WIE DIGITALISIERUNG GELINGT - Diffusion digitaler Technologien in der Beruflichen Bildung durch Lernortkooperation

Die Seite wird erstellt Pernilla Jakob
 
WEITER LESEN
WIE DIGITALISIERUNG GELINGT - Diffusion digitaler Technologien in der Beruflichen Bildung durch Lernortkooperation
Diffusion digitaler Technologien
in der Beruflichen Bildung
durch Lernortkooperation
          WIE DIGITALISIERUNG GELINGT

                           HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
WIE DIGITALISIERUNG GELINGT - Diffusion digitaler Technologien in der Beruflichen Bildung durch Lernortkooperation
VORWORT                                                      3

BERUFSSCHULEN
Schulorganisation und -leitung                              5
Lehrende                                                    8
Medienverantwortliche                                       10

AUSBILDENDE UNTERNEHMEN
Organisationsentwicklung –
Digitalisierungsstrategie, Implementierung und Lernkultur   13
Qualifizierung des Ausbildungspersonals                     16
Digitale Lehr- und Lernprozesse                             18
Netzwerke und digitale Lernortkooperation                   20

DIGITALDIENSTLEISTER
DER BERUFLICHEN BILDUNG
Wegweiser                                                   23
Akzeptanz und Offenheit                                     24
Produktvielfalt und Verbreitung                             25
Nutzerfreundlichkeit, Funktionalität und Ästhetik           26
Motivation zur Nutzung                                      29
Technische Ausstattung und Zugänglichkeit                   30
Umgang mit Daten                                            33
Kommunikation und Kooperation                               35

LITERATUR                                                   36

KONTAKT                                                     38
WIE DIGITALISIERUNG GELINGT - Diffusion digitaler Technologien in der Beruflichen Bildung durch Lernortkooperation
Vorwort

Die Digitalisierung der Arbeitswelt forciert einen Wandel von     Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
etablierten Berufsbildern und geht mit neuen Kompetenzbe-         (BMBF) geförderte Verbundprojekt Diffusion digitaler Tech-
darfen einher. Diese Entwicklung geht an der beruflichen Bil-     nologien in der Beruflichen Bildung durch Lernortkooperation
dung nicht spurlos vorüber. Mit der Digitalisierung wandeln       (DiBBLok) hat im Zeitraum von 2019 bis 2021 in einem For-
sich sowohl Ausbildungsinhalte als auch Ausbildungsme-            schungsverbund von TU Dresden, Fraunhofer IMW Leipzig
thoden. Digitale Medien bieten enormes Potenzial für mehr         und FH Dresden mit qualitativen und quantitativen Verfah-
Flexibilität und Leistungsfähigkeit in der beruflichen Bildung.   ren die förderlichen und hemmenden Faktoren der Digitali-
Sie entkoppeln Ort und Zeit voneinander und ermöglichen           sierung auf Ebene von organisationalen Strukturen und Pro-
neue Freiheitsgrade mit der Qualifizierungsangebote skaliert      zessen an den Lernorten der dualen Ausbildung untersucht.
und schneller an neue Entwicklungen und Bedarfe aber auch         Auf der Basis des im Projekt gemeinsam daraus entwickelten
neue methodische Zugänge angepasst werden können.                 Faktorensystem wurden Handlungsempfehlungen formu-
Durch die steigende Nutzung der Informations- und Kom-            liert, die sich über die Bereiche Berufsschule, Unternehmen
munikationstechniken in bestehenden und neuen Berufen             bis hin zu technologischen Aspekten erstrecken, und die für
ergeben sich Potenziale der Verschränkung und Vermittlung         die vorliegende Veröffentlichung aus den unterschiedlichen
von beruflichen Fertigkeiten, Fähigkeiten, Kenntnissen und        Teilprojekten zusammengeführt wurden.
Verhaltensweisen. Es ist daher von besonderer Bedeu-              Wir danken allen, die sich als Akteurinnen und Akteure von
tung, die Bedingungen des Gelingens der Digitalisierung in        beruflichen Schulen und ausbildenden Unternehmen sowie
der beruflichen Bildung zu identifizieren und Handlungs-          von Kammern und Technologiedienstleistern an den empi-
empfehlungen daraus abzuleiten, die es möglich machen,            rischen Erhebungen im Projekt DiBBLok beteiligt haben und
passgenaue und auf die jeweiligen Akteure und Akteurinnen         hoffen, dass die Empfehlungen der Projektgruppe zur Quali-
zugeschnittenen Angebote für eine zukunftsfähige Berufs-          tät der beruflichen Bildungspraxis beitragen können.
bildung zu entwickeln.

                                                                                                                          3
WIE DIGITALISIERUNG GELINGT - Diffusion digitaler Technologien in der Beruflichen Bildung durch Lernortkooperation
Berufsschulen

Die Basis für die nachfolgend dargestellten Handlungsempfehlungen bilden
qualitative und quantitative Erhebungen, wie sie im Forschungsprojekt
DiBBLok im Zeitraum von 2019 bis 2021 vom Verbundpartner
TU Dresden durchgeführt wurden. Um ein ganzheitliches Bild von
Digitalisierungsprozessen zu erhalten, wurden dabei zunächst Strukturdaten
des Online-Berichtshefts BLok analysiert und Interviews im Umfeld von
ausbildenden Unternehmen und Berufsschulen geführt, um darauf
aufbauend die Einrichtungen selbst auf der Makro-, Meso- und Mikroebene
im Rahmen von Fallstudien sowie einer Online-Befragung zu beforschen.

  4
WIE DIGITALISIERUNG GELINGT - Diffusion digitaler Technologien in der Beruflichen Bildung durch Lernortkooperation
SCHULORGANISATION
UND -LEITUNG

Digitalisierungsstrategie und
Budget für Digitalisierung

Ein wesentlicher Ankerpunkt bei der digitalen Transformation einer Organisation
sollte eine Digitalisierungsstrategie sein, in der klar definiert wird, welche Ziele mit
der Digitalisierung im Rahmen der beruflichen Ausbildung verbunden sind. Die
Verfügbarkeit eines Budgets für die Digitalisierung schafft zudem Handlungsspiel-
räume bei der Anschaffung und Erprobung von Technologien. Der übergreifen-
den Digitalisierungsstrategie wird eine höhere Bedeutung als dem Budget für die
Digitalisierung zugesprochen.

        HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

      Digitalisierung sollte fest im Leitbild der Schule verankert werden, ver-
      bunden mit einem Medienkonzept, in dem medienpädagogischen Ent-
      wicklungsziele und der Fortbildungsbedarf hinterlegt sind. Des Weiteren
      muss das Konzepte konkrete Umsetzungsmaßnahmen beinhalten.
      Schulen sollten ihre Verwaltung zunehmend digitalisieren und per-
      sonenbezogene Daten aktuell und sicher verwalten. Durch ein solches
      Datenmanagement können Informationen leichter abgerufen und weiter-
      verarbeitet werden.
      Die Arbeit mit digitalen Medien sollte sich in der Außendarstellung
      der Schule, z. B. auf der Website wiederfinden, um die Attraktivität der
      eigenen Schule zu erhöhen. Aktuell stellen erst wenige Berufsschulen dar,
      welche Rolle Digitalisierung im Berufsschulalltag spielt.
      Um das Budget zu erhöhen, ist die Teilnahme an Ausschreibungen und
      anderen staatlichen, sowie privat-wirtschaftlichen Förderungsmöglich-
      keiten ein wichtiger Beitrag zur Finanzierung. Dazu sollten Beratungs-
      angebote gesammelt werden und die stetige Sichtung dieser unter den
      Lehrenden aufgeteilt werden, damit die Arbeitsbelastung pro Person nicht
      zu hoch wird. Besonders hilfreich ist das Abonnieren von Newslettern.

