Wir für Stuttgart! - Stadt Stuttgart

 
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                                      Das Freiwilligenmagazin
               Juli – Dezember 2021

Ehrenamt:

Wir für Stuttgart!
      »Mit dem neu gegründeten Verein Stille Not Stuttgart e. V.
      möchte Gudrun Nopper Menschen unterstützen, die oft wenig
      Fürsprecher haben.«
      Mehr auf den Seiten 4 und 5
Wir für Stuttgart! - Stadt Stuttgart
2   Inhalt
         Juli– Dezember 2021

                                 © Foto: Cristof Sage

                                                                                                           © Foto: Susanne Lung
                                                                       © Foto: SES Presseabteilung
                               S _4                                 S _10                               S _20

         LOKALPROMINENZ                                 20 Raum für Stille
     4 Stille Not im Verborgenen                           Erhalt, Erinnerung und Mahnmal
         Durch soziales Engagement Leid                    im Einklang mit der Natur
         eine Stimme geben                              22 Willkommen heißen und mehr …!
                                                           Das Welcome Center sucht ehrenamtliche
         WEGE ZUM EHRENAMT                                 WillkommenspatInnen
     6 Das Freiwilligenmagazin W!N feiert               24 Momente zum Nachdenken durch Kultur
       10-jähriges Jubiläum                                Der Verein Zukunft Kultur e. V.
         Wer steckt dahinter? – Ein Blick               26 Zusammenspiel der Kulturen
         hinter die Kulissen                               Das interkulturelle Theaterensemble
     8   Die Evangelische Diakonissenanstalt               des Forums der Kulturen nutzt die Vielfalt
         Zusammen mit bürgerschaftlich Engagierten         unserer Stadtbevölkerung.
         zur digitalen Teilhabe
    10   Das Prinzip der Institution Oxfam                  LITERARISCH
         Überflüssiges nicht wegwerfen, sondern zur     28 Der Zauberlehrling
         Wieder­verwendung spenden
    12   Bücher zum Verweilen                               REDAKTIONSTEAM
         Lesen und sich forttragen lassen               30 Die Magazin-Macher
    14   Anzeigen                                       31 Impressum
    16   Für den Artenschutz
         NaturschutzwartInnen im Amt für Umwelt-
         schutz
    18   Wiedereröffnung des Experimentierraums –
         Freiwilligen Raum geben
         Ein Ort zur Förderung des bürgerschaftlichen
         Engagements
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Wege zum Ehrenamt       3
                                                                                        Juli – Dezember 2021

© Foto: Andrea Wagner

                                Reinhold Halder
                                Leiter des Sachgebiets
                                Förderung Bürgerschaftliches Engagement
                                bei der Landeshauptstadt Stuttgart

                        Liebe Leserin, lieber Leser,

                        das Freiwilligenmagazin W!N feiert Geburtstag: es wird zehn Jahre alt. Ein
                        schöner Anlass, die redaktionelle Arbeit vorzustellen und zur Mitarbeit einzu-
                        laden: das ehrenamtliche Redaktionsteam sucht Verstärkung!

                        Vom Schreiben und Redigieren ist der Weg nicht mehr weit zum Buch. Die
                        Idee der Oxfam Büchershops und der Bücherbäume ist es, Überflüssiges nicht
                        wegzuwerfen, sondern zur Wiederverwendung zu spenden und erneut in
                        Umlauf zu bringen. Auch dafür braucht es Ehrenamtliche, zumal in Zeiten
                        der Pandemie viel gelesen wird. Überhaupt die Pandemie: es wird das Ehren-
                        amt stärken, wenn das Maskentragen bald zu Ende geht und persönliche
                        Begegnungen wieder unbeschwert möglich werden.

                        Das neue W!N zeigt uns einmal mehr die bunte Vielfalt von freiwilligem
                        Engagement in Stuttgart auf. Da gibt es die digital affinen Diakonissen im
                        WL AN-Garten und die vielen Engagierten in kulturellen und interkulturellen
                        Projekten. Gudrun Nopper möchte mit ihrem neuen Verein Stille Not Stutt-
                        gart e. V. Menschen unterstützen, die oft wenig FürsprecherInnen haben. Das
                        Ehrenamt im Natur- und Umweltschutz wird konkret beim Einsatz für den
                        Lebensraum der Gelbbauchunke und bei der zivilen Umnutzung einer ehe-
                        maligen militärischen Liegenschaft im Einklang mit der Natur.

                        Nach dieser 19. W! N-Ausgabe erfolgt ein Wechsel in der Redaktionsleitung.
                        Künftig wird Yotrana Youkhana von der Freiwilligenagentur das Magazin ver-
                        antworten. Den engagierten Redaktionsmitgliedern danke ich für die vertrau-
                        ensvolle Zusammenarbeit. Dem W! N und dem Redaktionsteam wünsche ich
                        eine gute Zukunft und Ihnen als Leserin und Leser wie immer viel Freude
                        beim Entdecken. Bleiben Sie zuversichtlich.

                        Ihr

                        reinhold halder
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4   Lokalprominenz
        Juli– Dezember 2021

    Stille Not im Verborgenen
    Durch soziales Engagement Leid eine Stimme geben
    von Susanne Lung

    Die First Lady Stuttgarts möchte durch ihr soziales Engagement
    jene Menschen in den Fokus setzen, die ihrer Ansicht nach oft über­
    sehen werden.

    N    ach dem Abitur in Aalen zog es gudrun
         nopper erst einmal in die Welt hinaus. Ihre
    Stationen waren Genf, Madrid und Perugia. Sie
                                                         Trainerin für Studierende und junge Berufsein-
                                                         steigerInnen reduziert sie nun, um sich ganz
                                                         auf das soziale Engagement in der Landeshaupt-
    spricht fünf Sprachen fließend. Auf einer Veran-     stadt konzentrieren zu können. Lag in der Ver-
    staltung in der SSB lernte sie 1995, damals          gangenheit der Schwerpunkt ihrer sozialen
    selbst politisch aktiv, ihren späteren Mann          Tätigkeit noch deutlich auf der Arbeit mit Kin-
    Frank Nopper kennen. Für den Umzug nach              dern, so möchte sich Gudrun Nopper nun dem
    Backnang, wo er lange Jahre Oberbürgermeister        Leben älterer Menschen zuwenden, um ihnen
    war, gab sie in Stuttgart ihre gut etablierte        die Zeit, die an deren Lebensabend noch bleibt,
    Sprachschule EarlyEnglish zugunsten eines viel-      durch verschiedene Aktionen zu verschönern.
    seitig sozialen Engagements auf. In Backnanger          Ein kostenloses Weihnachtsessensangebot an
    Kindertagesstätten setzte sie sich dafür ein, dass   Heilig Abend des letzten Jahres wurde zum
    Kinder früh einen Zugang zu Englisch als             Schlüsselerlebnis für die Mutter zweier erwach-
    Fremdsprache bekommen können. Die Kinder-            sener Söhne. Sie selbst griff zusammen mit
    Uni erweiterte sie durch einen praktischen Teil.     ihrer Familie zum Schöpflöffel und verteilte
    GrundschülerInnen hatten so die Möglichkeit,         pandemiekonform Essen to go an Bedürftige in
    im Anschluss an eine Vorlesung das Gehörte           der Bahnhofsmission Stuttgart. Der dafür über
    auszuprobieren oder Themen zu vertiefen, ganz        die sozialen Netzwerke gestartete Spendenauf-
    im Sinne von Konfuzius, der sagte: »Lass es          ruf erbrachte 50 000 Euro innerhalb einer Woche
    mich tun und ich habe es verstanden.«                und ermöglichte die Finanzierung des Essens
       Um den stark unter den Einschränkungen der        für obdachlose Menschen. Betroffen zeigte sich
    Pandemie leidenden SeniorInnen eine Freude           Gudrun Nopper von der relativ großen Anzahl
    zu bereiten, besuchte sie zusammen mit dem           an Menschen, die an diesem Tag den Weg zu
    Christkind alle Backnanger Altenheime und            ihnen fand und der dadurch offensichtlich
    beschenkte die Bewohnerinnen und Bewohner            gewordenen stillen Not, die bei einigen Men-
    mit Weihnachtsliedern und Gebäck. Anlässlich         schen der Stadt im Verborgenen vorzuherrschen
    dieser Aktion bemerkte die zertifizierte Knigge-     scheint. Nicht wenige schämen sich, den ihnen
    Trainerin, wie ergriffen sie von der Dankbarkeit     zustehenden Fördermöglichkeiten durch einen
    der HeimbewohnerInnen war. Das gab ihr den           Gang zum Amt nachzugehen. Stattdessen blei-
    Impuls, auch in Stuttgart etwas Ähnliches auf        ben sie lieber im Verborgenen, meist ohne Für-
    die Beine zu stellen. Die Tätigkeit als Knigge-      sprecher und daher schnell übersehen und ver-
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Lokalprominenz     5
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                                                                                     © Foto: Cristof Sage

