DROGENKURIER magazin des jes-bundesverbands - Deutsche Aidshilfe
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editorial DROGENKURIER Liebe Leserinnen und Leser, Förderinnen IMPRESSUM und Förderer des DROGENKURIER, Nr. 125, März 2021 Herausgeber des DROGENKURIER: liebe Freundinnen und Freunde des JES*-Bundesverband e. V. JES-Bundesverbands Wilhelmstraße 138 10963 Berlin Ein Jahr Corona liegt nun hinter uns als Drogengebraucher*innen und Mitarbeiter*innen Tel.: 030/69 00 87-56 in Aids- und Drogenhilfen. Gut, dass es Dinge gibt, die einfach gleich bleiben. Hierzu Fax: 030/69 00 87-42 gehört zum Beispiel der DROGENKURIER, das Magazin des JES-Bundesverbands. Mail: vorstand@jes-bundesverband.de Unser Verband hat sich in den vergangenen Monaten intensiv dafür eingesetzt, dass www.jes-bundesverband.de die Ausnahmeregelungen für die Substitutionsbehandlung fortgesetzt werden. Dies ist die Grundlage, um für 80.000 Substituierte die Risiken einer Corona-Infektion DAH-Bestellnummer: 102125 zu reduzieren. Hierfür müssen die Ausnahmeregelungen aber auch konsequent ISSN: 2512-4609 angewendet werden. Auflage: 4.500 Exemplare Daher möchten wir an dieser Stelle alle substituierenden Ärzt*innen auffordern, Redaktion: JES-Bundesvorstand, Dirk Schäffer wann immer möglich die Kontakte zu substituierten Patient*innen zu reduzieren und die Ausnahmeregelungen zu nutzen. Corona-Infektionen bei Substituierten können durch bestehende Vorerkrankungen schwere und lebensbedrohliche Verläufe haben. Substitution ohne Krankenversicherung muss überall möglich sein Durch Corona haben in der Spitze etwa 2000 User*innen den Weg in die Behand- lung gefunden. Maßgeblich dazu beigetragen hat ein Hamburger Modellprojekt im Drob Inn, das auch ohne Corona als Blaupause für andere Städte gelten kann. Denn dort wurden bis November allein 300 Opioidkonsument*innen in die Behand- lung aufgenommen – und dies unabhängig von ihren Krankenversicherungschutz. Ú Seite 3 Mehr Eigenverantwortung durch Depotmedikamente Wir bedanken uns sehr bei Timo, dass er uns in dieser Ausgabe seine Erfahrungen bei der Umstellung auf ein Buprenorphin-Depotmedikament geschildert hat. Dies könnte unserer Ansicht nach eine neue Chance für eine Individualisierung der Titelfoto: YK/AdobeStock.com Substitution sein und die immer noch bestehenden Vorbehalte der Substitution Layout, Satz: Carmen Janiesch im Strafvollzug ad acta legen. Ú Seite 18 Druck: onlineprinters.de Wie funktioniert eigentlich die Testung in der Drogenhilfe? Der DROGENKURIER wird Mit dem Wegfall des Arztvorbehalts für die Antikörpertestung auf HCV, HIV und unterstützt durch: Syphilis sollten Drogengebraucher*innen einen einfacheren Zugang zum Test und (Nennung in alphabetischer Reihenfolge) zur Behandlung erhalten. Das Interview mit Michael Harbaum von der Drogenhilfe Camurus, Deutsche Aidshilfe e. V., Düsseldorf und Dr. Holger Hinrichsen aus Kiel, gibt einen ersten Einblick. Ú Seite 22 GL Pharma, Hexal, INDIVIOR, Sanofi Aventis Seid freundlich zur Drogenselbsthilfe! Auch die Kooperationsprojekte zwischen dem JES-Landesverband und den JES- * Junkies, Ehemalige, Substituierte Bundesverband gehen weiter. So wurden die ersten Zertifikate für Drogenselbsthilfe- Die Nennung von Produktnamen bedeutet keine freundliche Einrichtungen verliehen. Alles weitere findet ihr dazu in dieser Ausgabe Werbung Ú Seite 28 Das Redaktionsteam 2
www.jes-bundesverband.de topthema Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde Foto: privat deutlich welch große Anzahl von Dro gengebraucher*innen in Deutschland ohne Obdach leben und vielfach keinen Krankenversicherungsschutz haben, dies unabhängig von ihrer Nationalität. Bedingt durch fehlende Einnahme- quellen wie Zeitungsverkäufe, betteln oder auch Ladendiebstähle hatten Hero inkonsument*innen von heute auf mor- gen keine Möglichkeit mehr den täg- lichen Geldbedarf zu decken, um sich entsprechende Mengen von Heroin auf dem Schwarzmarkt zu besorgen. Was tun, denn bisher galt bis auf wenige Einzelfälle: ohne Krankenversicherung keine Substitution In der Hamburger Drogenhilfeeinrich- tung Drob Inn entwickelte man ein neues und alternatives Modell einer niedrig- schwelligen Substitutionsambulanz. Im Gespräch mit Christine Tügel vom Vor- stand des Jugendhilfe e. V. Hamburg und Peter Möller, Leiter des Drob Inn, erhielten wir einen Eindruck von der Umsetzung. Wie kam es zu der Initiative für eine niedrigschwellige Substitutionsambulanz Das Drob Inn Hamburg und wer waren die Partner beim Aufbau? Niedrigschwellige Der Arbeitskreis Suchtmedizin der Ärzte- kammer Hamburg und Kassenärztlichen Substitution Vereinigung Hamburg hat die Initiative für eine suchtmedizinische Notversor- gung von bisher nicht substituierten Opi- unabhängig vom oidabhängigen vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie ergriffen. Argumente für die Corona-bedingte Versicherungsstatus Notwendigkeit eines niedrigschwelligen Zugangs zur Substitutionsbehandlung für Personen, die der offenen Drogensze- Das Modell des Drob Inn während der Corona-Pandemie ne angehören waren, dass 3
topthema DROGENKURIER • bisherige Einkommensquellen durch Gelingt es die Patient*innen mittelfris- es sehr begrüßen, wenn aus dem befris- Betteln, Flaschensammeln, Diebstahl, tig in andere Praxen zu überführen um teten Projekt ein Regelangebot des Drob Prostitution, Verkauf des Straßenma- dort eine dauerhafte Behandlung anzu- Inn werden würde, weil es das Angebot des gazins wegfielen. streben? Drob Inn komplettiert und dessen Wirk- • die Befürchtung bestand, dass der Ille- Die Vermittlung an andere Praxen oder samkeit im Sinne einer bestmöglichen gale Drogenmarkt aufgrund geschlos- Substitutionsambulanzen gelingt bspw. Versorgung von Opioidkonsument*innen, sener Grenzen zusammenbricht oder bei erfolgter (Wieder)Herstellung des die der offenen Drogenszene zuzurechnen die Preise auf der Drogenszene stei- Krankenversicherungsschutzes und aus- sind, deutlich erhöht. gen. reichender körperlicher und psychischer • Heroinkonsument*innen als Risiko- Stabilisierung der Patient*innen. Gleiches Seht ihr für eine solche Einrichtung personen für einen schweren Corona- gilt für die Vermittlung in Entzugsbe- auch außerhalb von Pandemiezeiten Krankheitsverlauf angesehen werden handlung und therapeutische Angebote. Bedarf? müssen und durch das Leben auf der Unbedingt, denn durch die niedrigschwel- Drogenszene das Virus schnell ver- Ist euer Projekt als Modell gedacht oder lige Substitutionsambulanz wird ein un- breiten könnten. gibt es eine mittel- oder gar langfristi- abhängig von der Corona-Pandemie un- ge Perspektive? abweisbar vorhandener Bedarf abgedeckt, Die niedrigschwellige Substitutionsam- für die nicht krankenversicherten Hero Das Modell einer bulanz ist als befristetes Projekt für die inkonsument*innen sowie für