnen und -experten aus unterschiedlichen Or-
    dig für gesellschaftliche Themen - und ich haben 1.600 Vereine ange-            Steinebach: Sehr! Nicht nur durch das Engagement einer Stiftung.          ganisationen zusammensetzt. Die Ausrichtung der Kommission               Aufstellen zum Gruppenbild: die Integrationsbeauftragten der Landesverbände bei ihrer Jahrestagung
    schrieben, ob und inwieweit Inklusion dort eine Rolle spielt. Ganze             Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich auch ausdrücklich für die          fußt auf einem „Mission Statement“ und konkreten Zielvorgaben.           in Edenkoben (Foto: Sepp-Herberger-Stiftung)
    30 meldeten sich zurück. Drei Jahre später waren es immerhin 80.                Unterstützung der Westfalen Sport-Stiftung bedanken, die immer            „Die positive Entwicklung innerhalb des SWFV steht stellvertretend                                pass einen wichtigen Beitrag zur flächendeckenden Sensibilisierung
    Wir gewinnen vielleicht nicht jedes Jahr zehn neue Vereine hinzu,               wieder Projekte mitfinanziert.                                            für den bundesweiten Fortschritt der Inklusionsinitiative“, sagte                                 für das Thema Inklusion leisten können.
    aber es bewegt sich kontinuierlich richtig was …                                Ganz aktuell führen wir Vereine und Werkstätten gezielt zusammen.         Richter.                                                                                          Abschließend stellte der SV Spesbach seine Inklusionsmannschaft vor.
                                                                                    Borussia Dröschede und der SuS Volmarstein sind schon Kooperatio-         „Es ist in einem ersten Schritt gelungen, Strukturen zu schaffen, um                              In diesem Team spielen mehr als 40 Kinder, Jugendliche und junge
    WestfalenSport: Es bewegt sich was auf Vereins- und auch auf Kreis-             nen eingegangen; in Witten wird gerade daran gearbeitet. Das ist          behinderte Menschen in die ‚Fußballfamilie‘ zu integrieren. Unsere                                Erwachsene mit und ohne Handicap gemeinsam Fußball. Solche ge-
    und Verbandsebene?                                                              noch kein professioneller Werkstattfußball, aber wieder ein Schritt in    Erfahrung zeigt: Menschen mit Handicap sind im organisierten Fuß-                                 lungenen inklusiven Angebote sind mittlerweile bundesweit verbrei-
    Steinebach: Auf jeden Fall! Seit Ende vergangenen Jahres hat jeder der          die richtige Richtung. Genauso wie das Fußballleistungszentrum, das       ball herzlich willkommen“, betonte Wrzesinski. „Wir wollen nun die                                tet und werden in der Handicap-Börse auf www.DFB.de abgebildet. |
    29 Kreise in Westfalen einen Inklusionsbeauftragten benannt. Das ist            ab Herbst in Kamen•Kaiserau beheimatet sein wird. Da ziehen wir           Strukturen weiter ausbauen und verbessern. Gleichzeitig wollen wir                                                                                  Tobias Wrzesinski
    bundesweit einmalig. Aus zwei Hallenturnieren wurde in Westfalen                die größten Talente aus den Vereinen zusammen und bilden eine             gemeinsam mit Partnerorganisationen Hinweise zur Trainingsarbeit
    inzwischen eine ganze Turnierreihe und zwei Feldturniere sind noch              Westfalen-Auswahl. Am Ende werden auch Vergleichsspiele mit dem           mit Handicap-Mannschaften erarbeiten“, so Wrzesinski. Vor der Jah-
    hinzugekommen.                                                                  Mittel- und Niederrhein stattfinden. Wir haben in den vergangenen         restagung trafen sich daher auf Einladung der Stiftung Vertreter von                                Inklusionsinitiative der DFB-Stiftung Sepp Herberger:
    Der Deutsche Fußball-Bund unterstützt den Behindertensport durch                Jahren schon viel erreicht, sicher auch noch einiges vor.                 engagierten Organisationen zu einem Gedankenaustausch „Qualifi-                                     Im Rahmen der Inklusionsinitiative finanziert die Sepp-Herberger-
    dessen Stiftungen, allen voran die Sepp-Herberger-Stiftung. Und ich                                                                                       zierung im Handicap-Fußball“.                                                                       Stiftung in den DFB-Landesverbänden Beauftragte für Fragen des
    hoffe sehr, dass die Sepp-Herberger-Stiftung auch weiterhin den Han-            WestfalenSport: Und Ihr Wunsch für die nahe Zukunft?                                                                                                                          Behindertenfußballs. Die Inklusionsbeauftragten sind direkte An-
    dicap-Fußball finanziell unterstützt, damit wir in Westfalen den ein-           Steinbach: Dass noch mehr Vereine mit dem Wunsch auf mich zu-             Inklusive Angebote bundesweit verbreitet                                                            sprechpartner für Fragen des Behindertenfußballs, vernetzen die
    geschlagenen Weg weiter gehen können.                                           kommen, einen Mannschaft für Menschen mit Behinderung grün-               Über das inklusive Engagement des Profifußballs berichtete Arne                                     Thematik mit den anderen Angeboten des Landesverbandes, be-
                                                                                    den zu wollen. Wir helfen gerne und stehen den Initiatoren zur Seite.     Stratmann, Referent für Fanangelegenheiten bei der DFL Deutsche                                     raten Fußballvereine, initiieren Partnerschaften oder unterstützen
    WestfalenSport: In jedem Kreis einen Inklusionsbeauftragten – das               Und am allerliebsten noch mehr haupt- und ehrenamtliche Unter-            Fußball Liga GmbH. Das inklusive Projekt „Pfiff“ (Projekt für inklu-                                konkrete Projekte vor Ort. Ziel der Inklusionsinitiative ist es, dau-
    ist bundesweit einmalig. Und in der Trainerausbildung will der FLVW             stützer für die Handicap-Fußballer. Träumen muss erlaubt sein.            sive Fußball-Förderung), das der VfB Stuttgart gemeinsam mit dem                                    erhafte Strukturen für den Umgang mit behinderten Menschen zu
    ebenfalls Maßstäbe setzen beziehungsweise hat bereits eine Vorreiter-                                                                                     Württembergischen Fußballverband (WFV) durchführt, zeigt ein-                                       schaffen und (individuelle) Angebote für Menschen mit Handicap
    rolle im Inklusionsbereich inne.                                                WestfalenSport: Vielen Dank für das Gespräch! |                           drucksvoll, wie Profiklub und Fußball-Landesverband im Doppel-                                      zur Integration in die rund 25.000 Fußballvereine zu entwickeln.