Ein Spendenaufruf über soziale Netzwerke brachte innerhalb einer Woche 50 000 Euro. Damit konnte an
Heilig Abend 2020 ein kostenloses Weihnachtsessensangebot für obdachlose Menschen in der Bahnhofsmission
Stuttgart finanziert werden.

gessen. Häufig sind es ältere, alleinstehende         Gleichzeitig werden so Künstlerinnen und
Frauen, die zum Teil nur auf eine geringe Rente       Künstler gefördert, die durch die Coronapande-
zurückgreifen können, die aber dennoch ihr            mie in ihrer Existenz schwer getroffen sind.
Leben lang tätig waren und nun keine Dankbar-         HeimbewohnerInnen bekommen Selbstgeba-
keit für die eigene Lebensleistung erfahren. Der      ckenes von SchülerInnen der Nikolauspflege,
von Gudrun Nopper neu gegründete Verein               Marmelade oder auch mal eine Flasche Wein,
trägt dazu passend den Namen Stille Not.              während sie den Klängen und Liedern ihrer
   »Diesen Menschen möchte ich etwas Freude           Jugend lauschen und in Erinnerungen schwel-
zurückgeben«, sagt Gudrun Nopper. Sie sollen          gen. ■
einen Dank und vor allem Anerkennung für
ihre lebenslange Arbeit und Leistung erhalten.            Kontakt
Hungern muss in Stuttgart niemand. Das weiß               Internet: www.stille-not-stuttgart.de
Gudrun Nopper, dennoch ist ihr bewusst: »Der
Mensch lebt nicht vom Brot allein.« Dieser Dank
soll sich in Aktivitäten zeigen, die das Leben in
bunte Farben hüllen: Kunst, Musik oder auch
ein gutes Essen. Als Schirmherrin der Niko-
lauspflege geht Gudrun Nopper zusammen mit
Kunstschaffenden in Altenheime und bringt die
Musik auf diese Weise zu den Menschen.
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6   Wege zum Ehrenamt
        Juli – Dezember 2021

    Das Freiwilligenmagazin W!N
    feiert 10-jähriges Jubiläum
    Wer steckt dahinter? – Ein Blick hinter die Kulissen
    von Sema Yavuzyilmaz

    Seit vielen Jahren zeigt das Freiwilligenmagazin die unter­
    schiedlichsten Facetten des ehrenamtlichen Engagements auf,
    sensibilisiert und hebt den persönlichen Gewinn der Nächsten­
    hilfe hervor – im Jahr 2021 ist es nun zehn Jahre alt!

    D    ie ehemalige Leiterin der Freiwilligenagen-
         tur ilona liedel und Gründerin des W!N
    beschrieb mit den Worten »Es ist ein Magazin
                                                         gen wie Bibliotheken, Schulen, Arztpraxen oder
                                                         Rathäusern ausliegt und kostenlos mitgenom-
                                                         men werden kann, ist das Magazin für jeder-
    von Freiwilligen für Freiwillige, weil die am bes-   mann zugänglich. Zusätzlich kann die Webfas-
    ten wissen, wie man fürs Ehrenamt motiviert«,        sung unkompliziert heruntergeladen werden.
    die Besonderheit des Magazins. Im Jahr 2011             Doch wie entsteht das W!N und wie sieht die
    baute sie das inzwischen 14 -köpfige Redaktions-     Arbeit hinter den Kulissen aus? Die Planung
    team aus ehrenamtlichen AutorInnen, Fotogra-         einer neuen Ausgabe benötigt strukturelles
    fInnen, LayouterInnen sowie KorrektorInnen           Arbeiten und eine gute Organisation. So gibt es
    auf. Damals wollte Liedel ein Zeichen der Dank-      Abläufe und Prozesse, die im Laufe der zehn
    barkeit für alle Ehrenamtlichen setzen und auf       Jahre vertraut geworden sind und somit jedes
    die vielfältigen Möglichkeiten des Engagements       Jahr ähnlich ablaufen. Vor jeder neuen Ausgabe
    in Stuttgart aufmerksam machen. Das W!N-             des W!N findet ein (inzwischen digitales) Redak-
    Magazin hat großen Erfolg und erzielt hohen          tionstreffen statt. Hierbei können sich neue Mit-
    Zuspruch in der Gesellschaft, weshalb rein-          glieder vorstellen, AutorInnen können sich über
    hold halder, Leiter des Sachgebiets Förderung        ihre Erfahrungen austauschen und es wird auf
    Bürgerschaftliches Engagement, seit 2018 das         die erfolgreiche Zusammenarbeit bei der letzten
    Magazin mit seinem Redaktionsteam erfolg-            Ausgabe angestoßen. Gleichzeitig bietet das
    reich weitergeführt hat. Nach dieser Ausgabe         Redaktionstreffen die Möglichkeit, das anste-
    wird er die Leitung an yotrana youkhana,             hende W!N zu planen. Es werden neue Themen-
    Geschäftsführerin der Freiwilligenagentur,           vorschläge gesammelt, organisatorische Dinge
    übergeben. Seit vielen Jahren erscheint das W!N      wie Korrekturen, Layout sowie die Einweisung
    regelmäßig mit einer Auflage von zurzeit 13 000      neuer Mitglieder geklärt und Zeitschienen fest-
    Heften zweimal im Jahr. Es erfreut die LeserIn-      gelegt. Nach der Themenvergabe beginnt die
    nen mit spannenden Geschichten aus der               Recherchearbeit und das Schreiben der Artikel:
    Umgebung, die das Bewusstsein für das Ehren-         Da jedes Thema individuell ist und die Schrei­
    amt stärken. Da es in öffentlichen Einrichtun-       berInnen ihre Texte eigenständig planen, sieht
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Wege zum Ehrenamt       7
                                                                                 Juli – Dezember 2021

dieser Prozess unterschiedlich aus. Für einen        mals ungefähr drei Tage ins Land. Dieser fin-
intensiven Austausch werden Termine mit Inter-       det in einer gemütlichen Atmosphäre mit Kaf-
viewpartnerInnen festgelegt, Gespräche mit           fee und Kuchen in der Freiwilligenagentur
Stadtprominenten finden statt oder Organisatio-      statt. Nach einer Arbeit von fünf Monaten lan-
nen und Vereine werden besucht. Durchschnitt-        det schlussendlich das druckfrische W!N-
lich haben die AutorInnen ca. sechs Wochen           Magazin in vielen Briefkästen in Stuttgart und
Zeit, um ihre Artikel zu verfassen. Unterstützt      Umgebung und trifft auf alle Ehrenamtsinter-
wird das Redaktionsteam beim Thema Fotogra-          essierten unabhängig von Herkunft,
fie und Fotobearbeitung durch die ehrenamtliche       Geschlecht oder Bildung.
Fotografin andrea wagner. Bei auftretenden              Wenn Sie Teil des W!N-Teams werden möch-
Fragen und Herausforderungen stehen Herr             ten und andere Menschen mit Ihrem Engage-
Halder sowie das zuständige FSJ den Schrei-          ment bereichern wollen, melden Sie sich! Das
berInnen zur Verfügung, sodass der Kontakt           Redaktionsteam freut sich auf neue Mitglieder
jederzeit erhalten bleibt. Nach Abgabe der digita-   und frische Ideen. ■
len Texte werden diese von manuela schmid
korrekturgelesen und korrigiert. Anschließend            Kontakt
werden diese Texte durch hans-heinrich                   Freiwilligenagentur Stuttgart
ruta doppelseitenweise in einem digitalen Lay-           Kronprinzstraße 13
outprogramm gestaltet und in das Heftlayout              Telefon: 07 11 | 2 16-88288
umgesetzt. Die Korrekturphase des Heftes                 E-Mail: freiwilligenagentur@stuttgart.de
nimmt etwa drei bis vier Wochen in Anspruch,             Internet: www.stuttgart.de/freiwilligen-
bis das Magazin endgültig in den Druck gege-             agentur
ben werden kann. Für die Vorbereitungen für              Facebook: www.facebook.com/
den Versand der W!N-Magazine gehen noch-                 freiwilligenagenturstuttgart
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8   Wege zum Ehrenamt
        Juli – Dezember 2021

    Die Evangelische Diakonissenanstalt
    Zusammen mit bürgerschaftlich Engagierten
    zur digitalen Teilhabe
    von Günther Dierstein

    Der Anteil der sogenannten OfflinerInnen (Personen ohne Zugang
    zum Internet) ist bei den SeniorInnen besonders hoch. In der
    Landeshauptstadt Stuttgart sind in der Altersgruppe ab 65 Jahren
    mehr als 50 000 Menschen nicht mit dem Internet vertraut. 25 000
    sind sogar über 80 Jahre alt.