besonders niedrigschwelligen Dauer der Pandemie gestartet. Nun dau- hochbelastete Menschen, die vom her- ert diese länger als von allen erhofft und kömmlichen System der Substitutionsbe- Substitutionsambulanz das Projekt wurde bereits einmal verlän- handlung nicht erreicht werden. gert. Die Entscheidung einer weiteren Ver- Das Drob Inn erwies sich schnell als pas- längerung über den 31.3.2021 hinaus steht Der DROGENKURIER bedankt sich bei sende Einrichtung für ein solch neues noch aus. Wir sind optimistisch, dass eine Christine Tügel (Vorstand der Jugend- Projekt, da dort bereits die gesamte Palet- Verlängerung erfolgt, da eine Beendigung hilfe e. V.) und Peter Möller (Leitung des te an medizinischen und sozialen Hilfen mitten in der Pandemie nicht zu verant- Drob Inn) für dieses Gespräch. vorgehalten wird und die Einrichtung worten wäre. Grundsätzlich würden wir Dirk Schäffer 100 Stunden die Woche in unmittelbarer Szenenähe geöffnet hat. Zudem beschäf- tigt das Drob Inn bereits Ärzte und Ärz- Abbildung 1: Innerhalb der ersten Abb. 1 tinnen, die Substitutionsbehandlungen 7 Monte gelang es 296 Personen in 48 248 durchführten und Sozialpädagog*innen die Substitution aufzunehmen. 4/5 der für die psychosoziale Betreuung. Patient*innen sind Männer und 1/5 Innerhalb von zwei Wochen gelang Frauen. n = 296 es die Substitutionsambulanz an den Start zu bringen. Seit dem 6. April 2020 Hinsichtlich des Krankenversiche- ist eine niedrigschwellige Substitutions- rungsschutzes wurde deutlich, dass ambulanz täglich 3 ½ Stunden für die Ab- etwa 68 % der Patient*innen über gabe des Substituts geöffnet. Um zu se- keine Krankenversicherung verfüg- Frauen Männer hen, ob die Interessent*innen überhaupt ten. Lediglich 1/3 der Patient*innen Opiate konsumieren, wurde ein Schnell- verfügte über eine Krankenversiche- Abb. 2 test durchgeführt. Zudem werden bei Co- rung. Besonders interessant ist ein 46,5 % 53,5 % rona-spezifischen Symptomen PCR-Tests Blick auf die Patient*innen mit deut- angeboten. scher Nationalität, die ja über einen Das Angebot richtet sich explizit auch Rechtsanspruch für eine Krankenver- 100 % an Drogenkonsument*innen ohne Kran- sicherung verfügen. kenversicherung. Die Kosten für die Be- handlung der nicht krankenversicherten Abbildung 2: macht deutlich, dass Patient*innen trägt die Stadt Hamburg mehr als die Hälfte (53,5 %) der aus einem Etat, den die Stadt für Corona- deutschen Patient*innen über keinen deutsche Patient*innen deutsche Patient*innen bedingte Mehrkosten eingerichtet hat. Versicherungsschutz verfügten. mit Versicherung ohne Versicherung 4
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leben mit drogen DROGENKURIER Foto: Veselin/AdobeStock Substitution unter Corona-Bedingungen „... man könnte meinen, es gäbe kein Coronavirus mehr ...“ Aktuell geht es politisch um die Verlän- täubungsmittelrechts so abweichen zu schiedlicher Intensität. Auch wenn nicht gerung der Ausnahmeregelungen für die können, dass die Versorgung mit Betäu- alle Ärzt*innen von den Möglichkeiten Substitutionsbehandlung. Das Ziel des bungsmitteln weiterhin sichergestellt Gebrauch machten und nicht alle Subs- Bundesministeriums für Gesundheit ist, werden kann. tituierten von verlängerten Take Home Kontakt von substituierten Personen un- Die bisherigen Ausnahmen sind bis Verschreibungen profitierten, muss kon- tereinander und mit ihren Ärzt*innen zu März 2021 befristet und sollen um ein statiert werden, dass das Ziel dieser Maß- reduzieren. weiteres Jahr verlängert werden. nahmen erreicht wurde. Infolge der, durch die Pandemie aus- Für Ärzt*innen wurde die Möglichkeit gelösten besonderen gesundheitlichen Erfolge nach dem ersten geschaffen, bis zu 8 Gespräche im Quartal Versorgungslage, soll es insbesondere Lockdown und nun? abzurechnen. Hierzu zählten auch telefo- für Ärztinnen und Ärzte sowie für Apo- Wirft man einen Blick in die Praxis, so nische und digitale Kontaktaufnahmen. theken möglich sein, in bestimmten zeigte sich im ersten Lockdown eine brei- Die Erfahrungen machten auch deut- Bereichen von den Maßgaben des Be- te Umsetzung – allerdings mit unter- lich, dass es vermehrt Nachfragen zur 6
www.jes-bundesverband.de leben mit drogen Hintergrund. Geringe Infektionszahlen, SUBSTI- Das Ziel war, Corona- schönes Wetter und der Drang nach Nor- Infektionen bei malität waren verständliche Treiber für TUTION dieses nachvollziehbare Verhalten. substituierten Menschen Dann stiegen die Coronainfektionen durch die konsequente UND auch unter Substitutionspatient*innen. Reduzierung von Spätestens dort wäre der Zeitpunkt ge- wesen, um die Ausnahmeregelungen Kontakten zu vermeiden. C RONA wieder konsequent umzusetzen. Berich- te aus der Praxis nach dem Jahreswech- Umstellung auf Buvidal, dem ersten in sel von Sozialarbeiter*innen, Peers und Deutschland zugelassenen Buprenor- von Substituierten selbst, lassen daran Ausnahmeregeln phin-Depotpräparat mit einer Wirkdauer aber Zweifel aufkommen. Die Rückmel- tituierte von einer Woche oder vier Wochen, gab. dungen aus unterschiedlichen Regionen fo rm at io n en für Subs In innen Um Einnahmeverluste von Behandler* lassen uns zu der Einschätzung kommen, konsument* und Heroin innen zu reduzieren und eine Umstel- dass im Rahmen des zweiten Lockdowns lung zu befördern, wurde die Möglich- die Ausnahmeregelungen in der Substi- Flyer zum Thema Ausnahmeregelung en keit einer Abrechnung geschaffen. tutionsbehandlung weitaus weniger An- Zusammenfassend lässt sich sagen, wendung fanden und finden als noch im dass die gesetzlichen Maßnahmen der Frühjahr 2020. Der JES-Bundesverband und der Landes- Politik sowie die Veränderungen von verband in Nordrhein-Westfalen haben Seiten der Kassenärztlichen Bundesver- Geht es ums Geld oder ist es sich dazu entschlossen, die wichtigsten einigung und der Kassen eine sehr gute Coronamüdigkeit? Ausnahmeregelungen nochmal in ei- Grundlage bieten, um die Versorgung Wir stellen uns die Frage woher dieses nem Flyer zusammenzufassen. substituierter Personen zu sichern. veränderte Verhalten substituierender Hierbei unterscheiden wir zwischen Ärzt*innen kommt. Sind es tatsächlich fi- gesetzlichen Regelungen in der BtmVV Dann kam der Sommer und der nanzielle Probleme, die Behandler*innen und anderen Ausnahmeregelungen für zweite Lockdown dazu veranlassen in deutlich zunehmen- Apotheken, hinsichtlich der Vergütung Wie in anderen Bereichen normalisierte dem Umfang Patient*innen wieder in die etc. sich in den Sommermonaten die Situa- Praxis kommen zu lassen? Oder haben Der erste Lockdown hat gezeigt, dass tion und Corona rückte auch in der Sub- wir uns einfach an ein Leben mit dem eine Vielzahl substituierter Patient*innen stitutionsbehandlung ein wenig in den Coronavirus gewöhnt und die Aufmerk- mit der längeren eigenverantwortlichen samkeit und die Sensibilität