                                                                                 5
WIE DIGITALISIERUNG GELINGT - Diffusion digitaler Technologien in der Beruflichen Bildung durch Lernortkooperation
Wissensmanagement                                              Kommunikation und Austausch

Für die Digitalisierung ist ein gut implementiertes Wissens-   Der Faktor Kommunikation/Austausch fokussiert die inner-
management von großer Bedeutung. Wissen sollte über-           organisationale Kommunikation und Kooperation im Sinne
greifend nutzbar gemacht werden, damit Erfahrungswissen        eines Austauschs (z. B. auch abteilungs-/standortübergrei-
nicht nur bei einzelnen Mitarbeitenden verbleibt und beim      fend). Wie die Kommunikation und der Austausch in der
Ausscheiden dieser Person aus dem Unternehmen wichtige         beruflichen Bildung ausgestaltet werden, hängt vom Engage-
Informationen verloren gehen. Ein gutes Wissensmanage-         ment einzelner Ausbildender sowie der Organisationskultur
ment kann die Verbreitung der Nutzung von Technologien         und den Strukturen der Berufsschulen und Ausbildungs-
für die betriebliche und schulische Ausbildung steigern.       betriebe ab. Kommunikation und Kooperation innerhalb
                                                               der Schule nehmen eine essenzielle Rolle im Rahmen der
                                                               Digitalisierung ein. Ohne sie sind Wissensaustausch und
        HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN                                  -management nicht möglich.

      Die Einrichtung einer digitalen Stunde, in der                  HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
      Lehrende ihre erfolgreichsten Projekte vorstel-
      len oder neuentdeckte digitale Werkzeuge sowie
      Ressourcen miteinander teilen, verbessert das                  Um die didaktische Aufbereitung von Aufgaben
      Wissensmanagement.                                             mit Digitalisierung zu unterstützen, sollten diverse
      Berufsschulen sollten Datenbanken zur Verfügung                Austauschmöglichkeiten zwischen den Lehrenden
      stellen, auf denen Lehrende ihre Unterrichtsmate-              gefördert werden. Darüber hinaus könnten gemein-
      rialien dem Kollegium zur Verfügung stellen können.            same Vorbereitungsstunden angeboten werden.
      Auf diese Weise können die Materialien kooperativ              Lehrende sollten sich einmal monatlich zu einer
      weiterentwickelt und bei Ausfällen leicht für Vertre-          digitalen Stunde zusammenfinden. Hier können sie
      tende zugänglich gemacht werden.                               digitale Werkzeuge vorstellen, neue medienpäda-
      Administrative Informationen, wie der aktuelle                 gogische Konzepte diskutieren sowie Schulungen
      Stunden- oder Vertretungsplan, sollten zentral auf             zur Bedienung von neuen Geräten anbieten. Auf
      der Website oder per E-Mail zur Verfügung gestellt             diese Weise sollen das häufig schon vorhandene
      werden. Push-Benachrichtigungen bei Änderungen,                Potenzial und die individuellen Erfahrungswerte für
      mit denen viele Personen ohne direkte Interaktion              das gesamte Kollegium nutzbar gemacht werden.
      erreicht werden können, sind ebenfalls hilfreich.              Für die Kommunikationswege sollten nicht zu viele
                                                                     redundante Tools verwendet werden.

    6
WIE DIGITALISIERUNG GELINGT - Diffusion digitaler Technologien in der Beruflichen Bildung durch Lernortkooperation
Implementierungsprozesse                                       Lernortkooperation

Implementierung beschreibt den gesamten Prozess der            Lernortkooperation beschreibt die Vernetzung und Zusam-
Einführung von Digitalisierung innerhalb einer Organisation.   menarbeit verschiedener Organisationen: Im Rahmen der
Dazu gehören folgende Schritte:                                dualen Ausbildung sind hiermit vorwiegend die ausbilden-
1 | Vision und Initialisierung                                 den Unternehmen und Berufsschulen gemeint. Durch den
2 | Bildungsdiagnose – Analyse des Ist- und Soll-Zustands      Einsatz digitaler Technologien kann die (Lernort-)Koopera-
3 | Konzeption und Design                                      tion orts- und zeitunabhängiger umgesetzt werden.
4 | Realisierung und Produktion
5 | Betriebliche Umsetzung
                                                                      HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

        HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
                                                                     Allgemein gilt es, digitale Informationsübermitt-
                                                                     lung für die Lernortkooperation zu nutzen.
      Bei der Implementierung sollte vor allem die Parti-            Für die Auszubildenden sollten Informationen über
      zipation der Teilnehmenden frühzeitig beginnen                 ihren jeweiligen Lernstand digital so dokumentiert
      und ausreichend Raum erhalten. Dabei sollten                   werden, dass im Anschluss beide Dualpartner dar-
      Workshops zur Bedarfsanalyse durchgeführt und                  auf zugreifen können.
      Mitverantwortlichkeiten bei der Konzeption sowie               Es empfiehlt sich, feste Kooperationsvereinbarun-
      Realisierung vergeben werden.                                  gen mit Betrieben zur Förderung der digitalen
      Renovierungsphasen sollten genutzt werden, um                  Kompetenzen der Auszubildenden zu treffen und
      Veränderungen voranzutreiben. Dazu muss die                    schriftlich festzuhalten.
      Planung in Zusammenarbeit mit der Schulleitung                 Vertretende der Unternehmen sollten als Berate-
      erfolgen, die darauf aufbauend gezielt Einfluss neh-           rinnen bzw. Berater herangezogen werden. Dazu
      men kann.                                                      eignet sich ein jährlich tagender Ausschuss. Es gilt
                                                                     darauf zu achten, dass die Betriebe kontinuierlich
                                                                     Auszubildende stellen und die zeitliche Belastung
                                                                     nicht zu stark wird, damit eine aktive Zusammen-
                                                                     arbeit erhalten bleibt.

                                                                                                                        7
WIE DIGITALISIERUNG GELINGT - Diffusion digitaler Technologien in der Beruflichen Bildung durch Lernortkooperation
LEHRENDE

Didaktik

Digitales Lernen eröffnet eine große Bandbreite an Lernme-
thoden, die von interaktivem Austausch über Simulationen
bis hin zum digitalen Testing reichen. Auch die Formate kön-
nen von Präsenz mit digitalen Anreicherungen über hybride
Strukturen bis hin zu kompletten Online-Formaten reichen.
Im Zusammenhang mit der Didaktik ist daher sowohl eine
entsprechende Anpassung der Lernmethoden und -umge-
bungen als auch die der Lerninhalte von Bedeutung. Aus
diesem Grund ergeben sich Handlungsempfehlungen in
mehreren Teilbereichen.

       HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

      LERNUMGEBUNG                                             SOZIALFORMEN
      Eine praxisnahe Ausbildung kann mit Simulationen         Gruppenarbeiten sollten mit gemeinsamer Cloud-
      und digitalen Reparaturleitfäden sowie Erklär-           Speicherung, dem leichten Verteilen von Doku-
      videos unterstützt werden. Für die Prüfungsvorbe-        menten und dem Austausch über verschiedene
      reitung sollten digitale Self-Assessments angeboten      Netzwerke wie E-Mail, WhatsApp, Skype, Discord,
      werden.                                                  LernSax oder Zoom unterstützt werden.

      MEDIENDIDAKTISCHE METHODEN UND FORMATE                   FEEDBACK
      Damit digitale Medien ihren Mehrwert in Bezug auf        Unmittelbares Feedback bei Self-Assessment-
      die Unterrichtsgestaltung entfalten, ist es sinnvoll,    Aufgaben unterstützt den Lernprozess und
      die 45-Minuten-Taktung aufzubrechen und den              motiviert dazu, eigenständig weitere Übungen zu
      Auszubildenden zunehmend freie Arbeitszeiten             bearbeiten.
      anzubieten, in denen sie selbstgesteuert entschei-       Zur Etablierung einer konstruktiven Fehlerkultur
      den, welche Inhalte sie in welcher Intensität bearbei-   muss diese durch die Lehrenden in Form von primär
      ten möchten.                                             formativen anstelle von summativ genutztem Feed-
      Auszubildende sollten dazu angeleitet werden, ihre       back aufgebaut und auch vonseiten der Schulleitung
      Dokumentationen zu Lernzwecken zu nutzen,                gelebt werden.
      damit sie einen tatsächlichen Mehrwert aus der kon-
      tinuierlichen und ausführlichen Berichtheftführung
      ziehen können.
      Bei physischen Unterlagen sollte ein Ordner mit
      allen Materialen zum Einscannen angelegt werden.