    L  etztes Jahr endete das Projekt KommmiT
       (Kommunikation mit intelligenter Technik),
    in welchem bürgerschaftlich Engagierte interes-
                                                        wickelt und dass es ohne digitale Affinität oder
                                                        entsprechende Unterstützung nicht mehr gehen
                                                        wird.
    sierten SeniorInnen das Internet nähergebracht         Unter der Leitung von dagmar öttle, zu­­
    haben. Auch aus der Ev. Diakonissenanstalt gab      stän­dig für die Koordination im Betreuten Woh-
    es TeilnehmerInnen an diesem Projekt. Zum           nen, möchte die Ev. Diakonissenanstalt dazu
    einen haben sich dort wohnende Schwestern           beitragen, diese digitalen Hürden zu überwin-
    und BewohnerInnen zu ehrenamtlichen                 den. Die Institution liegt im Herzen des Stutt-
    BegleiterInnen ausbilden lassen, zum anderen        garter Westens, ist in fast allen Räumen mit
    gab es TeilnehmerInnen, die zum ersten Mal          WL AN ausgestattet und auch im Garten des
    den Schritt in die digitale Welt unternommen        Innenhofes kann man drahtlos im Internet
    haben. Das Know-how in den eigenen Reihen           recherchieren – optimale Voraussetzung für ein
    zu haben, hat sich besonders bei den Kontaktbe-     derartiges Vorhaben.
    schränkungen während der Corona-Pandemie               Bevor mit den Schulungs- und Unterstüt­­­
    bezahlt gemacht. Damit konnte bei Nachfragen        zungs­angeboten begonnen werden konnte, soll-
    auf kurzem Wege geholfen werden. Die Covid          te das Team der Ehrenamtlichen vor Ort durch
    Einschränkungen haben aufgezeigt, dass eine         weitere bürgerschaftlich Engagierte erweitert
    digitale Vernetzung im Alltag vieles erleichtert    werden. Um das Vorhaben langfristig anlegen
    und die Möglichkeit der Videotelefonie das          zu können, sollte auch die Möglichkeit der fach-
    Abgeschiedensein erträglicher machen kann. Es       lichen und medienpädagogischen Weiterbil-
    hat aber auch deutlich gemacht, dass es viele       dung geschaffen werden.
    Menschen gibt, denen der Weg in die digitale           Dank der Landeshauptstadt Stuttgart, die sich
    Welt nicht mehr gelingen mag, und die daher         mit der neu geschaffenen Fachstelle für Digitale
    auf Unterstützung angewiesen sind. Die Verein-      und Soziale Teilhabe im Alter (DiA) genau die-
    barung eines Impftermines war und ist ein per-      ser Problematik angenommen hat, gab es Unter-
    fektes Beispiel, wohin sich die Gesellschaft ent-   stützung bei der Gewinnung neuer Ehrenamtli-
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Wege zum Ehrenamt          9
                                                                                    Juli – Dezember 2021

                                                                               © Foto: Günther Dierstein

Frau Göckelmann mit Schwester Anneliese und Schwester Gretel im WL AN Garten

cher. Auch die Weiterbildung und der fachliche         nen Anwender unter sich ihre Erfahrungen aus-
Austausch konnte dank der guten Vernetzung             tauschen oder ganz informell mit den Fachleuten
der Stadt sichergestellt werden.                       über die neusten Trends diskutieren. Um auch
   Nachdem die Inzidenz gesunken ist, kann die         Menschen ohne eigene digitale Erfahrung Ein-
Ev. Diakonissenanstalt nun bald ihr breites kos-       blick in die digitale Welt zu verschaffen, sind
tenloses Angebot für jede/n zugänglich                 regelmäßig ExpertInnen eingeladen, um über
machen. Das ist zum einen die Anlaufstelle für         spezielle Themen zu referieren (z. B. die elektroni-
digital Unerfahrene, denen sowohl in Einzel- als       sche Gesundheitsakte). Mit diesem breit aufge-
auch in Gruppenunterricht Unterstützung, bei-          stellten Angebot müsste eigentlich für jeden
spielsweise bei der Buchung eines Zugtickets,          Geschmack etwas dabei sein.
angeboten wird. Bei Bedarf kann kostenlos ein             Wenn Sie Lust bekommen haben, sich in die
Tablet zur Verfügung gestellten werden. Darü-          digitale Welt aufzumachen oder bei diesem Vor-
ber hinaus ist eine Beratungsstelle für digitale       haben gerne Ihr Wissen weitergeben wollen, dann
Herausforderungen im Aufbau. Hier bekommt              freut sich Frau Öttle auf Ihren Anruf oder Ihre
man Hilfe, wenn zum Beispiel die Daten vom             E-Mail. ■
alten auf das neue Smartphone übernommen
                                                                                                              © Foto: Jochen Brucker

werden sollen. Nach den Sommerferien ist                   Kontakt
zusätzlich zur Zusammenarbeit mit den bürger-              Dagmar Öttle
schaftlich Engagierten eine Kooperation mit                Telefon: 0711 | 9 91-4120
den umliegenden Schulen geplant. Die räumli-               E-Mail: DiA@diak-Stuttgart.de
chen Möglichkeiten gestatten einen zwanglosen              Internet: www.diak-stuttgart.de
Austausch auch bei Kaffee und Kuchen. So kön-
Wir für Stuttgart! - Stadt Stuttgart
10   Wege zum Ehrenamt
         Juli – Dezember 2021

     Das Prinzip der Institution Oxfam
     Überflüssiges nicht wegwerfen, sondern zur Wieder­
     verwendung spenden
     von Peter Keinz

     Das OXford Committee for FAMine Relief (Oxforder Komitee zur
     Linderung der Hungersnot) wurde schon 1942 von vier Englän­
     dern und einem Deutschen gegründet. Anschließend engagierte
     sich Oxfam für die Linderung der Not in Europa, ab 1945 auch in
     Deutschland. In der Folge wurden in weiteren Ländern sogenann­
     te Oxfam Shops eingerichtet.

     D    er Zweck von Oxfam Shops ist es, Sachen,
          die nicht mehr gebraucht werden, wie Klei-
     dung, Bücher oder Haushaltsutensilien den
                                                           keit der etwa 50 MitarbeiterInnen, die derzeit im
                                                           Buchladen beschäftigt sind. Das Geschlechter-
                                                           verhältnis der Mitarbeitenden, die alle ehren-
     Oxfam Shops zuzuführen beziehungsweise zu             amtlich tätig sind, beläuft sich auf etwa 90 Pro-
     spenden, damit sie wiederverkauft und verwen-         zent Frauen und 10 Prozent Männer. Alle Inte-
     det werden können.                                    ressentInnen im Alter ab 18 Jahre sind willkom-
        Die Oxfam Shops wurden auch nach                   men. Bei der Arbeit ist man unfallversichert
     Deutsch­­land gebracht und 1985 konnte der erste      und auch die Fahrtkosten werden erstattet.
     Laden in Bonn eröffnet werden. In Stuttgart             Da es sich um einen Oxfam Buchshop han-
     folgte der erste Shop erst 2005. Derzeit gibt es in   delt, werden alle Arten von Büchern als Spende
     Deutschland 55 Oxfam Shops.                           angenommen. Glücklicherweise verschenken
        Die Idee ist einfach und effektiv: Ehrenamtli-     oder spenden die meisten Menschen lieber ihre
     che MitarbeiterInnen betreuen und verkaufen           Bücher, weil sie es ablehnen oder sich scheuen,
     in den Oxfam Läden Dinge, die von vielen nicht        Werke, an denen der Verfasser oder die Verfas-
     mehr benötigt und deshalb gespendet werden.           serin wochen- oder monatelang gearbeitet hat,
        Da die Stuttgarter Ehrenamt-Agentur nicht          einfach in den Müll zu werfen oder zu verbren-
     nur Ehrenamtsstellen vermittelt, sondern sich         nen.
     auch zur Aufgabe gemacht hat, regelmäßig über           Alle Bücher, unabhängig von deren Themen
     ehrenamtliche Tätigkeiten zu berichten, wurde         oder Wissensgebieten, ob Paperback oder Hard-
     ich beauftragt, mit Oxfam, genauer mit einem          cover, werden als Spende angenommen und
     Oxfam Shop, Kontakt aufzunehmen. Mein                 anschließend zum Verkauf angeboten. Die Vo­
     Besuch, natürlich mit Gesichtsmaske, verlief          raussetzungen für die Spendenannahme sind
     sehr informativ. Von gerhard schlegel und             lediglich, dass die Bücher nicht beschädigt,
     annette rössler wurde mir vieles über den             beschrieben, unvollständig oder veraltet sein
     Oxfam Shop erläutert, vor allem von der Tätig-        sollten.
Wege zum Ehrenamt       11
                                                                                 Juli – Dezember 2021