8   WestfalenSport #2_2018                                                                                                                                                                                                                                                                                     WestfalenSport #2_2018       9
Westfalen Sport - Inklusion im Sport - # 2 - FLVW
Titel                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Titel

                                                                                                         Ein eiskalter Sonntag im Februar. Das Wetter fordert eher zum
                                                                                                         Wintersport auf, doch im Schulzentrum in Münster-Wolbeck steht
                                                                                                         der Parkplatz vor den beiden Sporthallen voll. Gelsenkirchen, Pa-
                                                                                                         derborn, Tecklenburg – aus ganz Westfalen kommen hier die Autos
                                                                                                         und Busse. In den Hallen: Kinder, Jugendliche und Erwachsene,
                                                                                                         von der U12 bis zur Ü18, die ein Fußballturnier austragen. Eigent-
                                                                                                         lich nichts Besonderes an einem Wochenende, doch hier ist alles
                                                                                                         etwas anders. Die meisten der Spieler haben ein Handicap. Men-
                                                                                                         schen mit verschiedensten Behinderungen, Verhaltensauffälligkei-
                                                                                                         ten oder anderen Einschränkungen kicken hier gemeinsam im Rah-
                                                                                                         men der Inklusionsturnierserie des FLVW, die 2018 zum dritten
                                                                                                         Mal und in sieben Städten ausgetragen wird.
                                                                                                         Das Turnier im Südosten Münsters ist das Zweite dieser Serie und
                                                                                                         wird vom SV Blau-Weiß Aasee ausgerichtet. Der Verein, der mit
                                                                                                         seinen rund 2.500 Mitgliedern einer der größten Sportvereine in
                                                                                                         Münster ist, bezeichnet sich selber als „offener Stadtteilverein, in
                                                                                                         dem sich die Gesamtheit der Stadtteilbevölkerung mit ihren unter-
                                                                                                         schiedlichen Wünschen und Bedürfnissen wiederfinden soll.“ Ein
                                                                                                         Leitbild, dessen erfolgreiche Umsetzung sich in der Gründung ei-
                                                                                                         ner eigenen Abteilung „integrativ-inklusiver Sport“ widerspiegelt
                                                                                                         und an diesem Sonntag beim inklusiven Fußballturnier deutlich
                                                                                                         wird.

                                                                                                         Der Hauptmotor der inklusiven Aktivitäten
                                                                                                         „Besonders froh bin ich darüber, dass im Bereich U12 heute vier
                                                                                                         Mannschaften antreten. Diese Altersklasse haben die meisten Vereine
                                                                                                         nämlich noch nicht. Ich persönlich finde die U12 klasse, die haben
                                                                                                         immer einen Riesenspaß, wenn die zum Fußballspielen zusammen-
                                                                                                         kommen.“ Dietmar Sonius, Vorsitzender der Vereinsjugend und Ko-
                                                                                                         ordinator des inklusiven Sports bei BW Aasee, ist der Organisator des     Hand in Hand – beim SV Blau-Weiß Aasee wird Inklusion gelebt
                                                                                                         Turniers und der „Hauptmotor“ der inklusiven Aktivitäten des Ver-
                                                                                                         eins. Der 59-jährige Familienvater ist seit 30 Jahren Förderschulleh-     das Thema Inklusion ganz einfach. „Es wird ja immer diskutiert,         jedem offen. „Irgendwann stellte sich die Frage‚ wo fängt Behinde-
                                                                                                         rer und damit Fachmann für die Inklusion, Integration und Förde-          was Inklusion eigentlich bedeutet“, so Sonius. Allein aus seinem        rung an?. Sind Kinder, die in der Schule Lernprobleme haben, auch
                                                                                                         rung von eingeschränkten und verhaltensauffälligen Kindern und            beruflichen Hintergrund könne er Stunden darüber diskutieren.           schon ‚behindert‘? Wir ziehen da keine Grenzen. Oft kommen die
     Dietmar Sonius, ein Spieler von BW Aasee und Preußen Münster-Präsident Christoph Strässer (v. l.)   Jugendlichen. Er koordiniert die vier inklusiven Fußballgruppen,          „Wir bei Blau-Weiß haben es vereinfacht und sagen: Inklusion be-        Kinder dann auch mit Freunden oder Geschwistern, sodass die
     am Rande des FLVW-Inklusionsturniers                                                                trainiert eine davon selber. „Ich bin der Mann für alles“, entschuldigt   deutet ‚Willkommen im Verein!‘.“ Man trennt also nicht nach Be-         Mannschaften bunt gemischt sein können. Das ist in jeder Alters-
                                                                                                         er sich scherzhaft, als während des Interviews ein Catering-Helfer        hinderten und Nicht-Behinderten, definiert nicht, wer wen wohin         klasse unterschiedlich“, erklärt Sonius. Es gibt auch keine Aufnah-
                                                                                                         anruft, weil er in der Halle vermisst wird.                               inkludiert. Ein Verein für alle. Hand in Hand eben.                     mekriterien. „Alles was ich bei den ersten Gesprächen dann wissen
     EINE WILLKOMMENSKULTUR                                                                              Die eigene Abteilung „integrativ-inklusiver Sport“ entstand zwei-
                                                                                                         gliedrig. Bereits 1998 begann Dietmar Sonius damit, einigen seiner        Miteinander und offen für alle
                                                                                                                                                                                                                                                           muss, sind die Besonderheiten der Behinderung, die die Trainer
                                                                                                                                                                                                                                                           kennen müssen. Die stehen natürlich in einer gewissen Verantwor-

     FÜR INKLUSION                                                                                       Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten den Weg in den Verein zu er-
                                                                                                         möglichen. Nahezu parallel entwickelten sich die ersten inklusiven
                                                                                                                                                                                   In den beiden Hallen herrscht eine besondere Stimmung. Auch
                                                                                                                                                                                   beim zwölften Tor jubeln noch die Spieler aller Mannschaften, am
                                                                                                                                                                                                                                                           tung. Gerade bei den Kleineren arbeiten aber die Eltern gerne mit,
                                                                                                                                                                                                                                                           sind beim Training, fahren mit zu Turnieren.“
                                                                                                         Fußballgruppen, die bis heute mit rund 80 Spielerinnen und Spie-          Seitenrand wie auf dem Platz, manchmal auch bei der Mannschaft,         Wichtig ist das gemeinsame Training aller – und der Zusammen-
     „Hand in Hand“ als Motto der Inklusionsabteilung                                                    lern die Größte aller inklusiven Sportgruppen des Vereins bildet.         die gerade das Tor kassiert hat. Im Mittelpunkt steht das Fair Play.    halt. „Der Freitagnachmittag auf unserer Sportanlage am Aasee ge-
                                                                                                         Neben dem Fußball bietet BW Aasee eine offene Tischtennis-                Wegen der aktuellen Grippewelle musste ein Team stark dezimiert         hört praktisch uns“, erklärt Sonius. „Die Teams haben auch Whats-
     des SV Blau-Weiß Aasee                                                                              Gruppe, zwei inklusive Lauftreffs, die bei Staffelläufen und dem          anreisen, sofort springen aus den anderen Teams Spieler ein. In ei-     App-Gruppen, in denen alle miteinander kommunizieren. Wenn
                                                                                                         Münstermarathon teilnehmen sowie Kooperationen mit der Vol-               nem anderen Spiel steht ein Junge im Seitenaus. Sein Trainer redet      jemand Geburtstag hat, hat er morgens schon 24 Nachrichten und
     Der SV Blau-Weiß Aasee in Münster lebt Inklusion. Der Verein betreibt eine eigene                   leyballabteilung. Unter dem Motto „Hand in Hand“ entstand                 minutenlang auf ihn ein, seine Mannschaft braucht ihn. Doch zur         Glückwünsche, da freut sich natürlich jeder drüber.“ Für Kinder,
     Abteilung für den inklusiven Sport und hat sich zu der Adresse für Menschen mit                     schließlich eine eigene Abteilung, die Dietmar Sonius seit 2012 mit       Rückkehr auf den Platz lässt er sich nicht mehr bewegen, der Geg-       die es außerhalb des Vereins, beispielsweise in den Schulen, schwe-
     Behinderung in Münster entwickelt. Im Rahmen der Inklusionsturnierserie des                         seinem Hauptaugenmerk auf den Fußball koordiniert.                        ner nimmt zum Ausgleich einen seiner Spieler vom Feld. Von da an        rer haben, ist das ein besonderes Geschenk.
     Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen (FLVW) traf sich WestfalenSport-                    Der Verein legt besonderen Wert auf die Normalität des Engage-            spielen halt nur noch vier gegen vier. Blau-Weiß Aasee tritt heute in   Und nicht nur in den Mannschaften finden Menschen mit Handi-
     Autor Felix Schemmann mit dem Hauptakteur der Abteilung, Dietmar Sonius.                            ments. „Die Spieler gehen nach dem Training wie alle anderen in           einigen Altersklassen mit zwei Mannschaften an. Aus den Trai-           caps ihren Platz. Aktuell helfen zwei Menschen mit Behinderungen
                                                                                                         die Cafeteria in unserem behindertengerechten Vereinshaus. Dort           ningsgruppen wurden vor dem Turnier durch einen Mannschafts-            in der Abteilung mit – als Betreuer, Organisatoren, Helfer. „Wir
                                                                                                         treffen sich nach dem Sport Behinderte und Nicht-Behinderte und           rat zwei gleichstarke Teams aufgestellt, fair und für alle gerecht.     wollen die ebenso mit in die Verantwortung ziehen, wie die ande-
                                                                                                         jeder weiß: Das ist bei Blau-Weiß normal!“ Damit handhabt man             Die inklusiven Sportgruppen des SV BW Aasee stehen prinzipiell          ren Trainer und Betreuer auch“, betont Sonius.