nimmt ab. Einnahme ihres Medikaments sehr ver- antwortlich umgeht. Jene die engeren Was kann die Drogenselbsthilfe Kontakt wünschen, haben regelmäßige tun? Kontakte mit ihren Ärzt*innen vereinbart. Klar ist, dass dieses Vorgehen fatale Konsequenzen für die Gesundheit sub- Kurzum, es gibt aus unserer Sicht keinen stituierter Patient*innen und auch die Grund, von den erfolgreichen Verfah- behandelnden Ärzt*innen und ihre Pra- rensweisen im letzten Jahr abzurücken xisteams haben kann. und auf diese Weise Patient*innen und So sagte eine substituierte Person „In die Teams in den Praxen zu gefährden. meiner Praxis könnte man meinen es Ganz im Gegenteil, aufgrund der aktu- gäbe kein Corona mehr“ ell sehr hohen Infektionszahlen und den Bereits jetzt werden uns vermehrte im Raum stehenden Mutationen des Co- Coronainfektion bei substituierten Pati ronavirus mit deutlich erhöhter Über- ent*innen gemeldet. Viele Substituierte tragbarkeit, muss es darum gehen die gehören zur Risikogruppe, da sie chroni- Ausnahmeregelungen der BtmVV um- sche Atemwegserkrankungen aufweisen, fassend und überall dort anzuwenden, die einen lebensbedrohlichen Verlauf der wo es verantwortbar scheint. Coronainfektion sehr wahrscheinlich er- Plakat zum Thema Drogen und Corona scheinen lassen. JES-Bundesverband 7
leben mit drogen DROGENKURIER AK T I O N S T A G SU B ST I T U T I O N A M 5 . 5 . 2 0 2 1 Id e e n f ü r Mit der Kampagne 100.000 Substi- Der 1. Aktionstag Substitution Videospots und Pros und Cons tuierte bis 2022 wollen wir gemein- am 5.5.2021 der Medikamente sam dazu beitragen, die Substitu- Dazu beitragen soll u. a. der erste Ak- So wurden Videospots von substi- tion zu stärken. Das Ziel ist, dass tionstag Substitution am 5. Mai 2021. tuierten Frauen und Männern er- bis 2022 mindestens 60 Prozent der Natürlich spielt das Thema Substitu- stellt, die auf der Webseite www.jes- Opioidabhängigen behandelt werden tion jeden Tag eine Rolle in der Ar- bundesverband.de/projekte/100000- beit von Aids- und Drogenhilfen sowie substituierte-bis-2022/ abgerufen 81.000 Substituierte, aber das sind der Drogenselbsthilfe. Aber gerade in werden können. Diese könnten am nur knapp 50 % den letzten Monaten und Jahren hat 5.5. vorgeführt werden. Mittels kur- Kaum die Hälfte der 165.000 Opioidab- es solch vielfältige Veränderungen im zen Interventionen im Rahmen eines hängigen in Deutschland erhält der- rechtlichen Bereich und bei den Me- gemeinsamen Frühstücks oder eines zeit eine Substitutionsbehandlung. Die dikamenten gegeben. Viele dieser In- Mittagessens könnten Einrichtun- Behandlung trägt zur gesundheitli- formationen und Veränderungen sind gen beispielsweise Nutzer*innen fra- chen Stabilisierung bei, ermöglicht nicht bis zu den Konsument*innen ge- gen, ob sie neue Depotmedikamen- Teilhabe am sozialen Leben und ver- langt. Mit dem Aktionstag Substituti- te kennen, die über Wochen wirksam hindert drogenbedingte Todesfälle. In on am 5. Mai möchten wir erreichen, sind. Sie könnten Nutzer*innen bit- vielen anderen europäischen Ländern dass möglichst viele Einrichtungen an ten, ihnen bekannte positive und ne- ist die Behandlungsquote höher als in diesem tag das Thema Substitution in gative Wirkweisen von Medikamenten Deutschland. In Frankreich, Spanien den Fokus ihrer Arbeit rücken. zu nennen, um anschließend darüber und Norwegen z. B. liegt sie bei etwa kurz zu diskutieren. 85 Prozent. 100.000 Substituierte – dies scheint Treffen zwischen sozialer Arbeit ein unrealistisches Ziel – insbesonde- und Medizin re bis zum Beginn des Jahres 2022. An diesem Tag könnte auch ein Treffen Klar ist, dass wir dieses Etappenziel zwischen Suchtmediziner*innen der nur gemeinsam mit Drogenhilfeein- Region und der sozialen Arbeit statt- richtungen, Multiplikator*innen der finden. Denn die Kontakte zwischen Selbsthilfe und der Ärzteschaft, aber den Disziplinen müssen zum Vorteil auch mit Unterstützung der Politik er- Eine Initiative der Deutschen Aidshilfe, des JES-Bundesverbands sowie von Akzept substituierter Menschen intensiviert mit Unterstützung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung reichen können. werden. 8
www.jes-bundesverband.de leben mit drogen Ein Coronavirus: wichtiges Schweizer Bundesrat passt Element der Kriterien zur Abgabe von Initiative 100.000 medizinischem Heroin an SuBstituierte Der Bundesrat hat beschlossen, Artikel Foto: EuroNPUD 13 der Betäubungsmittelsuchtverord- Bis 2022 nung (BetmSV) zu ändern. Zur Mini- mierung der Risiken einer Infektion mit COVID-19 können Patientinnen und Pa- d e n 5. M a i tienten aufgrund strikter Kriterien bis zu sieben Tagesdosen medizinischen Heroins mitgegeben werden. Normalerweise müssen Patientin- nen und Patienten, die eine heroin- bzw. Beratungsangebot zur Substitution diacetylmorphingestützte Behandlung Zudem könnten Einrichtungen an die- erhalten, mindestens einmal pro Tag sem Tag den Fokus der Beratung auf die Behandlungszentren aufsuchen, um das Thema „Substitution“ legen. Mit ihr Arzneimittel zu erhalten. Angesichts dem Motto „Was du schon immer der Ansteckungsrisiken gelangt jedoch Was allerdings auffällig ist, dass die- über die Substitution wissen wolltest“ seit Beginn der Pandemie vorüberge- se Regelungen die Diamorphinvergabe könnte eine solche Aktion beworben hend ein pragmatischer Ansatz zur An- in Deutschland gänzlich ausklammern. werden. wendung. Dabei wurde der Abstand Vor dem Hintergrund, dass Personen in zwischen den Konsultationen vergrös- der Diamorphinbehandlung teilweise Infotisch Substitution sert, was zu guten Ergebnissen führte. mehrmals täglich Diamorphin einneh- Die Deutsche Aidshilfe und der JES- Der Bundesrat hat beschlossen, diese men müssen und somit mehrmals täg- Bundesverband verfügen über eine Praxis zu formalisieren und sie mittels lich zur Ambulanz An- und Abreisen Vielzahl unterschiedlicher Medien einer Änderung der Betäubungsmittel- müssen, ist das Ausklammern dieser zum Thema Substitution. Einige Me- suchtverordnung (BetmSV) rechtlich zu Patient*innengruppe von Schutzmaß- dien wurden eigens für diese Initi- verankern. Die Änderung bleibt bis zum nahmen vor dem Hintergrund der pan- ative realisiert. Bestellen Sie unter 31. Dezember 2021 in Kraft. Sie sieht zu- demischen Lage nicht nachvollziehbar. www.aidshilfe.de/shop und www.jes- dem vor, dass die Zentren, die heroin- An dieser Stelle wird das Fehlen ei- bundesverband.de/medienshop/ ver- gestützte Behandlungen durchführen, ner alternativen Darreichform z. B. als schiedene Medien und richten Sie ei- einen vierteljährlich Bericht abgeben, Tablette oder Kapsel allzu deutlich. nen kleinen Infotisch am 5. Mai ein. damit eine angemessene Überwachung Diese aktuelle Extremsituation macht dieser Praxis durch das Bundesamt für einmal mehr deutlich, dass es für die Kurzum, der 5. Mai bietet vielfältige Gesundheit gewährleistet ist. Diamorphinbehandlung gesetzlicher Möglichkeiten den Blick gemeinsam Änderungen bedarf. Dies im Hinblick mit Drogengebraucher*innen auf Ein gutes Beispiel auf Erweiterungen des Zugangs zur Be- die Substitutionsbehandlung zu für Deutschland handlung, veränderten Darreichsfor- richten. Die Ausnahmeregelungen zur Substi- men als Alternative zum iv Konsum, tutionsbehandlung in Deutschland bil- sowie die Schaffung einer Möglichkeit Dirk Schäffer und Heino Stöver den ohne weiteres eine gute Grundlage zur eigenverantwortlichen Einnahme für die Initiative um Substituierte vor Corona zu schüt- des Medikaments. 100.000 Substituierte bis 2022 zen und Kontakte zu reduzieren. Dirk Schäffer 9