   8
WIE DIGITALISIERUNG GELINGT - Diffusion digitaler Technologien in der Beruflichen Bildung durch Lernortkooperation
Qualifizierung und Weiterbildung

Durch Veränderungen der Arbeitswelt sind Einrichtungen       HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
der beruflichen Bildung angehalten, die Kompetenzen und
Qualifikationen ihrer Mitarbeitenden und der Lehrenden
ständig den aktuellen Anforderungen anzupassen. Organi-     Die Lehrenden müssen in Bezug auf die Digitalisie-
sationales und digitalisierungsbezogenes Wissen gewinnt     rung auf unterschiedlichen Ebenen Kompetenzen
zunehmend an Bedeutung für Innovations- und Wettbe-         erlangen. Neben der Bedienfähigkeit sollten auch
werbsfähigkeit von Unternehmen und Schulen. Die Bereit-     Kompetenzen zu medienpädagogischen Gestal-
schaft zu Qualifizierungs- und Weiterbildungsangeboten      tungsprozessen vermittelt werden.
ist – neben der generellen Motivation und persönlichen      Durch regelmäßige Schulungen der Lehrkräfte
Akzeptanz von Digitalisierungsprozessen – essenziell für    können vorhandene technische Kompetenzen und
die Einführung neuer Prozesse und Strukturen in Bezug auf   die Akzeptanz digitaler Technik weiter verbessert
Digitalisierung.                                            werden.
                                                            Die Bedienkompetenzen sind bei den Ausbildenden
                                                            geringer ausgeprägt als bei den Auszubildenden,
                                                            was zu einer geringeren Nutzungshäufigkeit vom
                                                            Online-Berichtsheft Blok geführt hat. Für die erfolg-
                                                            reiche Diffusion digitaler Technologien sollte daher
                                                            die Bedienkompetenz der Ausbildenden erhöht
                                                            werden.

                                                                                                              9
WIE DIGITALISIERUNG GELINGT - Diffusion digitaler Technologien in der Beruflichen Bildung durch Lernortkooperation
MEDIENVERANTWORTLICHE

Organigramm und                                              Technische Ausstattung
Verantwortlichkeiten
                                                             Die Verfügbarkeit von geeigneter Technik ist der Drehpunkt
                                                             aller Digitalisierungsprozesse in der dualen Ausbildung und
Das Organigramm als grafische Darstellung der Struktur       wird als sehr relevant eingestuft. Neben der technischen
einer Organisation kann Abteilungen, Einheiten und kon-      Ausstattung scheinen insbesondere die Nutzerfreundlichkeit
krete Personen beinhalten und ihr Verhältnis zueinander      und Funktionalität der Tools relevant zu sein. Die Ästhe-
abbilden sowie klare Zuständigkeiten, Aufgabenverteilungen   tik oder das Image der Anwendung ist dagegen weniger
sowie Arbeitsbereiche und Kommunikationswege auch in         relevant.
Bezug auf die Digitalisierung fest- und offenlegen. Ohne
geregelte Verantwortlichkeiten innerhalb der Schulstruktur
können Veränderungsprozesse nicht ihr gesamtes Potenzial            HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
entfalten.

                                                                   WLAN sollte für alle im gesamten Schulgelände ver-
        HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN                                      fügbar sein, einschließlich für die Auszubildenden.
                                                                   Mit der Anschaffung von Groupware zum digitalen
                                                                   Teilen von Informationen wird das Wissensmanage-
      Schulen sollten Verantwortlichkeiten für Digitali-           ment unterstützt. Im besten Fall werden konkrete
      sierung transparent im Organigramm festhalten.               Zeiträume für die Dokumentation eingeplant und
      Dabei empfiehlt es sich, eine datenschutz- und               von der Leitungsebene anerkannt und honoriert.
      administrationsbeauftragte Person zu benennen.               Bei Lernplattformen ist es sinnvoll, zunächst
      Zusätzlich sollten Arbeitsgruppen zu einzelnen               auf Open-Source-Varianten zurückzugreifen oder
      Tools gefördert und in jedem Fachbereich eine ver-           bundeslandspezifische Plattformen zu nutzen. Die
      antwortliche Person für Technik benannt werden,              tatsächliche Nutzung erhöht sich, wenn diese den
      die den branchenspezifischen Anschaffungsbedarf              Lehrenden offensiv nahegelegt und das Anlegen von
      definiert.                                                   Kursen unterstützt wird.
      Das Spannungsfeld zwischen freiem Zugang zur                 Die Entscheidung über die Anschaffung neuer
      und Schutz der Technik ist zu beachten. Um Van-              Geräte und Software sollte auf der Basis der bereits
      dalismus und Diebstahl vorzubeugen, werden sonst             vorhandenen Technik erfolgen. Damit können
      offen zugängliche Räume häufig abgeschlossen.                Redundanzen vermieden und Kompatibilität und die
      Eine bessere Kontrolle kann aber z. B. auch dadurch          Verfügbarkeit von Schnittstellen abgesichert werden.
      erreicht werden, dass frei zugängliche Medienplätze          Ist die technische Ausstattung für die branchenspe-
      neben dem Lehrerzimmer eingerichtet werden.                  zifischen Fächer veraltet, kann sie unter Umständen
      Freie Räume sollten für spezielle Nutzungsszenarien          für die allgemeinbildenden Fächer trotzdem noch
      gestaltet werden. Außerdem sollten mehr Lernflä-             genutzt werden.
      chen für Projektarbeiten und Selbstlernphasen                Das Nutzungserlebnis für die Auszubildenden
      vorgesehen werden.                                           kann durch Apps im Verhältnis zu klassischen Web-
                                                                   site-Interfaces deutlich gesteigert werden.

   10
Verwaltung und                                                           Digitale mediendidaktische Methoden,
  Kommunikationsstrukturen digitalisieren                                  Formate und Sozialformen nutzen, um den
  Wissensmanagement durch                                                  Transfer auf reale Sachverhalte zu erleichtern
  digitale Datenbanken anreichern                                          Unmittelbares Feedback geben
  Austausch zwischen Lehrenden ermöglichen                                 Praxisnahe Ausbildung durch
  Viel Raum und Zeit für                                                   Simulationen ermöglichen
  Veränderungsprozesse einrichten                                          Bereitschaft zur Qualifizierung und
  Lernortkooperationen durch digitale                                      Weiterbildung in den Bereichen
  Informationsübermittlung erleichtern                                     Bedienfähigkeit und digitale Technik zeigen

Schulleitung                                                          Lehrende

                   Medienverantwortliche

                       Verantwortlichkeiten für Digitalisierung transparent festhalten
                       Frei zugängliche Medienplätze anbieten
                       WLAN-Infrastruktur auch für Auszubildende einrichten
                       Neue Ausstattung auf die Kompatibilität mit der bisherigen Technik prüfen

                                                                                                                    11
Ausbildende
Unternehmen

Die hier vorliegenden Handlungsempfehlungen stellen einen Auszug aus
der seitens des Fraunhofer IMW veröffentlichten Broschüre Individuelle und
organisationale Kompetenzen für eine digitale und vernetzte betriebliche Bildung –
eine Handreichung für ausbildende Unternehmen (Preissler et al., 2021) dar.
Die im Folgenden dargestellten Empfehlungen basieren auf den Ergebnissen
von qualitativen Untersuchungen, die im Anschluss durch quantitative
Erhebungen bestätigt wurden.