10   WestfalenSport #2_2018                                                                                                                                                                                                                                                                           WestfalenSport #2_2018     11
Westfalen Sport - Inklusion im Sport - # 2 - FLVW
Titel                                                                                                                                                                                                                                                                                 Titel

                                                                                 „Auszeichnungen sind Bestätigung, aber auch Verpflichtung“
                                                                                 Für das gesellschaftliche Engagement hat der Verein zahlreiche Aus-
                                                                                 zeichnungen erhalten. Der Bürgerpreis in Gold der Stadt Münster,
                                                                                 der Fußball-Bildungspreis der Akademie für Fußball-Kultur, die Aus-
                                                                                 zeichnung „Behindertensportverein des Jahres 2013“ und nun die
                                                                                 Sepp-Herberger-Urkunde sind besonders hervorzuheben. Bemer-
                                                                                 kenswert ist, dass der erste Preis im Jahr 2005 verliehen wurde, jetzt
                                                                                 folgt 2018 die Sepp-Herberger Urkunde (siehe Seite 27 dieser Ausga-
                                                                                 be). Ein Spiegelbild für die Nachhaltigkeit, die eines der obersten
                                                                                 Ziele der Abteilungsarbeit ist. „Uns ist besonders wichtig, dass wir
                                                                                 konstant gut ausgebildete und vorbereitete Trainer und Übungsleiter
                                                                                 haben, um nachhaltig die Mannschaften sichern und anbieten zu
                                                                                 können“, betont Sonius. „Es ist kein Projekt für den Moment, son-
                                                                                 dern bei Blau-Weiß Aasee ist die Säule ‚Inklusiver Sport‘ aus dem
                                                                                 Gesamtverein nicht mehr wegzudenken. Wir sind eine Willkom-
                                                                                 menskultur für Inklusion. Seit 1998.“
                                                                                 „Für mich sind alle Auszeichnungen über die Jahre hinweg natürlich
     BW hat sich auch als Ausrichter bewährt                                     eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass wir nach-
                                                                                 haltig arbeiten und unserem gesellschaftlichen Auftrag, ‚Fußball für
     Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe                                     alle‘ zu etablieren und auszubauen, in gutem Maße nachkommen“,
     Für den Gesamtverein hat die Abteilung „integrativ-inklusiver Sport“        hält Sonius fest. Zudem betont er nachdrücklich: „Ich persönlich
     einen hohen Stellenwert. Das wird nicht nur durch den Paragrafen 1          freue mich riesig über die Auszeichnungen. Wobei ich die natürlich
     der Vereinssatzung deutlich, in dem es heißt: „Der Verein setzt sich        stellvertretend für alle engagierten Ehrenamtlichen entgegennehme,
     besonders für die Integration ausländischer, behinderter und sozial         ohne die hier gar nichts ginge. Einer muss es ja koordinieren und
     schwacher Menschen ein und fördert den integrativen Sport“. Die             dadurch steht man halt im Fokus.“ In jeder Auszeichnung sieht Soni-
     Abteilung ist finanziell autark, kann alle Mittel, die sie durch Cate-      us gleichzeitig eine Verpflichtung: „Jeder Preis verpflichtet auch ir-
     ringeinnahmen, Spendenaktionen oder Preisgelder erhält, eigenver-           gendwie, dass Niveau, das man einmal geschaffen hat, zu halten und
     antwortlich verwenden. „Wir müssen niemanden fragen, wenn wir               für die Nachfolgenden eine stabile Grundlage zu liefern.“
     mal neue Trikots oder Bälle brauchen. Wir sind da unabhängig, was
     ein großer Vorteil ist“, so Sonius. Kooperationen laufen mit allen          „Keine Angst haben und einfach klein anfangen“
     Vereinsabteilungen. „Besonders mit der Volleyballabteilung haben            Ein solch umfangreiches Engagement ist bekanntermaßen nur mit
     wir ein Patenprogramm, sodass die Teilnehmer einen persönlichen             vielen ehrenamtlichen Helfern möglich. Viele Vereine haben aller-
     Ansprechpartner im Verein haben. Die treffen sich dann auch schon           dings schon Probleme dabei, die üblichen Posten zu besetzen oder
     mal zum gemeinsamen Grillen im Sommer.“                                     Trainer zu finden, sodass zusätzliche Helfer gar nicht erst erreichbar
     Es sind solche Projekte im gesamten Verein, die zeigen, wie wichtig allen   zu sein scheinen. In seiner Funktion als Integrationsbeauftragter des
     Beteiligten die gesellschaftliche Aufgabe der Inklusion ist. Und es wird    FLVW-Kreises Münster und Mitglied der Arbeitsgruppe Inklusion
     nicht nur mit den Abteilungen des Vereins zusammengearbeitet. Ge-           des Verbandes gibt Dietmar Sonius hier gerne sein Wissen weiter und
     meinsam mit Werkstätten, Einrichtungen für behinderte Menschen,             leistet Hilfestellung. „Ich rate Vereinen, die ebenfalls solche Angebote
     Schulen, Stiftungen und der Stadt Münster hat der SV BW Aasee ein           einrichten wollen, aber nicht die Trainer oder das Wissen über den
     Netzwerk aufgebaut, dass behinderten Menschen den Weg in den Sport          richtigen Umgang haben, klein anzufangen. Kleine Gruppen einzu-
     so einfach wie nur möglich macht. „In Münster weiß jeder, Blau-Weiß         richten, mit Werkstätten für behinderte Menschen oder Schulen vor
     Aasee ist die erste Adresse für inklusiven Sport“, sagt Sonius stolz.       Ort kooperieren, die haben das Know-how.“ Besonders hoch schätzt            Einfach Fußball … weil’s Kicken Spaß macht
     Dietmar Sonius ist der Verwalter des Ganzen. Er hat den Kassen-             Sonius auch die Rolle der Eltern ein: „Man sollte die Eltern mit ins
     schlüssel, er kennt die Kooperationspartner und hat für jedes Anlie-        Boot holen. Die sind natürlich die Fachleute, was ihre Kinder angeht        Nach seiner Einschätzung ist der inklusive Sport in Westfalen be-    teren, die noch mitten im Turnier stecken, nicht zu lang wird, ver-
     gen ein offenes Ohr. Geht man mit ihm an diesem Sonntag durch die           und viele sind sehr begeistert dabei, wenn sie ihr Kind bei der Inklu-      reits auf einem guten Stand und auch auf dem richtigen Weg. „Die     anstaltet man noch ein Sieben-Meter-Schießen. Allerdings ohne
     Hallen des Schulzentrums Münster-Wolbeck, hält man an jeder Ecke            sion in eine Sportgruppe unterstützen können. Wichtig ist, keine            Arbeit in den Vereinen ist auf Verbandsebene anerkannt, wir erfah-   Wertung, keiner zählt die Treffer mit. Spieler, Eltern und Trainer
     an. Jeder Helfer hat eine Frage. Zwischendurch spricht er mit Chris-        Angst zu haben und einfach anzufangen.“                                     ren da große Unterstützung durch die Verantwortlichen.“ Gelun-       stehen dicht gedrängt um das Tor, während jeder Spieler einmal
     toph Strässer, dem Präsidenten des Drittligisten SC Preußen Müns-           Auch den Verband und die Kreise sieht er als wichtige Hilfsinstitutionen.   gen findet er die Lösung des Wettkampfbetriebes über eine Turnier-   schießen darf. Bei jedem Schuss wird gejubelt, vollkommen egal,
     ter, über weitere Kooperationsmöglichkeiten. Und er findet noch             „Es wäre wünschenswert, wenn in naher Zukunft eine eigene Kommis-           serie, die er immer einem Ligabetrieb vorziehen würde. „Bei diesen   ob der Ball drei Meter neben das Tor kullert, der Torwart den lang-
     Zeit für ein halbstündiges Interview. Jeder Spieler von Blau-Weiß           sion eingerichtet wird und jeder Kreis einen Inklusionsbeauftragten hät-    Turnieren kann wirklich jeder mitmachen, dass Gemeinschaftsge-       samen Ball nicht festhalten kann oder ein Spieler beim Anlauf von
     kennt ihn. Anscheinend kann er auch mit jedem ein persönliches              te, die den Vereinen bei Fragen und der Organisation zur Seite stehen.“     fühl und der Eventcharakter sind für die Teilnehmer etwas Beson-     seinem Trainer begleitet werden muss. Das Ergebnis steht nirgend-
     Wort wechseln. Und mit jedem Wort merkt man, dass sein Herz an              Außerdem hat die Arbeitsgruppe des FLVW den Vorschlag entwickelt,           deres. Jeder Verein hat seine sieben Turniere, man kann mehr, aber   wo im Vordergrund, es ist die gemeinschaftliche Freude, an die sich
     der Arbeit mit und für Menschen mit Behinderung hängt. Es mache             in die Ausbildungen von gerade jungen Betreuern und Trainern einen          auch weniger machen – ganz danach, was man leisten kann.“            alle gerne erinnern werden. Hand in Hand eben. |
     ihn selber sehr glücklich zu sehen, wie einfach man ihnen mit einem         Block über die Einbeziehung von Gehandicapten einzubauen, um „die           Die ersten, die an diesem Turniertag ihre Spielrunde abgeschlossen                                   Text und Fotos: Felix Schemmann
     vierstündigen Fußballturnier eine große Freude bereiten kann.               erste Angst zu nehmen“ und die Grundlagen direkt zu vermitteln.             haben, sind die Jüngsten der U12. Damit die Wartezeit auf die Äl-