leben mit drogen DROGENKURIER Einführung eines Screenings auf Hepatitis-B und Hepatitis-C Foto: CLIPAREA.Fotolia.com Versicherte ab 35 Jahren haben künftig einmalig den Anspruch, sich auf die Viruserkrankungen Hepati- tis-B und Hepatitis-C als Bestandteil des sogenannten Check-ups (Gesundheits untersuchung) testen zu lassen. Das beschloss der Gemeinsame Bun- desausschuss (G-BA) in seiner Plenums- sitzung. Damit sollen unentdeckte, weil zunächst symptomlos oder schleichend verlaufende Infektionen mit dem Hepa- titis-B-Virus (HBV) oder Hepatitis-C-Virus (HCV) erkannt werden. „Mit dem neu eingeführten Screening kann Hepatitis frühzeitig erkannt und behandelt werden. Bei den betroffenen Menschen können so schwerwiegende Leberschädigungen verhindert werden“, so Dr. Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses Methodenbewertung. 10
Ist dies nun ein Erfolg oder wurde eine große Chance vertan einen wirklich gro- ßen Schritt auf dem Weg zur Eliminie- Was ist der G-BA rung von Hepatitis C bis 2030 zu gehen? Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist Mit diesem Beitrag soll ein kritisch- dif- das oberste Beschlussgremium der gemeinsa- ferenziertes Bild auf die diesbezüglichen men Selbstverwaltung der Ärztinnen und Ärzte, Entwicklungen im G-BA gelegt werden. Zahnärztinnen und Zahnärzte, Psychotherapeu- tinnen und Psychotherapeuten, Krankenhäuser Warum empfehlen und Krankenkassen in Deutschland. internationale Leitlinien Er bestimmt in Form von Richtlinien den Leis- ein anderes Vorgehen? tungskatalog der gesetzlichen Krankenversiche- Wirft man einen Blick in die aktuellen int. rung (GKV) für etwa 73 Millionen Versicherte. Leitlinien des Centers for Disease Control Der G-BA legt fest, welche Leistungen der me- (CDC), der United States Preventive Ser- dizinischen Versorgung von der GKV übernom- vices Task Force (USPSTF) und der Ame- men werden. rican Association for the Study of Liver Entsprechend der Patientenbeteiligungsverordnung nehmen Patientenvertrete- Diseases (AASLD) wird man festellen, rinnen und Patientenvertreter an den Beratungen des G-BA mitberatend teil und dass ein populationsbasiertes Screening haben ein Antragsrecht. Aufgabe des G-BA ist es, innerhalb dieses Rahmens ein- aller Personen ab 18 Jahre empfohlen heitliche Vorgaben für die konkrete Umsetzung in der Praxis zu beschließen. Die wird. Die Leitlinie der Canadian Associa- von ihm beschlossenen Richtlinien haben den Charakter untergesetzlicher Nor- tion for the Study of the Liver (CASL) emp- men und sind für alle Akteure der GKV bindend. fiehlt ein populationsbasiertes Screening Bei seinen Entscheidungen berücksichtigt der G-BA den allgemein anerkannten der Geburtsjahrgänge 1945–1975 und ein Stand der medizinischen Erkenntnisse und untersucht den diagnostischen oder Screening von Risikogruppen. Die deut- therapeutischen Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlich- sche S3-Leitlinie empfiehlt ein Screening keit einer Leistung aus dem Pflichtkatalog der Krankenkassen. von Risikogruppen und allen Personen, die dies explizit wünschen. Die Leitlini- en der WHO aus dem Jahr 2016 und der Gastroenterological Society of Australia (GESA) aus 2018 empfehlen ein Screening Hepatitis-C-Infizierte sollen schneller nur für Risikogruppen. Abweichend von internationalen Leit- behandelt werden können linienempfehlungen wurde im Rahmen der Anhörung im ersten Stellungnahme- Der gerade veröffentlichte Zusatz zu der seit 2018 gültigen AWMF-Leitlinie zur Pro- verfahren ein höheres Alter für das Scree- phylaxe, Diagnostik und Therapie bei HCV-Infektion enthält Neuerungen zur Indikati- ning vorgeschlagen. Dies wurde u. a. mit onsstellung und soll effektiver als bislang zur Elimination von Hepatitis C beitragen. der langsamen Progression der Erkran- Notwendig geworden war der Zusatz nach Angaben der beteiligten Fachgesell- kung begründet, so dass ein späteres schaften, weil sich die Therapieoptionen in den vergangenen zwei Jahren rasch wei- Screening den Nutzen nicht wesentlich terentwickelt haben. Außerdem wird nach wie vor von einer hohen Dunkelziffer an einschränken würde. HCV-Infektionen in Deutschland und weltweit ausgegangen. Hinsichtlich der Häufigkeit des Scree- nings wurde in der Anhörung des G-BA Im Klartext heißt das: Menschen mit chronischer Hepatitis C sollen nun schneller für die Mehrheit der Personen ohne er- als bisher identifiziert und behandelt werden. Empfohlen wird, jeden Patienten mit höhtes Risiko ein einmaliges Screening nachgewiesener RNA des Hepatitis-C-Virus (HCV) sofort antiviral zu behandeln, der für ausreichend erachtet. Der G-BA geht Nachweis erhöhter Transaminasen-Werte oder einer Leberfibrose sind keine not- darüber hinaus davon aus, dass im Kon- wendige Voraussetzung. Dabei sollen vornehmlich pangenotypische DAA (direkt text der Untersuchung auf eine HCV-In- antivirale Agenzien) verwendet werden, und zwar bei DAA-naiven Patienten ohne fektion eine ärztliche Aufklärung und dekompensierte Zirrhose und ohne fortgeschrittene Niereninsuffizienz. Beratung über Risikokonstellationen für eine entsprechende Infektion stattfin- Der neue Zusatz zu den Leitlinien ist unter u www.awmf.org/leitlinien/detail/ det. Hierbei kann bei Bedarf auf entspre- ll/021-012.html zu finden. chende Informationsmaterialien z. B. der