                                                                                  © Foto: Peter Keinz

Gerhard Schlegel und Annette Rössler im Oxfam Shop

   Sehr gut, wie Herr Schlegel berichtet, kom-       tigten wird nach Bedarf festgelegt. In der Regel
men vor allem belletristische Romane an,             ist die Arbeitszeit für die Mitarbeitenden ein-
beliebt sind auch Krimis und Abenteuerlektü-         mal pro Woche für jeweils fünf Stunden vorge-
ren. Der Buchbestand im Laden geht in die Tau-       sehen. Dafür gibt es eine genaue Planung und
sende, weil Bücher nicht nur in geringer Zahl,       Absprache.
sondern fallweise auch ganze Kisten voll mit            Wer Bücher oder Kleider spenden möchte
Büchern gespendet werden. Dadurch ist die            oder Interesse hat, in einem Oxfam Shop ehren-
Wahrscheinlichkeit hoch, dass alle, die auf der      amtlich mitzuarbeiten, wendet sich am besten
Suche nach einer für sie neuen interessanten         direkt an den entsprechenden Oxfam Shop.
Lektüre sind, aus dem reichhaltigen Lagerbe-         Dort erhält man die notwendige Auskunft. ■
stand das gewünschte Buch finden und kaufen
können. Darüber hinaus werden auch CDs und               Kontakt
DVDs angenommen und ebenfalls zum Verkauf                Oxfam Buchshop
angeboten.                                               Marienstraße 36a
   Für den Verkauf der gespendeten Sachen                Oxfam Mixshop
wird der Verkaufspreis von den ehrenamtlichen            Lange Straße 4 a
Shop-Teams festgelegt. Die Preise liegen, je             Internet: www.oxfam-shops.de
nachdem wie aktuell ein Buch oder eine CD/
DVD ist, ab drei Euro aufwärts.
   Die Arbeitszeit und Einteilung der Beschäf-
12   Wege zum Ehrenamt
         Juli – Dezember 2021

     Bücher zum Verweilen
     Lesen und sich forttragen lassen
     von Susanne Lung

     Bücherbäume werden zunehmend beliebter. Die Corona-Pandemie
     hat diese Entwicklung weiter verstärkt.

     B   ücherbäume erfreuen sich gerade in Corona-
         zeiten großer Beliebtheit. Sie bieten Lese-
     stoff zum Verweilen, entweder direkt vor Ort auf
     einer Parkbank oder zu Hause auf dem Sofa
     nach der Arbeit im Homeoffice. Auf Spaziergän-
     gen kann man immer wieder einmal einen Blick
     in die Fächer der drei miteinander verschraub-
     ten Baumstämme werfen und sich überraschen
     lassen, ob etwas Interessantes dabei ist. Ein
     Roman, der die Aufmerksamkeit erregt, ein
     Sachbuch, das Informationen zu Bereichen lie-
     fert, über die man schon lange mehr erfahren
     wollte … Auf diese Weise kann man sich vertie-
     fen und verlieren in Welten, die uns forttragen
     von den erschütternden Nachrichten und Ereig-
     nissen der weltweiten Pandemie. Abtauchen in
     Sphären, die nichts mit aktuellen Entwicklun-
     gen zu tun haben, die das Leben eines jeden
     Einzelnen beeinflussen. Oder sich konzentrie-
     ren auf etwas, das keinen Gedanken mehr an
     die Bedrohung von Leib und Seele zulässt.
        Bücherbäume sind in den letzten Jahren
     zunehmend gefragt. Seit 2015 gibt es in Stutt-
                                                                                                      © Foto: Suswanne Lung

     gart-Vaihingen vier Baumbibliotheken, die auf
     einem zwei Kilometer langen Grünzug von der
     Heerstraße bis zur Büsnauer Straße aufgestellt
     sind. Ins Leben gerufen wurden sie von wolf-
     gang ziegler vom Garten-, Friedhofs- und
     Forstamt der Landeshauptstadt Stuttgart. Die
     Baumbibliotheken können von jeder und jedem
     genutzt werden. Man kann dort Bücher auslei-     In Bücherbäume können Bücher eingestellt oder aus-
     hen oder welche hineinstellen. Für jeden der     geliehen werden.
Wege zum Ehrenamt        13
                                                                                Juli – Dezember 2021

vier Bücherbäume gibt es eine ehrenamtliche        hingen kümmern. Die Erfahrungen mit der frei-
Baumpatin, die regelmäßig vor Ort vorbeischaut     willigen Tätigkeit sind für sie größtenteils posi-
und sowohl Bestand als auch Zustand der            tiv. »Im Großen und Ganzen halten sich die
Bücherbäume prüft. Bücher, die in einem sehr       Beschädigungen in Grenzen«, erzählt die Ger-
schlechten Zustand sind, beispielsweise durch      manistin und Buchautorin, die selbst gerne liest
Schimmel- oder Stockflecken, müssen entsorgt       und zu Beginn ihrer freiwilligen Tätigkeit mit
werden. Gleichermaßen verhält es sich mit          mehr Randalen gerechnet hatte. Manchmal ist
Medien, deren Inhalte die Baumpatinnen nicht       eine Plastikklappe beschädigt, die an den Baum-
vertreten können oder wollen. Zu der freiwilli-    bibliotheken angebracht ist, um die Bücher vor
gen Tätigkeit gehört auch, die Fächer zu reini-    Wind und Wetter zu schützen. Ab und zu kam
gen, trocken zu halten und neue Bücher einzu-      es schon vor, dass säckeweise der Inhalt eines
stellen. Manch eine ehrenamtliche Baumpatin        Bücherbaumes verschwand. Insgesamt aber
hat inzwischen fleißige HelferInnen, die regel-    haben sich die Bücherbäume gut etabliert und
mäßig bei den Baumbibliotheken vorbeischauen       das positive Feedback vieler SpaziergängerInnen
und die eine oder andere Aufgabe erledigen.        und FahrradfahrerInnen, die regelmäßig an den
Grundsätzlich darf jede und jeder mithelfen        Baumbibliotheken vorbeikommen, überwiegt.
und kaputte oder nass gewordene Bücher entsor-     Viele Menschen bedanken sich bei ihr für das
gen.                                               Angebot, helfen vor Ort unterstützend mit und
   Manchmal finden auch die Baumpatinnen ein       zeigen sich davon begeistert. Die Bücherbäume
spannendes Buch für sich selbst. Anhand der        sind zu einer festen Institution des Stadtbezirks
Nachfrage können sie interessante Rückschlüsse     geworden und haben sich im Bewusstsein vieler
auf aktuelle Lesegewohnheiten ziehen. (Histori-    Bürgerinnen und Bürger verankert. Mittlerweile
sche) Romane, Krimis und Sachbücher sind           zieht das Projekt Kreise. Denn nun gibt es auch
meistens gefragt.                                  in Dürrlewang drei blaue Bücherstelen und zwei
 © Foto: Susanne Lung

   Immer beliebt und doch selten zu haben sind     Spielschränke, die im Park aufgestellt sind und
Kinderbücher, die oft schnell vergriffen sind,     zum Verweilen einladen. ■
sobald sie den Weg in den Bücherbaum gefun-
den haben. Kaum dass bettina weiskopf eines            Kontakt
der begehrten Exemplare in ihren Bücherbaum            Garten-, Friedhofs- und Forstamt
an der Heerstraße stellt, ist es auch schon wie-       Stadt Stuttgart
der weg. Leider ist bei diesen Büchern der Rück-       E-Mail: Gerald.Aichele@stuttgart.de
lauf eher gering.                                      Stadtteilmanagement Dürrlewang
   Bettina Weiskopf ist eine von den vier Damen,       Sebastian Graf
die sich um die Bücherbäume in Stuttgart-Vai-          E-Mail: stm-duerrlewang@weeberpartner.de
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            Juli – Dezember 2021