12   WestfalenSport #2_2018                                                                                                                                                                                                                                                  WestfalenSport #2_2018     13
Westfalen Sport - Inklusion im Sport - # 2 - FLVW
Titel                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Titel

                                                                                                                                                                            lie. Vor allem in Dortmund hat der Prozess der Angliederung ziemlich                            Noch nicht so lange im Blindenfußball wie die Dortmunder, aber schon
                                                                                                                                                                            gedauert. „Den ersten Kontakt zum BVB gab es Ende 2013“, erinnert                               länger in der entsprechenden Bundesliga sind die Nachbarn von der Em-
                                                                                                                                                                            sich Hasan Caglikalp. „Später habe ich auch mal Dagmar Freitag, die                             scher aktiv. Bereits im Jahr 2009 mischt der VfB Gelsenkirchen erstmals
                                                                                                                                                                            Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag und Borussia-                           in dem offiziellen DBS-Wettbewerb mit. Es soll auch bei ihnen noch ei-
                                                                                                                                                                            Anhängerin, kontaktiert. Sie hat den BVB angeschrieben. Aber das ganze                          nige Jahre dauern, bis es zur Angliederung an den mit Abstand größten
                                                                                                                                                                            Thema so richtig ins Rollen kam dann erst etwa zwei Jahre später, als ich                       Verein in der Stadt kommt. „2014 kam es im Rahmen einer Inklusions-
                                                                                                                                                                            den BVB-Präsidenten Dr. Reinhard Rauball direkt angeschrieben habe.“                            veranstaltung der Stadt Gelsenkirchen in der Emscher-Lippe-Halle über
                                                                                                                                                                            Kurz darauf flattern ihm aus dem Büro des Borussen-Chefs zwei Termin-                           die Vereinsstiftung ‚Schalke hilft!‘ zum ersten Kontakt mit Schalke 04“,
                                                                                                                                                                            vorschläge ins Haus, ein erstes persönliches Treffen gibt es im Juli 2016.                      erzählt Bayram Dogan. „Wir haben dann zunächst ein Jahr lang finanzi-
                                                                                                                                                                            „Ich denke, dass es auch von Vorteil war, dass der FLVW das Thema                               elle Unterstützung durch den Klub erhalten und sind seit März 2015 of-
                                                                                                                                                                            Blindenfußball in der Öffentlichkeit angeschoben hat, so war das Interes-                       fiziell die Blindenfußball-Abteilung des FC Schalke 04.“
                                                                                                                                                                            se des Vereins geweckt“, meint Caglikalp. Seit dem 1. Januar 2017 gehö-                         Er kann sich noch gut daran erinnern, wie schnell alles plötzlich geht. Der
                                                                                                                                                                            ren die vorherigen Kirchderner der Integrationsabteilung des BVB an,                            Beschluss zur Aufnahme der Blindenkicker bei den Knappen muss vom
                                                                                                                                                                            spielen neben Blindenfußball aber auch weiterhin Torball, das auf einem                         Vorstand abgesegnet werden. Welch glückliche Fügung für Bayram Do-
                                                                                                                                                                            kleineren Feld stattfindet.                                                                     gan und seine Mitstreiter, dass Schalke sportlich eine der größten Sensati-
     Schalke spielt seit 2015 in der Blindenfußball-Bundesliga                                                                                                                                                                                                              onen in der Vereinsgeschichte raushaut. „Der 4:3-Sieg im Champions-
                                                                                                                                                                            Gemischte Teams – Männer und Frauen jeden Alters                                                League-Achtelfinale bei Real Madrid“, notiert Bayram Dogan lachend:
     DAS ETWAS ANDERE REVIERDERBY                                                                                                                                           Völlig anders als im regulären Fußball sind die Blindenfußball-Teams völ-
                                                                                                                                                                            lig gemischt – sowohl von der Altersstruktur als auch vom Geschlecht.
                                                                                                                                                                                                                                                                            „Da hatten die Verantwortlichen trotz des Ausscheidens bei den ‚Königli-
                                                                                                                                                                                                                                                                            chen‘ wohl richtig gute Laune.“
                                                                                                                                                                            „Wir haben derzeit einen Kader von 14 Spielern im Alter von 12 bis 57
     Auch in der Blindenfußball-Bundesliga treten Schalke und der BVB gegeneinander an                                                                                      Jahren, darunter vier Frauen“, verrät Caglikalp. Noch                                                       Blindenfußball wird bei beiden Klubs gelebt
                                                                                                                                                                            vier Spieler von Viktoria Kirchderne gehören dem aktu-                                                      Natürlich ist es zunächst einmal gut fürs Image eines gro-
     Am 4. August ist Revanche angesagt, ein Revierderby der etwas anderen Art: Borussia Dortmund empfängt den FC Schalke 04, gekickt wird an der Derner                    ellen BVB-Aufgebot, die anderen sind erst seit 2017                                                         ßen Klubs, den Behindertensport zu fördern. In Dort-
     Straße. Willkommen in der Blindenfußball-Bundesliga! 2:0 hat der BVB letztes Jahr gewonnen, es war das erste Mal, dass die Nachbarn und Rivalen in                     dazu gekommen – unter anderem aus Marburg und                             „Auch für uns                     mund und auf Schalke läuft die Blindenfußball-Abtei-
     dieser Form aufeinandergetroffen sind. Denn der BVB kickt erst seit der vorigen Saison in der DBFL, Schalke ist schon etwas länger dabei seit 2015.                    Chemnitz sowie ein Nationalspieler aus Köln. „Wir ver-            Blindenfußballer ist das                  lung aber alles andere als nur aus Prestigegründen so ein
                                                                                                                                                                            stehen uns als offene Gruppe, in der jeder Nicht-Sehen-                                                     wenig mit, sondern wird von beiden Seiten gelebt.