leben mit drogen DROGENKURIER Bundeszentrale für gesundheitliche Auf- Es ist kein Geheimnis, dass die Patient* klärung (BZgA) zurückgegriffen werden. Patientenvertretung innenvertretung im G-BA über die Dau- Dies soll zu einer erhöhten Aufmerksam- er der Beratungen und dem Ergebnis der keit der Versicherten für die Infektionsri- reagiert mit Beratungen unzufrieden ist, da nach Mei- siken führen. Unverständnis und nung der Patient*innenvertretung, die so- Zudem entfällt mit dem vom Bundes- Enttäuschung auf die eben beschlossenen Maßnahmen nicht tag am 14. November 2019 beschlosse- zur Problemlösung beitragen werden. nen Masernschutzgesetz (BGBl. I, S. 148) Entscheidung des G-BA So hat sich G-BA trotz anderweitiger für bestimmte Schnelltests, darunter Einlassungen von Expert*innen in den Schnelltests auf HCV, der Arztvorbehalt. Anhörungen für ein einmaliges Screening Damit soll ein niedrigschwelliges Ange- Bereits in vorherigen Ausgaben des Dro- ab den 35. Lebensjahr entschieden. Wenn bot (z. B. in Drogenberatungsstellen) ent- genkurier haben wir über die Mitwirkung es nach der Patient*innenvertretung ge- stehen, um besonders gefährdete Perso- von Patient*innenvertretungen berichtet. gangen wäre, wäre ein Screening ab den nengruppen leichter zu erreichen. Damit Zuletzt bei der Neufassung der Richtlini- 18. Lebensjahr erforderlich gewesen und wird ein Screening Angebot für Risiko- en für die opioidgestützte Substitutions- man hätte Risikogruppen wie z. B. Dro gruppen geschaffen, die eine Gesund- behandlung 2018. gengebraucher*innen eine mehrmalige heitsuntersuchung und ein damit ver- Nun also ging es um das Thema Hepa- Möglichkeit des Screenings einräumen bundenes Angebot für ein Screening auf titis-C und -B-Screening. Dies meint die müssen. HCV eher selten in Anspruch nehmen. Möglichkeit aller Bürger*innen sich im Natürlich wissen auch wir, dass Dro Rahmen eines Arztbesuchs beraten und gengebraucher*innen nicht in Massen u Quelle: www.g.ba.de testen zu lassen. zum Arzt geströmt wären. Aber mit ei- r isch erschienen und sich die Substitutions- Foto: Stefan Fries behandlung einem Heer von Kritiker*innen „Ich kann mich entgegensah. noch erinnern, Eine spannende, aber nicht einfache Zeit, da es für Garry und seine Mitstreiter*innen auch als die persönliche Angriffe gab und man ihnen vor- warf zu kapitulieren. Spritzenvergabe Heute sind wir viele viele Schritte weiter, auch wenn die Entkriminalisierung von Drogen verboten war.“ konsument*innen (Erwerb, Besitz und Weiter- gabe) bisher nicht realisiert werden konnte. Mit Garry Kaspar geht ein Kämpfer für eine humane Drogenpolitik in den verdienten In ihrem Leserbrief hat die Wuppertaler E ltern- Ruhestand initiative darauf hingewiesen, dass Garry Kaspar maßgeblich daran beteiligt war, dass Die Mitglieder der Elterninitiative dankten Garry Kaspar bereits Wuppertal zu den Städten Deutschlands gehört, die eine kom- mit einem Leserbrief für seinen Einsatz für einen humanen Um- plette Palette niedrigschwelliger Angebote vorweisen kann. gang mit Drogengebraucher*innen. Dies passiert nicht von allein, sondern dafür braucht es Men- Diesem Dank möchten wir uns als JES-Bundesverband und schen wie Garry, Klaudia, Jürgen, Heidrun und viele andere. als Deutsche Aidshilfe anschließen. Garry, ganz lieben Dank für deine Arbeit Ich habe Garry in den späten 90er Jahren kennengelernt. Er für Drogen gebrauchende Menschen! war als Geschäftsführer des Bundesverbands akzept e.V. Garry hat sich zu einer Zeit für die akzeptierende Bewegung Dirk Schäffer, im Namen des JES-Bundesverbands eingesetzt, als viele unsere Angebote entweder noch illuso- und der Deutschen Aidshilfe 12
www.jes-bundesverband.de leben mit drogen ner entsprechenden Bewerbung eines on sehr frühzeitig zu diagnostizieren und als Staffage wirkten, als dass man sich solchen Angebots, hätte es gelingen kön- mit den neuen DAA-Therapien frühzei- ihren Empfehlungen insbesondere in der nen auch diese Gruppe zum Test zu mo- tig erfolgreich zu behandeln. Nicht ohne 2. Anhörung angeschlossen hätte. Auch tivieren. Als Grund gegen ein risikoad- Grund empfehlen aktuelle internationale die internationalen Leitlinien aus Ameri- aptiertes Screening, wurde der Wegfall Leitlinien mehrheitlich eine Testung ab ka, Canada und von Lebergesellschaften des Arztvorbehalts und die hierdurch dem 18. Lebensjahr. die mehrheitlich ein populationsbasier- gegebene Möglichkeit der Testung von tes Screening ab 18 Jahren empfehlen, Drogengebraucher*innen in Einrichtun- Besser als nix? wurde nicht gefolgt. gen der Aids- und Drogenhilfe genannt. So kann ich mich des Eindrucks nicht Hierbei blieb völlig unberücksichtigt, Nun kann man sagen, dass ein Screening erwehren, dass es hier nicht immer um dass durch die fehlende Förderung sol- ab den 35. Lebensjahr zumindest ein klei- medizinische und epidemiologische Er- cher Angebote durch die Länder, diese ner Schritt nach vorne ist zur Erreichung fordernisse geht, sondern politische und Testmöglichkeit nur sehr vereinzelt exis- der WHO-Ziele bis 2030. Man kann aber finanzielle Dinge handlungsleitend sind. tieren. auch sagen, dass eine große Chance nach Anders lassen sich die Ergebnisse der Be- Auch das Mindestalter von 35 Jah- mehrjährigen Beratungen vergeben ratungen kaum erklären. Es ist kein Ge- ren leuchtet nicht ein. Insbesondere jün- wurde. Ich persönlich, der selbst über heimnis, dass es der Arbeitsgruppe, deren gere Menschen setzen sich Risiken aus einen langen Zeitraum an den Beratun- Mitglied ich war, kaum möglich erschien und Drogengebraucher*innen infizieren gen teilgenommen hat, bin enttäuscht diese Beschlüsse entsprechend wissen- sich in den ersten zwei Jahren des Kon- und ernüchtert. Eine große Chance schaftlich in den „tragenden Gründen“ sums. Ein Screening ab 18 Jahren hätte wurde vertan. Hierbei verärgert mich, zu begründen. die Chance geboten eine etwaige Infekti- dass die eingeladenen Expert*innen eher Dirk Schäffer xuell übertragbaren Krankheiten bis Ende 2020 zu evalu- ieren. Coronapandemie Das konnte bisher aber nicht erfolgen Auch über die Zahl senkt Nachfrage nach der Beratungsgespräche und die Zahl der Personen, die eine PrEP in Anspruch nehmen wollen, liegen der Bundes- HIV-Präexpositions- regierung laut der Antwort keine Informationen vor. Das RKI schätze aber, dass es im Juni 2020 zwischen 15.600 prophylaxe und 22.300 PrEP-Nutzende in Deutschland gab. Kenntnis- se über die Altersaufschlüsselung der Personen liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Nachfrage nach der Präexpositionsprophylaxe (PrEP) Wieland Schinnenburg, Sprecher für Drogen- und Sucht- ist in der Coronapandemie deutlich zurückgegangen. Das politik und Berichterstatter für Prävention und HIV der zeigt eine interne Abfrage des Robert-Koch-Instituts (RKI) FDP-Bundestagsfraktion, forderte rasche Aufklärung. „Der unter Einrichtungen, die PrEP verschreiben, wie aus einer Einfluss der COVID-19-Pandemie auf das Infektionsge- Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der schehen im Bereich der sexuell übertragbaren Krankhei- FDP-Fraktion im Bundestag hervorgeht. Demnach hat die ten scheint nicht unerheblich zu sein“, sagte er. Nachfrage nach PrEP bei 76 Prozent der Zentren abge- Es müsse sichergestellt werden, dass es nicht zu vermehr- nommen. ter Spritzenteilung und Ausfall von Routineuntersuchungen Seit dem 1. September 2019 übernimmt die gesetzliche komme. Schinnenburg rief Bundesgesundheitsminister Krankenversicherung (GKV) die Kosten für die PrEP-Me- Jens Spahn dazu auf, regelmäßige aktuelle Erhebungen dikamente und Begleituntersuchungen bei Menschen mit und Daten rund um das Thema der sexuell übertragbaren erhöhtem HIV-Risiko. Die Bundesregierung wurde damals Krankheiten vorzulegen. vom Gesetzgeber verpflichtet, die Wirkungen der ärztlichen Verordnung der PrEP auf das Infektionsgeschehen der se- © hil/may/aerzteblatt.de 13