  12
ORGANISATIONSENTWICKLUNG –
DIGITALISIERUNGSSTRATEGIE,
IMPLEMENTIERUNG UND
LERNKULTUR

Digitalisierungsstrategie

Ein wesentlicher Ankerpunkt bei der digitalen Transforma-        HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
tion einer Organisation sollte eine Digitalisierungsstrategie
sein, in der klare Ziele hinsichtlich der Digitalisierung im
Rahmen der beruflichen Ausbildung definiert werden. Diese       Dem Veränderungsprozess zuträglich ist die proak-
Ziele variieren stark zwischen den Organisationen und hän-      tive Entwicklung einer von allen Führungskräften
gen zudem vom digitalen Reifegrad der Unternehmen ab.           und Mitarbeitenden getragenen Unternehmens-
Sie können (Ausbildungs-)Prozesse und (Ausbildungs-)Struk-      kultur, die eine Innovationskultur befördert. Kultur-
turen, Produkte oder die Unternehmenskultur betreffen. Die      wandel beginnt dabei in den Köpfen aller Mitarbei-
Digitalisierung der Ausbildungs- und Geschäftsprozesse ist      tenden im Unternehmen. Eine Innovationskultur
eine wichtige Säule der Digitalisierung. Die Vereinfachung      zeichnet sich unter anderem durch die Schaffung
und Automatisierung von Arbeitsprozessen durch Digitalisie-     von Räumen für Interaktion und Kommunikation
rung haben das Potenzial Kosten zu reduzieren, die Aus-         sowie durch das Reflektieren von traditionellen Hier-
bildungsqualität zu verbessern sowie die Zufriedenheit der      archien und Rollen aus.
Mitarbeitenden zu steigern.                                     Ein hohes Maß an Selbststeuerung, welches
Vor der Formulierung einer Digitalisierungsstrategie emp-       sogenannte Innovatorinnen und Innovatoren sowie
fiehlt es sich daher, den digitalen Reifegrad und somit den     „Early Adaptors“ als engagierte Vorreiter bzw. Vor-
Startpunkt der Transformation zu bestimmen. Das Change-         reiterinnen wirken lässt, kann zudem helfen, die
management greift diese Strategie auf und unterstützt den       Eigenverantwortung und Motivation aller Mit-
sich anschließenden, umfangreichen, organisationalen oder       arbeitenden zu stärken.
unternehmerischen Veränderungsprozess. Dieser Verände-          Die Einbindung digitaler Inhalte und Lernmedien
rungsprozess berührt Kultur, Strukturen und Strategien im       sollte in der Ausbildung nicht lediglich auf operativer
Unternehmen und wird meist nicht schleichend, sondern in        Ebene, sondern vor allem strategisch erfolgen.
einem zeitlich begrenzten Zeitrahmen durchgeführt.

                                                                                                                  13
Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie                Eine sich hier anschließende Möglichkeit der gezielten Plat-
für die Ausbildung                                         zierung von Digitalisierungsthemen kann in der bewussten
                                                           Reformierung des betrieblichen Ausbildungsplanes liegen.
                                                           Die gestaltungsoffenen Formulierungen der Ausbildungsord-
                                                           nung können genutzt werden, um diese durch eigene, digi-
        VERANTWORTLICHKEITEN REGELN                        tale Inhalte zu ergänzen, die für die Strategie des Unterneh-
             Zunächst werden in einer ersten Akti-         mens von Relevanz sind. Im betrieblichen Ausbildungsplan
             vierungsphase Verantwortlichkeiten            können demnach auf der Ebene der sachlichen Gliederung
             bestimmt, was z. B. durch die Bildung einer   Lernmethoden und digitale Formate, Medien sowie Themen
             „Task-Force” realisiert werden kann, inner-   und Inhalte platziert werden.
             halb derer eine gemeinsame Vision sowie       Leitfragen, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung
             eine daran anknüpfende Mission                sind (vgl. Funk/Weber, 2017):
             der Organisation entwickelt wird.                 Welches Ziel möchten wir durch den Einsatz welcher
                                                               digitalen Technologie erreichen?
                                                               Woran erkennen wir, dass die Ziele erreicht wurden?
        IST-ZUSTAND ANALYSIEREN                                Nach welchen Kriterien werden digitale Medien für das
             Die dann stattfindende Analyse des Ist-           Arbeiten und Lernen ausgewählt?
             Zustandes erfasst den Status quo bezogen          Wann wird was von wem eingesetzt?
             auf den aktuellen Digitalisierungsgrad der
             Organisation in ihren einzelnen, die Aus-
             bildung betreffenden Ebenen.

                                                           Implementierungsprozess
        POTENZIALE ERMITTELN
             In der anschließenden Potenzialanalyse
             können sodann Handlungsfelder identi-         Die Entscheidung zu einer Adaption im Sinne der Einführung
             fiziert und gezielt Innovationsimpulse        einer neuen Technologie in der betrieblichen Ausbildung
             gesetzt werden. (Welche Zukunftstrends        wird im Rahmen eines Innovationsadaptionsprozesses
             gibt es? Welche passen zu unserem Unter-      getroffen. Mit der Implementierung dieser Technologie wird
             nehmen? Wie können wir die Qualität der       in diesem Zusammenhang der gesamte Prozess der Ein-
             Ausbildung nachhaltig steigern?)              führung in vorhandene Strukturen und Prozessabläufe des
                                                           ausbildenden Unternehmens in den Blick genommen.
                                                           Für einen erfolgreichen Implementierungsprozess müssen
        DIGITALISIERUNGSSTRATEGIE FESTHALTEN               im allgemeinen fünf verschiedene Stufen bearbeitet werden
             Beispielsweise können in Form einer Road-     (vgl. Lehmann/Mandl, 2009):
             map mit zeitlichen Markierungen künftige          Vision und Initialisierung
             Entwicklungsschritte festgehalten werden.         Bildungsdiagnose – Analyse des Ist- und Soll-Zustands
             Diese Roadmap der digitalen Transforma-           Konzeption und Design
             tionsstrategie berücksichtigt bestenfalls         Realisierung
             Technologien sowie Technologie-Kompe-             Betriebliche Umsetzung.
             tenz und einzelne Umsetzungsschritte
             innerhalb der Handlungsfelder.

        NÄCHSTE SCHRITTE KOMMUNIZIEREN
             Transparenz wird schließlich über die Kom-
             munikation der nächsten Schritte durch
             die Verantwortlichen gewährleistet.

   14
Ein gelungener Implementierungsprozess digitaler Techno-         Die Diffusion im Sinne einer kommunikativen Verbreitung
logien in der beruflichen Bildung setzt eine systematische       von neuen Technologien ist stark vom Verhalten der Mit-
Vorbereitung vor der Einführung voraus, die nur den letzten      arbeitenden und Führungskräfte abhängig und kann sich
Schritt eines umfangreichen Prozesses darstellt. Eine geteilte   durchaus als ein Hindernis, als sogenannte Adaptionsbar-
Vision innerhalb der Organisation und strategische Über-         riere, erweisen. Fehlendes Bewusstsein für die Vorteile der
legungen sind demnach essentiell. Die Erfahrungen der            Technologie kann zu Adaptionswiderständen führen, mit der
Praxis zeigen, dass es im Rahmen der Adaption und Imple-         Konsequenz, dass das Nutzenpotenzial der Innovation nicht
mentierung neuer digitaler Tools zielführend sein kann, zwar     erkannt wird. Für die Förderung der Akzeptanz bei den Aus-
strategisch langfristig zu denken, jedoch operativ in kleinen    bildungsbeteiligten ist es von Bedeutung, sowohl technisch/
Schritten vorzugehen:                                            didaktisch als auch organisatorisch geeignete Maßnahmen
                                                                 zu ergreifen.

       HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN                                            HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

      Zunächst einzelne Prozesse zu digitalisieren und/                Es sollte regelmäßig erfasst werden, wie bedarfs-
      oder durch Testings und Pilotierungen einzelne                   gerechte Unterstützungsmaßnahmen aussehen
      Tools in abgegrenzten Unternehmenseinheiten                      und wo diese am wirksamsten sind. Zu Unterstüt-
      zu erproben, kann hilfreich sein, um ressourcen-                 zungsmaßnahmen können Schulungen, Coachings,
      sparend zu arbeiten und Mitarbeitende nicht zu                   externe Beratungsleistungen u. v. m. zählen. Wichtig
      überfordern.                                                     ist, dass die einzelnen Akteure und Akteurinnen sich
      Es kann zielführend sein, Neuheiten in den Rän-                  nicht allein gelassen fühlen, sondern bei Problemen
      dern von Organisationen zu erproben, da in diesen                unterstützende Strukturen vorfinden.
      „Randbereichen“ im Sinne von einzelnen Abteilun-                 Bei der Einführung neuer Technologien oder neuer
      gen mehr Freiheiten, aber auch mehr Kontakte zu                  (auch technischer) Infrastrukturen ist es zunächst
      anderen Organisationen existieren als im stabilitäts-            wichtig, die Akzeptanz aller Beteiligten zu erhalten.
      erhaltenden Kern.                                                Dafür sollten vor allem die Vorteile sichtbar gemacht
      Im Sinne einer „Diffusion“ können sich diese Inno-               werden. Jeder und jede Einzelne sollte erkennen
      vationen und die Erkenntnisse, die mit deren Ein-                können, welche Erleichterungen oder neuen Möglich-
      führung einhergingen, im Unternehmen schrittweise                keiten sich für die Organisation, aber auch für die
      ausbreiten.                                                      einzelne Person ganz persönlich ergeben. So kann die
                                                                       Mitwirkungsbereitschaft erhöht werden.
                                                                       Für ein größtmögliches Commitment sollten Mitar-
                                                                       beitende frühestmöglich in den Prozess einbezogen
                                                                       werden. Transparenz kann über Wissensvermitt-
                                                                       lung geschaffen werden, indem eine Aufklärung
                                                                       über die Vorteile, die Komplexität, die Kompatibilität
                                                                       sowie über Funktionsweisen erfolgt.
                                                                       Es sollte geprüft werden, ob die einzuführende
                                                                       Technologie kompatibel mit bisherigen Arbeits-
                                                                       abläufen, Verhaltensweisen, Kompetenzen sowie
                                                                       mit bisher eingesetzten Tools/Technologien und
                                                                       vorhandenen technischen Standards ist. Ist die Kom-
                                                                       patibilität nicht gewährleistet, müssen alle notwen-
                                                                       digen Maßnahmen ergriffen werden, um eine gute
                                                                       Basis für die Technologieeinführung zu schaffen.