     Wenn sich die beiden Revierklubs am vierten Spieltag der am 5. Mai in                Zurzeit sind sieben Mannschaften im Spielbetrieb gemeldet: neben Dort-            de Fußball spielen kann, und bieten immer wieder                   Derby gegen Schalke                      „Schalke sorgt mit seiner Kraft natürlich auch in unserem
     Wangen im Allgäu startenden neuen Serie in Dortmund wiedersehen,                     mund und Schalke der amtierende Meister FC St. Pauli, „Vize“ SF BG                Schnupper-Trainingstage an“, erklärt Caglikalp und              ein besonderes Spiel, das                   Bereich für viel mehr Aufmerksamkeit. Das hat den Vor-
     sind es im Gegensatz zum gerade in der „großen“ Bundesliga in der Arena              Blista Marburg, der Chemnitzer FC, der FC Viktoria 1899 Berlin und der            bemerkt: „Es gibt sicherlich noch viel Potenzial, aber es                                                   teil, dass wir in der Öffentlichkeit stärker wahrgenom-
     gefeierten Derbysieg dann die Gäste aus Gelsenkirchen, die etwas gut zu              MTV Stuttgart. Natürlich gibt es auch eine Nationalmannschaft, in der             muss auch sportlich und vor allem charakterlich passen.“        man unbedingt gewinnen                      men werden“, sagt Bayram Dogan und fügt lachend an:
     machen haben. 2:0 hieß es vor einem Jahr für Schwarz-Gelb gegen Kö-                  zum Beispiel Dortmunder und Schalker gemeinsam in einem Team antre-               Seit Januar läuft in Dortmund die Vorbereitung auf die                         möchte“                      „Wenn wir zum Beispiel bei Veranstaltungen unseren
     nigsblau, am Ende der Serie allerdings wurde Schalke Dritter – zwei Plät-            ten. Die Strukturen in dem Behinderten-Sport wachsen, aber eben lang-             neue Serie, zwei- bis dreimal in der Woche wird in Derne                                                    Sport vorstellen, denken manche Zuschauer, wir wären
     ze vor dem Fünften Dortmund. „Auch für uns Blindenfußballer ist das                  sam. „Wir betreiben eine Sportart, die trotz der medialen Power durch die         trainiert. Das Ziel für die kommende Spielzeit: „Wir                                                        Halbprofis und würden unser Geld damit verdienen.“
     Derby gegen Schalke ein besonderes Spiel, das man unbedingt gewinnen                 an der Blindenfußball-Bundesliga teilnehmenden Vereine und durch den              möchten uns verbessern und gerne unter die ersten Vier
     möchte“, gibt Hasan Caglikalp zu.                                                    Deutschen Behinderten-Sportbund sowie die angeschlossenen Landes-                 kommen. Da machen wir uns selber Druck, denn wir sind schließlich der                     Staunen über den „blinden“ Keeper
     Er ist der Kapitän der BVB-Blindenfußballer und schon ganz lange dabei.              verbände insgesamt noch recht unbekannt ist“, weiß auch Baram Dogan,              BVB!“, nickt Caglikalp. So ähnlich formuliert es sein Schalker Kollege                    Schön sei vor allem die offizielle große Schalker Saisoneröffnung im Som-
     Caglikalp kickt bereits seit 1985, damals für den TuS Deusen. Das Hobby              der Kapitän der Schalker Blindenfußballer, und fügt an: „Es gibt eben             Bayram Dogan: „Als Schalker aufzulaufen sorgt dafür, dass man sich als                    mer an der Arena, zu der regelmäßig 100.000 Königsblaue pilgern. Die
     für sehbeeinträchtigte oder komplett erblindete Menschen heißt zu der                wenig blinde Menschen, die Fußball spielen wollen, in ganz Deutschland            Spieler selbst noch ein wenig mehr unter Druck setzt. Du trägst in den                    Blindenfußballer sind dort mit einem kleinen Spielfeld anzutreffen, auf
     Zeit noch Torball und fristet mit ein paar vereinzelten Wettbewerben ein             sind es zurzeit nur etwa 60 Spielerinnen und Spieler.“                            Spielen eben das königsblaue Trikot und willst als FC Schalke 04 noch                     dem Fans im Torschuss mit dem im Blindenfußball üblichen Rasselball
     totales Nischendasein. Erst vor der WM 2006, dem gefeierten „Sommer-                 Da helfe jede Veranstaltung, um Interesse zu wecken, so zum Beispiel die          weniger verlieren, als es vorher schon der Fall war.“                                     gegen den Torwart der S04-Blindenfußballer antreten können. „Da ma-
     märchen“, rückt auch ihr Sport mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.            Reha-Care im vergangenen Oktober in der Messe Düsseldorf, an der die                                                                                                        chen ganz viele Fans mit, vor allem Kinder, und alle sind erstaunt, wie gut
     Ein Jahr zuvor gründet Caglikalp mit Freunden und Bekannten aus dem                  Gelsenkirchener mit einem eigenen Stand vertreten waren. „Am 16. Juni                                                                                                       unser Keeper ist“, meint Bayram Dogan.
     Stamm des TuS Deusen den ISC Viktoria Dortmund-Kirchderne. „2006                     findet in Buer die Veranstaltung ‚Gemeinsam Barrieren abbauen‘ statt,                                                                                                       Am 5. Mai geht es also wieder los - allerdings ohne den Schalker Kapitän.
     haben wir dann unter dem Dach des Deutschen Behindertensport-Verban-                 auf der wir uns auch wieder den Menschen präsentieren werden“, kün-                                                                                                         Dogan fällt mit einem Kreuzbandriss das ganze Jahr aus, also auch fürs
     des offiziell mit Blindenfußball angefangen“, berichtet der 51-Jährige.              digt Dogan an. Dort könnten normal Sehende einmal mit verbundenen                                                                                                           nächste Derby. Die Dortmunder, mit Viktoria Kirchderne gleich in der
                                                                                          Augen versuchen, Fußball zu spielen. Außerdem gehen beide Klubs,                                                                                                            zweiten Saison der Blindenfußball-Bundesliga Vizemeister und in der
     Blindenfußball-Bundesliga seit 2008                                                  Dortmund wie Schalke, regelmäßig in Förderschulen oder Inklusions-                                                                                                          Folge zweimal Dritter, möchten sich als BVB weiter in die vorderen Rän-
     2008 startet schließlich die Blindenfußball-Bundesliga mit neun Mann-                klassen, um den Austausch mit Fachleuten aus dem Bereich der Pädago-                                                                                                        ge spielen. Dort, wo die Schalker ihren Status verteidigen - und natürlich
     schaften, die Saison läuft von Mai bis September. Nach dem Motto „Mit                gik zu intensivieren.                                                                                                                                                       das nächste Derby gegen die Borussen für sich entscheiden wollen. Eine
     Fußball in die Mitte der Gesellschaft“ findet ein Teil der Spieltage auf                                                                                                                                                                                         lose Kooperation zwischen den beiden Nachbarn, die immer wieder mal
     zentralen öffentlichen Plätzen mitten in der Stadt statt. In der Regel aber          Rauball förderte den Blindenfußball                                                                                                                                         angedacht wird, ist bis auf gelegentliche Testmatches mal in Dortmund
     wechseln sich die teilnehmenden Klubs mit der Ausrichtung eines Spiel-               Als Viktoria Kirchderne oder VfB Gelsenkirchen waren beide Mann-                                                                                                            und dann wieder in Gelsenkirchen noch nicht zustande gekommen.
     tags auf den Sportplätzen ab, auf denen sie auch trainieren. In Dortmund             schaften aber sicher nicht dort, wo sie jetzt sind: als offizielle Abteilung an                                                                                             Dafür ist die Zeit auch im Integrativsport wohl noch nicht reif. |
                                                                                                                                                                                                                                                       Die Dortmunder
     ist es die Anlage an der Derner Straße, in Gelsenkirchen an der Fürstin-             die beiden größten deutschen Vereine hinter Bayern München angedockt                                                                                         gehen in                                                              Heiko Buschmann
     nenstraße im Stadtteil Feldmark.                                                     und somit Teil der schwarz-gelben beziehungsweise königsblauen Fami-                                                                                         ihre 2. Saison                                                 Fotos: © Carsten Kobow