leben mit drogen DROGENKURIER Mehr Substituierte – weniger Ärzt*innen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlicht Substitutionsbericht 2021 Alle Ärzt*innen, die Substitu- Abb.1: Anzahl gemeldeter Substitutionspatienten in Deutschland von 2011 bis 2020 tionsmittel für Opioidabhän- (Stichtag 1.7.2020) gige verschreiben, haben der 80.000 77.300 77.500 77.200 78.500 78.800 79.400 79.700 81.300 76.200 75.400 Bundesopiumstelle im BfArM 70.000 unverzüglich z. B. den Patien- 60.000 tencode und das verschrie- 50.000 bene Substitutionsmittel 40.000 zu übermitteln. Auf diesen 30.000 Daten basiert der jährliche 20.000 Bericht zur Substitution. 10.000 Etwa 2.000 Substituierte mehr 0 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 in Zeiten des Lockdowns Das Jahr 2020 war geprägt durch die Co- Quelle: Bundesinstitut für Arzeimittel und Medizinprodukte / Substitutionsregister vid-19-Pandemie. Die am 21. April letzten Jahres in Kraft getretene SARS-CoV-2- Arzneimittelversorgungsverordnung hat Abb. 2: Anzahl meldender, substituierender Ärzte in Deutschland von 2011 bis 2020 zeitlich befristet ein Bündel von Ausnah- (Stichtag 1.7.2020) men von den Regelungen der BtmVV mit praktischen Erleichterungen eröffnet. 3.000 2.703 2.731 2.691 Während des Lockdowns im März/ 2.650 2.613 2.590 2.599 2.585 2.607 2.545 April 2020 und im November/Dezem- 2.500 ber 2020 ist jeweils die Anzahl der ge- meldeten Substitutionspatient*innen 2.000 leicht gestiegen. Nach dem Lockdown Mitte März 2020 stieg die Anzahl an 1.500 Substitutionspatient*innen von nahe- zu 80.350 (Stichtag 1.3.2020) auf 81.250 1.000 (Stichtag 1.5.2020) und lag im weiteren Jahresverlauf recht konstant zwischen 500 81.000 und 81.600. Im Vergleich zum Jahr 0 2019 (jeweils Stichtag 1.7.) ergibt sich ein 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Anstieg von 2 %. In den Vorjahren 2016 Quelle: Bundesinstitut für Arzeimittel und Medizinprodukte / Substitutionsregister bis 2019 lag der Anstieg jeweils unter 1 %. 14
Mehr Informationen erhalten Sie unter: www.aktuelles-aus-der-sucht.de AKTUELLES AUS DER SUCHT Die Wissensplattform von Hexal Ich substituiere jetzt mit Tablette. Die Tablette in der Substitutionstherapie – ein Schritt zu mehr Normalität Wieder zurück in ein fast normales Leben zu finden, ist das Ziel vieler Substitutionspatienten. Dies erfordert hohe Willenskraft und extreme Disziplin. Einfach eine Tablette zu nehmen, wie viele Menschen gegen andere Krankheiten auch, kann einen großen Fortschritt bedeuten. Hexal bietet als engagierter Partner im Bereich Suchtmedizin neben Flüssigpräparaten ein breites Produkt portfolio in Tablettenform an, das Patienten auf ihrem Weg begleitet und unterstützt. www.hexal.de
leben mit drogen DROGENKURIER Immer weniger Ärzt*innen behan Abb. 3: Art und Anteil der gemeldeten Substitutionsmittel (Stichtag 1.7.2020) deln Drogengebraucher*innen 2020 haben insgesamt 2.545 Substituti- Buprenorphin 23,4 % onsärzte Patient*innen an das Substitu- tionsregister gemeldet. Die Entwicklung Codein der letzten 10 Jahre stellt sich wie folgt 0,1 % dar (Abb. 2). Etwa 22 % der substituieren- Dihydrocodein den Ärzt*innen, nutzten 2020 die Kon- Levomethadon 0,1 % 36,8 % siliarregelung: Durch die Tatsache, dass Diamorphin diese Ärzt*innen ohne suchtmedizinische 1,2 % Qualifikation bis zu zehn Patient*innen Morphin gleichzeitig substituieren, werden nur 1,8 % etwa 1,5 % der Patient*innen von diesen Methadon Ärzt*innen behandelt. 36,6 % Quelle: Bundesinstitut für Arzeimittel und Medizinprodukte / Substitutionsregister Die Dramatik wird aller- dings deutlicher, wenn man gegenüberstellt, Weihnachtsaktion von JES Sauerland dass 2.000 Ärzt*innen 98,5 % aller Patient*innen Aufgrund der Coronapandemie sind 2020 fast alle Weihnachtsfeiern für Dro gengebraucher*innen sowie für einsame, obdachlose und psychisch kranke behandeln und 14 % Menschen ausgefallen. Daher hat die JES-Gruppe Hochsauerlandkreis (HSK) (350) der Ärzt*innen kurzerhand eine eigene kleine Weihnachtsaktion realisiert und etwa 40 Weih- 40.000 Patient*innen nachtstüten gepackt. Neben Masken, Safer Use Artikeln, Desinfektionsmittel, Kosmetik, haltbaren Lebensmitteln, Süssigkeiten freuten sich Menschen in behandeln. Marsberg, Meschede und Umgebung über kleine Überraschungen. Die Aktion wurde u.a. von der Knappschaft, einigen Apotheken, sowie zwei Marsberger Anstieg der Diamorphin- Betrieben und einer Privatperson durch Geld- und Sachspenden unterstützt. behandlungen und „Pola überholt erstmals Metha“ Im Jahr 2020 haben 13 Einrichtungen in 7 Fotos: privat Bundesländern Substitutionsbehandlun- gen mit Diamorphin durchgeführt. Die überwiegend gemeldeten Substitutions- mittel sind Levomethadon (Anteil 36,8 %) und Methadon (Anteil 36,6 %). Der An- teil an Levomethadon ist in den vergan- genen Jahren kontinuierlich angestiegen und hat 2020 erstmals den Anteil an Me- thadon überschritten (Abbildung 3). Der Anteil von Buprenorphin liegt seit sechs Jahren nahezu konstant bei rund 23 %. Dirk Schäffer u Quelle: www.bfarm.de u Der Gesamtbericht mit weitaus mehr Informationen steht unter www.bfarm.de, Suchbegriff „Substitution“ zum Down- load bereit 16
www.jes-bundesverband.de leben mit drogen Kommentar von Dirk Schäffer, nicht mal 50 % der Opioidkonsument*innen bisher für die Substitutionsbehandlung erreicht werden konnten. Deutsche Aidshilfe Die Initiative 100.000 Substituierte bis 2022 strebt an, dass deutlich mehr Heroinkonsument*innen für die Be- Möchte man in Zeiten der Corona-Pandemie mit etwas handlung motiviert werden. Mit großer Sorge frage ich, positivem beginnen, so zeigt der Bericht, dass die Zahl was machen wir denn, wenn es uns tatsächlich gelingt der Substitutionspatient*innen erstmals über 80.000 mehr Heroinkonsument*innen für die Substitution zu gestiegen ist und dass es trotz der prekären Situation interessieren. hinsichtlich der abnehmenden Zahl substituierender Ärzt*innen möglich war, fast 2.000 Patient*innen neu Fachverbände wie Akzept und die Deutsche Aidshil- aufzunehmen. fe und Patientenorganisationen wie der JES-Bundes- verband versuchen seit vielen Jahren weitergehende Die Dramatik des Berichts wird deutlich, wenn man rechtliche, finanzielle und strukturelle Änderungen für sich die Zahlen genau anschaut. So behandeln 350 die Substitutionslandschaft zu fordern und skizzieren Ärzt*innen 40.000 Patient*innen. Dies bedeutet, dass Beispiele wie dies funktionieren kann. Es tut mir leid, wenn nur ein kleiner Teil dieser Behandler*innen durch dies sagen zu müssen, aber bisher fehlt es an