                                                                                    Mitreden
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Seminarangebot Bürgerbeteiligung 2021/22
Für Bürger/-innen sowie Vertreter/-innen aus Politik und Verwaltung

Grundlagen- und Vertiefungsmodule im Herbst 2021
Modul 1: Mitwirkung und Bürgerbeteiligung. Eine Einführung          20.09.2021
Modul 2: Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung               07./08.10.2021
Vertiefungsmodul: Moderation in Beteiligungsprozessen           11./12.11.2021
Vertiefungsmodul: Großgruppenmethoden der Bürgerbeteiligung     29./30.11.2021                     Mitveranstalter

Grundlagen- und Vertiefungsmodule im Jahr 2022 sowie Informationen
und Buchung aller Seminare 2021/22 auf unserer Internetseite
                                                                                    Kooperationspartner
www.diefuehrungsakademie.de/buergerbeteiligung

                                                                                 Frau Bayer, Steinbachschule

               Alles dreht sich in der
               Offizin Scheufele

               Die Offizin Scheufele ist Ihr Partner für
               hochwertige Druckerzeugnisse im Offset-
               und Digitaldruck und Spezialist für das
               Bedrucken von Natur- und Designpapieren.
               Von der Visitenkarte über Plakate,
               Broschüren und Zeitschriften bis hin zu
               Katalogen und Büchern. Durch die LE-UV-
               Technik in einer unserer Druckmaschinen
               erreichen Sie eine einzigartige Farbbrillanz
               auf Naturpapieren.
                                                                                          www.scheufele.de
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                                                                                     Juli – Dezember 2021

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                                   Redaktionsteams
                                       werden.

Sie haben Spaß daran, zu recherchieren, zu lesen und Texte zu verfassen?
Das Kennenlernen von interessanten Persönlichkeiten und das Erforschen
spannender Themen bringt Ihnen Freude? Dann sind Sie genau richtig für
das Freiwilligenmagazin W!N.

IHR E VOR AUS SETZ UNG EN:

• Freude am Schreiben und Erarbeiten verschiedener Themen haben
• freie Zeit haben, um einen Artikel zu verfassen und Interviews zu führen
• an den zwei bis vier Redaktionstreffen im Jahr teilnehmen

IH RE V OR TEI L E:

• Arbeit mit einem richtig netten und kreativen Team
• freie Zeiteinteilung
• interessante neue Kontakte knüpfen
• mit Ihrem Engagement andere Menschen bereichern
• Stuttgarts vielfältige Engagementmöglichkeiten bekannt machen

Die Freiwilligenagentur | E-Mail: freiwilligenagentur@stuttgart.de | Tel: 07  1 1 | 2  16-88288
16   Wege zum Ehrenamt
         Juli – Dezember 2021

     Für den Artenschutz
     NaturschutzwartInnen im Amt für Umweltschutz
     von Georg Kersting

     Mit Interesse an der Natur und ihren komplexen Zusammen­
     hängen arbeiten Freiwillige in Kooperation mit dem Stuttgarter
     Amt für Umweltschutz für den Erhalt der Artenvielfalt. Das Amt
     fördert diese Arbeit mit einer speziellen Ehrenamtsbeauftragten.

     I m Auftrag des Stuttgarter Amtes für Umwelt-
       schutz ist michael scheiber einer der ehren-
     amtlichen NaturschutzwartInnen. Als Hobby-
                                                        gewesen ist und Tiere beobachtet hat. Früher sei
                                                        er in erster Linie ornithologisch (vogelkundlich)
                                                        interessiert gewesen und auch Mitglied des
     Feldherpetologe (Fachmann für Amphibien und        NABU geworden. Später haben sich seine Inte­
     Reptilien) beobachtete er in den letzten 10 Jah-   ressen auch auf Kriechtiere und Lurche ausge-
     ren bei seinen Streifzügen durch die Natur, dass   weitet. Er führt Exkursionen für Vogelliebhaber
     im Bereich des Stuttgarter Rotwildparks die        durch und beteiligt sich an den landesweiten
     Population von Gelbbauchunken immer weiter         Artenkartierungen sowie an regionalen Monito-
     abnahm. Mit seiner Idee zur Stabilisierung die-    ring-Projekten wie zum Beispiel der stark
     ser stark gefährdeten Art wandte er sich an das    bedrohten Kreuzotter im Nordschwarzwald. Sei-
     Stuttgarter Umweltschutzamt. Fachlich unter-       ne vielfältigen Aktivitäten in der Natur sind für
     stützt von der Ehrenamtsbeauftragten des           ihn auch ein Ausgleich für seine berufliche
     Amtes wurden gemeinsam geeignete, gut              Tätigkeit in leitender Position einer Einkaufsge-
     besonnte Stellen für die Anlage von Kleinstge-     nossenschaft. Auf Nachfrage ist sein Wunsch an
     wässern gesucht. Die Tümpel sollen im Verlauf      die LeserInnen: »Bitte verhalten Sie sich in der
     des Jahres nach dem Auswandern der jungen          Natur wie ein eingeladener Gast – mit Respekt
     Gelbbauchunken möglichst wieder austrocknen,       vor Tieren und Pflanzen.«
     damit Fressfeinde wie etwa Libellenlarven an          In allen Stuttgarter Ämtern unterstützen
     ihrer Vermehrung gehindert werden. Für den         Ehrenamtsbeauftragte die Initiative und Arbeit
     Aushub der Gewässer konnte ForstBW gewonnen        von Freiwilligen. jutta geismar hat diese Auf-
     werden. Die Unken finden die für sie geeigneten    gabe im Stuttgarter Amt für Umweltschutz, wo
     Laichgewässer von selbst und Herr Scheiber         sie als Diplombiologin mit viel Vorerfahrung im
     beobachtet regelmäßig den Laich- und Repro-        Artenschutz die ehrenamtliche Mitarbeit von
     duktionserfolg sowie die Bestandsentwicklung.      derzeit 12 NaturschutzwartInnen koordiniert.
     Die Pflege des Habitats wird notwendig, wenn       Sie schildert im Interview als deren Einsatzmög-
     beispielsweise nachwachsende Pflanzen die klei-    lichkeiten beispielsweise die Mitwirkung bei der
     nen Gewässer zu stark beschatten. Und wie          Herstellung und Pflege von Biotopen oder bei
     kommt jemand zu so einem Hobby? Herr               der Erfassung und Beseitigung von invasiven
     Scheiber schildert im Interview, dass er schon     (eingeschleppten) Pflanzen, die sich negativ auf
     als Kind oft mit Freunden im Wald unterwegs        die Artenvielfalt auswirken. So gibt es immer
Wege zum Ehrenamt       17
                                                                                  Juli – Dezember 2021

wieder Aktionen zur Beseitigung von Indischem         chender Genehmigung verwirklicht werden,
Springkraut oder Japanischem Staudenknöte-            weil der Ideengeber die Nistkästen auch selbst
rich. NaturschutzwartInnen können auch bei            montierte.
der Information von Besuchern und Interessier-          Das Amt für Umweltschutz kooperiert in
ten in der Natur eingesetzt werden. Eine berufli-     zahlreichen Einzelprojekten auch mit einer Rei-
che Qualifikation ist keine Vorbedingung für          he von Bürgerinitiativen, Vereinen und Verbän-
die Mitarbeit als NaturschutzwartIn. Vorausge-        den wie zum Beispiel NABU, BUND und
setzt wird aber, dass sich die Freiwilligen           Arbeitskreis Biotopverbund Mühlhausen-Zazen-
zumindest privat schon einmal in Teilbereiche         hausen, in denen ebenfalls wertvolle Arbeit von
der Natur und Artenkenntnis eingearbeitet             Freiwilligen geleistet wird. Auf Nachfrage ist
haben und das Engagement mitbringen, sich zu          Frau Geismars spontaner Wunsch an die Leser-
solchen Themen selbst weiterzubilden. Dabei           schaft: »Mehr Wildnis wagen, um dem Insek-
sind durchaus auch eigene Ideen für den Arten-        tensterben entgegenzuwirken«. ■
schutz gewünscht, allerdings möglichst gepaart
mit der Bereitschaft, sich selbst bei der Umset-           Kontakt
zung mit einzubringen.                                     Amt für Umweltschutz
   Frau Geismar schildert beispielsweise ein               der Landeshauptstadt Stuttgart
Projekt, bei dem ein Freiwilliger ein Gerüst am            Gaisburgstraße 4
Rathaus sah und die Idee entwickelte, Nistkäs-             Telefon: 07 11 | 2 16-88300
ten für Mauersegler mithilfe dieses Gerüsts                E-Mail: poststelle.36@stuttgart.de
anzubringen. Die Initiative konnte nach entspre-           Internet: www.stuttgart.de/leben/umwelt/

Frau Geismar und Herr Scheiber an einem Kleinstgewässer für Gelbbauchunken

© Foto: Georg Kersting
18   Wege zum Ehrenamt
         Juli – Dezember 2021

     Wiedereröffnung des Experimentier-
     raums – Freiwilligen Raum geben
     Ein Ort zur Förderung
     des bürgerschaftlichen Engagements
     von Katrin Rehfuss

     Im Leonhardsviertel steht ein Raum bereit, der neue Impulse
     setzen soll für die Förderung des bürgerschaftlichen Engage­
     ments in Stuttgart. Gruppen und Initiativen aus Stuttgart sind
     herzlich zur Nutzung eingeladen.