14   WestfalenSport #2_2018                                                                                                                                                                                                                                                                                                 WestfalenSport #2_2018        15
Westfalen Sport - Inklusion im Sport - # 2 - FLVW
Titel                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Titel

                                                                                                                                                                           Spatenstich für das Abrahamhaus (v. l.): Michael Steinrötter (Fußball-Abteilungsleiter SV Schermbeck), Pfarrer Hornemann, Thorsten Schröder (stellv. Fußball-Abteilungsleiter SV Schermbeck),
                                                                                                                                                                           Kirsten Klein-Bösing (Architekturbüro Brilo), Johannes Brilo (1. Vorsitzender SV Schermbeck und durchführender Architekt) und Mike Rexforth (Bürgermeister Schermbeck)

                                                                                                                                                                           „EIN GEBÄUDE FÜR ALLE“
                                                                                                                                                                           Wie sich der SV Schermbeck für Integration engagiert
     Das integrative Fußball-Team des TuS Haltern mit Trainer Thomas Franke (Foto: TuS Haltern)                                                                            Es wächst! Auf dem Gelände des Waldsportplatzes des SV Schermbeck entsteht ein neues Gebäude, das für einen Dorfklub, auch wenn seine erste
                                                                                                                                                                           Mannschaft immerhin in der Westfalenliga kickt, wohl als herausragend beschrieben werden darf: das Abrahamhaus. 1,2 Millionen Euro stecken das
     INTEGRATIV IM TEAM SEIT 2010                                                                                                                                          Land Nordrhein-Westfalen, die Gemeinde Schermbeck und der Verein in das Projekt, die „Rot-Weißen“ müssen 20 Prozent in Eigenleistung beisteuern.
                                                                                                                                                                           Voraussichtlich Ende des Jahres soll das Abrahamhaus fertig sein und feierlich eröffnet werden – und zwar als Integrationszentrum insbesondere für
                                                                                                                                                                           Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten.
     Der TuS Haltern fördert Fußball für Menschen mit Behinderungen
                                                                                                                                                                           Schon seit der ersten großen Flüchtlingswelle im Jahr 2015 ist der                   Das Abrahamhaus entsteht zwischen den beiden Sportplätzen.
     Wer vom Erfolg verwöhnt ist, der neigt manchmal dazu, etwas nachlässiger zu werden. Nicht so das integrative Fußball-Team des TuS Haltern. Die Kicker                 SV Schermbeck mit seinen 1.500 Mitgliedern vorbildlich darum                         Mehr als 1.000 Quadratmeter Fläche wird das bis zu 40 Meter lange
     vom Stausee mischen auch in der aktuellen Spielzeit der inklusiven Liga des Fußball- und Leichtathletik Verbandes Westfalen (FLVW) wieder vorne mit.                  bemüht, den Neuankömmlingen die Eingewöhnung in ihrer neuen                          Gebäude bieten. Der Rasenplatz gehört der Kirche, das Kunstrasen-
     Seit drei Jahren stellt der TuS Haltern eine Mannschaft für die Turnierserie des FLVW und wurde 2016 für seine vorbildliche Arbeit im Behindertensport                Umgebung leichter zu machen. „Sport verbindet, viele nehmen am                       feld der Kommune. Von der Größe und der Art der Umsetzung her
     sogar zum festen Kooperationsverein des Verbands – gemeinsam mit den Recklinghäuser Werkstätten der Diakonie.                                                         Training teil. Aber: Es gibt Probleme bei der sprachlichen Verständi-                werde das Gebäude „ein Aushängeschild“ für Schermbeck werden,
                                                                                                                                                                           gung und mit den kulturellen Unterschieden“, teilt                                                  ist der Vereinsvorsitzende Johannes Brilo überzeugt
     Seit 2009 besteht die Kooperation zwischen dem Verein und dem                                ren. Hier spielen Menschen einfach zusammen Fußball, die Spieler         der Verein mit.                                                                                     und betont: „Wir errichten ein echtes Quartier.“
     Diakonischen Werk. Einmal die Woche trainieren die Spieler in                                gehören ganz normal zum Verein.“ So werden die Spieler spürbar           Im Abrahamhaus sollen derlei Schwierigkeiten ange-                  „Wir errichten ein              Nach der Eröffnung sollen in enger Zusammenar-
     den Mittagsstunden in der Stauseekampfbahn, dafür werden sie                                 selbstbewusster, erklärt Tykwer, „für sie ist das ein großer Lebensin-   packt und möglichst bald ausgeräumt werden. Dafür                                                   beit mit dem neuen Spiel- und Bewegungsband,
     von ihrem Träger freigestellt. Die Diakonie übernimmt auch die                               halt.“ Ginge es nach ihm, könnte die Kooperation mit dem Hei-            sind Schulungs-, Gemeinschafts- und Trainingsräu-                    echtes Quartier.“              das die Gemeinde Schermbeck für rund drei Milli-
     Vereinsbeiträge für die Spieler, stellt Busse für die Fahrt zum Trai-                        matverein von Weltmeister Benedikt Höwedes und Vizeweltmeis-             me geplant. „Nicht nur Trainer und Helfer des Ver-                                                  onen Euro realisieren will, interkulturelle und
     ning sowie zu den Turnieren am Wochenende. Dreimal wurde die                                 ter Christoph Metzelder noch intensiviert werden. Gerne würde            eins wären hier aktiv, auch für ehrenamtliche Betreu-                                               sportliche Angebote im Abrahamhaus stattfinden.
     von Thomas Franke, Klaus Tykwer und Martin Stock trainierte in-                              Tykwer mit dem TuS Haltern ein Förderleistungszentrum im inte-           ung im Bereich sprachlicher und gesellschaftlicher Bildung soll Platz                Auch anderen Vereinen – zum Beispiel den Tischtennis-Freunden
     tegrative Truppe in den vergangenen vier Jahren westdeutscher                                grativen Fußballbereich aufbauen, verbunden mit einer beruflichen        geschaffen werden. Außerdem ist ein interkulturelles Café geplant                    des TC GW Schermbeck – sowie weiteren Gruppen soll das Haus
     Meister und einmal Zweiter. „Wir gehören zu den stärksten Mann-                              Maßnahme für seine körperlich oder geistig beeinträchtigten Kicker.      und die Koordinierungsstelle für ehrenamtliche Integrationshelfer                    offenstehen. |
     schaften in Deutschland“, sagt „Co“ Martin Stock selbstbewusst.                              Was noch nicht ist, kann ja noch werden. TuS Haltern Vorsitzender        könnte hier ihren Platz haben“, schreibt der SVS und weiter: „Neu                                                                   Heiko Buschmann
     Für Tykwer sind die Titel allerdings nur „die Sahnehäubchen“, er-                            Metzelder ist guten Ideen immer aufgeschlossen. |                        ist, nicht die Flüchtlinge in ein Gebäude zu bestellen und sie zu in-                                                           Foto: Helmut Scheffler
     klärt der Sozialarbeiter in der „Dorstener Zeitung“ und fügt an:                                                                                 Heiko Buschmann      tegrieren, sondern diese Menschen mit gestalten zu lassen und ein
     „Viel wichtiger ist, behinderte Menschen beim TuS gut zu integrie-                                                                                                    Gebäude für alle zu errichten.“