der Un- das Erreichen des Rentenalters ausscheidet, wir mit terstützung der Ärzteschaft für fast alle unsere Vor- einer fundamentalen Versorgungskrise konfrontiert schläge. sind. So ist unserer Ansicht nach eine erneute Der Bericht zeigt auch, dass es trotz intensiver Bemü- Veränderung der BtmVV im Hinblick auf die Dia hungen nicht gelingt ausreichend neue Ärzt*innen zu morphinbehandlung anzustreben. Zugangsindika- gewinnen. Diese Fakten müssen uns als Patient*innen, tionen müssen denen der „normalen Substitution“ Fachverbände, Aids- und Drogenhilfen und als angeglichen werden. Auf diese Weise kann es uns Ärzt*innen dazu veranlassen über fundamentale struk- gelingen bisher nicht erreichte Menschen zu errei- turelle Änderungen nachzudenken. Dies umso mehr, chen und Behandlungsverläufe zu verbessern. wenn man bedenkt, dass mit 81.300 Patient*innen Die aktuell geltenden Ausnahmeregelungen sollten unbedingt auf ihren Nutzen überprüft werden. Soll- ten sie positive Effekte haben, gilt es gemeinsam dafür zu arbeiten, dass die Ausnahmeregelungen fester Bestandteil der BtmVV werden. Denn nur wenn es uns gelingt Substituierte deutlich individualisierter zu behandeln und bei jenen die seit Jahren stabil substituiert werden, die Kontaktfrequenzen in der Praxis zu reduzieren, wird es Raum für neue Patient*innen geben. Hierzu bedarf es u.a. einer Reform der EBM, denn eine stabile Behandlung mit eigenverantwortlicher Einnahme des Medikaments ist ein Erfolg von Arzt und Patient und muss für Behandler*innen anders entlohnt werden. Wenn es uns nicht gelingt im Schulterschluss diese und weitere Punkte anzugehen, werden zehntausende Patient*innen in den nächsten Jahren ein böses Erwa- chen erleben. Dies kann nicht in unserem Sinne sein. Daher sollten wir alles tun, um eingefahrene Wege zu verlassen und rechtliche und strukturelle Veränderun- gen anstreben. Hierfür benötigen wir aber die behan- delnden Ärzt*innen und ihre Dachgesellschaften. 17
leben mit drogen DROGENKURIER Timo ist Familienvater Foto: privat und wird seit vielen Jahren substituiert. Er hat sich bereiterklärt, dem DROGENKURIER ein Interview zum Thema „Substitution mit einem Depotmedikament“ zu geben. Wie bist du in Kontakt mit illegalen Substanzen gekommen? Ich habe meinen ersten Joint mit 12 Jah- ren geraucht. So mit 13 Jahren dann Speed. Das habe ich 10, 15 Jahre lang kon- sumiert. Dann hat meine Freundin ein Baby bekommen, das in meinen Armen am plötzlichen Kindstod gestorben ist. Zu dieser Zeit bin ich mit Heroin in Kontakt gekommen. Dann folgte mein komplet- ter Absturz. Und seit wann bist du wegen deiner Sucht in Behandlung? Vor 13 Jahren, als ich meine jetzige Frau in der Therapie kennenlernte, habe ich mich entschieden, dass ich etwas ver- ändern möchte. Nach einem erneuten „Rückfall“ mit Speed, nach der Therapie dachte ich „das kann es doch nicht sein“ und bin zu meinem heutigen Substituti- onsarzt gegangen. „So frei wie jetzt, habe ich mich nie gefühlt“ Ein persönlicher Bericht über die Substitution mit einem Depotmedikament 18
www.jes-bundesverband.de leben mit drogen Wie hast du von dem neuen Medika- „Diese Ups und Frau geführt. Jetzt gehe ich einmal im ment in einer neuen Applikationsform Monat zum Arzt. So frei wie jetzt, habe erfahren? Downs, die ich bei der ich mich nie gefühlt. Mein Substitutionsarzt hat mich vor zwei täglichen Einnahme Jahren angesprochen. Wir hatten schon sehr stark empfunden Wie hat sich die Beziehung zu deinem viel probiert. Er hat mir empfohlen, dass Substitutionsarzt verändert? ich es mit dem damals neuen Depotme- habe, gibt es halt beim Ich habe eine sehr gute Beziehung und dikament versuchen sollte. Ich war Teil Depotmedikament einen engen Kontakt zu meinem Arzt. einer Studie und einer der Ersten der um- nicht. Es ist quasi ein Das Patient-Arzt-Verhältnis muss halt gestellt wurde. auch stimmen. Weil, wenn man halt Dauerhoch.“ einen Larifari-Arzt hat, der dich schnell Was waren die Gründe, dass du dich abfertigt und so, das finde ich auch nicht auf ein Depotmedikament hast umstel- gut. Jetzt ist der Zwang weg. Die Substi- len lassen? tution fühlt sich nun wie eine normale Ich war so ein Kandidat, der immer tigt. Man muss sich einfach darauf ein- Behandlung an. So nehme ich das wahr. wegen Take Home gedrängt hat und 7 lassen können und dem Medikament Tage reichten mir eigentlich nicht aus. vertrauen. Wem würdest du ein Depotmedikament Durch die Familie und Arbeit ist es halt empfehlen? immer scheiße, wenn man jede Woche in Was ist das Positive für dich nach der Ich kann es eigentlich nur jedem nahele- die Praxis muss. Da kam das Depotmedi- Umstellung? gen, es zu versuchen. Es hilft einem, Frei- kament gerade recht. Die Spritze habe ich Ich bin nicht mehr an eine Tablette ge- heit und Zufriedenheit für sein Leben dann wöchentlich bekommen, vier Wo- bunden. Ich muss nicht jeden Tag oder wieder zurück zu bekommen. Man muss chen lang. jede Woche in die Substitutionspraxis sich aber auch auf das Ganze einlassen. rennen und dort mit den Leuten sitzen. Nicht gleich wieder den Kopf in den Sand Wie sind deine Erfahrungen nach den Ich habe Kinder und bei den Tabletten stecken, wenn es die ersten zwei, drei Wo- ersten Injektionen gewesen? musste ich immer aufpassen, dass sie chen ein bisschen schwieriger ist. Ich bin Am Anfang war ich skeptisch. Ich habe nicht irgendwo rumliegen. Urlaub war jetzt einfach zufriedener. Ich habe meine mich gefragt, ob das überhaupt klappt, schwierig und diese ganzen Absprachen Arbeit, eine Konstante in der Beziehung dass ein Medikament zur Substitution waren dann auch schonmal ein Heck- und ich hab meine Kinder. Ich führe ein so lange wirken kann. meck. Ich habe mich oft geärgert, weil ganz normales Leben. Nach der ersten Spritze habe ich die was nicht klappte und dies hat manch- Wirkung deutlich gespürt. Die Wirkung mal auch zu Spannungen mit meiner Vielen Dank, Timo. war so, als wenn ich eine Buprenorphin Tablette genommen hätte. Nach dem zweiten, dritten Tag habe ich gedacht, dass ich unbedingt mehr brauche, da die Wirkung nachlässt. Dann aber hab ich zu mir selbst gesagt: „Nee, das machst du jetzt nicht. Warte ab Timo und schau wie es dir morgen geht und ob es eine Woche hält“. Als die Woche vorbei war, da habe ich gemerkt, dass es wunderbar geklappt hat. Keine Schwankungen in der Wirkung wie man es vielleicht kennt bei der täglichen Einnahme. Es war einfach eine Kopfsache, weil die tägliche Tablet- te halt gefehlt hat. Diese Ups und Downs, die ich bei der täglichen Einnahme sehr Bildquelle: Camurus stark empfunden habe, gibt es halt beim Depotmedikament nicht. Es ist quasi ein Dauerhoch. In den letzten 2 Jahren habe ich keine höhere oder frühere Dosis benö- 19