     W      as brauchen engagierte Menschen? Räu-
            me! Physische und digitale Räume –
     für Begegnungen, zur Vernetzung und um neue
                                                          Die Räumlichkeit befindet sich in zentraler
                                                        Lage, im Leonhardsviertel, gegenüber dem
                                                        Züblin-Parkhaus. Sie umfasst 75 Quadratmeter
     Ideen auszuprobieren. Der Experimentierraum        inklusive Teeküche und WC und ist barrierefrei
     in der Katharinenstraße 21D ist ein solcher Ort.   nutzbar. Die Rahmenbedingungen für die Nut-
     Hier soll das bürgerschaftliche Engagement         zung sind simpel: Interessierte reichen formlos
     in Stuttgart in seiner ganzen Breite gefördert     eine Anfrage mit ihrer Nutzungsidee ein. Der
     werden. Der Raum kann für eine Vielzahl an         Experimentierraum kann in der Regel nicht län-
     Gelegenheiten genutzt werden: für Veranstal-       ger als drei Tage am Stück und nicht über einen
     tungen, Workshops, Ausstellungen oder für          Zeitraum von mehr als drei Monaten im Voraus
     Beratungsangebote. Zielgruppe für die Nutzung      gebucht werden. Für die coronakonforme Nut-
     sind Initiativen, Organisationen, Vereine,         zung des Raums wurde ein Hygienekonzept
     Unternehmen und Stiftungen aus dem bürger-         erarbeitet. Unterstützt wird diese Initiative zur
     schaftlichen Engagement. Sie kommen aus der        Weiterentwicklung der Engagementförderung
     unmittelbaren Nachbarschaft und aus ganz           vom Stuttgarter Gemeinderat, der die Mittel für
     Stuttgart.                                         den Experimentierraum bereitgestellt hat.
       Der Experimentierraum wurde im August              Die Einrichtung des Experimentierraums ist
     2020 eröffnet, musste dann aber aufgrund des       ein Meilenstein auf dem Weg hin zu einem
     Lockdowns im November geschlossen werden.          Haus des Engagements in Stuttgart – eine Vision,
     Die Träger des Raums – die Landeshauptstadt        die die Träger mit vielen anderen teilen. Die
     Stuttgart, die Bürgerstiftung Stuttgart und das    Erkenntnisse, die in der Katharinenstraße
     Freiwilligenzentrum Caleidoskop – freuen sich,     gewonnen werden, helfen für die Konzeption
     den Raum ab Juli 2021 wieder interessierten        dieses Hauses. Weitere Impulse soll eine Tour
     Personen und Gruppen zur Verfügung stellen         der Guten Engagement-Orte liefern, in deren
     zu können.                                         Rahmen ab Herbst 2021 Gute Orte und Projekte
Wege zum Ehrenamt       19
                                                                                      Juli – Dezember 2021

                                                                                                              © Foto: Bürgerengagement Stuttgart
Der Experimentierraum – mit viel Platz für Ideen und neue Formate rund um das bürgerschaftliche Engagement

zunächst in den Stuttgarter Stadtbezirken              größtmögliche Unterstützung erhalten. Denn
besucht werden.                                        was wäre Stuttgart ohne Menschen, die sich mit
   Der Experimentierraum und die Planungen             ihren Ideen einbringen und unsere Stadt gestal-
für ein Haus des Engagements sind Bausteine            ten? ■
eines stadtweiten Prozesses zur Förderung des
bürgerschaftlichen Engagements in Stuttgart.               Kontakt
Initiiert wurde dieser Prozess von der Landes-             Experimentierraum Stuttgart
hauptstadt Stuttgart (Haupt- und Personalamt               Katrin Rehfuss
mit der Fachstelle Bürgerengagement und Frei-              Katharinenstraße 21D
willigenagentur und Sozialamt mit der Fachstel-            Telefon: 07 11 | 2 16-57897
le Bürgerengagement), der Bürgerstiftung Stutt-            E-Mail: buergerengagement@stuttgart.de
gart und dem Freiwilligenzentrum Caleidoskop.              Internet: www.engagement-stuttgart.de
Interessierte Bürgerinnen und Bürger sind zur
Beteiligung und Mitgestaltung eingeladen. Die
Förderung des bürgerschaftlichen Engagements
soll strategisch neu ausgerichtet, breiter etabliert
und besser anerkannt werden. Alle Stuttgar-
terInnen sollen sich im Rahmen ihrer Möglich-
keiten für das einsetzen können, was ihnen
wertvoll ist und für dieses Engagement die
20   Wege zum Ehrenamt
         Juli – Dezember 2021

     Raum für Stille
     Erhalt, Erinnerung und Mahnmal im Einklang
     mit der Natur
     von Susanne Lung

     Raum für Stille und Ort der Begegnung: Das Garnisons-­
     schützenhaus auf der Dornhalde ist ein stadtnah
     gelegenes Gebiet der Erholung, das künftig noch stärker
     als Ausflugsziel für Stuttgarts Bürgerinnen und Bürger
     zugänglich gemacht werden soll.

     D    as Garnisonsschützenhaus auf der Dorn­
          halde steht in Stadtnähe und ist doch mit-
     ten in der Natur. Von Wäldern umgeben, befin-
                                                         bar gemacht werden. Neben historischen und
                                                         mahnenden Aspekten stehen auch soziale und
                                                         kulturelle Ambitionen auf der Agenda des Ver-
     det sich an diesem Ort der Ruhe neben dem           eins. Lesungen und literarische Spaziergänge
     Gebäudeensemble und dem angrenzenden                finden in Zusammenarbeit mit KünstlerInnen
     Dornhaldenfriedhof auch ein ehrenamtlich            statt. Schulklassen haben die Möglichkeit, in
     bewirtschafteter Naturgarten.                       naturnaher Gegend mehr über sie zu erfahren.
        Früher wurde das Gelände zu militärischen           Der in drei Teile gegliederte Naturgarten wird
     Zwecken genutzt. Ein Schießplatz diente schon       von ehrenamtlichen HelferInnen gepflegt und
     1870 zur Vorbereitung für den Krieg gegen           bearbeitet. Wichtig ist den Vereinsmitgliedern,
     Frankreich und der daran anschließenden             einen Bezug zu gesellschaftlich aktuellen The-
     Gründung des Kaiserreichs. Im Dritten Reich         men herzustellen. „Wir wollen Entwicklungen
     wurden hier Regime-Gegner hingerichtet. Der         in Gesellschaft und Stadt aufgreifen“, sagt rein-
     Ort hat somit nicht nur historische, sondern        hard schmidhäuser, 1. Vorsitzender des Ver-
     auch mahnende, erinnernde Funktion, die der         eins. Ein großes Anliegen ist daher unter ande-
     vor fünf Jahren gegründete Verein Garnisons-        rem, dem Insektensterben entgegenzuwirken,
     schützenhaus Dornhalde – Raum der Stille e.V. ins   das viele Menschen beschäftigt. In der Gestal-
     Bewusstsein der Stadtkultur bringen möchte.         tung des Naturgartens wird darauf geachtet, ein
     Auf diese Weise soll Militärgeschichte vor dem      nützliches Angebot für Wildbienen entstehen zu
     Hintergrund der Gründung des Kaiserreichs           lassen, die es gerade in der Stadt nicht einfach
     erlebbar gemacht werden. Zu den Zielen des          haben, an geeignete Nahrung zu gelangen. „Die
     Vereins gehört auch, dass am Dornhaldenfried-       Gartenarbeit ist eine schöne Art, den Ort durch
     hof gelegene Gelände der Öffentlichkeit zugäng-     die Arbeit der Hände kennenzulernen“, meint
     lich zu machen und den Bürgerinnen und Bür-         johanna moltmann-herrmann, die sich ger-
     gern der Stadt als stadtnahes Ausflugsziel zur      ne ehrenamtlich für diesen »positiven und
     Erholung und Erkundung der Natur zur Verfü-         gewinnenden Ort« einsetzt, wie sie sagt.
     gung zu stellen. Die lebendige Stuttgarter Stadt-      Auf dem Gelände des Garnisonsschützenhau-
     geschichte soll hier auf ganz eigene Weise erleb-   ses treffen der bekannte Stuttgarter Rössle-Weg
Wege zum Ehrenamt              21
                                                                                      Juli – Dezember 2021