                                                                                                                             15
QUALIFIZIERUNG
                                                                  DES AUSBILDUNGS-
                                                                  PERSONALS

Die Erfahrungen der Praxis zeigen, wie wichtig es ist, die Aus-   Durch Veränderungen der Arbeitswelt sind Unternehmen
wahl der Tools, Medien und Technologien an den Bedarfen           der beruflichen Bildung angehalten, die Kompetenzen und
und Rahmenbedingungen des jeweiligen Ausbildungsberu-             Qualifikationen ihrer Mitarbeitenden und der Ausbilden-
fes anzupassen. Hinsichtlich der Passung der Technologie          den ständig den aktuellen Anforderungen anzupassen.
ergeben sich höchst individuelle Konstellationen je nach          Organisationales und digitalisierungsbezogenes Wissen
Branche, Technologisierungsgrad, Mobilitätsgrad oder              gewinnt zunehmend an Bedeutung für Innovations- und
Anforderungen.                                                    Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Neben den vier
So können Redundanzen der eingeführten Instrumente zur            klassischen Kompetenzfeldern Fach-, Methoden-, Selbst- und
Folge haben, dass sich Funktionalitäten der einzelnen Tools       Sozialkompetenz gewinnen neue, transversale Kompetenzen
überschneiden und Mitarbeitende eine Überforderung                zunehmend an Bedeutung: Selbstorganisation, Flexibilität,
erleben. Bedeutsam ist, dass die digitalen Technologien, die      kommunikative Fähigkeiten und Problemlösefähigkeiten.
als Lernunterstützung fungieren sollen und demnach als
didaktisches Werkzeug zu verstehen sind, in ein Lehrkonzept
eingebettet werden. Zwar können Bildungstechnologien oder
andere digitale Instrumente neue Möglichkeiten, beispiels-
weise eine individualisierte Förderung, bieten, jedoch erzeugt
ihr Einsatz nicht ohne Weiteres einen Mehrwert und erfor-
dern seitens der Nutzenden ein hohes Maß an Selbststeue-
rung. Eine ausgewogene Kombination neuer Technologien
und herkömmlicher Methoden ist daher empfehlenswert.

   16
HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

In kleineren Betrieben, in denen Strukturen für Wei-   Zielführend kann es außerdem sein, zunächst im
terbildung fehlen bzw. wenig organisierte Planung      Rahmen von Pilotprojekten neue Technologien in
hierfür stattfindet, können einzelne Mitarbeitende,    einem kleinen Unternehmensbereich zu erproben
die an einer Fortbildung teilgenommen haben, als       (unter Implementierungsprozess beschrieben) und
Multiplikatoren und Multiplikatorinnen und/            entsprechend die Qualifizierungen in einem klei-
oder Lern-Promotoren und -Promotorinnen des            nen Team durchzuführen. Erfahrung dieser ersten
erworbenen Wissens für ein Peer-to-Peer-Lernen         Implementierung können dann in der Anpassung
eingesetzt werden.                                     der Roadmap für die digitale Transformation
Erfolgreiche Organisationen sorgen u. a. durch         und entsprechend in der strategischen Planung des
Ausbildung, betriebliche Weiterbildung sowie durch     Kompetenzaufbaus münden. Schulungen, die im
in Arbeitsprozesse integriertes Lernen für einen       Rahmen der Implementierung neuer Technologien
stetigen Lernprozess ihrer Mitarbeitenden. Insbe-      durchgeführt werden, haben zudem den Vorteil des
sondere bei der Implementierung neuer Techno-          in Arbeitsprozesse integrierten Lernens.
logien müssen neuartige Handlungsabläufe ein-          Bei den geplanten Bildungsangeboten und Schu-
geübt werden. Insbesondere große Unternehmen           lungen sollte auf eine Zielgruppenorientierung
präferieren die praxisorientierte Vermittlung von      geachtet werden (z. B. nach Nutzungstypen oder
Wissen und einen in Arbeitsprozesse integrierten       Altersgruppen). Mitarbeitende sollen dabei best-
Kompetenzaufbau.                                       möglich in ihrer jeweiligen Lebenswelt „abgeholt“
Ein erfolgreicher Kompetenzaufbau im Rahmen            und begleitet werden, damit der Kompetenzerwerb
der digitalen Transformation setzt eine konkrete       und das Lernen nachhaltig funktionieren können.
Planung und Strategie voraus. Die Digitalisierungs-    Die Ansprüche und Anwendungsszenarien gerade
strategie im Sinne einer Transformationsstrategie      für den Erwerb digitaler Kompetenzen können
sollte dabei konkret erfassen, welche Kompetenzen      äußerst heterogen sein, daher sind individuali-
notwendig sind (sowie dafür notwendige Ressour-        sierte und passgenaue Schulungen vonnöten, um
cen und Zeit), um diese zur Umsetzung zu bringen.      das Potenzial der getätigten Bildungsinvestitionen
Denn aus dem Einsatz neuer Technologien im Rah-        bestmöglich zu nutzen.
men der Ausbildung folgen neue Anforderungen an        Zudem kann es sinnvoll sein, für die Mitarbeitenden
Kompetenzen.                                           (respektive in die Ausbildung involvierte Personen)
                                                       fest etablierte zeitliche Strukturen zu schaffen.
                                                       Die Erfahrungen aus der Bildungspraxis zeigen, wel-
                                                       chen Mehrwehrt die Einführung einer „digitalen
                                                       Stunde“ bietet, in der Peer-to-Peer-Schulungen zu
                                                       bestimmten Themen stattfinden oder die als Selbst-
                                                       lernphase intensiv genutzt werden kann.