16   WestfalenSport #2_2018                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 WestfalenSport #2_2018         17
Westfalen Sport - Inklusion im Sport - # 2 - FLVW
Titel                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Titel

     „ROTHOSEN“                                                                                                                                                             MIT LAUF-GUIDE SYNCHRON
     SIND MIT FEUEREIFER                                                                                                                                                    ÜBER DIE KUNSTSTOFFBAHN „FLIEGEN“
     AM BALL                                                                                                                                                                Alexander Kosenkow „führt“ Sehbehinderte Katrin Müller-Rottgardt
     Mehr Inklusion erwünscht: die                                                                                                                                          Katrin Müller-Rottgardt kommt gerade von der Arbeit. Die Bronzemedaillen-Gewinnerin der Paralympics in Rio de Janeiro ist im Therapie Zentrum

     Handicap-Mannschaft der SSV Buer                                                                                                                                       Engels in Krefeld-Uerdingen als Physiotherapeutin beschäftigt. Die 36-jährige Athletin des TV Wattenscheid versucht, trotz ihrer Sehbehinderung ein ganz
                                                                                                                                                                            normales Leben zu führen. Bei ihrer Geburt lag ihr Sehvermögen bei zehn Prozent, inzwischen beträgt es nur noch zwei Prozent. Dies ist für einen Sehen-
                                                                                                                                                                            den vergleichbar mit einem Blick durch eine vereiste Windschutzscheibe.
     Montag, 18 Uhr auf der Sportanlage Löchterheide: Auf dem
     Naturrasen trainiert gut ein Dutzend Jugendlicher, so weit, so                                                                                                         Katrin Müller-Rottgardt fährt immer mit öffentlichen Verkehrsmit-
     normal. Doch bei diesen Kids handelt es sich um die Handi-                                                                                                             tel zur Arbeit: „Wo ich mich auskenne, ist das kein Problem. Da
     cap-Mannschaft der SSV Buer, die Kicker im Alter zwischen                Ein lokaler Sponsor stiftete den „Rothosen“ einen kompletten Trikotsatz und Trainingsanzüge   weiß ich genau, wo sich Treppen befinden. Anders sieht es für mich
     zehn und 19 Jahren haben alle verschiedenste körperliche oder            (Foto: Verein)                                                                                in einer neuen Umgebung aus. Die muss ich mir Schritt für Schritt
     zumeist psychosoziale Beeinträchtigungen. Der Trainer des                       SuS Volmarstein statt. Neben dem Ausrichter dort und der SSV                           einprägen. Ich habe zwar einen Blindenstock, aber den nehme ich
     Teams ist Thomas Funke. Er ist kein ausgebildeter Sonderpäda-                   Buer, die im September Gastgeber sind, spielen noch Germania                           nicht, so lange ich mich so zurechtfinde“, betont die selbstbewusste
     goge, sondern Vater. Sein zwölfjähriger Sohn „Luki“ ist mit Be-                 Datteln, BW Aasee, SC Delbrück, TSG Harsewinkel, RW St. Vit                            junge Dame, die auch beim Einkaufen keine Probleme hat. „Ich
     geisterung am Ball, er ist Autist und benötigt, wie alle anderen                und SC Hörstel mit. In vier verschiedenen Altersklassen wird dann                      merke mir immer, in welchen Regalen welche Produkte stehen. Das
     hier auf dem Platz, eine besondere Betreuung. „Das Training                     gekickt, U und Ü12, Ü15 und Erwachsene. Einmal im Jahr findet                          ist eine große Hilfe für mich.“ Auch die Kommunikation mit ihren
     mit den Jungs macht riesen Spaß“, sagt Funke, „aber natürlich                   zudem ein international besetztes Turnier mit Handicap-Mann-                           lieben Mitmenschen klappt über ihr iPhone recht gut. Mit ihrem
     muss man schon mehr oder besser anders coachen als bei einer                    schaften aus halb Europa – Österreich, England, Schweiz und der                        Mobilgerät macht sie bei ihren zahlreichen Wettkampfreisen auch
     ‚normalen‘ Mannschaft.“                                                         Niederlande – beim BV Weckhoven in Neuss statt. Am 7. Juli ist es                      viele Aufnahmen, die sie dank neuster Technik zuhause auf ihrem            Katrin Müller-Rottgardt
                                                                                     wieder so weit, auch die SSV Buer ist dabei.                                           Computer vergrößern kann.                                                        mit ihrem neuen
                                                                                                                                                                                                                                                            Guide Alexander
     Der Elektroingenieur war früher aktiver Judoka und hatte vorher                 „Natürlich sind die Jungs genau so ehrgeizig wie ‚normale‘ Mann-                       Im Sport kommt die Olympia-Dritte jedoch ohne fremde Hilfe nicht                       Kosenkow
     gar nicht so viel mit Fußball am Hut, ehe er im Sommer 2016 bei                 schaften, aber da der Spaß im Vordergrund stehen soll, achten wir                      aus. In Rio de Janeiro sprintete sie noch Seite an Seite mit Sebastian       (Foto: Axel Kohring)
     der SSV Buer aufschlug. Vorher war er mit „Luki“ beim Nachbarn                  Trainer bei den Turnieren immer besonders auf den Fair-Play-Ge-                        Fricke, der ihr aus Zeitgründen jedoch nicht mehr zur Verfügung
     SC Hassel, doch dort lief die Truppe eher so neben-                                             danken“, erklärt Funke. „Das bedeutet, dass wir all‘                   steht. Als neuen Guide konnte sie im November letzten Jahres Alex-                                   Ihre Ausgangssituation ist recht günstig, denn sie ist Inhaberin der
     her und war laut seiner Aussage „im Verein nicht                                                zu hohe Ergebnisse vermeiden möchten. Wenn mal                         ander Kosenkow gewinnen. Der inzwischen 40-jährige Wattenschei-                                      deutschen Rekorde über 100 Meter (11,99 Sek.), 200 Meter (24,29
     richtig integriert“. Anders bei der SSV. Seit 2015                                              eine Mannschaft schnell klar führt, werden die bei-                    der zählte über 20 Jahre zur absoluten deutschen Spitzenklasse, hat                                  Sek.), 400 Meter (59,99 Sek.) und im Weitsprung (5,49 Meter). In
     kicken die Jungs an der Löchterheide im Norden                 „Natürlich sind die              den besten Spieler auch mal kurz rausgenommen,                         Bestzeiten von 10,14 Sekunden über 100 Meter und 20,43 Sekunden                                      der zuletzt genannten Disziplin muss sie ohne Hilfe auskommen
     Gelsenkirchens, neben „Luki“ sind noch fünf wei-
     tere Kids mit von Hassel nach Buer gewechselt.
                                                           Jungs genau so ehrgeizig wie um                 einigermaßen Chancengleichheit zu gewähr-
                                                                                                     leisten.“
                                                                                                                                                                            über 200 Meter und nahm bisher dreimal an Olympischen Spielen
                                                                                                                                                                            teil. 2020 strebt er bei den Paralympics in Tokio als Partner von Katrin
                                                                                                                                                                                                                                                                                 und sich ganz auf ihr Anlaufgefühl verlassen.
                                                                                                                                                                                                                                                                                 Katrin Müller-Rottgart sprühte schon als Kind vor Bewegungsfreude,