                                                                                                      © Foto: GSH

Das Garnisonsschützenhaus auf der Dornhalde soll in Zukunft noch mehr von Stuttgarter Bürgerinnen
und Bürgern genutzt werden können.

und der beliebte Blaustrümpflerweg aufeinander.         zu erhalten. »Wir hoffen, dass die Sanierung
»Viele Ausflügler und Spaziergänger erkundi-           bald losgehen kann«, sagt Reinhard Schmidhäu-
gen sich interessiert nach unseren Ausstellun-         ser, »um diesen wunderschönen Ort für die
gen«, erklärt Reinhard Schmidhäuser. In die-           Stadtgesellschaft zugänglich machen zu kön-
sem Sommer gibt es bis Ende September ein              nen«. Dabei soll der Charme, der noch immer in
abwechslungsreiches Programm mit Lesungen              den alten, verlassenen Gebäuden zu finden ist,
und einem literarischen Spaziergang zum The-           so gut wie möglich erhalten bleiben. Es soll ein
ma Schiller in Stuttgart. Nähere Informationen         Raum mit Küche entstehen für Trauergesell-
zum Sommerprogramm findet man auf der Ver-             schaften, Firmen oder Geburtstagsfeiern. In
einswebseite. Zu erreichen ist das Gelände gut         einem ehrenamtlich geführten Café sollen sich
von Degerloch aus oder beispielsweise mit der          Ausflügler erholen und etwas trinken können. ■
beliebten Seilbahn, die vom Südheimer Platz
aus zum Waldfriedhof fährt.                                 Kontakt
   Das Garnisonsschützenhaus gehört seit 1970               Telefon: 0 71 52 | 9 09 33 96
der Stadt Stuttgart. Im Moment beschäftigt den              E-Mail: info@garnisonsschuetzenhaus.de
mittlerweile 78 Mitglieder zählenden Verein vor             Internet: www.garnisonsschuetzenhaus.
allem das Anliegen, die denkmalgeschützten                  wordpress.com
Gebäude vor dem Verfall zu schützen und diese
22   Wege zum Ehrenamt
          Juli – Dezember 2021

     Willkommen heißen und mehr …!
     Das Welcome Center sucht
     ehrenamtliche WillkommenspatInnen.
     von Josef Baumann

     Das Welcome Center ist eine Initiative der Landeshauptstadt
     Stuttgart/Referat Soziales und gesellschaftliche Integration/
     Abteilung Integrationspolitik.

     U    m Neuzugewanderte in der ersten Zeit in
          einer neuen Stadt zusätzlich zu unterstüt-
     zen, wird die Hilfe von WillkommenspatInnen
                                                             Das Büro von claudia grimaldi befindet
                                                          sich in einem der Wahrzeichen der Stuttgarter
                                                          Innenstadt – im fünften Geschoss des Tagblatt-
     oft gerne angenommen.                                turmes. Frau Grimaldi ist von Beruf Sozialpä­

     Ridvan Cavus mit Willkommenspatin Elisabeth Eising

                                                                                                           © Foto: Claudia Grimaldi – Abteilung Integrationspolitik
Wege zum Ehrenamt       23
                                                                               Juli – Dezember 2021

dagogin, sie arbeitet bereits seit 2003 in der     und die junge Frau konnte nachher Medizin
Abteilung Integrationspolitik. Im Jahr 2015        studieren (es ist bekannt, dass für ein Medizin-
wurde zusätzlich das Welcome Center initiiert.     studium in Deutschland sehr gute Noten im
Menschen, die aus dem Ausland nach Stuttgart       Abitur die Voraussetzung sind). Als Frau Krapf
kommen, bekommen bei der Anmeldung im              2017 in der Stuttgarter Zeitung einen Bericht
Bürgerbüro den Tipp, das Welcome Center auf-       über die WillkommenspatInnen las, meldete
zusuchen. Seit 2015 berät das Welcome Center       sie sich für diese ehrenamtliche Aufgabe. Bald
die Hilfesuchenden. Bald stellte sich heraus,      bekam sie die Anfrage von Frau Grimaldi, die
dass auch nach der Beratung noch viele weitere     junge Polin Evelin zu unterstützen. Sie traf die
Probleme zu lösen sind. So entstand die Idee,      junge Frau das erste Mal im WeltCafé. Bald lud
für die Zugewanderten Patenschaften von            sie Evelin zu sich nach Hause ein und lernte
Stuttgarter BürgerInnen zu vermitteln. Zwi-        mit ihr Deutsch. Die beiden Frauen kochten
schenzeitlich arbeiten etwa 80 StuttgarterInnen    immer wieder zusammen, sie besuchten
ehrenamtlich als WillkommenspatInnen und           gemeinsam Ausstellungen und Museen oder
geben Hilfe bei der Stellen- und Wohnungssu-       gingen zum Markt.
che, bei Amtsterminen oder beim Erlernen der          Auf ähnliche Art unterstützte Frau Krapf
deutschen Sprache.                                 zwischenzeitlich fünf weitere junge Frauen.
   Zu unserem heutigen Treffen hat Frau Gri-       Mit ihnen entwickelte sich mit der Zeit eine
maldi kornelia krapf, Willkommenspatin             Freundschaft, die zur Bildung eines Freund-
seit 2017, eingeladen. Frau Krapf hat schon früh   schaftskreises führte. Die Gruppe besteht aus
Erfahrungen in der Unterstützung von Neu-          etwa einem Dutzend junger Frauen, die alle
bürgerInnen gesammelt. Als Lehrerin an             zwischen 20 und 35 Jahre alt sind. Frau Krapf
einem Gymnasium (Fächer: Ethik und Franzö-         freut sich sehr über jeden neuen Kontakt. Und
sisch) hat sie immer wieder SchülerInnen           vielleicht wird die eine oder andere auch zum
gehabt, die trotz ihrer Begabung und ihrem         neuen Mitglied Ihrer großen Familie!? Möchten
Ehrgeiz nicht die erhofften schulischen Leis-      Sie selbst WillkommenspatIn werden? ■
tungen erreichen konnten. Es stellte sich öfter
heraus, dass dies an mangelnden Kenntnissen            Kontakt
der deutschen Sprache lag. Daraufhin gab Frau          Landeshauptstadt Stuttgart,
Krapf solchen SchülerInnen Nachhilfeunter-             Abteilung Integrationspolitik
richt in Deutsch. Einer ihrer Schützlinge mit          Claudia Grimaldi
türkischem Migrationshintergrund erreichte             Telefon: 07 11 | 2 16-80382
dank ihrer Hilfe sehr gute Noten im Abitur             E-Mail: claudia.grimaldi@stuttgart.de
24   Wege zum Ehrenamt
          Juli – Dezember 2021

     Momente zum Nachdenken
     durch Kultur
     Der Verein Zukunft Kultur e. V.
     von Elena Schönfeld

     Der gemeinnützige Stuttgarter Verein Zukunft
     Kultur e.V. wurde 2014 gegründet. Ziel des Vereins
     ist es, mit musikalischen Mitteln eine Brücke
     zwischen den Kulturen zu schlagen.