                                                                                                         17
DIGITALE LEHR- UND LERNPROZESSE

Die Digitalisierung von Lehr- und Lernprozessen ist elemen-
tar für eine zeitgemäße Ausbildung, welche sich im digitalen   Das Engagement der Auszubildenden sollte darüber
Wandel befindet. Denn Arbeit 4.0, Ausbildung 4.0 und Ler-      hinaus durch eine integrierte Feedback-Kultur
nen 4.0 sind nicht getrennt voneinander zu denken.             gestärkt werden. Die internen Rückmeldungen
                                                               können zusätzlich die Ausbildungsqualität steigern.
                                                               Diese besser ausgebildeten und motivierten Mitar-
        HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN                                  beitenden sind für den Betrieb sehr wertvoll, daher
                                                               sollten durch digitale Tools Anreize geschaffen
                                                               werden.
      Um die Akzeptanz dieser Veränderungen, die mit           Die Ausbildenden sind ein wichtiger Faktor einer
      dem digitalen Wandel einhergehen, zu fördern und         positiven Lehr-/Lernatmosphäre. Daher sollte nicht
      die Digitalisierung inklusiver zu gestalten, sollte      primär eine reine und instruierte Wissensvermitt-
      zunächst eine positive Lernkultur im Unterneh-           lung verfolgt werden. Vielmehr sollten sie zuneh-
      men gefördert werden. Diese positive Lernkultur          mend als Prozessbegleitende durch die Auszubil-
      kann durch Fehlerakzeptanz, Zusammenhalt, eine           denden wahrgenommen werden.
      positive Feedbackkultur und Wertschätzung begüns-        Der Übergang zwischen einem „Lehrenden“ und
      tigt werden. Die individuelle Unterstützung von          einer agilen Lernbegleiterin bzw. einem agilem
      Auszubildenden durch digitale Lösungen ist darüber       Lernbegleiter sollte vom Unternehmen und zudem
      hinaus förderlich für die Gestaltung einer positiven     durch digitale Lösungen unterstützt werden. Durch
      Lernatmosphäre.                                          diese Lehrmethode können sich Auszubildende
      Bei einer offenen, positiven Lernkultur, welche die      besser integriert fühlen und eine bessere Unterstüt-
      Selbststeuerung der Auszubildenden fördert, steigt       zung erfahren, welche besonders für die jüngeren
      die Wahrscheinlichkeit, dass sich die angehenden         Auszubildenden eine große Stütze sein kann.
      Fachkräfte aus Eigeninitiative mehr einbringen.          Bei mehreren Ausbildenden in einem Betrieb sollte
      Diese Impulse der Auszubildenden sollten einbe-          dieses Kollektiv genutzt werden, um Lösungen,
      zogen werden, um sie am Fortschritt zu beteiligen        Methoden und Tools gemeinsam zu entwickeln
      und die Digitalisierung der Prozesse individuell pas-    und zu nutzen. Der Zusammenschluss der Aus-
      send auf die Ausbildung zuzuschneiden. Denn die          bildenden sollte das Lehren effektiver und ressour-
      neu etablierten Lerninhalte, Methoden und Formate        censparender machen, indem zeitliche Ressourcen
      können die Motivation bei den Auszubildenden             in die partizipative Entwicklung von Methoden und
      fördern, was wiederum zu einer erhöhten Lernbe-          Lösungen investiert werden. Gleichzeitig kann dies
      reitschaft und damit qualitativ besseren Ausbildung      im Sinne eines „Peer-to-Peer-Lernens“ zum Kompe-
      führt.                                                   tenzzuwachs beitragen.

   18
Blended-Learning-Ansätze sollten genutzt werden,       Die digitale Qualifizierung der Auszubildenden ist
um E-Learning-Lösungen mit vorhanden Präsenz-          relevant, um Digitalisierung erfolgreich und lang-
Lernmethoden zu verbinden. Die digitalen Lern-         fristig im Unternehmen zu verankern und zukünftige
methoden ermöglichen mehr Flexibilität für Ausbil-     digital affine Mitarbeitende auszubilden. Durch die
dende und Auszubildende.                               Förderung der digitalen Grundkompetenzen sind
Die E-Learning-Lösungen können außerdem große          die angehenden Fachkräfte gleichzeitig für digitale
Abwechslung in der Wissensvermittlung bieten. Ins-     Trends der Zukunft gerüstet.
besondere video-gestütztes Lernen ist eine beson-      Zudem können spezifisch angelegte Qualifizie-
ders auszubildendenzentrierte Methode der Wis-         rungsmaßnahmen auch im Sinne von Zusatzquali-
sensvermittlung und wird meist gut angenommen.         fikationen als ein mögliches Flexibilisierungs-
Hierbei können Auszubildende auch von externem         instrument eingesetzt werden, um die Qualität der
Wissen und Experten und Expertinnen profitieren.       Ausbildung zu steigern und das Ausbildungsunter-
Eine der individualisiertesten E-Learning Lösungen     nehmen zusätzlich für angehende Auszubildende
für eine zukunftsfähige Trainingskultur ist das Ler-   attraktiver zu machen. So kann es zielführend sein,
nen am „Digital Twin“. Hierbei werden Aufgaben         branchenbezogene Schulungen für Auszubildende
oder komplette Betriebsabläufe digital simuliert,      anzubieten, um ihnen neben der Berufsausbildung
die von den Auszubildenden bearbeitet werden           eine zusätzliche Profilierung zu ermöglichen.
können. Dieses Lernen erlaubt es Auszubildenden,
selbstständiger Dinge auszuprobieren und Fehler
zu machen, ohne schwerwiegende Konsequenzen
befürchten zu müssen. Durch diese digitale „Hands-
on Methode“ können Auszubildende sich Eigenstän-
digkeit und die Fähigkeit, Probleme selbstständig zu
lösen, aneignen.

                                                                                                        19
NETZWERKE UND
DIGITALE LERNORTKOOPERATION

Ein zentrales Ziel im Hinblick auf die Kooperationen der an der beruflichen Bildung
beteiligten Lernorten sollte sein, die methodisch-didaktische Zusammenarbeit zu
intensivieren, indem in den Lernorten gemeinsame handlungs- und prozessorien-
tierte Lernprozesse initiiert werden. Hier werden konkrete Maßnahmen benötigt,
um die Lernortkooperation zu befördern und ihr Potenzial, theoretisches und
praktisches Lernen miteinander zu verbinden, zu erhöhen.
Die Digitalisierung kann auch hier als wichtiger Treiber fungieren, da sie zahlreiche
Gelegenheiten bietet, Akteure bzw. Akteurinnen und Lernorte digital zu vernetzen
und kooperative Lerngelegenheiten zu schaffen.

       HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

      Die zunehmende digitale Kollaboration in der Arbeitswelt innerhalb
      einer Organisation, beispielsweise durch die Nutzung von Cloud-Anwen-
      dungen, sollte demnach auch für die Lernortkooperation zunehmend eine
      Selbstverständlichkeit werden. Digitale Kooperationen und Netzwerke
      können die Wissensbildung über neue Technologien, den Austausch und
      gegenseitige Unterstützung fördern.
      Die Nutzung von digitalen Lösungen vermag dabei die Lernortkoopera-
      tion mit unterschiedlichsten Partnerinnen und Partnern zu vereinfachen,
      indem Distanzen überbrückt werden können. Hier können neben Online-
      Berichtsheften wie beispielsweise BLok, welche Lernorte digital vernetzen,
      auch andere Kommunikations- und Kollaborationstechnologien wie elek-
      tronische Lerntagebücher, Blogs oder Wikis Anwendung finden. Weitere
      Möglichkeiten sind digitalisierte Ausbildungspläne und digital gestützte
      Kompetenzfeststellungen, die lernortübergreifend zum Einsatz kommen.
      Erfolgreiche Lernortkooperationen ermöglicht den Auszubildenden in
      höherem Maße, die theoretischen und praktischen Lerninhalte zu ver-
      knüpfen, beispielsweise durch gemeinsam durchgeführte, fächerüber-
      greifende und handlungsorientierte Projekte. Eine digital gestützte
      Netzwerkpflege trägt also zu einer „Lernortkooperation in den Köpfen“
      der Auszubildenden bei, indem die Reflexion von Theorie und Praxis ange-
      regt wird. Dies wiederum ist einer Qualitätssteigerung der Ausbildung
      zuträglich.