     Zwei Trainingseinheiten pro Woche stehen auf dem          ‚normale‘ Mannschaften,               Apropos Chancengleichheit: Noch sind die Handi-                        Müller-Rottgardt eine weitere Olympia-Teilnahme an. „Einen besse-                                    schwamm, nahm am Kinderturnen teil und tanzte im Ballett. Zur
     Programm, auch am Samstagvormittag um 11 Uhr
     wird geschwitzt: Aufwärmen mit Ball oder ohne,
                                                             aber wir Trainer achten bei cap-Teams                ein geschlossener Zirkel und spielen
                                                                                                     unter sich. In Buer nimmt die Mannschaft von
                                                                                                                                                                            ren Partner als Alexander Kosenkow, hätte sich Katrin nicht wün-
                                                                                                                                                                            schen können. Die beiden passen hervorragend zusammen, Alex ist
                                                                                                                                                                                                                                                                                 Leichtathletik fand sie als Zwölfjährige, als sie ihre Freundin zum Trai-
                                                                                                                                                                                                                                                                                 ning begleitete. Katrin ließ schnell ihr großes Sprinttalent erkennen
     Laufspiele, Gymnastik mit Dehnübungen – „ganz                 den Turnieren immer               Thomas Funke zwar am Vereinsleben teil, im Sinne                       ein Profi, der sich schnell in seine neue Rolle eingefunden hat“, unter-                             und war schon nach wenigen Wochen schneller als ihre sehende
     wichtig“, sagt Funke, „die Motorik ist bei den
     Jungs ja meist nicht ganz so gut“. Dann folgen ver-
                                                            besonders auf den Fair-Play- einer               echten Inklusion würde er sich aber wün-
                                                                                                     schen, dass entweder in seiner Truppe auch Kids
                                                                                                                                                                            streicht die Leiterin der Behindertensport-Abteilung des TV Watten-
                                                                                                                                                                            scheid 01 Leichtathletik, Simone Lüth, bei der Katrin Müller-Rott-
                                                                                                                                                                                                                                                                                 Freundin.
                                                                                                                                                                                                                                                                                 Dass man mit viel Fleiß und Ehrgeiz im Leben vieles erreichen kann,
     schiedene Übungen mit dem Ball, meist in Grüpp-                     Gedanken.“                  ohne Handicap mitspielen oder einer seiner Jungs                       gardt seit vier Jahren trainiert.                                                                    hat die mehrfache Deutsche Meisterin im Leben schon oft erfahren –
     chen, weil das fußballerische Niveau der Kids doch                                              auch mal in einer „normalen“ Mannschaft wie                                                                                                                                 nicht nur im Sport, sondern auch im Beruf. So absolvierte sie in Mar-
     sehr unterschiedlich ist, „und zum Abschluss im-                                                etwa der C3-Jugend in der großen Nachwuchsab-                          Schrittlänge und Armschwung anpassen                                                                 burg eine Ausbildung zur Physiotherapeutin und bestand die Prüfung
     mer ein Spielchen“.                                                             teilung der SSV mitmischt. „Manche gehen ja auch zur Regelschule“,                     Beim Sprint geht es oft um Hundertstel- manchmal sogar um Tau-                                       mit Bravour. „Als Blinde habe ich ein anderes Tastgefühl. Das ist in
     Funke muss dabei natürlich mehr leisten als ein Trainer einer her-              wirft Funke mit Blick auf die Inklusionsklassen an der Gesamt-                         sendstelsekunden. Alexander Kosenkow muss daher seine Schritt-                                       meinem Beruf ein großer Vorteil“, betont Katrin Müller-Rottgardt.
     kömmlichen Fußball-Mannschaft: Er ist in den 60 beziehungsweise                 schule Berger Feld ein.                                                                länge beziehungsweise seinen Armschwung exakt den Bewegungen                                         Um ihre hochgesteckten Ziele realisieren zu können, kommt die
     90 Minuten fast genau so aktiv wie seine Mitspieler, denn er muss               Bis es auch auf dem Platz so weit ist, wird es wohl noch ein wenig                     seiner Partnerin anpassen. Beim Startschuss schießen die beiden, die                                 amtierende Doppel-Europameisterin auf sechs bis acht Trainings-
     oft mitlaufen, korrigieren und vermeintlich einfache Dinge erklä-               dauern. Zumindest vom Outfit her ist die Handicap-Mannschaft                           mit einem kleinen Bändchen verbunden sind, aus den Blöcken und                                       einheiten in der Woche. „Ich danke vor allem meinem Arbeitgeber,
     ren – teils mit Händen und Füßen, denn schließlich sind auch Kin-               der SSV Buer aber inzwischen nicht mehr gegenüber den anderen                          fliegen synchron über die Kunststoffbahn.                                                            meiner Trainerin Simone Lüth, meinem Verein und meiner Familie.
     der dabei, die gar nicht sprechen können.                                       Teams im Verein benachteiligt. Ein lokaler Sponsor stiftete den                        Den Gewinn der Bronzemedaille von Rio betrachtet Katrin Müller-                                      Ohne deren vielfältige Hilfe könnte ich meinen Sport nicht aus-
     Weil nur Training, ohne mal einen echten Wettbewerb zu haben,                   „Rothosen“ einen kompletten Trikotsatz und neue Trainingsan-                           Rottgart als ihren bisher größten Erfolg. Recht hoch bewertet sie                                    üben“, betont die erfolgreiche Wattenscheiderin. Zu ihrem breit
     weniger Spaß macht, nimmt die Handicap-Mannschaft an der Tur-                   züge. |                                                                                auch ihre beiden Europameistertitel, die sie 2016 im italienischen                                   gefächerten Netzwerk zählt inzwischen auch ihr neuer Guide Alex-
     nierserie des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen teil.                                                             Heiko Buschmann                        Grosseto über 100 Meter und 200 Meter gewann. Diese Erfolge                                          ander Kosenkow, mit dem sie bei den Paralympics 2020 in Tokio auf
     Einmal im Monat messen sich die Teams für Menschen mit Behin-                                                                                                          möchte sie in diesem Jahr bei der Leichtathletik-EM für Menschen                                     dem Siegertreppchen stehen möchte. |
     derungen im Wettstreit, das nächste Turnier findet am 6. Mai beim                                                                                                      mit Behinderung vom 20. bis 26. August in Berlin wiederholen.                                                                                                    Peter Middel

18   WestfalenSport #2_2018                                                                                                                                                                                                                                                                                                     WestfalenSport #2_2018       19
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