     M    enschen, die aus ihren Herkunftsländern
          fliehen mussten, erhalten hier eine Platt-
     form, um ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen.
                                                         KünstlerInnen sowie einem großen Netzwerk
                                                         an Ehrenamtlichen.
                                                           Aus dem starken Anliegen heraus, Oper am
     Unterstützt werden sie von professionellen          gesellschaftspolitischen Geschehen und in der

     Cornelia Lanz

                                                                                    © Foto: Holger Borggrefe
Wege zum Ehrenamt       25
                                                                                Juli – Dezember 2021

Aktualität zu schaffen, gründete die Mezzosop-      turtagen und beim renommierten Lucerne Fes-
ranistin cornelia lanz im Jahr 2014 den Ver-        tival. Carmen wurde bereits achtmal erfolgreich
ein Zukunft Kultur e.V., damals noch unter dem      zur Aufführung gebracht.
Namen »Zuflucht Kultur e.V.« Inspiriert war sie        Die bisher schönste Bestätigung gab es im
vor allem durch die SchauspielerInnen am Lan-       Jahr 2015. Die Sendung Die Anstalt (ZDF)
destheater Schleswig-Holstein, die von der Büh-     erhielt den Grimmepreis für den Auftritt des
ne herunter mit ihrem Publikum interagierten.       syrischen Flüchtlingschores Zuflucht, in dem
Zur selben Zeit wurde das Theater in Schleswig      die Mitwirkung direkt Betroffener emotionale
abgerissen, Cornelia Lanz erlebte live mit, was     Wucht entfaltet, sowie den Amnesty Menschen-
es bedeutet, wenn Kultur kaputtgeht. Dem woll-      rechtspreis. Im selben Jahr übernahm Minister-
te sie etwas entgegensetzen. Sieben Jahre später    präsident Winfried Kretschmann die Schirm-
können Cornelia Lanz und zahlreiche HelferIn-       herrschaft für das Projekt Zaide. Eine Flucht.
nen stolz auf viele Projekte und Erfolge zurück-    Konstantin Wecker und Vincent Klink übernah-
blicken.                                            men die Schirmherrschaft für Idomeneo. Auf-
   Die HelferInnen, das sind in diesem Fall         tritte waren unter anderem beim World Huma-
unglaublich engagierte und renommierte deut-        nitarian Summit der UNO in Genf, beim welt-
sche und internationale KünstlerInnen sowie ca.     weiten Rotkreuztreffen, am Bürgerfest des Bun-
400 Beteiligte, die aus ihren Herkunftsländern,     despräsidenten auf Schloss Bellevue und im
darunter Afghanistan, Eritrea, Ghana oder dem       Deutschen Bundestag.
Irak, fliehen mussten. Hinzu kommt ein großes          Damit auch in Zukunft weitere Projekte
Netzwerk an motivierten und liebevollen Ehren-      erfolgreich umgesetzt werden können, sind
amtlichen, die viel Zeit und Energie in die ver-    neue ehrenamtliche HelferInnen stets willkom-
schiedenen Projekte stecken.                        men. Pläne für die Zukunft gibt es bereits
   Der Kern von Zukunft Kultur e.V. ist die Frie-   einige: Im Herbst steht die große Chortagung
dens- und Völkerverständigungsarbeit durch          chor.com in Hannover an, für den Mai 2022
Kultur. Jedes Jahr erarbeiten die Beteiligten       gibt es eine Überraschung mit den Stuttgarter
zusammen mindestens eine große Oper im              Philharmonikern und die Tschaikowskyoper
Jetzt. Zusätzlich gibt es Vermittlungs- und Teil-   soll im September 2022 vollendet werden. Zwi-
habeprojekte sowie politische und T V-Auftritte.    schendurch sind zudem kleinere Auftritte
Es entstehen künstlerische Konzepte gegen Ras-      geplant. Helfen kann jeder, der an die Kraft der
sismus und auch für Umweltfragen – Momente          Musik glaubt und ein sozialer Mensch ist.
zum Nachdenken durch Kultur.                        Wer sich inspirieren lassen will von berühren-
Aus dem ursprünglichen Namen »Zuflucht Kul-         den Begegnungen und dramatischer Musik, wer
tur« wurde nach einiger Zeit Zukunft Kultur. Die    daran arbeiten will, die Welt durch Kultur ein
Arbeit des Vereins änderte sich mit den Jahren,     bisschen besser zu machen und wer seine Kul-
aus Flüchtlingen wurden Angekommene und             tur teilen und andere Kulturen kennenlernen
aus Fremden FreundInnen. Das vorübergehende         will, der ist genau richtig beim Verein Zukunft
Refugium, die Zuflucht, öffnete sich für ein         Kultur e.V. ■
Leben mit Kindergarten, Schule, Ausbildung,
Beruf, Wohnung, Umfeld, Freundeskreis und               Kontakt
kultureller Symbiose in einem neuen Land. Und           Zukunft Kultur e. V.
so wurde aus »Zuflucht Kultur«, Zukunft Kultur          Eugenstraße 12
e.V.                                                    Cornelia Lanz
   Die Arbeit des Vereins konnte bereits in zahl-       E-Mail: Cornelia.lanz@zukunft-kultur.de
reichen Aufführungen begutachtet werden. Die            Internet: www.zukunft-kultur.de
Mozartopern Cosi fan tutte und Zaide. Eine
Flucht. wurden insgesamt 33 Mal aufgeführt.
Idomeneo begeisterte Zuschauer bei den Lud-
wigsburger Schlossfestspielen, bei den EZB Kul-
26   Wege zum Ehrenamt
         Juli – Dezember 2021

     Zusammenspiel der Kulturen
     Das interkulturelle Theaterensemble des Forums
     der Kulturen nutzt die Vielfalt unserer Stadtbevölkerung.
     von Georg Kersting

     Das Theaterensemble gehört zu einer Reihe von Projekten und
     Initiativen des Forums der Kulturen Stuttgart e. V., mit denen
     der interkulturelle Dialog sowie die Partizipation von MigrantInnen
     und ihrer Nachkommen gefördert werden soll.

     W      as ist das Besondere an dieser Theater-
            gruppe? Auf den ersten Blick sind es spe-
     zielle Themen wie Rechtspopulismus und All-
                                                        Inszenierung Generationenwechsel in coronakon-
                                                        formen Kleinstgruppen. Herr Mellar schildert
                                                        Proben von durchaus auch lustigen Szenen, in
     tagsrassismus, die in den Inszenierungen der       denen Konflikte zwischen den Generationen
     letzten Jahre behandelt wurden. Eine wichtige      sowohl auf der Mikroebene in der Familie und
     Rolle spielt auch das kreative Zusammentreffen     am Arbeitsplatz als auch auf der Makroebene
     der vielen unterschiedlichen Kulturen bei der      mit Themen der Generationengerechtigkeit und
     Erarbeitung der Stücke. Die Erfahrungen aus        des Klimawandels dargestellt werden. Typisch
     jeder einzelnen Migrationsgeschichte der bis zu    für die Kreativität des Ensembles ist auch seine
     30 Mitwirkenden liefern Impulse für die Ausge-     Rolle in der letzten Inszenierung Loredyne, die
     staltung der Inszenierungen. Bei näherem Hin-      Aspekte der digitalen Identität beleuchtete.
     sehen gehen allerdings die künstlerischen und      Coronabedingt spielten alle DarstellerInnen ein-
     methodischen Ansprüche des Ensembles weit          zeln online von zu Hause aus, wobei die
     darüber hinaus.                                    ZuschauerInnen gleichzeitig mit der Theater-
        pablo mellar ist einer der ehrenamtlichen       gruppe chatten konnten. Herr Mellar spielte
     DarstellerInnen und schildert im Interview die     darin ein Smartphone, das für seine Besitzerin
     komplexe und kreative Entstehung der Auffüh-       Loredana durch Kommunikations- und Informa-
     rungen. Bereits bei der Themenfindung und          tionsmöglichkeiten positive Eigenschaften hatte,
     programmatischen Ausgestaltung der Theater-        aber durch Sammeln von Daten sozusagen auch
     stücke wirken die ehrenamtlich Spielenden und      zu einem Spion wurde.
     Schreibenden mit. In der Entstehungsphase             boglárka pap ist als Theaterpädagogin seit
     werden auch Anregungen aus einschlägigen           2014 die professionelle künstlerische Leiterin
     Zitaten, Geschichten und Interviews mit Fach-      und in Kooperation mit luis hergón Regisseu-
     kundigen zum Beispiel aus Migrantenvereinen        rin des Ensembles. Sie schildert als Ziel der
     genutzt. Die ehrenamtlichen Akteure entwi-         Inszenierungen die Darstellung der Realität der
     ckeln Szenen und Texte, die das professionelle     Mitwirkenden in unserer komplexen Gesell-
     Leitungsteam und vor allem der Textschreiber       schaft. Durch ihre intensive Mitgestaltung brin-
     nikita gorbunov überarbeiten. Zur Zeit des         gen sie ihre eigenen Erfahrungen ein und
     Interviews laufen die Proben für die aktuelle      machen dadurch die Darstellung besonders
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