  20
Die Interaktion der Kooperierenden sollte durch       Überbetriebliche Ausbildungsangebote haben
feste Termine und Verbindlichkeiten gefördert         eine besondere Funktion bei der Wissenserweite-
werden, sodass gemeinsam an Projekten oder auch       rung in der Berufsausbildung. Als nunmehr dritter
Herausforderungen wie zu Fragen der Digitalisie-      Lernort im Rahmen der „dualen Ausbildung“ können
rung gearbeitet werden kann.                          Überbetriebliche Ausbildungsstätten jene Lern-
Um Erfahrungen zu teilen oder Entwicklungstrends      inhalte in praxisnahen Schulungen vermitteln, die
zu identifizieren, kann im Rahmen der Kooperation     kleine und mittelständische Betriebe aufgrund ihrer
mit anderen Unternehmen beispielsweise ein            Spezialisierung nicht oder nicht vollständig abde-
Austausch über eingesetzte digitale Instrumente       cken können.
im Ausbildungsbetrieb oder andere Digitalisierungs-   Zudem können die Überbetrieblichen Bildungsstät-
maßnahmen stattfinden. Zusätzlich können kleinere     ten als Multiplikatoren fungieren; insbesondere, was
Unternehmen ihre Auszubildenden zu externen           fachspezifische digitale Kompetenzen durch den
Experten und Expertinnen in andere Betriebe ent-      Einsatz neuer Technologien sowie digitaler Lernar-
senden, wenn sie aufgrund ihrer Betriebsgröße         rangements anbelangt. Idealerweise findet ein Tech-
und Spezialisierung bestimmte Kompetenzen nicht       nologietransfer von den Überbetrieblichen Bildungs-
abbilden können.                                      stätten nach den Betrieben statt, indem Wissen über
Über diese Ausbildungsverbünde (Realisierung          neueste Trends und Technologien vermittelt wird,
möglich als Kooperationsverbünde; Leit- und Part-     welches anschließend durch die Auszubildenden in
nerbetrieb; Ausbildungsverein; Auftragsausbildung)    die Betriebe gelangt.
können zudem Ausbildungsabschnitte oder auch          Eine weitere Möglichkeit ein Ausbildungsnetzwerk
Verwaltungsaufgaben abgetreten bzw. aufgeteilt        zu schaffen oder ein bestehendes zu bereichern ist
werden (Berufsbildungsgesetz (BBiG §10 Vertrag ).     die Durchführung von kooperativen Projekten
Kammern und Innungen wirken hier unterstützend        mit nationalen und internationalen Kooperations-
durch Beratung und können bei Fragen behilflich       partnern. Zusätzlich können diese Projekte im
sein sowie mit entsprechenden Kontakten zur Seite     eigenen Betrieb neue Impulse durch erfolgreiche
stehen.                                               Praxisbeispiele aus anderen Ausbildungsbetrieben
                                                      schaffen. Die Integration neuester Entwicklungen in
                                                      die Berufsausbildung macht Ausbildungsbetriebe
                                                      darüber hinaus im Rahmen der Fachkräftesicherung
                                                      attraktiv für zukünftige Auszubildende.

                                                                                                       21
Digitaldienstleister der
beruflichen Bildung

Die in den folgenden Kapiteln dargestellten Empfehlungen basieren auf der
Auswertung von neun leitfadengestützten Interviews mit elf Akteuren (drei
Auszubildende, zwei Berufsschullehrende, drei Ausbildungsleitende, zwei
Ausbildende und eine Schulleitung) und werden durch die Ergebnisse der im
Rahmen des Verbundprojektes durchgeführten quantitativen Befragung des
CODIP gestützt.

  22
WEGWEISER

                            Hier dargestellt sind Einflussfaktoren von Digitaldienstleistern und deren Einfluss
                            auf andere Faktoren der Digitalisierung in der beruflichen Bildung. In den folgen-
                            den Kapiteln werden zu den einzelnen Bereichen zugehörige Handlungsemp-
                            fehlungen beschrieben. Mit Digitaldienstleistern sind insbesondere Anbieter von
                            Software aber auch andere Dienstleister gemeint, die technische Lösungen für die
                            berufliche Bildung bereitstellen.

Technische Ausstattung                 Umgang mit Daten                               Transparenz/Kontrolle

     Zugänglichkeit               Schnittstellen/Verknüpfung                           Digitales Feedback

     Administration                                                                        Motivation

           ...                                                                     Qualifizierung/Weiterbildung
                                      Akzeptanz &
                                       Offenheit
 Beratung/lnformation                                                                           ...

   Image/Attraktivität            Kommunikation/Austausch                              Nutzerfreundlichkeit

          Produkt                   Kooperation/Netzwerke                                 Funktionalität
(-vielfaIt/-entscheidung)
                                                                                            Ästhetik
  Nutzungsintensität/
      Verbreitung

                                                                                                           23
AKZEPTANZ UND OFFENHEIT

Der Schlüsselpunkt für die erfolgreiche Digitalisierung der beruflichen Bildung
sind die Akzeptanz und Offenheit der einzelnen Agierenden. Der Faktor lässt sich
durch verschiedene Einflüsse stärken und unterstützen bzw. ermöglicht wiede-
rum andere Digitalisierungsprozesse. Digitaldienstleistende können nicht auf
alle notwendigen Faktoren zur Stärkung der Akzeptanz und Offenheit Einfluss
nehmen, aber einen großen Teil dazu beitragen. Auch äußere Einflüsse wie die
Covid-19-Pandemie können Veränderungen des Faktors hervorrufen. Es wurde
beobachtet, dass die Pandemie neben dem technisch-materiellen Aufschwung
auch für ein bleibendes digitales Umdenken und eine höhere Akzeptanzschwelle
sowie Offenheit gesorgt hat. Die folgenden Handlungsempfehlungen zielen darauf
ab, die individuellen Akzeptanz- und Kompetenzniveaus durch Beratung und Schu-
lung weiter zu erhöhen.

       HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

      Da insbesondere in kleineren Organisationen oft die Zeit zum aktiven Aus-
      probieren vieler verschiedener Tools fehlt, sollten Digitaldienstleistende
      Schulungs- und Beratungsleistungen über digitale Hilfsmittel anbieten,
      hierbei zunächst den Bedarf verdeutlichen und dann ggf. eigene Produkte
      aktiv bewerben bzw. über diese informieren.
      Das Angebot von Schulungen und Workshops zur Stärkung von digitalen
      Kompetenzen ist ebenfalls empfehlenswert, um den persönlichen Nutzen
      für die Akteure und Akteurinnen hervorzuheben und ihre generelle Akzep-
      tanz zu erhöhen. Hierbei sollte ein Bezug zu bereits bekannten digitalen
      Systemen hergestellt werden, um den Einstieg zu erleichtern.
      Lehrenden wird i. d. R. weniger Medienkompetenz und digitale Akzeptanz
      zugeschrieben, da sie sich in ihrer Arbeitszeit häufig wegen Zeitmangels
      nur begrenzt mit neuen Technologien auseinandersetzen können. Des-
      halb sollten diese verstärkt über insbesondere zeitliche und organisatori-
      sche Vorteile digitaler Hilfsmittel aufgeklärt und geschult werden.
      Interne Schulungen sollten durch die Bereitstellung von Infomaterial
      unterstützt werden. Beliebte Formate sind hierbei PowerPoint-Präsenta-
      tionen und Video-Tutorials.

  24
PRODUKTVIELFALT UND
                                           VERBREITUNG

Lernortübergreifende Systeme profitieren von einer höhe-        HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
ren Verbreitung, da die Akzeptanz und der Austausch durch
diese gestärkt werden. Bei vielen Akteuren und Akteurinnen
der beruflichen Bildung besteht jedoch mittlerweile eine       Damit sich Digitaldienstleistende bei der Vielzahl von
Überforderung durch eine Vielzahl von unterschiedlichen        Angeboten behaupten können, sollte ihr Produkt ein
Systemen. Dies bezieht sich sowohl auf die Vielzahl an Ange-   Alleinstellungsmerkmal aufweisen und dieses als
boten bei der Entscheidung für ein Produkt als auch auf die    Marktvorteil klar kommuniziert werden.
Vielzahl der vorhandenen Systeme mit teils überschneiden-      Um die Akzeptanz, Sichtbarkeit und Verbreitung
den Funktionsweisen.                                           zu erhöhen, sollten Digitaldienstleistende im Kontext
                                                               der beruflichen Bildung insbesondere versuchen mit
                                                               bildungspolitischen Organen wie Kammern zusam-
                                                               menzuarbeiten. Hierbei können diese ggf. an der
                                                               Entwicklung beteiligt werden oder die Zielgruppen
                                                               über die digitalen Produkte informieren bzw. diese
                                                               bewerben.
                                                               Imagebildende Maßnahmen wie die Kooperation
                                                               mit bildungspolitischen Organen, dem Angebot von
                                                               Schulungen, einem zeitgemäßen visuellen Erschei-
                                                               nungsbild und Onlineauftritt (u. a. Website und
                                                               Social Media) sind sehr empfehlenswert, da diese
                                                               das Vertrauen in ein Produkt erhöhen, womit die
                                                               Akzeptanz steigt.
                                                               Zudem sollten Digitaldienstleistende engagierte
                                                               Einzelakteure und -akteurinnen identifizieren,
                                                               unterstützen und ihnen Material zur Überzeugung
                                                               anderer Agierender an die Hand geben sowie Mög-
                                                               lichkeiten der Kooperation anbieten, da diese den
                                                               Einsatz digitaler Tools oft anstoßen und verbreiten.