leben mit drogen DROGENKURIER Ein einzigartiger Tag für lebende und verstorbene © Deutsche Aidshilfe e.V 2021 | Druck: XPress Druck Nunsdorfer Ring 13 12277 Berlin | Gestaltung: www.diegoldkinder.de | Bestellnummer: 052203 Drogengebraucher*innen Veranstaltungen von Kiel bis München und von Emmerich bis 21. Juli Jena zeigen, dass es beim Gedenktag um weit mehr geht als verstorbenen Drogengebraucher*innen zu gedenken. In vielen Veranstaltungen geht es auch darum die Lebens- und Konsum- Internationaler Gedenktag bedingungen für Drogengebraucher*innen zu verbessern und für verstorbene Drogengebraucher*innen auf drogenpolitische Defizite hinzuweisen. So hat sich der Ge- denktag in den letzten 23 Jahren zum größten Gedenk- und Ak- tionstag im Bereich illegaler Drogen entwickelt. Neue Medien für den Gedenktag 2021 Im Abstand von 2–4 Jahren nutzen wir Projekt- mittel der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, um neue Plakate und Flyer zu er- arbeiten, die dem Gedenktag am 21. Juli ein Gesicht geben sollen und vor Ort die Möglich- keit bieten, kommunale Veranstaltungen anzu- kündigen. Die ebenfalls neu erarbeiteten Flyer können u. a. bei Infoständen an Bürger*innen verteilt werden. JES-Bundesverband Ab sofort besteht die Möglichkeit die Medien unter u www.aidshilfe.de/shop und u www.jes-bundesverband.de/medienshop Du fehlst kostenfrei zu bestellen. Das Poster steht gedenktag21juli.de im Format A1 und A2 bereit und enthält eine leicht aufgehellte Fläche, um eigene Veranstaltungen anzukündigen. Der 21. Juli wirft seine Schatten voraus In wenigen Wochen treffen sich Eltern und Angehö Informieren und die eigene rige sowie Mitglieder des JES-Bundesverbands, um gemeinsam die Themenfindung für den Gedenktag Veranstaltung ankündigen 2021 vorzunehmen. Auch in diesem Jahr bieten wir die Möglichkeit Mit Ihrer und eurer Unterstützung gelang es im Coronajahr die eigene Veranstaltung auf der eigens für 2020 den bisher zahlenmäßig größten Gedenktag für verstor- den Gedenktag geschaffenen Webseite www. bene Drogengebraucher*innen zu veranstalten. Die unglaubli- gedenktag21juli.de anzukündigen. Schicken Sie che Anzahl von 72 Städten beteiligte sich am Gedenktag 2020. Ihre Unterlagen an vorstand@jes-bundesverband. Die Zahl der beteiligten Einrichtungen ist schwer greifbar. Un- de. Darüber hinaus finden Sie auf der Webseite sere Recherchen haben ergeben, dass sich mehr als 300 Einrich- alle Informationen zum Gedenktag 2021 tungen am Gedenktag 2020 beteiligten. 20
DEINE THERAPIE IST EINSTELLUNGSSACHE Sprich mit deinem Arzt über deine Dosierung, bevor der Suchtdruck zu stark wird. Mit der richtigen Einstellung leben.
leben mit drogen DROGENKURIER „Ich habe großen Respekt vor Drogen gebrauchenden Menschen“ Seit vielen Jahren versuchen Akteure aus Aids- und Drogenhilfe, Medizin, sowie Wissen- schaft und Industrie Drogengebraucher*innen als Zielgruppe mit hoher HCV-Prävalenz zum Test und zur Behandlung zu motivieren. Darüber hinaus ist es ihr Ziel bestehende Vorbehalte zu überwinden. Das Ziel ist, das Hepatitis C-Virus bis zum Jahr 2030 zu eliminieren. Können der Wegfall des Arztvorbehalts sowie die neue Möglichkeit des sofortigen HCV- Behandlungsbeginns dazu beitragen die Zahl der Tests und der Behandlungen bei aktiven Drogengebraucher*innen aber auch bei Substituierten zu erhöhen? Diesen und weiteren Fragen gehen die Interviews mit Michael Harbaum von der Drogenhilfe Düsseldorf und Dr. Holger Hinrichsen aus Kiel nach. Welchen Stellenwert hat die Hepatitis C Sind Drogenhilfeeinrichtungen ein ge- in Ihrer Drogenhilfeeinrichtung? eigneter Ort, um Drogengebraucher*in nen auf eine HCV-Infektion zu testen? Hepatitis-C-Tests bieten wir schon lange an, zunächst im Rahmen einer Koopera- Grundsätzlich ja. Wir sind ja mit den Kli tion mit der Aidshilfe in Düsseldorf. Im ent*innen ohnehin im Gespräch, etwa Laufe der Jahre hat der Stellenwert der Er- um Problemsituationen zu erfassen und krankung kontinuierlich zugenommen. Lösungen auszuarbeiten. Wenn es sich Seit wir in das Projekt ‚Das CHECK ich!‘ anbietet, thematisieren wir auch die He- eingestiegen sind, ist die Hepatitis C ein patitis C. Dabei gehen wir aber immer Schwerpunkt unserer Arbeit. individuell vor. Manchmal gibt es eine 22
www.jes-bundesverband.de leben mit drogen nen aufbauen. Zunächst versuchen wir, sie dazu zu motivieren, sich generell um ihre Gesundheit zu kümmern. In diesem tattoo? Zusammenhang kann man dann auch auf die Hepatitis C hinweisen, darüber in- formieren und ein Testangebot machen. piercing? Wichtig ist mir, dass es immer eine Be- ratung zum Test gibt. Wer führt dann den Test durch? Aber sicher: Beim Profi und mit sauberem Gerät. Gebrauchte Nadeln können HIV und Hepatitis übertragen. Bei uns macht das oft eine Mitarbeiterin, die auch Krankenschwester ist. Aber man kann eigentlich jede*n Mitarbeiter*in mit geringem Aufwand entsprechend quali- fizieren. Dadurch und durch den Wegfall des Arztvorbehalts können wir praktisch jederzeit testen, auch ganz spontan, wenn sich ein*e Klient*in gerade dazu ent- schlossen hat. Das ist ein großer Vorteil. Auch die Behandlung kann heute schnell beginnen. Auch das ist eine enorme Verbesserung. Bis vor Kurzem musste man nach der Dia- gnose erst einmal ein halbes Jahr warten, in dem immer mal was dazwischenkom- men konnte und die Behandlung dann doch nicht stattfand. Diese Gefahr be- steht heute nicht mehr. Für unsere Ziel- 2020/bestellnr. 052121 foto barbara dietl/dietlb.de gruppe ist alles gut, was über kurze Wege, schnell und unkompliziert erreichbar ist. model agentur deebeephunky gestaltung dia°/diaberlin.de druck druckerei conrad gmbh breitenbachstr. 34–36 13509 berlin Apropos kurze Wege: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Arztpraxen? Wir arbeiten mit mehreren Einrichtungen zusammen, darunter sind Schwerpunkt- praxen, mit denen wir sehr gute Erfahrun- gen machen. Bei anderen ist das Angebot eher auf die Allgemeinbevölkerung zuge- schnitten, es passt dann häufig nicht zu den Anforderungen, die sich in der Be- Abwehrhaltung, die man nicht beim ers- Michael Harbaum ist ten Gespräch knacken kann, manchmal treuung von Drogengebraucher*innen er- geben. Ideal ist die Zusammenarbeit mit Sozialpädagoge und seit haben die Klient*innen gerade andere Substitutionspraxen. Dort tauchen sie so- Prioritäten. Es braucht schon ein Gespür langem in der Drogenhilfe für die Situation. wieso täglich auf, und sie nehmen dann halt zusätzlich noch ein Medikament ein. tätig. Seit 2016 leitet er Aber auch in anderen Praxen stellen wir Wie treten Sie an die Klient*innen als geschäftsführender heran? fest: Wenn es ein paar Mal geklappt hat, dann läuft das plötzlich; wo es aber Vor- Vorstand die Drogenbera- Wir tun das niedrigschwellig im Rahmen behalte gibt, ist es schwierig, überhaupt tung Düsseldorf e. V. der Beziehung, die wir zu den Klient*in einen Anfang zu finden. 23
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