                                                                                                                 25
NUTZERFREUNDLICHKEIT,
FUNKTIONALITÄT UND ÄSTHETIK

Generelle Softwareanforderungen

Da die meisten Agierenden der beruflichen Bildung zu wenig Zeit haben, sich mit
neuen technologischen Lösungen auseinanderzusetzen, sind Übersichtlichkeit
sowie eine intuitive Bedienung und Funktionalität oft Grundvoraussetzung für die
zukünftige Nutzung eines Produkts. Ein modernes, freundliches und minimalis-
tisches Design mit Anpassungsmöglichkeiten wird als erstrebenswert befunden.
Im Gegensatz zur Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit spielt Ästhetik bei
Produktentscheidungen im beruflichen Bildungskontext eher eine untergeord-
nete Rolle. Wichtig für die Ästhetik einer Anwendung bleibt dennoch, die anfangs
genannten Grundsätze nicht negativ zu beeinflussen. Es ergeben sich folgende
Maßnahmen:

       HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

      Um sicherzustellen, dass eine Softwarelösung von allen Zielgruppen als
      benutzerfreundlich und funktionstüchtig wahrgenommen wird, ist es
      entscheidend, nutzerzentriert zu arbeiten und Vertreterinnen und Ver-
      treter von allen Zielgruppen durchgängig an der Entwicklung zu beteiligen
      (User-Centered Design). Hierbei ist es förderlich, die Anforderungen
      jedes Akteurs und jeder Akteurin durch eine Analyse von bisher verwen-
      deten Werkzeugen und Arbeitsabläufen zu verstehen, um gesammelte
      Vorerfahrungen anzusprechen. Darauf basierend können neue Lösungen
      entwickelt, iterativ überprüft und verbessert werden.
      Ästhetische Innovationen sind i. d. R. nicht notwendig. Bei der Gestaltung
      kann demnach pragmatisch vorgegangen und State-of-the-art-Lösungen
      zum Vergleich genutzt werden.

  26
Vorerfahrungen und
Hilfestellungen

   HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

  Um die technologische Akzeptanz zu begünstigen ist          Nutzende sollten schnellen Zugriff auf verschie-
  es hilfreich, die benötigte Einarbeitungszeit durch         dene Hilfestellungen haben, damit sie sich voll-
  die Nutzung von Vorerfahrungen zu minimieren                umfänglich informieren bzw. Probleme einfach und
  und das digitale Hilfsmittel möglichst intuitiv nutzbar     selbstständig lösen können. Hierbei sollten verschie-
  zu machen.                                                  dene Arten und Detailgrade der Informationsauf-
  Wenn sich Software auch an Akteure und Akteurin-            bereitung angeboten werden (z. B. Video-Tutorials,
  nen aus technisch wenig versierten Fachbereichen            Schnellhilfeseiten für häufig gestellte Fragen und
  richtet, muss von einer geringeren Medien- und              ausführliche Wikis).
  Bedienkompetenz sowie Akzeptanz ausgegangen
  werden als bei technischeren Branchen. Deshalb
  sollten hier mehr Überzeugungsarbeit zur Nut-
  zung geleistet (z. B. durch differenzierte Werbung)
  und Funktionsweisen stärker sichtbar gemacht
  werden (siehe auch Abschnitt Funktionsweisen              Funktionsweisen
  sichtbar machen).
  Etablierte bzw. von anderen Anwendungen                   sichtbar machen
  bekannte Benutzungsabläufe sollten weitestgehend
  implementiert werden, da ihr Fehlen das Benut-
  zungserlebnis oft negativ beeinflusst. Hierzu zählen         HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
  z. B. Funktionen wie Copy & Paste, Drag & Drop
  u. v. m.
  Auszubildende verfügen i. d. R. über eine hohe              Es ist entscheidend, Benutzern und Benutzerinnen
  Bedienkompetenz im Bereich mobiler Apps und                 auch softwareseitig über Funktionen und deren
  Unterhaltungsmedien. Entsprechend hoch sind die             Vorteile aufzuklären. Erst wenn diese erkannt bzw.
  Erwartungen an Bedienkomfort, was bei der Gestal-           anerkannt wurden, können sie einen persönlichen
  tung von (insbesondere mobilen) Applikationen               Mehrwert bieten. Anwendende sollten insbeson-
  berücksichtigt werden sollte.                               dere auch über Verbesserungen und Neuerungen
  Auszubildende verfügen i. d. R. selten über Erfah-          informiert werden, da diese ausschlaggebend für die
  rungen mit Anwendungen zur elektronischen                   weitere Nutzung bzw. eine höhere Nutzungshäufig-
  Datenverarbeitung und entsprechenden Unter-                 keit sein könnten. Umgesetzt werden kann dies u. a.
  nehmensprozessen. Dementsprechend müssen                    über E-Mail-Benachrichtigungen und Hinweise
  Nutzende softwareseitig in diese Prozesse und               beim Start einer Anwendung.
  Anwendungsabläufe eingeführt werden (siehe auch             Um Nutzende nicht mit zu vielen Reizen bzw.
  Abschnitt Funktionsweisen sichtbar machen).                 Erklärungen zu überladen, kann es hilfreich sein, sie
  Software für Ausbildende und Lehrende sollte                im Onboarding-Prozess explorativ an das System
  von einer niedrigeren Bedienkompetenz ausgehen,             heranzuführen. Hierbei gilt es, Funktionen je nach
  wodurch Bedienelemente und -abläufe verstärkt               Erfahrungsgrad freizuschalten und sie im Moment
  erklärt werden müssen.                                      der ersten Nutzung zu erklären.

                                                                                                              27
Übergreifende Funktion und
Navigation

      HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

   Wenn eine Anwendung für verschiedene End-
   geräte bestimmt ist, sollte darauf geachtet werden,
   dass sie auf diesen in gleicher Art und Weise
   nutzbar ist, damit die Bedienung nicht neu erlernt
   werden muss und flexibel gearbeitet werden kann.
   Um zu verhindern, dass Informationen verloren
   gehen bzw. deren Existenz vergessen wird, sollten
   Nutzende innerhalb einer Anwendung mit mög-
   lichst wenigen Schritten zum gewünschten Ziel
   kommen. Hierzu ist es förderlich, bereits auf dem
   Startbildschirm die wichtigsten Funktionen erreich-
   bar zu machen.
   Sollte die Anzahl der Funktionen zu hoch sein, um     Indikatoren und
   sie beim Start der Anwendung gänzlich anzuzeigen,
   können verschachtelte Menüs genutzt werden.           Benachrichtigungen
   Dies lässt sich auch auf Unterseiten übertragen, um
   die Anzahl von nötigen Schritten zu minimieren und
   alle möglichen Funktionen aufzuzeigen.                   HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

                                                           Auf besonders relevante Informationen sollten Nut-
                                                           zende mit visuellen (ggf. auch auditiven) Indika-
                                                           toren hingewiesen werden. Diese Hinweise können
                                                           z. B. farblich hervorgehobene Felder mit Zahlen sein,
                                                           welche die Anzahl von neuen Benachrichtigungen
                                                           widerspiegeln. Auf mobilen Geräten, aber auch PCs,
                                                           kann man mit diesen Symbolindikatoren schon vor
                                                           dem aktiven Öffnen der Applikation auf neue Infor-
                                                           mationen hinweisen.
                                                           Pop-up bzw. Browser-Benachrichtigungen
                                                           haben den Vorteil, dass ohne Start der Applikation
                                                           prägnante Informationen auf dem Bildschirm der
                                                           Nutzenden angezeigt werden. Diese können Erinne-
                                                           rungen, Nachrichten, Neuerungen u. v. m. beinhal-
                                                           ten und neben der Informationsweitergabe auch die
                                                           Nutzungshäufigkeit steigern.
                                                           Wenn keine sofortige Reaktion angestrebt wird,
                                                           können Benachrichtigungen auch gebündelt und
                                                           als regelmäßige Updates (z. B. täglich) per Pop-up
                                                           oder E-Mail übermittelt werden.

 28
Sie können auch lesen